Riskantes Spiel der Herzen

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„Ja, ich will.“ Von Liebe keine Spur! Es ist eine Vernunftehe auf Zeit, die Carla mit dem attraktiven Franco Marchello schließt, weil ihre Unternehmen fusionieren. Bis Franco sie am Ufer des Comer Sees leidenschaftlich an sich zieht und heiß küsst. Plötzlich knistert es verheißungsvoll zwischen ihnen, und in der Hochzeitsnacht fühlt Carla sich geliebt wie nie zuvor in ihrem Leben. Aber am nächsten Morgen spricht Franco von einem schrecklichen Fehler und ist plötzlich eiskalt. Steht ihre Ehe vor dem Aus, bevor sie richtig begonnen hat?


  • Erscheinungstag 22.02.2022
  • Bandnummer 042022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509527
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Jetzt trug sie die Verantwortung für das Unternehmen.

Dabei war das nie ihr Ziel gewesen. Carla Falco hatte es genügt, im Hintergrund zu arbeiten.

Dennoch saß sie nun im Chefsessel, und es war an der Zeit, ihren Namen von der Gehaltsliste des Imperiums „Falco’s Fresco Ristorante“ zu streichen. Sie ging gerade die umfangreichen Anforderungen für die Auszahlung eines Unternehmerlohns durch, um sich zu vergewissern, dass alles seine Richtigkeit hatte, als plötzlich die Tür zu ihrem Büro aufgerissen wurde.

Sie blickte auf und sah ihren Vater mit großen Schritten den Raum betreten. Für einen Mann, der innerhalb eines Jahres zwei Herzinfarkte erlitten hatte, sah er erstaunlich vital aus, auch wenn er missmutig die Stirn in Falten gelegt hatte.

Er sollte überhaupt nicht hier sein, sondern zu Hause, um sich – dem Rat seiner Ärzte folgend – vorsichtigem Sport und einer gesunden Ernährung zu widmen. Vor allem aber sollte er sich ausruhen und sich nicht um das Familienunternehmen kümmern. Das war jetzt ihre Aufgabe.

„Wie konntest du das nur tun?“, fragte er mit dröhnender Stimme.

Carla stand auf und ging ihm entgegen. Sie sah, dass Rosa, ihre Assistentin, sie mit besorgtem Blick anschaute, und lächelte ihr beruhigend zu, bevor sie die Tür zum Vorzimmer schloss.

Dann wandte sie sich ihrem Vater zu. „Ich nehme an, du sprichst davon, dass ich die Expansion nach Sizilien gestoppt habe.“

„Ja. Ich habe dir doch gesagt, dass ich dort bauen will.“

„Nachdem ich mir die Zahlen angesehen und mit unseren Abteilungsleitern gesprochen habe, musste ich mich dagegen entscheiden. Wir müssen uns auf unseren Bestand konzentrieren. Viele unserer Restaurants sind in die Jahre gekommen und benötigen dringend eine Modernisierung.“

Ihr Vater bekam einen knallroten Kopf. Er war so wütend, dass er kein Wort hervorbrachte. Carla hatte gewusst, dass er über ihre Entscheidung nicht besonders glücklich sein würde, jedoch gehofft, er würde so bald nichts davon erfahren. Genau genommen hatte sie alles darangesetzt, diese Information vor ihm geheim zu halten, doch anscheinend gab es in der Firma einen Maulwurf, was sie kaum überraschte.

Sie trat neben ihren Vater und deutete auf die beiden schwarzen Ledersessel vor ihrem Schreibtisch.

„Setz dich“, forderte sie ihn auf.

Zunächst reagierte er nicht, doch dann ging er um den Tisch herum und ließ sich auf ihrem Drehstuhl nieder.

„Was tust du da?“

„Die Unternehmensführung wieder übernehmen. Deine Dienste werden nicht länger benötigt.“

Ihr klappte der Mund auf, während sie zu verstehen versuchte, was hier vor sich ging.

„Heißt das etwa, du feuerst mich?“, fragte sie ungläubig.

Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Ich gebe dir lediglich Zeit, dich um dein Leben zu kümmern.“

„Aber das hier ist mein Leben.“

„Nein. Es ist meins. Du musst dein eigenes erst noch finden“, gab er mit fester Stimme zurück.

„Aber dein Zustand lässt es überhaupt nicht zu, dass du wieder arbeitest. Du solltest zu Hause sein und dich ausruhen.“

„Ich habe mich ausgeruht und die Nase voll davon.“

Seine Auffassung von Ausruhen unterschied sich deutlich von Carlas. Er tauchte jeden Tag im Büro auf, um ihr über die Schulter zu sehen und jede ihrer Entscheidungen infrage zu stellen. Wenn sie sich nicht schnell etwas überlegte, würde sie nie den Respekt der Angestellten gewinnen, die jetzt ihr unterstanden und nicht ihrem Vater. Sie würde als Geschäftsführerin versagen – und das geliebte Unternehmen ihres Vaters in Schwierigkeiten geraten.

Außerdem regte er sich jedes Mal über irgendetwas auf, wenn er ins Büro kam, obwohl er sich stattdessen doch um seine angeschlagene Gesundheit kümmern sollte.

Ihre Gedanken rasten. Sie musste eine Lösung finden.

Nichts war ihrem Vater wichtiger, als dass sie endlich heiratete. Darüber hatte sie in letzter Zeit immer öfter nachgedacht. Vielleicht war es an der Zeit, ihm einen Deal vorzuschlagen.

„Wie wäre es, wenn ich dir ein Angebot mache?“ Sie wusste, wie er zu ködern war.

Er schwieg einen Moment. Offenbar versuchte er zu erraten, was sie vorhaben mochte.

„Was für ein Angebot?“, fragte er dann.

„Ich könnte einwilligen, zu heiraten.“

Interesse flackerte in seinem Blick auf.

„Das wäre ja auch höchste Zeit. Wer ist es? Fernando, mit dem wir gestern Abend gegessen haben?“ Ihr Vater rieb sich das Kinn. „Oder Edwardo?“

„Nicht so voreilig.“ Sie hatte ihn am Haken. Nun musste sie nur noch dafür sorgen, dass es so blieb.

„Diesen Blick kenne ich.“ Die Augen ihres Vaters verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Du führst doch etwas im Schilde.“

„Ich benehme mich lediglich wie eine Geschäftsfrau.“

Er schnaubte. „Überlass das Geschäft mir. Du solltest dich um anderes kümmern.“

„Ach ja, die Hochzeit. Was bist du zu opfern bereit, damit ich heirate?“

„Opfern?“ Seine schockierte Stimme hallte von den hohen, mit Aquarellen verzierten Wänden wider. „Was forderst du im Gegenzug?“

„Ich will, dass du mir die Führung des Unternehmens für …“, rasch überschlug sie, wie viel Zeit sie für die Umsetzung ihrer Pläne benötigen würde, „… ein Jahr überlässt.“

Er reagierte nicht, zuckte nicht einmal mit den Wimpern, sah sie einfach nur an. Doch Carla kannte ihren Vater gut genug, um zu wissen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Sicher versuchte er herauszufinden, wie er die Dinge zu seinen Gunsten wenden und alles, was er wollte, bekommen könnte. Doch es würde nicht funktionieren. Nicht dieses Mal.

„Kein Jahr.“ Er schüttelte den Kopf. „Einen Monat.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. In Sachen Sturheit konnte sie es mit ihm aufnehmen.

„Ein Monat würde nicht einmal ausreichen, um das Büro hier zu renovieren“, argumentierte sie.

„Du willst das Büro verändern?“ Er zog die grauen Augenbrauen hoch. „Mir gefällt es so, wie es ist.“

„Nein, will ich nicht.“ Carla seufzte. „Das war nur ein Beispiel. Du weißt genau, was ich meine. Ich brauche mehr als einen Monat, und du brauchst Zeit, um gesund zu werden.“

Ein weiteres Mal schüttelte er den Kopf. „Wenn du heiratest, solltest du dich auf deinen Ehemann konzentrieren und nicht deine ganze Zeit im Büro verbringen.“

„Überlasse die Organisation von Ehe und Arbeit ruhig mir. Aber da du ja keine Lust hast zu verhandeln, hat sich die Sache ohnehin erledigt. Ich habe noch zu tun. Fahr du nach Hause.“ Sie wandte sich zur Tür. Im Stillen betete sie darum, dass er sie aufhielt. „Der Arzt hat dir schließlich noch nicht erlaubt, wieder zu arbeiten.“

Gemessenen Schrittes ging sie zur Tür. Kurz überlegte sie, ob sie stehen bleiben und etwas sagen sollte, doch ihr Vater war ein gewiefter Pokerspieler. Einen Bluff würde er mühelos durchschauen.

Dabei bluffte sie gar nicht. Wenn er in den Deal einwilligte, würde sie heiraten. Der Gedanke erfüllte sie mit Angst, doch darum würde sie sich kümmern, wenn es so weit war.

„Okay.“ Sein resignierter Tonfall verriet Carla, dass sie gewonnen hatte. „Drei Monate.“

Sie blieb nicht sofort stehen, sondern zögerte einige Sekunden, als würde sie nachdenken. Denn er mochte zwar ihr Vater sein, doch er war auch Geschäftsmann durch und durch.

Sie brauchte Zeit, um ihre Pläne für die Modernisierung der Restaurantkette umzusetzen. Sie hatte schon mit mehreren ihrer Führungskräfte darüber gesprochen. Es würde dauern, Hunderte von Restaurants auf den neuesten Stand zu bringen.

Carla drehte sich zu ihm um.

„Sechs Monate“, verlangte sie. Das würde reichen, um eine Strategie zu entwickeln und mit den ersten Restaurants anzufangen. Als ihr Vater ansetzte, sie herunterzuhandeln, kam sie ihm zuvor. „Sechs Monate, keinen Tag weniger, oder der Deal ist null und nichtig. Und ich möchte das Ganze schriftlich haben.“

Da lächelte ihr Vater.

„Du bist eindeutig meine Tochter. Gut gepokert“, lobte er. „Und wer ist jetzt der Glückliche, den du heiraten wirst?“

„Alles zu seiner Zeit. Jetzt setzen wir zunächst mal den Vertrag auf. Der Rest kommt später.“

Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, welche Konsequenzen ihr Deal haben würde. Sie würde heiraten, und zwar einen Mann, den sie nicht liebte. Sie hatte ein Problem.

1. KAPITEL

Zwei Wochen später

„Heirate mich.“

Sie saßen in einem kleinen Restaurant am Stadtrand von Verona. Wortlos öffnete Franco Marchello den Mund. Er wusste nicht mehr, was er eigentlich hatte sagen wollen. Er musste sich verhört haben. Dass Carla Falco ihm gerade einen Antrag gemacht hatte, war nämlich ausgeschlossen.

Doch er hatte gesehen, wie ihre schimmernden roten Lippen sich bewegt hatten. Er musste die Wörter, die sie gesagt hatte, durcheinandergebracht haben.

Was könnte sie stattdessen gemeint haben? Berate mich? Verrate mich?

Aber auch das ergab keinen Sinn.

Franco schluckte. „Entschuldige bitte, was hast du gerade gesagt?“

Carla lächelte nicht, vielmehr sah sie sehr ernst aus. So, wie er sie sich am Verhandlungstisch vorstellte.

„Ich habe dich darum gebeten, mich zu heiraten.“

Also hatte Franco sich doch nicht verhört. Er hatte allerdings keine Ahnung, warum Carla ihm einen Antrag machte.

Sicher, sie beide hatten sich auf der Hochzeit seines Bruders am Comer See vor einigen Wochen gut unterhalten. Beide waren sie Trauzeugen gewesen, doch mehr, als dass sie miteinander getanzt und gelacht hatten, war da nicht gewesen. Er hätte nichts dagegen gehabt, wenn es anders gewesen wäre, aber Carla hatte all seine Annäherungsversuche abgeblockt.

Wieso hatte sie ihre Meinung jetzt geändert?

Eine Woche nach der Hochzeit hatte er sie zum Abendessen eingeladen. Sie hatte gezögert, bis er sie davon überzeugt hatte, dass es sich um ein reines Geschäftsessen handeln würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihn bereits einmal abgewiesen, und er hatte nicht vorgehabt, diese Erfahrung ein zweites Mal zu machen, egal wie schön er Carla fand und wie verlockend ihre Lippen. Also hatte er ihr deutlich klargemacht, dass es ihm bei der Einladung allein um ein für beide Seiten einträgliches Geschäftsabkommen gehen würde.

Beim Essen hatte er ihr dann die Gründe dargelegt, aus denen sie „Marchello Küchenkräuter und Gewürze“ wieder in den Restaurants ihrer Familie platzieren sollte. Sie hatte erwidert, dass sie dazu nicht befugt sei. Ihr Vater bestimme noch immer über alles, was im Familienunternehmen vor sich gehe.

Doch Franco hatte sie neugierig gemacht, sodass sie versprochen hatte, sich die Projektpläne und Prognosen anzusehen. Wenn sie erst einmal das Potenzial entdeckte, das er selbst in den Zahlen sah, würde sie Francos Vorschlag nicht ignorieren können. Mit Carla hätte er endlich einen Fuß in der Tür, nachdem ihr Vater sich mehrmals geweigert hatte, sich mit Franco zu treffen – und das nur wegen eines alten Streits, den er vor vielen Jahren mit Francos Großvater gehabt hatte.

An jenem Abend hatten Carla und er sich vor dem Restaurant voneinander verabschiedet, mehr war nicht gewesen. Oder hatte man ihm vielleicht etwas in sein Getränk gegeben? Hatte er einen kompletten Blackout gehabt und konnte sich an die wilde Liebesnacht mit ihr einfach nicht mehr erinnern – an irgendetwas, was diesen mehr als unerwarteten Antrag erklärte?

Heiraten kam für ihn nicht infrage, niemals. Er war ein Marchello, und die waren berüchtigt dafür, wenig zur Ehe zu taugen. Das hatte man bei seinen Eltern gesehen.

Andererseits hatte sein jüngerer Bruder gerade erst geheiratet. Dadurch waren Franco und Carla sich überhaupt erst nähergekommen.

Er durchforstete sein Gehirn nach den richtigen Worten.

„Wieso möchtest du unbedingt heiraten?“, fragte er schließlich.

Er formulierte die Frage absichtlich allgemein. Vielleicht wollte sie einfach jemanden ehelichen, egal wen, und er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort.

Sie blickte aus dem Fenster.

„Ich hätte es vielleicht besser ausdrücken sollen“, räumte sie ein.

„Vielleicht?“ Er schwieg, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Jetzt, da der Schock nachgelassen hatte, war er neugierig zu erfahren, um was es hier eigentlich ging.

Sie spielte mit dem Teelöffel auf ihrer Untertasse. „Meinem Vater geht es nicht gut.“

„Ich habe von seinem Herzinfarkt gehört. Was sagen die Ärzte?“

„Sie haben ihn gewarnt. Wenn er es nicht ruhiger angehen lässt und seine Ernährung nicht umstellt, ist die Prognose nicht allzu rosig.“

„Tut mir leid, das zu hören.“ Allmählich glaubte er zu verstehen. „Und jetzt willst du heiraten, um ihn glücklich zu machen, falls ihm etwas zustößt?“

„Nein, ich möchte heiraten, damit ihm eben nichts zustößt.“

Franco hatte nicht die leiseste Ahnung, was das alles mit ihm zu tun hatte. Soweit er wusste, hasste ihr Vater nicht nur ihn, sondern seine ganze Familie.

„Aber du hast doch bestimmt einen Freund, den du heiraten kannst“, mutmaßte er.

„Wenn das so wäre, glaubst du allen Ernstes, ich würde dich fragen?“

„Unsere Familien hassen einander.“ Franco schüttelte den Kopf. „Ich halte das für eine ziemlich schlechte Idee.“

Früher einmal waren sein Großvater und Carlas Vater Freunde gewesen, hatten in ihrem Privatklub Karten miteinander gespielt. Dann aber hatte Carlas Vater zu trinken angefangen, und sein Verhalten am Spieltisch war außer Kontrolle geraten – so sehr, dass er fast sein Unternehmen verloren hätte. In dem verzweifelten Versuch, diesen Verlust abzuwenden, hatte Carlo Falco beim Kartenspiel betrogen. Die beiden Männer hatten nie wieder ein Wort miteinander gesprochen.

Carla verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn dein Großvater keine Lügen über meinen Vater verbreitet hätte …“

„Das hat er nicht.“ In letzter Sekunde hielt Franco sich zurück, denn wenn er die Wahrheit sagte, würde er Carla wehtun, und das hatte sie nicht verdient.

Sie liebte ihren Vater und war blind für seine Fehler. Wer war er, ihr das nehmen zu wollen? Franco wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, ohne die Liebe eines Vaters zu leben. Er wollte nicht derjenige sein, der einen Keil zwischen Carla und Carlo trieb.

Sie sah ihn an und hob eine Augenbraue. „War ja klar, dass du auf der Seite deines Großvaters stehst.“

„Ich bin nur etwas irritiert. Wieso möchtest du, dass wir heiraten?“ Er sah sie an, bis sie den Blick abwandte.

„Mein Vater weigert sich, mich das Unternehmen so führen zu lassen, wie ich es für richtig halte, obwohl ich Betriebswirtschaft studiert habe. Ihm ist es wichtiger, einen passenden Ehemann für mich zu finden – jemanden, der ihn beerbt und später seine Firma weiterführt.“

„Und du glaubst, derjenige könnte ich sein, während ich mich gleichzeitig um unser eigenes Familienunternehmen kümmere?“

Sie verzog ihr wunderschönes Gesicht und sah ihn wieder an. „Ganz sicher nicht.“

„Dann verstehe ich es immer noch nicht.“

Carla seufzte und sah hinaus auf die belebte Piazza. „Mein Vater will mir die Unternehmensführung nicht übertragen, obwohl er gerade einen schweren Herzinfarkt hatte. Stattdessen führt er mir einen Mann nach dem anderen vor, in der Hoffnung, dass ich schon einen von ihnen heiraten werde.“

„Also hatte ich recht.“ Auf der Hochzeit seines Bruders hatte er sie vor den Verkupplungsplänen ihres Vaters gewarnt.

„Ja. Ich habe ihn darauf angesprochen, und die Gerüchte stimmen.“ Sie klang nicht besonders glücklich darüber. „Mit der Kuppelei hat er schon vor dem Herzinfarkt angefangen, aber jetzt übertreibt er es allmählich. Deshalb habe ich einen Deal mit ihm ausgehandelt, damit er mich in Ruhe lässt und ich mir selbst einen Mann aussuchen kann – und um ihn davon zu überzeugen, dass ich in der Lage bin, unser Unternehmen zu führen. Laut unserer Vereinbarung habe ich bis zum Ende des Jahres Zeit, um zu heiraten. Habe ich bis dahin noch keinen Ehemann, ist der Deal null und nichtig. Aber ich will keine Zeit mit Formalitäten verlieren. Sobald ich verheiratet bin, kann ich ‚Falco’s Fresco Ristorante‘ sechs Monate lang so führen, wie ich es für richtig halte.“

„Du hast einen Heiratsvertrag mit ihm geschlossen?“ Franco wusste nicht, ob er Carla bewundern oder sich Sorgen um sie machen sollte.

„So in der Art. Und mit den besten Absichten.“ Sie sah ihn aus ihren großen braunen Augen an. „Also, wie sieht es aus? Willst du mich heiraten?“

In Carlas Magen hatte sich ein Knoten gebildet.

Sie konnte nicht glauben, dass sie wirklich in diese unmögliche Lage geraten war. Niemals hätte sie geglaubt, dass sie einmal wegen der Firma heiraten würde, nicht aus Liebe. Aber sie befürchtete, dass sich ihr Vater im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode arbeiten würde, wenn sie einen weniger drastischen Weg ging. Bei dieser Vorstellung zog sich ihr Herz zusammen.

Und obwohl sie einen Mann heiraten würde, den ihr Vater zutiefst ablehnte, wusste sie, dass er, wenn er Franco erst einmal eine Chance gab, dasselbe sehen würde wie sie, nämlich, dass Franco ein guter Mensch war. Wäre er nicht jemand, dem sie vertraute und den sie respektierte, hätte sie ihm niemals diesen irrwitzigen Vorschlag unterbreitet.

Ein Handy brummte.

Als sie auf den Tisch blickte, sah sie ihres bewegungslos und mit dunklem Display dort liegen. Es war Francos Smartphone, das sich gemeldet hatte. Sie besaßen beide dasselbe Modell. Sie richtete den Blick auf ihn. Er saß da und starrte aus dem Fenster.

Sein Handy brummte von Neuem. Als er sich noch immer nicht regte, sprach sie ihn an.

„Franco, es ist für dich.“

Damit riss sie ihn aus seinen Gedanken, und er griff nach seinem Mobiltelefon. Sie nutzte die Gelegenheit, um ihn zu betrachten. Er hatte kurze, dunkle Locken und war frisch rasiert. Der Blick aus seinen braunen Augen konnte so intensiv sein, dass sie glaubte, er könne direkt in sie hineinsehen. Seine Nase war aristokratisch und sein Mund so geformt, dass sie ihn gerne geküsst hätte – was sie aber noch nie getan hatte.

Während er hastig ein paar Textnachrichten schrieb, setzte sie ihre Musterung des Mannes vor, dem sie gerade einen Heiratsantrag gemacht hatte. Er hatte breite, muskulöse Schultern und einen athletischen Oberkörper. Und dann waren da diese Hände mit den langen, schlanken Fingern. Ihre Mutter, die vor ihrer Hochzeit selbst Konzertpianistin gewesen war, hätte gesagt, er habe die Hände eines Klavierspielers, wenn Carla auch gewettet hätte, dass er nicht einmal Noten lesen konnte.

Schließlich schob Franco das Telefon in die Tasche seines Jacketts und sah Carla an.

„Entschuldige bitte, es ging um etwas Geschäftliches“, erklärte er.

„Kein Problem.“ Sie nickte verständnisvoll. „Ich weiß, dass dir eure Firma genauso wichtig ist wie unsere mir.“

Seine Augen leuchteten auf. „Das haben wir tatsächlich gemeinsam. Aber es scheint, als hättest du die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, anders gedeutet als ich …“

„Nein, das habe ich nicht.“ Ihr Gesicht begann zu glühen, denn offenbar glaubte er, sie wäre tatsächlich in ihn verliebt – dabei war nichts weiter von der Wahrheit entfernt. „Ich gebe mich keinen Illusionen darüber hin, wie unsere Ehe aussehen würde.“

Er sah sie aus zusammengekniffenen Augen an.

„Dann bist du also nicht in mich verliebt?“, vergewisserte er sich.

Ohne es zu wollen, musste Carla laut lachen. Sicher, Franco war ein umwerfender Mann, aber er hatte einen großen Fehler: Er war wie ihr Vater und konnte an nichts anderes denken als an das Geschäft. Und sie hatte eigentlich überhaupt keine Lust, jemals zu heiraten.

„Natürlich nicht. Hast du das etwa wirklich geglaubt?“

Er zuckte mit den Schultern. „Das ist normalerweise der Grund, aus dem Menschen heiraten.“

„Wir sind eben keine normalen Leute, oder?“

„Egal. Ich heirate nicht, weder dich noch sonst eine Frau“, schwor er mit fester Stimme.

Doch so schnell würde Carla nicht aufgeben.

„Hör zu, ich weiß, dass der Vorschlag ein bisschen überraschend kommt – okay, wahrscheinlich ist es sogar ein ziemlicher Schock“, räumte sie ein. „Aber verwirf ihn nicht so einfach. Eine Ehe würde uns beiden Vorteile bringen.“

Ohne etwas zu sagen, schaute er sie an, als wollte er in sie hineinsehen und ihre geheimsten Gedanken lesen. Doch so nahe würde sie ihn nicht an sich heranlassen.

Schon einmal hatte ein Mann ihr das Herz gebrochen, ihre Jugendliebe. Matteo war der begehrteste Student an der Universität gewesen, und sie kam aus der besseren Gesellschaft und hatte genau die richtigen Verbindungen.

Matteo hatte es unbedingt in der Politik zu etwas bringen wollen, und obwohl Carla mehr sein wollte als die Gattin eines Politikers, hatte sie eingewilligt, ihn zu heiraten. Ihr Vater war hocherfreut gewesen. Nach dem Studienabschluss hatten Matteo und sie die Hochzeit verschoben, um sich dem Wahlkampf zu widmen.

Es war ein aufreibendes Jahr gewesen, voller öffentlicher Auftritte, wichtiger Abendessen und Interviews. Carla hatte das Gefühl gehabt, ihr ganzes Leben würde vor aller Augen offengelegt.

Doch die Presse hatte sich nicht nur auf sie gestürzt, sondern auch Matteos Falschheit aufgedeckt. Die Geschichte über die Affäre mit seiner Wahlkampfleiterin hatte es auf alle Titelseiten geschafft, zusammen mit den Fotos, auf denen die beiden sich küssend in den Armen lagen.

Allein die Erinnerung daran ließ Carla innerlich erschauern. Nie wieder würde sie sich so verwundbar machen.

Sie schüttelte die unangenehmen Gedanken ab. Sie war keine blauäugige Studentin mehr, die an die Liebe glaubte. Heute wusste sie ihr Herz zu schützen und dachte sehr viel pragmatischer als früher.

Selbst wenn Franco der mit Abstand attraktivste Mann war, dem sie je begegnet war, hatte sie nicht vor, sich auf ihn einzulassen. Hier ging es um eine Geschäftsvereinbarung und nichts anderes.

Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Was für Vorteile?“

„Wenn ich heirate, übernehme ich für sechs Monate die alleinige Führung des Unternehmens. Während dieser Zeit kann mein Vater keinen Einspruch gegen meine Entscheidungen erheben.“

In Francos Blick flackerte Interesse auf.

„Und was würde für mich dabei herausspringen?“, hakte er nach.

„Ich weiß, dass du eure Produkte wieder auf allen Tischen der Falco-Kette sehen willst – und das sind viele Tische, viel mehr als zu der Zeit, als unsere Familien zusammengearbeitet haben.“

„Und du hättest die Macht, das umzusetzen.“

Carla nickte. „Sobald ich verheiratet bin, habe ich das verbriefte Recht dazu.“

Francos Augenbrauen wanderten nach oben. Ihr ganz und gar irrwitziger Vorschlag hatte seine volle Aufmerksamkeit.

Sie unterdrückte ein Lächeln. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um zu triumphieren. Viel wichtiger war, dass sie ihrem Vater half – wenn er auch zu stur war, um das zu verstehen.

2. KAPITEL

Eine Heirat kam überhaupt nicht infrage, es wäre die reine Selbstzerstörung. Und doch war Carlas Vorschlag äußerst verlockend …

Franco konnte selbst nicht glauben, dass er nicht nur ernsthaft darüber nachdachte, sie zu heiraten, sondern sogar versucht war, Ja zu sagen.

Dass er hungrig gewesen war, hatte er längst vergessen. Auch Carla hatte ihren halbvollen Teller zur Seite geschoben. Anscheinend war ihnen beiden der Appetit vergangen. Er bezahlte die Rechnung, und sie traten vor die Tür.

Als Carla sich für heute Abend mit ihm verabredet hatte, war er davon ausgegangen, dass es darum gehen würde, die Marchello-Gewürze in die Restaurants ihrer Familie zurückzuholen.

Die Kette war die größte und bekannteste in ganz Italien. Es hatte Jahrzehnte gedauert, sie dorthin zu führen, doch es war den Falcos gelungen. Und Franco war geneigt zu glauben, dass auch seine Familie etwas mit diesem Erfolg zu tun hatte, denn es waren ihre Kräuter und Gewürze, die bis vor einigen Jahren in den Restaurants benutzt worden waren.

Aber warum musste das Wohlergehen ihrer Unternehmen gerade von einer Heirat abhängen?

Während sie die Straße entlanggingen, fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar. Es musste doch eine andere Lösung geben, etwas anderes, was ihnen beiden half.

Er blieb stehen und wandte sich Carla zu, sah in ihre faszinierenden braunen Augen. Fast hätte er vergessen, was er sagen wollte. Ihre Schönheit war wirklich einzigartig, und sie bedurfte keines Make-ups.

Ihr Gesicht war herzförmig, die Augen groß und dunkel, die Wimpern lang und dicht. Sie hatte hohe Wangenknochen und einen sinnlichen Mund. Ja, sie war wirklich betörend, doch davon würde er sich nicht ablenken lassen. Hierbei ging es um zu viel.

Franco schluckte. „Legt die Abmachung mit deinem Vater fest, dass du ausgerechnet mich heiraten musst?“

„Natürlich nicht. Mein Vater hasst deine Familie.“

Dass sein Großvater dasselbe für Carlas Vater empfand, behielt Franco für sich. Allerdings musste er an die Warnung seines Nonnos denken. Der hatte gesagt, den Falcos könne man nicht trauen. Ging es Carla vielleicht um mehr als eine geschäftliche Vereinbarung?

„Ich schlage vor, du heiratest jemand anderen“, sagte er, obwohl ihm die Vorstellung, dass Carla einem anderen Mann das Jawort gab, nicht besonders gut gefiel. Um ehrlich zu sein, gefiel sie ihm sogar überhaupt nicht. „Danach steht es dir frei, mit unserem Unternehmen zusammenzuarbeiten.“

„Darüber habe ich auch nachgedacht.“ Sie hielt inne.

„Und?“

Als ihre Blicke sich trafen, war ihr Gesichtsausdruck verschlossen. „Einem anderen Mann traue ich nicht.“

„Aber mir schon? Vielleicht solltest du darüber mit deinem Vater sprechen.“ Er war sich sicher, dass Carlo Falco seiner Tochter diese verrückte Idee ausreden würde.

Sie trat einen Schritt auf ihn zu. „Dir kann ich vertrauen, weil du es ganz und gar ablehnst zu heiraten.“

„Und was hat das hiermit zu tun?“

„Es bedeutet, dass du keine Schwierigkeiten machen wirst, wenn es an der Zeit ist, die Verbindung wieder zu lösen. Du wirst dir keine Illusionen machen, es könne bei diesem Arrangement um mehr gehen als um das, was wir heute vereinbaren.“

In Carla schien mehr zu stecken, als er vermutet hatte. Die kühle und berechnende Geschäftsfrau war eine Seite an ihr, die er noch nie bemerkt hatte, und er wusste nicht genau, wie er darauf reagieren sollte. Zumindest ein Teil von ihm zollte ihr Respekt dafür, dass sie bereit war, für das Familienunternehmen so weit zu gehen. Zum Glück war er selbst noch nie zu so etwas gezwungen gewesen – nun, bisher jedenfalls nicht.

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