Prinzessin meiner Träume

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Die süße Katie Campbell kann es kaum fassen: Kurz vor ihrer Trauung erfährt sie, warum Douglas sie heiraten will. Er ist pleite! Mit dem Geld ihres Vaters hofft er, seine Firma zu sanieren. Entsetzt läuft Katie in den riesigen Park ihres Elternhauses - direkt in die Arme von Jonah, dem Sohn ihres Gärtners, Katies geliebtem Spielgefährten aus Kindertagen. Verzweifelt bittet sie ihn, ihr zu helfen, unbemerkt das Gelände zu verlassen. Zuerst hält der attraktive Unternehmer alles für ein Spiel, doch als Katie sich schutzsuchend in seine Arme schmiegt, erkennt er, welch unglaubliche Chance ihm das Schicksal bietet...


  • Erscheinungstag 05.10.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727741
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Antoine, der immer noch seinen Kamm in der Hand hielt, betrachtete Kathryn im Spiegel und zog an einer glänzenden schwarzen Locke, bis diese richtig auf ihrer Schulter lag. Stirnrunzelnd trat er einen Schritt zurück, um ihre Frisur noch einmal zu begutachten, und nahm dann das Haarspray, um die widerspenstige Locke zu fixieren.

Kathryn bewegte sich ungeduldig. „Sind Sie immer noch nicht fertig?“

„Etwas Geduld, Mademoiselle. Alles muss perfekt sein, wenn Sie Ihrem Bräutigam begegnen.“ Er schnippte mit den Fingern. „Den Kopfschmuck!“

Ein Assistent reichte ihm einen Kranz aus Orangenblüten. Daran war ein bodenlanger, hauchzarter Schleier befestigt, der mit zu der am Kleid passenden Spitze gesäumt war. Während er den Kranz in ihrem Haar feststeckte, fragte Antoine: „Mademoiselle kann ihre Hochzeit kaum abwarten, ja?“

„Mademoiselle möchte sie endlich hinter sich bringen“, flüsterte Kathryn.

„Ach du je!“ Er schnalzte mit der Zunge, während er die letzte Haarnadel befestigte. „So, fertig. Ich werde oben auf der Treppe auf Sie warten, um dafür zu sorgen, dass die Frisur sitzt.“

Dann muss ich wohl eine halbe Stunde zusätzlich einkalkulieren, um von meinem Schlafzimmer zum provisorischen Altar im Ballsaal unten zu gelangen, überlegte sie.

Während die Assistentin seine Utensilien zusammensuchte, kam ihr Dienstmädchen, um sich zu vergewissern, dass ihr Make-up immer noch perfekt war. „Schon gut, Elsa“, wehrte Kathryn ab. „Hol mir bitte eine Tasse Tee.“

„Ich lasse Ihnen eine Tasse bringen. Hoffentlich ruinieren Sie sich damit nicht das schöne Kleid, Miss Kathryn!“

„Dann eben nicht.“ Kathryn bemühte sich um einen freundlichen Tonfall. „Lass mich jetzt bitte allein. Nach der ganzen Aufregung brauche ich ein paar Minuten für mich.“

„Natürlich, Miss.“ Elsa ging zur Tür und hielt sie dem Assistenten auf.

„Das ist ganz normal“, sagte er im Vorbeigehen leise zu ihr. „Alle Bräute haben Wutanfälle. Sie kann es eben kaum erwarten, endlich den Ring am Finger zu haben.“

Kathryn verdrehte die Augen. Sie war vielmehr nervös. Aber das war wohl ganz natürlich, wenn man einen ganzen Tag an- und wieder ausgezogen und zurechtgemacht worden war.

Sobald sie allein war, stand sie auf und schüttelte dabei automatisch ihr Kleid aus Satin und Spitze auf, sah allerdings nicht in den Spiegel. Bevor sie am Arm ihres Vaters die Treppe hinunterging, um Douglas im Ballsaal zu treffen, würde jemand anders dafür sorgen, dass es perfekt saß.

Sie wollte nur, dass diese Hochzeit – die Hochzeit des Jahrhunderts, wie es in den Zeitungen hieß – so schnell wie möglich vorbei war.

Es war eigentlich nicht so, dass sie Zweifel hatte. Sie hatte alle Punkte überdacht, bevor sie zu der Entscheidung gelangt war, dass Douglas ein geeigneter Ehemann für sie wäre. Er besaß alle Eigenschaften, die sie sich bei einem Lebenspartner wünschte. Ihr Vater mochte ihn, und Douglas war bereits ein wichtiger Mitarbeiter in Jock Campbells Unternehmen. Er hatte gute Manieren und sah gut aus, kannte dieselben Leute wie sie, hatte sie nie angeschrien oder gar die Hand gegen sie erhoben und, was für sie am wichtigsten war, hatte selbst genug Geld.

Nein, sie hatte keine Zweifel. Es waren lediglich die Vorbereitungen, die sie mitgenommen hatten. Schließlich ließ sie diese Zeremonie ihrem Vater zuliebe über sich ergehen. Wenn er wollte, dass sie die perfekte Junibraut war, sollte es so sein. Außerdem konnte er seinen gesellschaftlichen Pflichten nachkommen, indem er fünfhundert Gäste eingeladen hatte.

Kathryn seufzte. Sonst war sie gar nicht so zynisch. Doch nun hatte sie es ja bald hinter sich.

Sie öffnete die Balkontüren und riskierte einen Blick nach draußen. Ihr Zimmer lag auf der Rückseite des Hauses, und die Gäste kamen alle durch die Vordertür. Trotzdem ging sie nicht ans Geländer, für den Fall, dass jemand sich auf die Rückseite verirrt hatte.

Kathryn atmete tief durch. Normalerweise war es im Norden Minnesotas um diese Jahreszeit nicht so warm. Wenn sie gewusst hätte, dass der Sommer in diesem Jahr so früh kommen würde, hätte sie einen leichteren Stoff für ihr Kleid ausgesucht. Darin zu tanzen würde …

Die Balkontüren im Nachbarzimmer wurden einen Spaltbreit geöffnet, und leise Männerstimmen drangen an ihr Ohr. Offenbar hatte jemand das Zimmer den Platzanweisern zur Verfügung gestellt. Obwohl sie das Geräusch ganz bewusst ausblendete, ließ es sich nicht vermeiden, dass sie die Unterhaltung mithörte.

„Und gerade noch rechtzeitig“, sagte ein Mann. „Noch ein Monat, und Doug wäre in der Klemme gewesen.“

Die Antwort konnte Kathryn nicht verstehen. Anscheinend stand sein Gesprächspartner mit dem Rücken zum Balkon.

„Ja“, ließ sich der erste Mann wieder vernehmen. „Er musste sich das Geld für den geliehenen Smoking von mir borgen, weil er mit seinen Kreditkarten nicht mehr bezahlen kann. Er hatte ja gehofft, dass er nach seinem letzten Besuch in Las Vegas – du weißt schon, als er eigentlich geschäftlich in San Diego sein sollte – saniert wäre, damit er sich das alles hier ersparen könnte. Stattdessen hat er auch noch in den Casinos Schulden gemacht, und du weißt ja, wie diese Leute die eintreiben. Hätte die Hochzeit einen Monat später stattgefunden, hätte die unnahbare Miss Campbell vielleicht mit einem Bräutigam mit zwei zerschmetternden Knien vor dem Altar gestanden.“

Das kann nicht sein, dachte Kathryn. Sie reden bestimmt nicht über Douglas.

Es gab allerdings niemanden, den die beiden Platzanweiser sonst gemeint haben könnten. Und der sachliche Tonfall des Mannes deutete darauf hin, dass dieser lediglich die Fakten wiedergegeben hatte. Aber womöglich irrte er sich und hatte Douglas‘ Verhalten nur falsch interpretiert …

Kathryn fühlte sich seltsam flau. Sie schlüpfte wieder in ihr Zimmer und klingelte nach Elsa. Die wenigen Minuten, bis diese kam, erschienen ihr wie die längsten ihres Lebens.

War Douglas wirklich ein notorischer Spieler? Bisher hatte sie immer angenommen, er könnte gut mit Geld umgehen. War er tatsächlich so abgebrannt, dass er es sich nicht einmal leisten konnte, einen Smoking für seine Hochzeit zu auszuleihen? Sie hatte ihn einige Male in Anzügen gesehen und wäre nie auf die Idee gekommen, dass er gar keinen Smoking besaß. Er musste wirklich verzweifelt sein …

Wenn er lügt und betrügt, um mich heiraten zu können, überlegte sie.

Elsa klopfte an und betrat zögernd das Zimmer, und Kathryn unterdrückte den Impuls, ihr zu sagen, sie solle sofort ihren Vater rufen. Es hatte keinen Sinn, so viel Aufsehen zu machen, und niemand wusste besser als sie, wie schnell sich pikante Neuigkeiten in diesem Haus herumsprachen. Wenn Elsa erriet, was in ihr vorging, würden der Butler, der Gärtner und sogar der Zeitungsjunge es wahrscheinlich noch vor Jock Campbell erfahren.

„Sag bitte meinem Vater, er möchte nach oben kommen“, erklärte Kathryn ruhig.

Elsa wirkte verwirrt. „Er begrüßt gerade die Gäste, Miss Kathryn. Und es dauert noch eine Weile bis zur Trauzeremonie. Sie haben mir selbst gesagt, dass er erst kommen soll, wenn es so weit ist, weil er so sentimental ist …“

„Ich habe es mir anders überlegt und möchte gern etwas Zeit mit meinem Vater verbringen. Bitte richte es ihm aus.“

Elsa nickte und verließ wieder das Zimmer.

Nervös ging Kathryn auf und ab. Mehr als einmal hatte sie sich in den Nacken gefasst, an den obersten der fünfzig satinbezogenen Knöpfe, mit denen das Kleid hinten geschlossen wurde. Diese Knöpfe hatten es erheblich verteuert, und die Ironie war, dass sie es nicht allein ausziehen konnte …

Kathryn blieb abrupt stehen und fragte sich, wann genau sie beschlossen hatte, die Hochzeit platzen zu lassen, egal, was ihr Vater dazu sagen würde.

Es klopfte energisch, und Sekunden später steckte Jock Campbell den Kopf zur Tür herein. „Keine Gefahr?“

Kathryn drehte sich zu ihm um. „Daddy …“ Sie biss sich auf die Lippe, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Warum hatte sie es sich nicht vorher überlegt?

„Wie schön du bist, meine Liebe! Genauso wie deine Mutter, und das will etwas heißen. Elsa dachte anscheinend, du würdest dich einsam fühlen. Ich soll dir also Gesellschaft leisten, hm?“

„Ich wollte mit dir reden, ja. Ich … habe Bedenken.“

„Oh, dafür ist es jetzt ein bisschen zu spät, meinst du nicht?“

„Es geht um Douglas. Daddy …“

„Ein prima Kerl, dieser Douglas. Einen besseren Schwiegersohn könnte ich mir nicht wünschen.“

Kathryn atmete tief durch. „Sind dir noch nie Zweifel an ihm gekommen?“

Zögerte ihr Vater kurz, oder bildete sie es sich nur ein?

„Nein, meine Liebe“, entgegnete er energisch. „Und was du jetzt empfindest, sind keine Zweifel. Es ist schlichtweg Nervosität. Deine Mutter war auch das reinste Nervenbündel. Sie hat mich sogar kurz vor Beginn der Zeremonie holen lassen und mir gesagt, dass sie alles abblasen will. Natürlich hat sie es nicht getan, und du weißt ja, was dabei rausgekommen ist. Fünfundzwanzig Jahre waren wir glücklich miteinander und wären es immer noch, wenn sie nicht …“ Ihm versagte die Stimme, wie immer, wenn er den Tod seiner Frau ansprach.

Kathryn beobachtete, wie er um Fassung rang. Es kostete ihn offenbar mehr Mühe als sonst. Allerdings war dies ja auch ein besonderer Tag.

„Daddy“, sagte sie, „es tut mir wirklich leid, wenn ich alles durcheinander bringe, aber es ist nicht nur Nervosität.“

„Mach dich nicht lächerlich, Kathryn.“

Diesen strengen Tonfall schlug ihr Vater ihr gegenüber nur selten an, und sie verspannte sich noch mehr.

„Jede Braut ist nervös“, fuhr er ausdruckslos fort. „Und wenn alle danach handeln würden, gäbe es die Institution Ehe nicht mehr. Ich gehe jetzt nach unten, um Douglas zu holen, und nachdem ihr beide miteinander geredet habt, kannst du dich bei mir entschuldigen, weil du mein Urteilsvermögen infrage gestellt hast. Danach können wir mit der Trauzeremonie beginnen.“

„Nein!“, rief Kathryn in Panik, und als er die Stirn runzelte, fügte sie leise hinzu: „Bitte bring ihn nicht hierher.“

„Hast du Angst davor, ihm gegenüberzutreten, Kathryn?“

Ja. „Ich … Natürlich nicht.“ Verzweifelt suchte sie nach einer Ausrede. „Ich möchte nur nicht, dass er mein Kleid vorher sieht.“

Wie dumm kann man sein? fragte sie sich. Sie hatte sich gerade selbst widersprochen. Erst hatte sie erklärt, sie wollte nicht heiraten, und nun behauptet, Douglas sollte ihr Kleid nicht vor der Zeremonie sehen.

Ihrem Vater war es offenbar nicht entgangen. Er ging allerdings nicht darauf ein, sondern schüttelte nur den Kopf und verließ das Zimmer.

Das hast du wirklich toll gemacht, schalt sie sich. Warum stichst du dir das nächste Mal nicht gleich selbst ins Herz?

Und nun lief ihr die Zeit davon. Jock würde gelassen wie immer die Treppe hinuntergehen, nach seinem zukünftigen Schwiegersohn Ausschau halten, diesen dann zur Seite nehmen und ihn nach oben begleiten. Schätzungsweise blieben ihr höchstens zwanzig Minuten.

Kathryn hörte bereits seine wohlklingende Stimme, wie Douglas alles leugnete und sich schockiert gab. Und was sollte sie ihrem Vater erzählen? Dass sie den Äußerungen irgendeines Platzanweisers mehr Glauben schenkte als den Beteuerungen des Mannes, dem sie ihr Leben anvertrauen sollte?

Nein, sie konnte es nicht tun. Sie konnte nicht beiden zusammen gegenübertreten. Daher blieb ihr nur eine Möglichkeit.

Kathryn riss die Tür ihres Kleiderschranks auf, nahm Jeans, eine Bluse und Turnschuhe heraus und eilte ins Bad. Dann fasste sie sich mit beiden Händen in den Nacken, atmete tief durch und zog mit aller Kraft. Die Knöpfe flogen durch den ganzen Raum.

Nachdem sie das Kleid ausgezogen hatte, legte sie es in die Badewanne, damit sie genug Platz hatte, um in die Jeans zu schlüpfen. Sie nahm den Schleier ab, warf ihn über die Trennwand der Duschkabine, streifte die Satinpumps ab und zog die Turnschuhe an. Erst in dem Moment fiel ihr ein, dass sie nicht einen Cent bei sich hatte. Während sie angespannt lauschte, ob bereits Geräusche im Flur zu hören waren, schlich sie auf Zehenspitzen zurück ins Schlafzimmer und zum Bett, auf dem ihr Outfit für die Flitterwochen lag. Sie zog ihren Verlobungsring ab und warf ihn darauf, dann nahm sie die kleine Abendtasche, die daneben lag.

Kathryn eilte zurück ins Bad und knöpfte sich dabei die Bluse zu. Nachdem sie die Tür hinter sich abgeschlossen hatte, lief sie in das Wohnzimmer, das auf der anderen Seite angrenzte. Von dort aus kam man in einen Nebenflur. Dort war niemand zu sehen. Sie benutzte die Hintertreppe und blickte unten um die Ecke in die Küche. Zu ihrer Erleichterung war auch dort niemand. Anscheinend waren die Angestellten bereits in den Ballsaal gegangen, um die Zeremonie zu verfolgen.

Eine Zeremonie, die nicht stattfinden würde.

Kathryn blieb einen Moment vor der Hintertür stehen, bevor sie zuerst hinter dem nächsten großen Baum Schutz suchte und sich anschließend von Baum zu Baum durch den Garten davonstahl. Ihr Plan war so einfach, dass er sich auf ein Wort reduzieren ließ – wegzukommen. Es war ihr egal, wie und wohin.

Ihr Herzschlag verlangsamte sich mit zunehmender Entfernung vom Haus, und sie konzentrierte sich darauf, eine Möglichkeit zu finden, wie sie das Anwesen verlassen konnte. Jock Campbells großes Haus im georgianischen Stil war zwar keine von einem Wassergraben umgebene Burg, mit den hohen Mauern und schmiedeeisernen Toren jedoch fast genauso abgeschirmt. Und herauszukommen war fast genauso schwer, wie hereinzugelangen – vor allem an diesem Tag, an dem die Sicherheitsbeamten wegen der teuren Geschenke und der Sicherheit der Gäste in Alarmbereitschaft waren. Zudem würde es noch problematischer werden, sobald Jock ihr Brautkleid entdeckte.

Kathryn zerbrach sich noch den Kopf darüber, als sie aus dem Schutz einer Hecke auf die schmale Auffahrt neben dem Häuschen des Gärtners gelangte und über ein Paar Beine stolperte, das unter einem alten Wagen hervorragte.

Ein Stöhnen war zu hören, und ein Mann rollte auf einem Hund heraus.

„Was, zum Teufel …?“

Langsam ließ sie den Blick von seinen schmutzigen Turnschuhen über die abgewetzte Jeans zu dem von Schmierflecken übersäten T-Shirt gleiten. Er hatte breite Schultern, ein markantes, sonnengebräuntes Gesicht, zerzaustes dunkles Haar und dunkelbraune Augen, in denen ein ärgerlicher Ausdruck lag.

„Können Sie nicht aufpassen?“, grummelte der Mann.

„Tut mir leid, ich war mit meinen Gedanken woanders.“

„Ach, Sie gehören wohl zu den Leuten, die nicht gleichzeitig gehen und denken können.“ Er setzte sich auf, und plötzlich wurde sein Blick scharf. „Eigentlich sollten Sie jetzt vor dem Altar stehen.“

Kathryn sah durch ihn hindurch. „Sie müssen mich mit jemandem verwechseln.“

„Und was macht dann die Orangenblüte in Ihrem Haar?“

Sie fasste sich ins Haar, fand die Orangenblüte und nahm sie weg. Anschließend zog sie die Nadeln heraus und ruinierte damit die Frisur, mit der Antoine sich so viel Mühe gegeben hatte.

„Katie Mae Campbell höchstpersönlich“, meinte der Mann.

Kathryn wurde ärgerlich. „Sie hat mich seit meinem sechsten Lebensjahr niemand mehr genannt. Nennen Sie mich Miss Campbell – oder Miss Kathryn, wenn Sie unbedingt wollen.“

„Und wie ein braver Bauer soll ich Ihnen damit Reverenz erweisen.“ Geschmeidig wie ein Panther stand er auf und nahm einen Lappen vom Kotflügel, um sich darin die Hände abzuwischen.

Er war größer, als sie angenommen hatte. „Wer sind Sie überhaupt?“

„Jonah Clarke. Mein Vater ist Ihr Gärtner, falls Sie es nicht wissen.“

„Natürlich kenne ich seinen Namen. Das erklärt, warum Sie eine Orangenblüte auf Anhieb erkannt haben.“

„Er wäre bestimmt stolz auf mich. Und er würde sich sicher über Ihren Besuch freuen. Nur leider ist er drüben im Haus, um an Ihrer Hochzeit teilzunehmen – womit wir wieder beim Thema wären.“

„Und warum sind Sie nicht bei ihm?“ Das war nicht nur eine Verzögerungstaktik. Es interessierte sie wirklich.

„Ich war nicht eingeladen. Ich bin bloß zu Besuch hier.“ Jonah Clarke warf den Lappen weg. „Also, Miss Kathryn, was ist los?“

„Ich heirate nicht.“

„Das habe ich mir gedacht“, bemerkte er trocken. „Und was wollen Sie stattdessen tun?“

„Ich … will weg.“

„Aha. Hm, falls Sie auf der Suche nach Ihrem Porsche sind, die Garage ist auf der anderen Seite des Anwesens.“

Kathryn biss sich auf die Lippe und betrachtete ihn. In wenigen Minuten würde das Chaos losbrechen, und es half ihr nicht, wenn sie hier stand und plauderte.

„Jonah“, begann sie, „Sie wissen genau, dass ich …“

„,Mr. Clarke‘ für Sie. Wenn Sie unbedingt wollen, können Sie mich auch … Nein, bleiben wir lieber bei ‚Mr. Clarke‘.“

„Mr. Clarke“, sagte sie energisch. „Sie sind hier aufgewachsen, stimmt’s?“

Jonah Clarke nickte. Er wirkte misstrauisch.

„Dann müssen Sie wissen, ob man das Grundstück auch woanders als durchs Tor verlassen kann.“

Jonah Clarke zog eine Augenbraue hoch. „Sie kennen mich nicht einmal, gehen aber davon aus, dass ich nachts über die Mauer klettere.“

„Haben Sie das denn nicht getan?“

Er lächelte frech. „Doch, natürlich.“

„Wie?“

„Das verrate ich Ihnen nicht.“

Kathryn zupfte ihn am Ärmel. „Bitte! Ich muss unbedingt über diese Mauer kommen, und zwar sofort. Helfen Sie mir?“

Nun kniff er die Augen zusammen. „Sagen Sie mir, was für mich drin ist – außer einer Menge Ärger, wenn Ihr Dad mich erwischt –, dann denke ich darüber nach.“

„Was wollen Sie?“, fragte sie verführerisch.

„Was bieten Sie mir denn?“ Jonah Clarke zuckte die Schultern. „Ach, vergessen Sie’s. Katie Mae, Sie sind zu gefährlich, als dass man Sie auf die Menschheit loslassen sollte.“

„Ich sagte Ihnen doch, Sie sollen mich nicht …“ Sie verstummte. „Nein, Sie können mich nennen, wie Sie wollen, wenn Sie mir helfen, über diese Mauer zu kommen.“

„Ist es okay, wenn Sie hindurchkommen?“ Er öffnete die Seitentür der Garage und beugte sich hinein. Dann hielt er ihr einen großen, altmodischen Schlüssel unter die Nase.

„Ich geben Ihnen, was Sie wollen“, versprach Kathryn in einem Anflug von Dankbarkeit.

„Ich werde darüber nachdenken und Ihnen Bescheid sagen. Kommen Sie.“

Mit großen Schritten ging er voran zwischen den Bäumen hindurch, und sie hatte Mühe mitzuhalten.

„Wohin wollen Sie?“, fragte er über die Schulter.

„Sie glauben doch nicht etwa, dass ich es Ihnen verrate.“

„Also wissen Sie es nicht.“

„Nein, ich rechne nur damit, dass Sie die Information meinem Vater verkaufen.“

„Klar werde ich das. Und sicher wird er mich belohnen – gleich, nachdem er mir einen Kinnhaken verpasst hat.“

„Was ist mit dem Schlüssel? Gehört er nicht zu einer Tür oder so was?“

„Sie glauben doch nicht etwa, dass ich ihm all meine Geheimnisse verrate, oder? Er würde die Tür sofort versiegeln lassen, und vielleicht muss ich sie ja eines Tages noch mal benutzen.“

„Sie spielen mit dem Gedanken, wieder bei Ihrem Vater einzuziehen?“, erkundigte Kathryn sich zuckersüß.

„Es wäre nicht meine erste Wahl, aber man weiß nie, was passiert.“ Unvermittelt blieb Jonah Clarke stehen. „Hier.“

Sie sah zwar die von Wein überwucherte Mauer hinter der letzten Baumreihe, konnte jedoch nirgends eine Tür oder ein Tor entdecken. „Wo?“

„Sie ist gut versteckt, nicht?“, meinte er fröhlich. „Der Wein war schon da, als ich diese Stelle entdeckt habe. Aber ich habe Jahre gebraucht, um ihn so in Form zu bringen, dass er die Tür berankt, ohne kaputtzugehen, wenn man sie öffnet. Mal sehen, ob es noch geht.“ Er zog eine Ranke zurück, und eine schwere Holztür kam zum Vorschein.

Dann steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn. Der Wein rankte auf der anderen Seite der dicken Mauer und verdeckte die Öffnung. Als Kathryn hindurchging, stand sie oben auf einem Hügel und sah Kiefern, so weit das Auge reichte, und dazwischen dichtes Unterholz. „Wo sind wir?“

„Sie würden eine klasse Pfadfinderin abgeben“, erwiderte Jonah Clarke ironisch. „Ungefähr fünfhundert Meter weiter verläuft der Highway.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Von da aus könnte ich trampen.“

„Ich schlage vor, dass Sie sich beeilen, sonst hält nachher noch einer von Ihren Hochzeitsgästen.“

„Vielleicht sollten Sie mitgekommen“, schlug sie mit einem gekonnten Augenaufschlag vor.

Er sagte etwas, das sie nicht verstand – und das war wohl auch besser so.

„Jonah … ich meine, Mr. Clarke … Wenn Sie nicht wissen, wohin es mich verschlägt, können Sie Ihre Belohnung nicht in Empfang nehmen.“

Das Schweigen schien sich endlos hinzuziehen.

„Eins ist sicher“, meinte er schließlich. „Allmählich wird mir klar, dass ich ein Masochist bin. Also gut, ich bin dabei.“

Kathryn lächelte triumphierend. „Dann lassen Sie uns die Tür abschließen und weitergehen.“

Jonah schüttelte den Kopf. „Nicht so schnell. Ich bin vielleicht ein Masochist, aber kein Idiot. Die Sicherheitsbeamten haben meinen Namen heute Morgen in der Liste überprüft. Wenn ich das Anwesen nicht offiziell verlasse, ist die Hölle los, und man wird uns beide suchen.“

„Oh. Daran hatte ich nicht gedacht.“

„Genau wie an eine halbe Million anderer Dinge, wette ich. Jedenfalls habe ich keine Lust, vom FBI erschossen zu werden, weil man mich für Ihren Entführer hält.“

„Wie sollten die denn auf die Idee kommen?“

„Hat jemand Sie gesehen?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Haben Sie irgendjemandem erzählt, dass Sie abhauen?“

„Nicht direkt.“

„Dann weiß also niemand, ob Sie für diese Nummer verantwortlich sind oder jemand anders. Hören Sie, wir haben keine Zeit, miteinander zu streiten. Sie machen sich jetzt auf den Weg. Gehen Sie immer der Sonne entgegen, dann kommen Sie zu einem kleinen Parkplatz an der Straße. Ich gehe wieder zurück, steige in meinen Wagen und fahre vom Grundstück. Wahrscheinlich bin ich eher auf dem Parkplatz als Sie, aber wenn nicht, warten Sie hinter den Bäumen, bis ich auftauche.“ Jonah zog den Wein zurück und verschwand dahinter.

„Jonah“, sagte Kathryn leise, und er drehte sich um. „Danke.“

„Bedanken Sie sich erst, wenn wir irgendwo angelangt sind.“ Wenige Sekunden später schloss sich die Tür mit einem Knarren, und er war verschwunden.

Kathryn ging, so schnell sie konnte, immer der hellsten Stelle am Himmel entgegen, Mehr war von der Sonne, die schneller als sonst unterzugehen schien, nicht zu sehen. Sie mochte nicht daran denken, was passieren konnte, wenn es dunkel wurde. Gegen einen Bären, einen Puma oder ein anderes wildes Tier würde sie mit der kleinen Flasche Reizgas, die sie immer bei sich führte, vermutlich nicht viel ausrichten können.

Schließlich erreichte sie jedoch den kleinen Parkplatz, der nur aus einem U-förmigen Weg sowie einem Picknicktisch und einer Mülltonne bestand. Nun, da sie aus dem Schatten der Bäume getreten war, stellte sie fest, dass die Sonne noch gar nicht untergegangen war.

Auf dem Weg stand der alte Wagen, an dem er gebastelt hatte, und Jonah Clarke hatte sich über den Picknicktisch gebeugt und studierte eine Karte. Statt des verschmierten T-Shirts trug er jetzt einen dunkelbraunen Pullover.

Die letzten Meter lief Kathryn. „Woher wussten Sie, dass ich genau hier rauskommen würde?“

Er blickte von der Karte auf. „Das war nur grob geschätzt. Ich hatte mich schon gefragt, ob Sie es sich anders überlegt haben und der Mauer zum Eingangstor gefolgt sind.“

Energisch schüttelte sie den Kopf. „Meinen Sie, ich hätte Sie hier einfach warten lassen?“

„Es war jedenfalls ein schöner Tagtraum“, meinte er. „Kommen Sie, brechen wir auf. Möchten Sie ein Sandwich?“

„Nein, danke. Aber wenn Sie etwas Wasser hätten, würde ich nicht Nein sagen.“

„Im Wagen.“

Nachdem Kathryn auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, reichte Jonah ihr eine Flasche Mineralwasser. Sie trank einen großen Schluck. Das tat gut! Er hatte den Motor angelassen, fuhr allerdings nicht los.

„Wohin fahren wir?“, erkundigte sie sich.

„Hm, das hängt ganz von Ihnen ab. Aber da im Norden nur die kanadische Grenze ist …“

„Ich habe meinen Pass dabei“, erklärte sie fröhlich.

Starr blickte er sie an. „Sie laufen so, wie Sie sind, von zu Hause weg und nehmen Ihren Pass mit?“

„Na ja, ich hatte nicht geplant, das Land zu verlassen. Aber Douglas wollte die Flitterwochen mit mir auf den Bermudas verbringen, und deswegen war mein Pass in meiner Handtasche.“ Sie hielt ihm die Abendtasche unter die Nase. Ich frage mich, wovon Douglas die Reise bezahlen wollte, überlegte sie. Oder dachte er, dass ich es tue?

Jonah stieß einen unwirschen Laut aus. „Trotzdem sollten wir in Richtung Süden fahren. Bis zu den Twin Cities sind es drei Stunden. Sie haben also genug Zeit, mir von Ihren Plänen zu erzählen.“

„Drei Stunden? So lange brauche ich nie nach Minneapolis und St. Paul.“

„Ja, weil Sie den Highway nehmen. Und genau dort wird man zuerst nach uns suchen.“

„Oh. Daran hatte ich nicht gedacht.“

Er warf ihr einen Seitenblick zu und fuhr los. „Es gibt offenbar eine Menge, woran Sie nicht gedacht haben, Katie Mae.“

„Wahrscheinlich kann ich mich glücklich schätzen, dass Sie überhaupt mitgekommen sind“, räumte sie ein. „Sie werden nach einer Frau suchen, nicht nach einem Paar. Es ist perfekt.“

Autor

Leigh Michaels
Leigh Michaels ist die Autorin von über 70 Romanen für Harlequin. Mehr als 27 Millionen Kopien ihrer Bücher sind weltweit gedruckt und in 20 Sprachen übersetzt worden. Fünf ihrer Bücher waren Finalisten bei den RITA® - Verleihungen. Sie hat den “Reviewers Choice award” für Family Secrets, den Robert Bliss Award...
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