Rett mich, Geliebter

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Katie Devonworth sieht nur eine Chance, ihre kleine Zeitung zu retten: Sie muss Jack Reilly bewegen, in ihrer Heimatstadt Newport Falls zu investieren. Ihr Jugendfreund, mittlerweile erfolgreicher Investmentbanker in New York, soll über ein immenses Vermögen verfügen. Tatsächlich kann Katie ihn nach Newport Falls locken, aber sie ahnt, dass die geschäftliche Seite ihn wenig interessiert. Wie damals begehren sie einander heiß, und Katie ist glücklich, in seinen Armen sinnliche Höhepunkte der Leidenschaft zu erleben. Fast glaubt sie schon, den Affären erprobten Traummann für immer erobert zu haben, als sie erfährt, dass Jack demnächst für zwei Jahre nach England gehen wird ...


  • Erscheinungstag 17.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746346
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Katie saß in dem eleganten Wartezimmer vor Jack Reillys Büro. Das ganze Gebäude gehörte ihm, ein Hochhaus aus Glas mitten in Manhattan.

Jack war sehr erfolgreich; jeder in Newport Falls wusste, dass er inzwischen Millionär war. Es mit eigenen Augen zu sehen war jedoch etwas anderes.

Sie hatte ihren ganzen Mut aufbringen müssen, um überhaupt einen Fuß in „Reilly Investments“ zu setzen. Ständig rief sie sich ins Gedächtnis, dass es doch nur Jack war, ihr Freund aus Kindertagen, nicht Donald Trump. Sie sollte nicht so eingeschüchtert sein, schließlich war sie diejenige gewesen, die ihn früher bei Kinderkrankheiten, Erkältungen und nach Auseinandersetzungen mit seinem Vater getröstet hatte.

Trotzdem hatte sie einen Kloß im Hals. Und die leise Stimme in ihrem Inneren, die ihr riet, einfach davonzulaufen, wollte auch nicht verstummen.

Jack wurde in den Zeitungen als selbstbewusster, kühner Millionär beschrieben, und Katie fragte sich, ob sie ihn wieder erkennen würde. Sicher, er war schon immer ein wenig großspurig gewesen, aber sie hatte auch den unsicheren Jungen gekannt. Ihm war seine Herkunft schmerzlich bewusst gewesen, und mit seiner Dreistigkeit hatte er das nur kaschieren wollen.

Nervös strich sie ihr Haar glatt, denn sie befürchtete, unmöglich auszusehen. Es war erst Mittag, doch ihr Tag hatte schon vor Stunden begonnen. Bevor sie sich mit Marcellas Auto auf den Weg machen konnte, hatte sie noch einiges für die Zeitung erledigen müssen. Es tat ihr leid wegen der zusätzlichen Meilen, die sie dem alten Gefährt aufbürdete, aber ihr blieb keine Wahl, da sie kein Geld hatte, um ihren eigenen Wagen reparieren zu lassen oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Seit ihrer Scheidung war das Geld knapp. Und die Zeitung, seit Generationen im Besitz ihrer Familie, blutete finanziell ebenfalls aus. Sie hatte schon vor Monaten aufgehört, sich ein annehmbares Gehalt zu zahlen.

Katie schaute erneut auf ihre Uhr. Fast halb zwei. Sie und Jack waren schon für Viertel vor eins zum Lunch verabredet gewesen.

Vielleicht hatte es ein Missverständnis gegeben, und er wusste nicht einmal, mit wem er verabredet war. Schließlich hatte sie nur mit seiner Sekretärin gesprochen, und der hatte sie verschwiegen, dass sie den Großinvestor um ein Darlehen für ihre Zeitung bitten wollte. Ebenso wenig hatte sie ihr erzählt, dass Jack mehr als nur ein alter Freund war. Viel mehr.

Tatsächlich war Katie schon immer in ihn verliebt. Sie war überzeugt gewesen, dass sie füreinander bestimmt waren und hatte erwartet, ihre Freundschaft, die seit dem Kindergarten bestand, würde sich in Leidenschaft verwandeln. Doch da hatte sie sich geirrt.

Bisher hatte sie ihre Liebe nur einem einzigen Menschen gestanden: Jack selbst. Und wenn sie sich an dieses Geständnis erinnerte, errötete sie heute noch.

Es war im letzten Jahr auf der Highschool gewesen. Sie, Jack Reilly und Matt O’Malley waren ebenso unterschiedliche wie unzertrennliche Freunde. Sie, Katie Devonworth, Tochter des Besitzers und Herausgebers der Zeitung von Newport Falls, war der verlässliche, zielstrebige Typ. Matt dagegen, Sohn eines Lehrers, änderte ständig seine Meinung darüber, wer er war und was er wollte. Jack, Sohn eines arbeitslosen Alkoholikers, war zielstrebig und entschlossen, etwas aus seinem Leben zu machen.

Eines Tages hatten sie und Jack allein am Fluss gesessen, geangelt und über Gott und die Welt geredet. Katie sah die Szene noch immer ganz deutlich vor sich. Es war ein ungewöhnlich warmer und schöner Tag. Auf den Bergen, die Newport Falls umgaben, lag noch etwas Schnee. Doch im Tal, wo sie geangelt hatten, schien die Sonne am klaren Himmel.

Als sie erklärte, ihr sei warm, sah Jack sie mit einem Funkeln in seinen blauen Augen an. Er legte seine Angelrute beiseite, sprang auf und zog sein Hemd aus. „Du hast recht. Ein Bad wäre bestimmt gut.“

„So warm ist es nun auch wieder nicht. Der Fluss ist noch eiskalt.“

„Komm schon. Es wird dir gut tun.“ Mit einem mutwilligen Grinsen war er näher gekommen. Damals sah er so sexy wie ein Filmstar aus: markantes Gesicht, durchdringende blaue Augen und schwarzes Haar. Je länger sie ihn ansah, desto unsicherer wurde sie. Es war ihr immer schon schwergefallen, ihm etwas abzuschlagen.

„Lieber nicht.“ Sie war bereit, einiges in Kauf zu nehmen, um mit Jack allein zu sein. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass es für eine Romanze nicht unbedingt förderlich wäre, ins eiskalte Wasser zu springen.

„Der Trick besteht darin, ganz schnell zu sein“, erklärte er und machte einen weiteren Schritt auf sie zu. „Wirklich schnell.“

Sie hatte nicht den geringsten Zweifel, dass Jack die Absicht hatte, sie ins Wasser zu werfen. Höfliche Gesten waren nicht seine Art. Trotzdem riss sich jedes Mädchen in der Stadt darum, in seiner Nähe zu sein, denn obwohl er raubeinig und wild war, war er doch der intelligenteste und charmanteste Junge in der Gegend.

„Jack Reilly!“, warnte sie ihn und hielt ihre Angelrute wie ein Schwert vor sich. „Denk nicht mal daran! Ich werde … ich werde dich stechen!“

Er nahm ihr die Rute einfach aus der Hand und warf sie weg. „Und womit?“

So schnell sie konnte, lief sie vom Fluss weg. Nachdem sie schon einen guten Vorsprung hatte, stolperte sie über eine Baumwurzel und stürzte in ein Beet wilder Erdbeeren. Jack holte sie ein und starrte entsetzt ihr rot bekleckertes T-Shirt an. „Du bist verletzt“, sagte er und wurde blass.

Doch als er sich vorbeugte, um zu sehen, woher das angebliche Blut kam, konnte sie ihr Lachen nicht länger zurückhalten. Sie versetzte ihm einen kräftigen Schubs, sodass er selbst rückwärts in den Erdbeeren landete. Dann rannte sie weiter.

Aber sie war nicht schnell genug. Jack packte sie von hinten, hob sie hoch und trug sie zum Fluss zurück. „Am Besten, wir machen dich mal sauber, Devonworth“, verkündete er.

„Ich schwöre dir, wenn ich auch nur einen nassen Zeh kriege, dann …“

„Was?“

Ihr Gesicht war seinem ganz nah, und plötzlich gab es nur noch sie und Jack. „Dann … dann …“

„Leere Drohungen“, meinte er, und sie spürte seinen Atem. Er wartete einen Augenblick, dann beugte er sich vor, als wollte er sie küssen. Sie schloss die Augen und flehte im Stillen, er möge es endlich tun.

Doch ihre Fantasie zerplatzte mit einem Schwall eisigen Wassers. „Jack!“, kreischte sie, als sie im Fluss landete. Als er sie wieder hochzog, brachte sie ihn zu Fall und landete mit ihm zusammen im kalten Wasser.

„Es gibt kein Entkommen“, sagte er und stieg aus dem Fluss. Als Katie das Ufer erreichte, warf er sie zu Boden, setzte sich auf sie und hielt ihre Arme über dem Kopf fest. „Gib auf, Devonworth.“

Plötzlich hielt er inne und beugte sich mit einem Ausdruck in den Augen über sie, als würde er sie zum ersten Mal richtig sehen. Er starrte ihr nasses T-Shirt an, das wie eine zweite Haut an ihr klebte und unter dem sich ihre Brüste deutlich abzeichneten. „Katie“, flüsterte er heiser.

Sie tat, was sie schon seit Jahren tun wollte, sie küsste ihn. Jack erwiderte den Kuss hungrig. Mit seiner Zunge erforschte er ihren Mund, während er seine Hände unter ihr T-Shirt schob. Sie spürte seine ungestüme Energie, als er ihre aufgerichteten Knospen streichelte. Obwohl sie noch Jungfrau war, hatte sie keine Angst. Sie wollte Jack. Sie sehnte sich danach, ihn in sich zu spüren, mit ihm zu schlafen. Sie war bereit und machte sich am Knopf seiner Jeans zu schaffen.

Dann, so schnell, wie sie aufgeflackert war, bekam Jacks Leidenschaft einen Dämpfer. Er löste sich von ihr und setzte sich auf. „Was tun wir da?“, fragte er und fuhr sich durch das Haar.

Sie schwieg einen Moment. Dann sagte sie: „Ich liebe dich, Jack. Ich habe dich immer geliebt.“

Er antwortete nicht, sondern stand auf und schob die Hände in die Taschen seiner nassen Jeans. Ohne ein Wort wandte er sich ab und ging davon.

Plötzlich stand Matt hinter ihr, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie schämte sich, dass er Zeuge dieser demütigenden Szene geworden war.

„Schon gut“, meinte Matt. „Ich weiß, dass du ihn liebst. Ich weiß es schon lange. Alle wissen es. Bloß Jack nicht.“

Katie erinnerte sich noch sehr gut an das schreckliche Gefühl. Alle in Newport Falls wussten es. Wussten, dass sie an unerwiderter Liebe litt.

Matt hielt ihr die Hand hin und zog sie hoch. „Du solltest wissen, dass er dich nicht liebt“, sagte er. „Du bedeutest ihm etwas, aber nicht so. Er wird dich niemals lieben.“

Und Matt hatte recht behalten. Denn sobald Jack konnte, verließ er Newport Falls.

Sie blieb und ging auf das College im Ort. Und als ihr Vater starb, übernahm sie die Zeitung, mit der es schon damals nicht zum Besten stand. Anschließend tat sie das einzig Vernünftige, was sie noch tun konnte: Sie heiratete Matt.

„Miss Devonworth?“ Die Stimme der attraktiven Sekretärin holte Katie in die Realität zurück. „Mr. Reilly wird Sie jetzt empfangen.“

Mit einem Anflug von Eifersucht fragte Katie sich, ob Jack mit dieser Frau etwas hatte. Und wenn? Jack bedeutete ihr nichts mehr. Nichts.

Dennoch pochte ihr Herz so laut, dass sie überzeugt war, jeder müsste es hören.

Katie ging durch die offene Doppeltür in Jacks Büro, das so beeindruckend wie das ganze Gebäude war. Es war riesig und hatte eine von der Decke bis zum Boden reichende Fensterfront. Es gab eine Sitzecke mit einer Couch und Sesseln und einen großen Konferenztisch. Das Herzstück des Büros war jedoch der mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Schreibtisch, der wie ein Thron vor der spektakulären Aussicht auf den Central Park stand.

Jack saß mit dem Rücken zu ihr an diesem Schreibtisch. Er schaute aus dem Fenster und telefonierte.

Ihn nach all der Zeit zu sehen, raubte Katie den Atem. Doch offensichtlich hatte sie kaum Wirkung auf ihn. Im Gegenteil, er schien noch nicht einmal ihre Anwesenheit registriert zu haben, als wäre sie unsichtbar.

Katie stand einige Minuten da und knetete nervös ihre Finger. Wieso hatte die Sekretärin sie hereingebeten, wenn er noch gar nicht bereit war? Und wie konnte er es wagen, sie wie einen Niemand zu behandeln? Sie war Katie Devonworth. Sie hatte ihn in fast jeder Schachpartie geschlagen, die sie gespielt hatten. Sie wusste, dass er derjenige war, der Mrs. Watkins Fenster zerschmissen hatte. Sie wusste, dass er geweint hatte, als sein Vater ins Gefängnis musste. Sie wusste …

Jack drehte sich zu ihr um und legte lächelnd den Hörer auf. Er hatte sich in den letzten Jahren nur wenig verändert. Um seine Augen hatten sich kleine Fältchen gebildet, und in den Haaren vereinzelt graue Strähnen, doch seine Wirkung war umwerfend wie immer. Er war nach wie vor der attraktivste Mann, den Katie je gesehen hatte.

„Katie“, begrüßte er sie und kam um den Schreibtisch herum. „Freut mich, dich zu sehen.“

Ein elektrisierendes Gefühl durchzuckte sie, als er ihr die Hand gab. Obwohl die Berührung völlig unschuldig war, schlug ihr Herz schneller. „Freut mich auch“, brachte sie mühsam hervor und zog ihre Hand zurück.

„Ich war überrascht, von dir zu hören“, erklärte er in unverbindlichem Plauderton, als sei es das Natürlichste auf der Welt, sie wiederzusehen.

„Tja“, erwiderte sie und versuchte ebenso leichthin zu klingen, „ich war ohnehin in New York, deshalb dachte ich, warum nicht mal Jack anrufen und schauen, ob er sich mit dir zum Lunch trifft.“

„Ich bin froh, dass du es getan hast.“ Er betrachtete sie einen Moment. „Es ist lange her.“

Katie senkte den Blick. Was hatte er nur an sich, dass sie sich wie ein nervöses Schulmädchen benahm?

Jack deutete zur Tür und nahm seinen Mantel. „Gehen wir.“

„Das ist alles sehr beeindruckend“, bemühte sie sich unbeholfen um Konversation, während sie auf den Fahrstuhl warteten.

„Danke.“ Auf dem Weg nach unten fragte er: „Und? Was treibt dich in die Stadt?“

„Ein Treffen mit Anzeigenkunden“, log sie. Der Fahrstuhl hielt, und mehrere Leute stiegen zu. Alle grüßten Jack.

„Wie läuft die Zeitung?“, erkundigte er sich.

„Ganz gut.“ Sie hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. Das war nicht direkt eine Lüge. Die Berichterstattung war nie besser gewesen. Nur mit der Auflage haperte es.

„Da wären wir“, verkündete Jack, als der Fahrstuhl im Erdgeschoss hielt. Er nahm Katies Arm und führte sie hinaus. „Ich weiß ja nicht, was du geplant hast, aber ich fürchte, ich habe nicht viel Zeit. Nicht weit von hier gibt es ein italienisches Restaurant, falls du einverstanden bist.“

Katie war einverstanden. Insgeheim war sie froh, dass sie kein Restaurant aussuchen musste in einer Stadt, die sie kaum kannte. Sie gingen schweigend und erreichten schließlich ein kleines graues Gebäude mit roten Fensterläden.

„Das ist es“, sagte Jack. Drinnen wurden sie vom Manager begrüßt, der Jack sehr gut zu kennen schien. Er führte sie zu einem gemütlichen Tisch. Während sie die Speisekarte lasen, meinte Jack: „Die Hühnchen-Piccata ist sehr gut.“

Katie zog schlichtere Gerichte jedoch vor. „Wie sind die Spaghetti mit Hackklößchen?“

„Die Besten in der Stadt“, antwortete er. „Die nehme ich.“

„Dann nehme ich das auch“, erklärte sie und legte die Speisekarte weg. Als der Kellner kam, fragte Katie sich, ob die Unterhaltung mit ihrem alten Freund oberflächlich und seicht bleiben würde. Vielleicht hatten sie inzwischen nicht mehr gemeinsam als die Wahl des Hauptgerichts.

„Und?“, fragte Jack, nachdem sie bestellt hatten. „Wie läuft es in Newport Falls?“

„Bestens.“

„Es tat mir sehr leid, von deiner Mutter zu hören. Sie war ein wundervoller Mensch.“

Katie hatte nicht erwartet, dass er ihre Mutter erwähnen würde, die vor fast zehn Jahren gestorben war. Ihre Mutter hatte Jack und Matt geliebt und Katie prophezeit, dass sie einen von ihnen heiraten würde. Als sie von ihrer tödlichen Krankheit erfuhr, ermutigte sie Katie, schnell zu heiraten, damit sie noch an der Hochzeit teilnehmen konnte. Das war einer der Gründe gewesen, weshalb Katie Matt geheiratet hatte.

Zum Glück hatte ihre Mutter das Scheitern dieser Ehe nicht mehr miterleben müssen. Katie und sie hatten sich sehr nahe gestanden, und ihren Tod würde sie nie ganz verwinden. „Danke für die Blumen, die du geschickt hast.“

„Natürlich.“ Er wandte den Blick ab.

Zuerst war sie enttäuscht gewesen, dass Jack sie damals nicht angerufen hatte. Doch dann war der Schmerz Neugier gewichen. Matt hatte eine Theorie zu Jacks Verschwinden aus ihrem Leben: Jack hatte sich neu erschaffen und wollte niemanden mehr um sich haben, der ihn an seine Herkunft erinnerte.

Die Kellnerin stellte die mit Spaghetti und Fleischklößchen beladenen Teller auf den Tisch, dazu köstlich duftendes Knoblauchbrot.

Katie nahm ihre Gabel und fragte sich, wie sie essen sollte, ohne sich über und über mit Soße zu bekleckern.

Jack schien das nicht zu kümmern. Er drehte seine Spaghetti auf die Gabel und aß mit herzhaftem Appetit. „Was ist los?“, fragte er. „Brauchst du noch etwas?“

„Nein.“ Sie stach mit der Gabel in den Berg Spaghetti und schob sie sich in den Mund. Eine Nudel rutschte herunter, und sie saugte sie geräuschvoll wieder auf.

Jack grinste. „Keiner isst wie du, Devonworth.“

Katie bezweifelte, dass die Frauen, mit denen Jack ausging, überhaupt viel aßen. Die, mit denen sie ihn in den Zeitungen gesehen hatte, waren alle gertenschlank und perfekt gestylt gewesen. Na ja, dachte Katie, ich bin eine echte Frau und stolz darauf. Ich habe das nicht nötig. Sie brach ihr Knoblauchbrot entzwei und biss herzhaft hinein.

„Schmeckt es dir?“, erkundigte sich Jack.

Sie nickte.

„Es gibt viele tolle Restaurants in der Stadt, aber dieses hier hat etwas Besonderes. Es erinnert mich an ‚Maccaroni’s‘ zu Hause.“

„Ja, es ist gut“, bestätigte sie mit vollem Mund.

Jack grinste erneut.

Sie kaute zu Ende und sagte: „Aber ‚Maccaroni’s‘ gibt es nicht mehr. Es hat vor ein paar Jahren zugemacht.“ Dieses Restaurant war nicht das einzige Geschäft, das in Newport Falls der Wirtschaftskrise zum Opfer gefallen war. Jack würde die einst belebte Main Street nicht wieder erkennen. Viele der alten Läden waren verschwunden oder geschlossen.

„Tatsächlich? Das ist kaum zu glauben. Es war ewig da, nicht wahr?“

„So kam es mir jedenfalls vor“, bestätigte Katie.

Eine Weile sprach keiner von ihnen. Sie konzentrierten sich ganz auf das Essen. Doch Katie gelang es nicht, sich zu entspannen. Sie musste Jack um Geld bitten.

Schließlich sagte er: „Hast du jemals wieder von Matt gehört?“

Dann wusste er also von der Scheidung. Das überraschte sie nicht. Der Klatsch aus Newport Falls reichte weit über die Stadtgrenzen hinaus.

„Hin und wieder. Ich habe letzte Woche erst mit ihm gesprochen. Er meint, dass er bald nach Hause kommt.“

„Nach Hause?“

„Er ist auf den Bahamas.“ Eine Ehe ohne Leidenschaft war nicht das gewesen, was Matt erwartet hatte. Katie hatte ihn nicht wirklich geliebt, und das hatte er gespürt. Sie gab sich die Schuld daran, dass er anderen Frauen nachstellte und am Ende mit einer Sekretärin aus der Bank verschwand. Die Scheidung verlief einvernehmlich. Es gab weder Besitz noch Kinder, um die sie streiten konnten. Beide verließen die Ehe mit dem, was sie eingebracht hatten. Sie behielt die Zeitung und das Haus, er bekam seine Freiheit zurück.

„Bedeutet das, er kommt zu dir zurück?“

Katie rutschte nervös hin und her. Sie wollte nicht über dieses Thema sprechen. Nicht jetzt und auch sonst nicht. „Nein, das bedeutet, er kommt nach Newport Falls zurück. Wir sind seit fast drei Jahren geschieden.“

„Das tut mir leid.“

„Danke. Aber ich bin nicht hier, um über das Scheitern meiner Ehe oder mein Privatleben zu sprechen.“ Sofort bereute sie ihren Ton und die Wahl ihrer Worte.

Jack lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Katie sah, wie seine Wangenmuskeln sich anspannten. „Na schön, Devonworth“, begann er. „Oder soll ich dich O’Malley nennen?“

„Ich habe meinen Namen behalten. Aber du darfst mich Katie nennen.“ Sie, Matt und Jack hatten sich immer mit dem Nachnamen angeredet. Aber das war in ihrer Jugend gewesen. Die Dinge hatten sich geändert.

„Na schön, Katie. Wieso bist du hier?“

Katie wich seinem Blick aus. „Ich … ich habe mich gefragt, wie es dir wohl geht. Was du so machst und …“ Sie verstummte.

„Tatsächlich? Du hast mich noch kein einziges Mal gefragt, was ich mache. Außerdem wickelst du deine Haare mit einem Finger auf, wie du es früher immer getan hast, wenn dich etwas bedrückt hat.“

Aus den Augenwinkeln schaute sie auf ihren Finger, um den sie eine Haarsträhne gewickelt hatte.

„Langsam habe ich den Eindruck, dass dies mehr als nur ein privater Besuch ist“, meinte Jack.

„Na schön.“ Sie ließ die Hand sinken und beugte sich vor. „Meine Zeitung, ‚The Falls‘ …“

„Ich kenne den Namen deiner Zeitung.“

„Wir stecken in Schwierigkeiten. Wir brauchen dringend Geld.“

„Ich verstehe.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Und ich soll dir helfen.“

„Das hoffe ich.“

„Was ist passiert?“

„Wir haben unseren Hauptinserenten verloren, ‚Holland’s Kaufhaus‘.“

„Wieso?“

„Weil ‚Holland’s‘ im letzten Frühjahr Bankrott gegangen ist.“

„Holland’s“ war das einzige Kaufhaus in Newport Falls mit über zweihundert Angestellten. Viele Leute waren gezwungen gewesen, in Albany Arbeit zu suchen, das anderthalb Stunden entfernt lag. „Davor stieg die Auflage“, sagte sie wahrheitsgemäß.

„Dann stiegen die Einnahmen also?“

Irgendetwas an der Art seiner Frage verriet ihr, dass er die Antwort bereits kannte. „Nein“, gestand sie leise. „Ich habe nach Dads Tod einige Änderungen vorgenommen. Ich habe ein paar landesweit erscheinende Kolumnen aufgenommen und erfahrene Reporter eingestellt.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das kostet alles Geld.“

„Geld, das du nicht hast.“

Sie schluckte. „Ich habe mich schon um Kredite bemüht und wurde überall abgewiesen. Du bist meine letzte Hoffnung. Wenn ich nicht bald Geld bekomme, muss ich die Zeitung einstellen.“

„Wäre das so schlimm? Du bist eine gute Reporterin. Du könntest woanders arbeiten.“

„Ich will aber nirgendwo anders arbeiten“, entgegnete sie wütend. „Newport Falls ist mein Zuhause. Aber das ist es nicht allein. Mein Vater hat sein ganzes Leben dafür gearbeitet, diese Zeitung über Wasser zu halten. Ich habe sie jetzt seit elf Jahren, und ich, nun …“ Sie verstummte und holte tief Luft. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Fang bloß nicht an zu heulen. Hier geht es ums Geschäft. „Es geht nicht nur um mich“, fuhr sie fort. „Ich beschäftige fast dreihundert Leute. Kannst du dir vorstellen, was es für die lokale Wirtschaft bedeutet, wenn ‚The Falls‘ eingestellt wird?“

Er wandte den Blick ab.

Katie wusste seine Reaktionen noch immer genau einzuschätzen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass ihr Besuch reine Zeitverschwendung war. Er hatte kein Interesse daran, in eine Kleinstadtzeitung zu investieren, die nie viel Geld abwerfen würde.

Jack schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Devonworth – Katie“, verbesserte er sich sofort.

„Bitte Jack. Wir waren mal Freunde. Ich brauche deine Hilfe.“

Er sah sie an und zögerte. Wie aufs Stichwort klingelte sein Handy und bot ihm zweifellos die ersehnte Ablenkung. Seinen Worten nach zu urteilen sprach er mit jemandem aus seinem Büro. Dann hörte Katie ihn fragen: „Wie sieht mein Terminplan für morgen aus?“ Er wartete, warf Katie einen Blick zu und meinte: „Sagen Sie alles ab. Ich muss weg. Arrangieren Sie einen Flug nach Newport Falls. Das liegt außerhalb von Albany. Danke.“ Er legte auf und wandte sich an Katie. „Ich will sie mir ansehen.“

„Was?“

„Deine Zeitung natürlich. ‚The Falls‘.“

Früher war Jack ungefähr eine Million Mal dort gewesen. Bis auf einen neuen Anstrich hatte sich nichts verändert.

„Ich möchte einen von den tollen Reportern sprechen, die du engagiert hast“, fuhr er fort. „Ich will mit dem Leiter deiner Anzeigenabteilung reden und herausfinden, wie …“

„Leiterin“, unterbrach sie ihn.

„… wie ihre Strategie für die nächsten Jahre aussieht und was sie zur Umsatzsteigerung zu tun gedenkt.“

„Einverstanden.“

Er stand auf. „Ich bin um drei in deinem Büro.“

Sie schüttelte seine Hand und fand, dass er ihre einen Tick zu lange festhielt, während er hinzufügte: „Es ist schön, dich wiederzusehen, Katie.“

Draußen winkte er ihr ein Taxi heran. Sie stieg ein und sah noch einmal zu ihm auf. „Danke, Jack.“

Jack schluckte und bemühte sich, nicht auf ihre weichen, roten Lippen zu starren. Er warf die Tür zu und sah dem Taxi nach. Erst als es außer Sicht war, setzte er sich in Bewegung. Er ging jedoch nicht zurück in sein Büro, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Katie nach all den Jahren wiederzusehen machte ihn ganz benommen. Er musste einen klaren Kopf bekommen.

Jack hatte immer gehofft, sie aus seinen Gedanken verbannen zu können. Doch dass sie aus seinem Leben verschwunden war, bedeutete nicht, dass die Erinnerung ebenfalls verschwand. Katie war das Maß, an dem andere Frauen sich messen lassen mussten, der Geist, mit dem sie konkurrierten.

Nach ihrem Anruf hatte er sich gesagt, ein Treffen mit ihr sei harmlos. Sie hatte keine Macht mehr über ihn. Doch als sie heute in sein Büro marschiert war, zerplatzten all seine Hoffnungen, er könnte über Katie Devonworth hinweg sein. Das Mädchen seiner Träume hatte sich in eine unvorstellbar schöne Frau verwandelt. Ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar umrahmte ihre großen, ausdrucksvollen Augen. Sie war noch genauso schlank und sportlich wie auf der Highschool, jetzt jedoch mit Kurven an den richtigen Stellen.

Von dem Moment an, als er Katie sah, wusste er, dass er ihr gemeinsames Essen irgendwie überstehen und anschließend versuchen musste, sie wieder zu vergessen. Denn Katie hatte ihm vor langer Zeit klar gemacht, dass sie ihn nicht mehr liebte.

Wieder dachte er an den Tag am Fluss, als sie ihm ihre Gefühle gestanden hatte. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie ihre Lippen sich angefühlt, wie ihre Haut geduftet hatte.

Er hatte Katie über alles geliebt, und es hatte ihn enorme Überwindung gekostet, sie zu verlassen. Doch ihm war nichts anderes übrig geblieben. Er wusste nur zu gut, was passierte, wenn man der Liebe zu früh nachgab. Er selbst war das Ergebnis einer solchen Liaison.

Als sein Vater seine Mutter kennenlernte, war er neunzehn und im ersten Jahr auf dem College. Seine Mutter war erst sechzehn und besuchte noch die Highschool. Sie verliebten sich auf den ersten Blick und waren rasch unzertrennlich. Sie schworen sich ewige Liebe und waren entschlossen, ihr Leben miteinander zu verbringen. Junes Eltern waren nicht glücklich über diese Verbindung. Sie hatten gehofft, ihre einzige Tochter würde etwas Besseres finden als eine Waise, die auf Stipendien angewiesen war. Als June schwanger wurde, bat Robert ihre Eltern, sie heiraten zu dürfen. Doch ihre Eltern waren dagegen. Durch die Schwangerschaft ihrer Tochter in Verlegenheit gebracht, schickten sie sie kurzerhand fort, ohne Jacks Vater ihren Aufenthaltsort zu verraten.

Zu spät fand Robert heraus, dass sie bei einer Tante auf dem Land war. Sein Vater hatte seine Frau nie wiedergesehen. Als die Wehen bei June einsetzten, versuchte ihre Tante, das Kind allein auf die Welt zu holen. Seine Mutter starb bei der Geburt. Sein Vater nahm Jack und zog nach Newport Falls, doch er verzieh sich nie.

Jeden Tag seines Lebens war Jack an das Schicksal seiner Eltern erinnert worden. Er schwor sich, dass egal, wie sehr er Katie liebte und begehrte, er ihr um jeden Preis ein Schicksal wie das seiner Mutter ersparen wollte. Er musste ein Mann werden, wie Katie ihn verdiente; erst dann würden sie auch eine Zukunft haben.

Jack ging aufs College, entschlossen, etwas aus sich zu machen. Und erst wenn er es geschafft hatte, würde er die Frau heiraten können, die er liebte.

Dummerweise hatte er die Situation falsch eingeschätzt. Er hatte sich eingeredet, ihn und Katie verbände eine ganz besondere Beziehung. Aber das war ein Irrtum. Ziemlich zu der Zeit, als es gut bei ihm lief und er sich bereit für einen Heiratsantrag fühlte, heiratete sie seinen besten Freund.

Das hatte ihn geschockt. Wie konnte sie nur? Wenn sie nur ein Zehntel dessen für ihn empfunden hätte, was er für sie empfand, hätte sie sich niemals in die Arme eines anderen flüchten können.

Autor

Margaret Allison
Margaret Allison wuchs in den Vororten von Detroit, Michigan auf. Sie machte ihren Abschluss in Politikwissenschaften an der Universität in Michigan. Als eine Romantikerin im Herzen, begann sie nie eine politische Karriere. Anstelle davon machte sie ein Diplom in Malerei und ging auf die Suche nach Liebe und Abenteuer. Sie...
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