Romana Exklusiv Band 330

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MEIN GRIECHISCHER GELIEBTER von MICHELLE REID

Nie hat sich Isobel wohler gefühlt als in den Armen des griechischen Unternehmers Leandros Petronades - und nie verlassener als in der Ehe mit ihm. Deshalb willigt sie auch in die Scheidung ein. Sie ahnt ja nicht, dass Leandros ganz anderes von ihr will!

MONDSCHEIN ÜBER CAPRI von AMANDA BROWNING

Schicksalhaftes Zusammentreffen auf Capri: Ellie lässt sich auf eine Scheinbeziehung mit dem attraktiven Jack ein. Bis über beide Ohren verliebt, hofft sie, dass Jack ihre Gefühle erwidert. Vergeblich - denn Jack ist gebunden! Wird Ellie ihn je vergessen können?

WIE VERFÜHRT MAN EINE PRINZESSIN? von LEANNE BANKS

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  • Erscheinungstag 11.12.2020
  • Bandnummer 330
  • ISBN / Artikelnummer 9783733748968
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Michelle Reid, Amanda Browning, Leanne Banks

ROMANA EXKLUSIV BAND 330

1. KAPITEL

Leandros Petronades lag auf dem Sonnendeck seiner Motorjacht und sah zufrieden auf die Bucht von San Estéban. Der Anblick der luxuriösen Ferienanlage, die sich über dem malerischen südspanischen Fischerdorf erhob, verschaffte ihm Genugtuung. Zum einen war sie genauso exklusiv geraten, wie er es sich vorgestellt hatte, zum anderen hatte sich seine Investition schon kurz nach Abschluss der Bauarbeiten doppelt und dreifach rentiert.

Vor allem Letzteres erfüllte ihn mit Stolz. Als sein Vater Aristoteles vor vier Jahren überraschend verstorben war, hatte er, Leandros, praktisch über Nacht die Leitung des Konzerns übernehmen müssen. Doch inzwischen war er längst ein anerkannter und erfolgreicher Geschäftsmann, von dem man erwartete, dass seine Geldanlagen sensationelle Gewinne abwarfen.

Ums Geldverdienen allein war es ihm bei diesem Projekt allerdings nicht gegangen. Dafür hing sein Herz viel zu sehr an dem Bauvorhaben, für das er sich schon engagiert hatte, als es noch eine fixe Idee seines Freundes Felipe Vazquez gewesen war. Gemeinsam hatten sie hart dafür gearbeitet, dass aus dem Traum ein konkreter Plan wurde, der schließlich Form angenommen hatte.

Inzwischen waren die Arbeiten abgeschlossen, und für ihn, Leandros, gab es nichts mehr zu tun. Die Luxusvillen waren verkauft, das Fünf-Sterne-Hotel auf lange Zeit ausgebucht, und der Golfplatz galt schon jetzt als Geheimtipp. Der einst verschlafene Ort war zu neuem Leben erwacht, und im Hafenbecken lagen die Luxusjachten jener Reichen und Berühmten vor Anker, denen die Costa Smeralda oder die Côte d’Azur zu überlaufen waren.

Seine Jacht würde jedoch in wenigen Tagen auslaufen, und dieser Gedanke machte ihn schwermütig. Während der jahrelangen Bauarbeiten hatte sie ihm als Wohnung und Büro gedient. Nun aber sollte sie in die Karibik überführt werden. In drei Wochen würden sein Bruder Nikos und dessen Braut Carlotta sie dort übernehmen, um ihre Flitterwochen mit einer Kreuzfahrt zu verbringen.

Dass er, Leandros, von Bord musste, stand also unwiderruflich fest. Noch hatte er sich allerdings nicht entschieden, wohin er gehen sollte. Die Vorstellung, nach Athen zurückzukehren und als Leiter eines Weltkonzerns wieder in die Tretmühle des Alltags zu geraten, behagte ihm ganz und gar nicht.

„Selbstverständlich muss es ein Feuerwerk geben“, hörte er eine sanfte, aber entschlossene Frauenstimme sagen. „Das sind wir den vielen Menschen einfach schuldig, ohne deren unermüdlichen Einsatz das Projekt nicht so erfolgreich geworden wäre. Deshalb soll es bei dem Fest am Namenstag des Schutzpatrons von San Estéban an nichts fehlen.“

Je länger Leandros zuhörte, desto mehr hellte sich seine Stimmung auf. Das Geschick, mit der Diantha ihre Arbeit machte, imponierte ihm ebenso wie die ruhige und sachliche Art, die sie dabei an den Tag legte. Egal, welchen Auftrag er ihr erteilte, stets konnte er sich darauf verlassen, dass alles perfekt lief. Nicht selten schien sie seine Gedanken sogar im Voraus zu erahnen und hielt lästige Dinge von ihm fern.

Da sie nicht nur in beruflichen Dingen auf einer Wellenlänge lagen, fühlte er sich in Dianthas Nähe ausgesprochen wohl. Inzwischen spielte er sogar ernsthaft mit dem Gedanken, sie zu heiraten.

Dass er sie nicht liebte, fiel nicht weiter ins Gewicht, denn den Glauben an die große Liebe hatte er schon vor Jahren verloren. Doch Diantha war schön, klug und mit Sicherheit eine fantastische Liebhaberin – zumindest nahm er es an, denn davon überzeugt hatte er sich noch nicht. Außerdem war sie Griechin, finanziell unabhängig und nahm seine kostbare Zeit nicht über Gebühr in Anspruch.

Bei der Suche nach einer Heiratskandidatin waren das für einen Geschäftsmann wie ihn nicht zu unterschätzende Vorteile. Schließlich bestand seine Hauptaufgabe darin, die Position der Petronades-Gruppe am Weltmarkt zu festigen und nach Möglichkeit weiter auszubauen.

Da Diantha Christophoros selbst aus einer angesehenen Unternehmerfamilie stammte, hatte sie dafür Verständnis. Deshalb war nicht zu befürchten, dass sie sich beklagen würde, wenn er bis spät in die Nacht arbeitete. Genauso wenig würde sie von ihm erwarten, dass er sie mehrmals täglich anrief und alles liegen und stehen ließ, sobald sie mit den Fingern schnippte.

Angesichts solcher Vorzüge war Diantha im Grunde die ideale Ehefrau für ihn. Lediglich ein Punkt sprach gegen eine baldige Hochzeit mit ihr, und bevor der nicht aus der Welt war, wollte er sich seine Absichten nicht einmal andeutungsweise anmerken lassen.

Denn noch war er mit einer anderen verheiratet. Zumindest auf dem Papier. Und da er seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Ehefrau hatte, wäre die Scheidung nur eine Formsache. Er brauchte lediglich seinen Anwalt anzurufen, und in wenigen Wochen würde Isobel endgültig der Vergangenheit angehören.

Schon der Gedanke an sie reichte, um ihm die Stimmung zu verderben. Leise fluchend erhob Leandros sich aus dem bequemen Liegestuhl, nahm eine gekühlte Flasche Bier aus der kleinen Bar des Sonnendecks und stellte sich an die Reling.

Diese kleine Hexe, dachte er verbittert, ehe er die Flasche an den Mund setzte und einen kräftigen Schluck trank. In letzter Zeit hatte er erfreulich selten an Isobel gedacht. Doch wie seine heftige Reaktion bewies, waren die Wunden, die sie hinterlassen hatte, auch nach drei Jahren noch nicht verheilt.

Selbst von seinem Platz an der Reling aus konnte er Diantha hören, die im Salon seiner Jacht stand und am Telefon die letzten Details des großen Festes organisierte, mit dem die Ferienanlage offiziell eröffnet werden sollte. Auch ohne sich umzudrehen, meinte er die schwarzhaarige Frau mit den dunkelbraunen Augen und dem gebräunten Teint vor sich zu sehen, die immer elegant gekleidet war.

Nicht zuletzt darin unterschied sie sich wohltuend von Isobel, die es vorzog, ihre makellose Figur aufreizend zur Schau zu stellen, anstatt sie dezent zu betonen.

Das Bild der jungen Frau, das er unwillkürlich vor Augen hatte, verfehlte nicht seine Wirkung. Doch damit war er vertraut, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

Sie waren übereinander hergefallen wie zwei liebestolle Teenager und hatten aus einem Impuls heraus geheiratet. Mit derselben hingebungsvollen Leidenschaft, mit der sie sich anfangs geliebt hatten, hatten sie sich später gestritten. Lediglich die Trennung hatte sie davor bewahrt, sich gegenseitig zu vernichten. Sie waren beide viel zu jung gewesen.

Trotzdem löste die Erinnerung daran eine Bitterkeit aus, die es Leandros ratsam erscheinen ließ, sich jeden Gedanken an Isobel zu verbieten. Wie die Zeit in San Estéban würde auch sie bald der Vergangenheit angehören.

Leandros war entschlossen, die bevorstehenden Veränderungen für einen Neuanfang zu nutzen. Er war inzwischen einunddreißig Jahre alt, und die Vorstellung, zu heiraten und vielleicht sogar eine Familie zu gründen, hatte durchaus ihren Reiz – vorausgesetzt, es würde sich die richtige Frau …

„Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen, oder warum blickst du so finster drein?“

Leandros hatte Diantha nicht kommen hören. Ihr Lächeln zeugte ebenso von tief empfundener Zuneigung wie der Ausdruck in ihren braunen Augen.

Er konnte sich nicht erinnern, Isobel je lächeln gesehen zu haben – zumindest nicht ohne Hintergedanken. Und statt Zuneigung hatte er in ihren großen Augen stets nur Aufsässigkeit gelesen.

„Ich versuche, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass die schöne Zeit in San Estéban ein Ende hat“, erwiderte er schließlich. Dann sah er wieder gedankenverloren auf die Bucht. Hierher hatte er sich vor fast drei Jahren zurückgezogen, um wieder zu sich selbst zu finden. Es hatte unendliche Mühe gekostet, doch schließlich war es ihm gelungen, die innere Leere wieder auszufüllen. Einen besseren Ort als San Estéban hätte er dafür nicht finden können. Entsprechend unbehaglich zu Mute war ihm bei der Vorstellung, Abschied zu nehmen.

Er war so in Gedanken versunken, dass er Diantha fast vergessen hatte. Erst als sie ihm die Hand auf den Arm legte, erinnerte er sich daran, dass sie direkt neben ihm stand.

Als er sich zu ihr umdrehte, zog sie die Hand wieder zurück. Sie wirkte fast ein wenig erschrocken, denn noch ließ ihre Beziehung eigentlich keine Berührungen zu.

Diantha war die beste Freundin seiner Schwester Chloe, und er war Ehrenmann genug, sie während ihres Aufenthalts auf seiner Jacht mit dem gebotenen Respekt zu behandeln. Und so schwer es ihm in diesem Moment auch fiel, er war entschlossen, sich an seine guten Vorsätze zu halten.

„Dass dir der Abschied schwer fällt, kann ich mir gut vorstellen“, sagte Diantha verständnisvoll. „Aber vielleicht ist es das Beste so. Du bist schon so lange hier, dass du es für normal hältst, auf einer schicken Jacht zu leben und dich um nichts kümmern zu müssen. Um dich vor dem wirklichen Leben zu verstecken, bist du allerdings noch zu jung, findest du nicht?“

„Da könntest du recht haben“, stimmte Leandros ihr zu, auch wenn es ihm ein wenig unheimlich war, dass sie ausgesprochen hatte, was er empfand. „Deshalb habe ich vor, gleich nach dem Fest nach Athen zurückzukehren und mich dem wirklichen Leben zu stellen, wie du es nennst.“

„Das freut mich“, gab sie unumwunden zu. „Und deine Mutter wirst du damit sehr glücklich machen.“

Ehe er etwas erwidern konnte, drehte sie sich um und ging zurück in den Salon. Er sah ihr nachdenklich hinterher. Sie trug ein elegantes blaues Sommerkleid, das ihrer Figur schmeichelte, und das schwarze Haar hatte sie zusammengebunden und hochgesteckt. Äußerlich wie innerlich entsprach sie geradezu perfekt dem Bild einer jungen Griechin aus gutem Hause, die Schönheit, Anmut und gutes Benehmen in sich vereinigte.

Erneut hätte der Kontrast zu jener Frau, an die er unwillkürlich denken musste, nicht größer sein können. Isobel waren sämtliche Konventionen seiner Heimat ein Gräuel gewesen, und lieber wäre sie gestorben, als sich ihnen zu unterwerfen. Das lange rote Haar hatte sie stets offen getragen, und ein Kleid hatte sie nur angezogen, wenn es unbedingt sein musste. Sie hatte knappe Shorts bevorzugt, die ihre faszinierenden schlanken Beine zur Geltung brachten, und enge Tops, die die Blicke der Männer zwangsläufig auf ihre perfekt geformten Brüste lenkten.

Außerdem hätte sie sich lieber die Zunge abgebissen, als Interesse an den Gefühlen seiner Mutter zu äußern, ergänzte Leandros in Gedanken, als Diantha durch die gläserne Schiebetür ging.

Schulterzuckend stellte er sich wieder an die Reling und trank einen Schluck Bier. Isobel und seine Familie waren vom ersten Tag an wie Feuer und Wasser gewesen. Kein gutes Haar hatten sie aneinander gelassen, und keine der beiden Seiten hatte auch nur versucht, auf den anderen zuzugehen.

Diantha hingegen mochte seine Mutter sehr gern, und zu seiner großen Freude beruhte die Zuneigung auf Gegenseitigkeit. Als beste Freundin seiner Schwester ging sie seit Kindertagen in seinem Elternhaus ein und aus, und deshalb kannte er sie schon seit vielen Jahren.

Richtig Notiz von ihr genommen hatte er allerdings erst, als sie vor einer Woche an Bord gekommen war. Ursprünglich hatte Chloe ihm bei der Organisation des Fests helfen wollen, das in wenigen Tagen stattfinden sollte. Doch da sie bereits die Hochzeit ihres Bruders Nikos vorbereitete, war Diantha kurzerhand eingesprungen.

Er rechnete es ihr hoch an, weil sie erst wenige Tage zuvor aus Washington zurückgekommen war, wo sie vier Jahre mit ihren Eltern gelebt hatte. Entsprechend überrascht war er gewesen, als ihm statt des kleinen Mädchens von früher eine attraktive junge Frau gegenüberstand, die mehr Vorzüge hatte als die meisten ihrer Altersgenossinnen.

Dazu gehörte auch, dass außer einer kurzen und harmlosen Romanze mit seinem Bruder Nikos nichts Nachteiliges über ihren Lebenswandel bekannt war. Vor allem das machte sie als Partnerin ungleich geeigneter als diejenige Frau, mit der er noch immer verheiratet war.

Erst als Leandros die leere Bierflasche abstellte, bemerkte er den Mann, der auf der Mole stand und seine Kamera direkt auf ihn und seine Jacht gerichtet hatte. Pressefotografen verabscheute er von jeher. Zum einen hatten sie nicht den geringsten Respekt vor seiner Privatsphäre, und zum anderen verdiente seine derzeitige Ehefrau mit dieser zweifelhaften Tätigkeit ihren Lebensunterhalt.

Ihre erste Begegnung hatte gewissermaßen durch das Objektiv ihres Fotoapparats stattgefunden, das sie auf ihn und den roten Ferrari gerichtet hatte, vor dem er stand. Um besonders effektvolle Bilder zu bekommen, hatte sie wie verrückt mit ihm geflirtet, bis er sich schließlich dazu erweichen ließ, allerhand lächerliche Posen vor dem Sportwagen einzunehmen. Wenige Stunden später hatten sie miteinander geschlafen, und danach …

Leandros verbot sich den Gedanken an das, was nach dieser ersten Begegnung geschehen war. Nie wieder wollte er an Isobel denken. Es wurde höchste Zeit, sie ein für alle Mal aus seinem Leben zu streichen, und die Scheidung würde es ihm sicher sehr erleichtern.

Als Isobel den Brief las, der in der Post gewesen war, gingen ihre Gedanken in eine ganz ähnliche Richtung. Er stammte vom Anwalt ihres Noch-Ehemannes, der ihr mitteilte, dass Leandros die Scheidung eingereicht hatte.

Die Nachricht war aus heiterem Himmel gekommen, und auch wenn ihr der Schritt konsequent schien, hatte es sie schockiert, auf diesem Weg davon zu erfahren. Deshalb war Isobel erleichtert, dass ihre Mutter noch schlief und sie allein an dem kleinen Küchentisch saß.

Im Grunde ist die Scheidung längst überfällig, dachte sie und las erneut die Zeilen, mit denen das Ende einer Ehe angekündigt wurde, die niemals hätte geschlossen werden dürfen. Trotzdem verschwammen ihr die Buchstaben vor den Augen, je mehr sie sich darüber klar wurde, dass mit dem Brief das letzte Kapitel eines vier Jahre andauernden Irrtums angebrochen war.

Möglicherweise scheute Leandros vor dieser Einsicht genauso zurück wie sie. Warum sonst hatte er so lange gebraucht, um sich zu diesem Schritt durchzuringen?

Oder hatte er andere Beweggründe für den unvermittelten Entschluss, sich scheiden zu lassen? Vielleicht hatte er ja eine Frau kennen gelernt, bei der ihm nicht nur sein Herz, sondern auch sein Verstand sagte, dass er mit ihr den Rest seines Lebens verbringen wollte.

Nach allem, was sie durchgemacht hatte, hätte ihr diese Vorstellung eigentlich nicht mehr wehtun dürfen. Dass sie es trotzdem tat, konnte Isobel sich nur damit erklären, dass sie vor Liebe zu Leandros manchmal fast verrückt geworden war.

Zumindest zu Beginn ihrer Beziehung, musste sie einschränken. Doch damals waren sie noch zu jung gewesen, um zu wissen, dass leidenschaftliche Hingabe allein …

Um von der Erinnerung an zurückliegende Zeiten nicht überwältigt zu werden, zwang Isobel sich, den Brief erneut zu lesen. So stieß sie auf den Vorschlag, dass sie und Leandros sich in Athen treffen sollten, um die Scheidung – selbstverständlich in Gegenwart ihrer Anwälte – die Scheidung so schnell wie möglich über die Bühne gehen zu lassen. Nach Einschätzung von Leandros’ Anwalt Takis Konstantindou sollte eine gütliche Einigung innerhalb weniger Tage möglich sein. Da es Leandros nicht möglich wäre, nach England zu reisen, bot er an, sämtliche Unkosten zu übernehmen, die ihr entstehen würden.

Was ihn daran hindern sollte, sich in ein Flugzeug zu setzen und nach London zu fliegen, war ihr unbegreiflich. Der Mann, den sie in Erinnerung hatte, lebte ohnehin aus dem Koffer, weil er öfter auf Reisen als zu Hause war.

So gesehen, grenzte es an ein Wunder, dass sie sich überhaupt kennen gelernt hatten. Der Zufall hatte sie bei einer Automobilausstellung in den Londoner Messehallen zusammengeführt, auf der Isobel im Auftrag einer Illustrierten Fotos gemacht hatte. Damals war sie zweiundzwanzig Jahre alt, oder besser gesagt, jung gewesen, denn die Unbekümmertheit, die sie auszeichnete, war eher Ausdruck von völliger Unerfahrenheit als von Selbstbewusstsein gewesen. Sonst hätte sie möglicherweise einen großen Bogen um den unverschämt gut aussehenden Mann mit dem verführerisch dunklen Teint gemacht, der ihr auf einem Stand mit sündhaft teuren Sportwagen auffiel.

Zunächst hielt sie den makellos gekleideten und überaus charmanten Südländer, der unverhohlen mit ihr flirtete, für einen Mitarbeiter der Firma Ferrari. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass der Mann den teuren Sportwagen, vor dem sie ihn fotografierte, nicht verkaufen, sondern kaufen wollte – und das, obwohl er bereits mehrere davon besaß.

Erst viel später erfuhr sie, wer Leandros wirklich war. Doch da war es bereits zu spät, um den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Denn direkt vom Messestand aus brachte er sie zunächst in ein Restaurant und noch am selben Abend in sein Hotelzimmer, wo sie wie zwei liebestolle Teenager übereinander herfielen.

Selbstverständlich entging Leandros nicht, dass er der Erste war, mit dem sie schlief. Das Wissen darum entfachte seine Leidenschaft in einer Weise, die ihr unvergesslich bleiben würde. Mit unvergleichlicher Raffinesse und Geduld weihte er sie in den nächsten zwei Wochen in die Geheimnisse der Liebe ein und brachte ihr mehr über ihren Körper, ihre Sehnsüchte und Wünsche bei, als sie sich je erträumt hatte.

Als sich seine Rückkehr nach Griechenland nicht länger hinauszögern ließ, weigerte er sich strikt, ohne sie abzureisen. Deshalb heirateten sie Hals über Kopf, um vom Standesamt direkt zum Flughafen zu fahren.

Erst als Leandros sie zu einem Privatjet brachte, auf dem das Logo des Petronades-Konzerns prangte, begann Isobel, Fragen zu stellen. Er amüsierte sich darüber, dass sie einen der reichsten Männer der Welt geheiratet hatte, ohne es zu wissen. Dann führte er sie in seine Privatkabine. Dort liebten sie sich, bis das Flugzeug zur Landung ansetzte. So glücklich wie an jenem Tag war sie, Isobel, nie wieder gewesen.

Doch dazu hatte Leandros ihr auch keinen Anlass gegeben. So blieben von einer vierjährigen Ehe letztlich nur wenige Stunden, an die sie gern zurückdachte. Denn kaum hatten sie sein Elternhaus erreicht, war der Zauber verflogen. „In diesem Aufzug kannst du meiner Mutter unmöglich gegenübertreten“, sagte Leandros abfällig.

„Was stimmt denn an meinem Aussehen nicht?“, fragte Isobel verwundert.

„Nichts“, lautete seine vernichtende Antwort. „Der Rock ist eindeutig zu kurz, und das Haar solltest du lieber hochstecken. Es gibt bei uns gewisse Traditionen, an die selbst du dich halten musst.“

Sie zog sich weder um, noch steckte sie das Haar hoch. Sehr schnell musste sie jedoch begreifen, dass ihre provozierende Art nur dann willkommen war, wenn sie mit Leandros allein und nach Möglichkeit ein Bett in der Nähe war. Im Kreis seiner Familie trug ihr dasselbe Verhalten allerdings schnell den Ruf ein, ein billiges Flittchen zu sein. Und ihr Ehemann hielt es nicht für nötig, sie vor solchen Verleumdungen in Schutz zu nehmen.

Mit diesem Tag hatte eine Entwicklung begonnen, die zwangsläufig zu dem Brief hatte führen müssen, den Isobel noch immer in Händen hielt. Es war tatsächlich an der Zeit, dass sich der Vorhang über einen Abschnitt ihres Lebens senkte, der schon vor Jahren geendet hatte.

Einzig gegen das Verfahren, das Leandros über seinen Anwalt vorschlug, hatte sie noch Einwände. Denn wie sollte sie nach Athen fliegen, wenn sie ihre Mutter nicht einmal für einige Stunden allein lassen konnte?

„Wann landet sie?“

Leandros saß am Schreibtisch seines Athener Büros. Erst vor wenigen Tagen war er aus San Estéban zurückgekommen, aber der Alltagstrott hatte ihn längst wieder eingeholt. Es lag nun einmal in der Natur der Sache, dass der Leiter eines Weltkonzerns keine ruhige Minute hatte, weil ständig jemand etwas von ihm wollte. Vor lauter Terminen blieb ihm nicht einmal die Zeit, den Papierberg abzuarbeiten, der sich auf seinem Schreibtisch aufgetürmt hatte.

Im Grunde war er vierundzwanzig Stunden am Tag im Dienst, denn selbst bei privaten Anlässen traf er auf Geschäftspartner, die sich an seine Fersen hefteten und nicht eher lockerließen, bis sie ihr Anliegen losgeworden waren. Erschwerend kam hinzu, dass er die ganze Arbeit allein schultern musste, weil sein jüngerer Bruder Nikos vollauf mit der Vorbereitung seiner Hochzeit beschäftigt war.

Je näher der große Tag rückte, desto nervöser wurde ihre Mutter. Als ältester Sohn hatte er, Leandros, von seinem verstorbenen Vater nicht nur die Leitung des Konzerns, sondern auch die Rolle des Familienvorstands übernommen. Deshalb glaubte seine Mutter, ihn alle zehn Minuten anrufen und an seine Pflichten als Gastgeber erinnern zu müssen. Auf den vorsichtigen Einwand, dass er noch etwas anderes zu tun hätte, reagierte sie in schöner Regelmäßigkeit mit einem Panikanfall, der stets mit einer Litanei darüber endete, dass er die falsche Frau und die auch noch heimlich geheiratet hätte.

Am liebsten hätte er seinem jüngeren Bruder geraten, es ihm nachzutun und Carlotta Santorini in einer abgelegenen Dorfkapelle das Jawort zu geben. Wenn es einen Moment in seiner Ehe gab, an den er gern zurückdachte, dann war es die Trauung. Nie würde er den Moment vergessen, als er Isobel den Ehering an den Finger gesteckt und sie mit ihrem unnachahmlichen Lächeln zu ihm aufgesehen und geflüstert hatte: „Ich liebe dich und werde dich immer lieben.“

Um ihr den Treueschwur zu glauben, hatte er nicht fünfhundert geladene Gäste gebraucht – und dass alles anders gekommen war, hätten auch tausend Zeugen nicht verhindern können.

„Heute Abend.“

Es dauerte eine Weile, bis Leandros sich erinnerte, was er Takis Konstantindou gefragt hatte.

„Hast du ihr die Suite im Athenäum reserviert?“, erkundigte er sich.

„Das wollte ich“, erwiderte Takis. „Sie hat es allerdings abgelehnt und sich auf eigene Faust ein Hotel gesucht.“

„Weißt du, welches?“

„Meines Wissens hat sie im Apollo gebucht – aber erst, nachdem man ihr zugesichert hat, dass das Haus für Rollstuhlfahrer geeignet ist.“

Takis’ Erklärung traf Leandros gänzlich unvorbereitet. „Warum das denn?“, fragte er entgeistert. „Hatte sie einen Unfall, oder warum sitzt sie im Rollstuhl?“

„Dass sie im Rollstuhl sitzt, habe ich nicht gesagt“, wandte sein Anwalt ein. „Ich weiß nur, dass sie drei Zimmer gebucht hat, und eines davon ist behindertengerecht ausgestattet.“

„Dann solltest du schnellstens herausfinden, für wen es ist“, forderte Leandros ihn unmissverständlich auf. Der Gedanke, dass Isobel an den Rollstuhl gefesselt war, war ihm schier unerträglich.

„Selbst wenn sich deine Befürchtung bestätigen sollte, brauchst du an deinem Entwurf für eine gütliche Einigung nichts zu ändern. Das Angebot, das du ihr machst, ist absolut angemessen.“

Takis war offenbar nicht entgangen, wie schockiert er war. Wie seine zynische Bemerkung verriet, irrte er sich allerdings hinsichtlich der Gründe.

„Glaubst du wirklich, es ginge mir ums Geld?“, fragte Leandros empört. „Isobel ist meine Frau, und auch wenn die Ehe gescheitert ist, fühle ich mich nach wie vor für sie verantwortlich – erst recht, wenn sie an den Rollstuhl gefesselt ist.“

„Ich wollte dir wirklich nicht zu nahe treten“, entschuldigte sich Takis verlegen.

„Mir vielleicht nicht“, erwiderte Leandros unversöhnlich. Aber Isobel, fügte er in Gedanken hinzu, weil er genau wusste, was Takis unter „angemessen“ verstand.

Wenn es nach seiner Familie ginge, hätte Isobel keinen einzigen Cent von ihm bekommen. Sie hielten seine Frau für ein billiges Flittchen, und entsprechend abfällig dachten und sprachen sie über sie. Zu seiner Schande musste er sich jedoch eingestehen, dass er nie eingeschritten war – und schon gar nicht in Isobels Anwesenheit. Trotzdem irrten sie gewaltig, wenn sie ihr die Schuld daran gaben, dass die Ehe so schmählich gescheitert war. Ganz so einfach war es leider nicht.

„Mir ist völlig klar, wie ihr über sie denkt“, sagte er deshalb. „Aber ich erwarte von euch, dass ihr sie mit dem gebührenden Respekt behandelt. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“

Takis war doppelt so alt wie er und außerdem sein Patenonkel. Trotzdem war er so eingeschüchtert, dass er es bei einem zustimmenden Nicken beließ.

„Versuch, möglichst viel herauszubekommen, bevor wir uns mit ihr treffen“, trug Leandros ihm auf. „Und jetzt entschuldige mich“, fügte er hinzu. „Ich muss zu einer dringenden Besprechung.“

Takis schien fast ein wenig erleichtert zu sein, dass das Gespräch beendet war, denn er verabschiedete sich, ohne ihm die Hand zu reichen.

Als er endlich allein war, lehnte sich Leandros in seinem Sessel zurück. Dass Takis sein Verhalten nicht nachvollziehen konnte, überraschte ihn nicht. Schließlich war es ihm selbst ein Rätsel.

Vor zwei Wochen hatte er seinen Patenonkel von der Jacht aus angerufen und ihn beauftragt, die Scheidung einzureichen. Takis’ Nachfragen hatte er ebenso kurz wie emotionslos beantwortet, und damit war die Angelegenheit für ihn erledigt gewesen. Doch vor zwei Wochen hatte er seine Frau ja auch noch als Hexe beschimpft. Eine kleine Bemerkung von Takis hatte ihn allerdings jäh daran erinnert, dass sie im Grunde ein unerfahrenes und unsicheres Geschöpf gewesen war, das er aus der vertrauten Umgebung herausgerissen und der Athener High Society zum Fraß vorgeworfen hatte.

Leise fluchend stand er auf und lief unruhig durchs Zimmer. Was war bloß los mit ihm? Quälten ihn wirklich Reuegefühle? Oder hatte er schlicht und ergreifend Angst davor, dass die Isobel, der er am nächsten Tag gegenübertreten würde, nur noch ein Schatten der lebenslustigen, unbekümmerten Frau war, die er einst gekannt und geliebt hatte?

Was wäre, wenn sie tatsächlich im Roll…?

Das Telefon klingelte und verhinderte, dass er den entsetzlichen Gedanken zu Ende dachte.

Es war Diantha, die ihn freundlich daran erinnerte, dass seine Mutter ihn pünktlich zum Abendessen erwartete. Ihre fröhliche Stimme zu hören tat ihm unendlich gut, und als Leandros einige Minuten später den Hörer wieder auflegte, sah er sich darin bestätigt, dass Diantha wie für ihn geschaffen war.

Durch das Gespräch mit ihr war die Anspannung von ihm abgefallen, und endlich konnte er wieder an jene Dinge denken, die wirklich wichtig waren – etwa die Besprechung, auf der man ihn sicher schon erwartete.

„Hast du nicht schon genug Probleme am Hals?“, fragte Silvia Cunningham mit der ihr eigenen Offenheit. „Oder warum ziehst du dich so an?“

„Was hast du denn an mir auszusetzen?“ Isobel stellte sich vor den Spiegel. Sie trug ein maßgeschneidertes braunes Kostüm, dessen Rock nicht übertrieben eng geschnitten war und erst kurz über dem Knie endete. Die eng anliegende Jacke war hochgeschlossen, und darunter verbarg sich eine fast altmodische cremefarbene Bluse, die sie bis oben zugeknöpft hatte. Das Haar hatte sie sorgfältig gekämmt und mit einem Schildpattkamm hochgesteckt. Darüber hinaus war sie sehr dezent geschminkt, denn ihr Make-up beschränkte sich auf einen unauffälligen Lippenstift, einen Hauch Lidschatten und einen kaum merklichen Strich Mascara.

Alles in allem sah sie geradezu züchtig aus – jedenfalls für ihre Verhältnisse, musste sie einschränken, als sie das trotzige Funkeln in ihren großen grünen Augen bemerkte.

„Dein Aufzug ist die reine Provokation“, erwiderte ihre Mutter. „Der arme Kerl wird Höllenqualen leiden, wenn du ihm so gegenübertrittst. Das Kostüm ist so eng, dass selbst ein Blinder …“

„Für meine Figur kann ich nichts“, fiel Isobel ihr ins Wort. „Die habe ich genauso von dir geerbt wie die Farbe der Haare und der Augen.“

„Vergiss den Trotzkopf nicht“, ergänzte Silvia. „Du bist offenbar wild entschlossen, ihn nachträglich dafür zu bestrafen, dass er dich damals …“

„Er mich?“ Isobel warf ihrer Mutter einen strafenden Blick zu. „Vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass ich mich von ihm getrennt habe.“

„Vielleicht darf ich dich daran erinnern, wie inständig du gehofft hast, dass er kommt und dich zurückholt.“

Schön, dass du mir das ausgerechnet jetzt unter die Nase reibst, dachte Isobel. „Ich muss jetzt los“, sagte sie stattdessen und suchte nach ihrer Handtasche.

„Willst du das Ganze nicht lieber dem Anwalt überlassen?“, fragte Silvia besorgt.

„Fang bitte nicht schon wieder damit an“, bat Isobel inständig. Sie hatten schon unzählige Male darüber gesprochen, und allmählich war sie die Ermahnungen und Belehrungen ihrer Mutter leid.

„Dass ihr euch scheiden lasst, wird sicher höchste Zeit“, erklärte ihre Mutter trotzdem und versuchte mühsam, sich aufzurichten. „Aber ich verstehe nicht, warum du so darauf versessen bist, die Details selbst zu klären. Und wenn ich sehe, wie du angezogen bist, wird mir angst und bange.“

Trotz der Krücken, auf die sie sich stützte, kostete es sie größte Anstrengung, sich aufrecht zu halten. „Setz dich bitte wieder“, bat Isobel und stellte ihr einen Stuhl hin. „Du sollst dich doch nicht überanstrengen.“

„Ich setze mich erst, wenn du dich nicht mehr wie ein bockiges kleines Kind benimmst“, erwiderte Silvia bestimmt.

„Wer benimmt sich hier denn wie ein bockiges kleines Kind?“ Auch wenn die Situation eigentlich zu ernst war, musste Isobel unwillkürlich lachen.

Um zu wissen, woher sie ihren Dickkopf hatte, brauchte sie nur ihre Mutter anzublicken. Von ihr hatte sie neben ihrem Aussehen vor allem die Entschlossenheit und den unbeugsamen Willen geerbt.

Vor allem Letzterer wurde seit Silvias schwerem Autounfall vor zwei Jahren auf eine harte Probe gestellt. Die Heilung ging nur schleppend voran, und die Verletzungen an der Wirbelsäule waren so schwer, dass Silvia auf unabsehbare Zeit auf den Rollstuhl angewiesen sein würde. Glücklicherweise war ihr Lebensmut ungebrochen, und so gab sie die Hoffnung nicht auf, eines Tages wieder völlig zu genesen. Manchmal übertrieb sie es jedoch derart, dass sie sich in Gefahr brachte. Erst vor wenigen Wochen war sie schwer gestürzt. Zum Glück hatte sie sich bis auf einige blaue Flecken nichts getan.

Isobel hatte sich trotzdem schwerste Vorwürfe gemacht, weil sie ihre Mutter an jenem Tag allein gelassen hatte, um den Auftrag einer Illustrierten zu erledigen. Seitdem wagte sie es nicht, ihre Mutter länger als einige Stunden allein zu lassen.

Der Brief von Leandros’ Anwalt hatte sie deshalb vor ein schier unlösbares Problem gestellt. Schließlich war sie auf die Idee gekommen, Silvia nach Athen mitzunehmen. Das war zwar nicht der Weisheit letzter Schluss, aber immer noch besser, als vor Sorge um sie zu vergehen.

Zu ihrer Überraschung zeigte sich ihre Mutter einsichtig und nahm auf dem Stuhl Platz. Sie war sichtlich erschöpft.

„Natürlich verfolge ich mit meiner Kleidung eine bestimmte Absicht“, räumte Isobel ein und nahm ihrer Mutter die Krücken ab. „Aber es geht mir nicht darum, dass Leandros seinen Schritt bereut“, fügte sie hinzu, ehe sie in die Hocke ging und Silvias Hand umfasste.

„Ich konnte ihm einfach nichts recht machen“, erklärte sie traurig. „Immer hatte er etwas an mir auszusetzen, ganz egal, ob es um meine Kleidung oder mein Verhalten ging. Jetzt soll er mit eigenen Augen sehen, dass ich durchaus in der Lage bin, mich so gesittet zu kleiden und zu benehmen wie jede andere Frau auch – jedenfalls solange man mich nicht zu etwas zwingen will, was ich nicht bin.“

Silvia brauchte ihrer Tochter nur in die Augen zu sehen, um Gewissheit zu haben, dass sie sich etwas vormachte. Genauso sicher war, dass Leandros einen ganz anderen Eindruck haben würde, wenn Isobel ihm in dieser Aufmachung gegenübertrat.

In diesem Moment klopfte es an der Tür. „Das wird Lester Miles sein“, sagte Isobel und stand auf, um ihren Rechtsanwalt zu begrüßen.

„Pass bitte auf dich auf, Kleines“, mahnte Silvia sie und hielt ihre Hand fest umklammert. „Er hat dir wirklich genug wehgetan.“

Der unvermittelte Gefühlsausbruch ihrer Mutter machte Isobel zutiefst betroffen. „Vielleicht hat er das wirklich“, gestand sie. „Aber eins ist sicher. Absichtlich hat er mir nie wehgetan. Dafür hat er mich viel zu sehr geliebt, Mum.“

Normalerweise nannte sie ihre Mutter beim Vornamen, und dass sie nun „Mum“ sagte, bewies Silvia mehr als alles andere, wie aufgewühlt ihre Tochter innerlich war.

Was ist bloß in mich gefahren? fragte sich Isobel, als Silvia endlich ihre Hand losließ. Wie komme ich dazu, einen Mann in Schutz zu nehmen, der sich Dinge herausgenommen hat, die auch nach so langer Zeit noch unverzeihlich sind? Insofern war Silvias Angst, dass Leandros ihr wehtun könnte, völlig unbegründet. Schlimmer als das, was er ihr vor drei Jahren angetan hatte, konnte es gar nicht werden.

Erst als es erneut klopfte, erinnerte Isobel sich daran, dass es höchste Zeit wurde, sich auf den Weg zu machen. „Es dauert sicher nicht lange“, versicherte sie ihrer Mutter, während sie zur Tür ging.

„Meinetwegen brauchst du dich nicht zu beeilen“, erwiderte Silvia überraschend. „Clive hat ein Auto gemietet und will mit mir eine Stadtrundfahrt machen.“

Offenbar bleibt mir heute nichts erspart, dachte Isobel bitter, als ihr klar wurde, dass ein weiteres Problem der Lösung harrte.

Clive Sanders war ein Nachbar und seit Jahren ein guter Freund – und wenn es nach ihm gegangen wäre, auch mehr. Bislang hatte sie sich gegen seine Annäherungsversuche erfolgreich zur Wehr setzen können. Das hatte ihn allerdings nicht davon abhalten können, „zufällig“ zur selben Zeit nach Athen zu reisen – was er ohne Silvias ausdrückliche Ermunterung kaum gewagt hätte.

Isobel hatte erst davon erfahren, als Clive und sie sich im Foyer des Hotels förmlich in die Arme gelaufen waren. „Freust du dich denn gar nicht?“ hatte er gefragt, als sie ihn mit großen Augen angesehen hatte.

Doch nichts lag ihr ferner. Auch so mischten sich schon zu viele Menschen ungefragt in ihr Leben ein. Auch so meinten schon zu viele Menschen, besser als sie selbst zu wissen, was gut und richtig für sie war.

„Versprich mir, dass du dir nicht zu viel zumutest“, ermahnte sie ihre Mutter, als sie die Tür erreichte.

„Clive wird schon auf mich aufpassen“, erwiderte Silvia. „Schließlich ist er ausgebildeter Physiotherapeut.“

Als Isobel die Tür öffnete, zuckte Lester Miles förmlich zusammen, ehe er sie von Kopf bis Fuß musterte. Es war ihm unschwer anzusehen, dass auch er ihren Aufzug für unpassend hielt. Und wenn schon, dachte sie trotzig. Leandros sollte eine Lektion bekommen, die er sein Lebtag nicht vergessen würde, und dafür war das Lederkostüm genau richtig.

„Sind Sie so weit?“, fragte sie Lester und ging los, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie war plötzlich so entschlossen, dass sie sich fragte, warum sie überhaupt einen Anwalt hinzugezogen hatte. Andererseits konnte es nichts schaden, wenn jemand in der Nähe war, der ihr die richtigen Stichworte geben konnte. Denn sie hatte nicht weniger vor, als sich für all die Kränkungen und Demütigungen zu rächen, die Leandros ihr angetan hatte.

Geld interessierte sie nicht im Geringsten, und sie selbst besaß nichts, was eine „gütliche Einigung“ erforderte, von der im Brief des Anwalts die Rede war – es sei denn, Leandros wollte den goldenen Ehering zurückhaben oder den Schmuck, den er ihr zum Entsetzen seiner gesamten Familie geschenkt hatte.

„Dass ausgerechnet du die Juwelen trägst, ist ja wohl ein schlechter Witz“, hatte seine Schwester Chloe gespottet, als sie sie mit den kostbaren Stücken sah. „Sie haben wirklich etwas Besseres verdient.“ Und den entgeisterten Blick seiner Mutter hatte sie, Isobel, bis heute nicht vergessen.

Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, hatte sie den Schmuck aus London mitgebracht. Nun lag er im Tresor einer Athener Bank. Wenn Leandros ihn wiederhaben wollte, würde er ihn bekommen – allerdings nicht ohne eine entsprechende Gegenleistung. Es interessierte sie brennend, wie hoch sein Angebot ausfallen würde. Vor allem aber freute sie sich auf die Genugtuung, ihm die verdammten Diamanten auszuhändigen und den Raum mit keiner anderen Entschädigung zu verlassen als ihrem wiedergewonnenen Stolz.

Die Taxifahrt durch den Athener Berufsverkehr dauerte sehr lange. Lester Miles nutzte die Zeit, um sich mit ihr abzusprechen.

„Ihre Verhandlungsposition könnte nicht besser sein, Mrs. Petronades“, teilte er ihr mit. „Da es keinen Ehevertrag gibt, steht Ihnen die Hälfte des Vermögens Ihres Mannes zu.“

Plötzlich glaubte Isobel zu wissen, was Leandros unter einer „gütlichen Einigung“ verstand. Doch der Einsatz, um den es ging, hatte sich drastisch erhöht. Und wo ein Milliardenvermögen zu verteilen war, spielte selbst der wertvollste Schmuck eine untergeordnete Rolle.

„Die Verhandlungen stehen und fallen damit, wer von Ihnen an der Scheidung das größere Interesse hat“, fuhr der Anwalt fort. „Und da die Initiative von Ihrem Mann ausgeht, haben Sie die weitaus besseren Karten.“

„Ich scheine Sie unterschätzt zu haben“, gab Isobel zu. „Wissen Sie zufällig auch, warum er ausgerechnet jetzt die Scheidung eingereicht hat?“

„Beweisen kann ich es nicht“, antwortete er. „Aber wenn mich nicht alles täuscht, ist eine andere Frau dafür verantwortlich. Zumindest haben mir meine Informanten berichtet, dass sich eine gewisse Diantha Christophoros längere Zeit auf der Jacht Ihres Mannes aufgehalten hat.“

Bei der Erwähnung der ebenso bezaubernden wie vermögenden jungen Frau drohte sie in einen tiefen Abgrund zu stürzen.

„Die Dame entstammt einer der angesehensten Dynastien Griechenlands“, berichtete Lester, was sie schon wusste, um dann fortzufahren: „Eine Verbindung der beiden Familien würde die wirtschaftliche Macht des Petronades-Konzerns beträchtlich erhöhen. Gerüchten nach steht die Hochzeit Ihres Mannes unmittelbar bevor. Für diese Theorie spricht, dass Ihr Schwager Nicolas in der kommenden Woche eine gewisse Carlotta Santorini heiratet. Auch sie stammt aus einer angesehenen Unternehmerfamilie. Deshalb gehe ich davon aus, dass Ihr Mann – verzeihen Sie den Ausdruck – seinem Bruder zuvorkommen will. Bei solchen Konzernen in Familienbesitz geht es mitunter heute noch zu wie früher an Königshäusern. Der Erstgeborene übernimmt die Leitung, und alle anderen werden bestenfalls abgefunden.“

Mit jedem Wort ihres Anwalts war Isobel elender zu Mute geworden, und irgendwann konnte sie die Tränen nur noch mit äußerster Mühe zurückhalten.

Verdammter Mistkerl! verfluchte sie stumm jenen Mann, dem die Gefühle anderer im schmutzigen Spiel um Macht und Einfluss nicht das Geringste bedeuteten.

2. KAPITEL

Verdammter Mistkerl! dachte Isobel erneut, als sie Leandros eine Viertelstunde später im Konferenzraum seines Konzerns gegenüberstand.

Die letzten drei Jahre schienen spurlos an ihm vorbeigegangen zu sein, denn mit seinen einsneunzig war er jeder Zoll der Herzensbrecher. Er trug einen grauen Designeranzug, ein weißes Hemd und eine graue Krawatte. Sein Gesicht hatte weder den dunklen Teint noch den Ausdruck der Entschlossenheit eingebüßt, und das wellige Haar war immer noch so nachtschwarz, wie sie es in Erinnerung hatte. Die dunklen Augen und der sinnliche Mund strahlten die unerschütterliche Selbstsicherheit eines Mannes aus, der um seine verheerende Wirkung auf Frauen wusste.

Zur Begrüßung hätte sie ihm am liebsten eine schallende Ohrfeige verabreicht. Ihre Wut und Entrüstung waren so maßlos, als hätte sie ihn nicht vor drei Jahren, sondern erst gestern verlassen. Ausgerechnet Diantha Christophoros, dachte Isobel in Erinnerung an ihre Rivalin, die man in größter Eile außer Landes gebracht hatte, als sie damals auf der Bildfläche erschienen war.

Für wie dumm hielt er sie eigentlich? Ihm musste doch klar sein, dass seine intrigante kleine Schwester ihr in höchsten Tönen von dem engelsgleichen Wesen vorgeschwärmt hatte, dem Leandros den Laufpass gegeben hatte, um ein liebestolles Weibsbild zu heiraten. Allerdings hatte er sich von seiner Geliebten offenbar nicht ganz trennen wollen. Zumindest hatte Chloe sie jedes Mal genüsslich informiert, wenn Leandros eine Dienstreise für einen Besuch in Washington nutzte.

Vor lauter Hass auf ihren Ehemann brachte Isobel kein Wort heraus. Und für Takis Konstantindou hatte sie ebenso wenig einen Blick wie für ihren Anwalt.

Die Feindseligkeit in Isobels Blick entfachte seine Wut in einer Weise, die Leandros selbst überraschte.

Bis vor wenigen Stunden hatte er in der Angst gelebt, die lebenslustige und unbekümmerte junge Frau, die er vor vier Jahren geheiratet hatte, könnte an den Rollstuhl gefesselt sein. Die Erleichterung darüber, dass sich diese Befürchtung nicht bewahrheitet hatte, war jedoch nur von kurzer Dauer gewesen. Silvia Cunningham hatte ein solches Los noch viel weniger verdient. Der Gedanke, dass diese einst so energiegeladene Frau möglicherweise nie wieder würde laufen können, war ihm schlicht unerträglich.

Umso mehr fühlte er sich in seiner Absicht bestärkt, im Zuge der Scheidung dafür zu sorgen, dass es seiner Schwiegermutter zumindest finanziell an nichts fehlte. Alle anderen Punkte des Vorschlags, den er Isobel unterbreiten wollte, hatte er aber in aller Eile ändern müssen. Denn zu seinem Leidwesen hatte er inzwischen nicht nur erfahren, dass sie auf eigenen Beinen stehen konnte. Und eine schamlose Ehebrecherin großzügig abzufinden war das Letzte, wonach ihm der Sinn stand.

Das Wissen, dass sie ihn längst durch einen anderen ersetzt hatte, war schlimm. Noch schlimmer war die Tatsache, dass sie seinen Nachfolger nach Athen mitgebracht hatte. War sie ihm so verfallen, dass sie es nicht einmal zwei Tage ohne diesen Bodybuilder aushielt, der vor Muskeln kaum laufen konnte?

Wie ihr Äußeres bewies, war ihr das Wort Zurückhaltung nach wie vor unbekannt. Denn auch wenn sie das Haar fast züchtig hochgesteckt hatte, wirkte sie in dem Lederkostüm schamlos aufreizend – nur dass sie ihre sexuellen Lüste und Fantasien inzwischen mit einem anderen auslebte. Die Rolle ihres Ehemannes beschränkte sich darauf, ihr jeden Monat das Geld zu überweisen, das ihr den ausschweifenden Lebenswandel ermöglichte.

„Du hast dich verspätet“, begrüßte er sie scharf und wagte endlich, ihr ins Gesicht zu sehen. Im selben Moment musste er sich eingestehen, dass sie in den vergangenen drei Jahren noch schöner geworden war. Das rote Haar schien noch mehr zu leuchten als damals, und die großen grünen Augen zogen seinen Blick ebenso magnetisch an wie die gerade Nase und der unendlich sinnliche Mund.

Die Vorstellung, dass der blonde Hüne diese Lippen küssen durfte, drohte ihm den Verstand zu rauben. Und an alles andere, was er sich ausmalte, seit er die beiden im Foyer des Apollo beobachtet hatte, wollte Leandros lieber nicht denken.

Natürlich war es ein Fehler gewesen, zu ihrem Hotel zu fahren, doch die Angst, dass Isobel an den Rollstuhl gefesselt sein könnte, hatte ihm keine Ruhe gelassen. So aber hatte er ohnmächtig mit ansehen müssen, wie sie sich einem Mann an den Hals warf, dessen Gesichtszüge fast brutal wirkten.

„Wir sind im Berufsverkehr stecken geblieben“, entschuldigte sich Isobel mit gesenktem Blick. Sein schroffer Tonfall hatte sie sichtlich eingeschüchtert.

„Dann hättest du eben eher losfahren müssen“, wandte Leandros abfällig ein. „Schließlich bist du nicht zum ersten Mal in Athen. Und jetzt lass uns endlich Platz nehmen. Je eher wir anfangen, desto früher sind wir fertig.“

Unter Takis’ befremdetem Blick setzte er sich an den Konferenztisch. Unterdessen bemühte sich Isobels Anwalt, keine Regung zu zeigen. Doch selbst in seiner Rage meinte Leandros zu erkennen, dass der junge Mann mit der Situation völlig überfordert war.

Mir soll es recht sein, dachte er gleichgültig. Isobel kannte Takis gut genug, um zu wissen, dass sie mit einem Anwalt, der noch grün hinter den Ohren war, auf verlorenem Posten stand. Daran konnten auch der tadellos sitzende Anzug und sein hübsches, fast knabenhaftes Gesicht nichts ändern.

Der Gedanke, dass Isobel den Mann genau deshalb engagiert hatte, drängte sich Leandros förmlich auf. An seinen Fähigkeiten als Jurist war sie möglicherweise gar nicht so sehr interessiert. Vielleicht war der Bodybuilder nicht der Einzige, dem sie sich hingab.

Die Aufmachung, in der sie sich dem Tisch näherte, bestärkte ihn in seiner Annahme. Bei jedem Schritt spannte sich der Rock ihres Kostüms über den Hüften, und unter der eng anliegenden Jacke zeichneten sich ihre perfekt geformten Brüste deutlich ab.

Was trägt sie wohl darunter? fragte sich Leandros unwillkürlich, als sie sich mit betont reservierter Miene ihm gegenüber setzte und ihre Handtasche abstellte. Dabei glitt sein Blick unwillkürlich über ihr anmutiges Profil zu jenem Punkt unter ihrem Ohrläppchen, um dessen besondere Empfindlichkeit er allzu gut wusste. Auch jetzt würde eine leise Berührung mit der Zunge genügen, um Isobels Reserviertheit wie Schnee in der Sonne schmelzen zu lassen.

Ihren Körper kannte er sicher besser als sie selbst. Schließlich war er es gewesen, der sie in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht hatte. Er wusste genau, wo und wie er sie berühren musste, um sie willenlos zu machen. Mehr als zwei Minuten würde es nicht dauern, bis sie förmlich darum bettelte, dass er sie auszog und ihre geheimsten Sehnsüchte und Wünsche erfüllte.

Als Lester Miles neben Isobel Platz nahm und seine Aktentasche auf den Tisch legte, wurde Leandros jäh aus seinen Fantasien gerissen. Die Frau, mit der er noch immer verheiratet war, schenkte ihrem Anwalt ein aufmunterndes Lächeln, als würde es nicht um ihre, sondern um seine Scheidung gehen.

Dir wird das Lachen gleich vergehen, dachte er. Die Schlacht konnte jeden Augenblick beginnen. Doch wer als Sieger aus ihr hervorgehen würde, stand schon jetzt fest.

„Dann können wir jetzt wohl anfangen“, sagte Takis und setzte sich neben Leandros. „Als Erstes möchte ich dir, Isobel, versichern, dass uns sehr daran gelegen ist, eine Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird.“

„Das freut mich“, erwiderte Isobel und lehnte sich entspannt zurück. „Aber willst du mir nicht erst Guten Tag sagen, Onkel Takis?“

Wenn sie es darauf angelegt hatte, dem erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen Anwalt den Wind aus den Segeln zu nehmen, so war es ihr auf beeindruckende Weise gelungen.

„Habe ich das denn noch nicht getan?“, fragte er verlegen, und Leandros meinte erkennen zu können, dass der weltgewandte Mann ein wenig rot wurde. „Dann entschuldige ich mich hiermit in aller Form“, ergänzte Takis und stand auf, um seinen Worten mit einer Verbeugung Nachdruck zu verleihen.

„Ich werde es überleben“, erwiderte Isobel gleichgültig und ignorierte seine ausgestreckte Hand.

Leandros musste einsehen, dass er seine Frau maßlos unterschätzt hatte. Offenbar war sie immer noch in der Lage, ihren verdammten Dickkopf durchzusetzen – notfalls auch mit unlauteren Mitteln, wie ihm klar wurde, als er ihre grellrot lackierten Fingernägel sah.

„Wo war ich stehen geblieben?“ Takis war so verunsichert, dass er den Faden verloren hatte. Selbst als er wieder Platz genommen hatte, dauerte es einen Moment, bis er sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren konnte. „Im Auftrag meines Klienten habe ich einen Vertrag aufgesetzt, der eine schnelle und gütliche Einigung erlauben sollte“, sagte er schließlich förmlich, ehe er eine Mappe aus seiner Aktentasche nahm und sie Isobel reichen wollte.

Doch sie ignorierte ihn erneut und überließ es ihrem Anwalt, die Papiere entgegenzunehmen und einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

„Wie Sie unschwer bemerken werden, sind die Vorschläge meines Mandanten überaus fair“, fuhr Takis leicht irritiert fort. „In Anbetracht der Fakten scheint mir vor allem die finanzielle Regelung mehr als großzügig.“

„An welche Fakten denken Sie?“, fragte Lester skeptisch.

„In erster Linie meine ich damit die Tatsache, dass unsere Klienten seit drei Jahren getrennt leben“, erwiderte Takis.

Seit drei Jahren, einem Monat und vierundzwanzig Tagen, verbesserte Isobel ihn in Gedanken und sah unwillkürlich zu Leandros. Dessen feindseliger Blick bewies ihr, dass er es kaum erwarten konnte, sie aus seinem Leben zu verbannen.

Nach allem, was er ihr angetan hatte, sollte sie sich wenigstens in diesem Punkt mit ihm einig sein. Doch zu ihrem Leidwesen wollte es ihr einfach nicht gelingen. Dafür schmerzte die offene Ablehnung zu sehr, die ihr entgegenschlug, seit sie den Raum betreten hatte. Leandros hatte sie von Kopf bis Fuß gemustert, und sein Gesichtsausdruck hatte Bände gesprochen. Offenbar war es ihm ein Rätsel, wie er eine Frau, die sich derartig geschmacklos kleidete, je hatte begehren können.

Unterdessen hatte Takis begonnen, die Liste Punkt für Punkt durchzugehen und Lester zu erklären, was es mit den jeweiligen Regelungen auf sich hatte.

Am liebsten hätte Isobel laut aufgeschrien und dem Spuk ein Ende gemacht. Nahm irgendjemand in diesem Raum ernsthaft an, dass materielle Dinge sie auch nur im Geringsten interessierten? Dachte Leandros wirklich so schlecht von ihr, dass er meinte, sich freikaufen zu können?

„Glaubst du wirklich, ich wäre auf dein verdammtes Geld aus?“, fragte sie ihn, ohne nachzudenken.

„Aus welchem Grund solltest du sonst gekommen sein?“, erwiderte er abfällig.

Ehe Isobel ihrer Empörung Luft machen konnte, riss Takis das Gespräch wieder an sich. „Da beide Parteien grundsätzlich in die Scheidung eingewilligt haben, macht es wenig Sinn, sich mit der Schuldfrage zu beschäftigen“, erklärte er nachdrücklich.

„Ich bin ganz Ihrer Meinung“, stimmte Lester ihm zu.

Einzig sie war entschieden anderer Auffassung. Ungläubig sah sie den Mann an, der sie einst dreiundzwanzig Stunden am Tag ignoriert und so getan hatte, als würde sie nicht existieren. Die Ausnahme von der Regel war jene eine Stunde vor dem Einschlafen gewesen, in der er sich plötzlich daran erinnerte, dass er verheiratet war. Und wehe, sie hatte es gewagt, ihm das Recht zu versagen, das er aus dieser Tatsache ableitete.

Im Grunde hatte er sie nur geheiratet, um mit ihr schlafen zu können, wann immer es ihm beliebte. Natürlich hatte auch sie den ebenso leidenschaftlichen wie hemmungslosen Sex genossen, und die beglückenden Erfahrungen, die sie dabei hatte machen dürfen, wollte sie um keinen Preis missen. Doch sehr bald musste Leandros feststellen, dass guter Sex allein noch keine gute Ehe ausmachte. Von da an bereute er die überstürzte Heirat und zog sich immer mehr zurück. Endgültig wandte er sich ab, als sie ihn nach einem knappen Jahr Ehe damit konfrontierte, dass sie schwanger war.

Jeden griechischen Mann hätte die Nachricht, dass er Vater wurde, mit Stolz erfüllt. Aber auch in dieser Hinsicht war Leandros eine Ausnahme, denn er reagierte mit unverhohlenem Entsetzen. „Was hast du dir bloß dabei gedacht?“, fragte er außer sich vor Wut. „Haben wir denn nicht schon genug Probleme am Hals?“

In der zehnten Schwangerschaftswoche hatte sie eine Fehlgeburt erlitten. Nie zuvor hatte sie Leandros so erleichtert erlebt wie in jenem Moment, in dem sie ihm davon berichtet hatte. Und dafür hasste sie ihn noch heute.

„Ihre Klientin hat ihren Mann aus freien Stücken verlassen“, sagte Takis ausgerechnet in diesem Augenblick. „Seither hat sie nicht versucht, wieder mit ihm in Kontakt zu treten.“

Das hättest du schon machen müssen, du Mistkerl, dachte Isobel und konnte nicht verhindern, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten. Leandros hätte sich wenigstens danach erkundigen können, wie es ihr ging. Schließlich hatte sie sein Kind verloren. Doch auf einen Anruf oder einen Brief von ihm hatte sie vergeblich gewartet.

„Ob mein Mandant unterhaltspflichtig war, möchte ich deshalb zumindest bezweifeln“, fuhr Takis fort. „Ungeachtet dessen hat er Mrs. Petronades großzügig unterstützt und ihr monatlich eine beträchtliche Summe zukommen lassen.“

„Darum hat dich niemand gebeten!“ platzte Isobel heraus. „Übrigens habe ich von deinem verdammten Geld nicht einen Penny angerührt.“

„Ich wüsste nicht, was mich das angeht“, erwiderte Leandros gereizt und warf ihr einen verächtlichen Blick zu. Offensichtlich war er es leid, sich mit einer Vergangenheit auseinander zu setzen, die er am liebsten aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte. Und dass sie den Tränen nahe war, schien ihn in diesem Wunsch noch zu bestärken.

„Der nächste Punkt betrifft das Haus in Hampshire“, sagte Takis sichtlich irritiert. „Um seinen guten Willen zu unterstreichen, verpflichtet sich mein Mandant, es Mrs. Petronades zu über…“

„Dein Haus will ich genauso wenig wie dein Geld“, fiel Isobel ihm entrüstet ins Wort.

„Mrs. Petronades, warum …?“

„Du bekommst das Haus, und damit basta“, unterbrach Leandros seinen Anwalt.

„Du scheinst ja ein ziemlich schlechtes Gewissen zu haben“, bemerkte sie sarkastisch. „Aber so leicht werde ich dir es nicht …“

„Mein Gewissen ist rein“, fiel er ihr ins Wort. „Und wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen“, fügte er abfällig hinzu.

„Bitte, Leandros! Ich glaube kaum, dass uns das jetzt weiter…“

„Dein Haus kannst du behalten“, ignorierte sie Takis’ Einwand. „Und alles, was sonst noch auf der Liste steht, auch.“

„Was willst du denn von mir?“, fragte Leandros überrascht, und zum ersten Mal geriet seine Selbstbeherrschung leicht ins Wanken.

„Nichts“, teilte Isobel ihm mit, ohne die Genugtuung zu verbergen, die sie dabei empfand.

„Jedenfalls nichts von dem, was auf der Liste steht“, ergänzte Lester Miles. „Wir alle wissen, dass es keinen Ehevertrag gibt, sodass Mrs. Petronades die Hälfte des Eigentums ihres Mannes zusteht. Davon ist auf der Liste nirgends die Rede. Deshalb schlage ich vor …“

„Sie hat niemand gefragt“, unterbrach Leandros ihn schroff, ehe er wieder Isobel ansah. „Sag mir endlich, was du von mir willst“, forderte er sie auf.

Die Feindseligkeit, die die ganze Zeit unter der Oberfläche gebrodelt hatte, war längst offen zu Tage getreten. Sie saßen sich gegenüber und warfen sich hasserfüllte Blicke zu.

Doch hatte sie, Isobel, nicht allen Grund, Leandros zu hassen? Er hatte ihr alles genommen, was sie je besessen hatte: ihre Jugend, ihre Unschuld und ihre Lebensfreude. Für ihren Wunsch, Mutter zu werden, hatte sie sich verhöhnen lassen müssen, und ihr gemeinsames Kind hatte er abgelehnt, noch ehe es auf der Welt war. Das bisschen Stolz und Selbstwertgefühl, das ihr noch geblieben war, hatte er mit Füßen getreten, als er ihren Entschluss, ihn zu verlassen, erleichtert zur Kenntnis nahm.

Mehr konnte ein Mann eine Frau nicht demütigen, und so war sie in der Hoffnung nach Athen gekommen, mit der Scheidung ein für alle Mal mit der Vergangenheit abschließen und hoch erhobenen Hauptes nach England zurückkehren zu können. Nun wusste sie, wie hoffnungslos naiv sie gewesen war, als sie die Rechnung ohne Diantha Christophoros gemacht hatte. Allein der Name bereitete ihr körperliches Unwohlsein, und aus Angst, verrückt zu werden, verdrängte sie jeden weiteren Gedanken an diese schamlose Person.

Schließlich saß ihr der Hauptschuldige direkt gegenüber, und um ihm klarzumachen, was sie von ihm hielt, hätte sie ihm am liebsten die Augen ausgekratzt.

„Ich will gar nichts von dir“, beließ Isobel es bei Worten. „Im Gegenteil, ich möchte dir etwas zurückgeben.“ Kaum hatte sie den Satz beendet, zog sie den Ehering vom Finger und warf ihn achtlos auf den Tisch.

Ehe Leandros wusste, wie ihm geschah, bückte sie sich und nahm einen verschlossenen braunen Briefumschlag aus ihrer Handtasche. „In dem Umschlag befinden sich der Schlüssel für ein Schließfach einer Athener Bank und eine Vollmacht, die dich befugt, es ohne mein Beisein zu öffnen“, fuhr sie bitter fort und legte den Umschlag zu dem Ehering. „Du wirst darin den Familienschmuck finden, den du mir damals geschenkt hast. Ich könnte mir vorstellen, dass du inzwischen eine bessere Verwendung dafür hast. Vielleicht gibst du ihn einfach an deine nächste Frau weiter.“

Mit jedem Wort, das sie sprach, verfinsterte sich seine Miene. „Ich frage dich jetzt zum letzten Mal“, sagte er drohend. „Warum bist du gekommen?“

„Um mich von dir scheiden zu lassen“, erwiderte Isobel unter Tränen. „Und weißt du auch, warum? Weil ich dich und alles, was zwischen uns gewesen ist, endlich vergessen will.“

Als sie seinen hasserfüllten Blick sah, wusste sie, wie aussichtslos es war, auf sein Verständnis zu hoffen. Gänzlich unvorbereitet traf sie hingegen die Rücksichtslosigkeit, mit der er es ihr zu verstehen gab.

„Dein schauspielerisches Talent in Ehren“, antwortete er sarkastisch, „aber ich schlage vor, dass wir bei der Wahrheit bleiben. Warum gibst du nicht einfach zu, dass du mich loswerden willst, weil mein Nachfolger schon Gewehr bei Fuß steht? Ich hätte dir allerdings einen besseren Geschmack zugetraut. Der Bodybuilder dürfte kaum deinen Ansprüchen genügen.“

Es dauerte eine Weile, bis Isobel begriff, was Leandros meinte. Umso größer war ihr Entsetzen, als ihr endlich klar wurde, was er ihr unterstellte. „Hast du mich etwa heimlich beobachtet?“, fragte sie entgeistert.

„Allerdings“, gab er unumwunden zu. „Und was ich gesehen habe, spricht nicht unbedingt für dich. Ehebruch ist kein Kavaliersdelikt, und ich könnte mir gut vorstellen, dass ein Scheidungsrichter zu derselben Auffassung gelangt. Wenn du darauf bestehst, können wir diese Unterhaltung auch vor Gericht fortsetzen. Ich fürchte allerdings, dass du dann leer ausgehen würdest. Überleg dir also gut, was du tust.“

„Das habe ich bereits“, erwiderte Isobel und stand auf. „Ich wüsste nicht, was ich mit dir noch zu besprechen hätte“, fügte sie hinzu, ehe sie ihre Handtasche an sich nahm. „Und dein verdammtes Geld kannst du dir sonst wohin stecken.“

Ohne Leandros noch einmal anzusehen, drehte sie sich um und ging auf direktem Weg in Richtung Ausgang.

„Sei doch vernünftig, Isobel“, rief Takis ihr nach, als sie schon fast die Tür erreicht hatte.

„Bitte, Mrs. Petronades“, sprang Lester Miles seinem Kollegen bei.

„Hier geblieben, Isobel!“, befahl Leandros über die Köpfe der beiden Männer hinweg. „Wenn du noch einen Schritt machst, wirst du es bereuen. Und ihr beide verlasst augenblicklich den Raum“, forderte er die Anwälte unmissverständlich auf.

Die Drohung schüchterte Isobel so sehr ein, dass sie unwillkürlich stehen blieb. Erst jetzt merkte sie, dass ihr vor Aufregung die Knie zitterten. Insgeheim hoffte sie inständig, dass die beiden anderen Männer Leandros Einhalt gebieten würden.

Doch um sich seinen Anordnungen zu widersetzen, fehlte ihnen offensichtlich der Schneid. Leandros war ihnen in jeder Hinsicht überlegen, und das unterstrichen sie, indem sie das Zimmer verließen.

Als sich die Tür hinter ihnen schloss, nahm Isobel ihren ganzen Mut zusammen und wandte sich zu Leandros um. „Weißt du, was du bist?“, fragte sie voller Abscheu. „Ein widerlicher Tyrann.“

„Interessant“, erwiderte er eisig. „Vor allem wenn ein Unschuldsengel wie du das sagt, Schätzchen.“

Was wie ein Kosename klang, war die schlimmste Beleidigung, die er ihr antun konnte. „Schätzchen“ hatte er sie immer dann genannt, wenn seine Wut überzuschäumen drohte, weil sie in seinen Augen etwas falsch gemacht hatte.

Deshalb ließ sie sich von der Gelassenheit, die er auszustrahlen versuchte, nicht täuschen. Hinter der Fassade lauerte ein ausgehungertes Raubtier, das jeden Moment zum Sprung auf sein Opfer ansetzen konnte.

Leandros bestätigte es schneller, als ihr lieb sein konnte. „Was will dieser Clive Sanders von dir?“ fragte er, und das bedrohliche Funkeln in seinen dunklen Augen verriet, wie es in seinem Innern aussah.

Als ihr der Grund für seine Wut klar wurde, musste Isobel lachen. Woher nahm dieser Mensch nur die Stirn, eine Erklärung von ihr zu verlangen, nachdem er sich drei Jahre nicht im Geringsten für sie interessiert hatte?

Na warte! dachte sie verbittert. Dann ging sie zurück zum Tisch, stützte sich mit beiden Händen auf und sah Leandros lange an, ehe sie zum Gegenschlag ausholte.

„Sex“, sagte sie ihm direkt ins Gesicht. „Was soll er sonst wollen? Und wie du dich vielleicht erinnerst, bin ich im Bett ziemlich gut. Clive ist derselben Auffassung. Er …“

Weiter kam sie nicht, weil das Raubtier in Leandros erwacht war und zum Sprung angesetzt hatte. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, lag sie mit dem Rücken auf der Tischplatte und musste wehrlos erleben, wie Leandros sich über sie beugte und ihr so nah kam, dass sie seinen Atem im Gesicht spürte.

Die intime Nähe löste Gefühle in ihr aus, derer sie sich regelrecht schämte. Doch das Gewicht seines Körpers und sein markantes Gesicht riefen ihr unwillkürlich Stunden der Erfüllung in Erinnerung, in denen sie Lust und Leidenschaft miteinander geteilt hatten, ohne sich irgendwelche Hemmungen aufzuerlegen.

„Sag das noch einmal – wenn du dich jetzt noch traust“, forderte Leandros sie auf.

„Lass mich sofort los!“ In ihrer Verzweiflung legte sie ihm die Hände auf die Schultern und versuchte, ihn wegzudrängen. Aber selbst durch das Jackett hindurch meinte sie das zärtliche Versprechen zu spüren, das sein athletischer Körper verhieß.

„Erst will ich wissen, ob du mit ihm geschlafen hast.“

„Das geht dich nichts an“, erwiderte sie wutentbrannt. „Ich bin dir schon lange keine Rechenschaft mehr schuldig.“

„Rechenschaft vielleicht nicht“, sagte Leandros ungerührt, „aber etwas anderes.“

Spätestens als er die Hüften gegen ihre presste, wurde Isobel klar, was er meinte. Der Schock darüber wurde einzig von der beschämenden Einsicht übertroffen, dass sie sich ihm instinktiv entgegendrängte.

Wie sein triumphierendes Lächeln bewies, war es Leandros nicht verborgen geblieben. Mit sichtlicher Genugtuung zog er ihr den Kamm aus dem Haar.

„So erinnerst du mich schon eher an das liebestolle kleine Ding, das ich damals geheiratet habe“, sagte er heiser und löste das feuerrote Haar, bis die Strähnen wie kleine Flammen auf der hölzernen Tischplatte lagen. „Mal sehen, ob du immer noch so temperamentvoll bist“, fügte er hinzu, ehe er nach dem Reißverschluss ihrer Kostümjacke tastete und ihn öffnete.

Dass sie eine hochgeschlossene Bluse trug, schien ihn regelrecht zu schockieren. Den Grund dafür begriff sie jedoch erst, als er sie ansah, als hätte sie sich an ihm versündigt.

„Was soll der Quatsch?“, fragte er verärgert. „Warum trägst du zu einem derartig aufreizenden Lederkostüm eine Bluse, die selbst meine Mutter nicht anziehen würde? Willst du mir damit irgendetwas beweisen? Oder hat dein neuer Liebhaber es gern, wenn es ein wenig länger dauert, bis er dich ausgezogen hat?“

„Richtig geraten“, erwiderte Isobel in ihrer Empörung. „Je länger es dauert, desto erfüllender ist es, wenn wir uns lieben. Dir konnte es doch gar nicht schnell genug gehen, bis ich endlich nackt im Bett lag und du deine Lust an mir stillen konntest.“

Noch ehe sie diese Worte ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie Leandros tief in seinem Stolz verletzt hatte. Zurücknehmen konnte sie die Worte allerdings nicht mehr, und instinktiv wusste sie, dass er sie nicht ungestraft davonkommen lassen würde.

„Du miese kleine Schlampe“, beschimpfte er sie prompt.

In ihrer Panik wollte Isobel bereits um Hilfe rufen, als er den Mund auf ihren presste. Was dann folgte, ließ sich nur mit der Verzweiflung eines Mannes erklären, der vergeblich gegen die Wut ankämpfte, die sie mit ihrer unbedachten Äußerung ausgelöst hatte. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, begann er ein erotisches Spiel mit der Zunge.

Leandros wusste genau, was er tun musste, um sie gefügig zu machen, und auch dieses Mal verfehlte der Anschlag auf ihre Sinne nicht seine Wirkung. Denn kaum hatte sie ihm die Hände um den Nacken gelegt und damit schweigend ihr Einverständnis signalisiert, ließ er die Hand von ihrem Haar über den Hals abwärts gleiten. Als er ihr mit den Knöcheln sanft über die Brüste strich, drängte sie sich ihm unwillkürlich entgegen, um die Berührung noch intensiver zu spüren.

In ihrer Erregung hatte sie nicht gemerkt, dass Leandros mit der anderen Hand ihre Bluse geöffnet hatte. Als er die Finger unter ihren dünnen BH gleiten ließ und die Spitzen rieb, glaubte sie, vergehen zu müssen. Trotzdem gelang es ihr, die Hände zu heben und ihm durchs Haar zu streichen, damit er nicht aufhörte.

Wie tief war sie nur gesunken, dass sie sich dem Mann willenlos hingab, den zu hassen sie allen Grund hatte? Doch ihr Verlangen war bereits zu stark. Je kühner seine Liebkosungen wurden, desto dringender wurde ihr Wunsch, dass er endlich die Hand unter ihren Rock gleiten ließ und sich davon überzeugte, wie sehnlich sie ihn bereits erwartete.

Umso größer war ihr Schock, als Leandros sich unvermittelt zurückzog. Nie zuvor hatte sie sich derartig erniedrigt und gedemütigt gefühlt. Das Schlimmste war allerdings die unerschütterliche Gewissheit, dass er es genau darauf angelegt hatte.

Beschämt und empört zugleich richtete Isobel sich auf. Zu ihrem Erstaunen trugen ihre Beine sie, als sie vorsichtig vom Schreibtisch stieg. „Ich hasse dich, Leandros“, stieß sie hervor, als sich ihre Blicke begegneten. „Du bist und bleibst ein Tier.“

„Wenn du deinen Liebhaber zu Hause gelassen hättest, wäre das nicht passiert“, erwiderte er unversöhnlich. „Aber offensichtlich wolltest du es nicht anders.“

Isobel reagierte, ohne sich lange zu besinnen. Mit einer Ohrfeige ist er viel zu glimpflich weggekommen, dachte sie, als sie ihre Handtasche aufhob und auf die Tür zuging. Irgendwie gelang es ihr, den Reißverschluss ihrer Jacke hochzuziehen. Das Haar fiel ihr jedoch über die Schultern und ließ erahnen, was vor wenigen Augenblicken geschehen war.

Deshalb überraschte es Isobel nicht, dass die beiden Anwälte sie befremdet ansahen, als sie die Tür zum Nebenzimmer aufriss.

„Willigen Sie in alles ein, was er verlangt“, beauftragte sie Lester Miles, ohne stehen zu bleiben. „Ich unterschreibe später im Hotel.“

Noch ehe Isobel die Chefetage seines Konzerns verlassen hatte, wurde sich Leandros darüber klar, dass er zu weit gegangen war. Was immer er ihr auch vorzuwerfen hatte – als Schlampe bezeichnet und behandelt zu werden, hatte sie wahrlich nicht verdient.

Zu seiner Entschuldigung konnte er lediglich vorbringen, dass ihr Geständnis, sie hätte einen Liebhaber, auch nach drei Jahren wie ein rotes Tuch auf ihn gewirkt hatte. Dabei hatte es ihn im Grunde nicht überrascht. Isobel war jung, unbekümmert, bildschön und begehrenswert. Dass sie mit anderen Männern schlief, war das Natürlichste von der Welt. Damit hatte er sich abzufinden, auch wenn er mit ihr verheiratet war.

Ich will mich aber nicht damit abfinden! musste er sich eingestehen. Natürlich bestand die Ehe nur noch auf dem Papier. Trotzdem war er altmodisch genug, um von Isobel zu erwarten, dass sie sich an ihren Treueschwur hielt.

Wie dumm das war, wusste er mittlerweile selbst. Doch auch diese Einsicht konnte die Bitterkeit, die er empfand, nicht mildern.

„Sie scheint ja ziemlich hart zugeschlagen zu haben.“ Takis erkannte schon von weitem, was sich zugetragen hatte. „Ich nehme an, du hast dir die Ohrfeige redlich verdient.“

Das kann man wohl sagen, dachte Leandros verbittert und schenkte sich einen doppelten Whisky ein. „Ist Isobel gegangen?“, erkundigte er sich.

„Ich würde es eher geflohen nennen“, erwiderte sein Anwalt.

„Hat sie noch etwas gesagt?“

„Nur, dass sie mit allem einverstanden ist“, berichtete Takis. „Wir sollen die Papiere aufsetzen und ihr ins Hotel bringen, damit sie unterschreiben kann. Wenn du klug bist, solltest du dich beeilen. Sonst ändert sie ihre Meinung noch und macht dir mehr Schwierigkeiten, als dir lieb sein kann.“

„Sie hat zugegeben, dass sie mit dem Dreckskerl ins Bett geht!“, platzte Leandros verzweifelt heraus.

„Das kann dir nur recht sein“, meinte Takis wenig einfühlsam. „Umso weniger recht hat sie, irgendwelche Forderungen zu stellen. Dass du dich scheiden lassen willst, um eine andere zu heiraten …“

„Wer hat dir das denn erzählt?“, unterbrach Leandros ihn wütend.

„Die Spatzen pfeifen es doch von den Dächern“, erwiderte Takis ausweichend.

„Das sind nichts als Gerüchte“, entgegnete Leandros. Aber wer mochte sie in die Welt gesetzt haben. Seine Mutter? Chloe? Oder sollte Diantha selbst …?

Nein, verwarf er den Gedanken. Diantha würde nie zu Klatsch und Tratsch beitragen. „Zum Glück bleibt Isobel nicht lange in Athen. Die Gerüchte dürften also kaum bis zu ihr dringen“, sagte er mehr zu sich selbst als zu Takis.

„Sie weiß es bereits“, lautete die niederschmetternde Antwort. „Ihr Anwalt hat mich auf Diantha Christophoros angesprochen, bevor er Isobel gefolgt ist.“

Einen Moment fürchtete Leandros, den Glauben an sich selbst zu verlieren. Sie kann es gar nicht wissen, versuchte er sich einzureden. Schließlich habe ich mit niemandem darüber gesprochen!

„Der Kerl ist besser informiert, als uns lieb sein kann“, fuhr Takis nicht ohne Respekt für den jungen Kollegen fort. „Zum Beispiel weiß er, dass Diantha dich auf deiner Jacht besucht hat. Er hat unverhohlen damit gedroht, sie als Zeugin zu laden, falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommen sollte. Welchen Skandal das auslösen würde, brauche ich dir nicht zu sagen.“

Leandros hörte kaum zu, weil er viel zu sehr damit beschäftigt war, sich den Gesichtsausdruck in Erinnerung zu rufen, mit dem Isobel das Konferenzzimmer betreten hatte. Wie konnte ich nur so blind sein? fragte er sich. Die unbändige Wut auf ihn, der Hass, der verzweifelte Wunsch, ihn in Stücke zu reißen – all das hatte ihr doch im Gesicht geschrieben gestanden.

Auch die Gründe dafür waren ihm plötzlich klar. Wenn Isobel sich ungerecht behandelt fühlte, erwachte die Kämpferin in ihr, und auf Verletzungen reagierte sie instinktiv damit, dass sie die Krallen ausfuhr. Nun schien sie anzunehmen, dass er sich scheiden lassen wollte, weil sie ihm als Ehefrau nicht gut genug war. Und das war die denkbar größte Beleidigung, die man ihr antun konnte. So gesehen, war ihre Reaktion noch überaus harmlos ausgefallen.

„Rückblickend ist es mehr als unklug, dass ihr damals keinen Ehevertrag abgeschlossen habt“, sagte Takis, ohne zu merken, dass ihm niemand zuhörte.

Denn um sich keine falschen Hoffnungen zu machen, suchte Leandros verzweifelt nach Gründen, die seine Annahme bekräftigen konnten. Erst als sein Blick auf den Ehering an seiner rechten Hand fiel, erinnerte er sich daran, dass die Beweise noch immer auf seinem Schreibtisch lagen.

Selbst von der Bar aus konnte er den Ehering und den Umschlag erkennen, die Isobel dort zurückgelassen hatte. Auch wenn sie seit drei Jahren getrennt lebten, hatte Isobel den Ring bis zum heutigen Tag getragen. Hieß das nicht auch, dass ihre Ehe ihr immer noch etwas bedeutete? Oder war der Ring für sie mittlerweile ein beliebiges Schmuckstück, der sie nicht daran hinderte, sich einen Liebhaber zu angeln?

Nicht allein der Gedanke an ihren muskelbepackten Freund ließ ihn erheblich an ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Was hatte sie nur mit dem Familienschmuck gemeint, den sie in einem Banktresor hinterlegt haben wollte? Etwas Derartiges besaß seine Familie nicht.

„Wir sollten uns schnellstmöglich eine Strategie überlegen“, riet Takis ihm nachdrücklich. „Sonst …“

„Später“, erwiderte Leandros geistesabwesend.

„Dann könnte es zu spät sein“, wandte sein Anwalt ein. „Wenn du eine unkomplizierte Scheidung willst, musst du sofort etwas unternehmen.“

Ich will aber keine Scheidung, sondern meine Frau zurückhaben, dachte Leandros. So einfach ist das.

3. KAPITEL

Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Isobel endlich ein Taxi gefunden hatte. Nun saß sie auf der Rückbank und sehnte sich vor allem nach einer ausgiebigen Dusche. Zur Mittagszeit war es in Athen unerträglich heiß, und vielleicht würde sie mit dem Schweiß auch die Erinnerung an den beschämenden Vorfall fortspülen können.

Wenn sie aufblickte, sah sie, dass der Fahrer sie im Rückspiegel musterte. Offensichtlich hielt er sie für eine Prostituierte, die von einem Freier kam. Doch daraus konnte sie ihm nicht einmal einen Vorwurf machen, denn so ähnlich fühlte sie sich auch.

Wie konnte Leandros mir das nur antun? fragte sie sich verzweifelt und drohte den Kampf gegen die Tränen endgültig zu verlieren – vor allem weil ihr schmerzlich bewusst war, dass sie nicht ganz unschuldig daran war. Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich leicht, sagte ein altes Sprichwort, und genau das war ihr widerfahren.

Unwillkürlich sah sie auf ihre rechte Hand, an der bis vor wenigen Minuten ihr Ehering gesteckt hatte. An das Gefühl, ihn nicht mehr zu tragen, würde sie sich erst noch gewöhnen müssen. Gleichzeitig wollte sie allerdings nichts weniger, als sich daran zu gewöhnen. Denn auch wenn Leandros sich unverzeihlich benommen hatte, musste sie sich in die bittere Erkenntnis fügen, dass sie diesen rücksichtslosen und sexbesessenen Kerl immer noch liebte.

Das war ihr klar, seit Lester Miles angedeutet hatte, dass Leandros sich scheiden lassen wollte, um Diantha Christophoros heiraten zu können. Fiel ihm denn wirklich nichts Besseres ein, als ihre Vorgängerin auch zu ihrer Nachfolgerin zu machen?

Autor

Leanne Banks
<p>Mit mehr als 20 geschriebenen Romanen, ist Leanne dafür geschätzt Geschichten mit starken Emotionen, Charakteren mit denen sich jeder identifizieren kann, einem Schuss heißer Sinnlichkeit und einem Happy End, welches nach dem Lesen noch nachklingt zu erzählen. Sie ist die Abnehmerin der Romantic Times Magazine’s Awards in Serie. Sinnlichkeit, Liebe...
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