Romana Extra Band 103

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DEINE KÜSSE RAUBEN MIR DEN ATEM von CHLOE EDMONDSON

Er ist ihre letzte Chance! PR-Beraterin Ally muss Immobilien-König Luke Anderson ein neues Image verpassen, sonst ist sie ihren Job los. Auf einem Trip nach Madeira lernt sie eine neue Seite an Luke kennen - als sein leidenschaftlicher Kuss ihr den Atem raubt …

IN DEN ARMEN DES BESTEN FREUNDES von SCARLET WILSON

Nach dem Tod seiner Eltern soll Duc deren Klinik für Bedürftige in Vietnam übernehmen. Dabei wollte er doch Karriere als Chirurg machen! Einziger Lichtblick ist seine beste Freundin Viv, die ihn begleitet. Aber woher kommt auf einmal dieses Knistern zwischen ihnen?

LIEBESTRÄUME AUF DER LUXUSJACHT von MARION LENNOX

Eigentlich will sich Rachel auf der Luxusjacht von einem Schicksalsschlag erholen, stattdessen bringt Schiffstycoon Finn Kinnard sie um ihren Schlaf. Trotz des sinnlichen Prickelns zwischen ihnen widersteht sie ihm - bis der Australier sie in das Abenteuer ihres Lebens lockt …

SAG JA - FÜR IMMER! von THERESE BEHARRIE

Für den smarten Unternehmer Micah Williams steht das Geschäft an erster Stelle. Sogar eine Ehe mit der zauberhaften Elena will er eingehen, um sein Imperium zu vergrößern. Erst unter der Sonne Italiens beginnen seine Vorsätze zu wanken … denn plötzlich will er Elena für immer!


  • Erscheinungstag 19.01.2021
  • Bandnummer 103
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500197
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Chloe Edmondson, Scarlet Wilson, Marion Lennox, Therese Beharrie

ROMANA EXTRA BAND 103

CHLOE EDMONDSON

Deine Küsse rauben mir den Atem

Um jeden Preis will Millionär Luke Anderson seine Vergangenheit verbergen! Zu viele Narben hat sie auf seiner Seele hinterlassen. Doch PR-Beraterin Ally kommt ihm mit ihrem süßen Lächeln gefährlich nahe …

SCARLET WILSON

In den Armen des besten Freundes

Als ihr bester Freund Duc Hilfe braucht, zögert Viv nicht, in seiner Klinik in Vietnam zu arbeiten. Sie ist verzaubert von dem exotischen Land – und von Duc! Kann mehr als Freundschaft zwischen ihnen sein?

MARION LENNOX

Liebesträume auf der Luxusjacht

Alles, nur keine Schiffsromanze! Selbst bei der bezaubernden Rachel bleibt Tycoon Finn Kinnard eisern. Erst als sie in Gefahr gerät, gesteht er sich ein: Mit dieser Frau will er auf einer Insel stranden!

THERESE BEHARRIE

Sag Ja – für immer!

„Heirate mich!“ Vom ersten Moment an fühlt Elena sich zu dem attraktiven Geschäftsmann Micah Williams hingezogen. Soll sie seinen Antrag annehmen? Oder ist ihre Ehe für Micah nur ein weiterer Deal?

1. KAPITEL

„Enttäusch mich bitte nicht!“

Ally Williams nahm das dicke Dossier, das ihre neue Chefin Susan Perkins ihr hinhielt. Einzelne Blätter drohten herauszurutschen. Das Bündel war schwer.

Es musste sehr viel über Luke Anderson zu sagen geben.

„Und nun beeil dich!“, mahnte Susan und schob sie unsanft aus ihrem Büro. „Deine Vorgängerin hat einen Termin beim Fernsehen organisiert. Das Interview findet …“, sie schaute auf ihre goldene Armbanduhr, „… in einer halben Stunde statt. Du kommst zu spät!“

Damit versetzte sie der verblüfften Ally einen letzten Schubs und knallte ihr die Tür vor der Nase zu. Das konnte ja eine gute Zusammenarbeit werden! Kaum einen Satz hatten sie über den Kunden verloren. Ally wusste so gut wie nichts über ihn – dabei sollte sie ihn als Imageberaterin in den Medien gut dastehen lassen. Nur wenn das perfekt lief, konnte sie sich für eine feste Anstellung bei Susan qualifizieren.

In ihrer eigenen PR-Agentur hätte Ally sich erst einmal gründlich in die Vorstellungen und Bedürfnisse des Kunden eingearbeitet und ein entsprechendes Maßnahmenpaket entwickelt. Doch hier bei Improve Yourself – einer renommierten Agentur in Londons teuerstem Stadtbezirk – schickte man sie mit einem USB-Stick voller Daten und einem Stapel Ausdrucke umgehend zum ersten Termin.

Kopfschüttelnd wandte sie sich ab, verlor aber sofort beim ersten Schritt einen Notizzettel, der aus dem Dossier gerutscht war. Zu Hause würde sie zuallererst einen richtigen Ordner anlegen.

Als sie sich bückte, um den Zettel aufzuheben, bemerkte sie, dass Susans Sekretärin sie vom Schreibtisch im Vorzimmer des Chefbüros aus beobachtete.

Lilian bedachte Ally mit einem irritierend mitleidigen Blick. „Luke Anderson, wie? Du wirst viel Glück brauchen.“

Einen Moment lang verharrte Ally in der Hocke. Dann richtete sie sich auf und straffte die Schultern. „Ich bin bisher noch mit jedem Kunden klargekommen.“

Lilian musterte Ally kritisch, rümpfte die Nase und wandte sich wieder ihrem Computer zu.

Sie hatte ja recht. Ally sah nicht gerade professionell aus. Aber das hatte System – oder zumindest einen Grund. Sie hatte zu Beginn ihres Studiums vor etwa sieben Jahren schon einmal mit Susan Perkins zusammengearbeitet. Damals hatte Susan sich betont jugendlich gekleidet. Deshalb hatte Ally für das Einstellungsgespräch eine knappe Bluse und einen kurzen Rock mit grellen Farbmustern gewählt, weil sie glaubte, damit den Geschmack der Agenturinhaberin zu treffen.

Verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Maßnahmen.

Nur dass sich Susans Geschmack offensichtlich in den letzten Jahren komplett gewandelt hatte. Als Ally das Büro betreten hatte, wäre sie beinahe sofort wieder gegangen. Susan saß in einem eleganten dunkelblauen Business-Anzug hinter ihrem Schreibtisch und musterte Ally mit hochgezogenen Augenbrauen, als sie verlegen an ihrem kurzen Rock herumzupfte. Sie hatte sich plötzlich nicht mehr wie siebenundzwanzig, sondern maximal wie siebzehn gefühlt.

Es glich einem kleinen Wunder, dass sie den Auftrag dennoch bekommen hatte. Oder auch einem großen, wenn man bedachte, bei wie vielen Agenturen sie es bereits versucht hatte. Doch niemand hatte ihr nach dem Skandal einen Job geben wollen.

Dieser Gedanke brachte sie zurück in die Gegenwart. Hastig setzte sie sich in Bewegung und fing geschickt den USB-Stick auf, der oben auf dem Pappdeckel des Dossiers lag und hinunterzugleiten drohte. Sie schob ihn in ihre große, lederne Umhängetasche, zusammen mit dem Dossier, dessen Seiten dabei zerdrückt wurden. Jetzt war nicht die Zeit, auf solche Nebensächlichkeiten zu achten.

Auf dem Weg nach draußen erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild in der gläsernen Eingangstür. Ein kurzer Rock, der über den Hüften spannte, und eine Bluse, die über den Brüsten zu straff saß. Die dunklen welligen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, was im Zusammenspiel mit den Ponyfransen kindlich wirkte. Insgesamt eine wenig professionell wirkende Erscheinung für einen Termin mit einem Kunden.

Doch auf ihren Wangen lag eine frische Röte, und ihre braunen Augen leuchteten voller Tatendrang. Und als sie den Blick an sich hinuntergleiten ließ, fiel ihr auch wieder auf, wie viel sie in den letzten Monaten abgenommen hatte. Ihre Beine, die sie früher immer als etwas zu dick empfunden hatte, wirkten in der dunklen Strumpfhose nahezu perfekt.

Etwas Gutes hatte diese furchtbare Erfahrung also doch gehabt. Aber darüber wollte Ally jetzt wirklich nicht nachdenken. Stattdessen löste sie den albernen Pferdeschwanz und eilte aus der Agentur.

In dem Filmstudio, wo Luke Andersons Interview mit einem landesweiten Nachrichtensender stattfinden sollte, war sie bereits mehrere Male gewesen. Meistens jedoch, um Vertreter von gemeinnützigen Organisationen zu betreuen.

Nun also muss ich am Image eines superreichen Immobilieninvestors arbeiten, dachte sie in der überfüllten Londoner Underground, nachdem sie einen ersten zaghaften Blick ins Dossier geworfen hatte. Sie schob es schnell zurück in die Tasche, aus Angst, in der ruckelnden U-Bahn all die losen Zettel fallen zu lassen.

Luke Anderson. Der Name sagte ihr irgendetwas.

Aber sie hatte keine Zeit, ihn zu googeln, denn schon musste sie sich aus der Bahn drängeln und darauf hoffen, dass sie einigermaßen zügig durch die Ausgangskontrolle kam. Sie kam ohnehin schon zu spät für das Interview.

Ally wünschte, sie hätte früher davon erfahren. Zu spät zu kommen, war ihrer Erfahrung nach die einfachste Methode, einen Kunden schnell wieder loszuwerden. Außerdem machte es einen schlechten Eindruck, abgehetzt und unvorbereitet bei einem Termin zu erscheinen.

Sie hastete atemlos am Pförtner des Studios vorbei zu den Aufnahmeräumen. Dort wurde sie von einer Assistentin der Aufnahmeleitung gerade noch rechtzeitig abgefangen, bevor sie versehentlich ins Bild lief. Die junge Frau führte sie sanft, aber bestimmt zu einen Stuhl hinter dem Kamerabereich, wo Ally sich wortlos gestikulierend entschuldigte.

Dann erst fiel ihr Blick auf den Mann, der dort im Scheinwerferlicht saß und die Fragen der Moderatorin beantwortete.

Er sah umwerfend aus! Nein, umwerfend war nicht das richtige Wort. Eher atemberaubend, aber auf eine kalte, abweisende Art.

Luke Anderson hatte dunkle, fast schwarze kurzgeschnittene Haare und stahlblaue, durchdringende Augen. Sein schwarzer, offensichtlich maßgeschneiderter Anzug saß so perfekt an dem großen, schlanken Körper, als hätte er sich eine zweite Haut übergezogen. Das weiße Hemd betonte seine leicht gebräunte Haut. Lässig saß er der beliebten Moderatorin Claire Fadyen gegenüber. Das Abbild eines reichen, mächtigen Mannes. Sein perfekt geschnittenes, kantiges Gesicht hatte einen verbissenen Zug.

Mit dem möchte man sich nicht anlegen, schoss es Ally durch den Kopf, und sie schluckte nervös. So dominant, wie er aussah, würde Luke Anderson ganz sicher nicht erfreut sein, dass sie zu spät gekommen war. Ally kannte solche Typen. Es war schwer, es ihnen rechtzumachen. Zum Glück hatte sie schon Erfahrung im Umgang mit solchen Menschen. Sie war ja kein Neuling mehr.

Andererseits wirkte er in seinem Anzug deutlich professioneller als sie mit ihrem kurzen Rock, der im Sitzen auch noch weiter hochrutschte.

„Mr. Anderson“, hob Claire Fadyen zu ihrer nächsten Frage an, und Ally konnte förmlich spüren, wie sich im Raum eine Spannung aufbaute. „Berichten zufolge planen Sie einen neuen, hypermodernen Bürokomplex im Londoner East End.“

Das Interview lief alles andere als gut. Ally brauchte den bisherigen Verlauf nicht zu kennen, um das herauszuhören. Sie hatte oft genug zugesehen, wie Claire Fadyen einen Gast, der selbstsicher und zuversichtlich in ein Gespräch hineingegangen war, mit investigativen Fragen an den Rand der Verzweiflung brachte.

Ihr scharfer Blick verhieß nichts Gutes, und Ally hatte so eine Ahnung, dass es auf sie zurückfallen würde, wenn das Interview danebenging. Schließlich war sie nicht da gewesen, um ihren Kunden vorzubereiten.

„Da haben Sie ausnahmsweise recht.“ Luke Anderson sah sehr selbstgefällig aus, als er das sagte. Ally bohrte ihre Fingernägel in die Handflächen, um nicht versehentlich daran zu kauen, was ihr professionelles Auftreten nicht gerade verbessert hätte.

„An diesem Gebäude wird die Londoner Architekturszene ihre Freude haben. Der Architekt leistet hervorragende Arbeit. Wir haben bereits einige Interessenten, die später in die topp ausgestatteten Räumlichkeiten einziehen werden.“

Claire schaute auf ihre Gesprächskarte, als hätte Anderson ihr ein Stichwort gegeben. „Laut Ihrer Website ein Pharmalabor, eine Investmentgruppe, Wirtschaftsprüfer … Die Liste ist lang, und ein Unternehmen ist elitärer als das andere.“

Anderson runzelte die Stirn. „Nun, ich würde sie nicht als elitär bezeichnen. Ich bevorzuge den Ausdruck solvent.“ Er verzog die perfekten Lippen zu einem eiskalten, arroganten Lächeln.

Claire Fadyen legte den Kopf schief, und Ally, die diese Geste von ihr kannte, hätte sich am liebsten die Augen zugehalten, um nicht mitansehen zu müssen, wie die Moderatorin zum Schlag ausholte.

„Interessant, dass Sie einen – ich zitiere – freiwirtschaftlichen Lobbyistenverband nicht für elitär halten. Das würden die Menschen, die für diesen Bürokomplex ihre Wohnungen aufgeben mussten, sicher anders sehen.“

Claire legte einen Finger ans Kinn und sah aus, als würde sie es genießen, ihren Gesprächspartner zu quälen. Aus Andersons Gesicht hingegen war alle Selbstgefälligkeit verschwunden. Ein harter Zug lag um seinen Mund, seine elegant geschwungenen Lippen waren zu einer dünnen Linie geworden.

„Ich kann Ihnen versichern …“

Doch Claire hob gebieterisch die Hand. „Bevor wir weiterreden, möchte ich meinen Zuschauern kurz erklären, wovon gerade die Rede ist. Mr. Anderson, bei dem Wohnkomplex, der für Ihr Bürogebäude weichen muss, handelt es sich um den berühmt-berüchtigten Horizon-Block, nicht wahr?“

Die Bilder eines heruntergekommenen, klobigen Backsteingebäudes wurden eingeblendet, und Ally schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund. Endlich war bei ihr der Groschen gefallen.

Luke Anderson! Das war der Immobilienhai, der im East End reihenweise Sozialbauten aufkaufte und sie aufwendig sanierte, sodass sie für die einstigen Mieter unerschwinglich wurden. Der Mann hatte ein ganz finsteres Image! Geradezu unterirdisch. Und Ally wusste das deshalb so genau, weil auch ihre Mutter Lynn Williams im East End wohnte.

Anderson hielt eine Antwort auf Claires Frage offenbar für überflüssig.

Also fuhr Claire fort: „Dieser Block, so trist er auch wirken mag, ist für viele der ärmsten Bewohner Londons zu einer wahren Institution geworden. Nun müssen diese Menschen ihre Wohnungen räumen, weil Sie den kompletten Wohnblock abreißen lassen und an seiner Stelle einen sündhaft teuren Bürokomplex bauen. Ist es nicht so?“

Andersons Unterkiefer war derart angespannt, dass Ally meinte, seine Zähne knirschen zu hören. Wütend starrte er in die Kamera, und es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass dieser Mann absolut gewissenlos war.

„Macht es Ihnen denn gar nichts aus, wenn für Ihren Profit unschuldige Menschen ihr Zuhause verlieren?“, bohrte Claire hartnäckig nach, und Ally beobachtete zwischen ihren Fingern hindurch, wie Anderson vor Wut kochte.

Hinter seinem Rücken wurden Bilder von verzweifelten Kindern und mittellos aussehenden Müttern eingeblendet.

„Im Gegenteil“, knurrte Anderson schließlich und gab dann die denkbar schlechteste Antwort: „Ich kann sogar sagen, dass ich ausgesprochen froh bin, dieses Monstrum von einem Bauwerk endlich dem Erdboden gleichzumachen.“

Während Ally erschrocken nach Luft schnappte, rieben sich die umstehenden Produktionsmitarbeiter genüsslich die Hände. Diese Sendung versprach gute Einschaltquoten und würde sich in den sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer verbreiten.

Der skrupellose Immobilienhai, der es genoss, die Ärmsten in London um ihre Wohnungen zu bringen: ein gefundenes Fressen!

Luke Anderson hatte ihnen geliefert, was sie wollten. Noch dazu in einer Liveshow.

Für Ally eine einzige Katastrophe!

Die Assistentin der Aufnahmeleitung beugte sich zu ihr herunter. „Sagten Sie nicht gerade, Sie seien die Imageberaterin dieses Mannes?“

Ally nickte beklommen. Sie brachte keinen Ton heraus.

Die Assistentin grinste schief. „Na dann viel Glück! Der Mann ist ja furchtbar!“

Ally konnte ihr nicht mal widersprechen.

Voller Wehmut dachte sie an die Zeiten zurück, als sie dieses Studio hoch erhobenen Hauptes verlassen hatte, weil sie dem Vorsitzenden einer gemeinnützigen Organisation mit ihrer perfekten Vorbereitung geholfen hatte, seine noblen Ziele zu fördern.

Nun jedoch musste sie das Image aufpolieren, das ein gewissenloser Immobilienmilliardär in den Medien abgab. Ob sie wollte oder nicht.

„Sie haben recht“, entgegnete sie kühl und schob mutig das Kinn vor. „Dieser Mann kommt im Moment sehr kaltherzig rüber. Aber das werde ich ändern, und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“

Wütend riss sich Luke das Mikrofon vom Anzugrevers. Als eine Regieassistentin herbeieilte, um ihm dabei zu helfen, schlug er ungehalten ihre Hand weg.

„Lassen Sie das!“, spuckte er ihr entgegen, obwohl ihm natürlich bewusst war, dass sie nur ihre Arbeit machte.

Er war stocksauer!

Wieder einmal hatte die Presse es geschafft, ihn als habgierig und herzlos darzustellen. Das war das Bild, das man ihm übergestülpt hatte und gegen das er einfach nicht ankam.

Zugegeben, es verlieh ihm einen Ruf als knallharter Geschäftsmann, was bei Verhandlungen durchaus zuträglich war. Doch egal, was er tat oder nicht tat, in den Medien hatte man eine vorgefertigte Meinung über ihn.

Dabei hatte er sogar extra diese Imageberatung engagiert, zu der seine Schwester ihn überredet hatte. Sarah hatte ihn vor einem Monat angerufen und rundweg erklärt, sie sei es leid, stets mit Presseberichten über skrupellose Geschäfte in Verbindung gebracht zu werden. Er solle endlich daran arbeiten, dass er in den Medien positiver rüberkam.

Grimmig schüttelte er die Hand der Moderatorin, als sie sich von ihm verabschiedete und dabei eine frappierende Ähnlichkeit mit einer zufriedenen Katze aufwies, die gerade eine Maus verspeist hatte.

Klar, sie freute sich natürlich, dass sie ihn in die Falle gelockt hatte!

Luke unterdrückte den Impuls, laut mit den Zähnen zu knirschen, als er ihr freches Grinsen sah.

Dann arbeitete er sich durch das Kabelgewirr im Fernsehstudio Richtung Ausgang vor und starrte jeden, der sich ihm in den Weg stellte, absichtlich grimmig an, damit er schneller von hier wegkam.

„Improve Yourself“, hatte Sarah am Telefon gesagt. „Schon der Name verspricht gute Ergebnisse, und die Agentur hat einen hervorragenden Ruf. Selbst Francine Appleton konnten sie helfen. Und wir wissen doch alle, dass Francine jahrelang von der Presse durch den Kakao gezogen wurde …“

Sarah hatte sich regelrecht in Rage geredet. Seit sie in den Vorbereitungen für ihre Hochzeit steckte, war seine Schwester nicht mehr sie selbst. Ständig überdreht, berichtete sie ihm von den kleinsten Details ihrer Planung. Höchstwahrscheinlich war Lukes Image ebenfalls ein Punkt auf ihrer To-do-Liste.

„Ich will nicht, dass bei meiner Hochzeit dein schlechter Ruf im Vordergrund steht. Stell dir nur die Schlagzeile vor: Schwester von Immobilienhai und Playboy Luke Anderson gibt ihrem Freund endlich das Jawort. Grauenvoll!“

Luke hatte sich ein abschätziges Lachen verkneifen müssen, aber weil er seine Schwester über alles liebte, hatte er Sarah gebeten, ihm die Kontaktdaten der Agentur zu mailen.

Doch was nützte ihm die beste Imageberatung, wenn die Beraterin zu einem solch öffentlichkeitswirksamen Termin wie diesem Live-Interview im landesweiten Fernsehen nicht erschien?

Schon wieder wagte es jemand, sich ihm in den Weg zu stellen. Dabei hatte er den Ausgang fast erreicht und musste nur noch diesen einen Flur hinunter, um endlich bei seiner wartenden Limousine zu sein.

Stattdessen verharrte er vor einem knallbunt angezogenen Mädchen, das sich von seinem bösen Blick anscheinend nicht beeindrucken ließ.

„Aus dem Weg!“, knurrte er ungehalten und bemerkte, wie sie sich auf die Unterlippe biss.

Diese Lippen waren viel zu voll und sinnlich für seine derzeitige Gemütslage.

„Mr. Anderson“, sagte sie zaghaft, „darf ich mich vorstellen? Ich bin …“

„Nein, dürfen Sie nicht“, unterbrach er sie.

Er hatte jetzt wirklich nicht vor, sich von irgendwelchen niederen Angestellten des Fernsehstudios aufhalten zu lassen. Was auch immer dieses Mädchen zu sagen hatte, er wollte es nicht hören.

Also schob Luke sie unsanft beiseite und stürmte weiter.

„Mein Name ist Ally Williams. Ich bin Ihre neue Imageberaterin!“, rief sie ihm mit ihrer piepsigen Stimme hinterher.

Diese Frau hatte er engagiert?

Luke wirbelte herum – und blickte direkt in ihre bernsteinfarbenen Augen. Die Wangen in ihrem herzförmigen Gesicht waren leicht gerötet.

In Ordnung. Gut. Er wusste, dass er manchmal furchteinflößend wirkte. Seine Schwester ermahnte ihn oft, sich diesbezüglich mehr Mühe zu geben. Aber die wollte aus ihm ja auch einen Softie machen, und Luke war nun einmal ein harter, berechnender Geschäftsmann. Als solcher durfte er sich keine Schwächen erlauben.

Wenn er sich außerdem sein Talent anschaute, das skrupellose, eiskalte Image aufrechtzuerhalten, wo auch immer er hinkam … Nun, dann steckte vielleicht doch mehr von seinem Vater in ihm, als ihm lieb war.

Beim Anblick dieser verzagten jungen Frau jedenfalls wollte ihn fast so etwas wie Mitgefühl ergreifen. Dann jedoch ging ihm auf, was sie gerade behauptet hatte.

War das ein Witz?

Unwillig ließ er seinen Blick an ihr hinuntergleiten. Sie war viel zu jung und unerfahren! Wie sollte diese Frau mit den offenen, gewellten Haaren, den Ponyfransen und den großen, bernsteinfarbenen Augen ihm bei seinen Imageproblemen helfen? Sie hatte es ja offensichtlich nicht einmal geschafft, sich einigermaßen professionell zu kleiden! Ihre Bluse mit dem schrillen Muster und der Rock hätten vielleicht in eine Teenagerzeitschrift gepasst, aber doch nicht zu einem Geschäftstermin!

Allerdings musste er zugeben, dass sie eine fantastische Figur hatte und ihre Haut so glatt und zart war, dass er sie am liebsten berührt hätte …

Luke schüttelte sich innerlich. Er war fünfunddreißig Jahre alt, CEO eines erfolgreichen Londoner Immobilieninvestors, und er hatte sich mit harter Arbeit ein Vermögen verdient. Jemand wie er interessierte sich nicht für eine Frau, die augenscheinlich direkt von der Uni kam und noch grün hinter den Ohren war.

„Hatte meine bisherige Beraterin Besseres zu tun?“

Kurz gefror ihr strahlendes Lächeln, das ihn sicherlich bezaubern sollte. Dann hatte sie sich wieder im Griff.

„Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich mich erst einmal in die Unterlagen meiner Vorgängerin einarbeiten, um für Sie ein möglichst passgenaues Konzept zu entwickeln. Oder möchten Sie lieber einen Termin vereinbaren, damit wir einander kennenlernen und alles persönlich besprechen?“

Ihre plötzliche Unerschrockenheit imponierte ihm. Sie musste gemerkt haben, dass er wütend war, und doch ließ sie sich nicht davon beeindrucken. Hätte sie nicht diese unsäglichen Klamotten angehabt, hätte er sie sogar professionell gefunden.

Aber er würde sich von so einer doch nicht sagen lassen, wie er sein Image aufbessern sollte!

„Danke, ich benötige weder Konzept noch Besprechung“, gab er schroff zurück. „Ich werde mich mit Ihrer Chefin in Verbindung setzen und meinen Vertrag auflösen. Wenn Sie noch nicht einmal pünktlich bei einem Pressetermin erscheinen können, werden Ihre Dienste nicht weiter benötigt!“

Er wandte sich ab und ging zielstrebig auf den Ausgang zu. Noch mehr Zeit wollte er nicht verschwenden.

Sie kam ihm hinterher. Das hätte er sich ja denken können.

„Die Unpünktlichkeit bedaure ich sehr, Mr. Anderson. Es gab leider Schwierigkeiten bei der Terminabsprache. Das wird nie wieder vorkommen. Das garantiere ich Ihnen.“

Luke quittierte diese leere Versprechung mit einem Schnauben. Die Vorgängerin hatte oft genug bewiesen, dass sie unfähig war. So verzweifelt konnte Miss Williams gar nicht klingen, dass er dieser Agentur eine weitere Chance einräumen würde.

„Improve Yourself“, knurrte er unzufrieden. „So, wie Sie arbeiten, verbessere ich mich lieber alleine. Ohne teures Beraterhonorar.“

„Ich glaube nicht, dass Sie das alleine schaffen.“

Verblüfft hielt er inne. „Wie bitte?“ So redete niemand mit ihm.

Er gab sich Mühe, bedrohlich zu klingen, doch sie schob das Kinn vor und straffte die Schultern. „Bisher scheinen Sie das jedenfalls nicht hinzubekommen.“

„Das ist doch wohl ein Scherz!“

Mit zusammengekniffenen Augen neigte sie den Kopf, als wägte sie ab, wie viel Wahrheit sie ihm zumuten konnte. Lukes Inneres begann zu kochen. Doch ihr Widerstand faszinierte ihn, wie er sich widerwillig eingestehen musste.

Wenn er sonst mit Frauen zu tun hatte, taten sie in der Regel alles, um ihm zu gefallen. Seit er über eine Milliarde Pfund auf dem Konto hatte, schien es niemandem auch nur in den Sinn zu kommen, ihm zu widersprechen.

„Mr. Anderson. Ich will mich nicht mit Ihnen streiten, aber meiner Erfahrung nach gehört ein gewisser Wille dazu, sich zu ändern. Wenn Sie eine Agentur mit der Hilfestellung zu dieser Veränderung beauftragen, dann jedoch der Beraterin keine Möglichkeit lassen, Ihnen einen Maßnahmenplan vorzulegen … Nun, dann scheint dieser Wille bei Ihnen nicht besonders ausgeprägt zu sein.“

Fassungslos starrte Luke sie an. Diese Frau forderte ihn tatsächlich heraus!

Das angriffslustige Funkeln in ihren Augen, die leichte Röte auf ihren Wangen und die unnachgiebige Haltung, die sie mit einem Mal an den Tag legte, waren unwiderstehlich.

Ally Williams faszinierte ihn. Weshalb, wusste er nicht genau, aber immerhin war er zu neugierig, um sie gleich wieder fortzuschicken.

Luke wandte sich ab und trat auf die Drehtür zu, hinter der seine Limousine am Straßenrand wartete.

Dann wandte er sich noch einmal um. „Sie haben morgen die Chance, mich zu überzeugen. Aber ich warne Sie. Wenn mir Ihr Konzept nicht gefällt oder wenn Sie auch nur eine Sekunde zu spät kommen, ist unser Vertrag aufgelöst.“

2. KAPITEL

Entgeistert blieb Ally auf dem Bürgersteig vor dem Studiogebäude zurück.

Sobald Anderson eingestiegen war, fädelte sich die Limousine in den Verkehr ein und war binnen Sekunden in der dichten Londoner Rushhour verschwunden.

Der Mann hatte Nerven! Stellte es tatsächlich so dar, als sei es Allys Schuld, dass er so schlecht rüberkam. Dabei hatte er eine derart kalte, unbarmherzige Ausstrahlung, dass jedes noch so winzige Fünkchen Zuneigung, das man für ihn hätte empfinden können, sofort zu Eis gefror.

Und dabei sieht er geradezu widersinnig gut aus, überlegte Ally. Was es nicht gerade besser machte.

Im Gegenteil! Viel zu sehr erinnerte er an ihren Ex-Freund Robert Firming, und das war nun wirklich kein Kompliment! Robert war der gewissenloseste Mensch, den Ally kannte, und sie hatte geschworen, sich nie wieder mit Männern seines Schlags einzulassen.

Aber was sollte sie machen? Dieser erste Auftrag für „Improve Yourself“ musste ein Erfolg werden. Er war ihre einzige Chance, beruflich wieder Fuß zu fassen.

Allerdings war die Lage ziemlich aussichtslos, wie ihr klar wurde, als sie sich in ihrem winzigen Apartment in der Innenstadt einen ersten Überblick von Andersons Unterlagen verschaffte.

Dafür hatte sie es sich auf der kleinen Couch im Wohnzimmer gemütlich gemacht – zunächst mit einer Tasse Tee und frisch gebackenen Scones, einer Art süßer Brötchen, die sie mit Butter und selbstgemachter Marmelade bestrich. Nach etwa der Hälfte der Seiten jedoch war sie auf Wein umgestiegen, um die zunehmende Panik zu betäuben.

Sowohl das Dossier als auch die Dateien auf dem USB-Stick zeigten ein eindeutiges Bild.

Das ist ein riesengroßes PR-Desaster!

Ally legte eine Tabelle an. Auf einer Hälfte mit Merkmalen, die ihren Kunden positiv erscheinen ließen, die man also betonen sollte, und auf der anderen solche, die ihn negativ darstellten und relativiert werden mussten.

Das Ergebnis war geradezu demotivierend!

Auf der positiven Seite stand im Grunde nur seine Schwester Sarah Anderson, eine eher unauffällige, blonde Schönheit, die nur gelegentlich in der Klatschpresse auftauchte und zumindest für moderat positive Töne sorgte. Niemand wusste, wer Luke Andersons Eltern waren. Sonst hätten sie vielleicht zu einem freundlicheren Image beitragen können. Auch über soziale Projekte oder ähnlich öffentlichkeitswirksame Aktivitäten war nichts bekannt. Es gab nichts über Anderson zu erzählen, was ihn menschlicher hätte erscheinen lassen.

Nach menschlichen Seiten suchen, notierte sie in ihrer Stichwortliste, die sie später in ein Konzept umwandeln wollte, und nahm noch einen Schluck Wein.

Nun kam der negative Teil – und der geriet zu einer wahren Flut von PR-Sünden!

Nicht nur, dass Anderson scheinbar keinerlei Skrupel hatte, Sozialbauten abzureißen und stattdessen topmoderne, hochpreisige Bürokomplexe zu errichten. Das war schon schlimm genug, jedoch durch ein gemeinnütziges Engagement vielleicht noch auszugleichen.

Nein, es gab auch eine Menge Berichte über seinen kaltherzigen Umgang mit Frauen – eine Tatsache, die man sehr schlecht positiv umdrehen konnte. Mit wie vielen Schönheiten aus der Film- und Medienbranche war er schon zusammengewesen? Stars und Sternchen, allesamt bildschön und jede einzelne von ihnen tief getroffen von Andersons Art, ein Verhältnis zu beenden. Er machte rigoros Schluss, wenn er keinen Spaß mehr hatte.

Ally fragte sich, was all die Frauen geritten haben mochte, mit ihm auszugehen. Zugegeben, er sah umwerfend aus, und seine stahlblauen Augen hatten eine Intensität, die jedes Frauenherz schneller schlagen ließ. Bei der Erinnerung daran, wie der Mann sie gemustert hatte, schoss Allys Puls in die Höhe. Aber beim Weiterlesen hatte sie sich gleich wieder im Griff.

Eine nach der anderen waren die Verflossenen auf ihn hereingefallen und hatten anschließend ihre gebrochenen Herzen und ihren gekränkten Stolz in die Klatschpresse getragen. Das Bild, das aufgrund solcher Abrechnungen von Luke Anderson entstand, war das eines skrupellosen Playboys.

Ally hielt sich mit beiden Händen den Kopf, während sie die entsprechenden Überschriften las.

Schluss per Textnachricht – So herzlos ist Immobilienmilliardär Luke Anderson!

„Ich war ihm nie wichtig genug“ – Abrechnung mit Luke Anderson

Als sie bei „Die sechs schlimmsten Dinge, die Luke Anderson mir angetan hat“ angelangt war, klingelte ihr Telefon.

Erleichtert nahm sie den Anruf entgegen, ohne auf das Display zu schauen.

„Ally!“, rief ihre Mutter, und die wohltuend betäubende Wirkung des Weins war mit einem Schlag verflogen.

Wie hatte Ally auch nur für einen Moment vergessen können, weshalb es in erster Linie so wichtig war, diesen Auftrag für Improve Yourself gut zu erledigen?

„Hallo Mom. Wie geht es dir?“, antwortete sie und hörte, dass Lynn Williams Mühe hatte, nicht zu seufzen.

Vor einigen Jahren war bei ihrer Mutter eine schmerzhafte, rheumatische Erkrankung festgestellt worden, die sie schleichend, aber innerhalb kurzer Zeit arbeitsunfähig gemacht hatte.

Lynn hielt sich tapfer und stöhnte nur selten, aber die geschwollenen Gelenke schränkten ihre Bewegungsfähigkeit stark ein. Deshalb half Ally, wo immer sie konnte.

Vor allem aber finanzierte sie einen Großteil der Lebenshaltungskosten, seit Lynn keinen Job mehr hatte. Die staatliche Frührente reichte für Londoner Verhältnisse bei Weitem nicht aus. Dennoch hätte ihre Mutter sie wahrscheinlich niemals um Hilfe gebeten.

Für Ally war das gar keine Frage. Als alleinerziehende Mutter hatte Lynn ihr ein Leben lang alles gegeben. Nun sorgte eben Ally für Lynn. Das war nur fair.

Allerdings fiel es ihr deutlich schwerer, seit sie kein geregeltes Einkommen mehr hatte. Ihre Ersparnisse würden nur noch knapp so lange reichen, bis hoffentlich das erste Gehalt von Improve Yourself kam.

„Wie geht es mit dem Packen voran?“ Ally bemühte sich, unbeschwert zu klingen.

Ihre Mutter hatte feine Antennen für ihre Sorgen, und Ally musste ihr sowieso noch gestehen, dass beim bevorstehenden Umzug nicht alles nach Plan laufen würde.

„Na ja, Kisten schleppen kann ich natürlich nicht“, gab Lynn zu. „Aber ich packe alles ein und laufe dann einfach drum herum.“

Ally konnte sich vorstellen, dass das in der kleinen Wohnung ein schwieriges Unterfangen war. „Wenn du willst, komme ich nachher vorbei und stapele die Kisten beiseite, damit du dich wieder frei bewegen kannst.“

Ihre Mutter klang erleichtert: „Das wäre toll.“

Einen Moment herrschte Stille in der Leitung, bis Ally endlich den Mut fasste, das Thema anzusprechen, das sie ihr unter den Nägeln brannte. „Hör mal, Mum, ich muss dir etwas sagen.“

„Ja?“ Sie hörte das Misstrauen in Lynns Stimme. Seit Roberts unrühmlichem Abgang vermutete ihre Mutter bei allem, was Ally erzählte, eine dramatische Wendung.

„Es geht um das Sofa für deine neue Wohnung …“ Ally schluckte. „Ich fürchte, ich kann es mir gerade nicht leisten.“

Lynns Couch war noch durchgesessener als diejenige, auf der Ally gerade hockte und sich vor Verlegenheit wand. Sie wusste, dass vernünftige Sitzmöbel bei der Erkrankung ihrer Mutter unerlässlich waren, um die Schmerzen nicht zu verstärken. Aber solange Improve Yourself noch nichts gezahlt hatte, war ein teures Sofa einfach nicht drin.

„Es tut mir so leid.“

Lynn seufzte kaum hörbar. Wahrscheinlich hoffte sie, dass Ally es nicht mitbekam, aber auch ihre Tochter hatte feine Antennen. „Es muss dir nicht leidtun, mein Schatz. Der Einzige, dem hier etwas leidtun sollte, ist Robert.“

Ally zuckte zusammen. Nicht, weil sie nicht selbst mehrfach am Tag an ihn dachte und ihm ein schreckliches Schicksal wünschte, sondern hauptsächlich, weil Lynns Anspielungen auf Robert immer einen Anflug von schlechtem Gewissen auslösten.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du es gar nicht hast kommen sehen …“

„Mum!“ Das war eines von Lynns Lieblingsthemen und ausgiebig besprochen. „Du weißt doch, dass ich ihn geliebt habe. Ich dachte, wir sind das perfekte Paar.“

„Das habe ich von deinem Vater auch gedacht. Und dann hat er mich sitzen lassen. Schwanger, mitten im Studium. Mit der Karriere war es vorbei.“

„Ich weiß, Mum …“

„Deshalb habe ich jetzt keine Rücklagen und muss mich auf dich verlassen, obwohl ich dir nie zur Last fallen wollte.“

„Du fällst mir nicht zur Last!“

„Doch, das tue ich. Aber für mich ist es zu spät. Mein Leben ist so gelaufen, wie es nun einmal gelaufen ist. Ich beschwere mich nicht. Ich habe die beste Tochter der Welt. Wie sollte ich das bereuen? Aber für dich wünsche ich mir, dass du nie wieder auf einen Mann hereinfällst. Dieser Betrüger …“

Ally fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. Heute Abend, bei all der Nervosität wegen des Auftrags für Improve Yourself und der wenigen Hoffnung, die sie sich deswegen machte, blieb wenig Kraft, den Betrug ihres Ex-Freundes durchzusprechen. Ganz zu schweigen von der katastrophalen beruflichen und finanziellen Lage, in die Robert sie gebracht hatte. Der skandalöse Konkurs haftete an ihr wie ein schrecklicher Makel, der sie für die komplette Branche untragbar machte. Außer Susan hatte ihr niemand eine Chance geben wollen.

Doch langsam beschlich Ally das ungute Gefühl, dass Susan nur ihren aussichtslosesten Kunden an sie abgeschoben hatte.

Dennoch blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich zu beweisen, wenn Lynn und sie selbst nicht in Armut leben sollten.

„Mum, ich muss noch ein bisschen arbeiten …“

„Ja, natürlich“, lenkte ihre Mutter augenblicklich ein. „Der Auftrag für diese Image-Agentur. Wie läuft es?“

„Hervorragend“, log Ally. Ihre Mutter sollte sich ihretwegen nicht auch noch Sorgen machen. Der Umzug war schon Belastung genug. „Aber es ist viel zu tun, und ich muss dem Kunden morgen ein Konzept vorlegen.“

„Ja, selbstverständlich. Ich lasse dich weiterarbeiten. Ich bin so stolz auf dich, Ally! Wenn du denen erst einmal gezeigt hast, wie gut du bist, wirst du allen beweisen, dass eine moderne Frau mit deinen Fähigkeiten auf keinen Mann angewiesen ist.“

Das tat gut. Sie wusste zwar, dass Lynn sie nur motivieren wollte, aber der Stolz, der in ihren Worten mitschwang, ging zu Herzen.

„Wenn du dich finanziell erholt hast, kannst du immer noch deine eigene Agentur gründen. Ohne Robert! Dann kann dich niemand mehr um den Lohn deiner Arbeit bringen! Auf Männer darf man nicht setzen!“

Ally seufzte leise. Sie hatte den verboten gutaussehenden, kaltherzigen Luke Anderson vor Augen, der seine Freundinnen wechselte wie andere die Oberbekleidung und dessen Image sie auf Vordermann bringen sollte.

Ausgerechnet von dem hing ihr Schicksal jetzt ab. Das durfte sie Lynn gar nicht erzählen!

Luke tigerte durch sein geräumiges, modern eingerichtetes Loft in Kensington. Eigentlich hatte er am Abend noch ein wenig arbeiten wollen. Sein neuestes Wohnprojekt im Londoner East End steckte mitten in der Planungsphase, und er wollte die Kosten noch einmal durchkalkulieren.

Doch das missglückte Fernsehinterview und dieses merkwürdige Gespräch mit der Imageberaterin schwirrten ihm im Kopf herum wie lästige Fliegen, die er einfach nicht verscheuchen konnte.

Ally Williams. Er hatte sie gegoogelt und dabei herausgefunden, dass sie keinesfalls das unbeschriebene Blatt war, für das er sie hielt. Tatsächlich war sie vor etwa einem Jahr in einen Skandal um ihre eigene, wenn auch noch junge PR-Agentur verwickelt gewesen. Irgendetwas mit veruntreutem Firmengeld und verärgerten Kunden, deren Aufträge nicht erfüllt werden konnten. Natürlich machte sich solch ein Skandal nicht gerade gut in ihrem Lebenslauf. Eine fragwürdige Entscheidung von Agenturinhaberin Susan Perkins, so jemanden zu beschäftigen.

Allerdings war Luke kein Snob. Er erwartete harte Arbeit von seinen Mitarbeitern, und etwaige Jugendsünden erschienen ihm unwichtig im Vergleich zu Einsatz und guten Leistungen. Bei seinem eigenen, zum Glück unbekannten Hintergrund wäre es ihm absurd vorgekommen, Mitarbeitern aufgrund ihrer Vergangenheit keine Chance zu geben.

Sollte die Frau sich allerdings auch nur den kleinsten Fauxpas erlauben, würde er nicht lange fackeln!

Nachdenklich trat er an die große Fensterfront, durch die er auf einen wunderschönen Park hinausblickte, der nur für die Bewohner seines Apartmenthauses zugänglich war.

Nein, ihre Vergangenheit war es nicht, was ihn an Ally Williams störte. Ihn ärgerte, wie sehr sie seine Gedanken beschäftigte. Dieses klare, offene Gesicht, das ihm aller Einschüchterung zum Trotz die Stirn geboten hatte. Diese bernsteinfarbenen Augen und die schlanke Figur unter der unmöglichen Kleidung. Hatte Improve Yourself ihm diese kleine Amazone geschickt, um ihn von der Unfähigkeit der Agentur abzulenken?

Noch immer war er drauf und dran, zum Hörer zu greifen und den Vertrag unverzüglich zu kündigen. Aber dann tauchte Ally Williams’ hübsches Gesicht vor seinem inneren Auge auf. Sie hatte ihm den Kopf verdreht, und das passte ihm gar nicht.

Normalerweise war er bei Frauen ebenso pragmatisch wie bei geschäftlichen Entscheidungen. Gefiel ihm eine, ging er mit ihr aus, und wenn beide sich einig waren, kam es zu gutem, stets unverbindlichem Sex. Er machte den Frauen nie etwas vor. Dennoch schienen sie sich immer wieder einreden zu wollen, sie hätten ihn am Haken. Doch Luke war nicht so leicht einzufangen. Wenn eine Beziehung vorbei war, machte er genauso reuelos Schluss, wie er ein altes, baufälliges Gebäude abreißen ließ.

Warum also zögerte er, den Vertrag mit Improve Yourself aufzulösen? Bloß weil er dann Ally Williams nie wiedersehen würde?

Das ist doch lächerlich!

Das Telefon bereits in der Hand, fuhr er heftig zusammen, als es aus heiterem Himmel zu klingeln begann.

„Anderson?“ Seine Stimme klang schroff. Er hatte keine Lust, dem Anrufer seine Aufgewühltheit unter die Nase zu reiben.

Doch dann hörte er Sarahs Stimme und wurde automatisch ruhiger. „Hallo Luke. Wie geht es dir?“

Normalerweise plapperte Lukes Schwester sofort los und erzählte ihm ohne Punkt und Komma, was es für neue, bahnbrechende Entwicklungen in Sachen Hochzeitsplanung gab. Die Einzelheiten um Brautstrauß, Hochzeitstorte, Partydeko et cetera interessierten Luke meist nicht besonders. Aber er hörte sich alles geduldig an, weil er seine Schwester liebte und sich über ihr Glück fast ebenso sehr freute wie sie selbst.

Wenn sie sich nun nach seinem Befinden erkundigte, konnte das nur bedeuten, dass sie etwas auf dem Herzen hatte.

„Nun sag schon, was kann ich für dich tun?“

Sarah lachte herzlich, wie sie es immer tat. Im Gegensatz zu Luke war sie ein ausgesprochen positiver, warmherziger Mensch. Manchmal fragte er sich, ob sie wirklich die gleiche Kindheit erlebt hatten. Auf Sarah jedenfalls schien sie keinen Einfluss gehabt zu haben, während Luke in sich noch immer nach dem Erbe seines Vaters suchte. Seine größte Sorge war, so zu werden wie er.

„Bin ich so leicht durchschaubar?“

Nun verzog auch Luke den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Für mich schon. Also, worum geht’s?“

„Na ja …“ Sie schien zu zögern, und Luke wappnete sich innerlich.

Sarah wusste, dass er ihr keine Bitte abschlagen konnte. Er brauchte sich nur das freundliche Leuchten in den graublauen Augen vorzustellen, um alles für sie möglich machen zu wollen.

„Ich habe doch gesagt, ich möchte nicht, dass dein schlechter Ruf bei meiner Hochzeit ein Thema ist …“, begann sie vorsichtig. „Ein Ruf, den du nicht verdient hast!“, fügte sie hastig hinzu.

Luke lachte freudlos. Das sahen viele ganz anders.

„Es ist nur so …“ Sie stockte.

„Ja?“

„Also, du musst eine Begleitung mitbringen!“

„Wieso das?“, fragte Luke verblüfft.

Sarah wusste, dass er momentan keine Freundin hatte. Sie selbst hatte ihm ins Gewissen geredet, nicht immer diese belanglosen Beziehungen einzugehen, die nach wenigen Monaten vorbei waren und ihn im Nachhinein wieder schlecht dastehen ließen.

Nicht, dass er je auf sie gehört hätte, aber im Moment war da eben niemand. Und das war ganz gut so. Seine Arbeit nahm ihn viel zu sehr in Anspruch.

Warum also jetzt diese Kehrtwende?

„Du weißt doch, dass ich gerade keine Freundin habe …“

„Ja, aber vielleicht fällt dir jemand ein, der dich begleiten könnte? Eine Ex-Freundin vielleicht?“

Luke schnaubte. „Ich kann keine meiner Ex-Freundinnen fragen! Wie du weißt, gab es da ein paar unschöne Szenen. Außerdem würde jede – und da bin ich mir sicher – gleich denken, dass ich sie als Nächstes zum Traualtar führe. Was für ein Drama, wenn du den Brautstrauß wirfst!“

Sarah lachte. „Und was wäre schlimm daran, zu heiraten?“

„Sarah, ich wünsche dir und Brad alles Glück dieser Welt, aber ich bin nicht wie du. Eine Heirat steht nicht auf der Liste meiner Lebensziele.“

Außerdem hatte er schon in frühester Jugend gelernt, nichts auf Gefühle zu geben. Er hielt sie unter Verschluss und konnte sich nicht vorstellen, dass man mit ihm eine glückliche Ehe führen konnte.

„Lieber baust du das Londoner East End um.“

Wieder grinste er schief. „Das tue ich in der Tat sehr gerne.“

Nun wechselte Sarah in den flehentlichen Tonfall, dem er – wie sie genau wusste – schlecht widerstehen konnte. „Ach bitte, überleg, ob es nicht irgendjemanden gibt, den du mitbringen kannst. Jemanden aus deiner Firma? Oder die Haushälterin …? Irgendwen …? Wenn du ohne Begleitung kommst, glaubt doch alle Welt, du wärst endgültig zum Frauenhasser mutiert.“

Luke zog die Augenbrauen hoch. „Und das wäre so schlimm?“

„Ja! Denk dir nur die Schlagzeile: Frauenhasser Luke Anderson ruiniert Hochzeit seiner Schwester.“

„Jetzt übertreibst du aber!“ Er konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Im Gegenteil! Das bereitet mir schlaflose Nächte. Und denk doch nur an die positiven Schlagzeilen, die eine nette Begleitung zu deinem Image beitragen könnte.“

„Ein Image, das ich nur für dich aufbessere“, wandte er grummelnd ein.

„Ich weiß! Du bist der beste Bruder, den eine Braut sich wünschen kann. Bitteeeeee …!“

Sie wussten beide, dass er nicht Nein sagen konnte. Also ging Sarah bald zur Tagesordnung über und erzählte ihm das Neueste über die Sitzordnung und süße kleine Gastgeschenke, die sie in einem Vintageladen auf Madeira gefunden hatte, wo am übernächsten Wochenende die Feier stattfinden sollte.

Während er nur mit halbem Ohr zuhörte, überlegte Luke, wie er ihrer Bitte, in Begleitung zu kommen, nachkommen sollte. Seine Ex-Freundinnen konnte er wirklich nicht fragen. Zu viele Hoffnungen waren damit verbunden, und er wollte niemandem vormachen, es entwickele sich etwas. Selbst seine persönliche Assistentin Linda Appleby konnte er nicht fragen, obwohl es mit ihr durchaus lustig hätte werden können.

Linda war der gute Geist seines Büros, hatte alles im Griff und die beinahe unheimliche Begabung, seine Bedürfnisse vorauszuahnen, noch bevor Luke sie aussprach. Sie arbeiteten schon lange zusammen und waren fast so etwas wie Freunde. Freunde hatte Luke nicht allzu viele, vor allem keine weiblichen. Es war schwer zu unterscheiden, ob er um seiner selbst willen oder nur des Geldes wegen gemocht wurde, seit er so reich war. Linda war schon bei ihm gewesen, als sein Immobilienunternehmen noch ganz am Anfang gestanden hatte. Bei ihr war er sicher, dass ihre Sympathie ihm galt.

Aber Linda war natürlich selbst eingeladen, zusammen mit ihrem Verlobten, einem Architekten, den sie auf einer von Lukes Baustellen kennengelernt hatte. Sie zu fragen, war keine Option.

„Also“, schloss Sarah das Telefonat, das wieder recht einseitig ausgefallen war. „Du versprichst mir, dass du eine Begleitung mitbringst? Das macht sich auch besser auf den Fotos. Ich werde einige ausgewählte Reporter einladen.“

„Presse? Muss das sein?“ Seine Vorfreude auf die Hochzeit erlitt einen empfindlichen Dämpfer.

„Natürlich! Besser, wir bestimmen selbst, wer was berichtet, als dass sich wieder irgendjemand einschleicht. Weißt du noch die Trauung von Francine Appleton?“

„Schon gut, schon gut! Ich werde mich um eine Begleitung kümmern“, versprach Luke, um nicht schon wieder alles über Francine hören zu müssen, die Sarahs abschreckendes Beispiel in Sachen PR war.

Doch sobald er aufgelegt hatte, schob er die Hände in die Hosentaschen und starrte minutenlang auf den Park hinaus.

Eine weibliche Begleitung für Sarahs Hochzeit … Eine, die hübsch war, damit sie sich auf den Fotos gut neben ihm ausnahm. Eine, die sich keine Hoffnungen machte und dennoch so wirkte, als hätte er sie freiwillig eingeladen. Am besten sogar eine, deren Gesellschaft er während der Feier genießen würde.

Automatisch stand ihm das Bild der jungen Imageberaterin vor Augen, die seine Gedanken schon den ganzen Tag beschäftigte. Aber diese Idee verwarf er kopfschüttelnd.

Das war doch absurd! Erstens kannte er die Frau nicht, und zweitens müsste sie seine Einladung unweigerlich missverstehen. Am Ende würde sie es noch für ein Date halten.

Luke Anderson brauchte keine Dates, er suchte auch keine Partnerin. Erst recht keine Frau mit einem miserablen Kleidungsstil und einem zweifelhaften Ruf, die auch noch für ihn arbeitete!

3. KAPITEL

Es war immer wieder faszinierend, ins Londoner Bankenviertel zu kommen. Vor allem, wenn man wie Ally im East End aufgewachsen war.

Während dort Menschen unterschiedlichster Herkunft die Bürgersteige bevölkerten, wurde es mit dem Eintritt ins Bankenviertel schlagartig ruhiger. Die breiten, sauberen Gehwege waren natürlich nicht menschenleer, aber es verirrte sich kaum ein Tourist hierher, und es duftete auch nicht wie im East End aus den Restaurants und Imbissen nach internationalen Köstlickeiten. Hier lief Ally zwischen imposanten Hochhäusern hindurch, deren Stahl-Glas-Konstruktionen in der Sonne glitzerten.

Inmitten dieser hypermodernen Architektur stand auch Luke Andersons Büroturm, dessen helle Sandsteinfassade den alten Londoner Stadthäusern rund um die St. Paul’s Kathedrale glich.

Das Gebäude machte sogar einen freundlichen Eindruck, und doch klopfte Allys Herz bis zum Hals, als sie das geräumige Foyer betrat, das mit viel Chrom und Marmor ausgestattet war. Hochwertige Designerteppiche und geschickt arrangierte Sitzgruppen sorgten für eine angenehm gedämpfte Atmosphäre.

Nervös zog Ally ihren Blazer zurecht, als sie an den Empfangstresen trat, wo ein freundlich lächelnder Mann sie bei Luke Andersons Assistentin anmeldete.

„Mr. Anderson erwartet Sie.“

Ally wusste nicht, ob sie das beruhigend fand, weil er es sich nicht anders überlegt hatte, oder eher beängstigend wegen des lediglich halbfertigen Projektplans in ihrer Tasche.

Bis spät in die Nacht hinein hatte sie daran gearbeitet, aber es fehlten einfach Informationen. Sie wusste zwar, was sie an Luke Anderson verbessern wollte. Aber so, wie sie ihn kennengelernt hatte, wollte er sicher keine Runderneuerung, und sie hatte nichts, worauf sie bei einer Medienkampagne aufbauen konnte.

Entschlossen huschte sie eiligst in den Aufzug, dessen Türen sich gerade schlossen. Anderson hatte allzu deutlich gemacht, dass ein Zuspätkommen das Ende ihrer Geschäftsbeziehung bedeutete, und Ally wollte nicht, dass es an so etwas Einfachem wie Pünktlichkeit scheiterte.

Heute hatte sie sich etwas professioneller zurechtgemacht. Ihr dunkelblaues Kostüm aus knielangem Glockenrock und Blazer war dezent und modern zugleich. Der Schnitt der Jacke betonte ihre schmale Taille, während der Rock eine verspielte Note einbrachte, die ihr gut gefiel. Die Pumps passten dazu ebenso gut wie die einfache, aber elegante Hochsteckfrisur, die sie im Internet entdeckt hatte. Ihre dunkelbraunen Wellen verschwanden mit wenigen Handgriffen in einem kompliziert aussehenden Knoten. Für Ally geradezu perfekt. Das Make-up hatte sie dezent und geschmackvoll gehalten. Ein schmaler Lidstrich und etwas Mascara, nur ein Hauch von Rouge, um ihre blassen Wangen lebendig wirken zu lassen. Dazu ein leichter Lippenstift in Rosé.

Als sie mit Robert ihre Agentur gegründet hatte, war sie unsicher gewesen, was ihr Äußeres betraf. Natürlich hatte Robert in seiner charmanten Art behauptet, dass sie immer perfekt aussähe. Aber ihr war klar geworden, dass das richtige Outfit oftmals auch Sicherheit gab.

Und wenn sie auch jetzt mit allem anderen unzufrieden war, ihr Styling stimmte.

Sobald die Aufzugtüren sich im obersten Stockwerk öffneten, sah sich Ally einer sympathischen Frau gegenüber, die vielleicht Anfang dreißig war, einen Hosenanzug trug und die roten Haare zu einem lustig wippenden Pferdeschwanz zurückgebunden hatte.

„Guten Tag, Miss Williams. Mein Name ist Linda Appleby. Ich bin Mr. Andersons Assistentin.“

Ally folgte ihr durch eine Glastür in einen geräumigen Vorraum, der ebenso hell und einladend eingerichtet war wie das Foyer. Linda bat Ally, auf einem kleinen Sofa vor dem Fenster Platz zu nehmen. Dann verschwand sie fast lautlos durch eine weitere Tür, nachdem Ally den angebotenen Kaffee dankend abgelehnt hatte. Ihr Herz klopfte schon unruhig genug. Koffein zuzugeben, wäre fatal.

Stattdessen bewunderte sie vom Sofa aus den atemberaubenden Blick über die Londoner Skyline, den das Panoramafenster hinter ihr bot. Von hier oben wirkten die Autos wie Spielzeuge.

Kurze Zeit später kam die Sekretärin zurück.

„Mr. Anderson muss nur noch ein Telefonat beenden. Dann hat er für Sie Zeit.“

Ally nickte beklommen. Im Kopf ging sie die einleitenden Worte durch, die sie sich zurechtgelegt hatte, um das nur im Ansatz ausgereifte Konzept besser dastehen zu lassen.

Doch als Linda sie wenig später in Andersons riesiges Büro brachte, waren alle Worte wie weggeblasen.

„Mr. Anderson …“, setzte sie zu einer unbeholfenen Begrüßung an und verstummte abrupt, als er sich aus seinem Bürostuhl erhob und um den imposanten Glasschreibtisch herum auf sie zukam.

Auch hinter ihm befand sich ein riesiges Fenster mit Ausblick über die Stadt. Das allein hätte sie schon schwindeln lassen. Aber Andersons Anblick war weitaus beeindruckender.

Wie am Tag zuvor trug er einen schwarzen Anzug zum schneeweißen Hemd. Beides saß so perfekt, dass sie nur erahnen konnte, wie teuer die Maßanfertigung gewesen sein musste.

Ally strich ihren Rock glatt. Der war von der Stange und ihr teuerstes Stück im Schrank.

Faszinierender als der Anzug war jedoch der Mann darin. Er war groß und schlank. Ally schätzte ihn auf einen Meter neunzig. Unter dem weißen Hemd zeichneten sich feste Brustmuskeln ab, und auch die breiten Schultern zeugten von täglichem Workout. Seine kurzen dunklen Haare glänzten im Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinfiel, und die gebräunte Haut mit dem leichten Bartschatten am kantigen Kinn verlieh ihm ein verwegenes Aussehen.

Er sah unfassbar gut aus. Doch das war ihr gestern schon aufgefallen.

Eines jedoch war heute vollkommen anders, und es traf sie völlig unvorbereitet. Luke Anderson lächelte. Dieses leicht schiefe Lächeln war so unerwartet und so umwerfend, dass ihr Herz stolperte und ihr Gehirn sich nicht mehr in der Lage sah, zusammenhängende Sätze auszugeben.

„Miss Williams“, begann er mit seiner tiefen, rauchigen Stimme, und sie mochte es, wie er ihren Namen aussprach. „Ich freue mich sehr, dass Sie es pünktlich zu uns geschafft haben. Meine Assistentin Linda haben Sie, glaube ich, schon kennengelernt?“

Ally nickte wortlos. Ihre Zunge klebte am Gaumen.

Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich innerlich. Der Mann ist eiskalt und überhaupt nicht so attraktiv, wie er dir in diesem Moment vorkommt.

Aber sein herber, männlicher Duft stieg ihr in die Nase, und ihre Sinne schienen plötzlich ein Eigenleben zu führen.

Auf einmal wollte alles in ihr daran glauben, dass dieses freundliche Gesicht seinem wahren Naturell entsprach. Seine weißen Zähne blitzten auf, und sie spürte instinktiv, dass er sie um den Verstand bringen konnte, wenn er dieses Lächeln allzu oft zeigte. Wie sollte sie dann in ihm den rücksichtslosen Geschäftsmann sehen, der er in Wirklichkeit war?

Schon einmal hatte sie sich von der vorgetäuschten Zuneigung eines Mannes einwickeln lassen. Robert war unglaublich charmant gewesen, als sie sich kennengelernt hatten. Was später passiert war, hätte sie damals nicht für möglich gehalten.

Diesen Fehler würde sie nie wieder begehen!

Aber wenn Anderson sie so ansah, wurde es schwierig, sich darauf zu konzentrieren, wie eiskalt er hinter der netten Fassade war.

Zumal er nun sagte: „Ich möchte mich für unseren unglücklichen Start gestern entschuldigen. Sie haben mich in einem schlechten Moment erwischt. Sollen wir noch einmal von vorne beginnen?“

Ally spürte, wie ihre Augen groß wurden. Luke Anderson entschuldigte sich bei ihr?

„Sicher. Gern“, stammelte sie und geriet endgültig aus dem Konzept, als er ihre Hand nahm und sie einen Moment zu lang festhielt.

Der Blick seiner stahlblauen Augen ließ ihren Atem stocken. Ihr Herz stolperte mehr, als dass es klopfte, und sie spürte, wie sie errötete.

Himmel! Nun ahnte sie doch, was die Frauen an ihm fanden. Er war wirklich unwiderstehlich!

Doch sie musste sich zusammenreißen. Wie sollte sie sonst professionell mit ihm umgehen?

Offensichtlich hatte Ally Williams keine Ahnung, wie anziehend sie war.

Luke bemerkte das leichte Zittern ihrer Hand und die verlegene Röte auf ihren Wangen. Er musste sich zwingen, sie wieder loszulassen. Da sie den Blazer offen trug, konnte er den Verlauf der Röte sogar bis zum Ansatz ihrer wohlgeformten Brüste unter dem kobaltblauen Top verfolgen. Es machte ihn nervös, wie sehr ihn diese Reaktion faszinierte.

Zumal sie sich im nächsten Moment wieder fing und mutwillig das Kinn vorreckte.

Was war eigentlich los mit ihm? Gestern noch hatte ihr jugendliches Erscheinungsbild ihn dazu gebracht, den Vertrag mit der Agentur aufkündigen zu wollen. Und heute reizte ihn diese Frau so sehr, dass er nur allzu bereit war, sich umstimmen zu lassen.

Luke erkannte sich selbst nicht wieder.

Das sollte sämtliche Alarmglocken schrillen lassen. Aber gleichzeitig war es verlockend, ihr dabei zuzusehen, wie sie sich sammelte und ihm mit aufeinander gebissenen Zähnen gegenübertrat.

Betont aufgeräumt hob sie eine prall gefüllte Aktenmappe vor ihre Brust. „Ich bin Ihre Unterlagen durchgegangen und habe einen ersten Projektplan erstellt, den ich gerne mit Ihnen durchgehen möchte. Sicher haben Sie noch Wünsche und Anregungen, die ich selbstverständlich einarbeiten werde.“

Sie öffnete die Mappe, und als er sah, wie sie die Papiere umständlich balancierte, nahm er ihr den Stapel aus der Hand und trug ihn zu einer kleinen Sitzgruppe.

„Hier können wir uns besser unterhalten“, sagte er halb belustigt, weil sie die niedrigen Möbel argwöhnisch beäugte. „Bitte setzen Sie sich doch.“

Er selbst wählte den Sessel, sodass Ally Williams die Couch blieb. Als sie jedoch den Projektplan auf dem Tisch ausbreitete, wechselte er zu ihr aufs Sofa, um besser sehen zu können.

Das hätte er nicht tun sollen. Ihre Nähe brachte ihn durcheinander. Die Wärme, die von ihr ausging, der unaufdringliche, blumige Geruch. Sie war so anders als alle Frauen, die er sonst traf. Natürlich, unverstellt, ohne viel Make-up, schwere Düfte oder auffallend teure Designerkleidung.

Wie aus der Ferne hörte er seine eigene Stimme, die Linda hinausschickte, weil er deren Hilfe im Moment nicht benötigte.

Sowohl seine Assistentin als auch Ally wirkten irritiert. Trotzdem zog Linda natürlich die Tür hinter sich zu.

Wieder vermutete Luke einen Hauch von Unsicherheit unter Allys rauer Schale, als sie spitz kommentierte: „Möchten Sie nicht, dass Ihre Assistentin über die Kampagne informiert ist?“

„Ich werde Linda schon einweihen, keine Sorge“, widersprach er gelassen. „Zunächst möchte ich erst einmal selbst entscheiden, ob Ihre Planung mich überzeugt.“

Er hatte sich gerade wieder daran erinnert, dass er gestern noch behauptet hatte, er wolle sie wegschicken, wenn das Projekt ihn nicht überzeugte. Ein kleines Hintertürchen, das sich mehr und mehr schloss, je länger Ally redete.

Grund dafür war nicht die Kampagne an sich, sondern vielmehr die Person, die sie präsentierte. Außerdem war Ally Williams eine der wenigen Frauen, die es wagte, ihm kritische Fragen zu stellen, und sie trug diese mit einem fast jugendlichen Trotz vor. Fast so, als hätte sie nichts zu verlieren.

„Warum gibt es keinerlei soziale Projekte, auf die ich verweisen könnte, wenn ich Ihr Image aufbessern soll?“ Eine Frage, auf die er keine schlüssige Antwort hatte.

„Ich möchte mich nicht mit sozialen Projekten profilieren. Das überlasse ich anderen“, erwiderte er schärfer als nötig, um sie vom Thema abzubringen.

„Es würde aber helfen. Dann könnten Sie Ihren umstrittenen Geschäften nachgehen, wären aber gleichzeitig auch der ‚Wohltäter Luke Anderson‘, der zum Beispiel die Londoner Obdachlosenhilfe mit großzügigen Spenden unterstützt.“

„Das ist nicht mein Ding. Weiter?“, gab er knapp zurück und freute sich heimlich über die empörte Miene, die sie machte.

Niemand sonst zeigte in seiner Gegenwart Unmut, wenn es um Entscheidungen ging. Vielleicht noch Linda, aber auch die nur selten und wohldosiert.

Und während Ally weiter ausführte, was sie sich alles für ihn überlegt hatte – hauptsächlich Maßnahmen, die für ihn ohnehin nicht infrage kamen – wurde ihm langsam etwas klar.

Diese Imagekampagne würde ihm nichts bringen. Auch wenn Allys Konzept einen deutlich professionelleren Ansatz hatte als das der Vorgängerin, würde es nicht verhindern, dass die Leute weiterhin über ihn dachten, was sie denken wollten.

Doch Ally Williams wäre die Idealbesetzung als Begleitung für Sarahs Hochzeit.

In einer Ballrobe würde sie ganz hervorragend aussehen. Er sah das Kleid und dessen attraktive Trägerin schon vor sich: petrolfarbene Seide, vielleicht auch Chiffon, figurbetont geschnitten, um ihre wunderschönen Kurven zu zeigen. Dazu die hübschen braunen Haare in offenen Wellen, dramatische Smokey Eyes sowie schillernde Diamantohrringe.

Sie könnte fantastisch aussehen und wusste es nicht einmal. Was natürlich andererseits ihren Reiz ausmachte. Was war bezaubernder als eine Frau, die gar nicht ahnte, wie schön sie war?

„… und dann müssen wir natürlich überlegen, wie wir Ihren Auftritt in den sozialen Netzwerken angehen“, erklärte sie gerade mit großer Ernsthaftigkeit, und er gab sich einen innerlichen Ruck, weil er minutenlang nicht mehr zugehört hatte.

Sie wirkte schon irritiert.

„Aha? Wie wollen Sie das machen?“, fragte er halbherzig.

Die sozialen Medien waren nicht gerade sein Steckenpferd. Hier wurde eine Menge Unsinn über ihn verbreitet, vor allem natürlich von enttäuschten Ex-Freundinnen, die sich auf seine Kosten wichtigmachten.

„Nun, ich habe mir überlegt, dass es sicherlich helfen könnte, wenn alle etwas über den Menschen hinter dem Geschäftsmann erführen. Es würde Sie zugänglicher erscheinen lassen.“

„So?“, war das Einzige, was ihm dazu einfiel. Luke erzählte nicht gern von sich selbst und wollte nicht ausgerechnet jetzt damit anfangen. „Und möchte ich zugänglich erscheinen?“

„Natürlich!“, entgegnete sie verblüfft, als wäre es das Normalste von der Welt. „Wie wäre es mit einer Homestory? Lassen Sie Ihre Eltern ein klein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.“

Luke stockte der Atem. „Auf gar keinen Fall!“

Er sah, wie Allys Augen sich weiteten, als er sie jetzt finster anstarrte.

„Warum nicht, wenn ich fragen darf?“, hakte sie dennoch nach, wenn auch deutlich unsicherer.

„Meine Herkunft tut nichts zur Sache. Wenn Sie unbedingt etwas über mich erzählen müssen, dann bleiben Sie bei der Gegenwart, verstanden?“ Luke hörte selbst die Schärfe in seiner Stimme, konnte aber nichts dagegen tun.

Zu hart hatten er und seine Schwester daran gearbeitet, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das würde er nicht riskieren. Noch nicht einmal für Ally Williams’ große, bernsteinfarbene Augen, die ihn so erschrocken anblickten, als wäre er ein furchteinflößendes Ungeheuer.

„Wir werden nicht an meiner Vergangenheit rühren“, wiederholte er leise und bestimmt.

Sie schluckte. „Gut, dann müssen wir anders vorgehen.“

Einen Moment lang schien sie aus dem Konzept geraten zu sein, doch dann notierte sie etwas auf ihrem Block und fuhr sehr viel resoluter fort: „Lassen Sie uns damit beginnen, dass wir an Ihrem Auftreten und Ihrer Körpersprache arbeiten.“

Es war faszinierend, sie bei diesen ständigen emotionalen Wechseln zu beobachten. So faszinierend, dass er erst im Nachgang bemerkte, was sie gesagt hatte.

„An meinem Auftreten?“, fragte er baff.

Sie hob das Kinn und blickte ihm direkt in die Augen. „Ja. Es geht einfach nicht, dass Sie so unfreundlich mit Ihren Mitmenschen umgehen. Sie brauchen sich nicht zu wundern, dass Sie anderen unsympathisch sind, wenn Sie sich verhalten wie gerade eben.“

Luke traute seinen Ohren kaum. „Wollen Sie mir etwa Manieren beibringen?“

„Wenn Sie so wollen …“

Er brach in schallendes Gelächter aus. „Sie wissen aber schon, dass ich es nur durch mein Verhandlungsgeschick zu dem Vermögen gebracht habe, das ich jetzt besitze?“

Keine junge, leicht einzuschüchternde Frau würde ihm diesbezüglich etwas vormachen, so selbstsicher sie sich auch gab.

Einen Moment lang schien sie ihre Antwort abzuwägen, bevor sie doch damit herausplatzte: „Sie wissen aber schon, dass Sie nicht unbedingt ein frauenverachtender Macho sein müssen, um tough zu wirken, oder?“ Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust, als hätte sie ihm gerade einen entscheidenden Schlag versetzt.

„Ich? Ein Macho?“ Es verschlug ihm die Sprache.

Im ersten Moment wusste er nicht, ob er lachen oder sich ärgern sollte.

Doch als sie nun schon zum zweiten Mal auf diese verführerische Weise errötete, war es um den Ärger geschehen.

„Ich meinte …“, murmelte sie verlegen und geriet ins Stocken. „Na ja … So kommen Sie halt rüber …“

Sie hielt seinen Blick stand, als wollte sie mit ihm Kräfte messen. Ihr Widerstand und der unbändige Wille, trotz aller Furcht nicht klein beizugeben, waren faszinierend.

Und plötzlich wurde ihm klar, dass sie im Ballkleid nicht nur unglaublich schön aussehen würde, sie wäre auch eine fabelhafte Gesellschaft. Mit Ally Williams zu streiten, war um Längen interessanter als Small Talk mit Frauen, die alles dafür taten, ihm zu gefallen. Luke wusste nicht, ob man mit ihr überhaupt Small Talk betreiben konnte. Dafür war sie viel zu intensiv. Aber solange ihnen die Streitpunkte nicht ausgingen, würde er sich bestens amüsieren.

„Was haben Sie am nächsten Wochenende vor?“, hörte er sich unumwunden fragen. „Oder besser gesagt: Was halten Sie von Madeira?“

Das schien sie aus dem Konzept zu bringen. „Wochenende? Madeira?“

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte er, ob er ihr einfach von Sarahs Hochzeit erzählen sollte. Aber bei dem Misstrauen, das in ihren warmen, bernsteinfarbenen Augen lag, konnte er ziemlich sicher sein, dass sie es ablehnen würde, einen „Macho“ wie ihn auf eine Hochzeit zu begleiten. Noch dazu, wenn in der Presse darüber berichtet wurde.

„Ja, genau. Ich habe dort eine Quinta. Ein wunderschönes Anwesen abseits der Touristenorte, mit einem fantastischen alten Herrenhaus, wohin meine Schwester und ich uns gerne zurückziehen. Dort können wir ganz in Ruhe an meinem ‚Auftreten‘ feilen. In Madeira arbeite ich nicht. Ich hatte sowieso vor, am Freitag nächster Woche meine Schwester dort zu treffen. Sie wohnt eigentlich in den USA, aber wir nehmen uns gelegentlich ein Wochenende frei für Madeira. Und dieses Mal werden Sie mich begleiten.“

„Ich … ich kann doch nicht …“

Luke legte den Kopf schräg und schaute sie herausfordernd an. „Ich fürchte, ich akzeptiere kein Nein. Kommen Sie mit nach Madeira, oder vergessen Sie den Auftrag.“

„Was? Aber …“ Er sah, dass Ally etwas erwidern wollte. Aber dann schien sie es sich aus irgendwelchen Gründen anders zu überlegen.

Und er bedauerte es fast, denn langsam genoss er, sich mit ihr zu streiten.

„Ich melde mich nochmal deswegen“, antwortete sie und wich seinem Blick aus.

Als er Ally wenig später zur Bürotür brachte, wo Linda sie in Empfang nahm, wurde ihm klar, wie sehr er hoffte, sie würde mitkommen.

Irgendwie würde er die Frau auf Madeira schon davon überzeugen, ihn zur Feier seiner Schwester zu begleiten. Wenn sie Ja sagte, stünde ihm ein amüsanter, prickelnder Abend bevor.

Viel zu prickelnd eigentlich, wie er sich eingestand, während er an seinen Schreibtisch zurückkehrte.

Mit Ally Williams zusammenzuarbeiten konnte nicht nur aufregend, sondern ziemlich gefährlich werden. Es fiel ihm jetzt schon schwer, den nötigen Abstand zu halten. Wie sollte das erst werden, wenn sie zusammen in seiner Quinta übernachteten?

Luke schüttelte ungläubig den Kopf.

Normalerweise war er ein vernünftiger Mann, der seine Entscheidungen gründlich durchdachte und Impulse unter Kontrolle hielt.

Was hatte ihn nur geritten, dieser plötzlichen Eingebung zu folgen und eine Frau, die er keine vierundzwanzig Stunden kannte, an seinen wichtigsten Rückzugsort einzuladen?

4. KAPITEL

Ein ganzes Wochenende mit Luke Anderson in einer einsamen Quinta auf Madeira? Das klang für Ally nicht gerade wie eine gute Idee.

Erstens, weil der Mann sie ständig reizte und sie sich eigentlich nicht mit ihm streiten durfte. Sie war auf diesen Auftrag angewiesen und sollte alles dafür tun, ihn zu behalten. Stattdessen zankte sie sich regelrecht mit ihm, weil dieser Mann das Schlimmste in ihr zum Vorschein brachte.

Aber viel schwerwiegender war die Tatsache, dass sie sich tatsächlich zu ihm hingezogen fühlte. Das musste sie sich mittlerweile eingestehen.

Und es war ein echtes Problem, denn Ally wollte sich nicht zu Männern hingezogen fühlen. Grundsätzlich nicht. Erst recht nicht zu Männern wie Luke Anderson.

Viel zu groß war die Gefahr, sich noch einmal auf jemandem einzulassen, der ihr das Herz brach und sie zerstört zurückließ. So etwas durfte kein zweites Mal passieren. Sie würde es nicht noch einmal überstehen.

Deshalb war Ally entschlossen, einen Ausweg zu finden. Es musste doch eine Möglichkeit geben, wie sie in London bleiben und den Auftrag trotzdem behalten konnte.

Doch Susan sah das ganz anders, als Ally ihr von Andersons Wünschen berichtete.

„Du hast den Mann gehört: Entweder du fliegst nach Madeira, oder er löst den Vertrag!“

„Ja, aber könnten wir nicht mit ihm verhandeln …? Ich muss den Umzug meiner Mutter organisieren.“

Der Umzug! Ihr Magen rebellierte, wenn sie nur daran dachte. Ohne das Honorar von Improve Yourself reichte das Geld nicht für alle Kosten, die auf sie zukamen. Selbst in einem normalen Monat kamen sie und ihre Mutter nur gerade so über die Runden. Der Umzug brachte Ally an finanzielle Grenzen.

„Du wirst jetzt keinen Rückzieher machen, Ally.“ Susan verschränkte die Arme vor der Brust. „Für mich gilt dasselbe wie für Anderson. Entweder du fliegst mit, oder du bist raus.“

Einen Moment lang starrte Ally ihre Chefin ungläubig an, während sie hinter sich Lilian hereinkommen und sich dezent räuspern hörte.

„Ja, Lilian, ich komme“, fuhr Susan sie an. „Unser Gespräch ist sowieso beendet. Ally weiß, dass keine andere Agentur ihr je eine Chance geben würde. Insofern sind wir uns einig, dass sie alles dafür tun wird, diesen Job zu behalten. Nicht wahr, Ally?“

Es klang so schneidend, dass Ally Mühe hatte, nicht zusammenzuzucken. Resigniert blickte sie auf ihre Füße und nickte.

Sie flogen mit seinem Privatjet, Lukes liebste Art zu reisen. Selbstverständlich hätte sein Vater, ein verbitterter Sozialhilfeempfänger, dieses Fortbewegungsmittel unglaublich dekadent gefunden. Genau dieses Wissen machte den Reiz eines eigenen Flugzeugs aus.

Der Jet war nicht besonders groß im Vergleich zu anderen. So weit ging Lukes Leidenschaft dann doch nicht. Er musste niemandem etwas beweisen. Aber auf das Interieur war er sehr stolz. In hellen Farben gehalten, mit indirekter Beleuchtung, um die Aussicht aus den zahlreichen Fenstern nicht zu beeinträchtigen, standen bequeme Sessel und sogar ein kleines Sofa aus butterweichem Leder bereit. Die Minibar im Heck der Kabine war stets gut bestückt, und Tische aus edlem Teakholz boten mit allen nötigen Anschlüssen ideale Arbeitsbedingungen. Es gab sogar ein Bett, um lange Strecken zu überbrücken.

Doch an Schlaf war auf diesem Flug natürlich nicht zu denken.

Viel zu sehr reizte es ihn, Ally dabei zu beobachten, wie sie sich in der ungewohnten Umgebung umsah. Wobei ihr abwechslungsreiches Mienenspiel zwischen Staunen und einer Art ungläubiger Missgunst schwankte. So, als fragte sie sich, ob dieser Luxus eigentlich nötig sei oder ob es ihr bei aller Verschwendung nicht doch irgendwie gefiel.

Luke lächelte in sich hinein. Er hätte ihr stundenlang zusehen können, wie sie das elegante Innere seines Jets in sich aufnahm und es sich in einem der Ledersessel bequem machte. Ally war eigentlich immer ein faszinierender Anblick.

Heute trug sie die Haare in einem Knoten oben auf dem Kopf. Die schmal geschnittene Hose und die dunkelblaue Bluse mit bis zum Hals geschlossenen Knöpfen wirkten streng und äußerst geschäftsmäßig. Doch ihr frisches Gesicht mit den rosigen Wangen und ihre bernsteinfarbenen Augen, deren Blick in der Kabine umherhuschte, verrieten eine innere Unruhe, die ihn berührte.

Luke konnte nicht anders, als sich auf ein Wochenende mit ihr zu freuen. So unvernünftig das auch war.

Zwar wusste er noch nicht, wie sie reagieren würde, wenn er ihr mitteilte, dass sie zur Hochzeit seiner Schwester angereist waren. Aber er war zuversichtlich, dass sie mitspielen würde. Schließlich wollte sie es sich mit einem wichtigen Kunden wie ihm sicher nicht verscherzen.

Mit einem tiefen Brummen setzte sich der Jet in Bewegung und raste nach der Freigabe über die Startbahn des privaten Flugfelds außerhalb von Luton. Luke bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Ally die Finger in die Armlehnen ihres Sessels krallte und ihr ganzer Körper vor Anspannung erstarrte.

Automatisch fragte er sich, wie oft sie bisher wohl geflogen sein mochte. Vermutlich noch nie.

„Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung und schlucken Sie gegen den Druck auf den Ohren“, rief er über das Dröhnen der Motoren hinweg. „Sobald wir die Reisehöhe erreicht haben, werden Sie sich entspannen.“

„Ich bin entspannt!“, gab sie schnippisch zurück, biss aber die Zähne zusammen. „Außerdem bin ich schon öfter geflogen.“

So, wie sie es sagte, glaubte er ihr nicht.

Am liebsten hätte er Ally geküsst, um sie von ihren Ängsten abzulenken. Zum Glück saßen sie beide angeschnallt in ihren Sitzen, und es war genügend Platz zwischen ihnen. Ein Vorteil für seine Selbstbeherrschung, die ihn in letzter Zeit ungewöhnlich leicht zu verlassen schien.

Auf Madeira musste er wirklich vorsichtig sein, damit er keine Dummheiten machte!

Sobald der Pilot darüber informierte, dass sie die Reiseflughöhe erreicht hatten, schien auch Ally sich zu entspannen, und sein Bedürfnis, sie durch Küsse abzulenken, ließ etwas nach.

Nun musste er nur noch ihre verführerisch vollen Lippen ignorieren. Dann sollte er sich wieder im Griff haben.

Um sich abzulenken, konzentrierte er sich auf die Arbeit an seinem Laptop. Doch die Zahlen, so wichtig sie ihm gestern noch erschienen waren, konnten in diesem geschlossenen Raum, allein mit Ally Williams, kaum noch sein Interesse erregen. Immer wieder glitt sein Blick zu ihr zurück.

Auch sie hatte sich Arbeit mitgebracht, einen Stapel Papiere, doch ihm fiel auf, dass sie dieselbe Seite nun schon eine Weile anstarrte. Ob auch sie sich nicht konzentrieren konnte?

Vielleicht nahm auch sie diese Spannung wahr, die ihn fast unwiderstehlich zu ihr hinzog, als würde er von inneren Impulsen gelenkt wie eine Marionette von Fäden.

Aber dann bemerkte Ally, dass sie beobachtet wurde, und ihre bernsteinfarbenen Augen verfinsterten sich.

„Wissen Sie eigentlich, wie unheimlich Sie aussehen, wenn Sie die Menschen so anstarren?“, fragte sie plötzlich, als hätte sie keine Sekunde nachgedacht.

„Wie bitte?“ Ihre schonungslose Offenheit verblüffte ihn immer wieder.

„Vielleicht sollten wir jetzt direkt damit beginnen, an Ihnen zu arbeiten.“

„An mir arbeiten?“ Luke spannte den Kiefer an. Er musste aufhören, dumme Fragen zu stellen. Das war doch sonst nicht seine Art! „Wie und warum ich an mir arbeite, bestimme immer noch ich.“

„Natürlich, aber ich bin ja hier, um Ihnen zu helfen. Ein paar einfache Übungen zur offenen Körperhaltung können in solchen Fällen wahre Wunder bewirken. Sofort vermitteln Sie einen positiveren Eindruck und müssen gar nicht viel dafür tun.“

Sie löste ihren Sicherheitsgurt und stand aus dem Sessel auf.

Luke fragte sich, was sie wohl mit „solchen Fällen“ meinte. Hielt sie ihn für einen besonders schwierigen Fall, oder hatte sie häufiger mit Männern wie ihm zu tun?

Beides war ihm nicht recht.

Noch bevor er danach fragen konnte, war sie schon zu ihm herübergekommen und beugte sich über ihn.

Ihr verlockender Duft stieg ihm in die Nase, und fasziniert beobachtete er fünf winzig kleine Sommersprossen, die auf ihren Wangenknochen tanzten und nur aus dieser Nähe zu erkennen waren.

Nun war sie ihm so nahe, dass er ihren Atem auf seinem Gesicht spürte. Sie duftete nach Erdbeeren, Blüten und einem frühlingshaften Gemisch. So lebendig! Ihre bernsteinfarbenen Augen nahmen ihn gefangen.

Als sie ihn an den Schultern fasste, um ihn in eine andere Körperhaltung zu zwingen, spürte er diese Berührung wie einen elektrischen Schlag, der sämtliche Nervenenden zum Leben erweckte.

In diesem Moment sackte das Flugzeug durch ein Luftloch, und Ally verlor das Gleichgewicht.

Automatisch fing Luke sie auf, indem er die Hände um ihre Taille legte. Sie stützte sich erschrocken an seinen Schultern ab.

Beinahe wäre sie ihm buchstäblich in den Schoß gefallen. Wie leicht wäre es dann gewesen, sie besinnungslos zu küssen! Sein Körper stand in Flammen. Luke war drauf und dran, seinem Bedürfnis einfach nachzugeben.

Ally starrte ihn an, und in ihren Augen flackerte eine Sehnsucht auf, die sich mit seiner durchaus messen konnte. Doch so schnell, wie diese Emotion gekommen war, verschwand sie auch wieder. Noch bevor er reagieren konnte, räusperte sie sich und senkte verlegen den Blick.

„Ich glaube, wir versuchen das lieber ein andermal … nicht im Flugzeug“, murmelte sie und richtete sich auf.

Als sie seine Schultern losließ, spürte er eine seltsame Leere, dort wo ihre Hände gewesen waren.

„Oder vielleicht suche ich Ihnen einfach einige Übungen heraus, die Sie ohne mich durchführen können“, ergänzte sie leise.

Aber so leicht kam sie nicht davon!

„Mir ist es lieber, Sie zeigen mir persönlich, worauf es ankommt“, erwiderte er und bemühte sich um einen teilnahmslosen Gesichtsausdruck, als sie bis an die Haarwurzeln errötete. Dieser Anblick war atemberaubend.

Es würde wirklich sehr schwer werden, ihr ein Wochenende lang zu widerstehen. Mittlerweile war er nicht mehr sicher, wie weit seine Selbstkontrolle reichte.

Auf dem privaten Flugfeld in Madeira wartete bereits eine silbergraue Limousine neben dem Rollfeld, als sie landeten. Eilfertig hielt der Chauffeur ihnen die Tür auf. Anderson ließ Ally beim Einsteigen den Vortritt, doch sie zögerte kurz, bevor sie sich auf der ledernen Rückbank des Bentleys niederließ. Hier saßen sie direkt nebeneinander, und sie ahnte, dass die Fahrt auf so engem Raum anstrengend werden konnte.

Entsprechend erleichtert war sie, als etwa zwanzig Minuten später das alte Herrenhaus in Sicht kam, von dem Anderson gesagt hatte, es sei seine „Quinta“.

Der Flug hatte ihrem Nervenkostüm einiges abgefordert. Beim geräumigen Inneren des Privatjets hätte man nicht glauben mögen, wie beengt sich dieser Platz anfühlen konnte, wenn man dem einzigen anderen Passagier ausweichen wollte. Und dann auch noch Allys dumme Idee, ausgerechnet mitten in der Luft seine Körperhaltung korrigieren zu wollen!

Wie naiv! Beim ersten Luftloch war sie ihm beinahe in den Schoß gefallen.

Luke Anderson brachte ihr inneres Gleichgewicht gefährlich durcheinander, und so hatte sie den Rest des Fluges in Schweigen verbracht. Scheinbar auf ihre Arbeit konzentriert, doch in Wirklichkeit mit den Gedanken ganz woanders.

Wollte sie das Wochenende mit Luke überstehen, musste sie auf Distanz gehen.

Aber Abstand war schwierig, wenn man nebeneinander in einer Limousine durch die wunderschöne, üppig-grüne Landschaft der beliebten Urlaubsinsel Madeira fuhr.

Tiefgrüne Lorbeerwälder, dicht bewachsene Vulkanhügel und bunte, exotische Blumenfelder zogen an ihrem Fenster vorbei – im Hintergrund das türkisblaue Meer und die Weite des Ozeans.

Ally wünschte, sie könnte über die Wellen fliegen wie ein Meeresvogel.

Hier wurde sie sich allzu bewusst, wie grundverschieden Andersons Welt im Vergleich zu ihrer war.

Während sie mit ihm durch diese prächtigen Farben fuhr, mühte sich ihre Mutter im grauen London mit Umzugskisten ab und hatte es ohne Allys Hilfe doppelt so schwer.

„Ein Wochenende mit einem fremden Mann in einem anderen Land?“, hatte Lynn skeptisch eingewandt, als Ally ihr gestanden hatte, dass sie nicht helfen konnte. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist …“

Das glaubte Ally auch nicht, aber was sollte sie machen? Hätte sie Nein gesagt, hätte sie den Job verloren. Nun hatte sie zumindest noch eine Chance, sich zu beweisen.

In gewisser Weise war es sogar ganz aufregend, gestand sie sich heimlich ein und warf einen Seitenblick auf Anderson, der ausgesprochen schweigsam war, seit sie ihm fast auf den Schoß gestolpert war.

Wenn er nur nicht so umwerfend aussähe! Es wäre so viel leichter, ihn unausstehlich zu finden.

Anderson deutete auf die Quinta. „Das ist mein unangefochtener Lieblingsort“, sagte er mit einer Sanftheit in der Stimme, die sie überraschte.

Sie folgte seinem Blick. „Das glaube ich gern.“

Das Haus und seine Umgebung waren wirklich wunderschön, wie sie erst richtig erkannte, als der Chauffeur den Bentley über die kiesbestreute Auffahrt lenkte.

Die weißgetünchten Mauern des Herrenhauses wurden durchbrochen von sicher zwanzig Sprossenfenstern mit dunkelgrün lackierten Fensterläden und einem gusseisernen Balkon, an dem leuchtend pinkfarbene Ranken bis zum Dach emporwuchsen. Zwei Säulen trugen ein Vordach, unter dem sich nun die breite Eingangstür öffnete.

Eine großgewachsene, schlanke Frau mit blonden Haaren und ebenmäßigem Gesicht trat heraus. Sie sah aus, als hätte man Luke Anderson in eine weibliche, blonde und weitaus freundlichere Version seiner selbst verwandelt. Das musste die Schwester sein, von der Anderson gesagt hatte, er wolle sie an diesem Wochenende hier treffen.

Er öffnete die Wagentür, und seine Schwester schien sich kaum davon zurückhalten zu können, ihm über die wenigen Stufen entgegen zu springen.

Die positive Energie, die von ihr ausging, war unübersehbar.

Auch Ally stieg zögerlich aus dem Wagen und ging zum Haus. Nach der langen Reise stach die strahlende Sonne in den Augen, und sie konnte den wunderschönen Garten mit Palmen, einem makellosen Rasen und üppig ineinander übergehenden, blühenden Büschen gar nicht recht wertschätzen. Ganz hinten auf dem großen Gelände meinte sie einen hellen Pavillon mit bunten Lampions zu erkennen, wie für eine Feier gemacht. Aber sie musste die Augen zusammenkneifen, um gegen die Sonne anblinzeln zu können, und dann konzentrierte sie sich doch lieber auf ihre Gastgeber.

Andersons Schwester schüttelte ihr kräftig die Hand. „Mein Bruder hat mir am Telefon schon erzählt, dass er jemanden mitbringt. Herzlich willkommen in unserer bescheidenen Hütte.“

Lachend fügte sie hinzu: „Luke und ich können unser Glück, diesen wunderschönen Ort unser Eigen zu nennen, immer noch nicht fassen. Und das, obwohl wir ihn jetzt schon seit … Ich weiß gar nicht, Luke, wann hast du die Quinta gekauft?“

Luke betrachtete seine Schwester, und die Wärme in seinem Blick ließ Allys Puls hochschnellen. Sollte er sie jemals so liebevoll ansehen, wäre sie rettungslos verloren.

„Ich glaube, vor fünf Jahren. Vielleicht auch zehn. So genau merke ich mir solche Dinge nicht.“

Seine Schwester lachte hell auf und knuffte ihn spielerisch in die Seite. „Er macht natürlich nur Witze. Luke erinnert sich ganz genau an alles, was er je gekauft hat. Seine Häuser sowieso, aber auch die kleineren Anschaffungen, glauben Sie mir. Luke kann sehr besitzergreifend sein.“

Bei diesen Worten sah sie neugierig zwischen ihnen beiden hin und her, und Ally spürte, wie sie errötete.

Vor allem, als die junge Frau ihren Bruder abermals anstieß und für Ally gut hörbar flüsterte: „Willst du mir deine Begleitung nicht vorstellen?“

„Ally Williams, das ist meine Schwester Sarah Anderson, die einzige Frau in meinem Leben, die mich ständig schubst und stupst. Und das schon immer, obwohl ich der Ältere von uns beiden bin.“

Wieder brach Sarah in dieses glockenhelle, herzerwärmende Lachen aus, und Ally bemühte sich, Luke nicht allzu auffällig anzustarren, als er in das Gelächter miteinstimmte. Seines klang tief und rau – und verursachte einen Schauer, der über Allys Rücken hinunterlief und ein seltsames Gefühl in ihrer Magengegend auslöste, das sie schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte.

„Ich freue mich, dich kennenzulernen, Ally“, sagte Lukes Schwester, als sie sich wieder gefangen hatte. „Bitte nenn mich Sarah. Ich bin mir sicher, wir werden uns gut verstehen.“

Unwillkürlich dachte Ally, dass sie unter anderen Umständen Freundinnen hätten werden können. Sie zwang sich zu einem Lächeln, da sowohl Sarah als auch Luke sie aufmerksam beobachteten. Wenn Anderson sie nun auch noch gebeten hätte, ihn beim Vornamen zu nennen, wäre es zu viel für ihre Nerven.

„Hallo Sarah, ich freue mich auch.“

„Na, dann kommt mal herein. Ihr müsst schrecklich hungrig und durstig sein nach der langen Reise. Brad und ich haben euch ein Lunch herrichten lassen.“ Sarah sah sich mit gerunzelter Stirn um. „Wo steckt er überhaupt?“

„Brad ist Sarahs Verlobter“, erklärte Anderson in einer Tonlage, in der ein feiner Humor mitschwang – ebenso wie diese verblüffende Zuneigung, die er für seine Schwester reserviert hatte. „Offenbar hat er jetzt schon gelernt, wann man sich vor meiner Schwester verstecken muss, damit sie einen nicht ständig für ihre Zwecke einspannt.“

„Unsinn, er sieht bestimmt bloß im Gartenpavillon nach dem Rechten. Die Beleuchtung ist heute eingetroffen.“

Im Umgang mit Sarah war Luke ganz anders. Offener, zugewandter. Eigentlich ein bisschen so, wie Ally ihn der Öffentlichkeit gerne gezeigt hätte.

Sie wünschte, auch sie könnte diese Freundlichkeit bei ihm wecken. Wie nett musste es dann mit ihm sein?

Innerlich über diesen Gedanken den Kopf schüttelnd, folgte sie den Geschwistern in die angenehm kühle, wunderschöne Eingangshalle. Eine geschwungene Treppe führte in den ersten Stock hinauf, und der Fahrer stellte das Gepäck auf den terrakottafarbenen Fliesen am Fuß dieser Treppe ab.

„Wir überlegen nachher, welche Zimmer ihr nehmt. Ihr habt die freie Auswahl“, sagte Sarah strahlend und zwinkerte Ally hinter Lukes Rücken geheimnisvoll zu. „Ich denke, ihr wollt bestimmt zwei nebeneinander liegende.“

Ally errötete. Sicher fand Sarah das nur praktisch für die anstehende Arbeit. Als seine Imageberaterin würde sie an diesem Wochenende viel mit Luke zu tun haben. Aber beim Gedanken, auch nachts in seiner Nähe zu sein, wurde es Ally ganz heiß zumute.

Wenig später gesellte sich Sarahs Verlobter Brad Wolfe zu ihnen, ein freundlich aussehender Amerikaner mit jungenhaftem Charme. Er musterte Ally ebenfalls neugierig.

Sie setzten sich an den reich gedeckten Tisch im Esszimmer – voller portugiesischer Spezialitäten, die ein so köstliches Aroma verströmten, dass Allys Magen zu knurren begann.

Während des Essens plauderten Sarah und Brad über ihre geplante Hochzeit. So, wie es klang, waren die Vorbereitungen schon relativ weit fortgeschritten, und die Feierlichkeiten sollten hier auf Madeira stattfinden. Eine gute Wahl, fand Ally, denn das, was sie bisher von der Quinta zu Gesicht bekommen hatte, war wirklich wunderschön. Fast bedauerte sie, dass sie nicht dabei sein würde. Hier zu feiern, musste wirklich traumhaft sein.

Interessanterweise schien das Thema Luke ein wenig nervös zu machen, denn er versuchte mehrfach, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

Schließlich schalt ihn seine Schwester amüsiert: „Fängst du schon wieder vom Londoner Immobilienmarkt an? Du kennst wohl gar keine anderen Themen mehr, Luke. Mach dich mal locker. Auf Madeira wird nicht gearbeitet, weißt du noch?“

Außer, wenn man als Imageberaterin hier ist, überlegte Ally.

So vertraut, wie die Geschwister miteinander umgingen, konnte Sarah eine wichtige Verbündete für ihre Arbeit sein. Zum einen schien sie diejenige zu sein, die Luke erst dazu gebracht hatte, sich für eine Imageberatung zu entscheiden. Vor allem aber merkte Ally genau, dass Sarah die einzige Person war, von der er sich überhaupt etwas sagen ließ. Das wollte Ally zu ihrem Vorteil nutzen. Es ging ihr ja schließlich darum, seine positiven Seiten hervorzuheben.

Und Ally begann zu ahnen, dass er mehr positive Seiten hatte, als er zugeben wollte – zu ihrer Freude, was die Arbeit betraf, aber auch ein wenig zu ihrem Leidwesen, da dieses Wissen ihn noch attraktiver machte.

Als Luke nach dem Essen den Raum verließ, um mit dem Personal zu besprechen, wo sie schlafen würden, lehnte Sarah sich vertrauensvoll über den Tisch. „Weißt du, Ally, ich freue mich sehr, dass Luke dich mitgebracht hat. Ich hatte ihn gebeten, jemanden einzuladen. Aber Luke hat nicht gerade ein sicheres Händchen für Frauen, und unsere Quinta ist für ihn ein besonderer Ort, wie dir sicher aufgefallen ist. Hierhin zieht er sich zurück, wenn ihm der ganze Rummel zu viel wird. Deshalb nehmen wir nur Menschen mit hierher, die wir wirklich gern haben.“

Ally spürte ein Kribbeln in ihrem Nacken, während Brad beifällig nickte. Obwohl allen klar sein musste, dass Luke sie nur als Imageberaterin hergebracht hatte, schien in Sarahs Worten eine Andeutung mitzuschwingen, die ihr Inneres in Aufruhr versetzte.

„Luke ist sehr zurückhaltend. Das sollte man bei seiner bärbeißigen Art gar nicht denken …“, fuhr Sarah lächelnd fort. „Er hat noch nie eine Frau mitgebracht, und ich finde es ganz wunderbar, dass er für dich eine Ausnahme macht.“

Ally erstarrte. Hinter Sarahs Rücken hatte sich eine Tür geöffnet, und Luke hatte alles mitbekommen, aber nichts dazu gesagt. Stattdessen betrachtete er sie mit seinen unglaublich intensiven stahlblauen Augen, und dieser Blick ging ihr durch und durch.

Jeder Kommentar zu Sarahs unterschwelliger Behauptung, da könne neben der Arbeitsbeziehung noch etwas zwischen ihnen sein, erstarb bei diesem Anblick auf ihren Lippen.

5. KAPITEL

„Ally ist meine Imageberaterin“, erklärte Luke von der Tür aus, um die Spannung zu lösen. Er hielt dem Anblick von Allys verwirrtem, ständig wechselndem Mienenspiel nicht länger stand. „Sie arbeitet für Improve Yourself und hilft mir, in der Öffentlichkeit besser dazustehen.“

„Ja, natürlich, das weiß ich. Schließlich war ich es, die dich auf die Agentur aufmerksam gemacht hat.“ Doch Sarah lächelte auf diese typische selbstzufriedene Art, die zu sagen schien, dass sie ihn durchschaut hatte.

Zunächst hatte er Sarahs Anspielungen auf das Verhältnis zwischen Ally und ihm für Neckerei gehalten. Sarah liebte es, ihn aufzuziehen, und nur von ihr ließ er sich das gefallen. In Gegenwart seiner Schwester musste er sich nicht stark geben oder sich verstellen.

Darin ähnelte sie Ally, wurde ihm plötzlich bewusst. Obwohl er die Imageberaterin kaum kannte, hatte er instinktiv Vertrauen gefasst. Das war ungewöhnlich. Und verwirrend.

Doch im Laufe des Lunchs war ihm klargeworden, dass Sarah wirklich glaubte, da sei etwas zwischen Ally und ihm. Immer wieder hatte Sarah so merkwürdig zwischen ihnen hin und her gesehen, als bemerke sie etwas, was er nicht sah. Dabei musste sie doch wissen, dass er Ally nur als Begleitung für die Hochzeit mitgebracht hatte, weil Sarah selbst ihn darum gebeten hatte. Ihre Beziehung war rein geschäftlicher Natur, und Sarah wusste das.

Eine Frau hatte er mitbringen sollen, irgendeine. Selbst seine Haushälterin wäre Sarah recht gewesen. Ja, seine Haushälterin war wirklich nett, aber von Gefühlen konnte nicht die Rede sein. Wieso also ging Sarah bei Ally von etwas anderem aus?

War es so offensichtlich, dass er sich zu der Frau hingezogen fühlte?

Während des Essens, als sie nebeneinander gesessen hatten, Sarah und Brad gegenüber, hatte Luke plötzlich ein warmes Gefühl ergriffen. Obwohl er Ally nicht berührt und sogar kaum angesehen hatte, war er sich ihrer Gegenwart durchgängig bewusst gewesen. Er hatte sie mit seiner Schwester reden und lachen gehört, als beginne sie sich wohlzufühlen. Und er hatte sich bei dem Gedanken ertappt, dass es ihm gefallen könnte, wenn das immer so bliebe.

„Und wie läuft die Arbeit mit ihm, Ally? Ist er ein sehr schwieriger Fall?“, fragte Sarah.

Luke sah, wie Ally den Mund öffnete, und ergänzte eilig: „Stell dir vor, Sarah, Ally ist der Meinung, ich komme rüber wie ein ‚frauenverachtender Macho‘!“ Die letzten Worte setzte er mit Gesten in Anführungsstriche. Er wusste doch, dass ihr das gefallen würde, schließlich befürchtete sie ja selbst, er könnte bei ihrer Hochzeit unangenehm als Frauenhasser auffallen. Nur deshalb war Ally jetzt hier.

Und tatsächlich brach seine Schwester in schallendes Gelächter aus, in das auch Brad augenblicklich einstimmte.

Als Luke sich wieder setzte, bemerkte er aus den Augenwinkeln, wie Ally tiefrot anlief. Das hatte er nicht gewollt. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass diese Feststellung ihn bloßstellte und nicht Ally.

Doch als er es geraderücken wollte, kam Sarah ihm zuvor. „Du nimmst mir die Worte aus dem Mund, Ally“, prustete sie atemlos. „Endlich ist jemand ehrlich zu ihm. In Lukes Leben gibt es viel zu viele, die ihm Honig um den Bart schmieren, bloß weil er so reich ist. Deshalb habe ich ihn gedrängt, sich für sein Image einmal vernünftig beraten zu lassen.“

Luke musste sich davon abhalten, Allys Hand zu nehmen, als sie den Blick senkte. Seit dem Zwischenfall im Flugzeug wusste er, welch verheerende Wirkung es hatte, wenn man sich berührte.

„An Ehrlichkeit mangelt es Ally nicht“, bestätigte er stattdessen. „Das ist eine der Eigenschaften, die ich an ihr mag.“

Autor

Marion Lennox
Marion wuchs in einer ländlichen Gemeinde in einer Gegend Australiens auf, wo es das ganze Jahr über keine Dürre gibt. Da es auf der abgelegenen Farm kaum Abwechslung gab, war es kein Wunder, dass sie sich die Zeit mit lesen und schreiben vertrieb. Statt ihren Wunschberuf Liebesromanautorin zu ergreifen, entschied...
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