Riskantes Spiel mit dem feurigen Spanier

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Camilla ist am Boden zerstört. Nach dem Tod ihres Vaters kauft ausgerechnet Milliardär Matías Navarro ihre hochverschuldete Ranch auf. Das Problem? Der erfolgreiche Rennstallbesitzer stellt keine Frauen ein! Um trotzdem in der Nähe ihrer Pferde zu sein, verkleidet sie sich als Stallbursche. Dass Matías sie für ihre Arbeit schätzt, ist eine Sache, aber dass ihr Herz in seiner Nähe verrücktspielt, eine ganz andere. Doch dann fliegt ihre Maskerade auf, und der aufregende Spanier macht ihr einen Antrag. Aber warum flüstert er kein: "Te quiero, mi corazón"?


  • Erscheinungstag 04.06.2019
  • Bandnummer 2390
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712228
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Camilla Alvarez sah in den Spiegel und betrachtete ihre eher unscheinbaren Züge. Sie war eindeutig eine Frau, das konnte man nicht leugnen, auch wenn sie selbst sich nicht unbedingt als klassische Schönheit bezeichnen würde. Doch für Matías Navarro gäbe es keinen Zweifel – sie war eine Frau.

Sie hatte viel geweint, ihre Wangen waren noch feucht, und in ihren dunklen Augen glänzten noch mehr Tränen. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Zuerst hatte sie völlig unerwartet ihren Vater durch einen Herzinfarkt verloren, und nun verlor sie auch noch die Ranch und all ihre Pferde.

Die Pferde waren ihr Herzblut, ihr Leben. Es brach ihr das Herz.

Doch sowohl die Ranch als auch die Pferde standen nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters zum Verkauf, um seine Schulden zu begleichen. Vermutlich unterzeichnete Matías Navarro gerade in diesem Augenblick den Kaufvertrag für das Anwesen. Die Pferde hatte er ja bereits abgeholt.

Matías Navarro war der stärkste Konkurrent ihres Vaters gewesen. Seine Rennpferde waren die einzigen, die es mit denen der Alvarez-Ranch aufnehmen konnten.

Und jetzt gehörten ihm alle.

Niemand hatte gewusst, wie es um die Finanzen ihres Vaters stand. Es hatte immer den Anschein gehabt, als wären sie sehr wohlhabend – doch die angeblichen Millionen, die ihre Familie besaß, waren nichts als Rauch und heiße Asche gewesen. Auf der Ranch lastete eine hohe Hypothek, und ihr Vater war mit allen Ratenzahlungen in Verzug.

In Wahrheit waren sie tief verschuldet.

Camilla musste sich nicht einmal fragen, wie das passieren konnte, denn sie kannte ihren Vater nur zu gut. Cesar Alvarez war ein Idealist gewesen. Er hatte sich hervorragend um die Ranch, die Pferde und die Arbeiter gekümmert, alles andere war ihm nicht so wichtig gewesen. Die Situation hatte ihm nicht gefallen, also hat er sie einfach ignoriert.

Nach seinem Tod hatten die Gläubiger nicht aufgehört, Camilla zu bedrängen. Ihre Mutter hatte sich nach Frankreich abgesetzt, um Trost und Schutz bei einem ihrer Liebhaber zu suchen. Sie hatte nie einen Hehl aus ihren vielen Affären gemacht, und jetzt, nachdem Cesar so plötzlich verstorben war, sah sie sich vermutlich noch darin bestätigt, sich auf diese Art abgesichert zu haben.

Die meiste Zeit in ihrem Leben hatte Camilla alleine mit ihrem Vater verbracht. Ihre Mutter, eine amerikanische Erbin, war nur sehr selten zu Hause gewesen. Sie behauptete immer, dass das ruhige Leben auf dem Land einfach nichts für sie war, und hatte weder für Pferde noch für die trockene spanische Landschaft etwas übrig.

Für Camilla bedeuteten die Ranch und die Pferde jedoch alles.

Ihr Vater hatte ihr immer viel Freiheit gelassen, und so war sie meistens barfuß umhergelaufen und hatte stundenlange Ausritte auf dem Anwesen und auch über dessen Grenzen hinaus durch die wundervolle Landschaft unternommen.

Doch nun war alles vorbei. Als die Mitarbeiter von Matías Navarro die Pferde vom Hof geführt hatten, hatte Camilla sie angefleht, mitkommen zu dürfen, damit sie wenigstens bei ihren Pferden bleiben konnte. Sie hätte jede Arbeit verrichtet, jeden Job angenommen, nur um in ihrer Nähe sein zu können.

Doch der Mann mit dem verschlossenen Gesicht, der gerade ihren Lieblingshengst Fuego in den Anhänger geführt hatte, hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt, dass Matías generell keine Frauen einstellte.

Tatsächlich hatte sich unter den Mitarbeitern keine einzige Frau befunden.

Camilla seufzte schwer.

Sie hatte ihren Vater verloren, ihre Pferde waren verkauft worden, und bald würde man sie auffordern, die Ranch zu verlassen.

Doch wo sollte sie hingehen?

Ihr Vater hatte keinerlei Vorkehrungen für ihre Zukunft getroffen. Sie hatte kein Geld und auch keine Angehörigen, an die sie sich wenden konnte. Auf ihre Mutter war noch nie Verlass gewesen, und Camilla war klar, dass sie auch jetzt nicht auf sie zählen konnte.

Das Einzige, womit sie sich gut auskannte, waren Pferde. Darin war sie sogar richtig gut. Ihre eigenen Pferde – nein, nun waren es ja Matías Navarros Pferde – kannte sie so gut wie niemand sonst, und sie liebte sie von ganzem Herzen.

Ihr Lieblingshengst, Fuego, konnte der neue Champion auf den Rennbahnen Europas werden. Er hatte das Zeug dazu, da war sie sich sicher. Doch er ließ niemanden außer Camilla an sich heran, und reiten ließ er sich von jemand anders erst recht nicht.

Fuego hatte noch einen langen Weg vor sich, bevor er seinen Siegeszug antreten konnte. Sehr bald würde Matías Navarro feststellen, dass seine neueste Investition praktisch wertlos für ihn war, weil keiner mit dem Hengst umgehen konnte.

Wertlos … so fühlte sich für Camilla auch gerade alles an, wenn sie nicht mehr bei ihren Pferden sein durfte.

Sie schaute erneut in den Spiegel und betrachtete aufmerksam ihr Gesicht.

Nein, sie war keine klassische Schönheit. Ihre Mutter hatte häufig mit theatralischer Übertreibung ihre ausgeprägten Wangenknochen und die hohe Stirn bemängelt – nicht mädchenhaft genug, wie sie fand.

Nun war Camilla zum ersten Mal in ihrem Leben dankbar für ihr Äußeres. Sie hatte einen Plan, und ihr Aussehen würde dabei sehr hilfreich sein. Energisch öffnete sie die oberste Schublade ihrer Kommode und nahm eine Schere heraus. Dann griff sie nach einer dicken Strähne ihrer glänzenden schwarzen Locken, zog sie lang und schnitt sie, ohne zu zögern, ab. Es folgte Strähne um Strähne, bis nur noch ein kurzer, strubbeliger Haarschopf übrig geblieben war.

Sie betrachtete das Ergebnis.

Ihre Augen blitzten, als sie jetzt ihr Spiegelbild anlächelte.

Ja, sie hatte ihre Lösung gefunden.

Matías Navarro stellte vielleicht keine Frauen ein – aber einen jungen Stallburschen bestimmt.

1. KAPITEL

Er stellt keine Frauen ein.

Camilla straffte die Schultern, strich sich eine kurze Haarsträhne aus der Stirn und ließ den Blick über die Navarro-Ranch schweifen.

In den zwei Monaten, die sie nun schon hier arbeitete, war der Ort fast zu so etwas wie ihrem zweiten Zuhause geworden. Natürlich war es nicht die Alvarez-Ranch – dort war sie schließlich aufgewachsen und hatte dort auch ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht. Sie konnte sich keinen Ort verstellen, der sich jemals genauso vertraut anfühlen würde.

Manchmal sehnte sie sich danach, durch die vertraute Eingangstür zu gehen, die unebenen roten Kacheln unter den nackten Füßen zu spüren, die kleinen Macken und Risse zu fühlen …Das Haus war wie ein guter, alter Freund für sie, doch sie hatte es für immer verloren.

Camilla seufzte. Immerhin waren ihr die Pferde geblieben.

Es hatte sich allerdings als schwieriger als gedacht erwiesen, an Fuego heranzukommen. Matías trainierte ihn selbst und hatte allen Mitarbeitern, außer seinem ältesten Pferdepfleger, verboten, sich dem Pferd zu nähern.

Doch wie Camilla befürchtet hatte, kam auch Matías mit dem Hengst nicht klar. Es gelang ihm einfach nicht, mit dem nervösen Tier zu arbeiten und es zu trainieren – dabei war Fuego ein so vielversprechendes Rennpferd.

Bisher hatte Camilla immer versucht, Matías aus dem Weg zu gehen, um nicht unnötig seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch langsam merkte sie, dass sie aus dem Schatten heraustreten musste, wenn sie wollte, dass er sie endlich mit Fuego arbeiten ließ.

Das war jedoch gar nicht so einfach. Alle dachten, sie sei ein vierzehnjähriger Junge, der gegen Kost und Logis in den Stallungen arbeitete, und bisher hatte man ihr wenige Fragen gestellt. Darüber war sie sehr dankbar.

Sie hatte sich am Anfang ein bisschen über Matías erkundigt, und herausgefunden, dass er gegenüber seinen Mitarbeitern sehr großzügig war. Außerdem hatte er ein Herz für Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten waren – er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihnen eine Perspektive zu geben.

Entgegen aller Gerüchte, die über die Navarro-Familie kursierten, schien Matías ein guter Mensch mit dem Herzen auf dem rechten Fleck zu sein.

Wenn man mal darüber hinwegsah, dass er keine Frauen einstellte …

Doch dafür hatte Camilla ja eine Lösung gefunden und sich entschieden, die Rolle eines Jugendlichen zu spielen, der auf der Straße landen würde, wenn man ihm auf der Navarro-Ranch keine Arbeit gab. Das stimmte zum großen Teil sogar. Sie hatte im Moment nicht viele Möglichkeiten und auch kein Geld. Außerdem war sie bestens qualifiziert für den Job, den sie hier machte. Man könnte sagen, dass sie eine vernünftige Lösung für ihr Problem gefunden hatte – wobei es nicht unbedingt von Vernunft zeugte, ihr Geschlecht zu verschweigen, das war ihr klar. Es hatte allerdings auch niemand infrage gestellt, dass sie ein Junge sei – mit ihren kurzen Haaren, ihrer schlanken Figur und der lockeren Kleidung war das durchaus glaubhaft.

Camilla bezweifelte insgeheim, dass überhaupt jemand sie seit ihrer Ankunft genauer angesehen hatte. Vor allem nicht Matías Navarro oder seine wunderschöne Verlobte, die seit letztem Monat mit auf dem Anwesen wohnte.

Die anmutige, zarte Blondine mit den großen, blauen Augen und den gepflegten Locken erinnerte Camilla sehr an ihre Mutter. Sie wirkte wie ein exotisches Vögelchen inmitten der Männer, der Pferde und der harten Arbeit auf der Ranch. Bei jedem ihrer Spaziergänge draußen machte sie ständig Pausen im Schatten, um sich mit Sonnenlotion einzucremen und sich vor der sengenden Sonne zu schützen.

Matías wirkte sehr fürsorglich und besorgt um seine Verlobte. Oft legte er ihr die Hand auf den unteren Rücken oder nahm ihren Arm – so als müsste er sie stützen, wenn sie über unebenes Gelände ging.

Wenn sie die beiden zusammen sah, fragte Camilla sich oft, wie es wohl wäre, wenn sich jemand so um sie kümmern würde.

Niemand hatte sie je verwöhnt oder umsorgt. Ihr Vater hatte in ihr den Sohn gesehen, den er gerne gehabt hätte, und hatte sie auch so behandelt. Er hatte ihr zwar jede Menge Freiheit gelassen, aber auch von ihr verlangt, auf der Ranch mit anzupacken. Von ihrer Mutter hingegen war sie immer nur wie ein lästiges Anhängsel behandelt worden. Keiner von beiden hatte Camilla je das Gefühl gegeben, etwas Wertvolles oder Besonderes zu sein.

Camilla seufzte und zog die Schultern hoch, als sie sich wieder an die Arbeit machte und weiter Mist schaufelte. Ihr war dieses Leben trotzdem zehnmal lieber, als in dem riesigen Herrenhaus eingesperrt zu sein. Dazu war sie viel zu gerne draußen in der Sonne, wo es nach Heu, Pferden und Gras duftete.

Sie kniff die Augen zusammen und schaute zum Himmel.

Dem Stand der Sonne nach war es bald Zeit für Matías Runde durch den Stall. Das bedeutete, dass er vermutlich wieder Fuego auf den Reitplatz bringen würde, um ihn zu longieren.

Bisher war das immer eine Katastrophe gewesen, und der Hengst hatte sich Matías vehement widersetzt.

Wann immer es ihr möglich war, hatte Camilla die beiden durch einen Spalt in der hölzernen Stallwand beobachtet. Dabei war sie jedoch stets sehr vorsichtig gewesen, denn sie wollte auf keinen Fall riskieren, erwischt zu werden und ihren Job zu verlieren.

Auch jetzt ging sie wieder zum Ende des Stallgebäudes und beobachtete den Reitplatz.

Aufgeregt hielt sie die Luft an, als Matías endlich mit dem schwarzen Hengst am Führstrick den Platz betrat. Fuego sah prachtvoll aus, und sein Fell glänzte in der Abendsonne. Doch es war auch eindeutig, dass ihm die ganze Sache nicht behagte. Er schlug nervös mit dem Kopf und hatte die Ohren angelegt.

Camilla verspürte bei diesem Anblick einen Stich in ihrem Herzen und schluckte schwer.

Dann ließ sie ihren Blick weiter wandern zu dem Mann neben dem Hengst, und ihr Herz begann zu rasen. Er sah wirklich gut aus mit seinen kurzen schwarzen Haaren, der gebräunten Haut und dem markanten Gesicht. Er hatte sein weißes Hemd über der breiten Brust etwas aufgeknöpft und die Ärmel hochgeschoben, sodass seine starken Unterarme zu sehen waren. Dazu trug er braune Reithosen, die seine schmale Hüfte, seine muskulösen Oberschenkel und … andere Körperteile betonten.

Camilla merkte, wie sie rot wurde.

Sie war auf der Ranch quasi unter Männern groß geworden. Der Rennsport war eine absolute Männerdomäne, aber die meisten Jockeys waren klein und schmächtig, denn je leichter sie waren, desto schneller lief das Pferd unter ihnen im Rennen.

Matías jedoch ritt keine Rennen, das war nicht zu übersehen. Mit seinen guten Einsfünfundachtzig und seinem athletischen Körperbau war er dafür einfach nicht gemacht.

Nein, er sah nicht aus wie ein Jockey – und gerade deshalb brachte sein Anblick sie völlig aus dem Konzept. Egal, ob sie auf einer Ranch voller Männer groß geworden war oder nicht.

Matías tauschte jetzt Fuegos Führstrick gegen eine Longe und nahm die Peitsche – nicht etwa um das Pferd zu schlagen, sondern um ihm wie mit einem verlängerten Arm klare Signale zugeben, wie die Gangart oder die Richtung zu wechseln.

Doch als er den Hengst in die Mitte des Reitplatzes führen wollte, um dort mit ihm zu arbeiten, begann Fuego zu buckeln.

So waren die Trainingseinheiten bisher immer verlaufen, und Matías hatte jedes Mal entnervt aufgegeben.

Doch heute war der Hengst noch unruhiger und bäumte sich sogar auf – und zwar so steil, dass er sich dabei fast überschlug.

Camilla fühlte, wie die Wut in ihr hochkochte. Bevor sie wusste, was sie tat, war sie schon auf dem Weg zum Reitplatz. Ihr Herz raste, und ihr Gesicht war gerötet – doch mit Matías’ Reithose hatte das jetzt nichts mehr zu tun.

„Stopp!“, schrie sie, „Sie wissen ganz genau, dass er das nicht leiden kann, und trotzdem zwingen Sie ihn immer wieder dazu. Er wird sich noch selbst verletzen, wenn Sie nicht endlich damit aufhören.“

Erst nachdem sie geendet hatte, begriff Camilla, was sie getan hatte. Sie hatte ihren Chef und gleichzeitig Fuegos neuen Besitzer auf seinem eigenen Grund und Boden angeschrien. Zwei Monate lang hatte sie versucht, nicht von ihm bemerkt zu werden – und nun das!

„Ach“, sagte Matías und kam in langen Schritten auf sie zu. „Du meinst, du kannst das besser, was?“

Camilla hatte das Gefühl, immer kleiner zu werden, als er vor ihr am Zaun stehen blieb und sie mit Blicken durchbohrte. Schnell trat sie einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen sich und seine beeindruckende Präsenz zu bringen.

Sie versuchte, ihre Stimme ruhig und fest klingen zu lassen, als sie sagte: „Vielleicht nicht besser, aber ich kenne das Pferd.“

„Wie meinst du das?“, fragte Matías verwundert.

„Ich … ich“, stotterte Camilla und versuchte verzweifelt, zu improvisieren. „Es war nicht gelogen, als ich sagte, dass ich kein zu Hause mehr habe.“ Sie warf dem Vorarbeiter einen schnellen Blick zu, um zu sehen, ob er zuhörte, denn zumindest diesen Teil der Geschichte konnte er bestätigen. Dann fuhr sie schnell fort: „Ich komme von der Alvarez-Ranch und kenne Fuego. Ich kann ihn trainieren.“

„Und das sagst du erst jetzt?“, fragte Matías und warf seinem Vorarbeiter einen prüfenden Blick zu.

„Geben Sie nicht Juan die Schuld. Ich hab ihm nichts davon gesagt, weil ich Angst hatte, zu viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Aber jetzt habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich musste einfach etwas sagen. Fuego hat sich in den vergangenen zwei Monaten immer noch nicht eingewöhnt, und Sie kommen mit ihm überhaupt nicht voran … Aber ich könnte ihn reiten!“

Matías stützte die Unterarme auf die oberste Latte des Zaunes und beugte sich vor, als er ungläubig und leicht amüsiert fragte: „Du willst mir wirklich weismachen, dass Caesar Alvarez einem dahergelaufenen kleinen Kerl erlaubt hat, eines seiner wertvollsten Pferde zu reiten? Und dass du den Hengst dann auch noch kontrollieren konntest?“

„Ja“, antwortete Camilla trotzig und reckte das Kinn, als sie hinzufügte: „Fuego mag mich.“ Sie hatte schon immer einen besonderen Draht zu Pferden gehabt. Selbst mit schwierigen Pferden kam sie gut zurecht, genau wie ihr Vater. Caesar Alvarez hatte immer gesagt, es sei eine besondere Gabe, die man entweder besaß oder auch nicht, und dass sie Camilla in die Wiege gelegt worden sei, weil sie seine Tochter sei.

Es war ihre einzige wirkliche Gemeinsamkeit gewesen.

Ihr Vater hatte sich mit Leib und Seele der Ranch und der Pferdezucht verschrieben, und Camilla hatte ihr Zuhause und die Pferde genauso sehr geliebt wie er.

„Ich werde dich ganz sicher nicht an den Hengst heranlassen“, sagte Matías schroff.

„Warum nicht?“, fragte Camilla herausfordernd. „Was haben Sie schon zu verlieren?“

„Es geht nicht darum, was ich zu verlieren habe, sondern darum, dass ich keine Lust auf irgendwelche polizeilichen Untersuchungen habe, weil ein dummer Junge sich bei mir auf der Ranch das Genick gebrochen hat“, entgegnete Matías kopfschüttelnd.

„Ich werde mir nicht das Genick brechen“, sagte Camilla hitzig, „aber Fuego wird sich noch etwas brechen, wenn Sie so weitermachen. Mir ist zu Ohren gekommen, Señor Navarro, dass Sie gut mit Pferden umgehen können – aber davon habe ich bisher noch nichts gesehen.“

„Meinst du wirklich, dass du dir eine Langzeitbeschäftigung sicherst, wenn du deinen Chef beleidigst?“, fragte Matías mit grimmigem Blick.

Schnell fügte Camilla hinzu: „Ich denke nur, dass Sie ein Mann sind, der Ehrlichkeit schätzt. Sie sind zu stolz, um zuzugeben, dass Sie nicht weiterkommen – und deshalb bekommt der Hengst nicht das, was er braucht, um sein Bestes zu geben. Aber da sind Sie nicht allein, ich habe das schon öfter erlebt.“

Matías zog eine Augenbraue hoch. „Oft, ja?“

„Ja, in dem Jahr, in dem ich bei Cesar Alvarez gearbeitet habe, sind mir viele reiche Männer begegnet, die mit ihren teuren Rennpferden überhaupt nicht umgehen konnten.“

„Nun gut, aber ich bin vor allem ein Pferdemensch“, sagte Matías. „Nicht einfach nur ein reicher Mann.“

Camilla sah ihn nachdenklich an. „Sie sind vor allen Dingen ein Geschäftsmann, Señor Navarro. Das ist ja auch nichts Schlimmes, aber es bedeutet, dass Sie sich nicht mit voller Aufmerksamkeit den Pferden widmen können.“

Amüsiert lachte Matías auf und gab nach: „Na gut, Junge, ab auf den Reitplatz. Zeig mir, was du kannst!“

Matías konnte die Dreistigkeit des Jungen kaum glauben. Der Kleine stand stolz und herausfordernd vor ihm, dabei konnte er nicht älter als vierzehn sein. Matías war es nicht gewohnt, dass ihm jemand mit solch einer Unverfrorenheit widersprach. Erwachsene Männer würden es niemals wagen, so mit ihm zu sprechen – er war schließlich Matías Navarro!

Mit vierzehn war man einfach so. Man benahm sich draufgängerisch und mutig, und man machte sich noch keine Sorgen um die Konsequenzen. Er war sich sicher, dass er selbst genauso gewesen war. Eigentlich war er jetzt, mit dreiunddreißig, immer noch so, aber wenn man Multimillionär war, wurde das von einem fast erwartet.

Auf der anderen Seite war Matías aber auch verantwortungsbewusst und kannte, anders als die restlichen Männer in seiner Familie, den Unterschied zwischen Richtig und Falsch. Ihm waren die Ranch und seine Mitarbeiter wichtig und auch die Dorfbewohner des kleinen Nachbarortes. Viele der Einwohner arbeiteten bei ihm oder waren in anderer Weise von der Ranch abhängig.

Dem alten Navarro, Matías’ Großvater, bedeuteten diese Menschen dagegen überhaupt nichts – es war ihm vollkommen egal, was aus ihnen wurde. Er spielte Matías und seinen älteren Bruder Diego schon seit Jahren gegeneinander aus und hatte sich jetzt einen perfiden Plan für seine Nachfolge ausgedacht.

Wer von den beiden Brüdern zuerst eine Reihe von Bedingungen erfüllte, bekam das gesamte Erbe, und der Verlierer ging leer aus. Dabei spielte es keine Rolle, dass Matías schon seit Jahren neben seinem eigenen Imperium die Ranch und viele Bereiche des Familienunternehmens leitete.

Matías war sich sicher, dass er gewinnen würde.

Alles andere wäre eine absolute Katastrophe.

Eine der Bedingungen seines Großvaters war, eine Braut zu finden und zu heiraten. Durch seine Verlobung mit Liliana Hart vor einigen Monaten hatte Matías diese Forderung so gut wie erfüllt.

Er kannte Liliana schon seit vielen Jahren, allerdings eher flüchtig. Sie hatte ihre Eltern in den vergangenen Jahren häufig zu gesellschaftlichen Veranstaltungen begleitet, und dort war er ihr mehrmals begegnet. Als ihr Vater angedeutet hatte, dass er nichts gegen eine Verbindung hätte, hatte Matías die Gelegenheit ergriffen und um Lilianas Hand angehalten.

Ja, dachte Matías, genau so war er, entschlossen und zielstrebig – aber auf keinen Fall egoistisch oder skrupellos wie sein Großvater oder sein Bruder.

Matías wollte die Dinge stets richtig machen, und sein Erfolg gab ihm recht.

Was den jungen Stallburschen hier betraf – nun, Matías hatte erwartet, dass er einen Rückzieher machen würde, sobald er erkannte, mit wem er es zu tun hatte. Doch da hatte er sich getäuscht, wie er sich erstaunt und auch ein wenig bewundernd eingestehen musste. Der Kleine kam, ohne zu zögern, auf den Reitplatz.

Nachdenklich sah Matías zu dem schwarzen Hengst hinüber. Fuego hatte unglaubliches Potenzial, war ein echtes Ausnahmetalent. Matías hatte ein gutes Gespür für Pferde, und er war auch ein guter Trainer. Doch bei Fuego war er einfach nicht vorangekommen. Egal, wie viel Mühe er sich gegeben und wie oft er es versucht hatte – Fuego hatte sich ihm jedes einzelne Mal wiedersetzt.

Der Junge hatte recht, auch wenn es Matías nicht leichtfiel, das zuzugeben.

Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, und seine Arbeit erforderte häufig Geschäftsreisen, sodass in seiner Abwesenheit seine Mitarbeiter mit den Pferden arbeiteten.

Die Navarros waren eine alte spanische Familie, die seit Generationen erfolgreich Rennpferde züchtete. Doch schon lange war das nicht mehr ihr einziges Standbein. Die Familie war erfolgreich im Einzelhandel tätig. Matías selbst hatte mehrere Unternehmen in der Branche gegründet und war nun weltweit tätig. Sein Firmensitz befand sich mittlerweile in London.

Matías hatte zwar einen Status erreicht, der es ihm erlaubte, von überall auf der Welt zu arbeiten, und Geschäftstreffen fanden meistens dort statt, wo es ihm beliebte, war aber trotzdem oft unterwegs.

In dieser Hinsicht hatte der junge Stallbursche also vollkommen recht – die Tatsache, dass er Geschäftsmann war, hielt ihn davon ab, sich voll und ganz auf die Pferde zu konzentrieren.

Matías beobachtete, wie der Junge zu dem temperamentvollen Hengst hinüberging, und stellte fasziniert fest, dass das Tier sich augenblicklich zu beruhigen schien. Wäre es anders gewesen, hätte Matías auch sofort eingegriffen. Es war ihm ernst damit gewesen, als er sagte, dass er keine Untersuchung wegen eines verletzten Mitarbeiters provozieren wollte.

Langsam hob der Junge eine Hand und hielt sie dem Hengst hin. Fuego schob zögernd die Nase nach vorne und schnupperte an der dargebotenen Hand. Dann schien es, als würde er einen vertrauten Geruch wiedererkennen, denn zu Matías Erstaunen stand das nervöse Tier auf einmal ganz ruhig.

Der Junge griff vorsichtig nach der Longe und blickte fragend zu Matías hinüber. Dieser verstand die Aufforderung, nickte kurz und ließ das Ende der Longe los.

Der Stallbursche streichelte Fuego sanft und schmiegte seine Wange an die Nüstern des Pferdes. Er sprach leise mit dem Hengst, aber Matías konnte nicht genau verstehen, was er sagte.

Wie durch Zauberhand entspannte sich der Hengst.

Mit strahlenden Augen dreht sich der Junge zu Matías um. „Sehen Sie, ich habe Ihnen ja gesagt, dass Fuego mich kennt! Aber er wird trotzdem nicht sofort Bestleistungen erbringen. Auch ich hatte manchmal meine Probleme mit ihm, und jetzt habe ich ihn ja lange nicht mehr trainiert. Aber ich kann ihn reiten.“ Er holte tief Luft. „Und ich kann ihn so weit vorbereiten, dass auch jemand anders ihn reiten kann. Das ist wichtig, wenn Sie ihn bei Rennen starten lassen wollen. Fuego hat so viel Potenzial, aber wenn er nicht kontrollierbar ist, wird er es nie auf der Rennbahn beweisen können. Das wäre viel zu gefährlich. Aber wie gesagt: Ich kann Ihnen dabei helfen, dass er sich reiten lässt. Er wird nie ein sanftmütiges oder ruhiges Pferd werden, aber so, dass man gut mit ihm arbeiten kann. Das schaffe ich. Und ich hoffe, dass ihre Jockeys so gut sind, dass sie dann übernehmen können.“

„Unglaublich“, sagte Matías zu seinem Vorarbeiter. „Ich kann doch meine Pferde nicht von einem Kind trainieren lassen.“

„Cesar Alvarez hatte damit anscheinend kein Problem“, antwortete Juan nachdenklich.

Matías wandte sich wieder dem Jungen zu, welcher ihn erwartungsvoll anblickte, und sagte dann: „Na gut, du bist ab jetzt von deinen bisherigen Aufgaben freigestellt und kümmerst dich nur noch um Fuego. Fernando Cortes soll ihn später reiten, aber bevor ihr zusammenarbeitet, kannst du den Hengst erst einmal eine Weile lang alleine trainieren.“

Der Junge schluckte und sagte leise: „Okay“. Dabei schaute er Matías direkt in die Augen, und auf einmal war sich Matías nicht mehr so sicher, ob er sich beim Alter des Jungen nicht vielleicht doch verschätzt hatte. Aber das konnte auch am Licht liegen.

„Dann haben wir einen Deal.“ Er nickte dem Jungen noch einmal aufmunternd zu, dann ging er zum Rand des Reitplatzes.

„Wollen Sie gar nicht wissen, wie ich heiße?“, rief der Junge.

Matías entgegnete: „Arbeitest du besser, wenn ich weiß, wie du heißt?“

Der Junge blinzelte irritiert und antwortete zögernd: „Vermutlich nicht.“

„Dann muss ich deinen Namen auch nicht wissen“, sagte Matías.

Autor

Maisey Yates
<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
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