Romana Exklusiv Band 320

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IM BANN DES ITALIENISCHEN MILLIONÄRS von ELIZABETH POWER
Fassungslos sieht Riva, wer ihr neuer Auftraggeber ist: der italienische Millionär Damiano D’Amico! Genauso sexy wie vor fünf Jahren, als er sie unter dem südlichen Himmel zur Liebe verführte, aber auch noch genauso arrogant. Niemals darf er erfahren, welches süße Geheimnis sie vor ihm verbirgt …

PLÖTZLICH PRINZESSIN, PLÖTZLICH VERLIEBT von NANCY ROBARDS THOMPSON
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DIE KÜSSE DES GRIECHISCHEN PLAYBOYS von DANIELLE STEVENS
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  • Erscheinungstag 06.03.2020
  • Bandnummer 320
  • ISBN / Artikelnummer 9783733748869
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Elizabeth Power, Nancy Robards Thompson, Danielle Stevens

ROMANA EXKLUSIV BAND 320

PROLOG

Santo cielo! Sie war es wirklich!

Ohne sich anmerken zu lassen, was in seinem Inneren vorging, setzte Damiano das Gespräch mit der Chefin von Redwood Interiors fort. Sein Blick aber folgte der jungen Frau, die eben im Korridor hinter der Glastrennwand aufgetaucht war.

Ihr rotes Haar war nicht so lang, wie er es in Erinnerung hatte, sondern kurz und modisch gestylt. Mit ihren natürlich geschwungenen Lippen und den zarten Gesichtszügen wirkte sie wie eine schelmische kleine Elfe. Dabei war sie eher gefährlich als schelmisch. Daran konnte er sich auch trotz des Schocks, sie so plötzlich wiederzusehen, noch erinnern. Gefährlich, nur auf ihren Vorteil bedacht und geldgierig!

„Signore D’Amico?“

Die Frage seiner Geschäftspartnerin riss Damiano aus seinen Gedanken, und er rief sich ungehalten zur Ordnung. Wie kannst du dich nur so gehen lassen? Reichte der flüchtige Anblick ihres roten Haars tatsächlich, um ihn dermaßen aus dem Konzept zu bringen? Ausgeschlossen! Hier ging es um einen Geschäftsabschluss! Er wollte in Großbritannien eine neue Kette von Einkaufs- und Freizeitzentren eröffnen und zum Erfolg führen. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass er beim letzten Meeting mit dem Design-Team mit seiner Vergangenheit konfrontiert würde.

„Diese junge Frau …“ Sie bemerkte ihn nicht einmal, als sie die Tür des gegenüberliegenden Büros aufschloss. Er hingegen wurde das Bild der seidigen roten Locken nicht los, die sich in ihrem schlanken weißen Nacken kringelten. Und das, obwohl die Locken und ihre hübsche Besitzerin längst seinem Blick entschwunden waren.

„Sie meinen Miss Singleman?“ Seine Geschäftspartnerin war eine scharfsinnige Frau in den Fünfzigern; ihr schwarzes hochgestecktes Haar und der knallrote Lippenstift passten zu der kompromisslosen Unternehmerin, als die er sie kennengelernt hatte. Und nun kannte sie auch noch den Grund für seinen plötzlichen Mangel an Konzentration! „Riva?“

„Riva …“ Er empfand es als nahezu sinnliches Erlebnis, wie ihm ihr Name über die Lippen glitt! Also hatte sie nie geheiratet. „Si“, erwiderte er ruhig. Ruhiger, als ihm zumute war, wie er ärgerlich feststellte. Doch sein Schweigen schien eine Aufforderung zu enthalten.

„Sie ist eine unserer neuen Mitarbeiterinnen“, erklärte seine Geschäftspartnerin lächelnd. „Im Augenblick arbeitet sie vor allem als Innenarchitektin für Privathäuser. Sie ist jung, enthusiastisch, manchmal ein bisschen unkonventionell – aber sehr, sehr talentiert.“

Und darüber hinaus eine berechnende und mit allen Wassern gewaschene Betrügerin!

Für den Bruchteil einer Sekunde war Damiano versucht, einfach zu gehen und das Geschäft platzen zu lassen. Das wäre wahrscheinlich besser, als einer Firma, die so fragwürdige Personen wir Riva Singleman einstellte, mein Geld anzuvertrauen, überlegte er. Doch dann gewann seine Neugierde die Oberhand – seine Neugierde und die unauslöschliche Erinnerung, wie sich ihre weichen Lippen auf seinen angefühlt hatten. Wie war diese unseriöse kleine Studienabbrecherin nur in solch ein renommiertes Team von Innenarchitekten und Designern hineingeraten? In seinem ganzen Leben hatte ihn noch nicht etwas so aus der Fassung gebracht. Aber wieso sollte er nicht seine Geschäfte abwickeln und gleichzeitig seine Neugierde befriedigen? Das Schicksal hatte ihn in diese Situation gebracht, und davonlaufen war nicht seine Art.

Aufmerksam hörte er seiner Geschäftspartnerin zu, die ihm versicherte, dass alles genau nach Plan verlaufen und seine Vorstellungen präzise umgesetzt würden. „Jeder Mitarbeiter meines Teams ist bereit, Sie hundertfünfzigprozentig zufriedenzustellen.“

Das ist genau das, was ich erwarte, hundertfünfzigprozentige Zufriedenheit! Und während er jenes charmante Lächeln lächelte, dessen unwiderstehlicher Wirkung sich seine Geschäftspartnerin ebenso wenig entziehen konnte wie jedes andere weibliche Wesen in den vergangenen zweiunddreißig Jahren, begann Damiano über seinen neuen, faszinierenden Plan nachzudenken.

1. KAPITEL

Langsam fuhr Riva an der Steinmauer vorbei und parkte ihren Wagen am äußersten Ende der Straße. Das Anwesen musste einmal ein florierendes Landgut gewesen sein, dem großen alten Herrenhaus nach zu urteilen, das am Ende der langen Einfahrt lag. Jetzt allerdings waren die Fenster mit Brettern vernagelt und ein „Zu verkaufen“-Schild baumelte an einem der rostigen Torflügel.

Als sie aus dem Auto gestiegen war und den kiesbestreuten Innenhof überquerte, fiel ihr Blick auf das Gebäude unmittelbar vor ihr – das ehemalige Kutschenhaus.

Inzwischen wurde das Gebäude anscheinend von den Besitzern bewohnt. Außer ihrem eigenen Auto standen noch mehrere andere Fahrzeuge davor – unter ihnen ein schwarzer Porsche.

Rivas ohnehin gute Laune besserte sich noch, als sie, begleitet vom fröhlichen Zwitschern der Vögel, durch den Frühlingssonnenschein auf die Eingangstür zumarschierte. Ihr erster richtig großer Auftrag! Und man ließ ihr völlig freie Hand bei der Gestaltung des Zimmers, sowohl bei der Möblierung als auch bei der Auswahl der Farben und Stoffe! Was für eine unglaubliche Gelegenheit, ihr Talent unter Beweis zu stellen.

Ihre Hand zitterte vor Aufregung, als sie auf den glänzenden Messingknopf der Türklingel drückte. Offensichtlich hatten ihre Entwürfe bei irgendjemand Aufsehen erregt. So großes Aufsehen, dass man für das Projekt speziell nach ihr gefragt hatte. Wenn sie den Auftrag zur Zufriedenheit ausführte, musste sie sich um ihre Karriere keine Sorgen mehr machen! Nie wieder von der Hand in den Mund leben. Nie wieder Angst um das Dach über ihrem Kopf haben. Und wenn man sie für so gut hielt, dass man ihr die Chance gab, an einem solchen Projekt zu arbeiten – wer weiß? Vielleicht würde sie ja eines Tages sogar ihren Traum von einem eigenen Innenarchitekturbüro verwirklichen können. Dann wären endlich alle Qualen der letzten paar Jahre überwunden.

„Madame Duval?“, erkundigte sie sich, als eine gut aussehende junge Frau im stylishen dunkelgrauen Kostüm ihr die Tür öffnete.

„Nein, Madame ist nicht da.“ Mit einem spöttischen Lächeln musterte die Blondine Rivas weniger klassisches Outfit. „Aber man erwartet Sie schon. Miss Singleman, nicht wahr?“

Nickend folgte Riva der von einer Wolke Parfüm umhüllten Frau die Stufen hinauf in den Hauptteil des Gebäudes. Mit ihren gerade mal ein Meter sechzig fühlte sie sich winzig klein neben der hochgewachsenen blonden Schönheit. Vielleicht hätte sie doch ein Paar hochhackige Schuhe anziehen sollen? Und einen Blazer. Aber ein solcher Stil, den sie insgeheim „die Geschäftsuniform“ nannte, lag ihr nun einmal nicht. Bis eben hatte sie sich auch eigentlich recht gut angezogen gefühlt in ihrer schwarz-grau gestreiften Tunika mit dem schwarzen Rock, zu dem sie einen schwarzen Gürtel, dunkle Leggings und Ballerinas trug.

„Wenn Sie so nett wären, einen Augenblick hier zu warten …“

Nachdem die Blondine den lichtdurchfluteten Salon verlassen hatte, sah Riva sich neugierig um. Wer auch immer für die Einrichtung dieses Zimmers verantwortlich war, besaß eindeutig Geschmack! Dekor und Möblierung harmonierten perfekt. An den Wänden hingen einige erlesene Fotodrucke – die Luftaufnahme einer Südseeinsel, ein Bild mit exotisch bunten Fischen und eines, das einen atemberaubend schönen, von Palmen gesäumten schneeweißen Strand zeigte.

„Na, sieh mal einer an! Wenn das nicht Miss Riva Singleman ist.“

Die samtig tiefe Stimme und der nur allzu vertraute Akzent versetzten jede Faser ihres Körpers in Alarmbereitschaft. Mit einer heftigen Bewegung fuhr sie herum. Dabei stieß sie gegen ein kleines Ziertischchen, auf dem eine teuer aussehende Porzellanvase thronte.

„Ich hoffe, derartige Unfälle sind bei dir nicht an der Tagesordnung.“

Groß, braun gebrannt, mit markanten Gesichtszügen, die nicht im konventionellen Sinn schön zu nennen waren. Der Mann, der im dunklen Maßanzug in der Tür lehnte, entsprach genau dem Bild ihrer Erinnerung: makellos gekleidet, das schwarze Haar glatt nach hinten gekämmt. Auch sein Gesicht hatte sich nicht verändert. Die hohe Stirn, die fein modellierten Wangenknochen, die gerade Nase und der sinnliche Mund, um den eine gewisse Härte lag und den er nun zu einem spöttischen Grinsen verzog.

Falls er überrascht war, sie wiederzusehen, verbarg er es gut. Jeder Zentimeter seines schlanken, muskulösen Körpers strahlte Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein aus. Genau wie sein geschmeidiger Gang, als er ins Zimmer trat, den Blick forschend auf sie gerichtet. Oh, diese schwarzen Augen! Schon einmal war sie seinem durchdringenden Blick verfallen. Und bereute es bis heute, Damiano jemals vertraut zu haben.

„Ich dachte …“ Nervös spielte sie mit der schwarz-grauen Perlenkette, die über ihren kleinen, festen Brüsten lag. Was zum Kuckuck hatte er in diesem Haus zu suchen? Wenn man der Klatschpresse Glauben schenken konnte, wohnte er in einem Apartment im derzeit angesagtesten Vorort Londons. Nicht auf einem stillen, ländlichen Anwesen wie diesem.

„Was dachtest du?“ Ihrem Blick folgend, sah er über die Schulter. „Meine Sekretärin“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. „Sie kümmert sich um meine Termine.“

Und vermutlich noch um einiges mehr! Ärgerlich schob Riva den Gedanken an die lange Liste prominenter Frauen beiseite, mit denen die Regenbogenpresse ihn in den letzten Jahren abgelichtet hatte. An einen Artikel erinnerte sie sich besonders gut. Darin behauptete Magenta Boweringham, Society-Girl, Erbin eines Supermarkt-Imperiums und neueste Exgeliebte des dynamischen Italieners, dass es auf der Welt wohl keine Frau gab, die Damiano D’Amico auf längere Zeit halten könne. Er sei einfach viel zu schnell gelangweilt.

„Madame Duval …?“, begann Riva und schüttelte verwirrt den Kopf.

„Meine Großmutter“, erklärte er gelassen. „Anscheinend hat man dir nicht gesagt, dass sie zurzeit auf Reisen ist.“

„Nein, das hat man mir nicht gesagt“, bestätigte sie errötend und ließ abrupt die Halskette los, als sie bemerkte, dass sein Blick auf ihren Fingern ruhte. Seine Großmutter ist Französin? Das war ja das Allerneuste! Ihr gegenüber hatte er davon jedenfalls nie etwas erwähnt. „Wusstest du, dass Redwood Interiors mir das Projekt zugeteilt hat?“ Ihr Name hätte ihm doch wohl auffallen müssen.

Er zuckte die Schultern. „Ich wüsste gern, wie jemand, der erst vor wenigen Jahren mit Innenarchitektur angefangen hat, heute schon eine so gehobene Position erreicht haben kann“, wich er ihrer Frage aus.

„Durch harte Arbeit!“, rief sie erbost und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. „Ich habe dafür gearbeitet, Damiano. Und das werde ich für dich auf keinen Fall tun!“

Wütend marschierte sie an ihm vorbei Richtung Tür. Dabei streifte ihr Arm seinen. Wie konnte er sie nur verdächtigen, sich hochgeschlafen zu haben! Und wieso brachte die flüchtige Berührung seines Arms sie dermaßen aus der Fassung?

Mit zitternder Stimme murmelte sie: „Ich werde Miss Redwood informieren, dass hier ein Fehler passiert ist. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich finde allein hinaus.“

Als sie sich zum Gehen wandte, kämpften die widersprüchlichsten Emotionen in ihr. Doch ehe sie die Treppe erreicht hatte, hielt seine samtige Stimme sie zurück.

„Das solltest du lieber nicht tun, Riva.“ Die ruhig gesprochenen Worte enthielten eine kaum verhüllte Drohung.

„W… was soll das heißen?“, stotterte sie und drehte sich zu ihm um. In dem schmalen Korridor wirkte er noch größer, noch gebieterischer, als er es ohnehin schon war. Hier stand sie nun und fühlte sich trotz ihrer vierundzwanzig Jahre wieder genauso hilflos wie damals mit neunzehn, hingerissen von seiner Stimme, seinem umwerfenden Aussehen, seiner Intelligenz und seinem unwiderstehlichen Charme!

„Es gab gute Gründe, dich mit diesem Projekt zu betrauen. Und ich erwarte, dass du das respektierst. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, deiner Arbeitgeberin mitzuteilen, dass ich mir eine andere Firma suchen werde.“

Das Aufheulen eines Automotors vor dem Haus zerriss die gespannte Stille, die sich über den Raum gesenkt hatte.

Seine Sekretärin verließ also gerade das Anwesen. Riva erschauerte. Jetzt war sie mit Damiano allein.

Bei dem Gedanken schien das Blut in ihren Adern plötzlich schneller zu pulsieren. Natürlich hatte er recht. Dieser Auftrag war für Redwood Interiors wesentlich wichtiger als sie, eine neue Mitarbeiterin. Und wenn sie sich weigerte, mit Damiano zusammenzuarbeiten, würde man sie für den Verlust eines wichtigen Kunden verantwortlich machen. So viel stand fest.

Mit ihren grünen Augen blitzte sie Damiano an. „Soll das heißen, du würdest für meine Entlassung sorgen?“, rief sie halb ungläubig, halb entsetzt.

Abermals zuckte er die Schultern. „Das würdest du ganz ohne mein Zutun bewerkstelligen, Riva. Aber du musst den Auftrag ja nicht ablehnen. Es ist ganz und gar deine Entscheidung.“

Und wenn sie nicht die richtige Entscheidung traf, also nicht genau das tat, was er von ihr wollte, würde er ihre Karriere zugrunde richten. So wie er damals ihre arme, verletzliche Mutter zugrunde gerichtet hatte. Ohne seine grausame Einmischung wäre Chelsea Singleman noch am Leben. Davon war Riva überzeugt.

„Komm zurück in den Salon“, befahl er in einem Ton, der Widerspruch weder erwartete noch duldete.

Alles, wofür sie in den letzten Jahren so hart gearbeitet hatte, wäre verloren, wenn sie den Auftrag hinwarf. Riva holte tief Luft und marschierte hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbei. Dabei streifte ihr Arm abermals seinen. Natürlich hatte er sich nicht einen Zentimeter zur Seite bewegt, um sie vorbeizulassen.

„Wenn du das noch einmal tust, muss ich davon ausgehen, dass du auf mehr aus bist als kollegiale Zusammenarbeit“, kommentierte er grinsend. „Und wir wissen wohl beide noch, wohin es uns beim letzten Mal geführt hat. Oder nicht?“

Allerdings! Ausgenutzt hast du mich! Rücksichtslos und kaltherzig! Mit seiner tödlichen Mischung aus Charme und Charisma hatte er sie in die Falle gelockt, aber mit neunzehn war sie viel zu naiv und unerfahren gewesen, um zu begreifen, welch falsches Spiel er mit ihr trieb. Erst hinterher hatte sie es erkannt. Als es zu spät war.

„Ich wünsche keinerlei Zusammenarbeit mit dir, Damiano! Egal welcher Art. Du zwingst mich bloß dazu.“

„Natürlich. Genau wie damals, nicht wahr? Vor viereinhalb oder beinahe fünf Jahren …“

Zu ihrem größten Erstaunen brachten die Bilder, die seine Worte vor ihrem inneren Auge heraufbeschworen, ihr Herz noch immer zum heftig zum Klopfen. Die Erinnerung an seine großen, starken Hände auf ihrer nackten Haut trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht.

Wie willig hatte sie sich von diesen Händen erobern lassen! Hatte sich seinen Zärtlichkeiten hingegeben und kalt berechnete Verführungskunst für wahre Zuneigung gehalten.

Voll Bitterkeit murmelte sie: „Nein, das war nichts als meine eigene Dummheit.“

„Du kannst mir kaum vorwerfen, dass ich die Wahrheit herausfinden wollte“, erwiderte er mit einem kalten Lächeln.

„Die Wahrheit! Ha! Du hättest die Wahrheit noch nicht einmal erkannt, wenn sie sich selbst ans Licht gezerrt und dir an den Hals geworfen hätte!“

„Die Signale waren eindeutig.“

Signale! Ja, sie hatte ihn angelogen. Und wie! Und das eine, besonders wichtige intime Detail hätte sie ihm tatsächlich nicht verschweigen dürfen. Aber es war ihr so unsagbar peinlich gewesen, nur darum hatte sie es getan. Später hatte sie sich dafür verachtet. Obwohl, eigentlich glaubte sie eher, dass er sich mit Selbstvorwürfen quälte. Wahrscheinlich hatte er Gewissensbisse, weil er eine Jungfrau dazu benutzt hatte, Chelsea Singleman auszuschalten.

Gewissensbisse? Dazu müsste er erst einmal ein Gewissen haben! Riva spürte, wie die Wut in ihr hochstieg.

Ihre grünen Augen blitzten gefährlich, als sie hervorstieß: „Du hast das Leben meiner Mutter zerstört!“

„Weil ich die Heirat zwischen ihr und meinem Onkel verhindert habe? Das war meine Pflicht! Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass sie sich ziemlich schnell damit abgefunden hat. Frauen wie Chelsea – und leider auch wie du, cara – verschwenden keine Zeit damit, einer verpassten Gelegenheit nachzutrauern. Ich bin mir sicher, sie wird bald einen anderen reichen … wie soll ich sagen? … Trottel finden, der ihrem zweifelhaften Charme erliegt. Das heißt, falls sie noch keinen gefunden hat.“

Die Worte trafen Riva wie Peitschenhiebe. Am liebsten hätte sie Damiano einen Fausthieb mitten in sein arrogantes Gesicht verpasst. Vielleicht würde dann diese kaltschnäuzige Geringschätzung daraus verschwinden.

„Meine Mutter ist tot!“

Unter andern Umständen hätte sie den Schock, den die Mitteilung bei ihm auslöste, sicher genossen. Doch dazu fühlte sie sich viel zu verletzt.

„Das tut mir leid“, murmelte er nach einem Moment angespannten Schweigens.

Wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass er zu keinerlei Mitgefühl fähig war, hätte sie ihm das sogar abgenommen.

„Nein, es tut dir nicht leid!“ Wie konnte er so etwas behaupten? Wo er doch die Ursache der ohnmächtigen Verzweiflung war, die zum frühen Tod ihrer Mutter geführt hatte!

„Was ist denn passiert?“

„Was geht dich das an?“

Für einen kurzen Moment verhärteten sich seine Züge. Dann wiederholte er leise: „Was ist passiert?“

Sie wollte es ihm nicht erzählen. Der Schmerz über den Verlust ihrer einst so temperamentvollen, jugendlichen Mutter saß zu tief. Chelsea … ihre Mutter hatte stets darauf bestanden, auch von ihrer eigenen Tochter beim Vornamen genannt zu werden.

„Wenn du es unbedingt wissen musst …“, begann Riva widerstrebend. „Sie starb an einer versehentlichen Überdosis Antidepressiva.“ Eigentlich eher an der tödlichen Kombination aus den Medikamenten, die Chelsea gegen ihre Depression hatte einnehmen müssen, und Alkohol. Aber das brauchte Damiano nicht zu wissen.

„Wann?“

„Vor etwas über einem Jahr.“

Er runzelte die Stirn. „Wie ich schon sagte, es tut mir leid.“

Mit einem bitteren Lachen erwiderte sie: „Das muss es nicht. Schließlich war es ja nicht deine Schuld, dass sie an einer Depression erkrankte, nachdem ihre Verlobung zerbrach und sie den Mann verlor, den sie liebte.“

„Du machst mich dafür verantwortlich?“

„Wenn du dir den Schuh anziehen möchtest.“

„Bedauere, nein!“ Nachdenklich blickte er zum Fenster. Ein dunkler Bartschatten war auf seinem kantigen Kinn zu sehen, obwohl er sich zweifellos erst vor ein paar Stunden rasiert hatte. „Du weißt ganz genau, warum Marcello die Verlobung mit deiner Mutter gelöst hat“, versetzte er mit brutaler Sachlichkeit. „Ihre Motive haben genauerer Überprüfung nicht standgehalten. Ebenso wenig wie deine.“

„Vor dir haben sie nicht standgehalten.“

„Weil Marcello viel zu sehr in ihr hübsches Gesicht und ihre strahlend blauen Augen verliebt war, um hinter die Fassade zu blicken.“

„Dir könnte so etwas natürlich nicht passieren.“

„Nein. Und mein Onkel hätte vermutlich irgendwann ein paar Halbwahrheiten von deiner Mutter zu hören gekriegt. Die schlimmsten Lügen stammten schließlich gar nicht von ihr!“

Riva wusste genau, auf wen er anspielte. Noch heute krampfte sich ihr Magen zusammen, wenn sie daran dachte, was für eine irrwitzige Geschichte sie Damiano damals aufgetischt hatte. Über ihr Elternhaus und ihre feine Erziehung. Wie hatte sie nur so naiv sein können, zu glauben, er würde ihre Schwindeleien nicht durchschauen? Aber die Zeit ließ sich nun einmal nicht zurückdrehen. Und sie würde ihm wohl nie ehrlich sagen können, weshalb sie ihn angelogen hatte.

„Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich jetzt gern mit der Arbeit beginnen. Dafür bist du schließlich hergekommen“, wechselte er das Thema. Mit ausgestrecktem Arm bedeutete er ihr, ihm voran den Salon zu verlassen.

Nur zu gerne kam Riva seinem Wunsch nach.

Fasziniert beobachtete Damiano jede ihrer Bewegungen, als er sie die Treppe hinunter zu dem Zimmer geleitete, das sie ausstatten und dekorieren sollte. Wie stolz und aufrecht sie sich hielt. Temperament hatte sie. Das musste er ihr lassen.

Der frische Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase, und sofort loderte Verlangen in ihm auf. Mit ihrem roten Haar, der elfenbeinweißen Haut und den anmutigen Kurven entsprach sie eigentlich überhaupt nicht seinem Typ. Normalerweise fühlte er sich eher zu langbeinigen und vollbusigen Blondinen hingezogen. Doch aus irgendeinem Grund fand er Riva unwiderstehlich. Unwiderstehlich und zugleich unausstehlich! Aber wieso machte er sich etwas vor? Er begehrte sie heute noch genauso sehr wie vor mehr als vier Jahren, als er ihr in der Villa seines Onkels zum ersten Mal begegnet war.

Die Nachricht, dass Marcello wieder heiraten wollte, hatte ihn zunächst in Begeisterung versetzt. Doch als er dann die zukünftige Ehefrau kennengelernt hatte, war seine Begeisterung schlagartig abgekühlt. Es hatte ihn entsetzt, das die Frau nicht nur halb so alt war wie sein Onkel, sondern auch noch eine erwachsene Tochter mit in die Ehe brachte.

Zuerst hatte er geglaubt, die beiden Frauen wären Schwestern. Immerhin nannten sie einander beim Vornamen. Und sie sahen sich frappierend ähnlich. Sie hatten den gleichen Körperbau, die gleichen Gesichtszüge, das gleiche lange lockige Haar. Der einzige Unterschied bestand in der Haarfarbe: Die eine war rotblond, die andere platinblond.

Von Anfang an hatte Damiano den beiden misstraut. Wer waren diese Frauen? Woher kamen sie, mit ihren Räucherstäbchen und den Strohsandalen? Und welche Frau Mitte dreißig – später hatte er herausgefunden, wie jung die ältere der beiden tatsächlich war – band sich schon freiwillig an einen wesentlich älteren Witwer? Und wenn sie es tat, aus welchem Grund? Weil sie sich von seiner Warmherzigkeit und Intelligenz angezogen fühlte? Oder vielleicht doch eher, weil er das Oberhaupt einer der reichsten und einflussreichsten Familien Italiens war?

Dass Marcello die beiden auf einem Jahrmarkt kennengelernt hatte, wo sie selbst gemachten Schmuck verkauften, hatte Damianos Misstrauen auch nicht eben zerstreuen können. Im Gegenteil: Danach war es ihm erst recht wichtig erschienen, alles über sie herauszufinden. Sein Onkel jedenfalls hatte sich so in Chelsea verliebt, dass er sich nicht im Geringsten für ihre Vorgeschichte interessierte.

Als pflichtbewusster Neffe hatte er einen Detektiv engagiert, der für ihn Nachforschungen anstellen sollte. Er selbst hatte sich bemüht, die etwas zurückhaltendere, aber seiner Meinung nach ebenso habgierige Tochter auszuhorchen, ohne dabei ihrem gefährlichen Charme zu erliegen.

Sie hatte ihm erzählt, ihr verstorbener Vater sei Offizier der Royal Navy, der britischen Kriegsmarine, gewesen; ein mutiger, für seine Verdienste um das Vaterland hoch dekorierter Mann, der leider nur wenig Zeit mit Frau und Tochter verbringen konnte. Und während Chelsea auf eine vielversprechende künstlerische Laufbahn verzichtet habe, weil ihr Ehemann es für nicht standesgemäß hielt, dass seine Frau eine Erwerbsarbeit aufnahm, habe seine Tochter die bestmögliche Ausbildung genossen, denn, so hatte Riva behauptet, ihr und ihrer Mutter sei es finanziell nie schlecht gegangen, und das Haus, in dem sie aufgewachsen war, habe ihre Mutter nach dem Tod des Vaters verkauft, weil es viel zu groß für sie gewesen sei.

Damiano runzelte die Stirn. Noch heute belastete es ihn, dass er sich seine Informationen damals nicht nur von ihr beschafft hatte. Das hätte nicht passieren dürfen! Andererseits war ihm dadurch klar geworden, dass Riva alles aufs Spiel setzte, um sich einen reichen Mann zu angeln. Sogar ihre Jungfräulichkeit!

Was, wenn er ihr damals ins Netz gegangen wäre? Wenn er die Märchen über ihr gutes Elternhaus und ihre exzellente Erziehung geglaubt hätte? Nein, sagte er sich nicht zum ersten Mal. Es war richtig, einen Ermittler auf sie und ihre Mutter anzusetzen!

Und der Detektiv hatte einiges zu berichten gehabt: abgebrochene Ausbildungen, eine Festnahme auf einer Demonstration, Mieterflucht – nicht gerade eine Musterfamilie! Eher im Gegenteil. Damit hatte für ihn festgestanden, dass Mutter und Tochter nur hinter dem Geld seiner Familie her waren.

Er wusste alles. Dass Riva ein uneheliches Kind war. Dass sie stets in ärmlichen Gegenden gewohnt und höchstens mittelmäßige öffentliche Schulen besucht hatte. Ihre Mutter war auch keine verhinderte Karrierefrau. Sie schaffte es nur mit Mühe, einen Job zu behalten und die Miete zu zahlen. Was Rivas Vater, den angeblichen Marineoffizier, anging: Er hatte kaum je ein Schiff betreten. Und wenn, dann um die Fracht eines Schleppkahns zu entladen. Eine Art Uniform hatte er tatsächlich einmal getragen. Eine gestreifte, als er wegen Betrugs im Gefängnis saß! Nur dass er bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, stimmte. Allerdings trug er dafür selbst die Verantwortung: Er hatte zu viel Alkohol getrunken.

Nein, es tat Damiano nicht leid, Marcello vor diesen zweifelhaften Frauen bewahrt zu haben! Hätte sein Onkel Chelsea damals geheiratet, würde sie heute im Geld schwimmen! Denn vor anderthalb Jahren war das ehemalige Familienoberhaupt der D’Amicos plötzlich und unerwartet verstorben. Rechtlich hätte das gesamte Vermögen der trauernden Witwe zugestanden. Trotzdem bedauerte er Chelsea Singlemans Tod. Dio! Er war schließlich nicht aus Stein!

Mit gerunzelter Stirn beobachtete er, wie Riva sich in dem zukünftigen Handarbeitszimmer seiner Großmutter umschaute. „Und? Was hältst du davon?“, fragte er schließlich. „Ich hatte an etwas mehr künstlerischen Flair gedacht. Traust du dir das zu?“

Abermals ließ sie einen prüfenden Blick über die langweilige Tapete und die wenigen Möbelstücke wandern. Bis auf einen hölzernen Tisch und einen hohen Bücherschrank lagerte alles unter staubigen Abdeckfolien. Ganz offensichtlich war dieses im hinteren Bereich des Hauses gelegene Zimmer als Ort der Entspannung und Erholung gedacht. Irgendjemand, vielleicht Madame Duval selbst, hatte bereits versucht, die Einrichtung durch ein paar hübsche Details zu verschönern. Trotzdem wirkte der Raum insgesamt trist. Einzig die hohen gläsernen Verandatüren, die auf eine sonnenbeschienene Terrasse hinausführten, versöhnten ein wenig mit dem kargen Gesamteindruck. Durch sie hatte man einen wunderschönen Blick auf die alten Platanen und das frühere Herrenhaus.

„Ist das eine Frage? Oder sollte es eher ein Befehl sein?“, erwiderte Riva schnippisch und sah ihn herausfordernd an.

„Ich hoffe, die Aufgabe überfordert dich nicht?“ Ihr Schweigen bewies, dass Riva der ironische Unterton in seiner Stimme nicht entgangen war. Sie hatte keine andere Wahl, als genau das zu tun, was er wollte. Warum nur bereitete ihm das ein derartiges Vergnügen?

„Womit beschäftigt sich deine Großmutter eigentlich?“, wechselte Riva mürrisch das Thema und ging zur anderen Seite des Raumes. Nichts, aber auch gar nichts, verriet irgendetwas über die Frau, die ihre Zeit in diesem Zimmer verbrachte. Schon gar nicht die leeren Bücherschränke.

„Womit sie sich beschäftigt?“

„In ihrer Freizeit“, fügte Riva ungeduldig hinzu. „Das soll doch ein Handarbeitszimmer werden. Was für Handarbeiten macht sie?“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie liest viel. Und, äh, näht … ricamare.“

„Sie stickt?“ Dass er diese Vokabel nicht kannte, verwunderte Riva nicht. Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel, als sie ihm den Rücken zuwandte. Irgendwie musste sie sich seiner maskulinen Ausstrahlung entziehen. Denn wenn sie noch länger seinen intensiven Blicken ausgesetzt war … trotz allem, was er ihr angetan hatte, wurden ihr in seiner Anwesenheit noch immer die Knie weich. Und das wilde Pochen ihres Herzens half auch nicht gerade.

„Dieser Raum zeigt nach Norden. Also haben wir den ganzen Tag über gleichbleibendes Licht. Eine der Wände könnte in einer kräftigeren Farbe gestrichen werden …“ Trotz allem ließ sich ihre Begeisterung für ihren Beruf nicht länger unterdrücken. So ging es ihr immer, wenn sie ein neues Projekt anfing. Und offensichtlich sogar dann, wenn sich der einzige Mensch, den sie auf dieser Welt abgrundtief verachtete, als der Auftraggeber entpuppte. Aber hier ging es schließlich um ihre Karriere. Professionell musste sie sein. Sonst nichts. „Vielleicht sollten wir das Grundmotiv eher klassisch halten. Mag sie die griechische Antike?“

„Sehr.“

Wieso klingt er auf einmal so gleichgültig? Aus dem Augenwinkel warf Riva ihm einen prüfenden Blick zu. Hielt er das Handarbeitszimmer für seine Großmutter für überflüssig? Aber wenn die alte Dame es sich wünschte, sollte sie eines bekommen, das sich sehen lassen konnte! Und wenn es ihren arroganten Enkel zu Tode langweilte!

„Durch die Verandatüren dringt zwar genügend Tageslicht herein, aber der Raum wirkt immer noch viel zu dunkel.“ Nachdenklich blickte sie sich um. „Vergrößern müssen wir nicht. Die Wände bleiben so. Vielleicht einen Blickfang dort drüben an dieser Wand, etwas Dramatisches …“, überlegte sie laut. Doch plötzlich hielt sie inne. „Darf ich fragen, was dich so amüsiert? Was gibt es denn da zu grinsen?“

Mit verschränkten Armen lehnte er am Bücherschrank und beobachtete sie mit unverhohlen spöttischer Miene. „Oh, gar nichts“, erwiderte er übertrieben freundlich. „Ich bin einfach nur beeindruckt.“

Seine Komplimente konnte er für sich behalten! „Was hattest du denn erwartet?“, schnaubte sie ärgerlich. „Dass ich der Situation nicht gewachsen bin?“

„Es wäre nicht das erste Mal!“ Er ließ die Arme sinken und schlenderte lässig zu ihr herüber. Geschmeidig wie eine Raubkatze und in all seiner coolen Überlegenheit mindestens genauso einschüchternd. Nervös begann Riva an der Unterlippe zu nagen.

Das fehlte noch! Auf derartige Gespräche wollte sie sich überhaupt nicht einlassen. Genau genommen auf gar kein Gespräch, das nichts mit dem Projekt zu tun hatte. Deswegen erwiderte sie kalt: „Damals vielleicht, Damiano. Aber heute ist heute. Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich mich jetzt gern meiner Arbeit widmen. Dafür werde ich schließlich bezahlt.“

Wütend wandte sie sich von ihm ab. Doch schon wenige Sekunden später wirbelte sie wieder zu ihm herum. „Wieso eigentlich ich?“, rief sie außer sich. „Findest du das nicht viel zu gefährlich? Nach dem, was du von mir zu wissen glaubst, wäre es doch gut möglich, dass ich irgendwann mit der Hälfte deiner wertvollen Antiquitäten durchbrenne!“

„Erstens“, begann er sachlich, „weiß ich genau, wie wichtig dir dieser Auftrag ist. Schon deshalb würdest du dich hüten, etwas zu stehlen. Zweitens gibt es in diesem Haus nichts, das zu stehlen sich lohnt. Und drittens …“ Sein Ton wurde drohend. „Drittens solltest du nicht den Fehler machen, mich für einen nachsichtigen Chef zu halten, Riva. Fehltritte haben Konsequenzen. Und wenn du diese Lektion immer noch nicht gelernt hast, wirst du es eben nachholen müssen.“

Was genau er damit meinte, wusste sie nicht. Aber sie hatte auch keinerlei Bedürfnis, es herauszufinden. Als Gegner war er einfach unausstehlich.

Damiano. Vor einigen Jahren hatte sie seinen Namen aus Neugierde einmal nachgeschlagen. Auf Italienisch bedeutete er so viel wie „bezwingen, bändigen.“

Mich werden Sie jedenfalls nicht bezwingen, Signore D’Amico!

Das spöttische Lächeln, das seine sinnlichen Lippen umspielte, verriet, dass ihm ihr innerer Kampf nicht entgangen war.

„Warum du, willst du wissen?“ Lässig lehnte er sich an die Tischkante und schob die Hände in die Taschen. „Als meine Sekretärin bei Redwood Interiors anrief, um einen Innenarchitekten zu buchen, hat man ihr geradezu von dir vorgeschwärmt. Einige Details fand ich sehr interessant.“

Oh, nein! Heftig pochte ihr Herz gegen die Rippen. Was hatte man ihm nur für Informationen gegeben? Entsetzt hielt sie den Atem an.

„Wie ich höre, bist du noch nicht einmal ein Jahr bei der Firma. Du hast im Fernstudium Design studiert und nach Meinung deiner Vorgesetzten mehr Talent als sämtliche deiner Kollegen zusammen.“

„Und was noch?“, erkundigte sie sich vorsichtig und begann wieder normal zu atmen.

„Dass du dich hervorragend mit Kunst auskennst. Aber das …“, sein Lächeln wurde kühl, „… wusste ich ja bereits.“

Weil sie sich damals stundenlang über ihre Leidenschaft für Kunst unterhalten hatten. Damals, als sie geglaubt hatte, dass sie ihm vertrauen könnte. Als sie in seiner Gegenwart regelrecht aufgeblüht war, ohne zu ahnen, dass er sie nur aushorchen wollte, um etwas über die angeblich zweifelhaften Absichten ihrer Mutter herauszufinden.

„Und sonst nichts?“, fragte sie sarkastisch. „Haben sie nichts über meine farblichen Vorlieben gesagt? Oder die Filme, die ich mir anschaue? Mein Lieblingsmüsli vielleicht?“

„Nichts dergleichen“, erwiderte er mit gespielter Ernsthaftigkeit. „Kein Wort über deine Frühstücksgewohnheiten. Aber da wir von nun an zusammenarbeiten werden, bietet sich in den nächsten Wochen ja vielleicht die Gelegenheit, mein Gedächtnis diesbezüglich aufzufrischen.“

Natürlich verstand sie sofort, worauf er hinauswollte. Was bildete dieser arrogante Kerl sich eigentlich ein? Um nichts in der Welt würde sie ihn noch einmal in ihr Privatleben lassen! Geschweige denn in ihr Bett!

„Das kannst du gleich wieder vergessen, Damiano!“, zischte sie. „In meinen Augen bist du das Letzte! Du kannst mich vielleicht zwingen, für dich zu arbeiten. Aber mit wem ich meine freie Zeit verbringe, ist immer noch ganz allein meine Entscheidung! Und wie die Dinge liegen, wäre ich lieber mit einer Ratte zusammen als mit dir.“

„Interessant“, erwiderte er amüsiert. „Wir werden ja sehen.“ Dann wurde sein Gesicht ernst. „Gehen wir an die Arbeit?“, fragte er und stieß sich mit einer geschmeidigen Bewegung von der Tischkante ab.

Verwirrt starrte Riva ihn an. Das war alles? Keine weiteren Fragen? Also hatte die Firma nichts anderes über sie enthüllt?

„Deshalb bin ich schließlich hier“, stimmte sie mit einem gezwungenen Lächeln zu.

Er weiß es nicht! Warum sollte er auch? Jetzt musste sie nur irgendwie dieses Projekt hinter sich bringen, dann war die ganze Sache erledigt. Aber würde sie diesmal seiner gefährlichen Anziehungskraft widerstehen können? Sie musste auf der Hut sein. Keine Angst, machte sie sich selber Mut. Schließlich bist du nicht mehr die unerfahrene Neunzehnjährige von damals, die sich Hals über Kopf in ihn verliebt hat! Heute war sie eine Frau, die wusste, was sie wollte. Eine Frau mit einer Karriere und genug gesundem Menschenverstand, sich von Männern wie Damiano D’Amico fernzuhalten.

Was immer man ihm in der Firma über sie erzählt hatte – das Wichtigste war ihm Gott sei Dank verborgen geblieben. Und sie würde alles daransetzen, dass er es nie herausfinden würde.

2. KAPITEL

„Da ist ja unser Glückskind! Arbeitet für Damiano D’Amico und macht so ein Gesicht?“, rief eine der Mitarbeiterinnen, als Riva ein wenig abgehetzt im Büro ankam.

„Bitte?“ Woher wusste die Kollegin denn von dem Auftrag? Bis gestern hatte sie ja selbst keinen blassen Schimmer gehabt!

„Was haben Sie, das ich nicht habe?“, fuhr die Frau halb im Scherz, halb im Ernst fort.

„Ein Geheimnis, das hat sie“, erklärte einer der jungen Kollegen aus der Grafikabteilung, der gerade vorbeikam. „Wir Männer lieben rätselhafte Frauen. Insbesondere, wenn sie so zart und zerbrechlich sind. Das ruft Beschützerinstinkte wach. Euch Amazonen kann das nicht passieren.“

Lachend schüttelte Riva den Kopf und machte sich auf den Weg zum Büro ihrer Chefin. Als ob es eine Rolle spielte, wie zart oder robust sie war! Damiano hatte so oder so keine Skrupel gehabt, ihr das Herz zu brechen.

„Und? Wie ist es gelaufen?“ Auch heute zeigte sich Olivia Redwood ganz als effiziente Geschäftsfrau.

„Ich wusste gar nicht, dass Madame Duval mit Damiano D’Amico verwandt ist“, erwiderte Riva vorsichtig.

„Das war mir auch nicht bekannt. Bis er gestern Abend hier anrief und bestätigte, dass er damit einverstanden ist, Sie mit diesem Projekt zu beauftragen. Dabei war er es, der speziell nach Ihnen gefragt hatte. Nicht seine Großmutter. Sie scheinen einen bleibenden Eindruck auf ihn gemacht zu haben, als er vergangene Woche bei uns im Büro war, um die letzten Formalitäten vor der Vertragsunterzeichnung für die Einkaufszentren zu klären.“

„Was?“

„Ja, Sie können sich geehrt fühlen“ Ihrer Chefin war gar nicht aufgefallen, welch emotionales Erdbeben sie mit ihren Worten ausgelöst hatte. „Ist er nicht sympathisch?“, fuhr sie beinahe schwärmerisch fort. Selbst die reife Geschäftsfrau schien sich Damiano D’Amicos Charme nicht entziehen zu können.

Ärgerlich zuckte Riva die Schultern. „Vor allem ist er stinkreich. Was bei einem Kunden durchaus von Vorteil ist.“ Das hatte giftiger geklungen als geplant.

„Sie scheinen von Ihrem neuen Auftraggeber nicht sonderlich begeistert zu sein“, stellte ihre Chefin erstaunt fest. „Wissen Sie eigentlich, dass sich sämtliche Kolleginnen ein Bein ausreißen würden, um an Ihrer Stelle zu sein? Für diese Familie zu arbeiten! Und dann auch noch auf Signore D’Amicos besonderen Wunsch ausgewählt zu werden!“

Abermals zuckte Riva die Schultern. „Die Kolleginnen können ihre Beine behalten. Ich wäre nur zu gern bereit, zu tauschen!“

Olivia Redwoods Lächeln kühlte deutlich ab. „Ihnen ist doch wohl klar, dass Signore D’Amico einer unserer besten Kunden ist. Also halten Sie sich etwas zurück in Ihren Äußerungen!“

„Natürlich“, erwiderte Riva kleinlaut. Was hatte sie denn für eine Wahl?

„Wie ich höre, ist er kein einfacher Chef. Durch und durch Perfektionist. Aber sonst wäre er wahrscheinlich auch nicht so erfolgreich. Die Firma zählt auf Sie, Riva. Wir möchten ihn gern auch in Zukunft zu unseren Kunden zählen können.“

„Natürlich“, wiederholte Riva. Was ihre Chefin wohl sagen würde, wenn sie von den heftigen Wortgefechten wüsste, die sie sich gestern mit dem Lieblingskunden geliefert hatte? Normalerweise war Olivia Redwood ausgesprochen nett im Umgang mit ihren Angestellten. Und ohne sie wäre eine Karriere als Innenarchitektin für Riva nicht möglich gewesen. Aber wenn sie glaubte, Angst um die Zukunft ihrer Firma haben zu müssen, würde sie wahrscheinlich nicht lange freundlich bleiben.

„Ich hatte den Eindruck, dass er eine ganze Menge über mich weiß.“

„Bei seinen Aufträgen geht es um sehr viel Geld. Natürlich wollte er einige Informationen über Ihren beruflichen Hintergrund, Ihren Werdegang und Ihre Qualifikationen, bevor er Sie engagiert.“

„Aber Sie haben ihm nichts über meinen … meine Situation gesagt?“

„Über Ihr Privatleben? Wieso sollte ich das tun?“

Nervös wich Riva dem verwunderten Blick ihrer Chefin aus und blickte zu Boden.

„Ich denke nicht, dass Ihr Privatleben bei dem Projekt eine Rolle spielt. Wenn Sie wünschen, können Sie Signore D’Amico selbst darüber in Kenntnis setzen. Ich gebe Ihnen hier eine große Chance. Nutzen Sie sie!“

Den Rest des Vormittages verbrachte Riva mit allerlei Büroarbeiten. Doch nach dem Mittagessen schnappte sie sich ihren Laptop und die Kamera und machte sich, wie am Vortag mit Damiano vereinbart, auf den Weg zu dem ehemaligen Kutschenhaus. Sie wollte Fotos von dem Zimmer machen, das sie umgestalten sollte.

Mit klopfendem Herzen steckte Riva den Schlüssel, den Damiano ihr anvertraut hatte, ins Schloss. Mit großer Erleichterung stellte sie fest, dass niemand da war. Also würde sie in aller Ruhe ihre Arbeit planen können. Ohne irgendwelche Ablenkungen durch Damianos Anwesenheit.

Erst sehr viel später am Nachmittag hörte sie, wie ein Wagen auf den Hof fuhr. Sofort spannte sich jeder einzelne Muskel in ihrem Körper an. Am liebsten wäre sie zum Fenster geschlichen, um einen Blick nach draußen zu werfen. Aber sie hatte Angst, dass Damiano sie dabei sehen würde. Denn dass er es war, stand außer Frage. Wer sonst in dieser Gegend fuhr ein Auto mit einem so starken Motor?

Die Eingangstür fiel klickend ins Schloss. Wenig später hallten die nur allzu vertrauten Schritte im Korridor wider. Riva hielt den Atem an. Wie von selbst fuhren ihre Finger fort, etwas in den Laptop einzutippen. Lauter Nonsens. Aber sie war fest entschlossen, den großen Signore D’Amico mit völliger Gleichgültigkeit zu empfangen.

„Buon giorno!“

Widerstrebend sah sie zu ihm auf – und bereute es sofort. Da stand er. Lässig mit einem Arm am Türrahmen abgestützt, selbstsicher bis in die letzte Faser seines muskulösen männlichen Körpers. Sein Anblick brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Sein schwarzes Haar schien feucht zu sein. Als käme er gerade aus der Dusche. Die obersten Knöpfe des weißen Hemdes hatte er offen gelassen, sodass es den Blick auf die gebräunte Haut seiner Brust freigab. Riva schluckte.

„Haben dich deine innovativen Ideen so sehr beschäftigt, dass du die Haustür nicht gehört hast? Oder willst du mir durch Nichtachtung beweisen, dass du dich nicht im Geringsten für mich interessierst?“

Konnte er etwa Gedanken lesen?

„Wolltest du nicht schon früher hier sein?“, fragte sie betont sachlich.

„Wollte ich das?“

Langsam kam er auf sie zugeschlendert. Nervös senkte sie den Blick auf den Computerbildschirm. Das schien ihr in diesem Moment am unverfänglichsten.

„Ich hatte vergessen, dass ich zum Squash-Spielen verabredet war.“

„So?“ Sie glaubte ihm kein Wort. Damiano vergaß nie etwas. Wahrscheinlich genoss er es, sie einen ganzen Nachmittag lang auf die Folter zu spannen! „Hast du gewonnen?“ Was für eine dumme Frage! Wer sollte ihn schon besiegen, den Mann mit dem Körper eines Fitnessgottes?

„Das Spiel lief sehr gut.“

„Für dich oder deinen Gegner?“ Wieso konnte sie nicht einfach den Mund halten? Erstens wusste sie die Antwort bereits. Und zweitens sollte sie besser mit diesen Sticheleien aufhören, wenn sie nicht das Ende ihrer Karriere heraufbeschwören wollte.

Als er sich über den Tisch beugte, um ihre Skizzen zu begutachten, stieg ihr der frische Duft seines Duschgels in die Nase.

„Ich dachte, das wüsstest du bereits aus Erfahrung, Riva“, erwiderte er leise. „Ich spiele, um zu gewinnen. Immer.“

Ohne ihn anzusehen, flüsterte sie: „Ganz gleich, wen du damit verletzt?“

„Solange sich alle an die Regeln halten, passiert niemandem etwas. Ich spiele immer fair. Und versuch nicht, mir einzureden, ich hätte dich damals verletzt. Außer dem kleinen Schmerz, den ich dir zugefügt habe, weil ich nichts von deiner … Unschuld wusste.“ Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Grinsen. Dann fügte er ernsthaft hinzu: „Hätte ich es gewusst, wäre es nie dazu gekommen.“

„Was hättest du denn stattdessen tun wollen?“, brauste sie auf. „Mich in einem schalldichten Raum einsperren und unter eine Verhörlampe setzen? Wenn es deinen Macho-Stolz in irgendeiner Weise beruhigt, ich hätte auch nie mit dir geschlafen, wenn mir klar gewesen wäre, wie du wirklich bist!“

„Was hattest du denn erwartet? Dass ich ebenso leichtgläubig bin wie mein Onkel Marcello? Fakt ist, wir beide müssen mit den Ereignissen der Vergangenheit leben. Und um genau zu sein – an besonders viel Schlaf erinnere ich mich nicht, wenn ich an unsere gemeinsame Zeit zurückdenke.“

Errötend sprang Riva auf, schnappte sich das Lasermessgerät und flüchtete auf die andere Seite des Raumes. Mit übertriebener Geschäftigkeit gab sie vor, den Fußboden abzumessen.

Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, erwiderte sie: „Für mich bist du nicht viel mehr als eine unerfreuliche Episode in meinem Leben, Damiano.“

„Und wie viele erfreuliche Episoden folgten danach?“

„Das geht dich überhaupt nichts an!“

„Vielleicht sollte ich das umformulieren … Wie viele profitable Episoden gab es seitdem?“

„Wie kannst du es wagen. Behauptest du etwa, ich sei eine …“

„Eine was?“

Angewidert verzog sie das Gesicht. Sie würde das Wort nicht in den Mund nehmen! Was glaubte er eigentlich, wer er war?

„Wie du gestern sagtest: ‚Wenn du dir den Schuh anziehen möchtest‘.“

„Und ich zitiere deine Antwort: ‚Bedaure, nein!‘“ Wütend marschierte sie zum Tisch zurück und begann ihre Papiere zusammenzusammeln. Musste er sich unbedingt an die Tischkante lehnen? Wieso ging er nicht endlich und ließ sie arbeiten?

„Gut, dann ist es eben eine Erinnerung, die wir beide am liebsten vergessen würden. Damals verfolgten wir wohl beide einen ganz bestimmten Plan. Meiner ging auf, deiner nicht. So ist das Leben. Aber einmal ganz von unseren jeweiligen Hintergedanken abgesehen – wer wollte leugnen, dass es auch eine ganz … vergnügliche Erfahrung war?“

Ungläubig starrte Riva ihn an. „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein! Wenn du glaubst, dass ich es genossen habe, bist du ja noch viel eingebildeter, als ich dachte! Ich empfinde nichts als Ekel, wenn ich zurückdenke!“

Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie um den Tisch herum, um sich ihren Tacker zu holen. Dabei achtete sie darauf, Damiano möglichst nicht zu nahe zu kommen.

„Ich bin kein Tyrann, cara. Aber wenn du mich unbedingt wie einen behandeln willst, bitte. Nur wird unser Arbeitsverhältnis dadurch nicht gerade angenehmer. Deshalb denke ich, wir sollten dem sofort ein Ende setzen.“

Für einen beängstigenden Augenblick dachte Riva, er wolle ihr kündigen. Die Firma anrufen und Olivia Redwood mitteilen, dass er eine andere, kooperativere Innenarchitektin für das Projekt einstellen wollte. Entsetzt wich sie ein Stück zurück, doch Damiano hielt sie am Handgelenk fest.

Sofort begann ihr Herz zu rasen. „Ich habe keine Angst vor dir!“, stieß sie mit zitternder Stimme hervor.

„Gut“, erwiderte er mit einem kalten Lächeln. In seinen Augen stand ein gefährliches Glitzern. Schon einmal hatte sie sich in diesen Augen verloren. Und als er sie an sich zog und seine Arme um sie legte, fühlte Riva sich wieder wie damals als Teenager: fasziniert, atemlos, hilflos.

„W… was soll das?“, stotterte sie und versuchte, möglichst empört zu klingen.

„Ich halte nicht viel von grauer Theorie. Ich experimentiere lieber“, erwiderte er mit einem vielsagenden Blick auf ihren Mund.

Und ehe sie fragen konnte, was für Experimente er meinte, spürte sie schon seine heißen, fordernden Lippen auf ihren.

Das darfst du nicht zulassen! Mach dem ein Ende! Sofort! Schließlich wusste sie, dass dies für ihn nur ein Machtspiel war. Aber wie sollte sie einen kühlen Kopf bewahren, wenn die Hitze, die von seinem muskulösen Körper ausging, sie zu verbrennen drohte? Wenige Sekunden später ergab sie sich dem übermächtigen Verlangen, seine Küsse zu erwidern. Gleichsam von selbst schlangen sich ihre Arme um seinen Nacken, glitten ihre Finger durch sein schwarzes Haar.

Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an ihn. Unglaublich, was für Gefühle dieser Mann in ihr auslöste! Der Mann, der sie zur Frau gemacht hatte. Ihr erster Liebhaber. Und ihr einziger!

Plötzlich fiel ihr wieder ein, weshalb sie nie wieder einen anderen Mann in ihre Nähe gelassen hatte. Damiano hatte sie nur benutzt! Und tief verletzt. Sie unterdrückte ein Schluchzen und stieß ihn von sich.

„Du selbstverliebter Macho!“, rief sie wütend.

Auch wenn er ihr einen kleinen Sicherheitsabstand gewährte, hielt er ihre Arme weiter erbarmungslos fest. „Leugne es, so viel du willst“, murmelte er rau, „aber ich denke, wir beide wissen, dass dein Kopf und dein Körper zwei verschiedene Dinge wollen. Ja, ich bin dir und deiner Mutter damals auf die Schliche gekommen. Doch hinter deiner Abneigung gegen mich steckt etwas ganz anderes. Du magst mich nicht, cara, weil du in meiner Nähe schwach wirst. Weil ich alles mit dir machen konnte, was ich wollte und wann ich wollte. Das hat natürlich nicht in deinen ausgefuchsten Plan gepasst, mich um deinen süßen kleinen Finger zu wickeln.“

Und das sollte ich besser nicht vergessen! Ruckartig ließ Damiano sie los und wandte sich ab. Denn – mamma mia! – ein einziger Kuss genügte, und er begehrte sie wieder genauso heftig wie damals. Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um sie nicht wieder in die Arme zu ziehen.

„Von mir aus kannst du glauben, was du willst!“, erwiderte Riva schwach. Sie hatte keine Kraft mehr zum Kämpfen. Was würde es bringen, ihn daran zu erinnern, dass er durch seine Einmischung die Depression ihrer Mutter ausgelöst hatte?

Außerdem schien er gerade sehr … wütend zu sein. Nein, wütend war nicht das richtige Wort. Wieso hatte er sich so abrupt von ihr abgewandt? Warum konnte er ihr nicht länger in die Augen sehen? Was ging in ihm vor?

Stolz richtete Riva sich auf – auch wenn sie neben Damianos ein Meter fünfundachtzig ziemlich winzig wirkte. „Wenn du mit diesem unsäglichen Blödsinn fertig bist, würde ich dir gern etwas auf dem Computer zeigen. Ich habe schon einmal ein paar Ideen aufgeschrieben.“

Lässig schlüpfte er aus seinem Jackett, warf es auf einen Stuhl und stützte sich mit einer Hand auf dem Schreibtisch ab, ehe er sich durch die ersten Entwürfe zu klicken begann.

„Olivia hat recht“, bemerkte er nach ein paar Minuten angespannter Stille. „Du bist sehr gut!“

Hätte er mir das vor ein paar Jahren gesagt, wäre ich außer mir gewesen vor Freude und Stolz! Jetzt empfand sie nur Erleichterung und ein sonderbares Bedauern.

„Ja, ich glaube, für Farben und Formen habe ich ein besseres Gespür als für Menschen“, bemerkte sie spitz und blickte verstohlen auf ihre Armbanduhr.

„Bist du in Zeitdruck?“, fragte er, ohne den Blick vom Monitor abzuwenden.

„Ich habe noch einen Termin“, erwiderte sie nervös.

„Einen Termin? Etwa ein romantisches Rendezvous?“

Lächerlich! Sie hatte keine Rendezvous, erst recht keine romantischen! Aber das würde sie ihm natürlich nicht sagen. Dann konnte sie ihm ja gleich erzählen, dass sie seit jenem Sommer in Italien nicht einen einzigen Mann in ihre Nähe gelassen hatte. Aber wenn er unbedingt glauben wollte, dass es einen Lover in ihrem Leben gab, bitte sehr! Vielleicht war sie ja dann vor ihm sicher.

„Damiano, bitte …“

„Muss ja ein höchst bedeutsamer Typ sein, wenn du dich seinetwegen sogar zum Bitten herablässt“, bemerkte er mit einem spöttischen Lächeln.

„Ich will nur pünktlich nach Hause.“

Er lehnte sich wieder an die Tischkante und warf ihr einen langen prüfenden Blick zu. „Dass du einen Termin hast, kannst du mir beim besten Willen nicht weismachen. Keine Bange, cara mia! Wenn er etwas taugt, wartet er auf dich.“

Krampfhaft bemüht, nicht zu besorgt zu wirken, schüttelte Riva den Kopf. Die Taktik, Damiano glauben zu lassen, es gebe einen anderen Mann in ihrem Leben, funktionierte ja glänzend! „Ich habe es versprochen.“

Lässig nahm er sein Handy aus der Tasche und hielt es ihr unter die Nase. „Dann ruf ihn doch an.“

„Wozu?“, fragte sie spitz. „Ich werde ja pünktlich gehen.“ Wieso musste er sie nur so provozieren?

„Beeindruckend, deine Hingabe! Ist offensichtlich jemand ganz Besonderes!“

„Ja, das ist er“, platzte sie heraus und bereute es augenblicklich.

„So?“ Damianos Blick wurde kalt. „Aber die flüchtige Berührung eines anderen Mannes bewirkt, dass du vergisst, wie besonders er ist. Weiß er das?“

Bei seinen gezielt verletzenden Worten wurde Riva dunkelrot. „Wenn du deine unfaire Attacke von vorhin meinst, du hast mich schlicht überrumpelt. Mehr war es nicht!“

„Ach nein?“ Damiano zog die Augenbrauen hoch. Dann fuhr er in geschäftsmäßigen Ton fort: „Muss ich jetzt jeden Tag damit rechnen, dass du unsere Meetings ohne Vorankündigung abbrichst?“

„Natürlich nicht“, murmelte sie. „Und wenn du pünktlich gewesen wärst, hätten wir auch pünktlich Schluss machen können!“

„Wie du willst“, gab er nach einem Moment des Schweigens nach. „Aber in Zukunft sollte dein Job bei mir die allerhöchste Priorität haben. Klar?“

Ohne ein weiteres Wort sammelte Riva ihre Unterlagen zusammen und stopfte sie in die Tasche. Dann nahm sie den Laptop unter den Arm und machte sich eilig auf den Weg.

Klar? Wenn die Hölle einfriert!

3. KAPITEL

Als Riva in ihrem kleinen Auto über das Kopfsteinpflaster des Innenhofes Richtung Ausfahrt rumpelte, zeigte die Uhr bereits zehn nach fünf.

„Wie konnte das nur passieren?“, stieß sie frustriert hervor. Durch welche Tücke des Schicksals war sie in die Lage geraten, für Damiano zu arbeiten, nachdem sie ihn beinahe fünf Jahre erfolgreich gemieden hatte?

Natürlich geriet sie jetzt auch noch in einen Stau! Je langsamer sie fuhr, desto schneller schienen die Erinnerungen auf sie einzustürmen.

Riva wusste, was es bedeutete, arm zu sein. Chelsea war gerade einmal achtzehn Jahre alt gewesen, als sie zur Welt kam. Ihren Vater kannte sie nur flüchtig. Erst hatte er im Gefängnis gesessen, und kurz nach seiner Entlassung war er tödlich verunglückt.

Die hübsche und künstlerisch begabte Chelsea Singleman hatte zwar nie über einen Mangel an potenziellen Ehemännern klagen können, die gern für sie und ihre kleine Tochter gesorgt hätten. Doch das war für die emanzipierte junge Frau nicht infrage gekommen.

Nach der schlimmen Erfahrung mit Rivas Vater hatte Chelsea ihre Tochter stets davor gewarnt, blind ihren Gefühlen zu folgen. Aber hatte Riva auf diese Warnungen gehört? Natürlich war sie nicht damit vertraut gewesen, wie man sich in den höheren Kreisen der Gesellschaft bewegte, als sie Damiano D’Amico kennenlernte.

Und diese Unerfahrenheit hat er schamlos ausgenutzt! Heiße Tränen schossen ihr in die Augen. Oh, warum hatte er immer noch solche Macht über sie?

Niemals würde sie vergessen, wie beeindruckt sie von ihm gewesen war. Damals, als sie ihn im Salon von Marcellos Villa zum ersten Mal gesehen hatte. Sein charmantes Lächeln, sein atemberaubender Körperbau, seine überwältigende männliche Ausstrahlung – und seine feurigen Blicke, die ihr junges Herz zum Klopfen brachten. Doch in seinem Blick hatte mehr gelegen als Leidenschaft. Ein Ausdruck, den sie damals nicht einordnen konnte: Misstrauen. Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass er die Verlobte seines Onkels bei der kleinen privaten Feier nicht nur kennenlernen, sondern ausspionieren wollte?

Marcello … Das Bild des sanften weißhaarigen Mannes tauchte vor ihrem inneren Auge auf. In seiner Gegenwart habe ich Mutter zum ersten Mal wirklich glücklich gesehen, dachte sie wehmütig. Ja, der Altersunterschied war beträchtlich. Doch wen kümmerte das? Ihre Mutter liebte Marcello und er sie. Und ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass der alte Herr wohlhabend war, freute Riva sich von ganzem Herzen für die beiden.

„Ich habe gesehen, wie Damiano dich anschaut“, flüsterte ihre Mutter ihr nach dem festlichen Brunch, bei dem auch reichlich Champagner geflossen war, zu. „Ich warne dich, Riva. Dieser Mann bedeutet Ärger! Und dabei meine ich nicht die Art Ärger, die dein Vater angerichtet hat. Nein, Damiano ist ein Herzensbrecher. Ich will nicht wissen, wie viele Frauen sich an ihm schon die Finger verbrannt haben.“

Genau in dem Moment tauchte Damiano plötzlich neben ihnen auf. „Hallo“, begrüßte ihre Mutter ihn verlegen. „Wie geht es meinem frischgebackenen Neffen?“

„Neffe? Das ist wohl ein bisschen voreilig. Ich glaube, Marcello ist auf der Suche nach Ihnen. Anscheinend fühlt er sich einsam.“

„Oh, der Arme. Na los, Riva! Lass uns zu ihm gehen!“

„Nein, Sie bleiben hier Signorina. Mein Onkel hat nur nach seiner Verlobten gefragt.“

Das Herz klopfte Riva bis in die Kehle, als er ihr seine starke, warme Hand auf die Schulter legte.

„Oder wie soll ich Sie nennen, falls mein Onkel Ihre Mutter heiratet? Cousinchen?“

„Was soll das heißen? Falls? Sie werden definitiv heiraten.“ Irgendein Unterton in seiner Stimme ging Riva gegen den Strich. Doch als er sie anlächelte und sanft in seine Arme zog, war jeder Ärger verflogen. Sachte berührten seine Lippen ihre, und jede Faser ihres Körpers sehnte sich nach mehr.

Und es war tatsächlich nur einer von unzähligen Glücksmomenten, die sie mit Damiano verbrachte. Auch wenn sie ihre Schüchternheit ihm gegenüber nie ganz ablegen konnte. – Ein derart attraktiver und erfolgreicher Mann interessierte sich ausgerechnet für sie? Fast zu schön, um wahr zu sein!

Alles wollte er über sie wissen. Wo sie herkam, was sie im Leben erreichen wollte. Bisher hatte sich niemand dafür interessiert. Und noch nie hatte sie eine solche Leidenschaft für jemanden empfunden. Doch ihr war klar, dass sein Interesse an ihr schnell erlöschen würde, wenn sie ihm die beschämende Wahrheit über ihre Vergangenheit erzählte. Darum erfand sie eine fantasievolle Geschichte nach der anderen, um in seinen Augen glamouröser zu wirken. Die Grenze zwischen Wahrheit und Traum verschwamm, bis aus beidem jene Kindheit wurde, die sie sich so sehr gewünscht hätte.

Als Damiano den Besuch bei seinem Onkel verlängerte, glaubte sie naiverweise, dass er ihretwegen blieb.

„Sei vorsichtig, Riva.“ Ihre Mutter wurde nicht müde, diese Warnung zu wiederholen. „Ich weiß, er sieht gut aus, ist charmant und viel aufregender als die Jungs, mit denen du bisher ausgegangen bist. Aber er ist viel zu erfahren für ein junges Mädchen wie dich. Sei vorsichtig, ich will nicht, dass meine Kleine verletzt wird.“

„Ich bin aber nicht mehr deine Kleine, Chelsea“, erwiderte Riva ein bisschen beleidigt. „Falls du es noch nicht bemerkt hast: Ich bin erwachsen.“

„Ich weiß. Und Damiano D’Amico auch. Genau deshalb mache ich mir ja Sorgen.“

Oh, Mum … Heute wusste Riva, wie recht ihre Mutter gehabt hatte. Doch nun war es zu spät.

„Keine Sorge! Ich habe alles im Griff.“ Davon war sie jedenfalls überzeugt.

Ha, von wegen! Nichts hatte sie im Griff. Gar nichts. Weder seine fordernde männliche Libido noch ihre eigene Naivität.

„Du bist dir im Klaren über das, was du tust, oder?“, raunte er ihr dann in seinem Schlafzimmer zu. In jener Nacht, als die erotische Spannung zwischen ihnen sich nicht mehr unterdrücken ließ. Sie wusste, worauf sie sich einließ, glaubte es zumindest.

Einen Moment war sie versucht, ihm die Wahrheit zu erzählen. Doch sie verwarf den Gedanken sofort. Es ging nicht, weil er sich dann von ihr abwenden würde. Sich vielleicht sogar über ihren Mangel an Erfahrung und Raffinesse lustig machte. Nein, das würde sie nicht ertragen!

Darum gab sie dem unbändigen Verlangen nach, ihm ganz nahe zu sein. Darum bejahte sie seine Frage, ob sie die Pille nähme.

Natürlich wurde ihm im nächsten Moment klar, dass sie ihn anlog. Aber da gab es bereits kein Zurück mehr. Selbst Damianos ungeheure Willensstärke konnte die Flut der Leidenschaft nicht aufhalten, die sie beide im wilden Taumel mit sich fortriss.

Doch hinterher wandte er sich brüsk von ihr ab. „Du hast mich angelogen“, warf er ihr vor. „Was hast du dir nur dabei gedacht? Glaubtest du wirklich allen Ernstes, ich würde nicht bemerken, dass du noch Jungfrau bist?“

Riva verstand die Welt nicht mehr. Wieso war er nur so unglaublich wütend? Wenn er sie liebte, hätte er sich doch eigentlich eher geschmeichelt fühlen sollen.

„Ich … ich dachte, es sei dir egal“, stotterte sie verlegen. Die eben noch schönste Erfahrung ihres Lebens hatte sich auf einmal in die schlimmste verwandelt.

„Du dachtest, es sei mir egal?!“ Wütend sprang er auf und lief unruhig hin und her. „Mamma mia! Ich bezweifle, dass du überhaupt irgendetwas gedacht hast!“

Er hielt sie anscheinend für vollkommen verantwortungslos. „Warum findest du es so furchtbar, der erste Mann in meinem Leben zu sein?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Das sollte dich doch eigentlich freuen.“

„Nein, das sollte es überhaupt nicht! Was dachtest du denn, wie ich reagieren würde? ‚Grazie, signorina? Wie großzügig von dir?‘“

„Hör auf, bitte.“ Sie hielt es kaum aus, dass er so zu ihr sprach. Wieso machte er alles zunichte? Was sie gerade miteinander erlebt hatten, schien ihm rein gar nichts zu bedeuten.

„Was, wenn du schwanger wirst? Ist dir der Gedanke nie gekommen?“

Doch, flüchtig. Aber dann hatte sie sich von ihren Gefühlen überwältigen lassen – Verlangen, Leidenschaft, Scham, Angst vor Zurückweisung.

„Glaubst du vielleicht, ich werde Mitleid mit dir haben, wenn du in ein paar Wochen heulend vor meiner Tür stehst, weil du ein Kind von mir erwartest?“

Das war unmissverständlich. Jemand, der so redete, konnte sie nicht lieben! Vor Schmerz wurde ihr ganz elend.

„Oder war das alles Teil deines Plans?“

„Meines … Plans?“ Wie vor den Kopf geschlagen starrte sie ihn an. „Was denn für ein Plan?“

„Hast du mich deshalb angelogen und behauptet, du würdest die Pille nehmen?“ Mit jeder Silbe wurde seine Stimme eisiger. „Wolltest du mich in die gleiche Falle locken, in die der arme Marcello getappt ist? Sogar deine Unschuld wirfst du in die Waagschale, um dir ein Leben im Luxus zu sichern! Während die Mutter sich den reichen Onkel schnappt, angelt sich die Tochter den noch reicheren Neffen!“

„Das ist überhaupt nicht wahr! Meine Mutter hat sich Marcello nicht geschnappt! Wie kannst du das nur behaupten?“, begehrte sie auf. Und obwohl es nicht stimmte, fügte sie hinzu: „Und ich nehme sehr wohl die Pille.“ Nach all den ungerechten Anschuldigungen wollte sie auf keinen Fall zugeben, wie naiv sie tatsächlich gewesen war.

„Du warst noch Jungfrau.“

„Na und?“ Die Gleichmütigkeit ihrer Antwort war gespielt. „Einmal ist immer das erste Mal.“

„Und es musste ausgerechnet mit mir sein?“, fragte er verächtlich und begann, sich anzuziehen. „Na, ich hoffe, ich habe deine Erwartungen nicht enttäuscht!“ Damit wandte er sich ab und marschierte mit offenem Hemd zur Tür hinaus.

Ein paar Tage später löste Marcello die Verlobung mit Rivas Mutter. Anscheinend war es Damiano gelungen, seinen Onkel davon zu überzeugen, dass sich Chelsea Singleman nicht als Ehefrau für einen D’Amico eignete. Alles hatte er herausgefunden. Über den Gefängnisaufenthalt von Rivas Vater, die Barjobs ihrer Mutter, ihre finanziellen Schwierigkeiten und selbst die Sache mit den Mietschulden, vor denen sie vor langer, langer Zeit weggelaufen waren. Alles, was Riva und ihre Mutter verschwiegen hatten – oder besser, was sie vergessen wollten.

„Du hast mich angelogen, Riva!“, erwiderte Damiano auf ihre Vorwürfe, die Beziehung ihrer Mutter zerstört zu haben. „Du verstehst doch wohl, dass ich den guten Namen meiner Familie schützen musste?“

Ihre großen grünen Augen füllten sich mit Tränen. „Du hast mich benutzt!“

Einen kurzen Moment sah es aus, als träfen ihre Worte einen wunden Punkt. „Und du warst sehr … entgegenkommend“, gab er dann mit einem kalten Lächeln zurück.

Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. Er zerstörte alles! Ihre Mädchenträume, das Glück ihrer Mutter. Musste er auch noch ihre Würde in den Staub treten?

„Mir scheint, wir waren beide nicht ohne Hintergedanken“, bemerkte er kühl, als sie stumm blieb. „Ich wollte lediglich das Ansehen meiner Familie retten.“

„Wie skrupellos du bist!“, stieß sie erbittert hervor und suchte vergeblich nach Anzeichen der Reue und des Mitgefühls in seinen Augen. Wusste er eigentlich, was er ihr und ihrer Mutter angetan hatte?

„Dann haben wir vielleicht doch mehr gemeinsam, als ich dachte“, versetzte er sarkastisch. „Und jetzt entschuldige mich. Die Geschäfte warten.“ Und damit ließ er sie einfach stehen. Ohne auch nur zu ahnen, dass er ihr das Herz brach.

Am selben Nachmittag verließen sie und ihre Mutter das Anwesen der D’Amicos. Nur der Butler verabschiedete sich von ihnen. Kurz darauf begannen Chelseas Depressionen. Manchmal sah es zwar so aus, als würde ihr Zustand sich ein wenig bessern. Doch Rivas Hoffnungen auf eine vollständige Heilung ihrer Mutter wurden aufs Schlimmste enttäuscht.

Als sie eines Tages vom Einkaufen nach Hause kam, fand sie Chelsea regungslos im Schlafzimmer. Sie musste nicht lange raten, was geschehen war. Danach weinte sie sich wochenlang in den Schlaf und wünschte vergeblich, ihre Mutter wäre Marcello nie begegnet!

Seufzend hielt Riva vor dem Haus mit dem bunten Eingangsschild. Ein Gutes hatte die Begegnung mit den D’Amicos ja trotz allem gehabt …

4. KAPITEL

„Mami!“

Lachend breitete Riva die Arme aus und wirbelte den kleinen Jungen im Kreis herum.

Dann wandte sie sich an die Leiterin der Kindertagesstätte, die ihrem Sohn Ben nach draußen gefolgt war: „Entschuldige die Verspätung, Kate. Leider konnte ich heute nicht früher von der Arbeit weg.“

„Das ist schon okay.“ Die beiden Frauen verband eine tiefe Freundschaft. „Du weißt, ich passe gern auf ihn auf. Er ist ein richtiger kleiner Engel! Aber meine Mutter hat heute um sechs einen Arzttermin, und ich habe ihr versprochen, sie hinzufahren.“

Nachdem Riva sich abermals bei der Kindergärtnerin für ihr Zuspätkommen entschuldigt hatte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Ben, der ihr unbedingt etwas zeigen wollte. Lächelnd betrachtete sie die selbst gebastelte Karte und strich gerührt über die aus Buntpapier ausgeschnittenen Herzchen.

„Das hat er ganz allein gemacht.“

„Danke, mein Schatz“, wisperte Riva und drückte den Kleinen an sich.

Jeden Tag sehnte sie diesen Moment herbei. Wenn sie Ben endlich vom Kindergarten abholte und er mit seinem fröhlichen Plappern ihre dunklen Gedanken vertrieb. Er war ein liebes, aufgewecktes Kind, das ganz offensichtlich Damianos scharfen Verstand geerbt hatte. Und der ahnte nicht einmal, dass er Vater eines Sohnes war!

Nachdem Riva herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, hatte ihre Mutter wochenlang versucht, sie zu überreden, es Damiano zu erzählen. „Immerhin ist er genauso dafür verantwortlich wie du! Und selbst wenn er mit dir nichts mehr zu tun haben möchte, für sein eigenes Kind wird er ja wohl sorgen wollen.“

Doch Riva hatte sich beharrlich geweigert. Nicht nach dem, was vorgefallen war!

„Was auch immer du heute von ihm hältst, er hat ein Recht darauf, sein Kind kennenzulernen!“

Damit hatte Chelsea zugegebenermaßen nicht ganz unrecht. Und leicht war das Leben nicht für eine alleinerziehende Mutter. Trotzdem konnte Riva sich nicht überwinden, Damiano zu kontaktieren. Er wird doch nur seine Anschuldigungen wiederholen, dachte sie immer wieder. Sie habe es darauf angelegt, von ihm schwanger zu werden, um Alimente fordern zu können und sich so ein Leben im Luxus zu sichern.

Allein bei der Erinnerung stieg heiße Wut in ihr auf. Aber das würde sie Ben nicht zeigen. Zärtlich zauste sie das glänzende braune Haar ihres Lieblings. Damiano wusste nicht, dass jener heiße italienische Sommer einen so besonderen kleinen Menschen hervorgebracht hatte. Ebenso wenig ahnte Benito Singleman, dass einer der reichsten und einflussreichsten Männer Italiens sein Daddy war. Bisher hatte der Kleine noch keine peinlichen Fragen gestellt. Doch irgendwann würde er es tun. Und irgendwann würde sie ihm von seinem Vater erzählen müssen. Aber im Moment noch nicht.

„Komm, mein Schatz“, sagte sie mit einem liebevollen Lächeln und führte ihren Sohn zum Auto.

Obwohl Ben sonst immer durchschlief, hatte er in den folgenden Nächten ebenso viele Albträume wie Riva selbst. In der Nacht vor ihrem nächsten Meeting mit Damiano weckte er sie beinahe stündlich. Als dann am Morgen der Wecker klingelte, fühlte sie sich, als habe sie überhaupt nicht geschlafen.

Hastig zog sie sich an und machte Frühstück. Heute brauchte es ihre ganze Überredungskunst, Ben aus dem Bett zu kriegen. Es fiel ihr schwer, ihr müdes Kind aus dem Schlaf zu reißen. Aber sie konnte es sich nicht erlauben, bei der Arbeit zu fehlen!

„Kann sein, dass er heute ein bisschen quengelig ist“, warnte sie Kate schon einmal vor. Ihre Schuldgefühle verzehnfachten sich, als der Kleine beim Abschied zu weinen anfing.

Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um und rief beschwichtigend: „Ist ja schon gut, Ben. Der Tag geht ganz schnell vorbei, und dann ist Mami wieder da.“

Doch wem machte sie hier eigentlich etwas vor? Ob er nun wie gewöhnlich gern in den Kindergarten ging oder bei ihr bleiben wollte wie heute – Rivas Arbeitstage waren lang. Dass sie ihrem Sohn wenigstens eine Kindheit ohne finanzielle Not bieten konnte, war ihr einziger Trost.

Hatte sie ihm eigentlich die warme Jacke mitgegeben? Anscheinend schon, sie lag nicht auf dem Rücksitz. Und die Müsliriegel, die er so gern mochte? Seit ihrer letzten Begegnung mit Damiano war sie in Gedanken oft nicht bei der Sache, wenn sie etwas tat. Armer Ben! Jetzt musste er auch noch unter einer zerstreuten Mutter leiden!

Als sie endlich beim Kutschenhaus eintraf, war sie schon ziemlich erschöpft. Aber wenigstens nicht zu spät!

„Kurze Nacht gehabt?“, begrüßte Damiano sie mit einem flüchtigen Blick über den Rand seines Laptops.

„Das könnte man so sagen.“ Hoffentlich fing er jetzt nicht wieder von irgendwelchen romantischen Rendezvous an! Das fehlte ihr gerade noch!

Er sah natürlich aus, als wäre er gerade einem Modekatalog entsprungen. Der hellgraue Maßanzug, das weiße Hemd und die silberfarbene Krawatte waren perfekt aufeinander abgestimmt. Sie selbst hatte kaum Zeit gehabt, sich zu stylen. Ein bisschen Gel ins Haar, etwas Mascara – mehr war in der Eile nicht möglich gewesen.

„Und? Hat es sich wenigstens gelohnt?“

Ärgerlich presste sie die Lippen zusammen, um nichts Unhöfliches zu sagen. „Außer meinem aktuellen Liebesleben scheint dich ja nicht viel zu beschäftigen!“ Diesen Kommentar konnte sie sich trotz allem nicht verkneifen.

Grinsend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. „Jedenfalls nicht in deiner Anwesenheit …“ Er ließ einen vielsagenden Blick über ihre schwarzseidene Tunika und den engen schwarzen Rock gleiten. „Ich muss gestehen, dass meine Konzentration in deiner Nähe empfindlich gestört ist, cara.“

Sie spürte, wie sie unter seinen Blicken errötete, und ärgerte sich darüber. „Könntest du wohl auf diesen heuchlerischen Kosenamen verzichten? Geht das?“

Er lachte spöttisch. „Ah, ja. Ich vergaß, wie viel Wert du darauf legst, immer die Wahrheit zu sagen.“

Wortlos stellte sie ihre Tasche auf den Tisch und kramte die für das Meeting vorbereiteten Entwürfen hervor.

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet“, hakte er nach. „Hat es sich gelohnt, deinen Schönheitsschlaf zu opfern?“

„Ja, es war eine fantastische Nacht!“, rief sie wütend. Gott, wie sie seine Sticheleien hasste! Wie sie ihn hasste! Und dass sie sich Sorgen um Ben machte, trug auch nicht gerade zur Verbesserung ihrer Stimmung bei.

Prüfend beobachtete Damiano sie aus dem Augenwinkel. Ihre Antwort hatte ihm überhaupt nicht gefallen. Aber es geschah ihm ganz recht. Was ging ihn ihr Liebesleben an?

War er etwa eifersüchtig? Nein! Nicht einmal annähernd beschrieb das Wort seine Gefühle für diese Frau, die es auf sein Vermögen abgesehen und ihn nach Strich und Faden belogen hatte! Trotzdem musste er zugeben, dass sie ihn immer noch faszinierte. Dass er sie immer noch begehrte. Und darum musste er sie haben! In seinem Bett versteht sich.

Aber wer war der Mann, der sie mitten in der Woche die ganze Nacht ausführte? Allein der Gedanke daran, dass ein anderer ihren zierlichen Körper in den Armen hielt, machte ihn rasend. Ob es sich wohl um eine ernste Beziehung handelte? Vielleicht war sie ja deshalb bereit gewesen, sogar ihren Job aufs Spiel zu setzen.

Derartige Überlegungen verbesserten Damianos Laune nicht gerade. „Also, was hast du für heute vorbereitet?“, fragte er und stand auf.

„Das hier“, erwiderte sie und reichte ihm den Hefter mit ihren Entwürfen. „Ich habe mich bemüht, deine Anregungen einzuarbeiten.“

Eigentlich hätte sie am liebsten im Kindergarten angerufen und nachgefragt, wie es Ben ging, aber durch die dicken Wände des alten Gebäudes war der Empfang furchtbar schlecht. Und sie würde auf keinen Fall Damiano bitten, das Festnetztelefon benutzen zu dürfen! Dann fand er am Ende noch heraus, dass sie ein Kind hatte. Oder schlimmer: dass er ein Kind hatte!

„Ich habe ein paar mehr Lichtquellen vorgesehen, damit der Raum weniger düster wirkt“, erklärte sie mechanisch, während er in den Unterlagen blätterte. „Aber ich werde noch ein paar Messungen vornehmen müssen, ehe ich weiß, wo sie anzubringen sind.“

„Tu, was du für richtig hältst“, sagte er mit einem Blick auf die Uhr. „Ich muss jetzt los.“

Als das Motorengeräusch seines Wagens verhallt war, schnappte Riva ihr Handy und rannte in den sonnenbeschienenen Hof hinaus.

„Er ist allerbester Laune“, berichtete die Kindergärtnerin. „Bis vor Kurzem hat er Knetfiguren gebastelt, und jetzt halten alle Kinder Mittagsschlaf.“

Gott sei Dank! Erleichtert machte Riva sich wieder an die Arbeit, bis ihr knurrender Magen sie darauf hinwies, dass sie noch nichts zu Mittag gegessen hatte. Also angelte sie ihr Thunfischsandwich und eine Apfelsine aus der Tasche und ging nach draußen. Bei dem schönen Wetter wollte sie ihre Mittagspause lieber im Freien verbringen.

Entspannt setzte sie sich unter einen Baum und lehnte sich an den Stamm. Wie schön, dass es Ben gut ging! Was wohl Damiano sagen würde, wenn er herausfände, dass er einen Sohn hatte?

„Erzähl es ihm“, hatte Chelsea sie immer wieder gedrängt. Ihre Mutter war damals weitaus verständnisvoller gewesen als sie selbst. Ja, Ben war Damianos Sohn – aber das änderte nichts daran, dass dieser Mann Chelseas Lebensglück zerstört hatte! Warum also sollte sie ein schlechtes Gewissen haben, dass sie ihm sein Kind vorenthielt? Sie und Ben brauchten ihn nicht. Sie waren glücklich und zufrieden miteinander, und sie würde alles daransetzen, dass das so blieb!

Auf einmal fiel ein Schatten auf sie. Verwirrt blickte sie nach oben in das Geäst des Baumes. Doch anstatt des erwarteten grünen Blätterdachs sah sie nur Finsternis und nackte dürre Zweige, die sich wie Krallen nach ihr ausstreckten. Die nach ihr zu greifen und ihr alles zu entreißen drohten, was sie liebte.

Ben!

Zitternd fuhr sie in die Höhe.

„Ruhig, cara.“ Eine starke Hand legte sich beschwichtigend auf ihre Schulter. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“

Nur ein Traum! „Ich … ich muss eingenickt sein“, stotterte sie verlegen. „Oh, nein! Es tut mir schrecklich leid!“ Was würde er jetzt von ihr denken? Ein scharfer Schmerz hämmerte in ihrer rechten Schläfe. Kein Wunder, dass sie müde und übernächtigt war. Die letzte Nacht hatte sie ja kaum eine Minute Ruhe gehabt. Aber er glaubte am Ende, dass sie sich immer faul in die Sonne legte, sowie er ihr den Rücken zukehrte.

„Keine Sorge, ich bin kein Sklaventreiber“, erwiderte er mit einem Blick auf die Überreste ihres Sandwiches und die Orangenschalen. Dann hielt er ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen.

Sie ignorierte die freundliche Geste, sammelte die Reste ihres Mittagessens ein und stand ohne seine Hilfe auf. Auch ohne dass er sie berührte, klopfte ihr Herz zum Zerbersten. Seit ihrem ersten Treffen war sie völlig neben sich gewesen. Vermutlich kam Ben deshalb nachts nicht zur Ruhe. Er war ein Spiegel ihrer eigenen Ruhelosigkeit. Und jetzt auch noch dieser Albtraum!

Unwillkürlich blickte sie nach oben, um zu sehen, ob der Baum noch alle Blätter hatte. Die Nachmittagssonne blinzelte durch das satte Grün der Baumkrone. Nur etwas kühler war es geworden, und einige Wolken standen am Himmel.

„Lust auf eine Kletterpartie?“, fragte er neckend.

„Wie?“

„Hast du nicht einmal mit deiner Mutter zusammen zwei Tage auf einem Baum verbracht, um gegen den Fortschritt der Zivilisation zu demonstrieren?“

Autor

Nancy Robards Thompson
Nancy Robards Thompson, die bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, lebt in Florida. Aber ihre Fantasie lässt sie Reisen in alle Welt unternehmen – z. B. nach Frankreich, wo einige ihrer Romane spielen. Bevor sie anfing zu schreiben, hatte sie verschiedene Jobs beim Fernsehen, in der Modebranche und in der...
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