Prickelndes Abenteuer in Manhattan

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Spontan macht Emily eine Woche Urlaub in Manhattan. Shoppen, Sightseeing – und vielleicht sogar heißer Sex? Ihr pikanter Wunsch scheint sich zu erfüllen, als sie mit einem breitschultrigen Fremden das Taxi teilt. Direkt zu seinem Penthouse …


  • Erscheinungstag 07.03.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529204
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Von: AdventureGirl@FantasyEscapes.com

Okay, Mädels, es ist so weit. Fantasy Escapes geht morgen für alle an den Start, und ich werbe offiziell bei meinen besten Freundinnen um Aufträge – nennt mich ruhig dreist, aber ich finde, jede von euch hat einen fabelhaften Kurztrip verdient!

Für diejenigen unter euch, die das letzte Jahr hinterm Mond gelebt haben: Seit Premiere Properties mich entlassen hat, arbeite ich an einem neuen Start-up. Ich setze meine zahllosen Reiseerfahrungen ein, um meinen Kundinnen einen einzigartigen Urlaub zu verschaffen. Du könntest eine Massage am Strand von Miami gebrauchen? Ich buche dir die besten Hände von South Beach und weiß, wo es die luxuriösesten Cabanas gibt. Du willst einen Skiausflug samt Schlittenfahrt? Eine Radtour zum Gipfel eines hawaiianischen Bergs? Ich kann dafür sorgen, dass du dort die beste Zeit für einen perfekten Sonnenuntergang erwischst. Erinnert ihr euch, dass ich enthusiastischer Workaholic bin? Stellt euch vor, Marnies gesamter Perfektionismus ist nur ein paar Klicks entfernt! Ich erschaffe das einmalige Erlebnis, von dem ihr träumt.

Hier sitze ich also mit meinem geballten Fachwissen und bin bereit, all meine sexy Lieblingsfreundinnen auf ein Abenteuer zu schicken. Schreibt mir eine Mail, wenn ihr bereit zum Abflug seid! Ihr alle wisst genau, dass ihr es verdient habt …

P. S.: Emily, Süße, ich würde mein neues Cabrio darauf verwetten, dass du gerade in einer fünf Jahre alten Jogginghose und diesen schrecklichen Plüschpantoffeln dasitzt, die du schon im College jeden Abend getragen hast. Ich weiß, du genießt deinen allmorgendlichen Gang zur Kaffeemaschine, aber du musst mehr rausgehen. Ernsthaft! Du musst deine Komfortzone ab und zu verlassen. Hier geht es nicht darum, mein Geschäft anzukurbeln. Hier spricht eine Freundin, die dich sehr lieb hat und sich ein tolles Leben für dich wünscht …

Umarmungen und Küsse,

Marnie

Nachdem sie die E-Mail gelesen hatte, lehnte Emily Carter sich in ihrem Stuhl zurück, betrachtete ihre abgenutzte graue Jogginghose und seufzte. Sie würde doch kein Kleidungsstück wegwerfen, das noch völlig in Ordnung war, nur weil es bereits einige Jahre auf dem Buckel hatte. Schließlich ging Emily, wie ihre Freundin richtig angemerkt hatte, nicht viel aus. Sie arbeitete zu Hause, warum also sich die Mühe machen, sich anzuziehen?

Aber wie schön für Marnie! Sie hatte sich geschworen, vor ihrem nächsten Treffen ein eigenes Business an den Start zu bringen. Nicht, dass Emily jemals an Marnies Erfolg gezweifelt hätte. Die Frau war klug, ehrgeizig und hatte immer ein Füllhorn voller großartiger Ideen. Diese Fantasy Escapes zum Beispiel. Ein kluger Schachzug, ihre Verbindungsschwestern anzuschreiben. Die meisten von ihnen verdienten gut und konnten es sich leisten, sich einen von Marnie geplanten Urlaub zu gönnen. So etwas war genau das Richtige für sie alle.

Für sie selbst allerdings nicht. Zwar hatte sie sich nicht allzu schlecht geschlagen und manchmal mehr Arbeit, als sie bewältigen konnte, doch sie hatte einen anderen Weg beschritten als die meisten ihrer Verbindungsschwestern. Sie war eher eine Einsiedlerin, zufrieden damit, dem Druck einer rasanten Karriere zu entgehen. Sie mochte es, von zu Hause aus zu arbeiten und ja, jeden Tag bequeme Trainingsklamotten zu tragen. Ihr Online-Sozialleben war ziemlich stimulierend und entsprach perfekt ihren Bedürfnissen.

Nun, den meisten zumindest, dachte sie, und ihr Blick wanderte zurück zu Marnies E-Mail. Ein bisschen Sex wäre nicht das Schlechteste.

1. KAPITEL

„Oh, du bist blond.“ Emily öffnete die Haustür ganz und nahm ihrer Schwester dann zwei ihrer Einkaufstaschen ab.

„Seit gestern. Wie findest du es?“

„Sehr schön. Total natürlich.“

„Nicht wahr?“ Pam fegte an ihr vorbei und neigte den Kopf, damit sie ihr Spiegelbild in der Standuhr erhaschen konnte, die die Diele der Carters seit drei Generationen zierte.

Ein frischer Herbstwind wehte zwei gelbe Blätter herein. Emily warf einen Blick nach draußen, um sich zu vergewissern, dass nicht noch eine ihrer Nichten hinterherkam, dann schloss sie die Tür. Ihre Schwester gehörte zu jenen Menschen, die einen Raum auszufüllen, den ganzen Sauerstoff zu absorbieren und alle anderen zu verdrängen schienen. Manchmal schloss das auch ihre Kinder ein. Es war keine Absicht und sie meinte es nie böse, aber so war sie nun einmal.

„Obwohl mir deine Haare auch in Rot gefallen haben“, ergänzte Emily, während sie ihrer älteren Schwester ins Wohnzimmer folgte und sie darum beneidete, wie der kurze graue Bleistiftrock ihre langen Beine zur Geltung brachte. Pam war groß und elegant, ihre jüngere Schwester Denise hingegen zierlich und wahnsinnig liebenswert. Emily lag genau in der Mitte, durchschnittlich in jeder Hinsicht. Was keine große Sache war. Als Teenager, klar. Aber jetzt nicht mehr, mit achtundzwanzig.

Pam schnaubte. „Goldbraun, nicht Rot. Wo ist Mom?“

„Sie ist draußen und holt die letzten Rosen aus dem Gewächshaus. Was ist in den Tüten?“

„Weihnachtsgeschenke.“

„Und statt sie mit nach Hause zu nehmen, hast du sie hierhergebracht, weil …?“ Emily glaubte, die Antwort zu kennen.

„Damit du sie einpacken kannst. Eilt nicht.“

„Äh, ja, Thanksgiving ist ja auch erst in drei Wochen.“

Pam ignorierte Emilys Sarkasmus, kippte die Tüten auf der hellbraunen Ledercouch aus und blickte dann stirnrunzelnd auf ihre Armbanduhr. „Ich hoffe, Denise kommt nicht zu spät. Mark und ich haben heute zum Abendessen einen Tisch im Club reserviert.“

„Denise kommt auch?“

„Oh, hat dir denn niemand gesagt, dass wir uns heute treffen?“

Seufzend schüttelte Emily den Kopf. Wieso auch? Sie war doch immer hier. Sie arbeitete zu Hause, verbrachte ihre Freizeit mit Lesen oder Kochen und ging an einem Samstagabend höchstens aus, wenn sie als Last-Minute-Babysitterin für ihre Nichten gebraucht wurde. „Was gibt’s denn?“

„Wir besprechen das Thanksgiving-Dinner.“ Pam ging hinüber zu der kleinen Bar und mischte sich einen Martini. Sie stellte die Flasche Gin ab und beäugte kritisch Emilys ausgebeulte Lieblingshose. „Ich kann nicht glauben, dass du die immer noch hast.“ Ihr Blick wanderte zu den flauschigen rosa Hausschuhen. „Oh mein Gott.“

„Was?“ Emily sah nach unten. Okay, nach all den Jahren sahen sie ziemlich schäbig aus. „Ich gehe damit ja nicht vor die Tür.“

„Aber was ist, wenn jemand klingelt?“

„Wer denn zum Beispiel?“

„Na, dieser süße UPS-Typ, der deine Manuskripte liefert.“

Emily seufzte. Traurig, dass er mal das Highlight ihrer Woche gewesen war. Zum Teufel, ihres Lebens. Es war sogar so weit gegangen, dass sie sich Wimperntusche aufgetragen hatte, wenn sie wusste, dass er kommen würde. „Sie haben seine Route geändert.“

„Hm. Und wer kommt stattdessen?“

„Eine Frau.“

„Schade. Dein einziger Lichtblick ist weg.“ Pam trank einen Schluck ihres Martinis. „Du musst wirklich mehr rauskommen.“

„Vielen Dank, aber mein Leben gefällt mir. Allein wie viel Geld ich für Klamotten spare, wenn ich von zu Hause aus arbeite.“

„Offensichtlich.“

Emily rollte mit den Augen. Sie liebte ihre Schwester, wirklich. Aber manchmal konnte Pam echt nervig sein. „Ich glaube, ich habe eine Autotür gehört“, murmelte sie und ging zum Fenster. Sie entdeckte ihre jüngere Schwester, die in einem sehr schicken lilafarbenen Hosenanzug aus Seide und unmöglich hohen Absätzen ihren roten Schopf gegen den Wind neigte, während sie den Gehweg hinaufeilte.

„Denise?“

„Ja.“

„Gut. Dann geh Mom holen, ja? Ich muss kurz Mark anrufen.“

Mit Vergnügen. Dann hätte sie wieder ihre Ruhe. Sie hörte die Haustür, während sie zur Küche auf der anderen Seite des Hauses stapfte. Das war doch wirklich ein Witz. Das Thanksgiving-Dinner besprechen? Sie wusste, wie das laufen würde. Und zwar so, wie es immer lief. Mit ihr als Köchin.

Bevor Emily die Tür erreichte, betrat Laura Carter, die Matriarchin des Carter-Clans, die Küche mit lauter duftenden rosa und gelben Rosen in den Handschuhen.

„Sind die Mädels da?“, fragte sie und schob sich mit dem Handrücken den blonden Bob aus dem Gesicht.

„Ja.“ Emily stellte sich auf die Zehenspitzen, um an die Kristallvase zu kommen, die auf dem fünf Generationen alten Eichenschrank stand. „Du hast gar nicht erwähnt, dass sie kommen würden.“

„Habe ich nicht?“ Sie lächelte. „Tut mir leid, mein Schatz. Bitte nur halb voll, ja?“

Pflichtbewusst füllte Emily die Vase. „Pam und Mark haben einen Tisch reserviert, deshalb ist sie etwas in Eile.“

„Nun ja, sie wird noch ein paar Minuten warten können.“ Sie beschnitt die Stiele und arrangierte die Rosen dann sorgfältig zu ihrer Zufriedenheit.

Emily lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und betrachtete ihre Mutter liebevoll bei der Arbeit. In gewisser Weise war sie ihr sehr ähnlich. Definitiv viel entspannter als Pam oder Denise, und mit einer großen Vorliebe für lange, sentimentale Filme und herzergreifende Bücher, die sie bis drei Uhr morgens fesselten.

Umgekehrt waren Pam und Denise geselliger und ehrgeiziger, wie ihr Vater. Zumindest hatte Emily das im Laufe der Jahre in Erfahrung bringen können. Bei seinem Tod war sie acht Jahre alt gewesen, und obwohl sie ihn, zumindest mit Kinderaugen, recht lebhaft im Gedächtnis behalten hatte, verließ sie sich bei den Nuancen seiner Persönlichkeit auf die Erinnerung ihrer Mutter.

Laura trat einen Schritt zurück, um ihr Arrangement zu bewundern. „Ich hätte etwas Grün mitbringen sollen.“

„Du weißt schon, dass die beiden jeden Augenblick nach uns rufen werden?“

„Ehrlich gesagt, bin ich überrascht, dass sie das nicht schon getan haben“, antwortete sie unbekümmert und schob eine rosa Blüte auf die andere Seite der Vase.

Emily kicherte. Ihre Mutter hatte Mut, das musste sie zugeben. Hinter ihrem zierlichen, vornehmen Äußeren war sie ziemlich taff und wusste für gewöhnlich, was sie wollte. Außer, wenn es um Männer ging. Da geriet sie ins Stocken. Es war wirklich traurig – als würde sie immer noch einer so großen Liebe hinterherjagen wie einst mit Emilys Vater.

In dieser Hinsicht war Emily ganz und gar nicht wie ihre Mutter. Männer und Dates waren überhaupt kein Thema. Hauptsächlich weil es an Gelegenheiten mangelte, doch trotzdem lag sie nicht nachts wach und sehnte sich nach jemand ganz Besonderem, nicht einmal nach dem UPS-Typen, so süß er auch war. In der Highschool war sie immer ein Bücherwurm gewesen und konnte die Dates, die sie gehabt hatte, an einer Hand abzählen. Auf dem College hatte es kein nennenswertes oder langfristiges romantisches Intermezzo gegeben. Sie hatte ein paar gute männliche Freunde gefunden, aber das war es auch schon. Egal, in erster Linie war sie mit ihrem Leben zufrieden. Wirklich. Sie hatte ihre Arbeit und ihre Bücher … obwohl sie den Sex manchmal vermisste. Die zweijährige Durststrecke machte ihr allmählich zu schaffen.

Kurz dachte sie über Marnies E-Mail nach. Vielleicht würde sie nächstes Jahr etwas wagen. Wie wär’s mit einer Kreuzfahrt oder einer geführten Tour durch Frankreich und Italien? Genug Geld hatte sie gespart. Sich das Elternhaus mit ihrer Mutter zu teilen, hatte seine finanziellen Vorteile. Laura Carter kam nicht gut mit sich alleine zurecht, und nach der dritten Scheidung hatte Emily sich bereit erklärt, wieder in das große Backsteinhaus zu ziehen, um sich an der Hypothek und den Unkosten zu beteiligen.

Nach zwei Jahren kamen sie noch immer gut miteinander aus und traten sich selten auf den Schlips. In erster Linie, so vermutete sie, weil sie selbst so viel Zeit in ihrem Arbeitszimmer verbrachte und ihre Mutter meist den Tag über unterwegs war. Ironischerweise – eher tragischerweise – hatte Laura mit ihren vierundfünfzig Jahren ein aktiveres Sozialleben als Emily.

„Ich habe nicht den ganzen Abend, ihr beiden!“, rief Pam aus dem Wohnzimmer. „Können wir mal anfangen?“

Emily seufzte. „Ich sage es nur ungern, aber sie hat recht. Bringen wir es hinter uns.“

„Einverstanden.“ Sie warf einen Blick auf die Uhr. „Vielleicht schaffe ich es noch zum Bridge bei Sheila.“

„Ich wüsste nicht, was dagegen spricht“, murmelte Emily. „Sollte nicht lange dauern.“ Ihre Laune war plötzlich im Keller, und sie wusste nicht warum. Es scherte sie einen feuchten Kehricht, dass alle außer ihr heute Abend irgendwo hinmussten. Es war ihr wirklich egal. Ihre Gereiztheit rührte vielmehr daher, dass sie wusste, wie dieses sogenannte Familiengespräch unweigerlich ablaufen würde.

Ohne etwas von Emilys Unmut zu ahnen, ging ihre Mutter voraus ins Wohnzimmer und steuerte direkt auf die Bar zu. Pam und Denise saßen auf dem Ledersofa und nippten an ihren Cocktails. Emily setzte sich auf den zugehörigen Sessel und beobachtete, wie ihre Mutter sich ein Glas Weißwein einschenkte.

„Ich nehme auch eins, wenn du nichts dagegen hast“, sagte Emily in dem Bewusstsein, dass sich alle umdrehten und sie anstarrten. Sie trank nur selten, meist an Feiertagen oder zu besonderen Anlässen, aber das war es auch schon.

Sie glitt aus ihren rosafarbenen Hausschuhen und zog die Füße unter ihren Hintern. Sie fühlte sich ein bisschen besser, weil sie alle überrascht hatte – albern, aber so war es.

Verächtlich beäugte Pam ihre Pantoffeln. „Ich schätze, wir wissen schon, was du dir dieses Jahr zu Weihnachten wünschst.“

„Eine neue Schwester?“, erwiderte Emily zuckersüß.

Denise lachte schallend auf.

„Seid nett zueinander.“ Ihre Mutter schüttelte missbilligend den Kopf und reichte Emily das Glas Wein.

Pam schnaubte, leerte ihren Drink und sah auf die Uhr. „Ich weiß, es ist Tradition und so, aber ganz ehrlich, wir hätten das einfach am Telefon besprechen sollen. Ich gehe davon aus, das Thanksgiving-Dinner findet um vier statt“, sagte sie, bedachte alle mit einem Blick und fuhr dann prompt fort. Offenbar brauchte sie keine Zustimmung. „Dieses Jahr kümmere ich mich um die Getränke für alle. Und gleich um die Ecke von meinem Büro gibt es eine fabelhafte neue Bäckerei, bei der man Brötchen und Kuchen vorbestellen kann, also übernehme ich auch das.“

„Gekaufte Kuchen und Brötchen?“ Denise fiel die Kinnlade herunter. „Ernsthaft?“

„Na ja, meistens sind doch alle zu satt für den Nachtisch, und sollten wir Emily nicht eine Pause gönnen? Es sei denn, du hast vor, den Truthahn, das Dressing, das Kartoffelpüree und den Süßkartoffelauflauf zuzubereiten?“

Denise wurde rot und warf Emily einen entschuldigenden Blick zu. „Ich dachte, ich bringe wie immer den Salat, die Preiselbeersauce und die Nüsse mit. Wir kommen an diesem Morgen erst vom Skifahren in Vail zurück, deshalb werde ich keine Zeit haben, richtig zu kochen.“

Pam sah ihre Mutter erwartungsvoll an. „Du kümmerst dich um die Erbsen mit Perlzwiebeln?“

„Ich werde selbst die Nacht in Chicago verbringen. Ich habe Carla versprochen, vor dem Weihnachtsrummel mit ihr einkaufen zu gehen. Aber ich glaube, das bekomme ich hin. Ich weiß, wie sehr Mark sich darauf freut.“

„Wie schön. Chicago wird großartig. Ich wette, bis dahin ist die Stadt schon weihnachtlich geschmückt“, sagte Pam und beschrieb die Überraschung, die sie für ihren Mann hatte.

Mit wachsender Frustration hörte Emily zu, wie sie ihre jeweiligen Pläne für Shopping, Besuche bei Freunden und Skifahren diskutierten. Sich immer wieder vor Augen zu führen, dass es ebenso sehr ihre Schuld war wie die der anderen, schien nicht zu helfen. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie zu fragen, was sie beitragen wollte oder ob sie überhaupt Lust hatte, das epische Festmahl in Angriff zu nehmen. Sie gingen davon aus, dass sie wie an jedem Feiertag die Verantwortung tragen würde. Es war eine Aufgabe, die sie selbst immer klaglos übernommen hatte.

Sie räusperte sich leise. „Ich werde nicht hier sein.“

Ruckartig sahen Pam und Denise sie an, die Augen ungläubig aufgerissen.

Ihre Mutter, die gerade eine Anekdote über ihren letzten Shoppingtrip in Chicago erzählte, verstummte. Offensichtlich hatte sie Emily nicht gehört. Sie schien verwirrt, und ihr Blick huschte zwischen ihren Töchtern hin und her.

„Was?“

„Sag das nochmal“, befahl Pam.

„Ich werde an Thanksgiving nicht hier sein.“ Allein die Worte auszusprechen, jagte ihr eine Heidenangst ein, aber Pech gehabt. Sie hatte die Nase voll.

„Du machst Witze.“ Denise runzelte die Stirn. „Wo solltest du sonst sein?“

Emily zögerte, ihr Herz raste. „In New York.“

„Ernsthaft“, bemerkte Denise misstrauisch. „New York. Du fährst nie irgendwohin, und plötzlich willst du nach New York?“

„Ich dachte, es wäre schön, dieses Jahr dort meine Weihnachtseinkäufe zu erledigen.“ Emily biss die Zähne zusammen, als sie sah, wie belustigt Pam und ihre Mutter sie anschauten. Sie glaubten, sie bluffte nur. Oh Gott, jetzt konnte sie keinen Rückzieher mehr machen.

„Und wann wolltest du uns verraten, dass du andere Pläne für Thanksgiving hast?“, fragte ihre ältere Schwester in jenem leicht vorwurfsvollen Ton, den sie im Laufe der Jahre gemeistert hatte.

„Sobald ihr euch bequemt zu fragen.“

Pam räusperte sich verärgert. „Aber du hast doch immer … Das ist doch nur wegen dieses UPS-Typen, nicht wahr? Du musst wirklich mal flachgelegt werden, Emily.“

„Also wirklich, Kinder.“ Ihre Mutter bedachte sie mit einem warnenden Blick, den sie seit Highschoolzeiten nicht mehr benutzt hatte.

Emily lachte auf. Nicht, dass sie es je im Leben zugeben würde, aber ihre Schwester hatte recht. Sex war genau das, was Emily brauchte. Und New York klang wie der perfekte Ort dafür.

Der Flug war holprig gewesen, der Zwischenstopp in Detroit endlos, und nun schwebten bedrohlich dunkle Wolken über dem LaGuardia Airport. Emily stand am Bordstein und wartete auf einen Shuttle zu dem überteuerten Hotel in Manhattan, das sie Marnie aus einem Impuls heraus hatte buchen lassen. Wenigstens ihre Reisetasche hatte es geschafft. Zwei andere Frauen neben ihr an der Gepäckausgabe hatten feststellen müssen, dass ihre Koffer versehentlich nach Florida geflogen waren.

Doch selbst wenn ihre Tasche einen anderen Weg eingeschlagen hätte, wäre der Verlust nur minimal gewesen. Sie hatte bewusst leicht gepackt. Keine ausgebeulte Jogginghose, keine rosa Plüschpantoffeln oder löchrige T-Shirts – nur eine Jeans, zwei Blusen und genug Unterwäsche, dass sie es bis zum nächsten Victoria’s Secret schaffte. Sie kannte sich nur zu gut. Wenn sie sich nicht dazu zwang, neue Klamotten zu kaufen, würde sie weiterhin bloß in den gleichen bequemen Fetzen herumlaufen.

Stattdessen hatte sie vor ihrer Abreise im Internet nach Geschäften gestöbert und hatte für den morgigen Tag – ihren ersten vollen Tag in der Stadt – einen detaillierten Shoppingplan erstellt. Als Zweites wollte sie einen Tourguide finden. Nicht für ihren kompletten Aufenthalt, sondern nur für ein paar Tage. Marnies Empfehlungen klangen ziemlich cool, allerdings auch teuer.

In der Zwischenzeit hoffte sie einfach darauf, irgendeinen Kerl zu treffen, der ihr gut genug gefiel, um für ihn ein Kondom auszugraben. Und dass sie genug Mut hätte, es durchzuziehen.

Der Gedanke an einen Urlaubsflirt war ziemlich beängstigend, aber zugleich auch aufregend. Vielleicht würde sie hier, wo es … nicht wie zu Hause war, eine ganz neue Seite an sich entdecken. Immerhin lag eine ganze herrliche Woche vor ihr, wie sie sich auf dem Flug oft genug in Erinnerung gerufen hatte. Denn hätte sie sich nicht ständig selbst aufmunternde Worte zugesprochen, hätte sie sich aus Angst und Unsicherheit gewünscht, an jenem schicksalhaften Tag im Wohnzimmer niemals den Mund aufgemacht zu haben.

Die Beklemmung, die sie verspürte, war völlig irrational, das musste sie zugeben. Mit nicht einmal dreißig war sie ein Gewohnheitstier, das Angst hatte, aus seiner Komfortzone herauszutreten. Angst, sogar die kleinste Chance zu ergreifen oder die minimalste Veränderung an seinem Leben vorzunehmen.

Nein, das stimmte so nicht. Angst war nur die erstbeste Antwort. Die traurige Wahrheit lautete, dass es ihr nie in den Sinn gekommen war, ihren Horizont zu erweitern. In den letzten fünf Jahren war sie erbärmlich zufrieden damit gewesen, eine Einsiedlerin zu sein. Verrückt eigentlich, denn sie war von Natur aus neugierig. Sie lernte gerne etwas Neues. Deshalb liebte sie auch ihren Job als freiberufliche Lektorin.

Ein Shuttle näherte sich, und um sicherzugehen, dass sie in den richtigen Van stieg, überprüfte sie den Namen, den die Frau am Infostand für sie notiert hatte.

Dieser Trip würde ihr guttun. Genau das, was sie brauchte, um sich selbst der Welt auszusetzen. Anstatt den ganzen Thanksgiving-Morgen am Herd zu schuften, während ihre Familie in der Weltgeschichte herumtanzte, würde sie sich einen sündhaft dekadenten Brunch in einem schicken Hotel gönnen. Vielleicht würde sie es richtig krachen lassen. Nicht einmal Truthahn mit allem Drum und Dran, sondern einen riesigen Teller mit üppigen, klebrigen Desserts.

Zum ersten Mal in ihrem Leben wäre kein Abenteuer zu bedrohlich oder zu exotisch. Jeden Tag würde sie etwas Unvorstellbares wagen. Einen umwerfend schönen Fremdenführer anheuern, der sie durch die Stadt führt. Alleine in einem Fünf-Sterne-Restaurant essen. Nein, sie würde keine Angst haben, irgendetwas auszuprobieren, entschied sie voller Überzeugung und umklammerte mit schwitzigen Händen ihre Tasche.

So lautete zumindest der Plan.

2. KAPITEL

„Hey, Nicky, hier drüben! Warte mal! Komm schon, nur eine Unterschrift auf dem Cap für meinen Neffen, ja?“

Aus dem Augenwinkel sah Nick Corrigan den dunkelhaarigen Mann, der mit einer blauen Baseballkappe winkte. Er war aus dem Schatten gleich links neben der Tür getreten, als hätte er vor dem Wohnhaus nur auf Nick gewartet.

„Hau ab, Freundchen. Ich sag’s dir nicht nochmal“, knurrte der bullige Pförtner und stellte sich zwischen Nick und den aufdringlichen Fan.

„Ist schon gut, Leo. Er bekommt sein Autogramm.“

Der ältere Mann schüttelte den ergrauten Kopf und ließ den Blick die Straße auf und ab schweifen. „Sie wissen, was passiert, wenn Sie für den Ersten anhalten, Nicky. Die kommen aus allen Löchern gekrochen.“

„Ich weiß.“ Er griff nach der Kappe, und tatsächlich: Fast einen Häuserblock entfernt flitzten ein paar Kinder – etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt – über die Straße, wobei sie in der Eile, ihn zu erwischen, zwischen vorbeirasenden Taxis durchrannten.

„Unterschreib es für Toby.“ Der Typ warf Leo einen selbstgefälligen Blick zu und reichte Nick einen schwarzen Filzstift. „Mann, das glaubt er mir nie. Mein Neffe wird am Samstag zehn Jahre alt. Du bist sein Idol.“

Nick lächelte verschmitzt. „Sagen Sie ihm, er braucht ein besseres Vorbild als einen Sportler mit einem starken Arm.“

„Verdammt, du bist auch mein Idol. Hast du immer noch was mit diesem Model aus Deutschland?“

„Keine persönlichen Fragen, bitte“, ging Leo dazwischen, nahm Nick die Kappe ab und reichte sie dem Fan mit ernstem Blick.

„Danke, Nicky.“ Der Mann schlenderte davon, wobei er die Widmung an seinen Neffen las.

Keuchend und schnaufend blieben die Kinder stehen, die von der Sixty-eighth Street herangestürmt waren. Beinahe hätten sie ihn umgerannt. „Hey, Nicky, würdest du auch auf unseren Shirts unterschreiben?“, fragte der größere, schlaksige Junge mit den roten Haaren. Er atmete schwer, und auf seinem Mund strahlte ein breites Grinsen.

„Ich sollte gar nichts unterschreiben.“ Er bedachte sie mit einem warnenden Blick. „Was habt ihr euch dabei gedacht, so über die Straße zu rennen?“

Autor

Debbi Rawlins
Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...
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