Reputation in Gefahr – Ladies mit dunklen Geheimnissen

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Hinter der schicklichen Fassade dieser Ladies lauern fünf dunkle Geheimnisse, die drohen gelüftet zu werden:

PIKANTE GEHEIMNISSE EINES GENTLEMANS von BRONWYN SCOTT
Auch eine Lady hat gewisse … Bedürfnisse! Miss Annorah Price-Ellis, ihres keuschen Daseins überdrüssig, kontaktiert einen geheimen Gentleman-Escort-Service: Fünf Nächte soll der charmante, mit allen Liebeskünsten vertraute Mr. D'Arcy ihre sinnlichsten Wünsche erfüllen. Doch Annorah hat die Rechnung ohne ihr Herz gemacht …

DAS WEIHNACHTSGEHEINIS von TERRI BRISBIN
Wer ist die betörende Elizabeth wirklich? Diese schöne Dirne mit den Manieren einer Edelfrau … Als Lord Gavin Macleod über Weihnachten nach England reist, gerät er unversehens in ihren sinnlichen Bann. Leidenschaftlich schwört er, ihr Geheimnis aufzudecken …

MISS SYLVIES UNSCHICKLICHES GEHEIMNIS von MARY BRENDAN
Ihr Ruf ist in Gefahr! Silvies Schicksal und ihre Zukunft liegen in den Händen von Adam Townsend, Marquess of Rockingham. Denn nur er weiß, in welch unschickliche Lage sie sich gebracht hat. Kann sie den adligen Frauenschwarm zum Schweigen bringen – und seine Lippen mit federleichten Frühlingsküssen für immer versiegeln?

WER SIND SIE, MADAME FORTUNE? von DIANE GASTON
Getarnt als Madame Fortune genießt Lady Celia die rauschenden Nächte im Masquerade Club. Der Inhaber John Rhysdale entführt sie in eine Welt ungeahnter Sinnlichkeit. Aber ihr Traum kann jederzeit enden – wenn John herausfindet, dass sie hinter der Maske steckt!

EMMAS PIKANTES GEHEIMNIS von MARGARET MCPHEE
Diese himmelblauen Augen! Emma erschauert, als Ned Stratham ihr in einer rauschenden Ballnacht feurige Blicke zuwirft. Einst hat sein Charme sie betört, haben seine Küsse ihr Blut erhitzt. Aber das war in einem anderen Leben, in einen anderen, verruchten Teil von London. Und wenn Ned sie nun enttarnt, ist sie verloren …


  • Erscheinungstag 16.06.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514637
  • Seitenanzahl 650
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Bronwyn Scott, Terri Brisbin, Mary Brendan, Diane Gaston, Margaret Mcphee

Reputation in Gefahr - Ladies mit dunklen Geheimnissen

IMPRESSUM

Pikante Geheimnisse eines Gentlemans erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2014 by Nikki Poppen
Originaltitel: „Secrets Of a Gentleman Escort“
erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL SAISON
Band 35 - 2016 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Eleni Nikolina

Umschlagsmotive: phokin/GettyImages, nfedorova /GettyImages, Talangart/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733715830

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

London, Juni 1839

Wäre Nicholas D’Arcy ein weniger außergewöhnlicher Liebhaber gewesen und seine Gespielin, die attraktive rothaarige Lady Alicia Burroughs, ein wenig diskreter, dann hätte ihr Gatte sie wohl nicht entdeckt. Doch „weniger“ war kein Ausdruck, der Nick beschreiben konnte, und „diskret“ keiner, den man für Lady Burroughs verwenden würde. Gerade verlieh die temperamentvolle Dame ihrer Anerkennung für seine Fähigkeiten im Bett mit einer Stimmkraft Ausdruck, die einer Operndiva alle Ehre gemacht hätte.

Zum Henker! Das ganze Haus konnte sie hören. Wahrscheinlich die ganze Nachbarschaft! Es war reines Glück, dass Nick die schnellen Schritte im Korridor vernahm, gerade als Lady Burroughs mit lautem Schluchzen den Gipfel der Lust erreichte. Auch er war zum Höhepunkt gekommen, einer seiner besten, und abgesehen von dem Lärm, den sie machte, war Lady Burroughs seine Bemühungen durchaus wert gewesen. Verzückt lag sie unter ihm – den Kopf hatte sie in den Nacken geworfen – und lustvoll stöhnend bäumte sie sich ein letztes Mal auf. Sie atmete schwer, und zu seiner Überraschung tat er es auch. Lord Burroughs wusste nicht, was ihm entging, indem er seine Ehefrau vernachlässigte. Allerdings würde er es gleich wissen.

„Alicia!“, brüllte der Gatte im Gang.

„Burroughs!“ Alicia setzte sich keuchend auf, und so großes Entsetzen blitzte in ihren Augen auf, dass Nick sich Sorgen zu machen begann. Wie viel Zeit hatte er wohl noch? Zehn Sekunden? Vielleicht fünfzehn? Burroughs war ein vierschrötiger Mann und nicht besonders schnell. Und vielleicht rannte er nicht einmal, sondern ging nur rasch. Ihm blieb genügend Zeit, sich seine Hose anzuziehen, aber mehr nicht.

Nick sprang aus dem Bett, griff nach seinen Pantalons und schlüpfte hastig hinein, bevor er nach Hemd und Frackrock griff. „Sie sagten, er würde bis Montag fort sein!“, zischte er und legte seine Schuhe auf den Stapel in seinen Händen.

„Oh, seien Sie still! Sie wollen doch nicht, dass er Sie hört. Schnell!“ Alicia saß in der Mitte des Betts, das Laken züchtig über ihre runden Brüste gezogen.

Nick sah sich um. Keine Zeit, aus dem Fenster zu steigen, und wenn er die Tür benutzte, würde er Lord Burroughs direkt in die Arme laufen. „Hat das Ankleidezimmer einen Ausgang?“ Wenn er schon ertappt werden sollte, dann nicht von einem Wichtigtuer von einem Mann, der es nicht fertig brachte, seine Frau im Ehebett zu halten.

Nach einem letzten Augenzwinkern zu Lady Burroughs eilte er ins Ankleidezimmer und von dort in den anliegenden Raum, das Schlafgemach Seiner Lordschaft. Nur Sekunden später hörte er Lord Burroughs brüllen: „Wo ist er?“

In deinem Zimmer, alter Narr, dachte Nick leise lachend, aber er musste rasch überlegen. Selbst Burroughs war nicht so beschränkt, nicht zu erkennen, dass der einzige Fluchtweg durch das Ankleidezimmer führte. Nick stürzte in den Gang hinaus und wählte ein anderes Zimmer zur Gartenseite des Hauses hin. Er schlüpfte hinein und schloss die Tür leise hinter sich. Für den Augenblick war er sicher. Er legte sein Bündel auf den Boden und zog die Schuhe an.

„Millie, bist du das?“, kam eine Stimme aus dem Ankleideraum. Nick hielt mitten in der Bewegung inne, einen Schuh schon am Fuß, den anderen noch in der Hand. Er packte seine Sachen und lief zum Fenster. Er war zu langsam. Eine Dame mittleren Alters in einem seidenen Morgenrock kam herein, bevor Nick den Raum auch nur halb durchquert hatte. Die Dowager Countess!

Sie würde schreien. Nick sah, wie sie den Mund öffnete. Er musste diesen Schrei verhindern, und es blieb ihm nur ein Augenblick, um es zu tun. Und so tat er das Einzige, was ihm einfiel. Hastig legte er die zwei Schritte zurück, die ihn von ihr trennten, riss sie in die Arme und küsste sie. Und zwar sehr gründlich, bis ihm auffiel, dass sie seinen Kuss mit großer Leidenschaft erwiderte. Die Dowager Countess – wer hätte das gedacht! Es war zweifellos eine der angenehmsten Überraschungen dieses Abends, vor allem, als sie sagte: „Junger Mann, Sie sollten das Fenster nehmen. Sie werden feststellen, das Spalier ist recht robust.“ Und sie zwinkerte ihm zu. „Es ist schon oft auf die Probe gestellt worden.“

Lieber Himmel, wusste Burroughs überhaupt, was sich in seinem Haus abspielte? Nickt dankte ihr und verschwendete keine Zeit mehr. Er hörte, wie Burroughs die Tür zum Nachbarzimmer aufriss. Wieder würde ein Moment darüber entscheiden, ob er entdeckt wurde oder entkommen konnte. Er warf zuerst seine Sachen aus dem Fenster und schwang dann ein Bein hinaus, um das Spalier auszutesten.

„Kommen Sie, wann immer Sie möchten“, rief die Dowager Countess ihm nach. „Der Gärtner sorgt dafür, dass das Spalier stets in gutem Zustand ist. Er denkt, es sei wegen der Rosen.“

Nick musste lächeln und kletterte in dem Moment in die Dunkelheit hinaus, als Burroughs an die Tür zum Schlafzimmer seiner Mutter klopfte.

Die restliche Flucht verlief ohne Schwierigkeiten. Nick fand aus dem Garten hinaus, und erst nachdem er ein Gewirr von Gassen hinter sich gelassen hatte, nahm er sich die Zeit, sich vollständig anzukleiden. Für den Augenblick war er in Sicherheit, wenn auch nicht wirklich. Alicia Burroughs zeichnete sich nicht gerade durch Diskretion aus, wie er sehr wohl wusste. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Burroughs erfuhr, wer der Mann bei seiner Gattin gewesen war.

Am Ende werde ich einer Strafe nicht entgehen können, dachte Nick grimmig. Er stopfte sein Hemd in die Hose. Allerdings würde Burroughs nichts außer seinem Namen erfahren, sodass die Verantwortung für das heutige Debakel lediglich ihn selbst treffen würde. Auf keinen Fall durfte es eine Verbindung zu der Liga der diskreten Gentlemen geben, nichts durfte die Organisation, zu der er gehörte, aufdecken, die, wie ihr Name schon sagte, um jeden Preis diskret bleiben musste. Niemanden störte es, einen höchst kompetenten Gentleman Escort als „Begleiter“ zu engagieren – wenn gewährleistet war, dass keiner je davon erfuhr!

Nicholas ging weiter. Noch war er nicht bereit zum Argosy House, dem Hauptquartier der Liga, zurückzukehren. Was sollte er Channing sagen? Der Gründer der Liga wäre in der Tat sehr enttäuscht von ihm. Diskretion war das oberste Gesetz. Es zu brechen, bedeutete finanziellen Ruin. Es würde das Ende der Gentlemen sein, das Ende des beträchtlichen Gewinns, das Ende sehr vieler Dinge – und nicht zuletzt sein eigenes Ende: Nicholas D’Arcy, Londons fantastischster, aufregendster Liebhaber. Viele Frauen zahlten enorme Summen für seine Liebeskünste. Sie stopften ihm die Taschen mit Edelsteinen voll, um herauszufinden, wie fantastisch war. Und da er diese Edelsteine und jede Summe Geldes brauchte, ermutigte er ihren Glauben in seinen Ruf. Aber war er nicht wirklich genau das – der fantastische Nick – allerdings auch nicht mehr?

Wenn er ehrlich sein wollte, musste er eingestehen, dass ein gekonntes Liebesspiel so ziemlich alles war, was er beherrschte. Dem Himmel sei Dank, dass er sein einziges Talent in eine Einkommensquelle hatte verwandeln können. Und er dankte dem Himmel, dass er Channing Deveril begegnet war, der seinen Erfolg überhaupt erst ermöglicht hatte. Sonst würde er sich wahrscheinlich noch immer als Schreiberling in einer Reederei am Hafen durchkämpfen und zu wenig verdienen, um seine Familie unterstützen zu können.

Dank seines Rufs war es ihm jetzt jedoch möglich, seiner Mutter anständige Summen Geldes zu schicken. Er konnte seinen beiden Schwestern aufregende Briefe über großartige Feste und die neueste Mode schreiben, ohne sich etwas ausdenken zu müssen. Natürlich wussten sie nicht, wie er sein Geld verdiente, nur das er jetzt ein Geschäftsmann war. Aufgrund der schlechten Gesundheit seines Bruders würden sie auch niemals die Wahrheit erfahren. Denn es würde sich nie die Gelegenheit für sie ergeben, nach London zu kommen und die wahre Situation zu erfassen, wofür er unendlich dankbar war. Das zerstörte Leben eines Bruders war schon Schuld genug. Nick wollte nicht auch noch seiner Mutter das Herz brechen.

Die Milchmädchen begannen ihre Runden, als Nicholas die Stufen zu Argosy House hinaufging. Es unterschied sich in nichts von den anderen Häusern in der Jermyn Street, die ebenfalls von wohlhabenden ledigen Gentlemen bewohnt wurden. Alle Fenster der übrigen Gebäude waren jedoch dunkel, nur im Argosy House brannten noch die Lichter. Die Herren würden noch etwa eine Stunde aufbleiben und von ihrem Abend erzählen, um sich danach zurückzuziehen.

Er betrat das Haus und hörte lautes Männerlachen im Salon. Unwillkürlich musste er lächeln. Es gab ihm ein Gefühl der Geborgenheit, zu wissen, was ihn erwartete, wenn er nach Hause kam. Und dies war das einzige Zuhause, das er jetzt besaß, der einzige Ort, an dem er sich wohlfühlen konnte.

Im Salon saßen sieben Männer lässig in den Sesseln und auf den Sofas – die Krawattentücher gelöst, die Frackröcke abgelegt und die Westen aufgeknöpft – und alle genossen ihren Brandy. Diese Männer waren seit vier Jahren seine Kameraden und Mitglieder derselben geheimen Liga.

Jocelyn Eisley entdeckte ihn als Erster. „Oho, Nick, mein Junge. Das war ja ein knappes Entkommen heute Abend. Wir fingen schon an, uns Sorgen zu machen.“

Alle wandten sich ihm zu. Einige pfiffen anerkennend, andere applaudierten.

„Du wirst noch in die Zeitung kommen.“ Amery DeHart salutierte mit seinem halb geleerten Glas.

„Ein dreifaches Hoch auf unseren Nick.“ Eisley räusperte sich und sprang für einen Mann seiner Größe erstaunlich gewandt auf einen Polsterhocker. „Ein Gedicht ist das Mindeste, um ein solches Ereignis zu würdigen. Es kommt nicht oft vor, dass jemand von uns einer Dame Freude bereitet, während ihr Gatte sich im Haus aufhält.“

Mehrere Gentlemen stöhnten mitfühlend. Nick setzte sich neben DeHart auf das Sofa. Eisleys Gedichte waren schon Tradition.

„Ein schmutziges Gedicht, Eisley“, rief Miles Grafton. „Eine schmutzige Tat verlangt ein schmutziges Gedicht.“

„Hört, hört!“, erwiderten die anderen.

„Nun gut.“ Eisley strich die blonden Locken zurück und bat um Aufmerksamkeit. „Ich schenke euch also meine letzte Schöpfung.“ Seine sonore Stimme bebte dramatisch, als ginge es um einen Auftritt in einer Tragödie im Drury-Lane-Theater. „Einst war da ein Mann namens Nick, der erfreute die Damen mit großem Geschick. So sehr haben sie gestöhnt, wenn Nick sie verwöhnt, dass der Hass aller Gatten lag ihm im Genick.“ Er verbeugte sich schwungvoll.

„Geht es nicht uns allen so?“, rief Amery lauter als nötig. „Wir sind die Wüstlinge, die jeden Gatten eifersüchtig machen.“

„Dem Himmel sei Dank dafür“, meldete sich Captain Grahame Westmore finster aus der Ecke neben dem Kamin, wo er Platz genommen hatte. „Wenn die Gentlemen des ton ihren ehelichen Pflichten angemessen nachgingen, wären wir ohne Beschäftigung.“ Westmore war ein ehemaliger Kavallerieoffizier und gab sich ebenso verschlossen wie Nick. Über ihn wusste er weniger als über all die anderen Männer, die heute anwesend waren.

„Nun, was denkt ihr?“ Eisley sprang vom Hocker herunter. „Ist es nicht mein bisher bestes? Ich werde es heute Nachmittag bei White’s rezitieren, und noch vor dem Dinner wird mein kleines Liedchen in jedem Salon in Mayfair wiederholt werden – wenn auch nur diskret selbstverständlich. Am besten bestellst du dir wieder einige dieser Pariser, die du so magst, Nick. Deine Beliebtheit wird rasant in die Höhe schnellen, mein Junge. Sie werden nur noch von ‚Nicks Trick‘ reden.“

„In der Zeitung reden sie von ‚Nicks kopfloser Flucht‘, wie ich erfahren habe“, hörten sie eine tiefe Stimme an der offenen Tür.

Nick zuckte zusammen. Er brauchte nicht aufzusehen, um zu wissen, dass Channing Deveril eingetreten war, der Begründer der Liga. Offenbar hatte er von dem Vorfall bereits gehört.

„Knapp davongekommen heute Nacht, was, Nick?“ Channing warf ihm einen scharfen Blick zu.

„Aber davongekommen.“ Nick zuckte die Achseln. Vielleicht war Channing nicht allzu verärgert. Immerhin war es ein Risiko ihres Geschäfts, erwischt zu werden, und hätte jedem passieren können.

Channing lächelte schwach. „Dafür müssen wir alle dankbar sein. Komm mit mir in mein Büro, damit wir darüber reden und entscheiden können, was zu tun ist.“

Nick folgte ihm widerwillig. „Was gibt es da zu entscheiden?“, fragte er unruhig, als er sich in den Sessel vor Channings poliertem Schreibtisch sinken ließ.

„Was mit dir geschehen soll, natürlich.“ Channing warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. „Vielleicht bist du heute Nacht zu weit gegangen.“

„Man kann nie zu weit gehen.“ Nicholas lachte, Channing allerdings nicht.

„Ich meine es ernst, Nick, und dasselbe solltest du tun. Dieser Sturm wird nicht einfach so vorüberziehen. Burroughs wird wissen, dass du es gewesen bist.“

„Er wird es nur vermuten können, nicht sicher wissen“, warf Nick ein.

Channing hob ungläubig die Augenbrauen. „Du täuschst dich. Mit kleinen Versen wie ‚Nicks Trick‘ und Karikaturen in den Zeitungen, die als ‚Nicks kopflose Flucht‘ betitelt werden und inzwischen schon ganz London erreicht haben dürften?“ Da hatte Channing gewiss nicht unrecht. „Außerdem denke ich nicht, dass Alicia Burroughs sich je durch ihre Verschwiegenheit ausgezeichnet hätte.“

Noch ein Punkt, in dem er Channing recht gab. „Die Agentur wird nicht hineingezogen werden“, versicherte Nick in der Hoffnung, Channings Unwillen zu besänftigen.

„Meine Sorge gilt nicht allein der Agentur, sondern auch dir, Nick. Ich will nicht, dass es ein Duell gibt.“ Er öffnete eine Schublade und holte einen Ordner heraus, den er Nick zuschob. „Und deswegen habe ich einen neuen Auftrag für dich.“

Nick überflog das Dokument im Ordner und runzelte die Stirn. „Fünf lustvolle Liebesnächte? Auf dem Land? Ist so etwas überhaupt möglich? Lust und Land scheint mir eine völlig unwahrscheinliche Zusammenstellung zu sein.“ Nicholas schob den Ordner mit unverhohlener Verachtung wieder zurück. Er war ein Londoner. Die Stadt mit ihren kultivierten Damen war seine bevorzugte Umgebung. Der Himmel mochte ihn vor einer Landpomeranze verschonen. „Das ist wirklich nicht meine Spezialität, Channing.“

Channing hob die blonden Augenbrauen. „Ein Duell mit einem gehörnten Gatten ist hingegen nicht meine. Wenn ich dich daran erinnern darf, ist die Mission der Liga, einer Frau Lust zu verschaffen ohne den Beigeschmack eines Skandals. Duelle, mein Freund, passen nicht zu unserem Versprechen absoluter Diskretion. Du musst die Stadt verlassen, bis das Gerede sich gelegt hat. Du weißt, wie es in London um diese Jahreszeit zugeht. In den folgenden zwei Wochen wird ein anderer Skandal diesen hier vergessen lassen, allerdings nicht, falls du hier bleiben solltest und jeden mit deiner Anwesenheit daran erinnerst. Ich habe nicht den Wunsch, dich von einem eifersüchtigen Ehemann erschießen zu lassen.“

„Es wird nichts passieren, das verspreche ich dir“, warf Nicholas ein. „Burroughs hat keine Beweise. Er kann nicht mehr als einen Schatten gesehen haben.“

Channing spielte gedankenverloren mit dem Brieföffner. „Nun ja, was er diesem Schatten allerdings anzutun gedenkt, hat sich bereits wie ein Lauffeuer in London verbreitet. Hast du irgendetwas zurückgelassen? Einen Manschettenknopf? Einen Schuh? Irgendetwas, das dich mit dem Vorfall dort in Verbindung bringen könnte.“

„Nichts“, erwiderte Nicholas heftig. „Ich lasse niemals etwas zurück. Ich schwöre, dass es eine saubere Flucht war.“

Channing lachte knapp. „Wir scheinen eine unterschiedliche Auffassung von einer ‚sauberen Flucht‘ zu haben.“

Dramatisch legte Nicholas eine Hand aufs Herz. „Das schmerzt mich zutiefst.“ Und er war wirklich ein wenig verstimmt darüber, dass Channing glaubte, ihn nach diesen Dingen fragen zu müssen. Er war einer von Channings besten Männern, soweit es die sinnlicheren Aktivitäten ihrer Organisation anging. Nicht jede Frau kam zu ihnen, weil sie auf der Suche nach körperlicher Befriedigung war. Einige Damen versuchten einfach nur, Aufsehen zu erregen und vielleicht auch ihren Gatten zurückzugewinnen, der sich von ihr abgewandt hatte oder sie zu lange als selbstverständlich ansah. Doch es gab auch jene, die tatsächlich die intimen Freuden finden wollten, die ihnen bisher versagt geblieben waren. Und dafür war er zuständig. Nick hoffte, dass Channing diesen Aspekt des Briefes übersehen hatte.

„Abgesehen vom möglichen Skandal, würde ich dennoch dich schicken.“ Channing legte den Brieföffner beiseite und fixierte Nicholas mit einem strengen Blick aus seinen blauen Augen. „Diese Frau sucht nach körperlicher Erfüllung, und das ist nun einmal deine Spezialität.“ Er hatte ihn nicht übersehen.

„Aber nicht auf dem Land“, wandte Nicholas ein, obwohl er wusste, dass er in diesem Gespräch den Kürzeren ziehen würde. „Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, ausgerechnet jetzt die Liga zu verlassen.“ Er wies auf das genannte Datum im Brief. „Fast eine ganze Woche Mitte Juni? Mitten in der Saison. Schon jetzt haben wir mehr Aufträge, als wir bewältigen können.“ Es würde ihn schwer treffen, die Vergnügungen Londons zu verpassen: den Marlborough-Ball, den Mittsommer-Maskenball in Lady Hydes herrschaftlichem Haus in Richmond. Alles fand in eben jener Woche statt, ganz zu schweigen von den Sommernächten in den Vauxhall Gardens mit ihrem faszinierenden Feuerwerk.

Channing blieb ungerührt. „Wir werden schon zurechtkommen.“

„Du könntest jemand anders beauftragen. Jocelyn oder Grahame. Miles oder Amery. Hat DeHart nicht gesagt, es gefalle ihm auf dem Land? Er hatte großen Erfolg auf der Hausparty, zu der du ihn geschickt hast.“ Er weigerte sich, aufs Land zu fahren. Er mied es wie der Teufel das Weihwasser.

„Alle haben bereits einen Auftrag“, sagte Channing entschieden. „Du wirst gehen müssen.“ Er schenkte Nicholas sein gewinnendes Lächeln, das Männer und Frauen gleichermaßen so bezaubern konnte, dass sie gemeinhin taten, was immer er von ihnen verlangte. „Mach dir keine Sorgen, Nicholas, die Stadt wird es noch geben, wenn du zurückkommst.“

Was sollte er darauf erwidern, ohne zu viel zu verraten? Es gab Dinge in seinem Leben, die er nicht einmal Channing erzählt hatte. „Im Brief steht, sie werde gut bezahlen. Wie gut?“ Er wusste, dass er mit dieser Frage seine Zustimmung signalisierte. Doch es war immer noch besser, das Schlachtfeld mit höflicher Resignation zu verlassen, als offen davongejagt zu werden.

„Eintausend Pfund“, sagte Channing leise.

Nicholas lächelte trocken. Er würde so ziemlich alles tun für eintausend Pfund. Selbst seinen Ängsten die Stirn bieten. „Nun, damit ist die Sache entschieden.“

„Das dachte ich mir schon. Pack also deine Sachen. Ich habe bereits eine Reisekutsche für dich gemietet. Sie fährt um elf. Du wirst pünktlich zum Tee dort ankommen.“

Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als seinen alten Trick anzuwenden und sich zu sagen, dass es schlimmer hätte sein können – wenn er auch nicht sicher war, wie das möglich wäre. Nun ja, es hätte über einen längeren Zeitraum als fünf Tage sein können, es hätte ein Auftrag für einen ganzen Monat sein können.

2. KAPITEL

Sussex, England

Ihr Leben würde in einem Monat vorbei sein. Sie spürte es regelrecht in den Knochen und auch nicht zum ersten Mal. Bereits seit April fühlte sie, wie es sich heranschlich, und jetzt war es da, und sie konnte nichts tun, um es aufzuhalten. Das Unvermeidliche würde geschehen, wenn sie auch jahrelang versucht hatte, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Doch jetzt starrte es sie – selbst nach so langer Zeit konnte sie es nicht bei seinem Namen nennen – bedrohlich an, jenes schreckliche Datum auf ihrem geistigen Kalender.

Selbstverständlich hatte sie um Hilfe ersucht. Alle Experten, die sie befragte, kamen zu derselben Diagnose. Es blieb ihr nichts anderes zu tun übrig, als es hinzunehmen. Und so hatte sie sich gezwungen gesehen, Zugeständnisse zu machen und Vorbereitungen zu treffen. Und deshalb saß sie jetzt an diesem wunderschönen Juninachmittag in ihrem sonnenhellen Salon ihres Landguts Hartshaven und wartete – gewiss eine seltsame Beschäftigung für jemanden, dem die Zeit knapp wurde.

Annorah blickte auf die Uhr auf dem Kaminsims. Es war fast vier. Er würde jeden Moment erscheinen, und sie war alles andere als gefasst. Nie hatte sie etwas so Gewagtes oder Endgültiges getan. Während jenes grauenhafte Datum immer näher rückte, hatte sie immer öfter darüber nachgedacht, was sie noch alles tun wollte, welche Freuden sie ein letztes Mal erleben wollte. Sie war reich. Ihr Vermögen war enorm. Sie konnte sich alles leisten, was ihr Herz begehrte: Reisen nach Paris oder Venedig, wunderschöne Kleider. Letztendlich konnte ihr ganzer Reichtum sie jedoch nicht retten. Also hatte sich ihr eine Frage aufgedrängt: Was wünschte sie sich? Und die Antwort war schnell gefunden.

Sie war dreißig Jahre alt, zumindest noch zwei Wochen lang, und bereits seit fast einem Jahrzehnt über die Blüte ihrer Jugend hinaus. Zwar fühlte sie sich nicht so, und sie hoffte, sie sah auch nicht so aus. In den vergangenen zehn Jahren hatte sie nicht viel erreicht, ganz gewiss nichts von all dem, was eine Frau in ihrem Alter erlebt haben sollte – die Liebe eines Gatten und die Geburt seiner Kinder. Einige Male war sie zwar kurz vor einer Vermählung gewesen. Das eine Mal hatte man ihr das Herz gebrochen, und ein anderes Mal hatte sie plötzlich selbst einen Rückzieher gemacht. Später hatte sie sich nach Hartshaven zurückgezogen und sich immer seltener in die Londoner Gesellschaft begeben, jedes Jahr weniger oft, sodass es inzwischen eine kleine Ewigkeit her war, seit sie das letzte Mal ihren Fuß in die Hauptstadt gesetzt hatte.

Es war ein einsames Leben gewesen. Was sie allerdings ihr Eigen nennen konnte, war ein wunderschönes Gut auf dem Land und Unmengen von Geld. Sie besaß alles, was das leibliche Wohl einer Frau anging, bis auf einen Mann. Doch das würde sich bald ändern. In wenigen Momenten würde ein Mann in ihr Haus kommen. Sie hatte ihn aus London bestellt, ebenso wie sie ein neues Kleid bestellen würde – und sollten ihr jetzt deswegen Bedenken kommen, so kamen sie zu spät.

Annorah ging in Gedanken ein letztes Mal den sorgfältig verfassten Brief durch, den sie geschickt hatte. Jedes einzelne Wort hatte sich ihr ins Gedächtnis eingeprägt.

Werte Gentlemen,

ich suche eine diskrete Verbindung mit einem Mann von vornehmer Lebensart und angenehmen Umgangsformen. Er muss sauber und gepflegt und ein kenntnisreicher Gesprächspartner – mit anderen Worten, gebildet – sein und das ruhige Landleben lieben. Ich bin bereit, großzügig zu zahlen für fünf Nächte seiner Gesellschaft.

Sie hatte drei Tage gebraucht, um sich für diese wenigen Zeilen zu entscheiden. Nach all der Mühe, die sie sich gegeben hatte, hätte der Brief eigentlich länger sein müssen. Und nun konnte sie nur hoffen, dass die Agentur wusste, was sie meinte. Die kleine Anzeige, die sie in einer Zeitschrift entdeckt hatte, deutete an, dass man in der Agentur erfahren genug war, um zwischen den Zeilen lesen zu können, und genau wusste, was in jeder gegebenen Situation verlangt wurde. Und doch enthielten jene kümmerlichen paar Zeilen die kühnsten Worte, die sie je geschrieben hatte.

„Es ist so weit, Annorah. Hör auf, eine solche Gans zu sein.“ Sie spürte, wie der Mut sie zu verlassen drohte. Doch wenn nicht jetzt, dann wann? Sie kannte die Antwort. Nie. Wenn sie die Geheimnisse der Leidenschaft kennenlernen wollte, bevor es zu spät war, dann musste sie die Sache selbst in die Hand nehmen. Also wartete sie darauf, dass ihr Geburtstagsgeschenk ankam: der vollkommene Mann – ein Mann, der ihr nicht das Herz brechen würde, der ihr nicht vormachen würde, sie zu lieben, obwohl es ihm nur um ihr Geld ging, der begriff, dass sie nur eine kurze Affäre wollte, bei der sie die fleischliche Liebe erfahren würde, ohne es bereuen zu müssen.

Fünf Nächte voller Leidenschaft sollten genügen. Danach würde sie sich in ein Schicksal fügen, dem sie, den klügsten Anwälten Englands zufolge, nun einmal nicht entrinnen konnte. Sie würde entweder bis zu ihrem einunddreißigsten Geburtstag verheiratet sein und ihr Gut und Vermögen behalten dürfen oder ledig bleiben und somit das Gut und den größten Teil ihres Vermögens an die Kirche und wohltätige Stiftungen verlieren. Das Herrenhaus sollte dann eine Schule werden, und sie müsste sich mit einem Cottage und einem angenehmen Einkommen zufrieden geben müssen, von dem sie fortan schlicht und alles andere als großartig leben würde. Vergessen wäre die Freiheit, sich alles leisten und alles tun zu können, was sie wollte.

In beiden Fällen allerdings lief sie Gefahr, das Leben zu verlieren, wie sie es kannte. Sollte sie heiraten, würde ihr sagenhaftes Vermögen an ihren Gatten gehen, blieb sie allein, würde alles der Kirche zufallen. Sie selbst konnte einfach nicht gewinnen. Ihr erster Impuls war gewesen, Einkäufe zu tätigen: eine unverschämt große Anzahl von Kleidern mit den passenden Accessoires und dazu den Mann, der sie bewundern sollte.

Der Kies auf der Auffahrt knirschte. Ihr Puls beschleunigte sich. Durch das Fenster erhaschte Annorah einen Blick auf eine Chaise, die vor das Haus fuhr, dann wurde sie von der großen halbkreisförmigen Treppe verborgen, die zum Eingangsportal führte. Sie würde ans Fenster treten müssen, um die Auffahrt ganz im Blick zu haben, aber sie wollte nicht so ungeduldig erscheinen.

Schon erschien ihr Butler Plumsby an der Tür. „Miss, Ihr Gast ist angekommen. Darf ich mir erlauben anzumerken, dass er recht ansehnlich ist für einen Bibliothekar?“ Natürlich hatte sie ihren Dienstboten nicht die Wahrheit gesagt, sondern vorgegeben, ein letztes Mal ein Verzeichnis ihrer Bibliothek machen zu wollen, eine Art Inventar, sollte sie sich entschließen, alles der Schule zu überlassen.

„Danke, Plumsby. Ich komme gleich heraus, um ihn zu begrüßen.“ Ihr Herz schlug schneller, denn in Gedanken verweilte sie bei Plumsbys Worten: Er ist also ansehnlich. Sie warf einen letzten Blick in den Wandspiegel, um sicherzugehen, dass ihre Frisur ordentlich saß und sie keinen Schmutzfleck im Gesicht hatte. Dann atmete sie tief durch und trat in den Gang hinaus. Plötzlich kam sie sich übertrieben grell vor in ihrem gelben Musselinkleid vor dem dezenten Blau und dem eleganten italienischen Marmor der Halle. Allerdings war jetzt keine Zeit mehr sich umzukleiden oder sich unbemerkt über die Hintertreppe davonzustehlen. Er hatte sie bereits gesehen.

Lächelnd ging sie auf ihn zu. „Sie sind da. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.“ Annorah verschränkte fest die Hände in der Hoffnung, ihre Unruhe verbergen zu können, spürte aber, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Ansehnlich“ drückte die Wahrheit nicht einmal annähernd aus. Himmel, er musste denken, dass sie ein Dummkopf war! Stumm starrte sie ihn an. Sie kannten sich kaum eine Minute, und schon verschlug es ihr die Sprache.

Tee! Annorah griff erleichtert den Gedanken auf. „Plumsby, lassen Sie bitte Tee in den Salon bringen. Ich kümmere mich jetzt um meinen Gast.“ Kaum hatte sie ausgesprochen, erkannte sie ihren Fehler. „Verzeihen Sie, wie vorschnell von mir. Ich bestelle schon unseren Tee, dabei haben wir uns noch nicht einmal vorgestellt. Ich bin Annorah Price-Ellis.“

Sie reichte ihm die Hand, um ihn auf geschäftsmäßige Weise zu begrüßen, doch er nahm ihre Hand, beugte sich über sie und küsste sie flüchtig, ohne den Blick von ihren Augen abzuwenden. So wurde es sehr viel mehr als eine höfliche Begrüßung. Mit seiner Berührung wurde es vielmehr ein Prolog, ein Versprechen. „Nicholas D’Arcy, zu Ihren Diensten.“

Zu Ihren Diensten. Annorah musste schlucken. Er war gekommen, und er war fantastisch. Der Blick aus seinen dunkelblauen Augen war intensiv, fesselnd. Das schwarze Haar trug er verwegen aus der Stirn gekämmt, und diese Frisur betonte die hohen Wangenknochen und einen Mund, den man nur vollkommen nennen konnte – einen Mund, der so sinnlich war, dass Annorah den Wunsch verspürte, ihn zu berühren.

Lieber Himmel, ihre Gedanken eilten wirklich schnell voraus! Sie war ihm kaum begegnet und schon berührte sie in der Fantasie seinen Mund. Hastig rief sie sich ihre guten Manieren in Erinnerung, deutete einen Knicks an und fragte sich verlegen, ob das überhaupt angebracht war. Knickste man vor einem solchen Mann? Aber genau das war ja die Frage. Was für ein Mann war er? Gekleidet war er wie ein Gentleman – ein Gentleman, der vom Glück verlassen worden war, oder ein Hochstapler in eleganter Kleidung, der lediglich jene nachäffte, die über ihm standen? Nun, es war ihre Fantasie. Sie konnte sie ausschmücken, wie es ihr beliebte.

Was sie allerdings nicht konnte, war wie ein Tölpel in der Halle herumstehen. Nun kamen ihr endlich die vielen Jahre guter Erziehung zu Hilfe. Zunächst würde sie mit ihm Tee trinken, alles Übrige würde sich schon von selbst finden. Das vertraute Teeritual würde ihr auch ein wenig die Nervosität nehmen. Das Gesprächsthema würde sich ganz natürlich ergeben: Nahm er Milch zum Tee? Zog er Zucker vor? Wollte er dazu Kuchen oder ein Sandwich? Die Unterhaltung würde allmählich in Gang kommen und sie das Gefühl haben, ihn ein wenig kennenlernen zu können.

Annorah wies auf den breiten Durchgang zu ihrer Linken und sagte, wie sie hoffte, auf kultivierte Weise, wenn die Worte sich auch eher wiederholten: „Plumsby wird uns den Tee im Salon servieren. Sie können eine Erfrischung zu sich nehmen, während wir über das Geschäftliche sprechen.“ Gewiss war das doch der richtige nächste Schritt. Es war besser, alle Einzelheiten besprochen zu haben, bevor sich die Dinge weiter entwickelten.

Nicholas D’Arcys blaue Augen blitzten amüsiert, ein Lächeln erschien um seine Mundwinkel. Er beugte sich verschwörerisch vor, so dicht, dass sie seinen Duft erhaschte – einen Wohlgeruch, der sie an den Sommer denken ließ. „Das soll ein Geschäft sein?“

Plötzlich fiel es ihr schwer, klar zu denken. Sie begann über Kunden und Auftragnehmer zu plappern und darüber, wie wichtig es für beide war, die Bedingungen einer eventuellen Verbindung zwischen ihnen auszuhandeln. Woraufhin er ihr nur leicht einen Finger an die Lippen legte.

„Ein wunderschöner Sommertag wartet auf uns, Annorah. Warum zeigen Sie mir nicht lieber die Gärten? Wir können uns unterhalten, während wir darin umherschlendern.“

„Ist es aber abgeschieden genug?“ Sie sollten im Freien über ihr Arrangement sprechen, wo jeder sie belauschen konnte? Gewiss waren die Dienstboten neugierig, was ihren Besucher betraf.

„Wir werden die Köpfe zusammenstecken und flüstern.“ Wieder sah er sie amüsiert an und reichte ihr den Arm, einen sehr festen Arm, dessen Muskeln der elegante blaue Gehrock nur betonte. Jetzt beugte er den Kopf, bis er ihren fast berührte, und sie hörte seine Stimme leise an ihrem Ohr. „Außerdem finde ich, dass das Risiko, von jemandem entdeckt zu werden, selbst den banalsten Spaziergängen eine gewisse Würze verleiht, meinen Sie nicht auch?“

„Ich werde Ihrer Erfahrung in dieser Hinsicht vertrauen müssen, Mr. D’Arcy.“ Ein süßer Schauer überlief sie bei der bloßen Vorstellung, und ihr wurde nur allzu bewusst, dass der Mann im makellosen, vornehmen Aufzug alles andere als ein Gentleman war.

„Bitte nennen Sie mich Nicholas. Wollen wir?“

Wie schnell sie die Kontrolle über das Gespräch verloren hatte. Es war erstaunlich, wie geschickt er die Führung übernommen hatte. Dabei weilte er lediglich seit einigen Minuten in der Halle, und schon riss er das Kommando an sich. Er wusste nicht einmal, wie man zu den Gärten gelangte, und doch waren sie bereits auf dem Weg zu den großen Fenstertüren, als hätte er sein ganzes Leben hier verbracht. Annorah hatte nicht erwartet, dass er so gelassen sein könnte, und war eher davon ausgegangen, dass sie die Oberhand behalten würde. Dieses Arrangement sollte ausschließlich nach ihren Regeln abgewickelt werden. Als sie ihren Brief abgeschickt hatte, war sie ihrer eigenen Souveränität sicher gewesen, weil er der Gast sein würde und sie die Gastgeberin. Doch plötzlich wurde ihr bewusst, wie leicht diese Rollen auf den Kopf gestellt werden konnten.

Im Garten gewann sie ihr inneres Gleichgewicht wieder. Nicholas D’Arcy stellte Fragen, hielt ab und zu vor gewissen Blumen inne, um etwas zu ihren Blüten zu bemerken, und Annorah antwortete, inzwischen wieder ein wenig selbstbewusster, erneut ganz die Gastgeberin.

„Ah, diese hier ist wirklich sehr selten. Eine Regenwald-Schwertlilie, wenn ich mich nicht irre. Sehr verrucht, nicht wahr, mit ihrem speerähnlichen Staubblatt, das kühn aus der Blüte herausragt?“

Annorah errötete heftig über seine unverhüllte Anspielung auf den männlichen Phallus. „Alle Blumen haben Staubblätter, Mr. D’Arcy.“

„Ja, aber nicht bei allen wird es so ungeniert zur Schau gestellt. Nehmen wir zum Beispiel jene zarte rosa Blüte dort drüben. Das Staubblatt wird brav von den Blütenblättern verdeckt. Aber nicht bei diesem Burschen.“ Er wies wieder auf die Schwertlilie. „Er ist sehr viel kecker und ragt groß und stolz hervor, damit jeder ihn sehen kann.“

„Blumen sind wohl kaum geschlechtliche Wesen, Mr. D’Arcy.“

„Meinen Sie? Erlauben Sie mir, da anderer Meinung zu sein. Nicht nur das, sie sind außerdem moralisch völlig bedenkenlos, mehr als jedes andere Geschöpf auf Gottes Erde. Überlegen Sie doch nur. Sie lassen sich täglich unendlich oft bestäuben und nur zu dem Zweck, ihren Samen in den Wind zu werfen, ohne sich darum zu kümmern, wo er landen mag.“

Ihre gute Erziehung verlangte eigentlich, dass sie einem solch lächerlichen Gespräch sofort Einhalt gebot, aber Annorah brachte es nicht über sich. Er hatte eine so angenehme Tenorstimme, mit der er jedes Wort zu streicheln schien, während er unzüchtige Bilder vor ihrem inneren Auge erscheinen ließ. Wenn er sie bereits bis ins Innerste erzittern lassen konnte, wenn er ausgerechnet über ein so trockenes Thema wie Botanik mit ihr sprach, würde er mit seiner Stimme jedes Thema verführerisch klingen lassen. Dennoch sollte sie ihm Einhalt gebieten. „Mr. D’Arcy, das ist kaum ein anständiges Thema für ein Gespräch.“

„Ich muss wieder darauf bestehen, dass Sie mich Nicholas nennen“, schalt er sie sanft. „Und um ganz offen zu sein, haben Sie mich nicht eingeladen, um anständig zu sein.“

Seine Bemerkung traf den Nagel auf den Kopf und bot ihr die Möglichkeit, das delikate Thema anzuschneiden. Inzwischen waren sie weitergegangen und hatten die unanständige Schwertlilie und den Blumengarten hinter sich gelassen. Sie entfernten sich immer weiter vom Haus, als sie eine Allee hinuntergingen und auf einen römischen Pavillon in einiger Entfernung zuhielten. Hier konnten sie von niemandem belauscht werden. Sie vermutete, dass er das Gespräch absichtlich in eine solche Richtung gelenkt hatte.

„Nein, Nicholas, ich habe Sie nicht herkommen lassen, um anständig zu sein. Ebenso wenig jedoch sind Sie hier, um sich sündiger Maßlosigkeit hinzugeben.“ Zu größerer Offenheit konnte sie sich nicht durchringen. Sie war kein scheues Mauerblümchen, das sich fürchtete, seine Meinung zu sagen. Bisher war sie immer selbstbewusst ihren eigenen Weg gegangen, aber eine solche Unterhaltung war etwas völlig Neues für sie. Noch nie hatte sie mit irgendjemandem über solche Themen gesprochen – ganz gewiss nicht mit einem so faszinierenden Mann, der sie mit intensivem Blick betrachtete.

„Ich verstehe“, antwortete Nicholas feierlich und bedeckte ihre Hand, die auf seinem Arm lag, tröstend mit seiner. „Was haben Sie der Dienerschaft gesagt?“

„Dass Sie gekommen sind, um den Wert meiner Bibliothek zu schätzen. Ich besitze eine recht umfangreiche Sammlung, doch sie wurde das letzte Mal vor einem halben Jahrhundert von meinem Großvater katalogisiert.“

Sein anerkennendes Lächeln erfüllte sie mit Genugtuung. Sie hatte lange über eine Ausrede nachgedacht, die ihr erlauben würde, einen männlichen Gast in ihrem Haushalt aufzunehmen.

„Sehr klug, Annorah. Sie haben mir die Aura eines Gelehrten, eines lebensfernen Büchernarren verliehen. Das wird gewiss jeden Verdacht zerstreuen, ich könnte irgendwelche Hintergedanken hegen, was Ihre Person angeht. Sie haben mir eine Aufgabe zugewiesen, die verlangt, dass ich mich täglich mit Ihnen einschließe, und was das Beste ist, Sie haben mir die vollkommene Ausrede geliefert, um Sie bei Ihren Spaziergängen zu begleiten. Niemand würde erwarten, dass Sie Ihren Gast vor aller Welt versteckten.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich weiß, wie die Leute auf dem Land sind. Ein Neuling ist etwas Aufregendes und muss mit allen geteilt werden.“

Annorah errötete bei so viel Lob. Sie wandten sich von dem Pavillon ab und kehrten zum Haus zurück. Währenddessen fuhr Nicholas fort:

„Was uns angeht, Annorah, werden wir nicht wieder von solchen Arrangements sprechen. Sie und ich werden uns der Aufgabe widmen, Freunde zu werden. Eine bloße Geschäftsangelegenheit ist unter unserer Würde.“ Er rümpfte so übertrieben angewidert die Nase, dass Annorah lachen musste.

„Doch Spaß beiseite, wir müssen einen Moment ernst sein.“ Er wandte sich ihr zu, und sie blieb unwillkürlich stehen. Über seine Schulter hinweg konnte sie das Haus sehen und wurde daran erinnert, dass die Täuschung beginnen würde, wenn sie es erreichten. Sobald sie den Garten hinter sich gelassen hatten, würde es kein Zurück mehr geben, und der Gedanke daran ließ sie erzittern.

Er nahm ihre Hände in seine, umfasste sie mit warmem, starkem Griff. Sein Blick ruhte offen auf ihr. „Wir stehen kurz vor dem Beginn einer wundervollen, intimen gemeinsamen Reise, Annorah Price-Ellis. Es ist mir eine Ehre, diese Reise mit Ihnen anzutreten. Sie wird uns beide verändern. Zweifellos haben Sie sich alles sorgfältig überlegt, aber ich muss Sie ein letztes Mal fragen – sind Sie bereit? Ist es wirklich das, was Sie wollen? Werden Sie auf keine wie auch immer geartete Weise dazu gezwungen?“

So muss es sein, am Altar zu stehen, in die Augen des Mannes zu blicken, den man liebt, und zu wissen, dass er dasselbe empfindet. Der Gedanke erschien wie aus dem Nichts und war völlig unvernünftig. Natürlich musste er sie fragen, ob sie auch wirklich einverstanden war, das wusste sie. Es gehörte zu seiner Arbeit. Und sie wusste ebenfalls, dass nichts an seiner Frage auch nur das Geringste mit Liebe oder einer Heirat zu tun hatte. Trotzdem blieb das Gefühl, als wären sie dabei, eine Art Schwur zu leisten und dem anderen, wenn auch nur für eine kurze Zeit, ein Versprechen zu geben. Nach der heutigen Nacht würde er für immer zu ihr gehören und ein Teil von ihr sein wie kein anderer Mensch. Bis zum Ende ihres Lebens würde sie Nicholas D’Arcy in ihrem Herzen tragen, weil er ihr erster und wahrscheinlich auch einziger Liebhaber sein würde.

Annorah nickte. Ihre Stimme klang leise im stillen Spätnachmittag. „Ich bin bereit.“

Er hob ihre Hände an die Lippen. „Ich ebenfalls.“ Ein aufmunterndes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Vielleicht war ihm das leichte Zittern ihrer Stimme nicht entgangen. „Seien Sie beruhigt, Annorah, ich weiß genau, was Sie wollen.“

3. KAPITEL

Sie wollte die Hochzeitsnacht, die Hochzeitsreise, die Freuden zweier Liebender, die dem Leib und Wesen des anderen zum ersten Mal begegnen, bis zur Neige auskosten. Leicht würde es nicht werden. Er würde geschickt genug sein müssen, um eine Vertrautheit zwischen ihnen zu schaffen, die über das rein Körperliche hinausging, ihn aber nicht dazu zwang, sich unangenehm heftigen Gefühlen aussetzen zu müssen. Er zog es bei Weitem vor, Leidenschaft zu schenken, jedoch keine Empfindungen.

In seinem Zimmer angekommen, öffnete Nicholas seinen Koffer, das einzige Gepäckstück, das er den Lakaien, den man ihm als Kammerdiener zugewiesen hatte, nicht hatte auspacken lassen. Nicholas betrachtete sein Handwerkzeug und platzierte jedes einzelne Teil auf die Kommode wie ein Chirurg, der seine Instrumente zurechtlegt: die winzigen Glasfläschchen mit den kostbaren Duftölen, die teuren, aus Frankreich importierten Überzieher, die man in England Pariser nannte, die Seidenbänder, die zarten Federn. Alle waren zu einem einzigen Zweck entworfen worden – dem, sinnliches Vergnügen zu bereiten. Mit ihrer Hilfe würde er selbst dann eine Frau befriedigen können, wenn er nicht sehr an ihr interessiert war. Mit der richtigen Frau jedoch konnten sie Wunder wirken.

Er bezweifelte nicht, Annorahs Wunsch nach sinnlichen Abenteuern erfüllen zu können. Ihr Wunsch, auch ihre Empfindungen mit ihm teilen zu können, war schon eine schwierigere Aufgabe. Er war von Natur aus zurückhaltend. Schon früh hatte er allerdings das Talent besessen, andere Menschen aus der Reserve zu locken. Dieses Talent hatte ihm dabei geholfen, den anderen zu durchschauen und gleichzeitig sich zu beschützen. Solange seine Gesprächspartner damit beschäftigt waren, über sich selbst zu plaudern, blieb ihnen keine Zeit, sich über ihn Gedanken zu machen.

Nicholas steckte die Gegenstände in eine Schublade der Kommode und verbarg sie sorgfältig unter seinen Krawattentüchern. Bibliothekare hatten keine Federn oder Fesseln bei sich. Er lächelte. Ein Bibliothekar? Endlich einmal etwas Neues. Er war in seinem Leben schon in viele Rollen geschlüpft, was immer seine Klientinnen von ihm verlangten, und hatte im Lauf der Jahre großes Geschick im Verwandeln entwickelt. In seinem Metier musste man die Menschen täuschen können, was nicht einmal so schlecht war. Eine angenehme Täuschung war besser als die Wahrheit, besonders wenn die Wahrheit aus Schulden, Sorgen und sogar Schuldgefühlen bestand.

Hier war kein Platz für solche Gefühle. Entschieden verdrängte er seine Gedanken. Er konzentrierte sich besser auf seine Strategie. Heute Nacht würde er sein Werkzeug nicht brauchen. Sie war noch nicht bereit, trotz ihrer mutigen Worte.

Von Anfang an hatte er ihre innere Unruhe gespürt. Sie wirkte, als hätte sie nicht glauben können, dass tatsächlich jemand auf ihren Brief antwortete. Und deshalb hatte er sie sofort berührt und oft, hatte ihre Hand geküsst, sie während ihres Spaziergangs wieder und wieder flüchtig gestreift. Sie war so scheu gewesen, dass er befürchtete, sie würde ihre Meinung ändern – eine Möglichkeit, die er sich nicht leisten konnte, da er sein Honorar für diese Arbeit bereits in Gedanken verplant hatte.

Er kannte die Macht der Berührung sehr wohl und wusste, wie sehr sie dazu beitragen konnte, von jemandem akzeptiert zu werden. Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass die Menschen sehr viel eher das taten, was er wollte, wenn er sie berührte, während er sie um etwas bat. Und tatsächlich: Als sie das Haus erreicht hatten und er ihr Versprechen bekommen hatte, begann sie allmählich aufzutauen.

Nicht, dass sie kalt war oder eine Abneigung gegen ihn gefasst hatte. Nicholas hatte gesehen, wie rasch der Puls an ihrem Hals schlug, als sie ihn in der Halle begrüßte. Die Röte in ihren Wangen war ihm ebenso wenig entgangen, als sie im Garten über die Schwertlilie gesprochen hatten. Sie wusste sehr wohl, was sich zwischen Mann und Frau abspielte. Aber ihr ganzes Leben lang waren ihr die Regeln des Anstands eingetrichtert worden, und so sehr sie sie auch für kurze Zeit abzuschütteln versuchte, schien es ihr schwerer zu fallen, als sie wahrscheinlich vermutet hatte. Nun, er konnte ihr in jedem Fall helfen. Trotzdem wüsste er wirklich gern, warum sie den Brief geschrieben hatte.

Nicholas schlenderte zum Bett und streckte sich darauf aus, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Es blieben noch zwei Stunden bis zum Dinner, und er musste sie zum Nachdenken nutzen. Er plante den Abend wie ein General vor der Schlacht. Das heutige Schlachtfeld würde das Speisezimmer sein. Sehr einfach für ihn. Es gab unendlich viele Möglichkeiten, die Situation auszunutzen – er würde wie von ungefähr über den Stiel seines Glases streichen, es umfassen und auf eine Weise trinken und essen, die Annorahs Sinnlichkeit wecken würde –, während er gelassen weiterplauderte, ihr Geheimnisse entlockte, sie in Sicherheit wiegte und sie dazu brachte, in ihm einen Mann zu sehen, der ihr mit Freuden Vergnügen bereiten würde, und nicht jemand, der geschickt worden war, um geschäftsmäßig ihre Bedürfnisse zu stillen.

Heute Abend visierte er ein doppeltes Ziel an. Er wollte ihr das Gefühl geben, ihre Verbindung würde kein bloßes Geschäft sein. Und er wollte herausfinden, was Annorah dazu getrieben hatte, einen solchen Brief zu schreiben. Mehr noch als das, warum war dieser Brief überhaupt nötig gewesen?

Niemand entschloss sich ohne besonderen Grund zu einem solchen Schritt. Er dachte an die Pistolen in seinen Taschen und ging die üblichen Gründe durch. Wollte sie sich an jemandem rächen? Gab es jemanden, der ihr ihre Entscheidung verübeln würde? Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Frau versucht hätte, auf diese Weise eine ungewollte Heirat zu verhindern.

Er musste an ihre Worte von der Liebe zum ruhigen Landleben denken, deren Ironie ihm nicht entgangen war. Dass sie es ruhig nannte, hatte vielleicht eine Bedeutung. War sie eine Einsiedlerin? Konnte es sein, dass sie tatsächlich die Einsamkeit auf dem Land genoss, so unvorstellbar ein solcher Gedanke auch schien? Andererseits würde sie dann gewiss keinen kenntnisreichen Gesprächspartner verlangen. Auch der erste Eindruck von Annorah hatte ihm gezeigt, dass sie zwar nervös gewesen war, aber keinesfalls eine Einsiedlerin.

War sie also zur Abgeschiedenheit gezwungen worden? Sehnte sie sich nach dem Umgang mit Menschen? Aber vielleicht ging er hier ein wenig zu weit. Sussex war schließlich nicht aus der Welt, es lag lediglich fünf Stunden von London entfernt. Gewiss konnte eine Frau, die bereit war, für fünf Nächte eintausend Pfund auszugeben, es sich leisten, nach London zu fahren, wenn sie es wünschte.

Hier kam er zu der anderen Sache, die ihm zu schaffen machte. In London könnte Annorah auf die tugendhafteste Weise zu einem Mann kommen, wenn sie denn der Wunsch nach körperlicher Intimität so sehr beherrschte. In der Stadt wimmelte es nur so von Männern, die nach einer reichen Erbin Ausschau hielten und Annorah sofort die Ehe antragen würden. Es erinnerte ihn an einen Satz aus einem Roman, von dem seine weiblichen Bekannten so schwärmten: „Ein lediger Mann im Besitz eines großen Vermögens benötigt selbstverständlich dringend eine Gattin“ – oder so ähnlich. Eine Frau im Besitz eines großen Vermögens, doch ohne Gatten an ihrer Seite, war hingegen wirklich ein ausgesprochen ungewöhnlicher Fall.

Wie es aussah, hielt sie sich freiwillig auf dem Land auf. Warum sollte jemand auf dem Land leben wollen, wenn er es nicht musste? Warum sollte jemand beschließen, sich mit einem Fremden auf das intimste Spiel einzulassen, wenn sie nur fünf Stunden fahren musste, um sich zu diesem Zweck legitim einen Ehemann zu angeln?

Sehr viele Gründe konnte es nicht geben für eine reiche Frau, London zu schmähen, und gewiss waren es keine guten Gründe. Wäre sie unansehnlich, könnte er es verstehen, aber das traf keineswegs auf Annorah zu, wie er erleichtert festgestellt hatte. Nein, zu seinem Glück war Annorah Price-Ellis auf eine stille, subtile Art sehr anziehend. Sie hatte sofort seinen Blick auf sich gezogen, ein lebhafter Farbtupfer in der eleganten, strengen Eingangshalle.

Während ihres Spaziergangs im Garten war sie ihm wie eine Naturgöttin vorgekommen. Er hatte die Momente genutzt, um sie zu betrachten: ihr schmales, zartes Gesicht, die moosgrünen Augen, die ihn an eine Sommerwiese erinnerten, und das weizenblonde Haar, das wahrscheinlich die Farbe wilden Honigs annehmen würde, wenn es nass war – eine Vermutung, die er gern auf die Probe stellen würde. Und er sah verführerische Rundungen, die der dünne Musselin nicht verbarg. Sie hatte lange Beine, eine schmale Taille und hohe, volle Brüste. Nein, Annorah Price-Ellis war alles andere als hässlich. Doch das vertiefte noch seine Verwunderung. Wie konnte eine schöne, reiche Frau zu solchen Mitteln greifen?

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Nicholas klingelte nach dem Kammerdiener. Zeit, sich zum Essen umzuziehen, und gerade heute Abend wollte er seiner Erscheinung die größte Aufmerksamkeit schenken. Der Diener war ein junger Mann namens Peter, der sich zwar geschickt anstellte, aber keine Erfahrung besaß. Falls er sich wunderte, weshalb ein Bibliothekar sich so große Mühe mit seiner Erscheinung gab, kümmerte es Nicholas nicht. Am Ende war das Ergebnis zufriedenstellend. Er sah in seinem dunklen Abendanzug, einer modischen Paisley-Weste und mit einem perfekt geschlungenen Krawattentuch sehr elegant aus.

Er schickte Peter fort und warf einen letzten Blick in den Spiegel, um sich zu vergewissern, dass die Diamantnadel in seinem Krawattentuch weit genug hervorsah, um das Licht einzufangen, dass der Frackrock faltenfrei über den Schultern lag und das Haar ordentlich mit dem schwarzen Band im Nacken gebunden war. Längeres Haar mochte ja zurzeit nicht die bevorzugte Mode in den Londoner Ballsälen sein, aber es war erstaunlich, wie sehr die Frauen es im Schlafzimmer liebten.

Schließlich ganz zufrieden schloss Nicholas kurz die Augen und atmete tief ein. Die Verführung konnte beginnen. Welch düstere Gedanken das Landleben auch in ihm weckte, er würde seiner Aufgabe gewachsen sein. Er würde Miss Price-Ellis mit seinen Liebeskünsten verwöhnen, als hinge alles davon ab. Denn genau das tat es auch.

Er war bereits vor ihr im Salon, denn ein Gentleman ließ keine Dame auf die Ankunft eines Gastes warten. So wie er lässig dastand, bildete sein eleganter schwarzer Abendfrack einen deutlichen Kontrast zu dem weißen Marmor des Salons. Lässig hielt er ein halb geleertes Glas Wein, das er sich eingeschenkt hatte, in einer Hand. Den Blick hatte er auf die Fenster gerichtet und die grünen Gärten dahinter. Als sie eintrat, drehte er sich um. Ihre leisen Schritte und das sanfte Rascheln ihrer Röcke hatten sie verraten.

„Sie besitzen ein wunderschönes Zuhause. Ich bewunderte gerade die Aussicht.“ Mit der Hand, die das Glas hielt, wies er auf die Gärten, doch sein Blick ließ ihren nicht los, als wollte er sagen, dass er eine ganz andere Aussicht sehr viel mehr schätzte.

Unter seinem intensiven Blick erfasste sie eine süße Hitze. Sie hatte sich eine Stunde lang nicht entscheiden können, welches Kleid sie anziehen sollte, bevor sie nach ihrer Zofe geschickt und mit ihr schließlich das lavendelfarbene Chiffonkleid gewählt hatte. Offenbar hatte sich die Mühe gelohnt. „Danke. Hartshaven wurde dazu angelegt, Bewunderung zu erwecken. Es sollte ein Rahmen für Schönheit sein.“

„Das ist es zweifellos.“ Sein Lächeln vertiefte sich, und ein Grübchen erschien an seinem linken Mundwinkel.

Lieber Himmel, konnte er jede Bemerkung in ein verstecktes Kompliment verwandeln? Doch was blieb ihr anderes übrig, als sich nicht beirren zu lassen? Annorah trat ans Fenster und gab ihm ein Zeichen, sich zu ihr zu gesellen. Sie versuchte, die Konversation auf neutraleren Boden zu lenken, damit sie nicht ständig an die vor ihr liegende Nacht denken musste und dabei so nervös wurde, dass sie kein Wort hervorbrachte. „Mein Urgroßvater ließ die ursprünglichen Gärten von Kent und Bridgeman anlegen.“

„Ich erkenne die Formgestaltung.“ Er stand dicht neben ihr, sodass sie die exquisiten Duftnoten seines Rasierwassers wahrnahm, vollkommen für einen Abend wie diesen. Annorah glaubte nicht, je den Duft eines Mannes so anziehend gefunden zu haben. So sehr konzentrierte sie sich darauf, selbstverständlich diskret, dass ihr fast entgangen wäre, was er sagte.

„Ich hatte das Glück, Chiswick House zu besuchen. Burlingtons Gärten sind vorzüglich, so wie Ihre.“

Chiswick? Das ließ sie aufhorchen. Unwillkürlich sah Annorah ihren Gast an. Chiswick House war der Landbesitz des Earl of Burlington. Nicholas D’Arcy, wer immer er auch war, verkehrte in sehr erlesenen Kreisen.

Er bemerkte ihren Blick, bevor sie ihn wieder abwenden konnte, und lächelte. „Erstaunt?“

„Ich kenne Sie kaum. Alles könnte mich also erstaunen.“ Sie sprach schärfer, als sie beabsichtigt hatte, aber in diesem Moment hatte sie das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. Dass sie ihn kaum kannte, hielt sie nicht davon ab, Herzklopfen zu bekommen in seiner Nähe und fasziniert jedem seiner Worte zu lauschen. Als sie dieses Unterfangen begonnen hatte, war sie davon ausgegangen, dass ihre Vernunft sie vor jeglicher Art übertriebener Gefühlsausbrüche beschützen würde. Doch offenbar hatte sie sich getäuscht.

„Touché.“ Er nahm ihre Hand und legte sie sich auf den Arm. Seine Berührung ließ Annorah erschauern. „Das werden wir beim Dinner ändern.“ Er blickte über ihre Schulter. „Ich glaube, Ihr Butler ist bereit, uns zu Tisch zu bitten.“

Plumsby räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Nicholas fesselte sie so sehr, dass sie die Ankunft des Butlers nicht bemerkt hatte. „Das Dinner ist serviert.“

„Ich habe Plumsby gebeten, im kleinen Speisesalon für uns decken zu lassen“, sagte Annorah, froh, etwas sagen zu können. Sie klang immer weniger wie eine Gastgeberin und ganz gewiss nicht wie die selbstbewusste Frau, die die Oberhand behielt im Umgang mit ihrem Gast. In Wirklichkeit hatte sie nicht halb so viel gesellschaftlichen Schliff und Eleganz wie er. Also konnte sie nur hoffen, dass ihr Esszimmer ihn nicht enttäuschen würde.

Der Raum enttäuschte nicht. Er bot eine wunderschöne Aussicht auf die hintere Veranda, und die Dienerschaft hatte alles aufs Perfekteste vorbereitet. Die letzten rötlichen Strahlen der untergehenden Sonne drangen durch die hohen Fenstertüren und tauchten die cremefarbenen Wände in rotgoldene Farbtöne. Doch es war vor allem der Tisch in der Mitte des Raums, der die Aufmerksamkeit auf sich zog. Zwei hohe weiße Wachskerzen standen in ihren silbernen Leuchtern auf der makellos weißen Tischdecke, als würden sie Wache halten. Ihre Flammen flackerten einladend. Zwischen ihnen nahm ein Gesteck gelber Rosen die Mitte des runden Tisches ein, die von Annorahs geliebtem Wedgewood-Porzellan mit dem blauen Blumenmuster, schmalen Kelchgläsern und glänzendem Silberbesteck vollkommen ergänzt wurden. Eine Flasche Champagner wurde in einem Eiskübel kühl gehalten.

Zwei Lakaien halfen ihnen beim Hinsetzen, und Plumsby entfernte die Abdeckung von ihren Tellern. Danach brauchte Annorah ihre Dienste nicht mehr. Sie hatte Plumsby bereits erklärt, dass sie es vorziehen würde, ganz zwanglos mit ihrem Gast zu speisen. Also würden sie sich selbst bedienen. Plumsby hatte protestiert, doch sie hatte eingewandt, dass er sich wegen eines Gastes keine so große Mühe zu geben brauchte. Und da es sich bei dem Gast lediglich um einen „Bibliothekar“ handelte, hatte Plumsby schließlich nachgegeben.

„Darf ich?“ Nicholas griff nach der Champagnerflasche und entkorkte sie mit einer geschickten Bewegung. Er schenkte ihnen ein und wandte sich dann dem Geflügel zu, das er mit derselben Gewandtheit tranchierte, die er bei allem an den Tag zu legen schien. Schon bald hatte er ihrer beider Teller mit Hähnchenbrust und Salat gefüllt. Ob er nun als Gentleman geboren war oder nicht, er wies in jedem Fall beste Tischmanieren auf und bot ihr ausnahmslos das Beste von allem, was ihnen heute serviert worden war. Plötzlich erschien er ihr noch faszinierender, noch geheimnisvoller. Was für ein Mann ging in Chiswick House ein und aus, dinierte wie ein vornehmer Gentleman und hielt sich doch unter diesen seltsamen Umständen am selben Tisch mit einer sonst äußerst zurückgezogen lebenden Frau auf? Der Himmel wusste, dass er mit seinem Auftreten und seinem hinreißenden Aussehen überall willkommen sein würde.

„Ein Toast, Annorah.“ Er hob sein Glas. „Auf Sommerabende und neue Freundschaften.“

Ihre Gläser berührten sich mit einem melodiösen Klang. Annorah nippte an ihrem Champagner. Sie liebte dieses Getränk und konnte es sich gewiss leisten, es jeden Abend zu trinken, aber es schien ihr wie eine Sünde, es allein zu tun – obwohl es im Nachhinein eine sehr kleine Sünde war im Vergleich zu der Sünde, die sie heute Nacht begehen wollte. Verzweifelt suchte sie nach einem Gesprächsthema.

„Sie sind also ein Liebhaber schöner Gärten?“

„Ich bin ein Liebhaber vieler schöner Dinge, darunter auch Gärten.“ Er ließ seine Finger träge am Glasstiel auf und ab gleiten. Bei jedem anderen Mann wäre ihr die Geste vielleicht gar nicht aufgefallen. Doch bei ihm konnte sie kaum den Blick davon nehmen.

„Was bewundern Sie außerdem noch?“

Er lächelte. „Ich bewundere Sie, Annorah.“

Sofort senkte sie den Blick auf ihren Teller und errötete. So oft in so kurzer Zeit war sie schon lange nicht mehr errötet. Vielleicht war sie wirklich zu selten in männlicher Gesellschaft. „Sie brauchen mir so etwas nicht zu sagen. Außerdem kennen Sie mich kaum gut genug, um sich eine Meinung über mich bilden zu können.“

„Sie glauben, ich meine es nicht ernst? Ich versichere Ihnen aber, dass ich es tue. Sie zeigten mir heute Nachmittag Ihr wunderschönes Zuhause und müssen mir erlauben, Ihnen zu widersprechen. Ein Gut ist oft das Spiegelbild seines Besitzers. Man kann viel über einen Menschen sagen, indem man seine Umgebung betrachtet. Ich spüre, dass Sie mir eine Geschichte erzählen könnten, Annorah, und ich würde sie sehr gern hören. Wie kommt es, dass Sie hier so abgeschieden leben?“

Gereizt begegnete sie seinem Blick. „Ist das eine höfliche Art, mich zu fragen, wie ich das ehrwürdige Alter von dreißig Jahren erreicht habe, ohne zu heiraten?“

Nicholas lachte und lehnte sich in seinen Sessel zurück. „Was für ein kratzbürstiges Geschöpf Sie doch sind! Und so misstrauisch. Seit wir uns an den Tisch setzten, haben Sie mich der Unaufrichtigkeit und der Schmeichelei beschuldigt, und weil ich mich ganz aufrichtig nach Ihrer Geschichte erkundigte, halten Sie mich für ungehobelt. Sie geben mir wirklich Rätsel auf.“

Lieber Himmel, er hatte recht. Sie versuchte, sich zu sammeln. „Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe keine Erfahrung mit … einer solchen Situation.“

Er beugte sich wieder vor und berührte ihre Hand auf dem Tisch. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich finde Rätsel erfrischend.“ Er zwinkerte ihr zu. „Trinken Sie noch etwas Champagner. Es wird helfen, und vielleicht versuchen wir es einfach noch einmal.“ Während er sprach, strich er ihr zärtlich über die Handfläche, und Annorah fand es gleichzeitig entspannend und aufregend.

Noch nie hatte ein Mann sie so berührt wie er, oder auch so oft. Jeden Augenblick seit seiner Ankunft war sie sich seiner Gegenwart intensiv bewusst gewesen. Und obwohl er nichts tat, das unziemlich gewesen wäre, erweckte er eine angenehme Hitze in ihr, ein Prickeln in ihrem Leib, an ganz intimen Stellen. Nein, noch nie hatte ein Mann eine solche Wirkung auf sie gehabt.

„Und jetzt erzählen Sie mir Ihre Geschichte, Annorah. Ich möchte wissen, wie es dazu kam, dass Sie Herrin dieses Hauses wurden.“ Er schenkte sich und ihr mit seiner freien Hand nach.

„Ich bin hier aufgewachsen und nie von hier fortgegangen, jedenfalls nie für lange.“ Sie nippte an ihrem Glas. Er hatte recht, der Champagner half. Nur sehr selten sprach sie über ihre Familie.

„Warum nicht?“ Seine Stimme, seine Berührung, die Aufrichtigkeit seines Blickes entlockten ihr mühelos ihre Geheimnisse. Selbst der Raum schien sich mit ihm gegen sie verschworen zu haben mit dem schwachen Kerzenlicht, das eine intime, Vertrauen erweckende Atmosphäre schuf.

„Weil es mein Zuhause war und die Leute, dich ich liebte, hier lebten. Hartshaven war nicht immer leer.“ Sie hatte nicht vorgehabt, über sich zu sprechen oder Dinge zu enthüllen, die nicht das Geringste mit der Aufgabe zu hatten, für die sie diesen Mann hatte kommen lassen. Doch sobald sie einmal angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören.

Eine Geschichte folgte der nächsten, ermutigt durch Nicholas Gelächter und seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Annorah erzählte ihm von ihren Großeltern, ihren Eltern, ihren Cousins, die im Sommer zu Besuch kamen. Nur von ihrer Tante sagte sie nichts. Ihre Tante hatte in einer glücklichen Geschichte nichts verloren.

Jene Sommertage erzählten ihre ganz eigenen Geschichten: Annorah war über die grünen Wiesen getollt, hatte im Fluss geangelt und unzählige Male Verstecken in den Gärten gespielt. Während sie sprach, kehrten die Erinnerungen wieder. Fröhlichkeit erfüllte ihre Geschichten: das Lachen ihrer Cousins und Cousinen, die Geduld ihres Großvaters, während er ihr das Angeln beibrachte. Alles wurde wieder lebendig für sie, so sehr, dass auch sie sich lebendiger fühlte und nicht mehr mit einem Fremden beim Dinner zu sitzen schien, sondern mit einem Mann, der in kurzer Zeit ihr Freund sein würde – ein Freund, von dem sie nicht viel wusste, aber dennoch ein Freund.

„Was ist passiert?“ Nicholas leerte den Rest der Champagnerflasche. Lieber Himmel, hatten sie bereits so viel getrunken, oder saßen sie schon so lange zu Tisch?

„Was immer passiert. Wir wuchsen auf, die Zeit verging.“ Die Fröhlichkeit aus jener Zeit verebbte. Die Kerzen waren fast heruntergebrannt. „Ich würde alles darum geben, diese Zeit zurückrufen zu können. Und Sie? Wie sind Sie an diesen … Punkt gelangt?“ Die Frage war kühn. Der Champagner sprach aus ihr. Aber das war schon den ganzen Abend so gewesen.

„Ich denke, die Zukunft sieht vielversprechend aus.“ Nicholas leerte sein Glas und stellte es mit Entschiedenheit auf den Tisch. Dann erhob er sich und streckte die Hand aus. „Kommen Sie mit.“

Annorah stellte ihr Glas langsam hin. Jetzt war es so weit! Er würde sie nach oben begleiten und sie verführen. Etwas hölzern erhob sie sich und nahm seine Hand. Jetzt, da der Augenblick gekommen war, kam ihr der bevorstehende Akt plötzlich so sinnlos vor im Vergleich zu ihrem anregenden Gespräch, und der Freund wurde auf einmal wieder zu einem Fremden für sie. Der Zauber war gebrochen.

4. KAPITEL

Er war dabei, sie zu verlieren. Die verführerische Atmosphäre, die der Champagner und das Kerzenlicht herbeigeführt hatten, erwies sich als nicht stark genug, um Annorah ihre Bedenken vergessen zu lassen. Zwar hatte er die Wirkung von Perlwein und Kerzenschein Wirkung nicht falsch eingeschätzt, aber sie für mächtiger gehalten, als sie wirklich war. Sie hatte nicht lange vorgehalten. Nicholas erkannte in Annorahs Blick, dass sie sich zu fragen begann, ob es klug gewesen war, ihn herzubestellen. Zuerst hatte er sie nach oben führen wollen, doch nun entschied er sich lieber für die Terrasse, frische Luft und den Sternenhimmel.

Annorah fächelte sich mit der Hand etwas Luft zu und lachte, sobald sie auf die Terrasse traten. „Ich fürchte, ich habe eine der wichtigsten Regeln des gesellschaftlichen Umgangs gebrochen.“

Nick betrachtete zufrieden ihre geröteten Wangen. „Und welche Regel wäre das?“, fragte er lächelnd.

„Die Regel, dem Mann das Reden zu überlassen. Man soll ihn durch geschicktes Fragen dazu bringen, über sich zu reden. Die erste Regel, die jede Debütantin lernt. Wenn ein Mädchen nicht flirten kann, sollte es wenigstens zuhören können.“

Nicholas lachte amüsiert. Ihre Offenheit war wirklich erfrischend. „Aber nein, Annorah! Ich fand Ihre Geschichten sehr interessant und muss sagen, dass ich einen der anregendsten Abende seit Jahren verbracht habe.“

„Und doch hat die Methode Erfolg, nicht wahr?“ Ihr trockener Ton ließ Nick aufhorchen. Sie musterte ihn nachdenklich. Jetzt war nichts mehr von der romantischen Stimmung geblieben. Jetzt würde er wieder ganz von vorn anfangen müssen.

„Verzeihung?“ Er täuschte Unverständnis vor, obwohl ihm natürlich klar war, was sie sagen wollte. Wenn sie wirklich so gewagt sein wollte, würde sie sich schon ganz und gar dazu bekennen müssen.

„Sie haben mich gut verstanden. Das Dinner, die Geschichten – alles war dazu da, mich reden zu lassen und mir zu zeigen, was für ein guter Zuhörer Sie sind. Wirklich sehr klug von Ihnen, einen alten Debütantinnen-Trick gegen mich einzusetzen.“

Sie war so viel intelligenter als seine gewohnten Klientinnen und bei Weitem nicht so beeinflussbar. Dieser Auftrag erwies sich als wahre Herausforderung für ihn. Annorah hatte ihn im Grunde offen einen Süßholzraspler geschimpft. Lächelnd nahm er ihre Hand in seine. „Ein Trick? Was für ein schroffes Wort, Annorah. Was lässt Sie glauben, es war eine List und nicht die Wahrheit? Sie sind eine sehr reizvolle Frau.“

Und es stimmte auch. Es hatte ihm Spaß gemacht zu beobachten, wie lebendig, ja fast ungestüm sie wurde, als sie über ihre Kindheit sprach. Allerdings war es eine gezähmte Wildheit, und er fragte sich, was geschehen sein mochte, dass sie diesen Wesenszug so völlig verleugnete. Und er fragte sich ebenfalls, wie es sein mochte, diesen Wesenszug zu befreien, ihm freien Lauf zu lassen.

„Ich bin eine sehr misstrauische Frau“, verbesserte sie ihn. „Ganz besonders einem Menschen gegenüber, der auf Anhieb Gefallen an mir findet.“

Besonders wenn dieser Mensch ein Mann ist, vermutete Nick. In ihrer Stimme klang tiefer Kummer mit. „Einige Menschen verspüren eine ganz natürliche Verbundenheit miteinander, zweifeln Sie etwa daran?“

Ihr Blick drückte nur allzu deutlich aus, was sie von seiner Meinung hielt. „Einige vielleicht, aber ganz gewiss nicht alle. Die meisten nicht.“

Heute Abend stellte sie viele seiner Ansichten in Frage. Nick hatte nicht damit gerechnet, dass die Eroberung der kleinen Landpomeranze sich als so schwierig herausstellen würde, dass sie selbst so kratzbürstig, selbstbewusst und attraktiv sein würde.

Er führte ihre Hand an die Lippen und glaubte, die Wahrheit erraten zu haben. „Ich bin kein Mitgiftjäger, Annorah. Ich bin nicht gefährlich, und Sie sind in Sicherheit bei mir. Ich bin nicht ‚die meisten‘.“

Doch sie schüttelte den Kopf. „Ich habe Sie schließlich hierher eingeladen, damit Sie mir den Kopf mit Schmeicheleien verwirren, von denen ich von Anfang an wusste, dass sie nur geheuchelt sind. Sie könnten schlimmer sein, denke ich …“

„Dann denken Sie nicht“, unterbrach er sie rasch. Ihre Gedanken gingen in eine Richtung, die die romantische Atmosphäre nur zerstören konnte. Sanft strich er mit dem Daumen über ihre Wange. „Sie haben mich nicht hergebracht, damit Sie nachdenken, sondern damit Sie Vergnügen haben.“ Er begann sie zwischen den Worten mit Küssen zu übersäen, zuerst ihr Kinn, dann ihren schlanken Hals. „Es ist keine Schande, Vergnügen zu empfinden, Annorah, keine Schmach, es zu begehren. Es ist nur menschlich.“ Jetzt küsste er die kleine Kuhle an ihrem Hals und spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Sie schmolz wieder dahin. Nick fuhr fort, sie mit Worten und Küssen zu liebkosen, und merkte zufrieden, wie ihr Körper genau auf die Weise zum Leben erwachte, die er beabsichtigt hatte.

Genau der richtige Moment, um sie auf die Lippen zu küssen – ganz langsam, genüsslich, ließ er sich viel Zeit damit, ihren Mund zu erkunden, immer intensiver, immer hitziger. Dann riss er sie an sich, damit sie seinen harten Körper an ihrem fühlen konnte. Sanft drückte er die Hand auf ihren Rücken, presste sie dichter an sich, bis sie sich an ihn schmiegte.

Nick erkannte genau den Augenblick, da er sie davon überzeugt hatte, dass er ihr den Himmel auf Erden bereiten konnte. Sie schlang ihm die Arme um den Nacken, und als er sich von ihrem Mund löste, ließ sie den Kopf nach hinten sinken und lud ihn wortlos ein, ihren Hals zu küssen. Wieder bat Nick sie, mit einer Stimme, heiser vor Verlangen: „Kommen Sie mit mir.“

Dieses Mal folgte sie ihm. Er achtete wohlweislich darauf, ihre Hand nicht loszulassen. Das hätte eigentlich helfen sollen, und bis zu einem Punkt tat es das auch – bis sie die oberste Stufe der Treppe erreicht hatten, dann den Gang hinunter bis zur dritten Tür auf der rechten Seite, hinter der ihr Schlafgemach lag. Und dort war es dann plötzlich vorbei. Zumindest für Annorah.

Erstaunt stellte Nick fest, dass sein Körper mehr als bereit war für die Aufgabe, die ihn heute erwartete. Keins seiner „Hilfsmittel“, wie er sie gern nannte, würde nötig sein. Es war nicht immer leicht, bei Bedarf erregt genug zu sein, um einer Frau Vergnügen zu bereiten. Heute Abend allerdings war es leicht gewesen. Vom Moment an, da er sie in ihrem lavendelfarbenen Chiffonkleid mit der hohen Taille und dem tiefen Dekolleté erblickt hatte, das unter den Brüsten gerafft war und so die Wirkung des Ausschnitts noch verstärkte. Das Kleid brachte ihre verführerischen Rundungen vollkommen zur Geltung, doch Annorah stellte sich nicht absichtlich zur Schau, wie es die Damen seiner Bekanntschaft in London getan hätten.

Er griff nach der Türklinke, schon im Begriff, Annorah eintreten zu lassen und ihr zu folgen, doch sie hielt ihn auf, ihre Hand auf seiner, ihr Blick offen und womöglich sogar ein wenig traurig, als er seinem begegnete. „Es tut mir leid, Nicholas. Ich glaube nicht, dass ich es heute Nacht tun kann.“

Geduldig lächelte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Möglicherweise könnte ich dich überreden. Vielleicht mit einer Massage bei Kerzenlicht? Die ganze Nacht liegt vor uns, wir können langsam vorgehen.“ Es würde ihm ein Vergnügen sein, sich Zeit bei ihr zu lassen. Hier brauchte er keine Angst vor einem wütenden Gatten zu haben, der jeden Moment durch die Tür gestürzt kommen könnte.

„Nein.“ Sie trat entschlossen von ihm zurück. „Sie sind ein sehr attraktiver Mann, Nicholas D’Arcy, aber Sie sind noch immer ein Fremder für mich. Ich glaube, was immer wir heute Abend tun würden, wäre ein Fehler. Und deswegen möchte ich lieber warten und auf Besseres hoffen.“

Damit öffnete sie die Tür, schlüpfte in ihr Zimmer und ließ ihn allein im Gang stehen – aufs Höchste erregt. Als er sich vorhin eine Strategie für heute Nacht zurechtgelegt hatte, wäre ihm nie in den Sinn gekommen, er könnte sie damit zubringen, sich selbst Erleichterung zu verschaffen.

Vergeblich hatte Nicholas auf den Schlaf gewartet. Doch seine Gedanken ließen ihn nicht ruhen. Er musste ständig an Miss Annorah Price-Ellis denken. War sie ebenso unbefriedigt ins Bett gegangen wie er? Bereute sie in diesem Moment vielleicht ihre Entscheidung? Nick hatte gemerkt, wie sehr seine Küsse sie erregt hatten. Hatte auch sie sich selbst Erleichterung verschafft? Die Ironie ließ ihn lächeln. Nur zwei Türen trennten sie voneinander, und dennoch hatten sie ihre Lust nicht miteinander, sondern allein gestillt. Channing und die Männer würden wiehern vor Lachen, wenn sie es wüssten. Sie durften es nie erfahren, denn sie würden es ihn nie vergessen lassen.

Außerdem machte ihm Annorahs Bemerkungen im Gang zu schaffen. Ein Fehler? Sie wollte lieber warten und auf Besseres hoffen? Noch nie hatte eine Frau eine Nacht mit ihm für nicht gut genug befunden. Nick hieb gereizt in sein Kissen und drehte sich in der Hoffnung auf die Seite, so leichter Schlaf zu finden. Doch stattdessen kehrten seine Gedanken wieder zu Annorah zurück und zu der Frage, was ihre jugendliche Unbekümmertheit und die Wildheit in ihr erstickt hatte.

Er verspürte eine erstaunliche Verbundenheit mit Annorah Price-Ellis. Ihre Geschichten hatten ihn an seine eigene Kindheit erinnert. Auch er hatte viele glückliche Sommer voller Gelächter und Spiel auf dem Land verbracht. Auch ihm hatten sie schmerzlich gefehlt, als sie ein plötzliches Ende fanden. Zudem hatte er Annorah durch ihre Erzählungen besser kennengelernt. Er hatte gesehen, wie die lebensprühende Flamme ihrer Jugend wieder in ihr erwacht war, während sie sich erinnerte, eine Flamme, die jetzt fast erloschen war. Auch in dieser Hinsicht ähnelten sie sich.

Sie glaubte, ihr Leben sei vorüber und dass sie nichts Schönes mehr zu erwarten hätte, da ihre besten Tage bereits hinter ihr lagen. Warum sie das glaubte, war ihm noch unklar. Obwohl er behutsam nachgehakt hatte, hatte sie sich ihm nicht anvertraut. Er konnte jedoch verstehen, dass sie versuchte, sich auf eine gewisse Weise einen sicheren Hafen zu schaffen. Zu wissen, was sie erwartete, musste ihr ein Gefühl der Geborgenheit geben.

Er kannte diese Art der Geborgenheit gut. Und es schockierte ihn nicht wenig zu entdecken, dass er und Miss Price-Ellis trotz ihrer Unterschiede etwas sehr Wesentliches gemein hatten. Als er nach London gekommen war und Channings Hilfsangebot angenommen hatte, hatte er gewusst, dass er gewisse Hoffnungen und Erwartungen würde aufgeben müssen.

Channing hatte ihm nicht nahegelegt, diese Hoffnungen aufzugeben, aber Nick kannte die gesellschaftlichen Regeln. Sobald er zu einem Gentleman Escort geworden war, hatte er zwar seine ganz eigene Nische gefunden, aber er würde nie wirklich zur guten Gesellschaft gehören. Keine respektable Dame würde ihn als Ehemann in Betracht ziehen. Und das bedeutete, er würde niemals eine eigene Familie haben, was er bis zum Tod seines Vaters nie für möglich gehalten hätte. Stattdessen gab es seinen Bruder, seine zwei Schwestern und seine Mutter, die sich auf ihn verließen. Keinen Augenblick gab es für ihn einen Zweifel daran, dass er seine Träume vergessen würde, um seine Familie mit jedem Mittel, das ihm zur Verfügung stand, zu versorgen.

Er fragte sich, was geschehen war, um Annorah glauben zu lassen, dass sie ihre Träume vergessen musste. Glaubte sie es wirklich, oder hoffte sie insgeheim doch noch, alles könnte anders kommen? Immerhin war er hier, ein wahrer Wolf in Menschengestalt, im Begriff, ihr sicheres Versteck hier auf dem Lande zu bedrohen – noch dazu auf ihre eigene Einladung hin.

Trotz des ausgezeichneten Bettes hatte Nicholas nicht gut geschlafen. Annorahs Zurückweisung hatte ihn den größten Teil der Nacht wach gehalten. Er strich sich mit der Hand über das Gesicht und beobachtete vom kleinen Balkon seines Zimmers aus, wie die Sonne aufging. Von hier hatte er den Blick auf die Wiesen, die zu den Stallungen und dem Kutschhaus führten.

Ebenfalls konnte er die dunklen Umrisse von Stallknechten und Pferden ausmachen, die bereits ihre morgendliche Routine absolvierten. Nick hatte vergessen, wie früh der Tag auf dem Land begann. In London würde er sich jetzt erst zu Bett begeben – in sein eigenes Bett. Sehr wahrscheinlich hätte er vorher bereits in einem fremden Bett gelegen. Noch etwas, das ihn heute Morgen besonders störte. Er hatte die gesamte Nacht in seinem eigenen Bett verbracht.

Eine Tatsache, die ihn zwang, seine Strategie zu überdenken. Annorah musste aufhören, ihn als bezahlten Gast anzusehen, und ihn vielmehr wieder wie einen aufrichtigen, wenn auch nur kurz anwesenden Freund betrachten, wie sie es beim Dinner getan hatte, sonst würde sie die Lust nicht finden, die sie suchte.

Dabei war sie sich seiner durchaus bewusst gewesen. Vielleicht sogar zu sehr, da sie sich klargemacht hatte, warum er da war und dass sie ihn dafür bezahlte. Gestern hatte er deutlich den Zweifel in ihren grünen Augen erkannt. Also hatte er ihr noch mehr Champagner eingeschenkt und sie erzählen lassen. Bis zu einem bestimmten Punkt hatte seine List auch gewirkt. Als er sie küsste, hatte sie einige Momente lang vergessen, dass sie ihn engagiert hatte. Er hatte gespürt, wie ihr wundervoller Körper zum Leben erwacht war, wie sie seinen Kuss erwidert hatte. Irgendwie musste er weiterhin für solche Momente sorgen, denn Annorah war sehr wohl fähig dazu, Leidenschaft zu empfinden. Aber wie sollte er am besten vorgehen?

Nicholas stützte die Ellbogen auf die Balkonbrüstung. Es versprach ein sonniger, warmer Sommertag zu werden. Plötzlich fielen ihm Bruchstücke ihrer Erinnerungen ein. Wie sehr sie die Freiheit und Wildheit ihrer Kindheit genossen hatte. Eine Idee begann sich in seinem Kopf zu bilden, und er lächelte zufrieden. Jetzt wusste er genau, was zu tun war. Höchste Zeit, dass er sich ankleidete.

5. KAPITEL

Ein Mann ist in meinem Haus! Das war der erste Gedanke, der ihr kam, sobald sie erwachte, und er ließ sie nicht los, während sie sich ankleidete. Wie auch? Offenbar konnte kaum jemand diesen Umstand vergessen. Ihre Zofe teilte ihr gleich als Erstes mit, dass ihr Gast schon beim ersten Morgengrauen auf den Beinen gewesen und zu den Ställen gegangen sei, wo er um das Gig gebeten hatte, um später darin über das Gut zu fahren.

Ihre Zofe Lily hatte ihr einen neugierigen Blick zugeworfen, während sie eins der hübschen neuen Kleidern auf dem Bett auslegte. „Es ist schon seltsam, dass ein Bibliothekar sich das Gut ansehen möchte.“

„Vielleicht möchte er zur Abwechslung die frische Luft genießen“, erklärte Annorah vage. Das hatte ihr noch gefehlt, dass die Dienerschaft sich Gedanken über Nicholas’ Anwesenheit machte.

„Nun“, fuhr Lily unbeirrt fort, „jedenfalls ist er ja ein ganz Hübscher. Wir haben gestern Abend alle darüber gesprochen. Man bekommt ja nicht besonders viele ansehnliche Bibliothekare zu sehen.“

Annorah schenkte ihrer Zofe ein eher frostiges Lächeln, um der Konversation ein Ende zu machen. „Es gibt für alles ein erstes Mal. Ich hoffe doch sehr, dass wir unseren Gast nicht in Verlegenheit bringen werden, indem wir ihn neugierig beobachten, solange er hier ist.“

Wenn sie sich doch nur selbst an diesen Rat halten könnte! Auch sie wollte alles über diesen Mann wissen. Er war gut aussehend und charmant, und wenn er sie ansah, wenn er mit ihr flirtete und als er sie geküsst hatte, war es ihr schwergefallen, sich daran zu erinnern, dass er es nicht wirklich ernst meinte, dass er nur seinen Auftrag erfüllte.

Insgeheim war sie mehr als bereit gewesen, dahinzuschmelzen und ihm jedes Wort zu glauben. Und das machte ihr Angst. Schon einmal hatte sie sich völlig ihren Gefühlen hingegeben, und die Folgen waren katastrophal gewesen. Sie musste vorsichtig sein. So etwas durfte nie wieder geschehen, und diese Erfahrung war ja auch einer der Gründe, weshalb sie Nicholas überhaupt engagiert hatte – sie wollte körperliche Lust erleben, ohne ihr Herz zu verlieren. Und jetzt fragte sie sich, ob das überhaupt möglich sein würde mit diesem Mann. An ihn konnte sie sich genauso verlieren, wie sie es bereits in der Vergangenheit getan hatte, und damals war sie getäuscht und betrogen worden.

Ihr Dilemma war, dass sie nicht wusste, ob es ihr möglich sein würde, sich ihm hinzugeben, solange ihr deutlich bewusst war, dass er sich von ihr bezahlen ließ, um sie zu verführen. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die glaubten, das Liebesspiel sollte bezahlt werden. Ein so intimes Verhältnis zwischen Mann und Frau musste mehr sein als eine Pflicht, eine Aufgabe. Ihre Eltern hatten sich geliebt und ein glückliches, erfülltes Leben geführt, und Annorah hatte sich geschworen, sich nie auf einen Mann einzulassen, der sich nur wegen ihres Vermögens um sie bemühte.

Irgendwo zwischen den beiden Extremen musste es einen Mittelweg geben. Sie brauchte ihn nur zu finden. Vielleicht würde es ihr bei Tageslicht, ohne den verwirrenden Mondschein und das verführerische Kerzenlicht, gelingen.

Schon bald musste Annorah feststellen, dass das Tageslicht keinen Unterschied machte. Als sie das Frühstückszimmer betrat, saß Nicholas D’Arcy bereits am Tisch und war, modisch und makellos wie immer, für eine sommerliche Ausfahrt gekleidet. Er sah von der zwei Tage alten Zeitung auf und lächelte. „Guten Morgen.“ Es war der schönste Morgengruß, den sie je gehört hatte und der wohl nur dann noch besser klingen könnte, wenn Nicholas ihn neben ihr im Bett liegend aussprechen würde.

Er legte er die Zeitung beiseite und wies auf den Stuhl neben seinem.

„Fehlt Ihnen die Stadt schon?“

„Ich halte mich nur auf dem Laufenden.“ Er erhob sich und trat an die Anrichte. „Möchten Sie Rühreier?“

Erstaunt darüber, dass er für sie einen Teller auffüllen wollte, nickte sie nur sprachlos.

„Schinken?“, fuhr er gelassen fort. „Ich habe der Köchin erzählt, dass wir die Umgebung erkunden möchten und einen Korb mit unserem Lunch mitnehmen wollen. Ich gab Anweisung, den Wagen um zehn zur Verfügung zu stellen, denn wir sollten abfahren, bevor es zu warm wird.“

Damit präsentierte er ihr ihren Frühstücksteller, und plötzlich füllten ihre Augen sich völlig unerwartet mit Tränen. Es war vollkommen. Sie hätte alles gegessen, was er ihr servierte, selbst wenn es ein Teller voller Regenwürmer gewesen wäre, so sehr rührte sie die schlichte Geste. Vielleicht gab es gar keinen Mittelweg. Vielleicht sollte sie ganz einfach nachgeben und das Märchen, das er ihr vorgaukelte, glauben.

„Das hätte ich doch tun können“, brachte sie leise hervor. Das Frühstück, das Picknick, der Wagen. Alles hätte sie selbst tun können. Immerhin traf sie seit Jahren allein ihre Entscheidungen.

„Natürlich hätten Sie das.“ Er nahm wieder Platz. „Aber darum geht es ja nicht.“

„Sie sind nicht hier, um mich zu bedienen“, protestierte sie zwischen zwei Bissen Rührei. Aber nur halbherzig. Noch nie hatte ihr Frühstück so gut geschmeckt. Für gewöhnlich brachte sie ihr Frühstück wie etwas hinter sich, das nun einmal erledigt werden musste. Heute früh jedoch wurde ihr bewusst, wie schmackhaft das Rührei war, wie zart der Schinken, wie knusprig der Toast und wie weich die Butter.

„Lassen Sie es meine Sorge sein, wofür ich hier bin und wofür nicht.“ Er setzte sich wieder.

„Ich werde mich gleich umziehen, um Sie nicht warten zu lassen.“

„Warum wollen Sie sich umziehen? Sie sehen entzückend aus, so wie Sie sind.“

„Es ist kein Ausgehkleid“, wandte sie ein, wenn auch dieses Mal nur halbherzig. Natürlich war ihr dünnes weißes Musselinkleid mit den winzigen rosa Blümchen nicht sehr geeignet für eine Ausfahrt, aber wer würde sie schon sehen?

Nicholas beugte sich vor, das Kinn auf die Hand gestützt. „Es ist nicht wahrscheinlich, dass uns irgendjemand sehen wird. Warum lassen Sie sich nicht von Ihrer Zofe Hut und Handschuhe bringen, und dann brechen wir auf.“ Er erhob sich und hielt ihr die Hand hin, ohne ihr die Gelegenheit für einen Einwand zu geben.

Nicholas hat enorme Tüchtigkeit bewiesen, stellte Annorah fest, sobald er ihr einen Moment Zeit ließ, darüber nachzudenken. Er hatte ihr geholfen, es sich in kürzester Zeit im Gig bequem zu machen, und war ihren Fragen über den Inhalt des Korbs im hinteren Teil des Wagens geschickt ausgewichen. Leise lachend hatte er nur geantwortet: „Sie werden es schon sehen, wenn wir ankommen, aber keinen Moment vorher.“

Und damit sprang er leichtfüßig auf den Sitz neben ihrem, einen Sitz, der nur für eineinhalb Personen gebaut zu sein schien und nicht für zwei, besonders wenn einer von ihnen ein erwachsener Mann mit breiten Schultern und langen Beinen war. Nicholas nahm die Zügel auf und schnalzte mit der Zunge, sodass sich der kräftige Fuchs in Bewegung setzte und sie viel zu dicht aneinandergepresst – was ihr nur allzu bewusst war – anfuhren. Vergeblich bemühte sie sich, zu verhindern, dass ihre Schenkel sich berührten, doch obwohl sie immer mehr zur Seite rückte, schien er ihr zu folgen, und am Ende blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu entspannen, wenn sie nicht vom Sitz rutschen wollte.

„Sie tun das absichtlich.“

„Was?“ Sie fuhren über eine Unebenheit auf dem Weg, und sein Schenkel berührte wieder ihren.

„Das.“

Nicholas lachte unbekümmert. „Es ist ein schmaler Sitz, Annorah. Wo soll ich Ihrer Meinung nach meine Beine hintun? Außerdem glaube ich nicht, dass Ihnen das Gefühl unangenehm ist, lediglich ungewohnt.“

Und eins, an das ich mich gewöhnen könnte, fürchtete sie. Sehr leicht sogar. Alles war leicht mit ihm. Er war kaum einen Tag hier, und schon hatte er sich in die Routine ihres Lebens eingeschlichen. Und das hatte er so geschickt getan, dass es ihr so vorkam, als hätte es seine Richtigkeit, wenn er dicht neben ihr saß. Fast als würden sie sich schon sehr viel länger kennen.

„Es ist in Ordnung, wenn Sie mich mögen, wissen Sie.“ Nicholas warf ihr einen flüchtigen Blick zu. „Es wäre eigentlich sogar besser.“

„Woher wissen Sie, dass ich genau das gedacht habe? Können Sie Gedanken lesen?“

„Ich kann die Körpersprache lesen und die Lebensweise. Sie waren eine lange Zeit unabhängig, zu unabhängig, wenn Sie meine Meinung hören wollen. Ganz offensichtlich sind Sie es nicht gewohnt, dass sich jemand um Sie kümmert.“

„Da irren Sie sich. Ich habe Personal.“

„Das ist nicht dasselbe. Ich meine jemanden, der sich freiwillig um Sie kümmert, ohne dazu aufgefordert zu werden.“

„Was hat das damit zu tun, ob ich Sie mag?“ Annorah rührte sich unbehaglich auf dem Sitz und wünschte, sie könnte sich auch irgendwie von diesem Gespräch entfernen.

„Alles. Ihre Unabhängigkeit hat Sie übervorsichtig werden lassen anderen gegenüber.“ Er lenkte das Pferd um eine tiefe Furche im Weg herum. „Hören Sie auf, in mir einen weiteren Ihrer Diener zu sehen, und lassen Sie freundlichere Gefühle für mich zu, Annorah. Es kann nicht schaden.“

Damit mochte er recht haben, aber sie war noch immer misstrauisch. „Sie sind nicht mein Freund.“ Sie sah ihn prüfend an, um zu sehen, wie er ihre Erklärung aufnahm.

„Nein, das stimmt. Ich bin etwas sehr, sehr viel Besseres.“

„Ich kann meinen Freunden vertrauen“, sagte sie standhaft.

Er hob eine Augenbraue. „Wirklich? Dann beantworten Sie mir das: Warum sind Sie so lange allein gewesen?“

Annorah starrte unverwandt auf den Weg vor ihnen. Diese Frage würde sie auf keinen Fall beantworten. Weil die Menschen einander wehtun. Ob nun mit Absicht oder nicht, das Ergebnis ist dasselbe, und ich kann es einfach nicht noch einmal durchmachen. Was ihre Tante Georgina und eine lange Reihe von Anwärtern um ihre Hand ihr um des Geldes willen angetan hatten, war unverzeihlich.

„Wir alle führen das Leben, das wir führen wollen, Annorah. Nichts kann es ändern, bevor wir es nicht tun“, sagte er leise.

Nichts, bis auf ein Datum im Kalender und rechtskräftige Dokumente. Es lag ihr auf der Zunge, seine Behauptung in Frage zu stellen. Was sie auch tat, in nur wenigen Wochen würde alles anders werden. Unwillig verdrängte Annorah den Gedanken. Sie hatte sich versprochen, nicht daran zu denken, solange er hier war. Er war ihre letzte Flucht vor der Wirklichkeit. Während dieser letzten Tage durfte sie sich nicht von ihren Verpflichtungen ablenken lassen.

Der Schrei eines Falken über ihnen brach die Stille. Nicholas’ Schulter stieß gegen ihre, und er wies auf den wolkenlosen Himmel, ganz beeindruckt von dem plötzlichen Eindringling. „In London bekommen wir nicht viele zu sehen.“

Annorah blickte auf. „Sie leben in den Hügeln. Einige Pärchen nisten dort und das, seit ich mich erinnern kann.“ Sie lächelte. „Als ich klein war, gaben wir oft vor, Falken zu sein. Wir taten, als könnten wir fliegen.“ Sie musste lachen. „Wie albern, nicht wahr?“

„Nein, nicht wirklich. Ich hatte einen Drachen in meiner Jugend. Ich ließ ihn fliegen und wünschte mir genau dasselbe wie Sie.“ Er erwiderte ihr Lächeln und sah lange genug vom Weg fort, dass ihre Blicke sich treffen konnten. Wortlos teilten sie eine süße Kindheitserinnerung miteinander.

„Ich kann Sie mir kaum als kleinen Jungen vorstellen.“ Es war schwierig, sich ein Bild von diesen vollkommenen Mann vor Augen zu rufen, der in kurzen Hosen auf dem Lande herumtobte und einen Drachen fliegen ließ.

„Warum nicht? Ich war ein hübscher Knabe“, sagte er in gespielter Gekränktheit.

Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nur, dass Sie meist so beherrscht sind. Ihr Aufzug, Ihre Manieren. Sie scheinen immer zu wissen, was zu tun und zu sagen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie je so ausgelassen waren.“

Amüsiert lächelte er sie an. „Meine Mutter würde mich gewiss nicht so beschreiben. Ich versichere Ihnen, auch ich wies oft zerschrammte Knie auf und nicht ganz so blütenweiße Momente.“ Er zwinkerte ihr zu und fuhr mit übertriebenem Ernst fort: „Ich hatte schließlich auch eine Mutter, bedenken Sie das.“

Danach wurde das Gespräch entspannter. Sie sprachen über die Pflanzen, an denen sie vorbeifuhren, die Blumen am Wegesrand, die Weizenfelder, bis Nicholas abbog und das Gig vor dem kleinen Fluss zum Stehen brachte, wo er unter einer alten Eiche einen kleinen Badeteich bildete.

„Ich bin seit einer Ewigkeit nicht mehr hier gewesen.“ Annorah sah misstrauisch auf Nicholas hinab, während er um den Wagen zu ihr herumkam. „Woher wissen Sie von diesem Ort?“

Er zuckte die Achseln, hob sie mit starkem Griff herunter und ließ die Hände noch ein wenig länger auf ihrer Taille liegen. „Ich habe mich erkundigt. Ihr Stallmeister meinte, dies sei ein guter Ort für ein Picknick.“ Annorah löste sich von ihm und machte sich daran, den Korb vom hinteren Teil des Wagens zu öffnen. „Wie ich höre, soll man hier auch gut angeln können.“

Erst jetzt bemerkte sie die Angeln unter dem Korb. Lieber Himmel, sie hatte seit Jahren nicht mehr an die Angeln gedacht, im Grunde nicht mehr, seit ihr Großvater gestorben war. Nicholas nahm eine in die Hand. „Sind Sie dabei?“

Annorah warf einen Blick auf seine teuren, glänzenden Stiefel. Das Wasser würde sie ruinieren. „Sie müssen hineinwaten, um angeln zu können.“

Er zwinkerte ihr zu. „Ich verrate Ihnen ein kleines Geheimnis. Ich habe vor, sie auszuziehen. Und wie ist es mit Ihnen? Ihre hübschen Stiefeletten würden ein Bad wohl auch nicht überstehen.“ Nicholas setzte sich auf einen großen Felsen neben dem Fluss und zog die Stiefel aus. „Und noch ein Geheimnis. Ich habe vor, sehr viel mehr auszuziehen als meine Stiefel.“

Lieber Himmel, er meinte es ernst. Annorah musste schlucken, als er die Hose hochkrempelte und die Kniestrümpfe auszuziehen begann, wobei er muskulöse Waden enthüllte. Es war lächerlich, sich durch den Anblick männlicher Beine in Erregung versetzen zu lassen, allerdings bezweifelte sie, dass sehr viele Männer solche Beine aufweisen konnten – so stark und fest und sonnengebräunt. Nicholas war offensichtlich ein Mann, der es nicht nötig hatte, mit gepolsterten Hosen und Jacken kräftige Muskeln vorzutäuschen. An ihm war alles echt.

Wirklich alles, konnte sie gleich darauf bestätigen, denn er schlüpfte aus seinem Jackett, als wollte er ihre Gedanken untermauern. Der dünne Stoff seines weißen Hemds schmiegte sich an die breiten Schultern und die feste Taille, von wo sie atemlos den Blick zu den schmalen Hüften wandern ließ.

„Nun? Trödeln Sie nicht, Annorah.“ Nicholas war schon dabei, Angeln in der Hand, in den Fluss zu waten. „Wir können nicht essen, bevor wir etwas gefangen haben.“

Gern, sobald ich wieder Luft bekomme, dachte sie, ganz ärgerlich auf sich selbst.

Er warf ihr eine der beiden Angeln zu. „Es sei denn, Sie haben Angst.“

Jetzt reichte es ihr aber! Sie war früher eine sehr gute Anglerin gewesen. Schnell entledigte sie sich ihrer Stiefeletten und Strümpfe, dann hob sie ihre Röcke ein Stückchen an und befestigte sie mit Hilfe eines Haarbands. „Im Angeln werde ich einen Stadtmenschen wie Sie spielend übertreffen.“

Nicholas lachte amüsiert. „Dann kommen Sie her und beweisen Sie es.“

6. KAPITEL

Ihre Zehen berührten das Wasser, und plötzlich schienen alle Jahre seit damals von ihr abzufallen. Wie rasch sie sich wieder an alles erinnerte! Die erfrischende Kühle des Wassers, das ihre Knöchel umspielte. Die Wärme der Sonne auf ihrem Gesicht, den Wind in ihrem Haar … Ihr Körper hatte nichts vergessen. Annorah warf die Angelschnur mit einer geschmeidigen Bewegung aus und genoss das Gefühl, wie der Fluss ihre Schnur auffing und in die Strömung aufnahm. Sie genoss auch das Wissen, dass Nicholas sie voller Anerkennung beobachtete.

„Ich muss dreizehn Jahre alt gewesen sein, als ich das letzte Mal angelte!“, rief sie über das Plätschern des Flusses hinweg und spürte, wie ihre Befangenheit sozusagen von den Wellen mitgerissen wurde.

„Nicht schlecht!“, antwortete er, sah sie aber auf eine herausfordernde Art an, die ihr wohl zeigen sollte, dass er sich nicht so leicht würde übertreffen lassen. Schon warf er auch seine Angelschnur aus, doch mit einem seitlichen Wurf, und sie landete mit einem leisen Geräusch auf dem Wasser.

„Angeber!“, spottete Annorah gutmütig. „Aber nicht schlecht für einen Stadtmenschen.“ Dann entdeckte sie eine verdächtige Bewegung im Wasser zu ihrer Linken. Ein Fisch! Sie rollte hastig die Angelschnur ein. Es hätte genügt, einfach die Angel wieder auszuwerfen, aber Annorah konnte nicht widerstehen, selbst ein wenig anzugeben. „Sehen Sie.“ Um die Angel gezielt im Wasser eintauchen zu lassen, schwang sie die Schnur nach vorn, wieder nach hinten und danach geschickt zur gewünschten Stelle.

Danach entwickelte sich ein Wettbewerb. Nicholas antwortete mit einem seitlichen Wurf. Ihr gelang ein makelloser, besonders langer Wurf. So ging es eine Weile, bis sie beide lachten und ihre Kleidung nicht mehr bloß feucht genannt werden konnte.

Ein heftiger Ruck an ihrer Angel forderte ihre Aufmerksamkeit. „Ich habe einen!“, schrie sie aufgeregt und begann schnell, die Schnur einzurollen. Doch die Strömung und das Gewicht des Fisches verbündeten sich gegen sie. Sie machte einen Schritt tiefer in die Mitte des Flusses hinein mit der Absicht, sich gleich darauf zurückzuziehen, doch der Fisch hatte andere Pläne. Er zerrte. Sie rutschte aus. Ihre nackten Füße glitten durch den weichen Schlamm des Flussbetts, doch sie hörte nicht auf zu kämpfen. Die Angelrute begann sich zu verbiegen. „Du entkommst mir nicht, kleiner Mistkerl!“ Sie würde Hilfe brauchen.

Kaum war ihr der Gedanke gekommen, da war Nicholas bereits bei ihr, schloss die Hände um ihre und schmiegte sich an ihren Rücken, um ihr seine Kraft zu leihen. „Na, na, Annorah. Solche Ausdrücke von einer Dame. Ich hätte es nie für möglich gehalten.“ Er lachte leise. Annorah spürte seine Wärme, seine breite, starke Brust.

„Ziehen Sie mit. Ich glaube, wir haben ihn.“

Sie zerrten und zogen, lachten und stolperten in der Strömung, doch Nicholas war da, um sie sicher zu halten. Schließlich schafften sie es, den Fisch ins Trockene zu bringen, eine riesige Forelle. „Die reicht, um zwei satt zu machen.“ Nick zog den Fisch an Land, warf ihn in einen Wassereimer und ließ sich daneben auf den Boden fallen. „Ich schlage vor, dass wir ihn fürs Abendessen aufbewahren.“

„Und was soll es zu Mittag geben?“

Nick lächelte und holte ein Messer hervor. „Sie haben bewiesen, dass Sie der bessere Angler von uns beiden sind. Also besorgen Sie uns noch ein paar Fische fürs Mittagessen, und ich kümmere mich um diesen Burschen hier.“

„Beeilen Sie sich, ich wette, ich bin vor Ihnen fertig!“ Annorah lachte und watete wieder ins Wasser. Ihr Kleid war bereits nass, und nasser konnte es nicht werden.

Als sie mit einem Eimer voller Fische zurückkam, hatte Nicholas ihnen eine Art Lager bereitet. Eine Decke war vor einem kleinen Feuer ausgebreitet, über dem bereits ein Bratspieß angebracht war. Obwohl es ein warmer Tag war, hieß Annorah in ihrer feuchten Kleidung die Hitze der Flammen nur allzu gern willkommen.

Nick spießte die Fische auf, und sie verteilte das Geschirr aus dem Picknickkorb, wobei allerdings etwas Wichtiges fehlte. „Sie meinten es wirklich ernst, als Sie sagten, dass es ohne Fisch nichts zu essen geben würde, nicht wahr?“

Er lächelte und beugte sich über das Feuer, wobei ihr auffiel, dass die nassen Pantalons sich wie eine zweite Haut an sein festes Gesäß schmiegten. „Ich lüge nie.“ Er nahm die Fische herunter und legte einen auf einen Teller für Annorah. „Wir hätten nicht verhungern müssen. Es gibt genug Wein und Brot.“

„Kaum ein vollständiges Mahl“, meinte Annorah amüsiert. Sie brach ein Stück Brot für ihn ab, er schenkte ihr Wein ein. Sie erledigten die Aufgaben ruhig und geschickt, als wären sie vollständig aufeinander abgestimmt. Sie hätte niemals gedacht, es könnte so sinnlich sein, das Brot mit jemandem zu teilen, aber hier am Feuer und mit dem Duft der gebratenen Fische in der Nase war es doch so.

„Oh, es gibt Schlimmeres, glauben Sie mir.“ Nicholas ließ sich neben ihr auf der Decke nieder. Mit seinem feuchten Haar, das ihm in die Stirn fiel, und dem halb offenen Hemd, das die muskulöse Brust darunter entblößte, sah er viel zu attraktiv aus.

„Was denn zum Beispiel?“ Annorah nahm einen Bissen von ihrem Fisch und fing mit der Zunge etwas Saft auf, der ihr über das Kinn tröpfelte.

„Laugenfisch. Ein norwegischer Fisch, der in Lauge gebeizt wird, um einen bestimmten Geschmack zu erzielen.“ Nicholas verzog das Gesicht.

„Wo haben Sie so etwas nur gegessen? Das klingt ja fürchterlich.“ Annorah lachte. Seit gestern lachte sie immer öfter, und es fühlte sich gut an.

„Ich lebte bei einer norwegischen Familie, als ich zum ersten Mal nach London kam. Und Sie? Was ist das Ekelhafteste, das Sie je gegessen haben?“

„Ich weiß es nicht.“ Sie fuhr sich mit einer Hand durch ihr zerzaustes Haar und überlegte. „Oh doch, ich weiß es!“ Bei der Erinnerung musste sie lächeln. „Ich schlich mich eines Tages in die Küche, entschlossen, einen Kuchen zu backen. Sagen wir einfach, dass er mir nicht gelang.“

Nicholas zwinkerte ihr amüsiert zu. „Meiner Erfahrung nach hilft ein Zuckerguss, so manches verloren geglaubte Projekt zu retten.“

„Nicht dieses.“ Sie schluckte den letzten Bissen Fisch hinunter und stellte ihren Teller beiseite. „Was wollen wir jetzt tun?“ Schon lange hatte sie sich nicht mehr so entspannt gefühlt, vielleicht sogar ein wenig euphorisch. Es war erstaunlich leicht, mit ihm zusammen zu sein. Ein weiterer Punkt auf ihrer immer länger werdenden Liste – es war leicht, mit ihm zu lachen, sich mit ihm zu unterhalten, bei ihm zu sein. Schon wollte sie zu dem Schluss kommen, dass alles mit ihm leicht sein musste, als er seinen nächsten Vorschlag machte.

„Ich gehe schwimmen. Wie steht’s mit Ihnen?“

Das war alles andere als leicht, das war kompliziert. Annorah zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Als Kind war sie gern geschwommen, doch das war, bevor sie heranwuchs und man ihr sagte, dass eine Dame so etwas nicht tat. Eine Dame konnte schließlich nicht voll bekleidet schwimmen gehen, und somit wurde es unzüchtig und kam nicht in Frage. „Durch das Wasser würden meine Röcke zu schwer werden.“

Er lächelte verrucht. „Dann ziehen Sie sie doch aus.“

Nicholas erkannte, dass er sie würde überreden müssen. Geschmeidig erhob er sich und schlüpfte aus seinem Hemd. Vielleicht nicht ganz so geschmeidig, wie es hätte sein können, aber das Hemd war nass und klebte an seiner Haut. Er warf es über einen Ast und begann seine Hose aufzuknöpfen.

„Was tun Sie da?“ In ihrer Stimme schwang eine Mischung aus Aufregung und Beklommenheit mit.

„Ich ziehe meine Hose aus. Ich beabsichtige bestimmt nicht, darin zu schwimmen“, warf er ihr über die Schulter zu.

„Worin beabsichtigen Sie dann zu schwimmen?“

„In nichts. Nackt. Sie können in Ihrer Chemise schwimmen, wenn Sie es vorziehen“, schlug er vor.

„Das könnte ich nicht.“ Annorah biss sich angespannt auf die Unterlippe.

„Dann ziehen Sie die auch aus.“ Er schob seine Hose nach unten und stieß sie von sich, sodass er nur noch in Unterwäsche dastand, ein Zugeständnis an ihre Schamhaftigkeit. Er drehte sich zu ihr um. Annorah errötete und wandte verlegen den Blick ab.

„Sagen Sie jetzt nicht, dass mein halb nackter Körper Sie in Verlegenheit bringt.“ Nick breitete die Arme aus und ging auf sie zu. Er konnte es sich nicht verkneifen, sich einen Spaß mit ihr zu erlauben. Wenn er an diesem Nachmittag etwas über sie gelernt hatte, dann das, dass er sie necken konnte – die Wildheit aus ihrer Kindheit war noch immer lebendig in ihr, wenn sie nicht achtgab. Und es machte ihm Spaß, sie aus der Reserve zu locken.

„Das ist es nicht.“

„Nein? Dann ist es vielleicht eher Ihre eigene Nacktheit, die Sie in Verlegenheit bringt? Dabei bin ich sicher, dass Sie nackt hinreißend aussehen müssen.“ Er hörte auf, sie zu necken, und wurde plötzlich ernst. „Kommen Sie, Annorah. Wir beide sind ganz allein. Sie haben seit unserer Ankunft ständig sehnsüchtig zum Badeteich geschaut. Sie wollen es doch auch.“ Du möchtest sehr viel mehr tun als schwimmen, und wenn du mich ansehen würdest, wüsstest du, dass es mir genauso geht.

Er zog sie hoch, und im nächsten Moment lag sie in seinen Armen, und er küsste sie – ihren Hals, ihre Wangen, ihre Lippen. Sie schmeckte nach Wein, ihr Körper schmolz regelrecht dahin, während er sie küsste. Ein leiser Seufzer entfuhr ihr. Geschickt öffnete er die Verschlüsse an ihrem Kleid, nur ganz kurz zögerte er, um ihr eine letzte Gelegenheit zu geben, ihm Einhalt zu gebieten, dann streifte er ihr das Kleid von den Schultern. Wenn sie ihn jetzt zurückgestoßen hätte, hätte er sie losgelassen. Doch sie tat es nicht. Er lächelte insgeheim. Manchmal brauchte eine Frau nur einen sanften Stoß.

Dann liefen sie Hand in Hand zum Teich und sprangen hinein. Als sie ins Wasser eintauchten, schrie Nicholas auf. Lieber Himmel, das war kalt! Er sah Annorah an die Oberfläche kommen. Sie schüttelte das nasse Haar und lachte atemlos.

„Sie hätten mich warnen sollen!“, brachte sie hervor. „Es ist kälter, als ich dachte.“

„Ich hätte Sie warnen sollen? Es ist Ihr Badeteich!“ Nick spritzte sie an, als könnte sie so noch nasser werden.

Annorah kreischte auf, tauchte unter und verschwand für einen Moment, doch dann spürte er, wie sie ihn an seinen Beinen unter Wasser zog. Das würde sie ihm büßen!

Sie schwamm davon, und er verfolgte sie. Bald schon holte er sie ein und zog sie mit sich an die Oberfläche. Annorah stieß einen würdelosen Schrei aus, und Nick küsste sie hart auf den Mund. „Das ist nur, was du verdient hast, kleine Hexe“, meinte er atemlos. Sie schlang ihm die Arme um den Nacken, er legte die Hände auf ihre Rippen, genau unter ihren vollen Brüsten, deren dunkle Spitzen sich deutlich unter dem dünnen Stoff ihrer Chemise abzeichneten. Annorah hatte den Kopf in den Nacken geworfen und genoss ganz offensichtlich diesen aufregenden Moment. Trotz des kühlen Wassers erregte ihn ihr Anblick so sehr, dass er hart wurde. Keine List, kein Hilfsmittel, keine Konzentration seinerseits waren nötig gewesen.

In diesen kostbaren Augenblicken erschütterte ihn eine sehr wichtige Erkenntnis: Er war lebendig! Der Zauber des Sommertages und die Heftigkeit seiner Leidenschaft erfüllten ihn bis ins Innerste mit tiefer Freude – ein Gefühl, das er für immer verloren zu haben glaubte. So hatte er nicht mehr empfunden, seit er siebzehn und unsterblich in Brenda Forsyth, die Tochter des Squires, verliebt gewesen war – oder was man in dem Alter für Liebe hielt. Was für ein berauschender Sommer das gewesen war!

Als er Annorah ansah, bemerkte er das gleiche Feuer in ihren grünen Augen. Ein so wundervolles Gefühl mit dieser Frau zu teilen, die er erst seit so kurzer Zeit kannte, war überwältigend. Sie war so ganz anders als die Frauen in London. Sie war außergewöhnlich.

Ihre Lippen öffneten sich, sie neigte den Kopf leicht zur Seite, und alle Gedanken an vergangene Sommer waren auf einmal vergessen. Die Bewegung ihres Kopfes war die einzige Vorwarnung, die er bekam. Sie küsste ihn. Zunächst sanft, zart, nahm seine Unterlippe vorsichtig zwischen die Zähne und umrundete mit der Zungenspitze die Konturen seines Mundes. Dies war wahrscheinlich der aufrichtigste Kuss, den er je bekommen hatte, und er genoss ihn in vollen Zügen.

„Das wollte ich schon tun, als du meine Eingangshalle betreten hast“, flüsterte sie und berührte seine Lippen mit einem Finger. „Du hast einen unglaublich sinnlichen Mund für einen Mann.“

Nicholas lachte. „Oh. Vielen Dank. Weißt du, was ich jetzt schon eine ganze Weile will?“ Er gab ihr keine Zeit zu antworten, sondern hob sie so abrupt auf die Arme, dass sie erstaunt aufschrie, und trug sie an Land zurück. Dort legte er sie auf die Decke neben dem Lagerfeuer und war sofort neben ihr, auf einen Ellbogen gestützt.

Das ist es, was du tun wolltest?“, neckte sie ihn. Aber er sah ihr an, dass sie erregt war. Der Puls an ihrem Hals pochte schnell. „Du wolltest mich pitschnass aus dem Teich heraustragen?“

„Oh ja.“ Er lächelte träge, fuhr langsam mit dem Finger an ihren Rippen entlang und legte schließlich die Hand auf ihren flachen Bauch. „Du warst ein lebhafter Farbklecks in der nüchternen Halle, in Gelb gekleidet wie eine Narzisse. Ich dachte, dein Haar müsste wie wilder Honig aussehen, wenn es nass war, und konnte es kaum erwarten, es herauszufinden.“ Ihre Blicke trafen sich. „Ich hatte recht. Es nimmt die Farbe wundervollen, süßen Honigs an. Schließ die Augen, Annorah.“

Er küsste sie auf den Mund und dann ihren Hals und glitt dann immer tiefer. Nasser Stoff schmiegte sich an ihre Brüste. Nick nahm eine Spitze in den Mund und begann, sie mit der Zunge zu reizen. Er legte sich halb auf sie und spürte, wie Annorah sich ihm entgegenbog, die Hüften an seine gepresst. Ein leiser Seufzer entrang sich ihren Lippen. Plötzlich spürte sie seinen Mund auf ihrem Bauch. Nick hatte ihre Chemise hochgeschoben, ohne dass sie es gemerkt hatte. Sein Atem strich warm über ihren Nabel. Fest packte er sie bei den Hüften, seine Daumen berührten sie dort, wo sich ihre Schenkel trafen, und er drückte einen heißen Kuss auf ihren Venushügel.

Annorah zuckte leicht zusammen. „Nicholas?“

„Sch. Lass die Augen geschlossen, Annorah“, bat er sie leise. „Es ist alles gut. Glaub mir, es wird dir gefallen.“ Sein Atem strich über ihren Schoß, und Nick sah lange genug auf, um das Lächeln zu sehen, das kurz ihre Mundwinkel umspielte. „So ist es gut, Annorah, lass dich gehen. Das ist ganz allein für dich. Genieße den Augenblick.“ Er fuhr mit der Zunge über die empfindsame Perle ihrer Lust und spürte, wie Annorah erzitterte. Sie schmeckte nach Salz und Leidenschaft, und auch sein Verlangen wuchs. Aber er konnte warten. Hier am Lagerfeuer und nach einem Nachmittag voller Vergnügungen wollte er nur daran denken, Annorah sinnliche Freuden zu bereiten.

Sanft begann er sie dort zu reiben, und schon bald wurde sie ganz atemlos. Sie presste sich gegen seine geschickte Hand, unwillkürlich nach der Erfüllung ihres Verlangens suchend. Ihr Atem ging schneller, wurde zu einem leisen Stöhnen. Bald würde sie den Gipfel erreicht haben. Und jetzt war sie dort. Nick sah zu, wie sie von einer Welle der Lust mitgerissen wurde. Sie bäumte den Oberkörper auf, presste die Schenkel um seine Hand zusammen und warf keuchend den Kopf in den Nacken. Ihr wundervolles honigblondes Haar strömte ihr über die Schultern, als sie voller Staunen den Gipfel der Leidenschaft erfuhr.

Ein seltsamer Wunsch, diesen Augenblick in Erinnerung zu behalten, erfasste ihn. Es war gewiss nicht das erste Mal, dass er einer Frau diese Ekstase beschert hatte. Vielmehr war es so oft geschehen, dass er es nicht sagen konnte. Doch dieses Mal war es aus irgendeinem Grund, der ihm nicht klar war, anders als sonst.

Annorah hob langsam die Lider, und Nick legte sich wieder an ihre Seite, den Kopf auf die Hand gestützt. Ihr Blick war nicht verträumt oder versonnen, wie er erwartet hatte, sondern wach und klar. Plötzlich fürchtete er die Worte, die sie aussprechen könnte. Er wollte nicht von ihr hören, dass er jedes Pfund wert war, das sie für ihn bezahlte. Er wollte überhaupt nicht darüber reden, was eben geschehen war, er wollte es einfach sein lassen. Ein echtes Liebespaar lag auch nicht nebeneinander und analysierte die Leistungen des anderen beim Liebesspiel.

Langsam hob Annorah die Hand und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Es war eine zärtliche Geste, wenn auch vielleicht ein wenig zögernd, als sie wohl erkannte, was sie tat und welche Vertraulichkeit damit verbunden war. Ihre ersten Worte enttäuschten ihn nicht. „Ich danke dir für den heutigen Tag. Ich habe seit einer Ewigkeit nicht mehr so viel Spaß gehabt.“ Sie lachte auf ihre entzückende Art. „Ich scheine das sehr oft zu sagen. Es klingt abgedroschen, aber es ist wahr. Ich erinnere mich nicht, wann ich als erwachsener Mensch je so viel Spaß gehabt hätte.“

Sie hielt kurz inne, bevor sie stirnrunzelnd fortfuhr: „Warum, glaubst du, hört man als Erwachsener auf zu spielen? Warum schreibt die Gesellschaft so etwas vor? Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand glücklich darüber ist.“

„Wir brauchen ja nicht aufzuhören, Annorah.“ Er sprach leise, nicht bereit, die intime Atmosphäre zu zerstören, die jetzt zwischen ihnen bestand. Die ganze Welt schien um sie herum stillzustehen. Nur das Plätschern der Wellen und das gelegentliche Zwitschern der Vögel war zu hören.

Annorah lächelte ironisch. „Wollen wir Rebellen sein?“

„Ich glaube, du bist sehr viel rebellischer, als dir selbst klar ist.“ Er strich ihr mit dem Finger über den Bauch. „Du hast den Konventionen getrotzt, Annorah Price-Ellis. Du bist eine Erbin, die der Ehe entronnen ist, eine Frau, die ein Leben nach ihren eigenen Regeln lebt. In unserer Welt kommt das wahrlich sehr selten vor.“

Der Gedanke gefiel ihr offensichtlich, ihr Lächeln wurde herzlicher. „Das hört sich gut an. Ich bin eine Rebellin.“ Sie lachten. Annorah war wirklich außergewöhnlich. Er hatte sich nicht geirrt. Sie war eine einzigartige Frau, die in einzigartigen Verhältnissen lebte, und wenn irgendetwas hier auf Erden der Vollkommenheit nahekam, dann ihr Leben. Und doch war sie selbst nicht vollkommen. Das wusste er bereits. Sie hatte eine scharfe Zunge und einen Hang zum Sarkasmus.

„Soll ich die Rebellin nach Hause bringen?“, schlug er widerwillig vor, als ihr Gespräch versiegte.

„Nein, ich möchte noch ein wenig bleiben.“ Beide hatten sie geflüstert, wohl in dem Versuch, etwas von dem Zauber zu bewahren.

Nicholas rollte sich auf den Rücken und zog sie an seine Seite, den Arm fest um sie gelegt. „Ich auch.“ Und er meinte es wirklich. Man begegnete der Vollkommenheit nur selten, und wenn man es doch tat, dann hielt sie meist nur wenige Momente. Der heutige Tag hatte erstaunlich viele solcher Momente aufgewiesen, und Nick wollte nicht, dass es schon vorbei war. Zwar hatte er die Ausfahrt geplant, um Annorah zu helfen, sich in seiner Nähe zu entspannen. Aber er hatte weder den Angelwettbewerb noch das unbekümmerte Spiel im Teich geplant. Ebenso wenig wie er mit den verwirrenden Gefühlen gerechnet hatte, die ihn in diesem Augenblick erfüllten.

Den Ausflug fand Nick auch wegen einer anderen bemerkenswerten Tatsache denkwürdig. Zum ersten Mal seit sieben Jahren hielt er sich auf dem Land auf, ohne von seinen Erinnerungen überschwemmt zu werden. Andererseits war es wohl leicht, die Geister der Vergangenheit fernzuhalten, wenn man einen sonnigen Nachmittag mit einer schönen Frau im Arm verbrachte. Vielleicht wurden sie nur von Stürmen heraufbeschworen, jene Erinnerungen, die ihn keine Einzelheit jener Nacht vergessen ließen, die sein Leben unwiederbringlich zerstört hatte.

7. KAPITEL

Dem letzten Rest des späten Nachmittags folgte ein wunderschöner Abend. Annorah genoss ihr Bad. Die breiten Fenster ihres Zimmers standen offen und ließen eine kühler werdende Brise ein, die einen wundervollen Gegensatz zum warmen Wasser bildete. Annorah tauchte bis zum Kinn in das nach Lavendel duftende Wasser ein, die Augen geschlossen. Sie wollte den Nachmittag auskosten, ihn tief ins Gedächtnis einprägen.

Unzählige Bilder erschienen vor ihrem inneren Auge, alles Bilder von Nicholas – wie er die Hose hochkrempelte, wie er in den Fluss watete und sie herausforderte, es ihm gleich zu tun, wie seine Muskeln sich anspannten, als er die Angelschnur warf. Es folgten auch intimere Bilder – Nicholas nur in Unterwäsche und so völlig ungezwungen, obwohl er beinahe nackt war. Und warum sollte er auch verlegen sein? Er war hinreißend, ja sogar wunderschön.

Es war eine Schönheit, die weit über das Äußere hinausging. Sie tauchte auch in seinem Lachen auf, im Zwinkern seiner Augen, der Art, wie er sie ansah, kurz bevor er sie küsste. In seinen Armen hatte sie sich lebendig gefühlt, echt und voller Lebenslust. Nicholas sah sie in einem ganz anderen Licht als die Männer, die sie gewohnt war, und seine Sichtweise hatte sie mit Freude erfüllt und einem Gefühl der Freiheit. Er hatte Worte für sie benutzt, an die sie selbst nie zuvor gedacht hatte. Ihr Haar sei wie wilder Honig und sie eine Rebellin. Er hatte sie auf die unziemlichste Weise schön genannt. Dabei bin ich sicher, dass Sie nackt hinreißend aussehen müssen. Sie war vorher bereits schön genannt worden, allerdings von weniger aufrichtigen Männern, die ihr Vermögen im Auge gehabt hatten.

Doch die Annorah, die Nicholas sah, watete ohne Rücksicht auf ihr Kleid ins Wasser, um zu angeln, zog besagtes Kleid dann ganz aus, um fast nackt mit einem Mann im Fluss zu schwimmen. Und vor allem gab sich die Annorah, die er in ihr sah, den sinnlichen Freuden hin, die sie gemeinsam auf der Picknickdecke erlebt hatten. Bereits bei der Erinnerung daran schlug ihr Puls schneller.

Die Frau, die Nicholas in ihr sah, war die Frau, die sie früher gewesen war – bevor sie sich für die Verbannung und gegen die Aufregung entschieden hatte, für die Verborgenheit und gegen die Enttäuschung. Früher hatte ihr diese Frau gefallen, doch inzwischen hatte sie sie fast vergessen. Es war schön gewesen, sie heute wiederzuentdecken. Der ganze Tag war eine Entdeckung gewesen, eine Entdeckung des Lebens selbst.

Annorah setzte sich abrupt im Badezuber auf, wobei etwas Wasser überschwappte. Wenn sie heute erst das Leben entdeckt hatte, was hatte sie dann die letzten Jahre getan? Nicht gelebt? Offenbar nicht, da sie die wahre Annorah sogar vor sich selbst versteckt hatte. Die letzten fünf Jahre hatten sie verändert, und vielleicht nicht zum Besseren.

Nach dem letzten katastrophalen Heiratsantrag hatte sie sich auf dem Lande vergraben, scheinbar um zu leben, wie es ihr gefiel. Doch tatsächlich argwöhnte sie schon seit Langem, dass sehr viel mehr hinter ihrer Zurückgezogenheit steckte. Sie hatte versucht, nicht wieder den gleichen fürchterlichen Fehler zu begehen – den falschen Mann zu wählen. Gleich zweimal hatte sie ihn begangen. Zuerst mit dem jungen Erben eines Viscounts und danach, noch verheerender, mit Bartholomew Redding, dem Nachbarn ihrer Tante Georgina und ihres angeheirateten Onkels. Dazwischen hatte es unzählige junge Burschen gegeben, die ihr Glück bei ihr versucht hatten, aber keiner von ihnen hatte mehr als lauwarme Gefühle bei ihr erwecken können. Sie hatten keine Bedrohung dargestellt.

Erst im Nachhinein erkannte Annorah die Gemeinsamkeiten der beiden Männer, die ihr wichtig gewesen waren – beide auf ihre Weise wild, unkonventionell, bereit, die Menschen zu benutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Der junge Erbe war nicht besonders intelligent gewesen, sondern einfach nur niederträchtig. Was anfangs wie ein scharfer Verstand ausgesehen hatte, war in Wirklichkeit nicht mehr als geschickt verschleierte Grausamkeit in seinen Bemerkungen. Sie war ihm begegnet, kaum dass sie in die Gesellschaft eingeführt worden war und noch nicht über die nötige Menschenkenntnis verfügte.

Er hatte sehr gründlich um sie geworben, sobald er von ihrem Vermögen erfahren hatte. Wahrscheinlich war sie ihm wie ein Wunder erschienen. Und möglicherweise hätte sie seinen Antrag sogar angenommen. Er sah sehr gut aus und war unterhaltsam, wenn auch häufig auf Kosten anderer Leute. Doch dann hatte eine entfernte Cousine, die in der Stadt lebte, ihr im allerletzten Moment einen Brief geschickt, in dem sie den wahren Charakter des Mannes enthüllt hatte. Ihre Tante Georgina und deren Mann hatten die Neuigkeiten nicht sonderlich schockiert, sie selbst hingegen sehr. Zum Entsetzen ihrer Verwandten hatte sie den Antrag abgelehnt.

Dieses Muster sollte sich im Lauf der folgenden Jahre wiederholen, bis es Bartholomew Redding schließlich gelang, sie aus dem Haus ihrer Tante und ihres Onkels und letztendlich auch aus der Gesellschaft zu vertreiben. Wenn die Männer so waren, würde sie einfach einen Weg finden müssen, ohne sie zu leben. Bartholomew war der Ärgste von allen gewesen. Auch ihn hatte sie zunächst attraktiv gefunden. Er sah gut aus, hatte einen gewissen Charme, und sie hatte sich in seiner Gesellschaft behaglich gefühlt. Er hatte vielleicht nicht die Leidenschaft in ihr wecken können wie der Erbe des Viscounts, aber sie hatte sich wohlgefühlt. Sie kannten dieselben Menschen und hatten eine ähnliche Lebensweise. Er war ein Nachbar und mit seinen etwa einunddreißig Jahren nicht zu alt, um einen guten Ehemann abzugeben. Doch auch er war sich nicht zu schade gewesen, sie zu kompromittieren, um sich ihr Vermögen zu sichern. Annorah hatte den anderen Männern nicht vertraut, aber ihm vertraute sie, und so schmerzte sein Verrat sehr viel mehr als der der anderen.

Nicholas ähnelte keinem von beiden. Annorah hielt erschrocken inne. Sie durfte diesen Gedanken nicht weiter ausführen. Ihre anderen Verehrer waren die falschen Männer für sie gewesen, aber das machte Nicholas D’Arcy noch lange nicht zum Richtigen. Er erfüllte nur eine Aufgabe, für die sie ihn bezahlte. Es war seine Aufgabe, der Richtige zu sein – zumindest für einige Tage. Er musste sein, was sie von ihm verlangte. Eintausend Pfund garantierten das.

Sie hatte ihn kommen lassen, nicht so sehr, weil sie sich danach sehnte, die sinnliche Liebe kennenzulernen, sondern weil sie sich wieder lebendig fühlen wollte, das war ihr heute klar geworden. Ein letztes Mal wollte sie die Frau sein, die sie wirklich war – eine Frau, die nichts auf die einengenden Konventionen der Gesellschaft gab. Ihr Bedürfnis nach körperlicher Erfüllung war lediglich ein Aspekt ihrer wahren Sehnsucht.

Der verlockende Duft nach Essen schwebte von der Küche durch ihr offenes Fenster und gab ihr sofort wieder neuen Lebensmut. Sie lächelte. Es war ein unglaublicher Tag gewesen. Und das Dinner lag noch vor ihr, ebenso wie die Nacht danach.

Lily trat ein, einige flauschige Handtücher über dem Arm und eine Schachtel in der Hand. Neugierig setzte Annorah sich wieder auf. Es kam ihr seltsam vor, dass Lily ihr ausgerechnet eine Schachtel brachte.

„Das ist für Sie, Miss“, sagte Lily aufgeregt. Ein Päckchen war schon etwas Ungewöhnliches, wenn es mit der Post und in braunes Papier gewickelt kam. Wenn es sich aber um eine saubere weiße Schachtel handelte, wie Schneiderinnen sie benutzten, und mit pinkfarbenen Bändern hübsch zugebunden war, wurde es zu etwas ganz Außergewöhnlichem. „Ich glaube, es kommt aus London“, meinte Lily atemlos.

„Für mich?“ Annorah erinnerte sich nicht, etwas im Dorf bestellt zu haben, geschweige denn in London. Die Vorstellung, es könnte ein Geschenk sein, war selbst für sie zu aufregend, als dass sie Gleichgültigkeit vortäuschen könnte. Schnell ließ sie sich von Lily in ein Badetuch wickeln, und gemeinsam machten sie sich daran, die Schachtel in Augenschein zu nehmen.

Auf dem Deckel stand in großen, schwungvollen, erhabenen Goldbuchstaben: Madame La Tours Salon für Damen. Und in kleineren Lettern war die Adresse angegeben: 619 Bond Street, London. Lily stieß einen kleinen Schrei aus, als Annorah vorlas. „Ach, die Schachtel ist zu hübsch, um sie zu öffnen“, meinte sie seufzend.

Annorah gab ihr recht, aber ihre Neugier gewann die Oberhand. Sie löste die Schleifen des Satinbands und schenkte sie Lily, die ihr Glück nicht fassen konnte. In der Schachtel erblickten sie zunächst eine Lage Seidenpapier. Vorsichtig schlug Annorah das Papier zurück.

„Oh, Miss!“, rief Lily entzückt, als Annorah das Kleidungsstück herausnahm. Tatsächlich waren es sogar zwei Stücke. Eins war ein weißes Seidennachtgewand, schöner als alles, was sie je gesehen hatte. Es hatte keine Ärmel, nur zwei weiße Träger. Das herzförmige Mieder war mit exquisiter venezianischer Spitze verziert. Das andere Kleidungsstück war ein durchsichtiger Morgenrock mit spitzenbesetzten kurzen Ärmeln, der offensichtlich über dem Nachtgewand getragen werden sollte.

Die Frau, die das Ensemble tragen würde, würde hinreißend sein. Ein sehr sinnlicher Gedanke, der schnell von einem anderen gefolgt wurde: um hinreißend zu sein, musste sie von jemandem darin bewundert werden. Und da wurde es ihr klar – jene Frau war sie, und der Mann, der sie darin bewundern sollte, war kein anderer als Nicholas.

„Hier ist noch eine Karte dabei, Miss“, sagte Lily voller Ehrfurcht.

Ihre Hand zitterte ein wenig, als Annorah die kleine Karte öffnete, obwohl sie bereits wusste, von wem sie sein musste. Nur ein einziger Mann würde es wagen, ein solches Geschenk zu machen. Und er war wohl auch so ziemlich der einzige Mann, der es tun konnte, ohne dass das Geschenk anzüglich wirkte.

Auf der Karte hieß es schlicht: Für heute Nacht. Der Deine, Nicholas.

Der ihre. Genau, was sie sich gewünscht hatte.

„Es ist von Mr. D’Arcy“, sagte sie leise, da es unmöglich sein würde, es vor Lily zu verheimlichen.

„So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.“ Lily berührte den Stoff ehrfürchtig. „Das ist feine Seide. Wie schade, dass es nur zum Schlafen ist. Ich würde es am liebsten überall anziehen, damit es jeder sehen kann.“ Sie hielt kurz inne. „Er ist nicht wirklich ein Bibliothekar, nicht wahr?“

„Nein.“

Lily war klug genug, nicht weiterzufragen. Ein letztes Mal strich Annorah über den schimmernden Stoff und legte ihn für später auf das Bett.

Später. Der bloße Gedanke an später erfüllte sie mit einer nie gekannten Hitze. Wenn es auch nur annähernd so werden würde wie der heutige Nachmittag, hätte sie nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden.

„Soll ich Ihnen das silbergraue Kleid herauslegen?“ Lily hielt das Kleid hoch, das Annorah für gewöhnlich zum Dinner trug. Gewiss war es sehr hübsch, aber sehr schlicht, und das war heute Abend nicht passend. Annorah lächelte. Sie würde sich vielmehr für ein Kleid entscheiden, das besser zu einem Sommerabend passte, etwas das weiblicher war, verlockender und vielleicht ein wenig herausfordernd. „Ich möchte eins der neuen Kleider anziehen. Ich denke, das pfirsichfarbene Chiffonkleid, Lily.“

Mit seinem tiefen Ausschnitt, der mit Perlen besetzt war, war es viel zu elegant für die Dorfgesellschaften oder gelegentlichen Abende beim Squire. Doch genau diese Eleganz war es, die ihr das Gefühl gab, eine Prinzessin zu sein. Für die heutige Nacht konnte es nicht schaden, dieses Gefühl zu verstärken.

Lily half ihr beim Ankleiden und legte ihr zum Schluss noch eine Perlenkette an. Annorah hielt still, während Lily ihr das Haar aufsteckte. „Es ist eine neue Mode, die ich in einer der Zeitschriften gesehen habe.“ Lily brachte die letzte Haarnadel an und trat zurück. „Gefällt es Ihnen?“

Annorah drehte den Kopf nach links, dann nach rechts. Es gefiel ihr wirklich. Zwei Zöpfe waren in ihrem Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt. Irgendwie ließ die neue Frisur sie jünger aussehen. Nicht, dass sie mit ihren dreißig Jahren bereits alt war, aber in der Zeit ihres abgeschiedenen Lebens auf dem Lande hatte sie ihre Erscheinung wohl ein wenig vernachlässigt. Eine der besten Methoden, um sich eventuelle Verehrer vom Leib zu halten.

Sie tupfte sich ein wenig Parfüm auf die Handgelenke, einen leichten Blumenduft, der gut zu ihrem Kleid passte. Ein letzter Blick in den Spiegel, und sie war fertig.

Auch das Abendessen war fertig. Nicholas wartete bereits auf sie, als sie den Salon betrat. Sanftes Kerzenlicht beleuchtete die Terrasse, auf der sie heute speisen würden. Die großen Türen standen weit offen, sodass sie Nicholas neben dem reich gedeckten Tisch stehen sehen konnte. Ihr Herz begann schneller zu klopfen.

Wie sie hatte auch Nicholas sich für den heutigen Abend mit der größten Sorgfalt gekleidet und sah in der dunklen Abendgarderobe überaus attraktiv aus. Viel sah man ihm nicht mehr an von dem sorglosen Angler, aber Annorah bedauerte seine Veränderung nicht.

„Ich dachte, wir könnten die Tradition fortsetzen, uns selbst zu servieren.“ Er zog ihr den Stuhl zurecht.

Sie würden also allein sein. Noch mehr Zeit mit dem faszinierenden Mann, der ebenso gut angeln konnte wie sie, der mit ihr im Teich geschwommen war und ihr heute so viel mehr als nur eine Handvoll weiterer Erinnerungen geschenkt hatte.

Nicholas griff nach der Champagnerflasche, und Annorah dachte: Das ist der Himmel auf Erden. Warum hatte sie nicht schon vorher hier unter dem Sternenzelt gespeist, auf dem Tisch eine einzelne dicke Kerze in einem Windlicht? Es wäre so einfach gewesen, den Tisch auf die Terrasse transportieren zu lassen. Aber sie wusste schon, warum. Die Mahlzeiten waren für sie kein besonderes Ereignis mehr gewesen. Sie hob ihr Glas an die Lippen und spürte die ganze Zeit Nicholas’ Blick auf sich, heiß und durchdringend.

„Was ist denn?“ Sie berührte unsicher ihr Haar. Vielleicht hatte sich eine Haarnadel gelöst.

„Nichts.“ Nicholas lächelte. „Ich bewundere ganz einfach nur die entzückende Frau, die mir gegenübersitzt. Pfirsichfarben steht dir.“

„Das Landleben steht dir“, antwortete sie wagemutig. Annorah wies auf seine leicht gerötete Nase.

„Das ist nicht die einzige Stelle, die etwas Sonne abbekommen hat.“ Er grinste verrucht.

Annorah lachte. „Bist du immer so unverfroren? Ist es deine Angewohnheit, immer auszusprechen, was dir gerade durch den Kopf geht?“

Er beugte sich leicht vor. „Oh ja, unbedingt. Ich halte nichts davon, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn etwas gesagt werden muss.“

Mutig geworden, warf Annorah ihm einen koketten Blick zu. Warum sollte sie ihn nicht fragen, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging? „Du lügst also nicht, und du nimmst kein Blatt vor den Mund. Ich weiß also einiges, was du nicht tust. Warum verrätst du mir nicht auch, was du tust?“

„Alles.“ Sein Lächeln war sündig, sein Blick verführerisch.

Doch Annorah schüttelte den Kopf, ließ sich von seiner sexuellen Anspielung nicht verwirren. Ohne weiter zu überlegen, beugte sie sich vor und legte die Hand auf seine – eine Geste, die sie gestern nicht gewagt hätte.

„Nein, wirklich, Nicholas. Ich möchte es wissen.“

Ausflüchte machen, ablenken, ein neues Thema anschneiden – das war eigentlich die Methode, die er sonst immer bei neugierigen Fragen parat hatte. Und meistens gelang es ihm, unbequeme Fragen abzuwehren. Annorah jedoch war hartnäckig. Natürlich wollte sie mehr wissen, weil sie war, wie sie war: eine Frau, deren Schönheit sich nicht auf ihr Äußeres beschränkte. Sie gehörte zu den Menschen, die sich aufrichtig für den anderen interessierten. Schon gestern Abend, als sie über ihre Familie sprach, hatte er es im Ton ihrer Stimme gehört. Und sie war eine gesellige Person, die nicht für diese Abgeschiedenheit geschaffen war.

„Fürchtest du nicht, dadurch den Zauber der Illusion zu zerstören?“ Er konnte nicht den Blick von ihr nehmen. Sie sah heute umwerfend aus, himmlisch schön und dennoch nicht unnahbar, keine Eisprinzessin, sondern die warme Schönheit des Sommers. Sie sollte Kinder haben, denen sie ihre Wärme schenken konnte.

Ein seltsamer Schmerz, ein sehnsüchtiges Verlangen erfasste ihn. Einst hatte er das auch gedacht – dass er Kinder haben wollte, mit denen er spielen, um die er sich kümmern konnte. Heutzutage erlaubte er sich nicht, zu lange bei solchen Gedanken zu verweilen. Es war einer der vielen Träume, die er hatte aufgeben müssen.

Annorah strich ihm sanft mit dem Daumen über die Hand, ein Lächeln erschien um ihre verführerischen Lippen. „Aber nein, warum auch? Und warum sollte ein Mann, der niemals lügt, sich über eine Illusion Gedanken machen?“ Der letzte Satz klang deutlich herausfordernd.

Plötzlich empfand Nicholas fast so etwas wie Unruhe. Er wusste, was er ihr auf keinen Fall sagen würde: dass er nur deshalb hierher aufs Land gekommen war, weil er vor dem Zorn eines gehörnten Ehemannes geflohen war. Ebenso wenig wollte er erwähnen, dass er in gewissen Kreisen bekannt dafür war, eine Frau mit seinen Liebeskünsten in höchste Ekstase versetzen zu können. Dennoch, irgendwie mussten sie die nötige Intimität zwischen sich schaffen.

„Was möchtest du wissen?“ Er lächelte aufrichtig. Es ging ihr nicht ums Flirten oder um pikante Anspielungen. Normalerweise stellten Frauen ihm immer dieselben Fragen und nur ganz bestimmte Dinge an ihm faszinierten sie. Also sollte es eigentlich sicher sein, wenn er auf ihr Ansinnen einging. Er konnte fast voraussagen, was Annorah fragen würde.

Sie lehnte sich zurück, wobei sie seine Hand freigab, und zu seinem Erstaunen bedauerte er das sehr viel mehr, als ihm ähnlich sah. Er trank einen Schluck Champagner. „Nun gut.“ Ein schelmisches Lächeln umspielte ihre Lippen. Die Situation schien ihr Spaß zu machen. „Ich darf dich fragen, was immer ich möchte?“ Das Lächeln ließ auch ihre Augen funkeln, und ihr sanfter Gesichtsausdruck wurde sehr viel lebendiger als sonst. „Wie kommt es, dass du so gut angeln kannst?“

Fast hätte er sich vor Überraschung an dem Champagner verschluckt. Er hustete. Das hatte er nicht erwartet. Er hatte mit der Frage gerechnet: Wie bist du in dieses Metier gerutscht? Aber ihre Frage hatte nichts mit seinen amourösen Diensten zu tun.

Annorah kam sofort zu ihm gelaufen und klopfte ihm auf den Rücken. „Geht es dir gut?“

Er wischte sich den Mund mit der Serviette ab. „Alles gut. Ich habe nur ein wenig zu sehr am Champagner genippt.“

„Ihn hinuntergestürzt“, verbesserte sie ihn. „Man verschluckt sich nicht, wenn man nur nippt.“

Er lachte. „In Ordnung, also ihn hinuntergestürzt.“

Als sie sich wieder setzte, lehnte sie sich erwartungsvoll vor, und durch den tiefen Ausschnitt bot sich Nicholas eine äußerst beneidenswerte Sicht auf ihre vollen Brüste. Wusste sie es? Er spürte, wie sein Körper reagierte. Annorah hatte schöne Schultern, die von dem Schnitt des Kleides ebenso vorteilhaft betont wurden wie die Rundungen ihrer Brüste.

„Angeln?“, erinnerte sie ihn, als er zu lange mit der Antwort auf sich warten ließ, während er nicht an Köder, sondern an eine ganz andere Art von Lockmittel dachte.

„Nun, ich wurde in Mere geboren und wuchs am River Stour auf. Wenn man so dicht am Fluss lebt, liegt es nahe, dass man Fischen geht.“

„Du musst gern dort aufgewachsen sein. Du lächelst.“

„Oh ja“, stimmte er zu, ohne zu zögern. „Mein Bruder und ich gingen jeden Nachmittag nach dem Schulunterricht angeln. Manchmal musste mein Vater einen der Diener nach uns schicken, wenn wir zu lange wegblieben. Gelegentlich jedoch erlaubte er uns, über Nacht am Fluss zu kampieren. “ Heute war er wohl an der Reihe, Geschichten über seine Kindheit zum Besten zu geben. Gewiss war das nicht seine Absicht gewesen, aber Annorah entrang sie ihm doch eine nach der anderen. Er berichtete davon, wie sie auf die Bäume geklettert waren, von den Wäldern, die sie erkundet hatten, und den Ponys, die sie geritten hatten.

„Mein Pony hieß Alfy und war ein dickköpfiges Welsh-Pony.“ Nicholas lachte und füllte ihre Gläser mit dem letzten Rest des Champagners. „Meist waren wir in den Hügeln unterwegs und suchten nach einem Schatz.“

„Ein Schatz?“ Er liebte es, wie ihre Augen aufblitzten. „Deine Jugend klingt sehr aufregend.“

„Oh, das stimmt. Wir wuchsen mit zahlreichen Legenden auf. Es sollte Gold in den Hügeln geben, dort versteckt von den Anhängern eines Thronanwärters. Mein Bruder Stefan und ich waren immer auf der Suche danach, wenn die Fische nicht anbeißen wollten. Eines Tages waren wir wieder einmal auf den Hügeln und wollten einen Bach überqueren. Mein starrsinniges Pony, das übrigens sein Leben lang kein Problem damit gehabt hatte, einen Bach oder Fluss zu durchwaten, hielt so abrupt inne, dass ich in hohem Bogen über seinen Kopf hinweg ins Wasser flog.“

Annorah lachte. „Ich hoffe, du wurdest nur nass und hast dich nicht verletzt.“

„Aber ja. Es gehört schon mehr dazu, dass sich ein Junge ernsthaft verletzt. Kleine Jungen sind sehr zäh. Alfy war es allerdings auch. Wir brauchten eine halbe Stunde, um ihn auf die andere Seite zu bringen. An dem Tag fanden wir kein Gold.“

„Habt ihr denn ein anderes Mal welches gefunden?“

„Meine Antwort wird dich vielleicht überraschen.“ Er ließ ihren Blick nicht los. „Im Lauf der Jahre fanden wir ein paar Münzen. Alte spanische Dublonen. Auch heute noch glaube ich, dass es dort oben irgendwo einen Schatz geben muss.“ Ihm wurde bewusst, wie bedeutungsvoll es war, was er gerade getan hatte. Er hatte über seine Kindheit gesprochen, er hatte Stefan erwähnt, und es hatte sich gut angefühlt, ohne dass ihn seine gewohnten Schuldgefühle gequält hatten. Auch jetzt überfielen ihn nicht die üblichen Selbstvorwürfe. Es gab nichts als ein warmes Glücksgefühl in der Erinnerung an jene Sommertage.

„Du solltest zurückkehren und es für dich in Anspruch nehmen“, sagte Annorah.

Nicholas wusste, dass sie sich nichts weiter dabei dachte. Wie sollte sie auch? Sie sprach vom Gold. Nur er selbst dachte an eine Möglichkeit, jene lange vergangene Zeit zurückzugewinnen. Er musste unbedingt damit aufhören.

„Es ist nichts weiter als der Wunsch eines Kindes, das den Märchen zu viel Glauben geschenkt hat, aber ich lasse mir den Glauben dennoch nicht nehmen.“ Er erhob sich und nahm ihre Hand, um Annorah vom Stuhl hochzuziehen. „Heute Abend sehen meine Wünsche ganz anders aus.“ Er küsste sie, schmeckte den Champagner auf ihren Lippen und spürte, wie die Leidenschaft in ihr erwachte – geschürt von der Erinnerung an einen traumhaften Nachmittag und die Intimität ihrer Unterhaltung. Ihr Verlangen nach ihm war aufrichtig, und dieses eine Mal hielt er es sogar für möglich, dass es auch bei ihm so sein könnte. „Annorah, meine Schöne, es ist Zeit, zu Bett zu gehen.“

8. KAPITEL

Annorah entzündete die letzte Kerze und trat zurück, um die Wirkung zu sehen – gerade genug Licht, gerade genug Schatten. Sie würden nicht vollständig im Dunkeln liegen, was gewiss richtig war, oder? Aber was wusste sie schon von Verführung? Sollte sie schon im Bett liegen, wenn er kam? Sollte sie lieber im Sessel neben dem Fenster sitzen? Am besten hörte sie ganz auf zu grübeln.

Angespannt strich sie den Seidenstoff ihres wunderschönen Nachtgewands glatt. Danach schlüpfte sie in den duftigen Morgenrock und warf einen Blick auf die Uhr auf ihrem Nachttisch. Nicholas hatte gesagt, er würde in zwanzig Minuten zu ihr kommen, als sie sich im Korridor getrennt hatten. Es blieben ihr also noch fünf Minuten, falls sie weitere Vorbereitungen treffen wollte. Sie hatte sich das Haar gebürstet, die Kerzen angezündet und das Nachthemd angelegt. Etwas anderes wollte ihr nicht einfallen. Vielleicht sollte sie noch … Nein, ermahnte sie sich, denk nicht so viel. Setz dich in den Sessel und lies ein Buch, bis er kommt, oder gib wenigstens vor, eins zu lesen.

Sie musste nicht lange warten. Nicholas war pünktlich. Er sah beneidenswert gelassen aus in ihrem von Kerzen beleuchteten Schlafgemach. Sein dunkles Haar berührte seine Schultern, und er trug einen Paisley-Morgenrock aus Seide, schwarz eingefasst und von einem schwarzen Gürtel zusammengehalten. Der Ausschnitt gab den Blick auf Nicholas’ Brust frei. Annorah hatte keinen Zweifel, dass er unter dem knöchellangen Mantel nackt war.

Er lächelte ihr zu, als er kurz am Nachttisch stehen blieb und einige kleine Gegenstände darauf ablegte. Sein Lächeln verjagte ihre Unruhe und weckte stattdessen freudige Erwartung in ihr. Es würde geschehen, und es würde mit ihm geschehen, mit Nicholas D’Arcy, dem es in kürzester Zeit gelungen war, sie mit seinem Charme, seinen Geschichten, seiner Berührung und seinem Interesse an ihr zu fesseln. Er strahlte etwas unerklärlich Faszinierendes aus, und in diesem Moment mehr denn je, da er mit den Händen in den leeren Taschen seines Morgenrocks vor ihr stand und sie zärtlich lächelnd ansah.

„Ein Pfund für deine Gedanken, Andorra.“

Sie lachte. „Ich dachte, es heißt ‚einen Penny‘.“

Er zuckte die Achseln und setzte sich in den Sessel ihr gegenüber. „Sicher, aber deine Gedanken sind mehr wert. Sag es mir.“ Im Kerzenlicht war er unwiderstehlich, aber Annorah wusste, dass er überall und unter allen Umständen unwiderstehlich war.

„Ich dachte, dass ich das Gefühl habe, dich sehr viel länger zu kennen als einen Tag. Mein Verstand sagt mir, wie dumm das ist. Schließlich habe ich dich gestern zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Es ist albern, ich weiß.“ Sie schüttelte den Kopf. Albern sicher, aber auch wahr.

„In einigen Naturreligionen glaubt man, dass sich die Seelen im Traum begegnen können, bevor sie sich im wahren Leben finden“, sagte Nicholas leise. „Vielleicht sind wir uns dort begegnet.“

„Glaubst du an so etwas?“

„Ich glaube, wir sollten vorsichtig sein und nichts voreilig verwerfen, nur weil es uns unwahrscheinlich vorkommt. Ganz besonders wenn so viele Menschen daran glauben.“

Annorah beugte sich fasziniert vor, die Ellbogen auf den kleinen Tisch zwischen ihnen gestützt. „Wirklich?“

Auch er beugte sich vor, und seine Ernsthaftigkeit fesselte sie. „Dass wir beide je zusammenfinden könnten, war in höchstem Maße unwahrscheinlich, und doch sind wir hier. Irgendetwas hat uns zusammengebracht. So viele Dinge mussten sich ergeben, damit wir uns heute Abend hier treffen können. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass alles ein purer Zufall sein soll.“ Nicholas stand auf, dann kniete er vor ihr hin und nahm ihre Hände in seine. „Wir sind füreinander bestimmt, Annorah.“

Er strahlte Wärme und Kraft aus. „Glaubst du das wirklich?“, fragte sie und fühlte sich verzaubert. Sie hatte noch nie einen Menschen so reden hören. Ihre Eltern, die überzeugte Anhänger der anglikanischen Kirche gewesen waren, hätten Nicholas’ Ansichten ebenso skandalös gefunden wie ihren Entschluss, ihn zu engagieren. Inzwischen hatte er ihre Hände losgelassen und strich ihr über das Haar, das ihr offen über die Schultern fiel.

„Ja, ich glaube es, Annorah.“ Seine Stimme klang heiser, seine Augen wurden dunkel vor Verlangen, während er sprach.

Er erhob sich und zog sie gleichzeitig zu sich hoch, wie er es vorhin bei Tisch getan hatte. Ihre Arme an der Seite hochhaltend, trat er leicht zurück, um sie anerkennend zu betrachten. „Weiße Spitze steht dir“, meinte er leise.

Im nächsten Moment spürte sie schon seine Lippen an ihrem Hals, wo er heiße kleine Küsse auf ihrer Haut verteilte. Unwillkürlich schlang sie ihm die Arme um den Nacken, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Sie schmiegte sich genüsslich an ihn und ließ den Kopf langsam in einer Geste völliger Hingabe in den Nacken sinken. Sie erlaubte ihm, sie zu küssen, zu lecken, mit sanften Bissen zu reizen, bis die Hitze in ihr jede Hemmung, jeden Zweifel zu Asche verbrannte und an ihrer Stelle ungezügeltes Verlangen emporschoss.

Der durchsichtige Morgenrock fiel als Erstes. Annorah spürte es kaum. Sie spürte nur seine Hände auf ihren Brüsten, seinen Atem auf ihren Wangen. Er drängte sie, sich wieder zu setzen, und kniete sich vor sie hin, strich über ihre Hüften und beugte sich herab, um den Mund auf die intime Stelle zwischen ihren Schenkeln zu drücken, sodass sie seinen Atem durch den hauchzarten Stoff fühlen konnte. Stück für Stück, erregend langsam, schob er das Nachthemd bis zur ihrer Taille hoch. Jetzt war sie, nackt und ungeschützt, seinem hungrigen Blick ausgeliefert, und es war eine wundervolle, sinnliche Erfahrung.

Nur einen Moment lang hatte sie Zeit, über die Schamlosigkeit nachzudenken, die sie nie bei sich vermutet hatte, dann wurde sie von etwas sehr viel Sinnlicherem abgelenkt – Nicholas presste die Lippen direkt auf die Stelle, wo ihre Lust pulsierte. Ihr Gewissen, wenn auch nicht sehr eindringlich, verlangte von ihr, Scham zu empfinden über seine Kühnheit, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Sie konnte nur genießen – seinen Atem, seine Zunge an ihrer geheimsten Stelle. Alles schien sich in diesem Moment dort zu konzentrieren, nichts anderes existierte mehr für sie.

Eine heftige Welle der Lust packte sie. Unwillkürlich rutschte sie im Sessel weiter nach vorn, die Hände in seinem dunklen Haar vergraben. Es war eine ähnliche Lust wie am Nachmittag, aber jetzt wusste sie, was sie erwartete, und sehnte sich mit umso größerer Ungeduld danach. Einer Ungeduld, die sich zu einer süßen Qual auswuchs. Ein letztes Mal bog sie sich ihm entgegen, als er sie dem höchsten Punkt entgegentrieb und ihr Erfüllung schenkte.

Nur sehr allmählich kam sie wieder zu sich. Die Welt war wieder so wie immer, nur dass Nicholas noch vor ihr kniete, den Blick aus seinen intensiven blauen Augen auf sie gerichtet, die Hände noch immer auf ihren Schenkeln. Jetzt da die Leidenschaft sich gelegt hatte, zog Annorah verlegen ihr Nachthemd herunter.

„Für den Augenblick will ich es erlauben, Annorah. Aber nicht für lange.“ Er erhob sich lächelnd und trat zurück. „Jetzt darfst du zusehen.“ Er löste langsam den breiten Satingürtel seines Morgenrocks und ließ ihn lässig an sich herabgleiten, sodass er in all seiner hinreißenden Männlichkeit nackt vor ihr stand. „Sieh mich an, Annorah.“

Ja, sie würde es tun. Die Versuchung war zu groß, sie konnte ihr nicht widerstehen. „Ja“, flüsterte sie heiser. Alles an ihm war vollkommen, muskulös, glatt und fest, von den breiten Schultern, der starken Brust bis zu jenem männlichsten Teil von ihm, der sich stolz emporreckte.

Nicholas streckte eine Hand aus und zog Annorah zu sich heran. „Und jetzt du.“ Er legte die Hände auf ihre Schultern und glitt mit den Daumen unter die Träger des Nachtgewands. Geschickt streifte er sie ihr von den Schultern, sodass der Seidenstoff wie von selbst an ihr herunterrutschte. Sofort umfing er ihre Brüste mit beiden Händen und rieb mit den Daumen die aufgerichteten Spitzen.

„Du bist so schön, so vollkommen“, flüsterte Nicholas, als er sie auf das Bett legte. Er folgte ihr, halb auf ihr liegend blickte er ihr tief in die Augen. Er sah aus wie ein Kriegerfürst aus alten Zeiten, der gekommen war, um seine Beute zu verlangen. Annorah erschauerte vor Erregung.

Sie spürte ihn hart und fordernd an ihren Schenkeln, als wartete er ihre Einladung ab, und sie gab sie ihm. Sie wollte seine Beute sein, sie wollte von ihm erobert werden. Sie würde sterben, wenn er sie nicht nehmen würde. Nicholas stützte sich mit den Armen über ihr ab. Seine Muskeln spannten sich an, während er sich zwischen ihre Schenkel drängte. Und im nächsten Moment war er in ihr, langsam und geschmeidig. Auch das war wie eine süße Qual, gleichzeitig Genuss und Schmerz. Annorah spürte, wie sie sich dehnte, um ihn aufnehmen zu können, um sich an seine Größe zu gewöhnen, und mit einem endgültigen Stoß war er ganz bei ihr und mehr als willkommen.

Unwillkürlich begann sie sich unter ihm zu bewegen, als wüsste sie, was zu tun war. Der anfängliche Schmerz verschwand schnell und wurde von einer nie gekannten Lust verdrängt. In einem wilden Rhythmus, bei dem er vorwärtsdrängte und sich gleich darauf wieder zurückzog, erlebte Annorah wieder eine Ekstase wie am Teich, doch dieses Mal, so wundervoll es sich auch anfühlte, war es nicht genug. Etwas fehlte.

Sie war allein in ihrer Lust, als sie von ihr mitgerissen wurde. Und tief im Inneren ahnte sie, dass sie gerade in diesen bedeutungsvollen Momenten nicht allein sein durfte. Nicholas sollte bei ihr sein, doch er war es nicht. Nicholas hatte sich in Gedanken bereits von ihr getrennt, lange bevor er es auch mit seinem Körper tat. Diese Erkenntnis versetzte ihr einen tiefen Stich wie die scharfe Kante einer sonst ganz glatten Glasscherbe, und wie eine scharfe Kante zerschnitt sie das zarte Gewebe ihrer romantischen Fantasien.

Nick befand sich an einem wundervollen Ort. Das Licht der Sonne konnte er trotz geschlossener Lider wahrnehmen, und er brauchte nur die Hand auszustrecken, um die schöne Frau neben sich zu berühren. Mit nichts ließ sich der Tag besser beginnen als mit einem sinnlich trägen Liebesspiel. Nick musste an Annorahs leidenschaftliche Reaktion in der vergangenen Nacht denken, und voller Vorfreude wollte er sie berühren. Doch das Bett neben ihm war kalt. Sie war nicht mehr da. Sofort riss er die Augen auf, alle Sinne hellwach. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Rasch sah er sich um und stellte fest, dass Annorah nicht nur das Bett verlassen hatte, sondern auch den Raum. Damit hatte er nicht gerechnet. Er warf die Decke zurück und griff nach seinem Morgenrock. Schnell kehrte er in sein Zimmer zurück und kleidete sich an. So leicht würde er sie nicht davonkommen lassen.

Er holte sie auf der Treppe ein, kurz bevor sie ihm ganz entwischen konnte. „Annorah, du bist schon früh auf.“ Jedenfalls sehr früh für eine Frau, die die Nacht in seinen Armen verbracht hatte. Die Dinge standen nicht gut, das sah er sofort. Annorah war offensichtlich auf dem Weg nach draußen, da sie ein Reitkostüm angelegt hatte. Sie hatte vorgehabt, ihm aus dem Weg zu gehen.

„Ich habe eine Verabredung im Dorf. Es war mir völlig entfallen.“ Sie lächelte, um jeden Zweifel zu zerstören, sie könnte nicht die Wahrheit sagen.

„Ich komme mit“, bot Nicholas ihr an. Seine Gedanken rasten. Was war gestern Nacht geschehen? Die Art, wie Annorah ihre Handschuhe zwischen den Fingern drehte, war ein sicheres Zeichen für ihre Verlegenheit. Er hatte gedacht, dass es gestern Nacht gut gelaufen war. Er war sicher, dass sie es genossen hatte, nachdem der anfängliche kurze Schmerz abgeebbt war. Aber irgendetwas musste falsch gelaufen sein. Was war ihm entgangen? Er hatte ihr doch eine fast vollkommene Erfahrung geschenkt. Tatsächlich war es ihm beinahe auch so ergangen. Er hatte all seine Disziplin aufbringen müssen, um sich nicht ganz gehen zu lassen. Es war sehr lange her, dass er beim Liebesspiel wirkliches Vergnügen empfunden hatte, und gestern Nacht war es plötzlich fast so weit gewesen. Glücklicherweise hatte er sich noch rechtzeitig dagegen gesperrt. So weit durfte er es nicht kommen lassen, wenn er sich keine Schwierigkeiten einhandeln wollte.

„Das ist nicht nötig. Es würde dich nur langweilen. Ich helfe den Kindern im Dorf beim Leseunterricht“, schlug sie sein Angebot höflich aus. Doch er würde einfach darauf bestehen.

Am Fuß der Treppe nahm Nicholas kurzerhand ihren Arm. „Zufällig bin ich sehr gut im Lesen. Die meisten Bibliothekare sind es. Ein Risiko, das der Beruf nun mal mit sich bringt, wie man mir sagt.“ Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln und folgte ihr einfach wie selbstverständlich aus dem Haus und zu dem wartenden Gig. Er half ihr auf den Sitz und nahm neben ihr Platz.

Als sie sich auf dem Weg befanden, wurde er ernster. „Und jetzt sag mir, was wirklich los ist.“

„Nichts ist los. Ich verstehe nicht, was du meinst.“ Annorah blickte starr geradeaus.

„Die Tatsache, dass du früh aufgestanden bist und vorhattest, mich einen großen Teil des Tages mir selbst zu überlassen, scheint darauf hinzuweisen, dass es um letzte Nacht geht.“

„Oh nein!“, versicherte sie ihm ein wenig zu hastig, um überzeugen zu können, doch wenigstens klang sie ein bisschen schuldbewusst.

„Gut, denn ich fand, dass die gestrige Nacht fast vollkommen war“, fügte er hinzu. Und jetzt bekam er endlich eine echte Reaktion. Annorah wandte sich ihm zu und betrachtete ihn nachdenklich.

„Oh, es war vollkommen“, bestätigte sie mit kühler Stimme.

„Und das ist das Problem?“ Er verstand die Frauen besser als die meisten Männer, und doch waren sie ihm manchmal ein Rätsel. Was war denn falsch an Vollkommenheit?

„Es war zu vollkommen, Nicholas. Es war eine großartige Vorstellung. Natürlich kann ich es nicht vergleichen, aber ich bin sicher, deine Technik war makellos. So wie immer, vermute ich. Ich hatte es mir nicht so vorgestellt. Ich hatte nicht erwartet, gerade am Ende, wenn es besonders darauf ankam, allein zu sein.“

Sie war enttäuscht. Er erinnerte sich an ihre Worte am ersten Abend: ein Fehler. Sie hielt die letzte Nacht für einen Fehler. Es verletzte seinen Stolz, dass er schließlich doch noch eine Frau im Bett enttäuscht hatte. Grimmig presste er die Lippen zusammen und konzentrierte sich auf die Zügel. Ihre eigene Lust hätte sie ablenken sollen. Aber offenbar hatte Annorah ihn bei sich spüren wollen, hatte den Gipfel mit ihm gemeinsam erreichen wollen. Wusste sie nicht, dass er ihr nur eins nicht geben konnte: ein Stück seines Herzens? In seinem Metier war es gefährlich, seine Gefühle mit einzubringen. Schon die Vorstellung war beängstigend. Bibliothekare hatten wirklich einen leichteren Beruf.

9. KAPITEL

Es würde nicht leicht sein, den Kindern beim wöchentlichen Leseunterricht gegenüberzutreten. Annorah schluckte mühsam, um den Kloß in ihrem Hals loszuwerden, als das Dorf in Sicht kam. Es könnte das letzte Mal sein, dass sie sie sah. Falls sie nicht heiratete, würde sie alles hier verlieren. Das kleine Haus, das man ihr zugeteilt hatte, sollte sie sich entschließen, ledig zu bleiben, befand sich im Norden des Landes.

Es war nicht ihre Absicht gewesen, diesen Tag in Nicholas’ Gesellschaft zu verbringen. Noch dazu mit dem Brief ihrer Tante noch frisch im Gedächtnis. Sie hatte gehofft, alles allein bewältigen zu können, wie schon so vieles in ihrem Leben. Doch Nicholas war aufgewacht, bevor sie das Haus verlassen hatte, und das jüngste Schreiben ihrer Tante hatte bereits bei den übrigen Briefen gelegen und sie an all das erinnert, was sie zu verlieren drohte, falls sie nicht zu der Hausparty kam und sich mit dem Anwärter einigte, den ihre Tante für sie ausgesucht hatte.

Ihre Tante war verzweifelt daran interessiert, das Vermögen der Familie zu sichern. Sie hatte selbst dann nicht aufgegeben, einen Mann für sie zu finden, als Annorah schon längst resigniert hatte. Zweimal ein gebrochenes Herz und mehrere lauwarme Beziehungen waren mehr gewesen, als sie ertragen konnte. Sie hatte sich vom Schlachtfeld der Liebe zurückgezogen, auch weil sie sicher gewesen war, die Anwälte würden schon noch einen Ausweg für sie finden.

Nicholas hielt den Wagen an der Seite des Pfarrhauses und kam herum, um ihr herunterzuhelfen. Er hatte nichts mehr gesagt, nachdem sie ihm zu verstehen gegeben hatte, dass sie mit seiner Leistung nicht besonders zufrieden war. Umso besser. Im Augenblick ging ihr zu viel im Kopf herum, als dass sie eine besonders gute Gesprächspartnerin abgeben könnte.

„Geht es dir gut, Annorah?“, fragte er. „Du bist blass. Bist du müde?“

Er klang so besorgt, dass sie sich für die Art schämte, mit der sie ihn heute Morgen behandelt hatte. Also zwang sie sich zu einem Lächeln und hakte sich bei ihm unter. „Vielleicht ein wenig.“ Sie war wirklich müde. Sie war es müde, nichts mehr zu empfinden. Sie war es müde, einen Feind zu bekämpfen, den sie nicht besiegen konnte. Und es war ungerecht, ihren Kummer an Nicholas auszulassen, der ebenso wie die Dorfbewohner nichts von ihrer wahren Situation wusste. Und gestern Nacht hatte er lediglich getan, wofür er bezahlt worden war.

„Miss Norah, Miss Norah!“ Ein dunkelhaariger Junge kam auf sie zugelaufen, packte ihre Hand und schüttelte sie heftig. „Ich habe den Abschnitt gelernt, den Sie uns letzte Woche aufgegeben haben. Darf ich als Erster lesen?“ Jetzt bemerkte er Nicholas. „Sie haben einen Freund mitgebracht!“

Annorah lächelte tapfer. Sie würde es durchstehen. Sie würde versuchen, den Tag zu genießen, und nicht ständig daran denken, dass es das letzte Mal sein würde. „Thomas, das ist Nicholas.“

Nicholas reichte dem Jungen die Hand. „Ich bin hier, um Miss Annorah mit ihren Büchern zu helfen.“ Das war geschickt ausgedrückt. So log er den Kleinen nicht direkt an.

Thomas war ihr persönliches Willkommenskomitee. Er lief ihnen voraus zu einem Baum, wo die Kinder sich versammelt hatten, und rief ihnen die Neuigkeit zu, dass Miss Norah einen Freund mitgebracht hatte. Es folgte das übliche Chaos, bei dem Annorah versuchte, jedes Kind einzeln und schließlich Nicholas vorzustellen.

Vikar Norton war überaus erfreut, Nicholas kennenzulernen, und meinte, wie viel besser es doch sein würde, wenn gleich drei Erwachsene den Kindern beim Lernen halfen. „Ich fand schon immer, dass kleinere Gruppen dem Lernen förderlicher sind. Es ermutigt die Eigenverantwortung für das, was man weiß, und manchmal für das, was man nicht weiß“, erklärte er, während er die Kinder in drei Gruppen aufteilte.

Annorah warf Nicholas einen verstohlenen Blick zu, um zu sehen, wie er alles aufnahm. Sicher war er heute Morgen nicht aufgestanden, um den Tag mit einigen Dorfkindern unter einem Baum zu verbringen. Aber was er auch vorgehabt hatte, er schien nichts gegen die veränderten Umstände zu haben. Er nickte und lächelte zu allem, was der Vikar sagte, und zwei Kinder, Danny und Esme, hatten ihn bereits bei der Hand genommen.

Bald darauf saßen alle drei Gruppen im Schatten. Die kleine Annie hatte es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht, und alles war wie üblich, nur dass Annorah immer wieder zu der Stelle blickte, wo Nicholas saß, ganz offensichtlich entspannt und wie immer ungezwungen. Ab und zu hörte sie ihn Dinge sagen wie: „Versuch diesen Satz noch einmal, du hast es fast vollkommen gesagt. Denk daran, das A wird langgezogen, weil das Wort mit einem E endet. So war es sehr gut.“ Oder manchmal auch strenger, jedoch niemals gemein. „Jack, du musst stillsitzen. Wir sind noch nicht fertig.“

Zu sehen, wie er mit den Kindern arbeitete, erweckte die seltsamsten Gefühle in ihr, die nichts mit ihrer bevorstehenden Zwangslage zu tun hatten. Er hätte einen großartigen Lehrer abgegeben – streng, aber gütig.

Als der Unterricht vorüber war, spielte Nicholas mit einigen Kindern Fangen, während Annorah mit den übrigen Gänseblumenkränzchen bastelte. Wenn er an der Reihe war, die Kinder zu jagen, und sie einfing, riss er sie vom Boden hoch und schwang sie im Kreis herum, wobei sie begeistert schrien.

In dem Moment hätte Annorah fast die Fassung verloren. Sein Haar hatte sich aus dem Band gelöst, das Jackett hatte er schon längst ausgezogen und die Ärmel hochgekrempelt, und ein breites Lächeln umspielte seine Lippen, während er mit den Kindern spielte. Er sah so aus, als würde er Spaß haben, wirklich Spaß, so wie gestern am Fluss. Dort hatte es Momente gegeben – als sie den Fisch aus dem Wasser gezogen hatten, als sie geschwommen waren –, da hatte er so ausgesehen wie jetzt, wie Nicholas, ein wirklicher Mensch.

Natürlich war Nicholas in jedem Fall ein richtiger Mensch, aber dieser Nicholas jetzt war auf kaum merkliche Weise anders. Dieser Nicholas war echt. Es schnürte ihr die Kehle zu bei dieser Erkenntnis. Der Nicholas, der an ihrem Tisch saß, der mit ihr im Garten lustwandelte, kluge Anspielungen von sich gab und ihr seidene Nachtgewänder schenkte, war auch liebenswert, sehr sogar. Aber jener Mann hatte eine glatte Art an sich, die ihn unwirklich erscheinen ließ. Er war ein Traumbild, das zum Leben erwacht war, in gewisser Weise nicht mehr als ein Produkt ihrer Einbildungskraft. Das war ganz und gar nicht der Fall bei dem Mann, der mit den Kindern über den Rasen tollte. Dieser Nicholas war so wirklich, dass es sie fast zu Tränen rührte, wenn sie sah, mit welcher Freude er spielte. Dieser Nicholas würde einen wundervollen Vater abgeben. Es war leicht, den anderen Nicholas gernzuhaben, aber in diesen Nicholas könnte sie sich verlieben.

Schließlich führte Nicholas seine kleine Gruppe zu ihr und ließ sich neben ihr auf den Boden fallen. „Hast du mir auch eine geflochten?“ Er war verschwitzt und zerzaust, doch er strahlte über das ganze Gesicht, als sie ihm einen Blumenkranz auf den Kopf setzte.

„Sie sind lustig, Mr. Nick.“ Thomas setzte sich wie selbstverständlich auf seinen Schoß. Er war nicht von Nicholas’ Seite gewichen, seit sie angekommen waren. „Werden Sie wiederkommen? Bitte, bitte, ja, Miss Norah?“ Er sah sie bettelnd an, und sein ernstes kleines Gesicht brach ihr das Herz. „Bitte, sagen Sie, dass Sie ihn wieder mitbringen.“

Annorah biss sich auf die Unterlippe und warf Nicholas einen flehenden Blick zu. Was sollte sie sagen? Die Wahrheit? Wäre es denn besser, zu schwindeln und falsche Hoffnungen bei den Kindern zu wecken?

„Thomas, ich bin nicht sicher, ob ich wiederkommen kann“, antwortete Nicholas. „Ich bin nur kurze Zeit hier, um Miss Annorah mit ihren Büchern zu helfen. Danach reise ich nach London zurück. Ich würde zwar sehr gern wieder mit euch spielen, aber ich weiß nicht, ob es möglich sein wird.“ Bevor Thomas protestieren konnte, sprang er auf die Füße. „Wer will mitkommen? Ich muss noch etwas erledigen, bevor Miss Annorah und ich zurückfahren.“ Gleich darauf war er schon fort, umgeben von einer Schar Kindern wie von einer lärmenden Wolke. Annorah blieb zurück, um die Bücher einzusammeln und mit dem Vikar zu plaudern.

„Ihr Bekannter kann sehr gut mit Kindern umgehen.“ Vikar Norton half ihr, die Bücher und Schreibtafeln aufzuheben. Er war ein sympathischer Mann von Anfang fünfzig. Er und seine Frau lebten seit fünf Jahren hier. „Er übt einen guten Einfluss auf sie aus. Viel zu oft nehmen sich Männer nicht genug Zeit für ihre Familie.“

Annorah lächelte. „Ich glaube, er hat heute auch sehr viel Spaß gehabt.“

Schon waren Nicholas und die Kinder wieder zurück, und er trug etwas und hielt kurz beim Wagen an, um es hinten festzuschnallen. Annorah spürte eine freudige Erregung. Hatte er etwas für sie beide geplant? War es denn das, was sie sich wünschte nach der vergangenen Nacht? Konnte sie sich mit der Rückkehr vom allzu glatten Nick zufriedengeben? Plötzlich kam ihr ein Einfall. Vielleicht konnte sie den wahren Nick doch noch eine Weile länger behalten, wenn sie sich Mühe gab.

Sie verabschiedeten sich von dem Vikar und den Kindern und machten sich auf den Weg, aber nicht nach Hause. Heute war ein sonniger, warmer Tag, und daheim erwarteten sie nur einige unbequeme Wahrheiten. „Wohin fahren wir?“, fragte Annorah.

Nicholas zwinkerte ihr zu. „Zur Feenburg. Ich weiß von den Kindern, die es schließlich wissen müssen, dass nichts besser ist als ein Picknick dort. Ich hoffe, du weißt, wo es ist, falls ich mich verirre? Ich muss sagen, ihre Anweisungen waren ein wenig verwirrend.“

Sie musste lachen. „Keine Sorge, ich weiß, wo es ist. Doch so sehr es mich betrübt, es sagen zu müssen, wir haben keinen Picknickkorb.“

„Doch. Die Kinder führten mich zum Gasthaus, und Mr. Witherby hat uns ein vorzügliches Mahl zusammengestellt.“

Annorah spürte, wie ihre Sorgen sich verflüchtigten. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und genoss die Wärme der Sonne auf ihrem Gesicht. Nichts konnte besser sein als dies – ein warmer Tag, eine Ausfahrt aufs Land und ein Picknick im Hof des alten Kastells. „Du kannst das nicht wissen, aber die Feenburg ist einer meiner Lieblingsorte.“

„Dann freue ich mich, dass die Kinder ihn vorschlugen.“ Seine Stimme klang so zärtlich, dass Annorah die Augen öffnete. Er sah sie lächelnd an.

Sie zögerte, bevor sie ihm die nächste Frage stellte. „Hat es dir etwas ausgemacht?“

Er schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht. Ich habe Kinder gern.“

Ein galanter Begleiter, der Kinder gern hatte. Wirklich erstaunlich. Nicholas D’Arcy war ein Mann voller Überraschungen, und sie hatte den ganzen Nachmittag Zeit, noch mehr über ihn zu erfahren. Was für ein erquicklicher Zeitvertreib das doch werden würde – und ein sehr wichtiger, wenn sie den wahren Nicholas nicht verlieren wollte.

So müssen die Flitterwochen sein, dachte Annorah, als sie auf der Decke Platz nahm und in der Sonne badete, während sie Nicholas dabei zusah, wie er auf einem Stück Rasen mit einem Drachen, den die Kinder ihm mitgegeben hatten, in der Hand auf und ab lief, um eine Brise zu erhaschen. Bisher hatten sie kein besonderes Glück gehabt, ihren Drachen aufsteigen zu lassen, aber das machte ihr nichts aus. Sie hatte viel zu viel Spaß daran, Nicholas barfuß hin und her laufen zu sehen. Sie waren kaum hier angekommen, da hatte er schon die Stiefel von sich geschleudert. Jetzt trug er nur sein Hemd und die Hose und sah richtig jungenhaft aus mit seinem zerzausten dunklen Haar, das nur locker im Nacken zusammengebunden war.

Als er an ihr vorbeirannte, rief sie ihm zu: „Lass die Schnur etwas lockerer, nein, nicht so viel!“ Der Drachen wurde von einem Windstoß hochgewirbelt und schwebte einen Moment in der Luft. Nicholas warf ihr einen frohlockenden Blick zu, und sie erwiderte sein Lächeln, während sie sich gleichzeitig ermahnte, nicht jedes Mal Herzklopfen zu bekommen, wenn er sie nur ansah.

Der Drachen geriet ins Schwanken und krachte zu Boden. Nicholas versuchte es wieder, doch beim zweiten Fehlschlag gab er es auf und ließ sich dramatisch neben ihr auf die Decke fallen. „Ich gebe auf! Es ist einfach nicht windig genug.“

Schweiß stand ihm auf der Stirn. Annorah wollte ihn für immer so in Erinnerung behalten: mit zerzaustem Haar, leger gekleidet, völlig erschöpft auf der Decke liegend. Sie schloss die Augen und versuchte, sich das Bild des wahren Nicholas für immer einzuprägen.

„Was tust du?“

Sie öffnete die Augen und sah ihn belustigt lächeln. „Ich versuche, ein Bild von dir zu zeichnen“, beichtete sie. „Ich möchte mich immer erinnern …“

Er ließ sie nicht zu Ende sprechen, sondern legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Lass uns nicht darüber reden.“ Er küsste sie sanft. Würde sie sich je daran gewöhnen, welche Gefühle er mit einem schlichten Kuss in ihr erwecken konnte? Wage es nicht, dich daran zu gewöhnen, ermahnte sie sich. Es ist nicht echt, und er wird bald sowieso fort sein. Aber noch war er bei ihr. Noch blieb ihr ein wenig Zeit, seine Küsse zu genießen und sich in ihn zu verlieben.

Nein, keine Liebe. Sie wagte es nicht. Annorah sah ihm in die Augen. Es fühlte sich alles nur an wie in den Flitterwochen, es waren nicht wirklich welche. Es war nicht der Beginn eines gemeinsamen Lebens, es war das Ende des Lebens, wie sie es kannte. Aber es war ein schönes Ende. Hier im strahlenden Sonnenschein war sie froh, es gewagt zu haben, selbst wenn ihr die letzte Nacht gezeigt hatte, dass jeder Traum auch ein Erwachen hatte. „Es tut mir leid, was ich heute Morgen gesagt habe … wegen gestern Nacht.“ Sie würde sich nicht dafür entschuldigen, dass sie sich mehr gewünscht hatte, nur dafür, dass sie mehr erwartet hatte.

Ihre Worte hatten ihn offenbar verblüfft. „Wirklich?“

„Ja. Ich bin froh, dass du hier bist.“ Allerdings würde er fort sein, wenn ihre Tante die Kutsche schickte, die sie nach Badger Place bringen sollte, wo ein abscheulicher Verehrer auf sie und ihre letzte Entscheidung wartete: ein einsames Leben im unzivilisierten Norden oder das Aufgeben ihrer Freiheit, um Hartshaven halten zu können.

„Ich bin auch froh, hier zu sein.“ Nicholas lächelte warm und zog sie dicht an sich. Ein Schatten hatte sich über ihr Gesicht gelegt und erinnerte ihn daran, dass ihr etwas sehr Kummervolles zu schaffen machen musste, obwohl ihr Leben doch vollkommen zu sein schien. Auch bei den Kindern hatte er diesen Kummer an ihr bemerkt, dabei machten die Kinder sie doch glücklich, und sie ging so liebevoll mit ihnen um, wie er es sich vorgestellt hatte. Dennoch bedrückte sie etwas.

Nicholas wollte diesen Kummer unbedingt vertreiben. Und er kannte eine sehr sichere Methode, um dunkle Gedanken zu verscheuchen. Wenn er es noch einmal versuchte, würde es ihm vielleicht gelingen, sich für sie mehr gehen zu lassen. Vielleicht konnte er ihr etwas mehr von sich schenken. Wenn es ihr so wichtig war, seine Seele zu berühren, würde er ihr eben den Gefallen tun. Sie war eine außergewöhnliche Frau, natürlich wünschte sie sich außergewöhnliche Dinge. Er konnte sich ja dann wieder zurückziehen, wann immer er wollte.

Zumindest war es das, was er sich einredete, als er auf der Picknickdecke mitten im Nirgendwo im Westen von Sussex lag. „Ich amüsiere mich großartig, Annorah.“ Er lachte. „Du hast wieder den kleinen Jungen vom Land in mir erweckt. Meine Freunde aus der Stadt würden nicht wenig staunen. Weißt du, was außerdem noch sehr viel Spaß macht bei einem Picknick?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Es war natürlich eine rhetorische Frage. Er zog sich und Annorah aus und legte sich langsam auf sie, den Mund gierig auf ihrem, als er sie nahm. Nicholas konnte sich keinen schöneren Ort für ein verträumtes Liebesspiel vorstellen als auf einer Picknickdecke im Freien an einem warmen Nachmittag. Nichts half einem so sehr seine Hemmungen aufzugeben, wie das Gefühl der Sommerluft auf nackter Haut. Nicholas ging sehr langsam, sehr zärtlich vor, damit Annorah wusste, dass er bis zum Ende bei ihr bleiben würde, dass sie den Gipfel der Lust dieses Mal nicht allein erleben würde.

Annorah presste sich stöhnend an ihn, und Nicholas ließ sich von seinen tiefsten Gefühlen mitreißen. Mitten an diesem verzauberten Sommernachmittag ließ er seiner sorgfältig gezähmten Leidenschaft die Zügel schießen und erfuhr endlich echte Lust – eine langsame, immer höher steigende Welle, die sie beide hinwegtrug an einen Ort, der gewiss der Himmel auf Erden sein musste. Ob Annorah es ahnte oder nicht, er hatte ihr gerade alles gegeben, was er konnte, sehr viel mehr als sonst jemandem, seit er nach London gekommen war. Denn für einen Gentleman Escort war es die oberste Priorität, gefühlsmäßige Bindungen um jeden Preis zu vermeiden. Gefühle hatten keinen Platz bei geschäftlichen Transaktionen.

Während er nach ihrem exquisiten Liebesspiel noch versuchte, zu Atem zu kommen, konnte er nicht sagen, warum er sie so hingebungsvoll geliebt hatte. Er war nicht einmal sicher, dass er es geplant hatte, als er begann, sie zu verführen. Im Überschwang des Augenblicks war er einfach von seinen Empfindungen übermannt worden.

„Ich glaube, es muss stimmen, dass dieser Ort verzaubert ist“, flüsterte Annorah, dicht an seine Seite geschmiegt.

„Ist er verzaubert?“ Er zöge es gewiss vor, sein uncharakteristisches Benehmen von heute den Feen zuzuschreiben. Es wäre immer noch besser als jede andere mögliche Erklärung.

„Alle Kastelle in dieser Gegend sind verzaubert.“ Annorah lachte leise. „Hier gibt es kein Piratengold wie bei euch, aber es gibt Feen, besonders im Westen von Sussex.“

„Ich habe nie behauptet, es sei Piratengold“, verbesserte Nicholas sie scherzhaft. „Und was für Feen sind das hier?“

„Oh, alle möglichen Arten.“ Annorah stützte sich auf einen Ellbogen, offenbar sich für das Thema erwärmend. „Es gibt die Schweiß-Feen, die einem bei der Arbeit helfen, es gibt Kobolde und Elfen. Im Grunde gibt es für alles auch die entsprechende Fee. Wenn man den richtigen Zauberspruch kennt, kann man sie rufen. Einen Zauberspruch hat meine Kinderfrau mir beigebracht. Komm in der Stille, komm ohne Sonne, komm bitte bald und schenke mir Wonne.“ Sie errötete leicht.

Seit gestern Nacht muss sie diese Worte in einem ganz anderen Licht sehen, dachte Nicholas.

„Das klingt vielversprechend.“ Er lachte leise. „Wir müssen einmal ausprobieren, ob es funktioniert.“

Sie verbrachten den restlichen Nachmittag damit, zu den Wolken emporzuschauen und ihnen nachzusehen, wie sie über den Himmel zogen. Annorah trug einige Feengesänge vor und flocht Blumenkränze für ihn. Doch während der idyllische Tag seinem Ende zueilte, spürte Nicholas, wie er immer unruhiger wurde. Er begann, sich zu sorgen. Er hatte nicht damit gerechnet, sich ihr so nahe zu fühlen, dass er sie am liebsten gefragt hätte, welcher Kummer ihr zu schaffen machte. Es wäre zu gefährlich. Wenn er sie fragte, würde er den Grund kennen und ihr helfen wollen. Woher kam nur dieser plötzliche Gefühlsüberschwang? Vier Jahre lang war er mit so vielen Frauen und deren sinnlichen Bedürfnissen vertraut geworden, ohne so zu reagieren. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Annorah mehr als seinen Körper zu schenken.

Als sie im Gig saßen, um heimzufahren, hatte der blaue Himmel sich bewölkt. Die weißen Wattewölkchen hatten sich in große graue Wolken verwandelt, und der Wind frischte auf. „Jetzt könnten wir den Drachen gut fliegen lassen“, scherzte Annorah und hielt lachend ihren Hut fest.

Nicholas blicke grimmig zum Himmel hinauf. „Bis heute Abend wird ein Sommergewitter daraus.“

„Regen vielleicht“, widersprach sie und lachte über seine ernste Miene. „Kaum ein Gewitter. Aber gut, dass wir gestern angeln waren. Morgen wird der Fluss zu tief dafür sein.“

Regen, Gewitter, wie immer man es nennen wollte, für Nicholas würde es Probleme mit sich bringen. Er schlief nie sehr gut während eines Unwetters – zu viele Albträume, zu viele Erinnerungen, die sich ihm aufdrängten.

10. KAPITEL

Gegen Abend dachte Nicholas, dass sie sich wohl beide geirrt hatten. Der Himmel blieb düster, aber es regnete nicht. Sie blieben zum Dinner im Haus, und nach dem Mahl spazierten sie die Ahnengalerie im zweiten Stock entlang, wo die Gemälde der Familie Price-Ellis hingen. Nicholas hatte eine zweite Champagnerflasche mitgebracht und schenkte ihnen daraus ein.

Sie lachten wieder, die Köpfe zusammengesteckt, und Annorah erzählte ihm eine Geschichte nach der anderen über ihre Familie. Da gab es Großonkel Augustus, der klugerweise in den Kanalbau investiert hatte, Tante Flora, die den Schiffsmagnaten heiratete und all seine Millionen erbte, als er bei einem Segelunfall ums Leben kam. Und da war Großvater George, der ihr das Angeln beigebracht und ständig mit ihr und seinen anderen Enkeln gespielt hatte.

„Und wer sind die?“ Nicholas wies auf zwei Porträts am Ende der Bilderreihe.

Annorah zögerte. „Das sind meine Eltern.“ Mehr wollte sie nicht sagen. Nicholas hörte ihr an, dass sie sich nicht umstimmen lassen würde. Aber er konnte nicht einfach darüber hinweggehen. Er spürte deutlich, dass er dem Geheimnis nahe war, der Ursache für ihren Kummer.

„Was ist aus ihnen geworden?“, fragte er sanft.

Autor

Bronwyn Scott
<p>Bronwyn Scott ist der Künstlername von Nikki Poppen. Sie lebt an der Pazifikküste im Nordwesten der USA, wo sie Kommunikationstrainerin an einem kleinen College ist. Sie spielt gern Klavier und verbringt viel Zeit mit ihren drei Kindern. Kochen und waschen gehören absolut nicht zu ihren Leidenschaften, darum überlässt sie den...
Mehr erfahren
Terri Brisbin
<p>Das geschriebene Wort begleitet Terri Brisbin schon ihr ganzes Leben lang. So verfasste sie zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bis sie 1994 anfing Romane zu schreiben. Seit 1998 hat sie mehr als 18 historische und übersinnliche Romane veröffentlicht. Wenn sie nicht gerade ihr Leben als Liebesromanautorin in New Jersey genießt, verbringt...
Mehr erfahren
Mary Brendan
Mary Brendan wurde in Norden Londons als drittes Kind von sechs Kindern geboren. Ihr Vater hatte eine Klempnerfirma, und ihre Mutter, die sie zum Lesen und lernen anregte, arbeitete als Schulsekretärin.
Mary Brendan heiratete mit 19 Jahren und arbeitete in einer internationalen Ölfirma als Büroangestellte und später dann als Sekretärin in...
Mehr erfahren
Diane Gaston
<p>Schon immer war Diane Gaston eine große Romantikerin. Als kleines Mädchen lernte sie die Texte der beliebtesten Lovesongs auswendig. Ihr Puppen ließ sie tragische Liebesaffären mit populären TV- und Filmstars spielen. Damals war es für sie keine Frage, dass sich alle Menschen vor dem Schlafengehen Geschichten ausdachten. In ihrer Kindheit...
Mehr erfahren
Margaret Mc Phee
<p>Margaret McPhee lebt mit ihrem Ehemann an der Westküste Schottlands. Ganz besonders stolz ist sie auf ihre Kaninchendame Gwinnie, die mit ihren acht Jahren eine alte Lady unter ihren Artgenossen ist. Als Wissenschaftlerin ausgebildet, hatte sie trotzdem immer eine romantische Ader. Ihrem Mann begegnete sie zum ersten Mal auf der...
Mehr erfahren