Rau, aber sexy

– oder –

 

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Audra bleibt fast das Herz stehen, als eines Nachts ein nackter Mann in ihrem Bett Schutz sucht. Es ist ihr Nachbar, der Polizei-Agent Sam, den gerade zwei Killer jagen. Von nun an wird sie den rauen Draufgänger einfach nicht mehr los. Und aus Liebe lässt sie sich von ihm in lebensgefährliche Abenteuer verwickeln …


  • Erscheinungstag 17.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755164
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Audra McPherson hätte in dem Moment, als der nackte Mann durch ihr Fenster einstieg, schreien sollen. Doch sie blieb stumm.

Ein unvernünftiges Verhalten, für das es jedoch viele Entschuldigungen gab: Die nicht funktionierende Klimaanlage, die mörderische Hitzewelle oder ganz einfach ein normaler Erschöpfungszustand. Zu der verständlichen Benommenheit kam sekundenlange lähmende Ungläubigkeit, denn der Mann kam ihr irgendwie … bekannt vor.

Was einfach lächerlich war. Denn der Anblick eines nackten Mannes, vor allem eines großen, muskulösen, atemberaubend gut aussehenden Mannes, war Audra McPherson nicht gerade vertraut.

Aber egal, worauf sie ihr Schweigen zurückführte, auf jeden Fall war es ein Fehler gewesen. Denn während ihr Verstand zu verarbeiten versuchte, was ihre Augen sahen, war der Mann bereits durch das dunkle Schlafzimmer gehechtet und hatte ihr die Hand auf den Mund gelegt.

Zu spät wurde sie sich ihrer Situation bewusst. Dies war kein Traum, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Und er befand sich in ihrem Schlafzimmer, obwohl es vor ihrem Fenster in der zweiten Etage weder einen Balkon noch eine Feuerleiter gab, und das Sims gerade breit genug für eine magere Taube war.

Oje! Sie war nicht reich. In ihrem Apartment gab es nichts, was sich zu stehlen lohnte. Welchen Grund gab es noch für einen Mann – einen nackten Mann –, in die Wohnung einer allein stehenden Frau zu stürzen? Angst ließ ihren Puls schneller schlagen, und sie verkrampfte sich, als ihr die Antwort klar wurde. Die Verzweiflung verlieh ihr ungeahnte Kräfte, so dass sie es schaffte, ihre Arme unter der Bettdecke hervorzuziehen. Sie stieß mit ihren Händen gegen seine starke, behaarte Brust und versuchte, ihn von sich zu schieben. Ohne Erfolg. Sie krallte sich mit den Nägeln in seinem Arm fest.

Ohne den Druck auf ihren Mund zu verringern, griff er mit der freien Hand nach ihren Handgelenken und drückte sie über ihren Kopf ins Kissen. Die Bettfedern quietschten, als er sich neben sie kniete. „Tut mir leid“, flüsterte er. „Ich wollte Ihnen keine Angst einjagen.“

Er wollte ihr keine Angst einjagen? Seine Worte klangen fast wie eine Entschuldigung. War der Kerl verrückt? Audra versuchte, ihre Arme loszureißen. Sein Griff um ihre Handgelenke war unnachgiebig wie Stahl und dabei seltsam sanft. Sie stieß die Bettdecke von sich, stemmte einen Fuß in die Matratze und trat mit dem anderen nach ihm. Ihr Fuß traf ihn mit einem klatschenden Geräusch.

Er schnappte nach Luft und fluchte leise. Bevor sie ihn ein zweites Mal treten konnte, warf er sein Bein über sie, streckte sich der Länge nach auf ihr aus und drückte sie mit seinem Gewicht auf die Matratze. „Ich werde Ihnen nichts tun“, keuchte er. „Ich benötige nur Ihr Telefon.“

Der Schrei, den sie schon vor zehn Sekunden hätte ausstoßen sollen, stieg in ihrer Kehle hoch, wurde jedoch von seiner Hand auf ihrem Mund unterdrückt. Sie drehte den Kopf und versuchte zu beißen.

„Verdammt, seien Sie endlich friedlich, oder man wird uns hören“, fluchte er.

Panik ergriff sie, und sie wand und krümmte sich unter ihm. Schreckliche Bilder aus den Nachrichten, albtraumhafte Szenarien von Gewalt schossen ihr durch den Kopf. Oje! Gehörte sie jetzt auch zu den Opfern? Würde sie, wenn der Morgen endlich anbrach, nichts weiter sein als eine Zahl in der Statistik? Würde es auch eine gelbe Polizeiabsperrung geben, trübsinnige Untersuchungsbeamte und massenhaft Reporter …?

„Miss McPherson“, wisperte er. „Bitte, wehren Sie sich nicht. Sie tun sich nur selbst weh.“

Beim Klang Ihres Namens hielt sie einen Moment lang überrascht inne. Wenn er wusste, wer sie war, konnte er kein perverser Irrer sein, der ihr Fenster zufällig gewählt hatte.

Nein, er war ein perverser Irrer, der ihr Fenster absichtlich gewählt hatte.

Aus der Tiefe drang ein weiterer Schrei nach oben. Sie drehte und wand sich und machte erneute Anstrengungen, sich von ihm zu befreien, doch sein Körper war so stark und unbeweglich wie ein Fels.

„Audra, keine Angst“, flüsterte er. Sie spürte seinen warmen Atem direkt an ihrem Ohr. „Ich bin es. Sam.“

Der Name wirbelte durch ihre Gedanken und verflocht sich mit den albtraumhaften Bildern. Sam? Sam? Sie wurde von einem Irren attackiert, der sich nicht nur entschuldigte, sondern auch noch vorstellte? Sie versuchte erneut, ihm in die Hand zu beißen und schnaufte zufrieden, als sie seine Haut zwischen ihren Zähnen spürte.

Er fluchte wieder leise. „Audra, um Gottes willen, hören Sie auf, mich zu beißen. Ich will nur Ihr Telefon benutzen.“

Sie riss die Augen auf. Ihr Telefon? Das hatte er schon einmal behauptet, oder? Was wollte er damit? Sie mit dem Kabel strangulieren? Oder sie fesseln? Oder benötigte er es für eine andere krankhafte, sadistische …

„Ich muss dringend Ihr Telefon benutzen“, wiederholte er. Er verlagerte sein Gewicht ein wenig, um ihre Angriffe abzuwehren. „Ich muss die Polizei anrufen.“

Mein Verstand scheint nicht mehr richtig zu funktionieren, dachte sie und versuchte krampfhaft, sich aus seinem Griff zu befreien. Einen Moment lang hatte sie doch tatsächlich geglaubt, er hätte gesagt … Nein, ihr Verstand spielte ganz sicherlich verrückt. Seit wann kletterten nackte Irre in die Wohnung einer unschuldigen Frau, um die Polizei anzurufen?

„Hören Sie mir zu, Audra“, zischte er, sein heißer Atem direkt an ihrem Nacken. „Ich bin Ihr Nachbar, Sam. Ich wohne nebenan, Nummer 308. Wir haben uns kennen gelernt, als ich vor zwei Monaten eingezogen bin.“

Unter seinem festen Griff schüttelte sie den Kopf und gab einen gequälten Laut von sich.

Seine Brust drückte schwer gegen ihre, als er den Kopf hob. „Sehen Sie mich an“, befahl er. „Erkennen Sie mich nicht?“

Widerstrebend sah sie ihm ins Gesicht. In dem schwachen Licht konnte sie lediglich hohe Wangenknochen erkennen, ein festes Kinn und dunkles Haar, das ihm in die Stirn fiel. Okay, irgendetwas an ihm erschien ihr vertraut. Sie blinzelte und versuchte vergeblich, trotz der Dunkelheit weitere Einzelheiten zu erkennen, damit sie später der Polizei genügend Informationen für die Erstellung eines Phantombildes geben konnte.

„Wir haben uns vor zwei Tagen im Aufzug unterhalten, erinnern Sie sich? Sie haben mich gefragt, ob Sie die Gebühren für die Bücherei von der Steuer absetzen können.“

Sie runzelte die Stirn. Ja, sie hatte im Aufzug mit ihrem Nachbarn gesprochen. Und richtig, sie hatte um einen Rat bezüglich ihrer Steuererklärung gebeten. Aber konnte dieser Mann wirklich Samuel Tindale sein? Der ruhige Buchhalter von nebenan?

Ein leichter Luftzug stieß für einen Moment die Gardine zur Seite, so dass helles Mondlicht auf das Bett fiel. Die Gesichtszüge des Mannes waren plötzlich deutlich zu sehen. Audra erkannte ihn jetzt. Blaue Augen, umgeben von langen, dunklen Wimpern, eine gerade Nase, feste Lippen, ein Grübchen im Kinn …

Es war Sam. Auch wenn es absolut unmöglich schien, dieser Ausbund an Männlichkeit war tatsächlich der süße, schüchterne Sam von nebenan.

„Ich schwöre, ich will Ihnen nichts tun“, fuhr er fort. „Ich weiß, dass Sie das Schlimmste denken müssen, und es tut mir leid, dass ich Ihnen Angst eingejagt habe. Aber ich darf jetzt keine Zeit mehr verlieren. Ich muss Unterstützung anfordern.“

Unterstützung? Unterstützung? Was wurde hier gespielt? Ihr war wieder zum Schreien zu Mute. Diesmal jedoch nicht aus Angst, sondern aus Frust. Was um alles in der Welt war los?

„Zwei Männer sind in mein Apartment eingebrochen, wahrscheinlich, um mich zu töten, Audra“, sagte er mit leiser, aber eindringlicher Stimme. „Ich habe sie rechtzeitig bemerkt und konnte deshalb durch das Fenster fliehen. Ihr Fenster stand offen, und so nutzte ich die Chance, mich hier zu verstecken. Ich muss die Polizei anrufen, bevor die Gangster herausfinden, wo ich bin. Bitte, je länger Sie sich wehren, desto größer wird die Gefahr für Sie.“

Der Stress, den ganzen Tag Zahlen zusammenzuzählen, musste ihn um den Verstand gebracht haben. Zwei Männer versuchten, ihn zu töten? Welch paranoide Vorstellung. Sie bewegte sich ruckartig und versuchte, mit ihrem Knie in sein empfindlichstes Körperteil zu treten, doch er wehrte ihren Angriff erfolgreich ab.

„Tut mir leid, Audra. Aber ich habe jetzt keine Zeit für weitere Erklärungen.“ So schnell, dass ihr gar nicht bewusst wurde, was geschah, verlagerte Sam sein Gewicht auf einen Ellenbogen, drehte seinen Körper und rollte sich herum, so dass sie auf ihm lag. Er ließ ihre Handgelenke los, schnappte nach dem Laken und wickelte sie blitzschnell ein. Es folgte eine weitere Bewegung, und sie lag wieder unter ihm, gefangen wie in einer Zwangsjacke.

Sie krümmte den Rücken, schaffte es jedoch nicht, sich von ihm zu befreien. Sie hatte sich nie für eine hilflose Frau gehalten, auch wenn ihre Familie dieser Meinung war. Auch war sie nicht besonders klein. Wenn sie die Schuhe mit hohen Absätzen trug, war sie fast so groß wie ihr ältester Neffe. Aber dieser Mann – sie kam immer noch nicht darüber hinweg, dass es sich um Sam handelte – besaß die Kraft und Fähigkeit, sie total außer Gefecht zu setzen.

Noch immer ihren Mund zuhaltend, rutschte er auf ihrem Körper hoch und griff mit seiner freien Hand nach dem Telefon auf dem Nachttisch. Er zog es auf das Bett, drückte den Hörer ins Kissen und gab schnell eine Nummer ein.

Audra war augenblicklich still und hielt den Atem an, um keines seiner Worte zu verpassen. Wenn Sam wirklich glaubte, dass Killer hinter ihm her waren, dann konnte sie vielleicht seine Paranoia zu ihren Gunsten nutzen. Wenn er tatsächlich die Nummer der Polizei gewählt hatte …

Im Schlafzimmer herrschte plötzlich Totenstille. Sie konnte das Klingelzeichen hören, dann die Stimme eines Mannes.

„Bergstrom?“, flüsterte Sam. Er zog den Hörer näher an den Kopf und presste den Mund an die Sprechmuschel. „Hier ist Tucker. Zwei von diesen Schlägertypen aus dem Lagerhaus sind im Moment in meiner Wohnung.“

Sie spürte, dass die Spannung in seinem Körper ein wenig nachließ. Wer auch immer am anderen Ende der Leitung sein mochte, er verstand es entweder, diesen verrückten Mann aufzuheitern, oder …

Vielleicht war er gar nicht verrückt.

„Ja, verbinden Sie mich mit Lieutenant Jones“, sagte er. Es folgte eine kurze Pause, dann wiederum ein schneller Wortwechsel. Sam seufzte. „Ich bin ganz nah dran, Xavier“, sagte er. „Wir haben wahrscheinlich genug in der Hand, um die Organisation auffliegen zu lassen. Wenn nicht … Ja, gut … in Ordnung.“ Wieder entstand eine Pause. „In dem Moment, als ich sie bemerkte, bin ich abgehauen. Ich will hier im Haus keine Schießerei riskieren. Ich rufe aus der Nachbarwohnung an. Nummer 306. Die Frau heißt McPherson.“

Audra, die die ganze Zeit den Atem angehalten hatte, atmete jetzt gegen Sams Hand aus. Er hatte den Leuten, mit denen er sprach, ihren Namen genannt. Warum sollte er das tun, wenn er die Absicht hatte, sie zu verletzen? Tatsache war, dass er ihr trotz seiner körperlichen Überlegenheit bisher nicht wehgetan hatte.

Um Gottes willen, hatte er wirklich die Wahrheit gesagt?

Ein dumpfer Schlag ließ sie erneut den Atem anhalten. Kam das Geräusch von nebenan? Er hatte gesagt, dass Killer in seinem Apartment seien! Wenn das stimmte, dann…

„Richtig“, sagte Sam immer noch im Flüsterton. „Wie schnell können Sie eine Einheit schicken? Es klingt, als seien sie noch in meiner Wohnung.“

Ja, wieder war ein Schlag von nebenan zu hören, so, als hätte gerade irgendjemand ein schweres Möbelstück umgestoßen.

„Nein, ich werde auf Verstärkung warten. Sie werden nichts finden. Ich habe die Diskette bei mir. Und noch etwas, Xavier. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Miss McPherson meine Geschichte bestätigen. Ja, sie war zuerst ein wenig skeptisch, da sie mich nur als Tindale kennt, aber jetzt kooperiert sie hervorragend. Einen Moment.“ Er rutschte nach unten, bis sie Gesicht an Gesicht lagen. Dann drehte er den Telefonhörer so, dass beide hören konnten, was gesagt wurde.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung war überraschend deutlich zu hören. „Miss McPherson?“, fragte ein Mann.

„Sie hört zu“, sagte Sam. Seine Haare streiften ihre Wange, als er in die Sprechmuschel sprach. „Fahren Sie fort.“

„Miss McPherson, hier spricht Lieutenant Xavier Jones. Ich bin Detective Tuckers Vorgesetzter. Einer unserer Streifenwagen ist in wenigen Minuten bei Ihnen. Wir werden alles tun, um Ihre Sicherheit zu garantieren. In der Zwischenzeit bleiben Sie bitte ruhig. Sie befinden sich in guten Händen. Und im Namen der Chicagoer Polizei möchte ich Ihnen für Ihre Hilfe danken.“

Tucker? Was war mit Tindale geschehen? Und er hatte Sam Detective Tucker genannt. War er Polizist und Buchhalter? Und warum versuchten irgendwelche Leute, ihn umzubringen? Die Geschichte wurde von Sekunde zu Sekunde verrückter.

Aber das Verrückteste war, dass sie auch immer glaubwürdiger wurde.

Durch das offene Fenster hörte sie in der Ferne Sirenen.

Ihre anfängliche Panik wich, und ihr Denkvermögen kehrte langsam zurück. Entweder spielte ihr jemand einen ganz bösen Streich, oder … Langsam erkannte sie die Tatsachen.

Sam würde ihr nicht wehtun.

Sam war kein Buchhalter, er war ein Polizist.

Er hatte sich in ihr Apartment geschlichen, um ihr Telefon zu benutzen.

Er hatte ihr Schreien verhindert, damit die Männer, die hinter ihm her waren, nicht herausfanden, wo er sich aufhielt.

Ein Lieutenant namens Jones hatte ihr für ihre Hilfe gedankt.

Die Dinge standen also nicht so schlecht, wie sie gefürchtet hatte. Ihr war kein Verrückter zu nahe getreten. Nein, sie lag nur eingewickelt wie eine Mumie unter einem nackten, starken Polizisten, während sich in der Nachbarwohnung Verbrecher mit Mordabsichten herumtrieben.

Nun, das hörte sich doch schon viel besser an, oder?

Sam beendete das Telefonat und streckte sich, um den Hörer aufzulegen. „Ich entschuldige mich nochmals dafür, dass ich Ihnen so einen Schreck eingejagt habe, Audra“, sagte er. „Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, dass Ihr Schweigen lebenswichtig war.“

„Pfft!“, murmelte sie.

Er versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu lesen. Ihre Augen waren nicht mehr so weit aufgerissen, ihre Atmung wurde gleichmäßiger, und so war er zuversichtlich, dass sie nicht mehr versuchen würde, ihn zu beißen oder zu treten.

Verdammt, sie war eine gefährliche Frau. Er war ihr in den letzten zwei Monaten häufig über den Weg gelaufen, aber er hätte es nie für möglich gehalten, dass sich hinter diesem unauffälligen Wesen eine Wildkatze verbarg.

„Mir tut das alles wirklich sehr leid, Audra.“

„Pfft!“, wiederholte sie.

„Ich nehme jetzt die Hand von Ihrem Mund. Aber um unser beider Sicherheit willen hoffe ich, dass Sie nicht schreien werden.“

Sie schüttelte heftig den Kopf.

„Okay.“ Langsam zog er seine Hand fort, darauf vorbereitet, ihr beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten, den Mund wieder zuzuhalten. Noch befanden sich die beiden Verbrecher nebenan. Und da Audra jetzt mit in die Geschichte verwickelt war, war es noch wichtiger, Ruhe zu bewahren, bis Hilfe eintraf.

In dem Moment, als er die Hand zurückzog, holte sie tief Luft. Er erstarrte, entspannte sich aber, als sie geräuschlos weiteratmete.

Glücklicherweise reagierte sie nicht hysterisch, sondern verhielt sich ruhig. Außer, dass sie mit der Zunge über ihre Lippen leckte und sich ihr Brustkorb rasch hob und senkte, blieb sie absolut bewegungslos und beobachtete ihn genauso wachsam wie er sie.

Er bemerkte, was er bisher ignoriert hatte: Ihre Schultern, nackt, bis auf die feinen Träger ihres Nachthemdes. Die blonde Haarpracht, die sich auf dem Kissen ausbreitete. Bisher war ihm nicht aufgefallen, wie lang ihre Haare waren, da sie immer zu einem dicken Zopf geflochten waren.

Vorsichtig rutschte er von ihrem Körper und kniete sich neben sie.

Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Arme befreit hatte, dann zog sie das Laken an ihre Brüste und setzte sich auf.

„Alles in Ordnung?“, fragte er. „Habe ich Ihnen wehgetan?“

„Nein. Ich meine, ja, es ist alles in Ordnung.“ Mit ihren Fingern schob sie sich die Haare aus dem Gesicht und rutschte auf die andere Seite des Bettes. „Natürlich hatte ich einen Moment lang Angst.“

Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts, dachte er. Schade, dass sie wach geworden war, als er durch das Fenster kletterte. Sonst hätte er das Telefon in den Nebenraum nehmen können und den ganzen Ärger vermieden.

Andererseits war es gar nicht so schlecht gewesen, sich mit einem warmen, weiblichen Körper in den Armen auf dem großen Doppelbett zu rollen. Genauso, wie ihm nicht aufgefallen war, wie lang ihre Haare waren, hatte er auch nicht geahnt, was für einen sinnlichen Körper sie hatte. Sie versteckte ihre herrlichen Formen stets unter lockerer, weiter Kleidung. Doch ihr Gang war ihm aufgefallen, ihre anmutigen Bewegungen.

Verdammt, was war mit ihm los? Wie konnte er an ihren Körper denken, während er gerade Fitzpatricks Killern entkommen war?

„Es tut mir wirklich leid, Audra“, wiederholte er und lenkte seine Gedanken wieder auf das Wesentliche. „Ich wollte Sie nicht in diese Geschichte hineinziehen, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich verschwinde von hier, sobald die Verstärkung angekommen ist, in Ordnung?“

„Besteht die Möglichkeit, dass diese … Killer hierher kommen?“

„Nicht, solange wir ruhig bleiben.“

„Aber …“

„Psst.“ Er schlüpfte aus dem Bett und schlich ans Fenster, wobei er den dumpfen Geräuschen lauschte, die aus der Nachbarwohnung kamen. Wahrscheinlich durchsuchten sie seine Wohnung nach den Beweismitteln, die er zusammengetragen hatte.

Sam kauerte sich nieder und tastete den Fußboden ab. Er verzog sein Gesicht zu einem grimmigen Lächeln, als er die Diskette fand, die ihm beim Sprung durch das Fenster aus der Hand gefallen war.

Auch wenn seine Tarnung aufgeflogen war und er sich eine neue Methode ausdenken musste, um wieder an Fitzpatrick heranzukommen, hatte er zumindest dieses Beweisstück gerettet. Namen, Daten, Dollarbeträge – all die trockenen Details würden hoffentlich als Beweise ausreichen, diesen Geldwäschebetrieb hochgehen zu lassen. Es war eine schnelle Entscheidung gewesen, nach der Diskette zu greifen statt nach seiner Pistole. Er hatte weniger als eine Sekunde Zeit gehabt, die Alternativen zu überdenken, doch er hatte wahrscheinlich die richtige Entscheidung getroffen. Mit einer Pistole hätte er sein Leben verteidigt, aber mit der Diskette in der Hand hatte er die Chance, die Gauner endlich hinter Gitter zu bringen.

Sam hatte Monate gebraucht, die Person Tindale zu erschaffen und in das Unternehmen einzuschleusen. Jetzt mussten sie nur noch an Fitzpatrick selbst, den Kopf des Unternehmens, herankommen.

„Sam?“

Er richtete sich auf. Vorsichtig, um jedes Quietschen zu vermeiden, schloss er das Fenster. „Ja?“

Sie zögerte. „Sind Sie wirklich Polizist?“

„Ja, ich bin Polizist. Tut mir leid, aber ich habe meine Marke im Moment nicht dabei.“ Mit dem Daumen schob er die Gardine ein wenig zur Seite und warf einen wachsamen Blick auf die Straße.

„Sie sind also kein Buchhalter?“

„Nein.“

„Und Sie heißen Sam Tucker und nicht Tindale?“

„Stimmt. Tindale war mein Deckname.“

„Das ist unglaublich. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Sie nicht der sind, der Sie zu sein behaupteten.“

„Irgendjemand hat es aber nicht geglaubt.“

„Wie … wie sind Sie hierhergekommen?“

„Über das Fenstersims.“

„Über das Fenstersims? Aber es ist doch nur fünf Zentimeter breit.“

Eher zehn Zentimeter, dachte er, wollte darüber aber nicht streiten. Auch wollte er nicht mehr an das riskante Klettermanöver denken. „Ich war Gott sei Dank barfuß, so konnte ich mich mit den Zehen festklammern.“

Es entstand ein längeres Schweigen, bevor sie sich räusperte. „Ja, ich habe Ihre nackten, äh, Füße bemerkt.“

Er sah an sich hinab und zog eine Grimasse. Okay. Hilfe war unterwegs, und Audra zeigte keine Anzeichen beginnender Hysterie. Er konnte also nichts anderes tun als abwarten. Vielleicht sollte er die Zeit nutzen, sich um ein letztes kleines Detail zu kümmern.

Nun, vielleicht war es nicht so klein.

Er schlief immer nackt. Heute Nacht hatte er wegen der Hitze nicht schlafen können. Er war auf dem Weg in die Küche gewesen, um sich ein kaltes Bier zu holen, als er vor seiner Tür Schritte hörte. Ein Blick durch den Spion hatte als Warnung gereicht. Zum Anziehen blieb keine Zeit. Und mit einem Arm voller Kleidung wäre die Kletterpartie zu riskant gewesen. Schamgefühl war in dem Moment die geringste seiner Sorgen gewesen. Immerhin stand sein Fall, ganz zu schweigen von seinem Leben, auf dem Spiel. Aber jetzt …

Um Gottes willen, mit nacktem Hintern erwischt zu werden. Wenn die Jungs auf der Polizeistation je erfuhren, dass er …

„Audra, könnten Sie mir bitte ein Handtuch oder etwas Ähnliches leihen?“, fragte er.

„Ein Handtuch?“

Er verzog den Mund und deutete, mit dem Rücken zu ihr stehend, auf sein wertvollstes Körperteil.

„Oh. Natürlich“, sagte sie hastig. „Ich bin sofort zurück.“

Er blickte über seine Schultern und sah gerade noch, wie sie sich anmutig in Richtung Diele bewegte. Wenn dieses Apartment genauso geschnitten war wie seins, dann befand sich am anderen Ende des Ganges ein Wäscheschrank. Er folgte ihr, aber die Diele war leer. Undefinierbare Geräusche drangen aus dem Wohnzimmer zu ihm.

„Audra?“, rief er leise.

Er betätigte den Lichtschalter. Das Wohnzimmer war plötzlich hell erleuchtet. Audra stand auf einem niedrigen Hocker und streckte sich, um einen Karton vom obersten Regal zu holen.

Sam blinzelte, aber das lag nicht an der plötzlichen Helligkeit. Ihr Nachthemd war kurz und fast durchsichtig. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, die Arme über dem Kopf, enthüllte das dünne Material ihre weiblichen Rundungen.

Sie sah so gut aus, wie sie sich anfühlte. Lange, schlanke Beine, wohlgeformter Po, schlanke Taille … und zwei herrlich süße Brüste, die sich unter ihrem Nachthemd so klar abzeichneten, dass er die dunkle Spitze in der Mitte ahnen konnte …

Das war Wahnsinn. Einfach verrückt. Was ist nur los mit mir, fragte er sich bereits das zweite Mal innerhalb weniger Minuten. Wie konnte er auch nur eine Sekunde seiner Zeit verschwenden und mit ihrer Figur liebäugeln? Sam eilte zu ihr, bevor sein Körper seine Gefühle verriet.

Audra zog den Karton genau in dem Moment vom Regal, als Sam an ihre Seite trat. Sie schnappte nach Luft und richtete ihren Blick an die Decke, den Fußboden, den Karton, überall hin, nur nicht auf ihn.

„Was machen Sie da?“, fragte er und legte die Diskette, die er immer noch in der Hand hielt, auf den Tisch, um ihr den Karton abnehmen zu können.

„Einer meiner Neffen hat einige Kleidungsstücke hier gelassen, als er mir geholfen hat, das Wohnzimmer zu streichen. Jimmy ist erst fünfzehn, aber er ist groß für sein Alter. Nicht so groß, äh, wie Sie, aber …“ Sie sah ihm ins Gesicht. „Vielleicht finden Sie etwas Passendes, etwas, was angebrachter ist als ein Handtuch.“

Bevor er über eine Antwort nachdenken konnte, hörte er einen Wagen, der mit quietschenden Reifen vor dem Haus hielt. Autotüren wurden zugeschlagen. Ganz offensichtlich war der Hilfstrupp angekommen.

Ohne Zeit zu vergeuden, stellte Sam den Karton auf den Boden und riss ihn auf. Er zog eine Shorts heraus. „Danke, Audra. Jetzt haben Sie mir heute schon das zweite Mal das Leben gerettet.“

Auf dem Korridor waren Schritte zu hören. Sam zog die Shorts über seine Hüften. Obwohl das Material dehnbar war, saß die Hose hauteng. Aber besser als gar nichts. Er stellte sich schützend vor Audra und bewegte sich zur Tür. „Zurück“, befahl er mit fester Stimme.

Sam spürte ihre warmen Brüste an seiner Haut, als sie sich näher an ihn drängte. Er runzelte die Stirn und warf einen Blick über die Schulter. „Audra, ich denke, es wäre besser, wenn Sie sich von der Tür entfernten.“

Sie hörten einem dumpfen Knall, gefolgt von dem Geräusch splitternden Holzes. Verdammt, was für einen übereifrigen Anfänger haben sie geschickt, dachte Sam. Es gab keinen Grund, seine Tür einzutreten. Die Gefahr, dass es jetzt zu einer Schießerei kam, war groß.

Fluchend wirbelte er herum und packte Audra am Arm. Dann zog er sie mit sich auf den Boden. Bevor sie protestieren konnte, lag sie schon flach auf den Rücken, und Sam mit gespreizten Beinen auf ihr.

Zum zweiten Mal.

2. KAPITEL

„Dieses Beweisstück ist hart an der Grenze des Zulässigen, aber es ist genau das, was ich von Ihnen erwartet habe, Tucker“, sagte Xavier, während er hastig Befehle in seinen Computer eingab. „Ich werde es an den Staatsanwalt weiterleiten, sobald er kommt. Gute Arbeit“, fügte er barsch hinzu.

Sam unterdrückte ein Gähnen und lehnte sich gegen die Bürotür. Die ersten Sonnenstrahlen fielen bereits durch die Jalousien, doch Xavier Jones wirkte nicht wie ein Mann, der die ganze Nacht wach gewesen war. Seine Krawatte war immer noch ordentlich gebunden, sein weißes Hemd schien frisch, seine Haltung war militärisch aufrecht und seine stahlgrauen Haare ordentlich gekämmt.

Es überraschte Sam nicht. In den siebzehn Jahren, die er ihn jetzt kannte, hatte er nie erlebt, dass sein Vorgesetzter die Haltung verloren hätte. Dieser Mann, Leiter einer speziellen Einsatztruppe gegen das organisierte Verbrechen, war der Inbegriff eines einsatzfreudigen Karrierepolizisten – entscheidungsfreudig, von scharfem Verstand und unerbittlich.

Dieser Spezialtruppe zu dienen war nicht jedermanns Sache. Einige aus dem Team hatten bereits aufgegeben, weil sich die Arbeit als Undercover Agent verheerend auf das Privatleben eines Beamten auswirken konnte.

Sam liebte diese Art von Arbeit. Er liebte die Herausforderung, eine geeignete Tarnung zu finden, und den Adrenalinstoß, der durch seinen Körper fuhr, wenn er innerhalb von Sekunden eine Entscheidung treffen musste. Und meistens war er dabei allein. So wie letzte Nacht.

Das war ein weiterer Grund, warum ihm seine Arbeit gefiel. In schwierigen Situationen war er nur für sich selbst verantwortlich. Es gab niemanden, um den er sich Sorgen machen musste, niemanden, der ihn im Stich lassen konnte. Dies galt für sein Berufs- ebenso wie für sein Privatleben.

Auch Audra schien allein zu leben. In den zwei Monaten, die er jetzt neben ihr wohnte, hatte er nie einen Freund bemerkt.

Sam rieb sich über das Kinn und spürte seine Bartstoppeln. Er benötigte unbedingt eine Dusche und eine Rasur und auch eine Stunde Schlaf. Vielleicht konnte er sich dann wieder besser konzentrieren, und seine Gedanken würden nicht ständig zu Audra McPherson zurückkehren, ihren weichen Haaren, ihren großen blauen Augen und dem unvergesslichen Gefühl, auf ihr zu liegen.

Autor

Ingrid Weaver
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