Prinzessin auf den zweiten Blick

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Die junge Eleni ist den Tränen nah: Ihr Vater hat ihr Pferd verspielt! Zum prächtigen Palast von Scheich Kaliq soll der Hengst gebracht werden. Ihr verzweifelter Entschluss, sich im Transporter zu verstecken, wird von dem attraktiven Scheich vereitelt … Glück im Unglück: Als Stallmädchen darf Eleni mitkommen. Sie ahnt nicht, dass sie mit ihrem Mut Kaliqs männliches Interesse geweckt hat. Zwischen Polospielen und Pferderennen lässt er sie nicht mehr auf den Augen. Wie eine Prinzessin auf den zweiten Blick kommt Eleni ihm vor, die er zu gern wach küssen möchte …


  • Erscheinungstag 20.03.2010
  • Bandnummer 1915
  • ISBN / Artikelnummer 9783862954537
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein toter Skorpion auf dem Boden war in diesen Breitengraden nichts Ungewöhnliches und bedeutete auf keinen Fall eine Bedrohung. Doch Eleni, die gerade über den Hof ging, sah das anders.

Wie angewurzelt blieb sie stehen und starrte auf die schwarze, gekrümmte Silhouette. Entgegen aller Vernunft überfiel sie eine dunkle Vorahnung. Sicher war es ein böses Omen, das mit der bevorstehenden Ankunft des mysteriösen Gastes ihres Vaters zusammenhing. Waren die Wüsten-Legenden nicht voll von Unheil verkündenden Zeichen wie diesem?

„Eleni!“

Die Stimme ihres Vaters durchschnitt die drückende Nachmittagshitze wie ein Messer, und ihr Körper versteifte sich, während sie versuchte herauszuhören, in welcher Verfassung er sich befand. Die feste, entschlossene Stimme ließ darauf schließen, dass er zwar nüchtern, aber in gereizter Stimmung war.

Eleni fühlte, wie ihr Herz sank, denn das konnte nur eines bedeuten. Nämlich, dass er es kaum noch erwarten konnte, an den Kartentisch zu kommen, weil seine Mitspieler ebenso ungeduldig waren wie er. Lärmende, lachende Männer, die dumm genug waren, alles zu verspielen, wofür sie zuvor so hart gearbeitet hatten.

„Eleni!“ Das klang nun schon fast wie das Brüllen eines Löwen. „Wo, zur Hölle, treibst du dich herum?“

„Ich bin hier, Papa!“, rief sie zurück und kickte den toten Skorpion in ein kleines staubiges Sandgrab, das sie zuvor, direkt neben der Stallwand, mit der Stiefelspitze aufgeworfen hatte.

Dann eilte sie zum Haus hinüber, wo Gamal Lakis wartend in der offenen Tür stand. Sein zerfurchtes, von der Sonne gegerbtes Gesicht war grimmig verzogen, als er sie von oben bis unten musterte.

„Was hält dich vom Haus und von deinen Pflichten fern?“, fragte er brüsk.

Eleni wusste, dass es müßig war, ihm zu erzählen, dass sie gerade aus dem Stall kam, wo sie mit seinen geliebten Pferden gesprochen hatte, die ihre vorzügliche Verfassung und Kondition nur ihrer besonderen Pflege und Fürsorge verdankten. Dabei waren es genau diese wundervollen, preisgekrönten Tiere, weshalb Gamal Lakis als einer der am meisten beneideten Männer des Wüstenkönigreiches galt.

Aber das würde er nie zugeben, und deshalb war auch jede Erklärung in dieser Richtung überflüssig.

„Tut mir leid, Papa“, sagte sie automatisch und mit gesenktem Blick, bevor sie ihm ein entschuldigendes Lächeln schenkte. „Ich werde dir und deinen Gästen sofort Erfrischungen bringen.“

„Nein, nein. Wir können weder mit einem Drink noch mit dem vorbereiteten Essen anfangen, bevor unser Ehrengast nicht eingetroffen ist!“, wehrte er unerwartet ab. Seine trüben Augen glitzerten vor Aufregung, als er seiner Tochter mit einem durchtriebenen Lächeln zublinzelte. „Weißt du überhaupt, um wen es sich dabei handelt?“

Eleni schüttelte den Kopf. „Nein, Papa, das weiß ich nicht.“

Bereits seit Tagen machte er aus der Identität seines ominösen Gastes ein Geheimnis, doch sie wäre nie auf die Idee gekommen, ihn danach zu fragen. Frauen meldeten sich nicht einfach ungebeten. Und schon gar nicht in diesem Haushalt.

„Niemand Geringerer als der wichtigste Mann in ganz Calista!“, prahlte er großspurig. „Versuch doch mal zu raten, wer das sein könnte.“

Eleni unterdrückte ein Seufzen und stellte brav die Fragen, die er, wie sie wusste, von ihr erwartete. Dann gab sie vor, nachzudenken. Das tat sie wirklich, aber nur darüber, ob ihr überdrehter Vater tatsächlich so nüchtern war, wie sie es eben noch gehofft hatte. Eher nicht, lautete ihr Urteil. Doch gerade in diesem Fall war es besonders wichtig, mitzuspielen.

„Willst du es mir nicht verraten, damit ich mich darauf vorbereiten kann, ihm mit dem nötigen Respekt zu begegnen, wenn er unser Haus mit seiner Anwesenheit beehrt?“

Gamals dünne Lippen verzogen sich zu einem breiten, triumphierenden Grinsen. Er wirkte wie ein Spieler, der eine besonders hohe Trumpfkarte in seinem Ärmel versteckt hielt. „Was würdest du sagen, meine Tochter, wenn ich dir mitteile, dass heute Abend ein Prinz königlichen Geblüts mit uns am Tisch sitzen wird?“

Jetzt war klar, dass er doch getrunken haben musste, und zwar nicht zu knapp!

„Ein königlicher Prinz?“, echote Eleni mit ihrem schönsten Pokerface.

„Ja, in der Tat!“, bestätigte Gamal begeistert. „Prinz Kaliq Al’Farisi“, erklärte er dann pathetisch. „Der Prinz kommt in mein Haus, um mit mir Karten zu spielen!“

Er musste übergeschnappt sein! Größenwahnsinnig! Was sollte sie nur tun, wenn ihr Vater derartige Ungeheuerlichkeiten vor den anderen Männern ausposaunte, die bereits ungeduldig darauf warteten, dass endlich das Spiel losging? Sie würden ihn auslachen und sich über ihn lustig machen. Und damit verlor er auch noch das letzte bisschen an Reputation und Respekt, das ihm geblieben war.

Was konnte sie nur tun, um ihren Vater vor sich selbst zu retten?

„Papa …“, flüsterte Eleni eindringlich. „Ich bitte dich! Denk doch noch einmal nach! Was, um alles in der Welt, könnte ein Prinz hier bei uns verloren haben?“

Doch die Antwort auf ihre Frage sollte sie nie zu hören bekommen, obwohl ihr Vater schon den Mund öffnete, ihn aber einfach nur weit offen stehen ließ, als in der Ferne plötzlich galoppierende Pferde zu hören waren. In der stehenden, heißen Luft vervielfachte sich der donnernde Hufschlag zu einem bedrohlichen Stakkato, das Eleni ebenso kalte Schauer über den Rücken jagte wie das Heulen der Wüstenwölfe in einer Vollmondnacht.

In der nächsten Sekunde tauchten wie aus dem Nichts vier prachtvolle Pferde auf, aus deren Verbund eines plötzlich hervorschoss wie eine schwarze Ölfontäne aus dem heißen Wüstensand. Das Kunststück, den riesigen Hengst von geschickter Hand bezwungen zu sehen, war ein so erregendes und faszinierendes Paradebeispiel meisterlicher Reitkunst, dass Elenis Herz einen Schlag lang aussetzte.

Im orangegoldenen Schein der untergehenden Sonne starrte sie auf den Riesen von Mann, der den ebenholzfarbenen Hengst allein mit den Schenkeln dirigierte und mit einem wilden, heiseren Schrei antrieb. Der unbedeckte Kopf des Mannes war so dunkel wie das starke Tier unter ihm, und seine Haut leuchtete wie polierte Bronze.

Stoffbahnen aus reiner Seide wehten um seinen sehnigen Körper, und als er zur Seite schaute, traf es Eleni wie ein Schock. Seine unglaubliche Schönheit, wenn man das bei einem Mann überhaupt so nennen konnte, verschlug ihr den Atem. Angesichts der harten, wie gemeißelt wirkenden Züge fragte sie sich, ob er allein mit einem feurigen Blick aus den kohlschwarzen Augen alles um sich herum zu Asche verbrennen konnte.

Und jetzt erst wurde ihr bewusst, dass ihr Vater die Wahrheit gesprochen hatte, als er behauptete, bei seinem geheimnisvollen Gast handele es sich um den Prinzen Kaliq Al’Farisi.

Er war es tatsächlich. Kaliq, der Teufelskerl, der große Frauenliebhaber, der Playboy, Spieler und unwiderstehliche Zwillingssohn von Prinz Ashraf. Der Mann, von dem behauptet wurde, er könne Frauen mit einem einzigen Blick dazu bringen, vor Lust und Verlangen zu stöhnen …

Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit sie als kleines Mädchen inmitten einer Menschenmenge stand, während die königliche Familie vorbeidefilierte. Zu der Zeit absolvierte Kaliq gerade seinen Militärdienst und trug die schmucke Uniform der Calistan Navy. Bereits damals, mit knapp zwanzig, hätte man ihn als einen auffallend gut aussehenden jungen Mann bezeichnen können, aber jetzt, ungefähr fünfzehn Jahre später, war er auf dem Gipfel seiner Männlichkeit. Mit einer rauen, fast gewalttätig anmutenden, maskulinen Ausstrahlung, der sich keine Frau aus Fleisch und Blut entziehen konnte. „Bei allen heulenden Wölfen …“, murmelte Eleni erstickt und rannte, wie von Furien gehetzt, ins Haus. „Eure Hoheit …“, deklamierte Gamal und beugte sich so weit herab, wie es ihm seine morschen Knochen erlaubten.

Mit einem eleganten Satz sprang Kaliq vom Pferd herunter. Seine Stiefel waren von Wüstenstaub bedeckt, ebenso wie die seidenen Gewänder, die seinen hohen Rang kennzeichneten.

Ohne seinen Gastgeber zu beachten, schaute er mit verächtlich geschürzten Lippen um sich. Genau, wie er es sich vorgestellt hatte. Alles war marode und heruntergekommen. Doch der Platz beherbergte etwas, wonach sein Herz hungerte. Mit einem schnellen Blick in Richtung der Stallungen wandte er sich der jämmerlichen Gestalt vor sich zu.

„Kommen Sie schon hoch, Lakis“, befahl er.

Gamal rappelte sich mühsam auf und massierte stöhnend seinen Rücken. „Darf ich Ihnen versichern, Sir, wie außerordentlich geehrt ich mich fühle, durch die geplante Teilhaberschaft Eurer Hoheit an meinem …“

„Hören Sie auf mit der Schleimerei!“, knurrte Kaliq mit der kalten Arroganz, die er sich auf einer der internationalen Schulen erworben hatte, deren Schüler er gewesen war. Es war ein Verhalten, das er bewusst kultivierte, um sich vor der Habgier von Speichelleckern und Emporkömmlingen zu schützen, die nur auf königliche Protektion aus waren.

Seine dunklen Augen glitzerten, als er seine harschen Worte mit dem ihm eigenen geschmeidigen Charme relativierte, mit dem er laut seiner Schwester Yasmine auch die Vögel von den Bäumen locken konnte.

„Ich bin nicht hier, um mir von Ihnen Komplimente anzuhören, Lakis …“, erklärte er mit exakt dosiertem Lächeln, „… sondern um mit einem Mann Karten zu spielen, der auf diesem Gebiet als unschlagbar gilt. Und jetzt frage ich mich natürlich, sollten tatsächlich Sie dieser Mann sein?“

Augenblicklich warf sich Gamal in die Brust wie ein stolzer Pfau. „So heißt es von mir, Eure Hoheit.“

Kaliqs dunkle Brauen wanderten eine Spur hoch. War dieser Tölpel sich denn nicht der Todsünde bewusst, sich als Normalsterblicher über einen Prinzen königlichen Geblütes zu erheben? Mit einer lässigen Bewegung warf er die Zügel einem seiner Begleiter zu, die eben erst von ihren Pferden gestiegen waren und im Hintergrund warteten.

„Wir werden sehen, ob es wirklich an dem ist“, sagte Kaliq sorglos. „Ich bin heute in der Stimmung für ein hartes Spiel. Aber erst wollen wir trinken. Haben Sie nichts anzubieten, um die Kehlen dieser durstigen Reisenden zu befeuchten, Lakis? Es war ein langer, harter Ritt von unseren Palästen hierher, quer durch die sengende Hitze der Wüste.“

„Oh, vergeben Sie mir, Eure Hoheit … ich bitte ergebenst um Verzeihung für meine sträfliche Nachlässigkeit!“, stammelte Gamal. „Wenn Sie mir in mein bescheidenes Heim folgen wollen, wird Ihnen das Gewünschte sofort serviert.“

Der rauchgeschwängerte Salon, in den Gamal den Prinzen und sein Gefolge führte, wurde von Öllampen schwach erhellt. Zusätzlich hing eine Art Scheinwerfer an der Decke, der einen grellen Lichtkegel auf den Pokertisch warf.

Kaliq, der den Kopf beugen musste, um den Raum betreten zu können, registrierte nebenbei, dass einer seiner Bodyguards bereits vor ihm hineingegangen war. Der dichte Tabakrauch überlagerte fast den schwachen Geruch von Weihrauch, aber eben nicht ganz. Nach Eintritt des Prinzen erstarb das allgemeine Stimmengemurmel, und alle anwesenden Männer sprangen förmlich auf die Füße.

Kaliq grinste wölfisch, während er sie mit einer ungeduldigen Handbewegung veranlasste, sich wieder zu setzen. Kriegsregel Nummer eins: Wollte man den Feind besiegen, musste man ihn zunächst im falschen Gefühl der Sicherheit wiegen.

„Nein, nein“, murmelte er jovial. „Für heute Abend vergessen wir mal jedes Zeremoniell. Hier, am Spieltisch, sind wir alle ebenbürtig“, erklärte er täuschend sanft. „Man kann nicht vernünftig Karten spielen, wenn eine Seite auf Hierarchie besteht. Heute Abend bin ich nicht der Prinz unseres geliebten Königreiches, sondern ein ganz normaler Mann. Genau wie Sie, Lakis.“

Draußen vor der Tür zum Salon stand Eleni und versuchte, ihren ganzen Mut zusammenzunehmen, um einzutreten. Während sie den Worten des Prinzen folgte, beschlich sie ein seltsames Gefühl. Beklommen fragte sie sich, ob ihr Vater überhaupt mitbekam, dass plötzlich etwas Ungutes in der Luft lag.

Als wenn dieser arrogante, selbstbewusste Prinz jemals den Wunsch verspürte, sich mit Kreaturen wie den hier anwesenden Männern auf eine Stufe zu stellen!

„Eleni!“

Sie wollte gerade „Ja, Papa“ rufen, da hörte sie seine nächsten Worte.

„Meine Bedienstete wird uns sofort etwas zu essen und trinken servieren. Wo bleibst du denn, Eleni? Beeil dich gefälligst!“

Trotz ihrer zitternden Nerven hätte sie fast gelächelt. Wie hinterlistig und verschlagen ihr Vater doch war! Nicht nur, dass er versuchte, seinen Status zu heben, indem er vorgab, eine zusätzliche weibliche Servicekraft zu haben, wobei er dazu seine Tochter benutzte, wahrte er automatisch absolute Diskretion. Und bezahlen musste er sie auch nicht.

Eleni atmete tief durch. Dann betrat sie mit sittsam niedergeschlagenen Augen den Salon, um so den überwältigenden Drang zu bezähmen, sich den Prinzen noch einmal aus der Nähe anzuschauen. Ein einfacher Trick, da es Dienstboten ohnehin nicht gestattet war, Augenkontakt zu einem Mitglied der königlichen Familie aufzunehmen.

Außerdem verlangte das Protokoll, dass sie jetzt in einen tiefen Hofknicks versank. Das war allerdings etwas, worin Eleni absolut keine Übung hatte.

„Eure Hoheit“, sagte sie leise, beugte die Knie, stellte ein Bein hinter das andere, und deutete mit dem Oberkörper eine Verbeugung an. Wie gut, dass ihr die leidenschaftliche Reiterei, die sie von Kindesbeinen an betrieb, eine gewisse Geschmeidigkeit und Grazie verliehen hatte!

„Was wünscht mein Herr, dass ich dem hochwohlgeborenen Gast servieren soll?“, fragte sie ruhig.

Kaliq schaute sofort in ihre Richtung, als wenn er auf eine innere Antenne reagierte, die ihm den Klang einer weiblichen Stimme übermittelte. Und diese hier war sanft und kühl zugleich, wie ein klarer Bergbach, der in der stickigen und bedrückenden Atmosphäre unglaublich erfrischend wirkte. Außerdem klang sie für eine Dienstmagd sehr geschliffen. Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, vermochte jedoch nicht zu beurteilen, ob sie hübsch oder nur durchschnittlich war.

Um den Kopf trug sie eine Art Tuch oder Schleier, und die Kleidung war düster und so unförmig, dass man nicht einmal ahnen konnte, was sich darunter verbarg. Obwohl für eine Frau ihres Standes absolut angemessen gekleidet, hätte er sich als Augenschmaus etwas anderes gewünscht.

Irgendein junges Ding, mit frechem, verlangendem Blick und einem Kleid, dessen enges, weit ausgeschnittenes Mieder ihre vollen Brüste perfekt zur Geltung brachte!

„Etwas zu trinken!“, forderte er knapp und zwang seine Gedanken in eine andere Richtung. Schließlich war er hierher gekommen, um Karten zu spielen, und nicht, um sich an den Vorzügen einer Frau zu erfreuen.

„Leisten Sie uns bei einem Glas Zelyoniy Gesellschaft, Eure Hoheit?“, fragte Gamal hoffnungsvoll.

Kaliq unterdrückte ein Schaudern. Als ob ihn irgendetwas dazu bringen könnte, diesen höllisch starken grünen Schnaps zu sich zu nehmen, der mehr oder weniger illegal aus Kakteen gebrannt und nur von einer ganz bestimmten, niedrigen Schicht getrunken wurde. Andererseits … spielte ihm hier der Zufall nicht sogar in die Hände, wenn seine Mitspieler dieses widerliche, harte Getränk favorisierten?

„Nicht für mich“, wehrte er lächelnd ab. „Aber jeder soll trinken, was er mag. Bring mir stattdessen einen Granatapfelsaft“, befahl er dem wartenden Dienstmädchen.

„Sofort, Eure Hoheit“, sagte Eleni und eilte davon.

Während der Croupier ein neues Kartenpäckchen öffnete, lehnte sich Kaliq in seinem Stuhl zurück und spürte ein vertrautes Kribbeln auf der Haut. Er wollte unbedingt gewinnen. Zum einen war er ein eingefleischter Spieler, aber noch wichtiger als der Sieg war in diesem Fall das Risiko, das er einging.

Normalerweise dürfte er gar nicht mit diesen windigen Pferdezüchtern und – trainern an einem Tisch sitzen, aber genau das erhöhte noch den Reiz des Abends. Die unwiderstehliche Herausforderung des Verbotenen.

Zwischendurch langweilte Kaliq sein privilegiertes Leben, das ihn häufig rund um den Globus führte. Vornehmlich in die Großstädte der westlichen Hemisphäre, wo er automatisch in die Rolle des Playboy-Scheichs schlüpfte. Ein Beiname, den ihm die internationale Yellow Press verliehen hatte.

Unermesslich reich durch die riesigen Diamantminen seines Landes, konnte er sich leisten, was er wollte – und gab seinem Begehren auch meist nach. Doch als Ausgleich brauchte er den harten Kontrast zu seinem sonstigen Luxusleben. Wie das raue, erdige Leben in der Wüste, das die europäischen Großstadtlichter mühelos in den Schatten stellte.

Als die Karten verteilt wurden, fühlte Kaliq, wie sein Körper sich anspannte und der Pulsschlag zunahm.

„Möchten Sie etwas essen, Eure Hoheit?“

Kaliq schaute auf. Neben ihm stand das Dienstmädchen und stellte eine Art Kelch oder Pokal mit Granatapfelsaft vor ihn hin. Ungeduldig schüttelte er den Kopf. Als wenn er in einer derartigen Gesellschaft essen könnte!

„Nein, essen will ich nichts“, sagte er brüsk und schaute auf den Saft. „Aber ich habe großen Durst. Trink einen Schluck“, forderte er sie mit einer knappen Geste auf.

Elenis Herz machte einen erschrockenen Hüpfer. Der Prinz konnte doch nicht wirklich wollen, dass sie von seinem Behältnis trank? „Aber …“

„Trink, habe ich gesagt“, schnitt er ihr das Wort ab. „Oder ich beginne, den Verdacht zu hegen, dass du mich vergiften willst.“

Mit zitternden Fingern führte Eleni den schweren Pokal, der ganz speziellen Anlässen vorbehalten war, an die Lippen und trank einen Schluck von dem herbsüßen Saft. Dann fuhr sie sich unwillkürlich mit der Zungenspitze über die benetzten Lippen.

Wie schrecklich für den Prinzen, ständig Angst um sein Leben haben zu müssen, dachte sie. Ob er wirklich immer quasi mit dem Rücken zur Wand bleiben musste, aus Angst, aus dem Hinterhalt gemeuchelt zu werden?

Unter dem harten Blick seiner schwarzen Augen hatte sie das Gefühl, zur Salzsäule erstarrt zu sein. Was wurde wohl als Nächstes von ihr erwartet? Und wie lange wollte der Prinz warten, um sicher zu sein, dass sie nicht vergiftet war?

„Nun?“, fragte Kaliq.

Eleni schluckte und starrte auf den Teppich zu ihren Füßen. „Ich glaube, das Getränk wird Eurer Hoheit munden.“

„Dann gib es mir“, forderte er gedehnt.

Um das zu tun, musste sie zwangsläufig den Blick heben. Kaliq nahm ihr den schweren Kelch ab, schaute in ihr Gesicht und war erstaunt und fasziniert, als er ein kurzes Aufblitzen in ihren ungewöhnlichen grünen Augen bemerkte. Es war die eigentümliche, sagenumwobene Augenfarbe, die den persischen Kämpfern zugesprochen wurde, die vor Jahrhunderten das Königreich Calista und seine Frauen erobert hatten, bevor sie von einem seiner Vorfahren geschlagen wurden. Ein geheimnisvolles und nie erlahmendes Gesprächsthema, vornehmlich in den Salons der Paläste und den Teeräumen. Doch gesehen hatte er diese ungewöhnliche Farbe noch nie zuvor.

„Beim allmächtigen Wüstensturm …“, murmelte Kaliq kaum verständlich und wunderte sich über das harte Hämmern seines Herzens, während er einen Schluck Saft trank, ohne den Blick von dem Mädchen zu nehmen. „Was für unglaubliche Augen.“

Doch dann flogen die Karten von der Hand des Croupiers direkt auf seinen Platz, und er wandte seine Aufmerksamkeit dem Spiel zu. Vergessen war die Dienstmagd, vergessen das seltsame Grün ihrer Augen.

Es war eine Menge Geld im Spiel, aber Kaliq brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass Gamal und er auf einer ganz anderen Ebene spielten als der Rest der Männer. Es waren ihr angeborenes Talent und der unbedingte Wille zum Sieg, der schnell klarmachte, dass über kurz oder lang nur noch sie beide im Spiel sein würden.

Doch Gamal trank reichlich Alkohol, und das viel zu hastig. Und Kaliq wusste sehr gut: Wenn es einen Platz gab, wo Alkohol absolut nichts zu suchen hatte, dann am Pokertisch.

Während der Croupier ihnen beiden zwei neue Karten gab, blieb Kaliq das angedeutete, triumphierende Lächeln auf Gamals wulstigen Lippen nicht verborgen, und er wusste, dass seine Chance gekommen war.

Als er aufschaute, sah er, dass die grünen Augen des Dienstmädchens mit einem Ausdruck von Panik auf den Kartentisch gerichtet waren. Kaliq fragte sich amüsiert, ob sie vielleicht Angst hatte, dass ihr Herr gerade dabei war, sein gesamtes Vermögen zu verspielen, und sie damit womöglich ihren Job verlor.

Nach einem kurzen Blick in seine eigenen Karten lehnte er sich vor. „Eintausend“, sagte er ruhig und ignorierte das scharfe Atemholen eines der stummen Zuschauer.

Ohne zu zögern warf Gamal ein Bündel Banknoten auf den Tisch. „Dreitausend!“, konterte er und leckte nervös die spröden Lippen.

Kaliq lehnte sich gemächlich zurück und spürte fast körperlich die Gier und Ungeduld des anderen. Gamal war überzeugt, eigentlich schon gewonnen zu haben, doch das Lächeln des Prinzen zeigte die lässige Zuversicht eines Mannes, der ein unschlagbares Blatt in der Hand hielt.

„Sie sehen aus, als würden Sie am liebsten noch höher gehen, Lakis“, forderte er seinen Gegner heraus. „Sollen wir den Einsatz erhöhen? Ich gestatte es Ihnen, wenn Sie wünschen …“

Gamals Augen glitzerten vor Gier. „Wie viel?“, fragte er heiser.

Der Prinz zuckte die Achseln. „Nun, wie Sie wissen, leide ich nicht an akutem Geldmangel. Wenn Sie allerdings bereit wären, ihren Einsatz um den schwarzen Hengst zu erweitern, der in Ihrem Stall steht, gehe ich hoch auf eine Million.“

Unfähig zu begreifen, was vor ihren Augen geschah, ließ Eleni voller Absicht einen Löffel zu Boden fallen, in der Hoffnung, ihren Vater damit vielleicht zur Besinnung bringen zu können. Doch die Spannung im Raum war so groß, dass niemand auf das scheppernde Geräusch reagierte.

Sie fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen und konnte nicht glauben, dass ihr inzwischen offensichtlich völlig betrunkener Vater sich tatsächlich dazu herausfordern ließ, seinen unbezahlbaren Hengst als Spieleinsatz zu missbrauchen.

Ihr geliebtes Pferd, und den einzigen Freund, der ihr Leben in dieser Hölle überhaupt annähernd erträglich machte!

„Eine Million, sagen Sie …?“, wiederholte Gamal gedehnt.

„Eine Million“, bestätigte Kaliq ungerührt.

Eleni wollte ihren Vater anschreien, mit dem Wahnsinn aufzuhören, denn die Körperhaltung und indifferente Miene des Prinzen sprachen eindeutig dafür, dass er das Siegerblatt auf der Hand hatte. Aber wie sollte sie sich in dieser abstrusen Männerrunde durchsetzen können? Und dann auch noch vor den Augen ihres königlichen Gastes? Der würde wahrscheinlich einem seiner Bodyguards nur einen unauffälligen Wink geben, und sie wäre wer weiß wie lange hinter den Gefängnismauern von Serapolis verschwunden!

„Darf ich Ihnen vielleicht noch einen Drink anbieten, Eure Hoheit?“, fragte Eleni mit dem Mut der Verzweiflung.

„Wag es nicht noch einmal, mich anzusprechen, wenn ich mitten in einem Spiel bin!“, herrschte Kaliq sie an.

„Ja, ja, ich werde den Hengst einsetzen!“, stieß Gamal wild hervor und knallte seine Spielkarten auf den Tisch: zwei Könige.

Eleni presste sich die Faust vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. „Nein… oh, bitte … nein …“, wimmerte sie, doch niemand nahm davon Notiz. Sie konnte sich kaum zwingen hinzuschauen, doch was kam, war so unausweichlich wie der Untergang der Sonne hinter den Bergen am Horizont. Ihr Vater würde verlieren … beziehungsweise der Prinz würde aus dieser Schlacht als Sieger hervorgehen – wie sie es bereits in der Sekunde geahnt hatte, als er auf seinem eigenen fantastischen Hengst, inmitten einer heißen Staubwolke, auf den Hof geprescht kam.

Langsam und bedächtig legte Kaliq seine zwei Asse ab, das einzige Blatt, mit dem er Gamal schlagen konnte. Ein kollektives Aufstöhnen erfüllte den düsteren Raum.

„Mein Spiel, würde ich sagen …“, murmelte der Prinz träge.

Eleni war sekundenlang von der Panik erfüllt, auf der Stelle ohnmächtig zu werden. Doch sie riss sich zusammen und bewegte sich, am ganzen Körper zitternd, in Richtung Tür. Dabei verschwendete sie keinen Gedanken daran, ob dies etwa eine Unhöflichkeit ihrem königlichen Gast gegenüber bedeutete.

Autor

Sharon Kendrick
<p>Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
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