Prinzessin für eine sinnliche Nacht?

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Er will nicht König werden! Prinz Logan genießt sein unbeschwertes Playboy-Leben in New York. Doch als sein Bruder überraschend abdankt, muss er in sein Heimatland zurückkehren. Begleitet wird er von seiner verlässlichen Assistentin Cassidy. Komisch nur, dass er plötzlich Seiten an Cassidy entdeckt, die ihm vorher nicht aufgefallen sind: ihre sexy Figur, die vollen Lippen … Nach einem gefühlvollen Tanz auf seinem Krönungsball erwacht die Leidenschaft in ihm. Doch genügt das, um Cassidy zu seiner Prinzessin zu machen?


  • Erscheinungstag 22.09.2020
  • Bandnummer 2459
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714413
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cassidy glich das Dokument in ihrer Hand mit dem Text auf ihrem Monitor ab, und ihr wurde flau im Magen.

Sie hatte ihm die falschen Unterlagen ausgehändigt.

Sie war erledigt.

Man würde sie feuern.

Das war’s.

Nach einem Tag, der schlecht angefangen hatte und in seinem Verlauf immer schlechter geworden war, war dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Einen so schlechten Tag hatte sie nicht mehr erlebt, seit ihr Vater sie und ihre Schwester vor vielen Jahren mitten in der Nacht geweckt hatte. Wie Kriminelle hatte er sie aus der kleinen Gemeinde gerissen, in der sie aufgewachsen waren. Kriminelle waren sie nicht, aber seit einiger Zeit waren sie wie solche behandelt worden. Und dazu hatte sie ihren Beitrag geleistet, oder?

Aber es nützte ihr nichts, wenn sie sich jetzt wegen vergangener Fehler quälte.

Wenn sie die Sache nicht in Ordnung brachte, würde ihr penibler Chef am nächsten Morgen mit den falschen Unterlagen zu einem wichtigen Meeting in Boston reisen, um die Investition zum Abschluss zu bringen, die für ein ziemlich bedeutendes Projekt benötigt wurde. Damit würden acht Monate gewissenhafter Arbeit den Bach runtergehen. Nachdem ihre Schwester am Morgen aus heiterem Himmel die Bombe hatte platzen lassen, die ihren Höllentag in Gang setzte, war dies der Gipfel.

Und sie allein war schuld. Sie hätte sich von Petas Neuigkeiten nicht dermaßen aus der Bahn werfen lassen dürfen, und jetzt konnte sie entweder hier sitzen bleiben und sich selbst bemitleiden oder Schadensbegrenzung betreiben.

Und dazu blieb ihr noch Zeit, wie ein Blick auf die Uhr ihr verriet.

Noch einmal prüfte sie die überarbeitete Version des Dokuments, vergewisserte sich, dass dieses Mal die richtigen Zahlen in den richtigen Spalten standen, und schickte es an den Drucker.

Natürlich ging dem Drucker wie nicht anders zu erwarten auf halber Strecke das Papier aus. Murphys Gesetz sollte eigentlich auch bestimmen, dass man im Bett bleiben und sich die Decke über den Kopf ziehen soll, wenn ein Tag schlecht beginnt.

Es pochte hinter ihrer Stirn, als sie daran dachte, wie eine ihrer elfjährigen Zwillingsnichten, kaum, dass Cassidy halbwegs wach war, in ihr Zimmer gestürmt kam und verkündete, dass ihre Mutter wieder heiraten würde. Ihre Mutter, Cassidys Schwester. Die Schwester, die bei ihr einzog, als sie mal wieder am Boden zerstört war. Die allen Männern abgeschworen hatte, nachdem sie als Teenie Mutter geworden war und der Vater der Zwillinge sie noch vor der Geburt abserviert hatte.

Danach war Peta mit einem verlegenen Grinsen auf den Lippen und einem Diamantring am Finger in ihr Zimmer gekommen.

„Ich wusste nicht, wie ich’s dir sagen sollte“, erklärte sie mit einem Lächeln, das eher eine Grimasse war. „Dan hat mich mit seinem Antrag völlig überrumpelt, und er möchte, dass ich mit den Zwillingen sofort bei ihm einziehe. Was nicht heißt, dass wir das auch tun“, beeilte sich Peta zu versichern. „Natürlich erst, wenn du eine Wohnung oder eine Mitbewohnerin gefunden hast, ich weiß ja, dass du allein die Miete für diese Wohnung nicht aufbringen kannst.“

Wie vom Donner gerührt hatte Cassidy ihre Schwester angesehen. „Du hast dich verlobt?“

„Ich weiß, es ging jetzt etwas schnell …“ Peta senkte den Blick staunend, aber auch begeistert auf ihren Ring. „Ich kann es ja selbst nicht glauben, aber … Er ist etwas Besonderes, Cass. Und er will die Zwillinge adoptieren.“

Daraufhin spürte Cassidy einen Kloß im Hals. Die Zwillinge gehörten ihr! Sie war bei ihrer Geburt dabei gewesen, sie hatte ihrer Schwester geholfen, sie aufzuziehen, sie hatte Amber in die Notaufnahme gebracht, als sie sich den Arm gebrochen hatte und Peta am anderen Ende der Stadt bei ihrer Arbeit festsaß. Sie war es gewesen, die April Geschichten vorgelesen hatte, um sie von der OP ihrer Zwillingsschwester abzulenken.

Dan war … Dan war … Er war ein netter Kerl, ein lieber Kerl, aber heiraten?

Rückblickend hätte sie besser darauf vorbereitet sein sollen. Ihre Schwester gehörte zu diesen einzigartig schönen Menschen, nach denen man sich zweimal umschaut.

Wie ihr Chef. Prinz Logan de Silva von Arrantino.

Sie gingen auf einem anderen Niveau durchs Leben als normale Sterbliche wie Cassidy, erregten Aufsehen und brachen Herzen im Vorübergehen.

So war es schon immer gewesen. In der Schule hatten die heranwachsenden Jungen nur Interesse an Cassidy gezeigt, um über sie an ihre Schwester heranzukommen. Daran hatte sie sich so sehr gewöhnt, dass sie selbst jetzt noch stets die verborgenen Motive eines Mannes erwog, bevor sie eine Einladung zum Essen annahm. Nicht dass sie seit dem letzten Partner, der es lediglich auf ihre Studienaufzeichnungen abgesehen hatte, viele Einladungen bekommen hätte. Nach dem katastrophalen Vorfall in der Highschool, an den sie nicht denken wollte, hätte sie es wirklich besser wissen müssen.

Nur ein einziges Mal hätte sie gern einen Mann kennengelernt, der sie körperlich begehrte. War das zu viel verlangt?

Das Bild ihres Chefs kam ihr in den Sinn, und sie verbannte es auf der Stelle. Ihren Körper würde er höchstens begehren, um ihn zu begraben, nachdem er ihr wegen ihrer zahlreichen Fehler an diesem Tag den Hals umgedreht hatte.

Zuerst hatte sie einen Anruf einer in Tränen aufgelösten Ex voller Hoffnung auf eine zweite Chance statt zum Chef der Anwaltskanzlei zu ihm durchgestellt, dann hatte sie das Restaurant verwechselt, in dem er zu Mittag einen Kunden treffen wollte. Sie hatte die Verabredung mit einem Termin für den kommenden Tag durcheinandergebracht, und als Folge traf ihr Chef mit zwanzig Minuten Verspätung ein.

Und jetzt dieses Debakel … Sie schichtete die Dokumente sorgfältig auf dem Tisch. Es fehlte gerade noch, dass sie sie fallen ließ, wenn sie die Treppe hinunter zum Kopierer hastete.

Zu dieser Abendstunde war das Büro weitgehend leer. Die meisten ihrer Kollegen in der Bank waren bereits nach Hause gegangen, und sie war allein mit ihren Selbstvorwürfen.

Wofür sie ewig dankbar war.

Die Vorstellung, höfliche Konversation mit einem Kollegen führen zu müssen oder nach Hause zu kommen, bevor sie für ihre Schwester ein echtes Lächeln aufsetzen konnte, war im Moment einfach zu viel. Nicht, dass sie sich nicht ehrlich für ihre Schwester freute. Sie hatte lediglich Angst vor dem, was auf sie zukam.

Angst vor einer Zukunft ohne täglichen Kontakt mit ihrer Familie. Angst vor einer Zukunft ohne einen Mann in ihrem Leben. Sie sah es nahezu vor sich: eine unverheiratete Frau mit Schultertuch gegen das Frösteln und einem Dutzend verwilderte Katzen, die ums Futter streiten.

Es schnürte ihr die Kehle zu. Sie und ihre Schwester waren ein Team, schon seit der Geburt der Zwillinge, als Peta gerade siebzehn und Cassidy achtzehn war. Zwei Jahre zuvor hatte ihre Mutter sie verlassen, ihr Vater hatte Mühe, sich über Wasser zu halten, und Cassidy war für alle der Fels in der Brandung. Was sie nicht gestört hatte. Sie half gern und war nie der Typ gewesen, der sich aus dem Staub machte, wenn es brenzlig wurde.

Froh, dass sie regelmäßig zum Fitnesstraining ging, nahm sie auf dem Weg zurück in ihr Büro immer zwei Stufen auf einmal, warf, dort angekommen, die Dokumente auf ihren Schreibtisch und griff automatisch nach dem Telefon, um den Kurierdienst anzurufen.

Dann zögerte sie.

Bei ihrem Pech an diesem Tag kam der Kurier gar nicht erst oder wurde in einen Unfall verwickelt, und die Dokumente landeten im Hudson. Das wäre nicht nur ein Verstoß gegen den Umweltschutz, es würde außerdem bedeuten, dass sie immer noch wegen Unfähigkeit gefeuert werden konnte.

Dass sie vor zwei Jahren ein paar Monate nach dem College-Abschluss als Logans Chefassistentin eingestellt wurde, war ein Glückstreffer, und noch Monate später musste sie sich manchmal selbst zwicken, um glauben zu können, dass sie diesen lukrativen Job an Land gezogen hatte.

Ihr war klar, dass sie ihn nur bekommen hatte, weil sie zur rechten Zeit am richtigen Ort gewesen war und einer verzweifelten Personalleiterin gegenübergestanden hatte. Sonst wäre sie nicht da, wo sie jetzt war, in einem Job, den sie liebte, mit einem Mann, der an den maßgeblichen Stellen als Geschäftsgenie bezeichnet wurde. Er war eine Autorität und machte vor nichts halt, um zu bekommen, was er wollte. Was sie zu Anfang gehörig eingeschüchtert hatte, allerdings ohne es sich anmerken zu lassen.

„Seine früheren Assistentinnen sind gegangen, weil sie entweder der Arbeitsbelastung nicht standhalten konnten“, ließ die pingelige Personalleiterin sie auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch mit ihrem Chef wissen, „weil sie sich von der Tatsache einschüchtern ließen, dass er ein Prinz und zweiter Anwärter auf den Thron von Arrantino ist, oder weil sie sich in ihn verliebt hatten. Das sind drei gute Gründe für eine sofortige Kündigung.“

Sie hatte nur noch ein paar Dollar auf dem Konto und versicherte der makellos gestylten Personalleiterin, dass ihr nichts so fernlag wie sich zu verlieben. Außerdem hatte sie während ihres Studiums zwei Jobs gehabt und trotzdem als Jahrgangsbeste abgeschnitten, war also harte Arbeit gewohnt.

Cassidy senkte den Blick auf den Stapel Dokumente, die sie in braunes Packpapier eingeschlagen hatte. Ihr Chef wohnte nur einen strammen Fußmarsch von zehn Minuten entfernt, und sie hatte schon früher Sachen in seiner Wohnung abgeliefert. Warum nicht auch jetzt? Sie konnte die Zeit nutzen, um zu überlegen, was sie ihrer Schwester sagen wollte, wenn sie nach Hause kam. Und sie würde entspannter sein, wenn sie ihren Fehler ausräumte und ihr Chef das richtige Material für sein Meeting vorliegen hatte.

Vielleicht hatte sie sogar das Glück, ihn nicht in seiner Wohnung anzutreffen. Dann konnte sie die falschen gegen die richtigen Unterlagen austauschen, ohne dass er etwas merkte.

Sie fühlte sich so gut wie den ganzen Tag über noch nicht, schlüpfte in ihre Kostümjacke, griff nach ihrer Handtasche und fuhr mit dem Lift ins Erdgeschoss.

Es war Mitte Juli, und die Fifth Avenue wimmelte von braungebrannten, mit Einkaufstüten beladenen Touristen in schlecht sitzenden Shorts.

Cassidy schlängelte sich gekonnt durch die Massen und bemerkte erst, dass der Himmel sich bleigrau verfärbt hatte, als ein dicker Regentropfen mitten auf ihrem kostbaren Päckchen platzte.

Stöhnend akzeptierte sie, dass dieser Tag einfach nicht ihr Glückstag war, und suchte mit ein paar anderen Frauen in Ausgehmontur Schutz unter einer gestreiften Markise, als der Himmel seine Schleusen öffnete.

Cassidy zog ihre Jacke aus, wickelte sie um ihr Päckchen und hielt Ausschau nach einem Taxi. Natürlich war die Straße verstopft und weit und breit kein gelbes Taxi in Sicht.

Schicksalsergeben trat sie hinaus in den Wolkenbruch. Wenn sie sich nicht beeilte, würde sie erst im Dunkeln nach Hause kommen. Sie konnte nur hoffen, dass der Chef ihren Einsatz zu schätzen wusste und ein Bonus für sie herausspringen würde.

Durchnässt und außer Atem erreichte sie das Gebäude, in dem er wohnte.

Der Portier musste zweimal hingucken, als er sie sah, und beeilte sich, ihr die Tür aufzuhalten. „’n Abend, Miss Ryan.“

„’n Abend, Michael.“ Nach Luft ringend blieb sie stehen, ihr Herz raste. „Ist der Chef zu Hause?“

„Ja, Ma’am. Vor einer Stunde ist er heimgekommen.“

„Toll“, sagte sie verdrießlich. Also ließ sich ihr Fehler nicht vertuschen.

Da er auf ihre SMS nicht reagiert hatte, verschaffte sie sich mit ihrem Berechtigungscode Zugang zu seinem privaten Lift.

Auf dem Weg zur obersten Etage wurde sie plötzlich nervös. Sie war schon häufig hier gewesen, um etwas abzuliefern, aber nie, wenn er zu Hause war. Die Vorstellung, ihm zu begegnen, wenn er Heimvorteil hatte, beunruhigte sie ein wenig, aber das waren vielleicht auch nur die Auswirkungen eines Tages, den sie möglichst bald überstanden haben wollte.

In seiner supermodernen Wohnung mit Rundum-Ausblick über Manhattan stieg sie, um nicht auszurutschen, übervorsichtig aus der Liftkabine. Die Wohnung war umwerfend; der Innenarchitekt hatte unter Einsatz heller Holzmaserung und meterweise Glas ein weitläufiges, einladendes Ambiente geschaffen.

Im Bewusstsein, dass sie tropfnass war, trat sie mit steifen Beinen tiefer in den pieksauberen Wohnbereich und rief Logans Namen. Als sie keine Antwort erhielt, blickte sie aus dem Fenster und ließ sich flüchtig vom Sonnenuntergang über den Wolkenkratzern gefangen nehmen. Sie atmete langsam aus und ließ die Pracht und den Frieden ihrer Umgebung auf sich wirken. In der Ferne sah sie den dichten Verkehr und eilige Fußgänger auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel. In der Stille des Apartments kamen sie ihr surreal vor.

Nach einem bis zu diesem Moment gnadenlosen Tag fühlte sie sich wie in Watte gehüllt, geschützt vor dem hektischen Tempo der Stadt, die niemals schläft. Eine willkommene Atempause.

Diese Atempause war jedoch jäh vorbei, als sich hinter ihr etwas rührte. Es konnte sich nur um ihren Chef handeln, und Cassidy umklammerte das in ihre Jacke gewickelte Päckchen, drehte sich um und schnappte nach Luft, als sie ihn sah. Schweißüberströmt in einem Trikothemd, das seine breiten Schultern und den muskulösen Oberkörper eher betonte als verbarg, in kurzer Turnhose, die seine kräftigen Schenkel umspannte, war er der Inbegriff männlicher Kraft und Vitalität. Trotz seiner Ohrstöpsel vernahm Cassidy stampfende Rhythmen.

Im ersten Moment verschlug es ihr die Sprache; der Anblick von mehr als einem Meter achtzig gebräunter, straffer Muskelmasse ließ ihren Körper erstarren. Natürlich hatte sie geahnt, dass sich unter seinen maßgeschneiderten Anzügen ein gut gebauter Körper verbarg, aber die Wirklichkeit übertraf ihre Vorstellungskraft um Längen.

Logan musterte sie langsam von oben bis unten, und sie war so aus der Fassung gebracht, dass ihr siedend heiß wurde. Ihr Herz hämmerte, als hastete sie immer noch draußen durch den strömenden Regen.

Sie schluckte verkrampft und erkannte voll Entsetzen, dass ihr Körper in einer Art auf seinen Anblick reagierte, die über das professionelle Verhältnis zwischen Chef und Angestellter hinausging. Genauso hatte sie auf ihn reagiert, als sie ihn zum ersten Mal in maßgeschneidertem Anzug äußerst schlecht gelaunt hinter seinem großen Schreibtisch sah. Auch damals hatte er sie nicht angelächelt, sondern hatte sie gezwungen zu zeigen, was in ihr steckte, indem er jede Reaktion auf seine Fragen mit dem gefährlich intelligenten Blick seiner tiefblauen Augen zur Kenntnis nahm.

Genauso sah er sie jetzt an. Doch dieses Mal konnte sie ihre Gefühle nicht halb so erfolgreich verbergen, eine Fähigkeit, die sie normalerweise zu ihren in einer turbulenten Kindheit erworbenen Superkräften zählte.

Diese Superkraft hatte sie in den vier Wänden seines Büros an jenem ersten Tag eingesetzt, um zu verbergen, wie attraktiv sie ihn fand. Stattdessen hatte sie sich darauf konzentriert, was für ein Glücksfall es war, einen so lukrativen Job in Aussicht zu haben, und wie verzweifelt sie das Geld brauchte. Hilfreich war auch die Tatsache, dass ein Mann, der bereits alles besaß, was die Welt zu bieten hatte, eine Frau wie sie keines zweiten Blicks würdigen würde.

Ein Wassertropfen rann ihr von der Stirn über die Nase bis auf die Oberlippe. Sie fing ihn mit der Zungenspitze auf. Logans blaue Augen verdüsterten sich, seine Nasenflügel bebten, während er ihre Lippen fixierte. Tief in ihrem Körper verspürte Cassidy ein sexuelles Regen, das sie zutiefst erschütterte.

Sie fühlte sich wie eine erschrockene Antilope ohne Fluchtweg vor einem hungrigen Löwen, und plötzlich ärgerte sie sich gar nicht mehr so sehr über die Frauen, die ihn regelmäßig in seinem Büro anriefen und sich eine zweite Chance erhofften. Sie taten ihr vielmehr leid. Sollte er sie jemals in seine starken Arme nehmen, würde sie ihn ganz bestimmt auch nicht wieder gehen lassen wollen.

Zum Glück erinnerte seine finstere Miene sie rechtzeitig daran, dass die Chance, er könnte sie in die Arme nehmen, geringer als Null war.

Sie wusste, dass sie etwas tun musste, um diese merkwürdige Verbindung zwischen sich und ihm zu trennen, bevor sie sich blamierte.

Aber schon im nächsten Moment griff Logan in seine Tasche, schaltete die Musik auf seinem Handy aus und zupfte sich die Stöpsel aus den Ohren. „Was machst du hier, Cassidy? Und warum tropfst du mir den Fußboden nass?“

Nach etwa sechs Wochen der Zusammenarbeit hatten sie angefangen, sich mit dem Vornamen anzureden und zu duzen. Er hatte sich beklagt, immer mit schlechten Nachrichten aus ihrem Mund zu rechnen, wenn sie ihn mit Mr. de Silva ansprach. Doch jetzt erschien ihr die Anrede seltsam intim.

„Ich …“ Sie schüttelte die flüchtige Verrücktheit ab und reckte das Kinn vor. „Ich muss die Unterlagen für das morgige Meeting nachreichen.“ Sie wickelte das Päckchen aus ihrer Jacke, doch Logan machte keine Anstalten, es entgegenzunehmen.

„Ich habe die Unterlagen für morgen doch längst.“

Cassidy verzog das Gesicht und wischte sich mit der freien Hand das Wasser ab, das ihr am Hals herablief. „Nein, hast du nicht. Du hast die falschen.“

„Die falschen …“ Wieder musterte er sie von Kopf bis Fuß, und seine blauen Augen verfinsterten sich. „Du bist nass bis auf die Haut.“

„Tut mir leid.“ Sie blickte an sich herab. Ihre Bluse war so nass, dass sie ebenso gut gar keine hätte tragen müssen. Erschrocken verdeckte sie mit dem freien Arm ihre Brüste. Erst jetzt wurde ihr klar, wie scheußlich sie insgesamt aussehen musste.

Logans Miene wurde noch düsterer, als er ihr die nasse Jacke mit dem Päckchen aus der Hand nahm, aus dem Flur verschwand und gleich darauf mit einem Handtuch zurückkam.

„Du weißt, wo du das Bad findest“, knirschte er und vermied strikt jeglichen Blick in Regionen unterhalb ihres Blusenkragens.

„Weiß ich nicht“, antwortete sie und rieb sich die Arme gegen die Kühle, die entweder er oder die Klimaanlage verströmte. „Bisher habe ich immer nur irgendetwas abgegeben und bin gleich wieder gegangen.“

Eindeutig verärgert über diese Störung seines friedlichen Abends schritt er den Flur entlang. Seine angespannte Körperhaltung verriet, wie gereizt er war. „Hier.“

Er stieß die Tür zu einem Bad auf, und Cassidy verschwand erleichtert darin.

Beinahe hätte sie vor Schreck aufgeschrien, als sie die zerlaufene Wimperntusche unter ihren Augen und die nassen Haarsträhnen sah, die ihr an den Ohren und am Hals klebten.

Die abgehalfterte Frau dort im Spiegel hatte nichts gemein mit der makellos gestylten Assistentin, in die sie sich seit ihrer Abreise aus Ohio verwandelt hatte, und diese Tatsache bestätigte ihr erneut, dass sie an diesem Morgen im Bett hätte bleiben sollen.

Sie holte tief Luft und trocknete sich Gesicht und Hals ab. Dann löste sie ihr Haar und kramte in ihrer Handtasche nach ihrer Bürste. Als sie sie nicht finden konnte, erinnerte sie sich vage daran, dass Amber sie sich am Vorabend ausgeliehen hatte. Sie verwünschte ihre geliebte Nichte, fuhr mit gespreizten Fingern durch ihre zerzauste Mähne und versuchte, ihr Haar wieder hochzustecken. Leider hatte es sich durch den Regen wie wild gekräuselt; Cassidy gab es auf und ließ die Locken offen auf die Schultern fallen. Sie fröstelte in dem klimatisierten Bad und stöhnte erneut auf, als ihr auffiel, dass ihr BH im Licht des Deckenstrahlers durch die Bluse schimmerte.

Na, großartig.

Mit dem Entschluss, es einfach durchzustehen, hob sie das Kinn und verließ das Bad. Sie würde ihre Jacke holen, ihrem Boss einen schönen Abend wünschen und sich der nächsten Katastrophe entgegenwerfen. Viel schlimmer konnte es ja nicht mehr werden.

Sie spähte ins Wohnzimmer und sah ihren Chef, die Hände in die Hüften gestemmt, vor der New Yorker Skyline am Fenster. Die Wolken hatten sich gelichtet, späte Sonnenstrahlen fielen auf die frisch gewaschenen Gebäude und überzogen sie mit Gold und Silber.

Doch der prachtvolle Anblick, der sich ihr im Zimmer bot, nahm sie viel stärker gefangen. Groß, breitschultrig und mit schmalen Hüften, langen muskulösen Beinen und dunkelblondem Haar, das sich in seinem kräftigen Nacken leicht kräuselte, war Logan der Inbegriff eines schönen Mannes in der Blüte seines Lebens. War er auch ein kaltherziger Workaholic, bot er doch einen Anblick von reiner Perfektion.

Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Herzschlag wieder, und um sich nicht noch einmal dabei erwischen zu lassen, dass sie ihren Chef anstarrte, machte sie sich auf die Suche nach ihrer Jacke.

Als Logan sich zu ihr umwandte, sah Cassidy eher aus wie etwas, was die Katze hereingeschleppt hatte, als wie seine gewöhnlich so tüchtige Assistentin. Sie war den ganzen Tag über nicht sie selbst gewesen, und jetzt sah sie nicht einmal aus wie sie selbst. Ihre normalerweise makellose Frisur war eine wirre kastanienbraune Lockenmähne, ihre nasse Bluse war durchsichtig wie Seidenpapier, ihr Gesicht ungeschminkt. Das einzig Vertraute an ihr war ihre Brille, die sie mit dem kleinen Finger hochzuschieben pflegte, wenn er sie ansah. Ein Ausdruck von Nervosität, den er nur gelegentlich bei ihr feststellte.

Ihr war es zu verdanken, dass sein Unternehmen funktionierte wie ein Uhrwerk. Doch die Frau, die jetzt vor ihm stand, sah aus, als sollte sie einen Striptease hinlegen, bevor sie in seinem Bett landete.

Logan fragte sich, seit wann seine Libido auf eine Frau in nasser Bluse mit Erregung reagierte, verließ den Raum und kehrte mit einem Sweatshirt zurück. „Wenn du nicht an einem Wet-T-Shirt-Wettbewerb teilnehmen willst, zieh das hier lieber an.“

Sie konnte ihm nicht direkt in die Augen sehen, als sie das Sweatshirt nahm und es sich über den Kopf zog, wobei sie sich gedämpft bedankte.

Das Shirt war viel zu groß, reichte ihr bis zur Hälfte der Oberschenkel und weit über die Hände hinaus, leistete aber gute Dienste, indem es sie unförmig erscheinen ließ.

Logan wusste nicht, was an diesem Tag passiert war, doch es hatte schon damit angefangen, dass er Cassidy nicht antraf, als er in sein Büro kam. Da sie immer pünktlich war und seinen Morgenkaffee schon bereitgestellt hatte, wenn er eintraf, war ihr Fehlen nicht zu übersehen gewesen. Er hatte sich seinen Kaffee nicht nur selbst zubereiten müssen, sondern musste außerdem zwei Besuche von Nachwuchskräften mit Fragen auffangen, die er nicht beantworten konnte. Und dann hatte ihn die Sekretärin seines leitenden Geschäftsführers aufgesucht, um einen Termin für ihn mit ihrem Chef abzusprechen, und sie blieb und blieb.

Als Cassidy schließlich auftauchte und eine verspätete U-Bahn ins Feld führte, wirkte sie gestresst. Anfangs war es ihm nicht aufgefallen, weil sie in ihrem schwarzen Kostüm mit weißer Bluse und sorgfältig hochgestecktem kastanienbraunem Haar gestylt wie immer wirkte. Seit ihrem ersten Arbeitstag war sie von diesem Stil nicht abgewichen. Zuerst hatte es Logan geärgert, weil sie immer gleich aussah, doch dann lernte er ihre Beständigkeit schätzen. Ganz zu schweigen von ihrer Tüchtigkeit.

Aber an diesem Tag war sie nicht tüchtig gewesen. Ein Fehler folgte auf den anderen, bis Logan sie beinahe gefragt hätte, was denn los mit ihr wäre.

Seiner Erfahrung nach waren Menschen selten so, wie der äußere Anschein es glauben ließ, und doch war er sicher, dass seine Chefassistentin genau so war, wie sie wirkte: eine intelligente, ruhige, vernünftige Frau mit unglaublichem Schmollmund. Und lebhaften, samtig grünen Augen. Beides war ihm auf Anhieb aufgefallen, und um ein Haar hätte er Cassidy wegen seiner Reaktion auf sie nicht eingestellt. Doch seine Personalleiterin hatte ihn davon überzeugt, dass sie perfekt für ihn war.

Und das war sie.

Perfekt.

Bis jetzt.

Sie warf ihm einen Blick zu und rückte wieder ihre Brille zurecht. „Ich weiß ja, dass du sehr beschäftigt bist. Wenn du mir sagst, wo ich meine Jacke finde, bist du mich sofort wieder los.“

„Erst, wenn du mir erklärt hast, wieso ich das Büro mit den falschen Unterlagen verlassen habe.“

Sie seufzte so schwer, dass ihre Brust sich hob und senkte. „Ich hatte gehofft, du würdest nicht fragen.“

Logan zog eine Braue hoch angesichts ihrer ausweichenden Antwort, ein weiterer Hinweis darauf, dass seine Chefsekretärin gegangen und durch eine wildfremde Frau ersetzt worden sein musste.

„Hoffnung ist Zeitverschwendung, und da wir nicht immer bekommen, was wir wollen, frage ich noch einmal.“

Sie senkte den Blick auf ihre Hände, bevor sie ihr kleines Kinn reckte und ihn wieder anschaute. „Ich habe dir den Entwurf ausgehändigt, nicht die endgültige Fassung.“ Sie hob beschwichtigend die Hände. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich habe dich per SMS benachrichtigt, dass ich vorbeikommen würde, aber du hast sie augenscheinlich nicht gelesen.“

„Augenscheinlich.“ Er versuchte vergeblich, seine Verärgerung über ihr Versagen zu verbergen. „Aber ich hätte die Unterlagen morgen Vormittag im Büro abholen können.“

„Dein Flug nach Boston startet früh, und ich wollte dir Unannehmlichkeiten ersparen.“ Sie faltete die Hände. „Es war ein scheußlicher Tag, und mein Fehler tut mir aufrichtig leid.“ In einer Geste der Hilflosigkeit hob sie die Hände. „Ich bin im Moment nicht ganz ich selbst.“

Willkommen im Club. Seiner unfreiwilligen körperlichen Reaktion auf sie nach zu urteilen, war auch er nicht er selbst. Deswegen musste er schnellstens ihre Jacke holen und Cassidy fortschicken. Schon machte er Anstalten, genau das zu tun, als sein Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche, und seine Miene wurde noch düsterer, als er den Namen seines Bruders auf dem Display sah.

Da in Arrantino um diese Zeit tiefe Nacht herrschte, konnte der Anruf nichts Gutes bedeuten. Logan nahm das Gespräch an.

„Was ist?“

Seiner groben Begrüßung wurde mit Humor begegnet. „Habe ich dich zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt, Bruder? Du bist doch wohl nicht mit einer Frau zusammen?“

„Doch.“ Bevor er sich eines Besseren besinnen konnte, ließ er den Blick wieder über Cassidy schweifen. Sie schob sich eine Haarlocke hinters Ohr, und diese unschuldige Geste weckte urwüchsige Lust in ihm. Er wehrte sie mit stählerner Selbstbeherrschung ab, wandte sich um und korrigierte seine Antwort. „Nein.“

„Gut. Hast du einen Moment Zeit? Ich muss … dir etwas berichten.“

Autor

Michelle Conder
<p>Schon als Kind waren Bücher Michelle Conders ständige Begleiter, und bereits in ihrer Grundschulzeit begann sie, selbst zu schreiben. Zuerst beschränkte sie sich auf Tagebücher, kleinen Geschichten aus dem Schulalltag, schrieb Anfänge von Büchern und kleine Theaterstücke. Trotzdem hätte sie nie gedacht, dass das Schreiben einmal ihre wahre Berufung werden...
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