Romana Extra Band 9

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KOMM MIT INS KÖNIGREICH DER LIEBE von CREWS, CAITLIN
Paris, Sydney, New York: Kiara und Scheich Azrin führen eine aufregende Jetset-Ehe, bis Azrin das Thronerbe von Kathan antreten muss. Als Herrscher des exotischen Königreichs soll er plötzlich traditionellen Pflichten gehorchen - eine ungeahnte Bewährungsprobe für ihre Liebe …

WENN DER LAVENDEL WIEDER BLÜHT von ROBERTS, PENNY
"Mathis ist wieder da!" Sophies Herz schlägt höher, als sie erfährt, dass der faszinierende Unternehmer in ihr Heimatdorf in der Provence zurückgekehrt ist. Doch niemals darf er hinter das Geheimnis jener Nacht kommen, in der er glaubte, ihre Zwillingsschwester in den Armen zu halten …

BLOND UND SÜß IN GRIECHENLAND von PORTER, JANE
Sie soll Christos Pateras heiraten? Ungläubig hört Alysia, was der attraktive Grieche behauptet: Er hat die Reederei ihres Vaters gekauft - unter der Bedingung, dass sie seine Frau wird! Alles ist geplant, es gibt kein Zurück. Und so fügt Alysia sich scheinbar in ihr Schicksal …

MEINE GANZE WELT BIST DU von WAY, MARGARET
Gespannt erwartet Cate den geheimnisvollen englischen Baron, dem sie eine unberührte Insel am Great Barrier Reef verkaufen soll. Da steht plötzlich Lord Julian Ashton Carlisle vor ihr: der Mann, der ihr einst das Herz brach, weil sie angeblich nicht in seine Welt passte …


  • Erscheinungstag 24.09.2013
  • Bandnummer 0009
  • ISBN / Artikelnummer 9783954467570
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Caitlin Crews, Penny Roberts, Jane Porter, Margaret Way

ROMANA EXTRA BAND 9

CAITLIN CREWS

Komm mit ins Königreich der Liebe

Die Liebe zu ihrem Ehemann Scheich Azrin, einem internationalen Geschäftsmann, führt Kiara um die Welt. Ein sorgloses Jetset- Leben – bis Azrin König von Khatan wird und Unmögliches von Kiara verlangt …

PENNY ROBERTS

Wenn der Lavendel wieder blüht

Spielen ihm seine Gefühle etwa einen Streich? In Sophies Nähe spürt Mathis plötzlich dieselbe Magie wie in jener unvergesslichen Nacht, in der er ihre Zwillingsschwester in den Armen hielt …

JANE PORTER

Blond und süß in Griechenland

Der griechische Reeder Christos Pateras braucht eine Frau, die ihm einen Erben schenkt. Da passt es bestens, dass sein Geschäftspartner seine hübsche Tochter Alysia unter die Haube bringen will …

MARGARET WAY

Meine ganze Welt bist du

„Du wirst bezahlen, aber nicht für das Dinner.“ Seit die schöne Cate seine Liebe verriet, sinnt Lord Julian Ashton Carlisle auf Rache. Nach einem Geschäftsessen scheint nun der Moment gekommen …

1. KAPITEL

„Was für eine fantastische Aussicht!“

Der Klang seiner tiefen, gebieterischen Stimme ging Kiara durch und durch, und obwohl sie seine Gegenwart spürte, noch ehe er bei ihr am Tisch ankam, drehte sie sich nicht nach ihm um. Für einen Moment schien die Luft zu vibrieren vor Spannung, so als warte ganz Sydney auf sein Erscheinen. Nur zu lebhaft konnte sie sich vorstellen, wie er lässig und selbstbewusst auf sie zusteuerte und seine groß gewachsene, kraftvolle Gestalt alle Blicke auf sich zog.

Sie fieberte ihm förmlich entgegen.

„Ziemlich einfallslose Art zu flirten“, bemerkte sie dennoch trocken. Sie konnte nicht anders. Den Dämpfer hatte er verdient. Bewusst ignorierte sie ihn, tat so, als könne sie sich vom Anblick des Hafens, dem Zauber der über dem Meer untergehenden Sonne nicht losreißen. Nicht einmal für einen Mann wie ihn, so beeindruckend und attraktiv er auch sein mochte. „Besonders hier, wo die Aussicht weltberühmt ist.“

„Was sie umso spektakulärer macht“, beharrte er in umgänglichem Ton. „Oder gehören Sie zu den Snobs, die eine Aussicht langweilig finden, wenn zu viele sie genossen haben?“

Kiara saß an einem Ecktisch auf der unteren Terrasse des Opera House, das sich kühn in den Himmel von Sydney erhob. Von hier bot sich ein ungehinderter Blick auf den mächtigen Bogen der Harbour Bridge. Die untergehende Sonne erstrahlte noch einmal in atemberaubenden rötlich goldenen Farben und schickte tanzende Lichter über das Hafenwasser, als wollte sie mit ihrem überwältigenden Abendschauspiel die stolz aufragenden Wolkenkratzer der Stadt als unbedeutend in den Schatten stellen.

Noch immer würdigte Kiara den Ankömmling keines Blickes. Ganz selbstverständlich hatte er sich zu ihr gesetzt, als gehörten ihm der Tisch, die Stühle – und sie. Dennoch war sie sich seiner Nähe bewusst, alle ihre Sinne schienen ausschließlich auf ihn ausgerichtet.

„Versuchen Sie nicht, das Thema zu wechseln“, erwiderte sie gleichmütig, als ließe die Ausstrahlung von Macht, die von ihm ausging, sie kalt. Er war eine einzige Herausforderung. Und so unwiderstehlich, dass es ihr schwerfiel, ihn nicht anzusehen. „Ich habe Sie nur darauf hingewiesen, dass mich Ihr Versuch, mit mir zu flirten, nicht sehr beeindruckt. Weshalb sollte ich deshalb gleich ein Snob sein?“

Sie griff nach der Kaffeetasse, die schon seit einer Weile leer war, spielte mit den Enden ihres hellbraunen Haares, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, und plötzlich fiel ihr auf, dass die Bewegungen ihrer Finger ihre Nervosität verrieten. Also setzte sie sich betont entspannt hin, so als sei er ihr völlig gleichgültig. Aber natürlich bemerkte sie aus dem Augenwinkel, wie umwerfend er aussah mit seinem dunklen Haar und den irisierenden hellen Augen, der athletischen Gestalt und den markanten Zügen, die seine arabische Herkunft verrieten. Und diese Wirkung hatte er nicht nur auf sie, sondern auch auf andere Gäste der Opera House Bar.

Kiara entging nicht, dass die beiden älteren Damen am Nebentisch sich nach ihm umdrehten, einander bedeutsame Blicke zuwarfen und wie Schulmädchen kicherten.

„Verraten Sie mir, was für ein Spiel wir spielen“, drang seine Stimme über die Gesprächsfetzen der Umgebung zu ihr durch, während der feurige Ball der Sonne langsam im Meer zu versinken begann. „Soll ich eine geistreiche Unterhaltung beginnen? Die Schönheit des Ortes preisen? Sie mit raffinierten Sprüchen in mein Hotel locken? Für eine Nacht? Zu einem flüchtigen One-Night-Stand? Was meinen Sie?“

„Das Spiel erkennt man nur, wenn man es spielt.“ Kiara unterdrückte ein Lächeln. Erotische Bilder stiegen vor ihrem inneren Auge auf: von atemberaubenden Liebkosungen, ungeahnter Leidenschaft … „Aber mit kalten, gefühllosen Worten kommen Sie bei mir nicht weit. Sie sollten alle Register der Verführungskunst ziehen, statt gleich vom Bett zu reden.“ Nun musste sie doch lächeln. Immer noch sah sie ihn nicht an, hielt den Blick wie gebannt auf die Harbour Bridge gerichtet. „Wenn Sie meinen Rat hören wollen, heißt das.“

„Ich weiß ihn zu schätzen.“ Er schlug einen kühlen, zweideutigen Ton an, der in ihr prickelnde Schauer verursachte. Der unter die Haut ging. Nervös schlug sie ein Bein übers andere. Er war ihr viel zu nah und machte sie zunehmend unruhiger.

„Bisher bin ich jedenfalls nicht beeindruckt“, sagte sie so leise, dass nur er es hören konnte.

„Von der Aussicht?“ Sein perfektes Oxford-Englisch erinnerte sie daran, dass er viele Sprachen beherrschte. „Ich hoffe, Sie gehören nicht zu den blasierten High-Society-Ladies, denen die Welt nichts mehr zu bieten hat.“

„Und wenn doch?“

„Wäre ich sehr enttäuscht.“

„Da unsere Bekanntschaft nicht tiefer geht, dürfte die Enttäuschung erträglich sein.“

„Aber ich bin hingerissen“, widersprach er so übertrieben, dass Kiara lachen musste.

„Von meinem Profil?“ Beharrlich hielt sie den Blick auf die Brücke gerichtet und schüttelte den Kopf. „Mehr haben Sie von mir ja nicht zu sehen bekommen.“

„Mehr brauche ich nicht zu sehen. Ihr Profil kommt vor dem weltberühmten Hintergrund nur umso besser zur Geltung“, bemerkte er umgänglich. „Und natürlich finde ich den Blick von hier genauso beeindruckend wie alle Touristen. Ich wünschte, ich hätte meine Kamera mitgebracht.“

Kiara vergaß, dass sie ihn nicht ansehen wollte, und wandte sich ihm zu.

Sein Anblick machte sie benommen.

Was für ein atemberaubender Mann! Dennoch war er nicht schön im klassischen Sinn. Seine harten, männlichen Züge wirkten beherrscht, das dichte dunkle Haar, die gebräunte Haut, das kantige Kinn und die unglaublich hellen blauen Augen verliehen ihm ein kämpferisches Aussehen. Und obwohl er scheinbar gelöst dasaß, konnte er Kiara nicht täuschen.

Er war eine einzige gefährliche Herausforderung. Im eleganten dunklen Anzug, das weiße Hemd am Hals geöffnet, verströmte er geballte Kraft und Sinnlichkeit. Es gab nichts, was er mit diesen gepflegten Händen nicht tun konnte … nicht schon getan hätte. Vor Kiaras innerem Auge stiegen Bilder auf, die ihren Puls zum Jagen brachten.

Sie war sicher, dass auch er daran dachte.

„Hallo“, begrüßte er sie erneut und lächelte wissend. „Auch so gefällt mir die Aussicht.“

Resigniert seufzte Kiara. „Sie sind nicht besonders gut in dem Spiel, wie ich feststellen muss.“

„Offenbar nicht.“ In seinen Augen blitzte es auf. „Bringen Sie es mir bei. Ich lerne schnell.“

Darüber konnte sie nicht lachen. Er wirkte hochzufrieden, viel zu selbstsicher.

„Woher wollen Sie wissen, ob ich nicht verabredet bin?“ Die Aussicht war ihr mit einem Mal unwichtig, sein Blick hatte eine hypnotisierende Wirkung auf sie. Dennoch fuhr sie provozierend fort: „Mit einem eifersüchtigen Liebhaber, der sich mit Ihnen prügeln wird, wenn er Sie hier antrifft.“

„Das Risiko gehe ich ein.“

Er lächelte siegessicher, und sie ärgerte sich über sich selbst. Dieser Mann machte sie wahnsinnig!

„Sie wollen es auf eine Schlägerei ankommen lassen?“, fragte sie ironisch. „Das wäre kindisch. Damit können Sie bei mir keinen Eindruck schinden.“

Forschend sah er sie an. „Scheint mir auch so.“

„Aber vielleicht suche ich auch Anschluss“, fuhr Kiara im gleichen unverbindlichen Ton fort. „Möchten Sie wirklich über die Aussicht reden? Oder über einen tabulosen One-Night-Stand? Weder das eine noch das andere könnte mich dazu bringen, mit Ihnen auszugehen.“

„Sie möchten sich mit mir verabreden?“ Er sah aus, als kostete es ihn Mühe, nicht laut zu lachen. Seine hellen Augen erinnerten sie an das Meer im Winter. „Ich dachte, wir reden über gewagte Erotik. In endlosen Spielarten. Oder zumindest die Hoffnung darauf. Eine langweilige Verabredung mit guten Manieren, Blumen und ritterlicher Zurückhaltung ist nicht meine Sache.“

Kiara stockte der Atem. Wie er das Wort Erotik ausgesprochen hatte … die reinste Zauberformel. Die Bilder, die es heraufbeschwor, jagten ihr prickelnde Schauer über die Haut. Dieser Mann war gefährlich. Weil sie sich gegen die Wirkung, die er auf sie hatte, nicht wehren konnte.

„Mehr als eine Verabredung ist bei mir nicht drin“, erklärte sie hochmütig. „Sie geben vor, mich als Mensch kennenlernen zu wollen, und halten das für romantisch.“ Abschätzig zuckte sie die Schultern. „Aber natürlich läuft alles auf einen Quickie im Hotelzimmer hinaus.“

Ihre Antwort schien ihn zu überraschen. „Ich kann Ihnen doch nicht gleich vorschlagen, mit mir ins Bett zu gehen.“

Seinem genüsslichen Lächeln nach zu urteilen, gefiel ihm die Idee ausgesprochen gut, und auch bei ihr stellten sich die unglaublichsten Wünsche ein. „Nur wenn Sie käufliche Liebe suchen. Die ist in diesem Land völlig legal. Aber vielleicht wäre ich nicht abgeneigt, wenn Sie mich zu einem Drink einladen würden.“

„In Ihrem Land gibt es so viele Gesetze.“ Er betrachtete sie verlangend. „In meinem ist man sehr viel … direkter.“

Kiara wünschte, sie hätte etwas angezogen, das mehr Haut sehen ließ. Im schwarzen Blazer, schwarzen Kaschmirpullover, Jeans und schwarzen Wildlederstiefeln kam sie sich entschieden zu zugeknöpft vor.

„Direkter?“ Sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden. Und sein Mund weckte die verrücktesten Sehnsüchte in ihr. Sie wollte, dass er sie küsste … was hier in aller Öffentlichkeit natürlich unmöglich war!

„Was ich haben will“, sagte er ruhig, „nehme ich mir.“

Seine Antwort elektrisierte sie. Einen Moment lang konnte sie ihn nur starr ansehen. Der Ausdruck in seinen Augen benahm ihr den Atem.

„Dann muss ich wohl froh sein, dass wir uns nicht in Ihrem Land befinden.“ Sie war erstaunt, wie ruhig und locker ihre Stimme klang. „Wir sind hier in Australien. Bei uns geht es sehr zivilisiert zu.“

„Ihr in den jungen westlichen Staaten seid alle gleich“, erwiderte er leise. „Forsch und überheblich brüstet ihr euch mit eurer angeblichen Zivilisiertheit. Dabei habt ihr eure unrühmliche Vergangenheit noch längst nicht hinter euch gelassen. Alles drängt immer wieder an die Oberfläche und straft eure sorgsam gehätschelten Tugendansprüche Lügen.“

Kiara hätte ihm endlos zuhören können. Seine Stimme rührte etwas in ihr an, machte sie hilflos und schlug sie völlig in ihren Bann. Die Welt um sie her versank. Sie nahm nur noch ihn wahr, wollte ihn berühren und …

„Ihre Ausführungen über junge Staaten und ihre unrühmliche Vergangenheit klingen beeindruckend“, sagte Kiara leise, ohne ihn aus den Augen zu lassen, „aber ich würde sie gern übergehen und gleich zur Sache kommen. Was meinen Sie?“

Galant hob er ihre Hand an die Lippen. Es war nur ein Handkuss, eine altmodische Kavaliersgeste für die Leute um sie herum, doch auf Kiara wirkte sie wie ein Stromstoß.

„Nichts lieber als das.“ Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich, sie waren jetzt von einem silbrigen Blau. „Aber so leid es mir tut, ich muss Sie enttäuschen. Ich bin mit meiner Frau zum Essen verabredet.“

„Dafür würde sie doch sicher Verständnis haben.“ Kiara spielte mit seinen kraftvollen Fingern. „Immerhin geht es um die Entdeckung sensationeller erotischer Praktiken.“

„Sie ist schrecklich eifersüchtig.“ Bekümmert schüttelte er den Kopf. „Richtig krankhaft … Au!“ Er verzog das Gesicht, und seine Augen funkelten irisierend. „Warum haben Sie mich gebissen?“

„Geben Sie doch zu, dass Sie das mögen!“ Kiara lachte.

Er ließ ihre Hand los, rückte jedoch etwas näher und zog sanft, aber unnachgiebig an ihrem Pferdeschwanz, sodass sie den Kopf heben und ihn ansehen musste.

„Vielleicht nehme ich die Eifersuchtsszenen meiner Frau doch in Kauf“, murmelte er rau und rückte noch näher, bis ihre Lippen nur einen Hauch voneinander entfernt waren.

Kiaras Atem ging so schnell, als hätte sie einen Marathonlauf hinter sich.

„Sie sehen aus, als würden Sie sie locker wegstecken“, gab sie ihm recht und küsste ihn.

Seine Frau war ihm ein Quell höchster Wonnen. Zu dieser Erkenntnis gelangte Scheich Azrin bin Zayed Al Din, Kronprinz von Khatan, auch heute wieder – genau wie schon unzählige Male zuvor.

Ihre weichen, lockenden Lippen verhießen ihm Sinnenfreuden, die aufzuschieben ebenso frustrierend wie köstlich war – erst recht nach den zwei Wochen Trennung, die hinter ihnen lagen. Fünf Jahre nach der Hochzeit hätte ihn das erstaunen müssen, aber er konnte nie genug von ihr bekommen.

Doch das Verlangen durfte er noch nicht stillen. Nicht in der Öffentlichkeit.

Beherrscht löste Azrin sich von ihr und lächelte, als er ihren verhangenen Blick bemerkte … als hätte sie vergessen, wo sie sich befanden. In Kiaras Schönheit hätte er sich verlieren können; er liebte ihr feines ovales Gesicht mit der zierlichen Nase, den sanft geschwungenen Brauen, ihren breiten sinnlichen Mund, der ihm als Erstes aufgefallen war. Das braune Haar mit dem herrlichen Goldschimmer fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern, wenn sie es nicht wie jetzt streng zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Ihr Körper war biegsam und durchtrainiert, ihrem Rang entsprechend kleidete sich konservativ, doch stets mit einer ganz persönlichen Note.

Und ihre stumme Verheißung galt einzig und allein ihm.

„Wenn du so frech und respektlos mit mir gesprochen hättest, als wir uns kennenlernten, hätte ich dir keinen zweiten Blick gegönnt.“

Wie erwartet, verdrehte sie die Augen und lächelte kokett. „Ich habe es trotzdem getan. Und es hat dir gefallen.“

„Das kann man wohl sagen.“

Azrin stand auf, reichte ihr die Hand und zog sie auf die Füße. Kiara hielt seine Finger noch einen Moment fest, was ihn nur noch mehr erregte. Er war verrückt nach ihr. Wollte sie überall küssen. Sie wiederentdecken. Mit dem Mund, den Händen …

Eng aneinandergeschmiegt schlenderten sie am Concourse entlang auf die glitzernden Hochhäuserfronten zu. In einem von ihnen lag das Penthouse, das sie in Sydney bewohnten. Für sie, die sie ständig durch die Welt reisten, war das luxuriöse Apartment, von dem aus man die ganze Stadt überblickte, nur einer von vielen Wohnsitzen. Azrin legte den Arm um Kiara und begnügte sich mit einem Kuss auf die Schläfe. Ihr Haar duftete nach Sonne und Blüten, doch obwohl er sich nach ihr sehnte, durfte er sie nicht anrühren.

Nicht hier. Nicht jetzt. Noch nicht ….

Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit konnten der Kronprinz von Khatan und seine ausländische junge Frau, die er gegen alle Widerstände zur Prinzessin gemacht hatte, sich nicht leisten. Azrin kannte die Moralvorstellungen seines Landes. Die Menschen von Khatan mochte neugierig auf alles sein, was mit seiner modernen Romanze zu tun hatte, aber sie verurteilen gnadenlos, was nicht in das unschuldige Märchenbild passte.

Nichts durfte bekannt werden, das ihn bei den Moralwächtern seiner Welt kompromittieren würde. Schon gar nicht, dass das Verlangen zwischen ihm und seiner Prinzessin nach all den Jahren immer noch so loderte, dass sie an manchen Tagen kaum aus dem Bett kamen. Obwohl ihm dafür von jetzt an nur noch wenig Zeit blieb.

Am besten, er sagte es ihr gleich. Er durfte damit nicht warten. Dennoch sträubte sich alles in ihm dagegen.

Nur diese eine Nacht! Mehr wünschte er sich nicht. Nur einmal noch das Leben in Freiheit und Anonymität auskosten.

„Du hast mir gefehlt, Azrin.“ Kiara drängte sich an ihn. „Zwei Wochen waren entschieden zu lange.“

„Ich konnte es nicht ändern.“ Er lächelte, um die düsteren Gedanken zu verscheuchen. „Auch mir kamen sie endlos vor.“

Azrin unterdrückte einen Seufzer. Bald würde dieser Teil seines Lebens hinter ihm liegen. Kiara und er bahnten sich einen Weg durch die Menschenmenge, die den weltberühmten Hafen von Sydney bevölkerte und den lauen Abend genoss. Wie gern hätte er auf die wochenlangen Trennungen verzichtet!

Ständig lastete auf ihnen der Druck, Städte in allen Teilen der Welt bereisen zu müssen und sich trotz der vielen Verpflichtungen einen Tag, eine gemeinsame Nacht oder wenigstens einen Nachmittag zu stehlen. Oft besaßen sie keinen Wohnsitz an den Orten, die sie besuchten, und trafen sich in unpersönlichen Hotels, doch selbst ihre Residenzen in New York, Singapur, Tokio, Paris oder der Hauptstadt seines Landes, Arjat an-Nahr, waren austauschbar und letztlich alle gleich. Stets bestimmte der Terminkalender, wann und wo er und seine Frau sich sehen konnten. Einfach einmal mit ihr zusammen zu sein, spontan etwas zu unternehmen, war unmöglich.

Nein, das ewige Reisen würde ihm bestimmt nicht fehlen. Im Gegenteil, wenn das aufhörte, würde alles erträglicher werden. Dann waren sie wenigstens zusammen. Das war das einzig Wichtige.

„Du hättest nicht so lange in Arjat an-Nahr bleiben sollen“, bemerkte Kiara in einem Ton, der ihm sonst ein amüsiertes Lächeln abnötigte. „Fast könnte ich glauben, dir liegt mehr an deinem Land und deinen Pflichten, als an deiner armen vernachlässigten Ehefrau.“

Natürlich wusste er, dass sie das nicht ernst meinte. Doch heute plagten ihn Gewissensbisse. Kiara spielte auf etwas an, das er nicht hören wollte, nicht einmal im Scherz. Weil die Wahrheit zu brutal war.

„Eines Tages werde ich König sein“, erinnerte er sie ruhig, weil ihm klar war, dass sie ihn neckte. Wie meist. Ihre lockere Art hatte ihm von Anfang an gefallen. „Dann wird alles hinter meinem Land und meinen Pflichten zurückstehen müssen, Kiara. Selbst du.“

Und natürlich auch er. Besonders er.

Forschend blickte Kiara ihn mit ihren schönen braunen Augen an, und er fragte sich, was sie in seinen Zügen lesen mochte. Nicht die Wahrheit. Die kannte niemand. Nur er, die Ärzte seines Vaters und seine Mutter.

„Ich weiß, wen ich geheiratet habe“, erwiderte sie leise. „Oder zweifelst du daran?“ Sie lächelte ihn an und fuhr unbekümmert fort: „Immerhin hast du mich oft genug daran erinnert.“

Alles würde sich ändern. Auch sie beide. Ihre ganze Situation. Das war der natürliche Lauf der Dinge.

Hatte er nicht von jeher gewusst, dass dieser Tag kommen würde, obwohl er sich im Stillen etwas anderes erhofft hatte?

„Weil ich dich bitte, leise zu sprechen, wenn du in einer Bar das Anmach-Spielchen mit mir spielst?“ Er seufzte leise. „Wir können nicht riskieren, dass Reporter so etwas in die Welt hinausposaunen.“ Wie sie ihn ansah, ging ihm ans Herz. „Ich darf meine Stellung als Herrscher meines Landes nie außer Acht lassen.“

„Ja, mein hoher Herr“, erwiderte Kiara gespielt unterwürfig und verneigte sich. „Wie Sie gebieten, mein hoher Herr.“

Ihr melodisches Lachen machte ihn glücklich.

Entschlossen straffte Azrin die Schultern.

Er bereute die vergangenen fünf Jahre nicht! Nie und nimmer!

Seine Pflichten als Kronprinz hatte er stets ebenso ernst genommen wie seine Verantwortung als Geschäftsführer der Khatan Investment Authority, einem der weltweit größten staatlichen Investitionsfonds. Und Kiara war als stellvertretende Geschäftsführerin der Weingüter ihrer Familie im südaustralischen Barossa Valley völlig in den beruflichen Aufgaben aufgegangen, die sie um die ganze Welt führten. Von Anfang an hatten sie eine moderne Ehe geführt, was in seiner Familie noch nie vorgekommen war.

Aber natürlich verkörperte er die Zukunft seines Landes, ob es ihm gefiel oder nicht. Niemand hatte ihn gefragt, wie er dazu stand. Seine Gefühle waren unwichtig. Und während sein Vater weiter stolz auf alte Traditionen pochte, war es an ihm, Azrin, die ölreiche Insel Khatan im Persischen Golf in die Moderne zu führen.

Er würde seinem Volk eine freiere, unabhängigere Zukunft sichern – ohne Aufstände und Blutvergießen, wie sie manche Nachbarstaaten erschüttert hatten.

Mit Kiara hatte er den ersten Schritt in diese Richtung getan, obwohl er sich dessen nicht bewusst gewesen war, als er sie kennenlernte. Sie war unabhängig und ehrgeizig, als Vertreterin der vierten Generation der australischen Weinbranche in jeder Hinsicht eine moderne Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Mit dieser Heirat hatte er das Tor zur Zukunft aufgestoßen.

Gemeinsam symbolisierten Azrin und Kiara die neue Ära Khatans. Daran würde sich auch jetzt nichts ändern. Man würde sie höchstens noch kritischer und schärfer beobachten. Als Ehepaar würden sie nicht mehr sich selbst gehören, sondern seinem Volk. Bis ans Lebensende. Das war sein Schicksal. Erst jetzt begriff er, wie sehr er sich vor dem Augenblick der Wahrheit gefürchtet hatte.

„Wo bist du in Gedanken?“ Kiara blieb stehen und er ebenfalls. Am belebten Sydney Pier wimmelte es von Fähren und Feierabendpendlern, Touristengruppen und Restaurantbesuchern, die sich einen schönen Abend machen wollten. „Du scheinst innerlich Meilen von hier entfernt.“

„Immer noch in Khatan.“ Azrin schob seine Finger zwischen ihre und führte sie um die Stände und Straßenkünstler herum, deren Geschäfte dank der abendlichen Menschenströme und der allgegenwärtigen Touristen florierten. „Aber viel lieber würde ich dich lieben.“

„Dann lassen Sie uns gleich zur Sache kommen“, wiederholte sie in einem Ton, der ihm das Paradies verhieß. „Ich dachte schon, Sie hätten mein Angebot vergessen, mein hoher Herr.“

„Glaub mir, Kiara, ich vergesse nie etwas, das mit erotischen Angeboten von dir zu tun hat“, bemerkte er leise.

Er war noch nicht so weit. Doch ihm blieb keine andere Wahl. Was er wollte, was er empfand … all das war nicht mehr wichtig. Jetzt ging es nur darum, wer er war und bald sein würde. Er musste lernen, seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche zurückzustellen, wie zu der Zeit, ehe er Kiara begegnet war. In den letzten fünf Jahren hatte er diese Pflicht selbstsüchtig zu verdrängen versucht.

Er half Kiara in die schwarze Limousine am Straßenrand und glitt hinters Lenkrad.

Obwohl sie das Prinzenpaar waren, hatten sie sich überall stets wie normale junge Leute verhalten. Sie hatten an sich und ihre Liebe geglaubt …

Der Prinz und die Prinzessin von Khatan waren volksnah und ansprechbar. Sie arbeiteten hart und waren nicht so oft zusammen, wie sie es sich gewünscht hätten. Bei ihnen gab es weder exotisches Flair noch königliche Empfänge oder den exzentrischen Lebensstil der Superreichen. Sie waren ein Paar wie alle anderen und versuchten, ihr Bestes zu geben.

Aber sie waren nicht wie normale Eheleute. Würden es nie sein.

Damit musste er sich abfinden. Es war einfach so.

2. KAPITEL

Als Kiara erwachte, dauerte es einen Moment, ehe ihr wieder einfiel, dass sie in Sydney war. Genüsslich reckte sie sich. Das luxuriöse zweigeschossige Penthouse auf dem Dach des hochexklusiven Wolkenkratzers konnte nur jemand wie Azrin, der in Palästen aufgewachsen war, als Apartment bezeichnen.

Vorsichtig erhob sie sich aus dem riesigen Boxspringbett, als sie merkte, dass Muskeln sich meldeten, von denen sie gar nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß. Das verdankte sie Azrin. Ihr Mann war ein anspruchsvoller, unerhört sinnlicher Liebhaber, der alles gab – und alles nahm.

Summend überließ Kiara sich der heißen Dusche und seifte ihre Haut ein, die Azrin so unersättlich gestreichelt und geküsst hatte. Aber so war er. Er machte sie völlig verrückt, brachte sie um den letzten Funken Verstand. Wenn sie mit ihm zusammen war, gab es nichts anderes.

Nur ihn. Immer nur ihn.

Erfrischt verließ sie die Duschkabine, frottierte sich trocken und zog sich den Clip aus dem Haar, das sie vorsorglich hochgesteckt hatte. Manchmal befielen sie regelrechte Schuldgefühle, wenn ihr ihre anspruchsvolle Arbeit wie eine Atempause nach dem Zusammensein mit ihrem noch anspruchsvolleren Ehemann vorkam. Doch Azrin hatte etwas an sich, dem sie einfach nicht widerstehen konnte …

Sie fand ihn im großen Salon, wo er es sich auf einem Sofa bequem gemacht hatte und auf seinem Tablet-Computer arbeitete, den er für Videokonferenzen benutzte. Als aufblickte und sie verlangend ansah, überlief sie ein herrliches Prickeln.

Selbst nach dieser Nacht grenzenloser Leidenschaft sehnte sie sich wieder nach ihm. Wie immer.

Leise trat Kiara in den offenen Küchenbereich, in dem weder sie noch Azrin je etwas kochten. Nachdem sie sich am Espressoautomaten einen Morgenkaffee zubereitet hatte, machte sie es sich mit einem Becher Milchkaffee auf einem Barhocker an dem langen chromblitzenden Granittresen bequem.

Außer ein paar Worten, die sie außerhalb des Schlafzimmers lieber nicht benutzte, sprach sie immer noch nicht Arabisch und versuchte daher gar nicht erst herauszubekommen, worüber Azrin in seinem typischen befehlsgewohnten Ton redete. Lächelnd dachte sie daran, dass sie ihren königlichen Prinzen ironisch mit mein hoher Herr angeredet hatte, und lauschte zärtlich dem Klang seiner dunklen, selbstsicheren Stimme.

Eine Weile saß sie still da und genoss es, ausnahmsweise nichts weiter tun zu müssen, als durch die deckenhohe Fensterfront zu schauen und den Blick über den üppig grünenden Hyde Park, die Royal Botanic Gardens, die wie geblähte Segel aufragenden Umrisse des Opera House und den malerischen Hafen schweifen zu lassen.

Doch lange konnte sie sich damit nicht ablenken. Bald beschäftigte sie wieder ein Problem, das beim Shiraz-Rotwein aufgetreten war, mit dessen Veredelung sie seit einigen Jahren im Barossa Valley experimentierten. Sollte sie ihre Mutter anrufen, die unangefochtene Chefin von Frederick Wines, die sich manchmal zur Nervensäge entwickeln konnte? Die Beziehung zu ihrer Mutter war geprägt von komplizierten Regungen wie Schuldgefühlen, Liebe und Pflichtbewusstsein, sodass Kiara als ihre Tochter und stellvertretende Geschäftsführerin des Unternehmens es meist vorzog, die Dinge auf ihre Weise zu regeln. Unschlüssig erwog sie das Für und Wider eines Telefonats mit ihrer Mutter …

Unter ihr breitete sich das sonnenverwöhnte Sydney aus, die Glasfronten der Wolkenkratzer reflektierten das grelle Tageslicht, zahllose Segelboote und Fähren sprenkelten den Hafen, doch Kiara nahm all das nicht wirklich wahr. Im Geist war sie bei den grüngoldenen Anbauflächen ihres geliebten Barossa Valley, seinen fruchtbaren Weinbergen, die sich in alle Himmelsrichtungen erstreckten, und den malerischen, typisch süddeutschen Ortschaften, die Kiaras Siedlervorfahren gegründet hatten. Sie sah die australischen Weingüter der Fredericks vor sich, die ihr Leben seit der Kindheit bestimmten, das mächtige alte Schloss, das seit Generationen im Besitz ihrer Familie war.

Der Weinanbau war der Lebensinhalt ihrer Mutter, seit sie als Witwe mit einem Kind allein dagestanden hatte. Und natürlich drehte sich auch Kiaras Leben von klein auf um nichts anderes. Sie musste ihrer Mutter und sich selbst nicht beweisen, dass die jahrelangen Opfer und Aufbaukämpfe sich gelohnt hatten. Dass es ihr Erbe zu bewahren galt, wusste sie auch so. Schon deshalb schuldete Kiara es ihr, sich voll für Frederick Wines einzubringen.

Ein Kribbeln im Nacken veranlasste Kiara aufzublicken.

Azrin beobachtete sie. Seine Videokonferenz war offensichtlich beendet, er wirkte ungewöhnlich ernst.

„Guten Morgen“, sagte sie lächelnd, und ihre Sorgen verflogen. Zärtlich betrachtete sie ihren Mann, dessen bloße Anwesenheit ihr zu helfen schien, klarer zu denken. Meist war sie auf der anderen Seite der Erde, Tausende Kilometer von ihm entfernt, und konnte sich nur über Handy oder Chat mit ihm austauschen.

Er erwiderte ihr Lächeln nicht, sah sie nur ungewöhnlich ernst an. Etwas stimmte hier nicht. Kiara dachte daran, wie unersättlich, fast verzweifelt er sie in der Nacht geliebt hatte.

Sie fröstelte und zog das seidene Negligé zusammen. „Warum siehst du mich so an?“, fragte sie leise. „Was ist los?“

„Ich genieße den Anblick meiner wunderschönen Frau.“ Nun lächelte er, doch in seinen hellen Augen erschien ein schmerzlicher Ausdruck. „Meiner Prinzessin. Meiner zukünftigen Königin.“

Aus einem unerklärlichen Grund wurde Kiara bang ums Herz.

„Warum so feierlich?“, versuchte sie zu scherzen, ihn aus der Reserve zu locken. Wie so oft. „Machen Sie es nicht so spannend, hoher Herr.“

Für einen flüchtigen Moment wurde seine Miene so grimmig, dass sie kaum zu atmen wagte.

Kiara war stolz auf ihr Verhandlungsgeschick und ihre Fähigkeit, die oftmals tückischen Klippen der internationalen Geschäftswelt und besonders der Weinbranche gekonnt zu umschiffen. Sie war absolut professionell. Das musste sie sein, zumal man anfänglich allenthalben den Verdacht geäußert hatte, sie verdanke ihre Stellung nur dem Umstand, dass sie die Tochter der Chefin war. Doch auch nach der Hochzeit mit Azrin hatte sie sich gegen Geschäftspartner durchsetzen müssen, die sie mitten in harten Verhandlungen süffisant mit Euer Hoheit oder Prinzessin anredeten.

Es machte ihr Spaß, vorgefasste Meinungen zu erschüttern. Schon als junges Mädchen hatte sie gelernt, Menschen auf Abstand zu halten, denen ihre Mutter keine Grenzen setzte. Inzwischen galt sie als unnahbare Eiskönigin, und seit sie zur viel fotografierten Prinzessin der Medien geworden war, hatte dieses Image ihr geholfen, den Panzer, mit dem sie sich umgab, noch undurchdringlicher zu machen.

Nur bei Azrin musste sie sich nicht verstellen. Jetzt sah er sie so kummervoll an, dass sie ihn aufheitern musste. Sie liebte ihn mehr als alles auf der Welt. Als sie ihm vor fünf Jahren begegnet war, hatte diese Liebe ihr ganzes Leben aus den Angeln gehoben.

Kiara glitt von ihrem Hocker, trat zur Couch und ließ sich auf Azrins Schoß nieder. Sie konnte sich nicht erklären, weshalb er so merkwürdig steif dasaß.

„Ich muss dir etwas sagen“, begann er ernst.

„Dann heraus mit der Sprache.“

„Kiara …“ Er zögerte, dann schob er die Hände unter den Seidenstoff ihres Morgenmantels und streichelte ihre nackte Haut. Doch als Kiara sich ihm entgegendrängte, hob er den Kopf und sah sie fast gequält an. „Was machst du mit mir?“

War das nicht sonnenklar? Sie bewegte sich aufreizend, bis sie ihn da spürte, wo sie sich am meisten nach ihm sehnte. Es war unglaublich, aber sie bebte vor Verlangen. Und der Ausdruck in seinen Augen verriet ihr, dass er ebenso empfand.

„Ich lenke dich ab“, flüsterte sie verheißungsvoll.

„Vielleicht bringst du mich sogar um“, warnte er und küsste sie leidenschaftlich. „Ich habe den Verdacht, dass du das sowieso vorhattest.“

Sie nahm ihre Bewegungen wieder auf, und Azrin passte sich ihrem Rhythmus an, bis sie den Kopf in den Nacken warf und ekstatisch aufstöhnte.

Dann fand auch er Erfüllung, und sie ließ sich schwer atmend gegen ihn sinken.

Azrin verstand nicht, warum er es Kiara nicht einfach sagte.

Wieso hatte er es nicht längst getan?

Weil er es ihr am liebsten verschwiegen hätte.

Sie hatten eine unvergessliche Nacht miteinander verbracht; eine Nacht, wie sie sie vielleicht nie wieder erleben würden. Er durfte den Augenblick der Wahrheit nicht weiter hinauszögern.

Kiara stand unter der Dusche. Er konnte ihre Umrisse durch die beschlagene Glastür erkennen und bedauerte, ihr nicht länger Gesellschaft leisten zu können. Er hätte bei Kiara bleiben sollen, bis die Welt um sie her erneut versank.

Eine wunderbare Vorstellung …

War es mit Kiara nicht immer so gewesen? Mit ihr konnte er dem Alltag entfliehen, sich seinen Pflichten eine Weile entziehen …

Genieß dieses Leben, solange du kannst, hatte sein Vater, der unerbittliche Herrscher von Khatan, ihm bei ihrer Heirat mit wissender Miene geraten. Bald genug wirst du Opfer bringen und Verzicht üben müssen.

Natürlich wusste es auch sein Vater: Gemeinsam mit Kiara würde er, Azrin, ein Leben auf sich nehmen müssen, das nur noch Verantwortung und Bürden bereithielt.

Doch in Kiara hatte er eine Frau gefunden, die zu ihm stand, zu ihm passte und sich bedingungslos zu ihm bekannte. Er hatte ihr einfach nicht widerstehen können. Sie zu heiraten, war seine wohl einzige selbstsüchtige Entscheidung gewesen und hatte letztlich allem entgegengestanden, was von ihm als zukünftigem König erwartet wurde.

Eigentlich hätte er eine von den attraktiven khatanischen Töchtern aus reichem Hause zu seiner Ehefrau machen sollen: Eine vollkommener als die andere, alle aus den besten und mächtigsten Familien des Landes, jede krampfhaft bemüht, sich als besonders würdig zu erweisen, seine Königin zu werden. Alle mit den gleichen Idealen und Erwartungen, eine vollkommene Gattin und Mutter zu werden, ihrem Mann jeden Wunsch zu erfüllen – erst recht, wenn dieser Mann der zukünftige Herrscher des Landes war.

Doch dann war ihm in Melbourne Kiara begegnet. Bei einem Spaziergang, den er unternommen hatte, um den langen Flug und den Jetlag zu bewältigen. Nach einer Weile hatte er sich in eine Seitenstraße hinter die hochmodernen Wolkenkratzer geflüchtet und in einem der gemütlichen viktorianischen Häuser ein kleines Café entdeckt, das ihn an sein Lieblingsbistro in Paris erinnerte. Pflichtbewusst war sein Leibwächter vorausgeeilt, um ihm einen Platz an einem seitlich stehenden Tisch zu sichern, von dem er die bunt bevölkerte Gasse überblicken konnte.

„Entschuldigt man sich nicht wenigstens, wenn man jemand anderem den Platz wegschnappt?“, hatte Kiara ihn forsch gefragt. Von ihrer Stimme war er sofort fasziniert gewesen.

Später hätte er nicht sagen können, was ihr Anblick in ihm ausgelöst hatte. Schließlich war sie eine Fremde, die völlig unbeeindruckt und in einem Ton mit ihm sprach, wie es niemand sonst wagte. Da war etwas mit ihm geschehen. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatte es ihn getroffen.

Unwillkürlich durchlebte er die schicksalhafte Begegnung erneut …

Ihr Mund fiel Azrin als Erstes auf. Er verzauberte ihn genauso wie ihre braunen Augen, mit denen sie ihn so selbstbewusst und unverwandt ansah. Und diese fein gezeichneten, schönen Züge! Ihr Haar war locker zu einem Nackenknoten geschlungen, und da es in Melbourne Winter war, trug sie unter einem frechen kurzen Rock Stiefel und Strumpfhose, dazu einen gerade geschnittenen Mantel mit leuchtend rotem Schal. Alles an ihr wirkte kess, modern und farbig. Und ihr salopper, respektloser Ton war absolut neu für ihn. Eigentlich hätte er sich überhaupt nicht für sie interessieren dürfen.

„Doch wenn ich sehe, dass Sie und Ihr Gefolgsmann vor Wichtigkeit förmlich platzen“, fuhr sie im gleichen Ton fort und machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung auf ihn und seinen Leibwächter, „kann ich nur annehmen, dass Sie es nötig haben.“ Ironisch lächelnd wandte sie sich ab. „Na gut. Behalten Sie den Tisch, wenn Sie sich dadurch bestätigt fühlen.“

Azrin war zu verblüfft, um zu reagieren, doch selbstverständlich konnte er eine solche Provokation nicht einfach hinnehmen.

„Bitte, möchten Sie sich nicht zu mir setzen?“, sagte er zur Verwunderung seines gut gedrillten Leibwächters, denn normalerweise verabscheute Azrin aufdringliche Mädchen, die sich an ihn heranzumachen versuchten. „Dann können Sie mir meine Charakterfehler aufzählen. Als Entschuldigung lade ich Sie zu einem Kaffee ein.“

Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um und betrachtete ihn nachdenklich.

„Den Kaffee kann ich auch allein trinken“, erklärte sie schließlich. „Und genau das werde ich tun.“

„Bedenken Sie, wie viel mehr Spaß es Ihnen machen würde, mir die Beleidigungen persönlich ins Gesicht zu schleudern.“ Ein belustigtes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Können Sie der Versuchung tatsächlich widerstehen?“

Wie sich herausstellte, konnte Kiara es nicht.

Den Rest des Nachmittags verbrachte Azrin damit, sie zu überreden, mit ihm in seinem Hotel zu Abend zu essen. Und die restlichen Tage in Melbourne, sie ins Bett zu bekommen. Er schaffte es, dass sie am ersten Abend mit ihm zu Abend aß, seine sonstigen Bemühungen blieben erfolglos. Und das, obwohl er es gar nicht gewohnt war, bei der Damenwelt abzublitzen.

Er wusste nicht, wie er bei Kiara weiterkommen sollte. Dabei war er fast besessen war von dieser Frau, die ihm gegenüber keinerlei Unterwürfigkeit zeigte, ihn auslachte, wenn er versuchte, sie zu verführen – deren Küsse ihn verrückt machten, wenn sie sich dazu herabließ.

„Was Sie reizt, ist die Jagd, nicht ich“, erklärte Kiara ihm an seinem letzten Abend in Melbourne rundheraus.

Sie wehrte ihn ab, als er zu weit gehen wollte, befreite sich elegant aus seinen Armen und lehnte sich an die Tür ihres Apartments. Offenbar dachte sie nicht daran, ihn hereinzu­bitten.

Ihm schwante, dass sie ihn einfach hier stehen lassen würde.

Wieder.

„Und wenn ich Sie begehre?“, fragte er frustriert. „Wenn die Jagd für mich nur ein notwendiges Übel ist?“

„Eine verlockende Vorstellung.“ Kiara winkte amüsiert ab. „Aber mein Studienabschluss in Weinanbau ist mir wichtiger als Ihre romantischen Avancen. Das werden Sie sicher verstehen. Meiner Erfahrung nach suchen umwerfende Märchenprinzen wie Sie nur flüchtige Abenteuer.“

„Und Sie haben natürlich weitreichende Erfahrungen mit Märchenprinzen.“

Kiara überging die Frage. „Ich brauche meinen Studienabschluss, um im wirklichen Leben voranzukommen.“ Natürlich entging ihm nicht, dass sie im wirklichen Leben gesagt hatte. „Und wenn Sie bei der Rückkehr auf Ihren Thron ein bisschen schmollen und grollen, verstehe ich das sogar.“

„Kiara …“ Er konnte sie nicht gehen lassen, wollte mehr von ihr berühren als nur ihre Hand und ihren Arm. Doch damit musste er sich wohl begnügen. Sie war nicht die Richtige für ihn, das hatte er von Anfang an gewusst. Dennoch konnte er sich damit nicht abfinden. „Bereiten Sie sich auf die Rückkehr des Märchenprinzen vor, Kiara. Morgen muss ich nach Khatan zurück, aber ich komme wieder.“

Und tatsächlich. Er kam zurück. Immer wieder. Bis sie ihm schließlich glaubte …

Gebannt beobachtete Azrin, wie seine Prinzessin aus der Dusche trat und sich in ein flauschiges Badetuch hüllte. Als sie ihn anlächelte, verspürte er einen schmerzlichen Stich in der Brust. Sie hatte nie Königin werden wollen. Nicht einmal Prinzessin. Ihn hatte sie gewollt, nur ihn. Vielleicht war es naiv gewesen zu glauben, das würde genügen.

Aber sie hatten beide gewusst, auf was sie sich einließen.

Und nun war der Augenblick der Wahrheit gekommen. Ob es ihnen gefiel oder nicht. Ob es ihr gefiel oder nicht.

Ob er König von Khatan werden wollte oder nicht. Aber hatte das je zur Debatte gestanden?

„Mein Vater ist wieder an Krebs erkrankt“, sagte er unvermittelt.

„Um Himmels willen, Azrin!“ Mit erschrocken geweiteten Augen sah Kiara ihn an, als hätte sie Mühe, die schlimme Nachricht zu verarbeiten.

Azrin lehnte scheinbar gleichmütig am Türpfosten, dennoch wirkte er angespannt. Um seine Lippen lag ein grimmiger Zug, und sein Blick war seltsam eindringlich.

„Natürlich wird er gegen die Krankheit kämpfen“, fuhr er fort, als sei die Mitteilung von der neuerlichen Erkrankung erst der Auftakt zu etwas Wichtigerem, sehr viel Schwerwiegenderem. Was, wagte Kiara sich nicht vorzustellen. „Mein Vater ist zäh.“

„Es tut mir so leid für dich.“ Bilder stürmten auf Kiara ein. Es fiel ihr schwer, sich den König, diesen befehlsgewohnten alten Herrn, anders als fordernd und energiegeladen vorzustellen. Unvorstellbar, dass der Krebs König Zayed besiegen könnte, den nichts und niemand dazu gebracht hatte, den eisernen Griff zu lockern, mit dem er sein Land und den Thron beherrschte. Und seinen Sohn.

Und Königin Madihah? Sie nahm den höchsten Rang unter den drei Ehefrauen des alten Königs ein. Das und der Umstand, dass sie dem Land den Kronprinzen geschenkt hatte, machte sie zu einer Art Nationalheldin. Sie war ein Vorbild an heiterer Gelassenheit, Eleganz und zurückhaltender Weiblichkeit. Kiara kam sich ihr gegenüber stets ein wenig derb und ungeschliffen vor. Ausgeschlossen, dass diese Frau eine Regung zeigte oder gar jammerte.

„Aber eigentlich war er doch sehr fit.“ Kiara dachte an ihre letzte Begegnung mit ihrem Schwiegervater im Frühling. Sie waren in den Palastgärten spazieren gegangen, und obwohl sie in allen Städten der Welt regelmäßig Fitnesscenter besuchte, hatte sie mit dem Tempo des alten Herrn nur schwer mithalten können. Er hatte sie ausgefragt, als betrachte er ihre Beziehung zu seinem Sohn und Nachfolger immer noch mit Misstrauen und erwarte von ihr endlich ein offenes Bekenntnis. „Man käme nicht auf die Idee, dass er schon über siebzig ist.“

Ein Schatten flog über Azrins Züge. „Er sagt, er ist ein alter Mann, der nur noch einen Kampf kämpfen kann …“

Reglos stand Kiara da. Wie Azrin sie ansah, ängstigte sie.

„… und der nicht mehr in der Lage ist, sich ausreichend um sein Königreich kümmern“, fuhr Azrin fort. „Er sieht seine Situation nicht so zuversichtlich wie beim letzten Mal.“

„Du musst ihm Mut zusprechen“, drängte Kiara. „Ihm helfen, wo du kannst.“

Angespanntes Schweigen folgte.

„Er will abdanken, Kiara“, sagte Azrin ernst. „Den Thron frei machen.“

Es dauerte einige Augenblicke, bis Kiara begriff, was er ihr damit sagen wollte.

„Natürlich“, brachte sie endlich hervor. „Es wird eine gute Übung für dich sein, die Regierung zu übernehmen, bis es ihm wieder besser geht.“

„Nein.“ Azrins Ton war schneidend, sein Blick hart. Als wäre er enttäuscht von ihr. Aber warum? Hatte sie etwas Falsches gesagt?

„Nein?“, wiederholte sie unsicher. „Keine Übung?“

„Es ist nicht vorübergehend. Mein Vater dankt endgültig ab.“

Stumm stand sie da, unfähig zu reagieren. Was jetzt? Alles in ihr wehrte sich gegen das, was sie gerade zu begreifen begann.

„Das bedeutet …“ Sie sprach nicht weiter, schüttelte nur hilflos den Kopf.

„Dass ich in knapp sechs Wochen König werde“, erklärte Azrin entschlossen … als hätte er sich in diesem Moment damit abgefunden, den Thron besteigen zu müssen.

„In sechs Wochen?“ Sie hörte selbst, wie schrill ihre Stimme klang. „Ich habe mich in den fünf Jahren unserer Ehe noch nicht einmal richtig daran gewöhnt, dass du ein Prinz bist. Und jetzt soll ich mich darauf vorbereiten, dass du in gut einem Monat König wirst?“

Azrin lächelte nicht. Er presste die Lippen zusammen, und in seinen Augen erschien ein kalter Glanz.

„Dir wird nichts anderes übrig bleiben, Kiara“, erwiderte er so förmlich, dass alles in ihr sich verkrampfte. „Ich habe mich mein Leben lang darauf vorbereiten müssen, König zu werden. Ich wusste, irgendwann würde es so weit sein … Und jetzt ist der Zeitpunkt schneller gekommen, als ich dachte.“

Kiara versuchte sich zusammenzureißen. Ihr wurde bewusst, dass sie wie erstarrt dastand und Azrin ansah, als hätte er sich vor ihren Augen in ein Monster verwandelt.

Aber musste sie ihrem Mann in dieser Situation nicht eine Stütze sein?

Thronbesteigung! Königswürde! Es gab vermutlich niemanden, der sich nicht verloren fühlen würde, wenn ihm dergleichen bevorstünde. Aber hier ging es um ihren Mann! Er war es, auf den diese Verantwortung zukam. Über ihre Gefühle konnte sie sich später klar werden. Wenn sie allein war.

Kiara trat zu ihm. „Es wird nicht leicht für dich werden, Azrin. Aber ich liebe dich. Gemeinsam finden wir einen Weg und schaffen es.“

„Ich fürchte, die Erkrankung meines Vaters ist schlimmer, als er zugibt.“ Azrin seufzte. „Sonst würde er niemals freiwillig abdanken. Er hat den Thron mit neunzehn bestiegen. Damals gab es für ihn nur eine Möglichkeit, ihn zu behalten: mit Härte und Rücksichtslosigkeit.“

Kiara schlang die Arme um ihren Mann und küsste ihn zärtlich, entschlossen, die Anspannung zu ignorieren, die sie beide erfüllte. Azrins Beziehung zu seinem Vater war problematisch. Es missfiel dem König seit Langem, dass das Volk seinen Sohn als Retter in Wartestellung betrachtete. Azrin wäre nie zum Thronfolger ernannt worden, wenn Zayed einen zweiten Sohn gehabt hätte.

Das ist die Wirklichkeit, hielt Kiara sich vor Augen.

„Du schaffst es, Azrin“, sprach sie ihm Mut zu. „Seit Jahren hast du dich darauf vorbereitet. Du bist so weit.“

„Ja, ich bin bereit, Kiara.“ Er wirkte ruhig, doch in seinem Blick lag eine solche Härte, dass sie es mit der Angst zu tun bekam. Doch derartige Regungen wirst du dir nicht mehr leisten können, machte sie sich klar. Du darfst nicht an dich und deine Gefühle denken. Stumm sah sie Azrin an, der ihr sanft das nasse Haar aus der Stirn strich.

Er lächelte schwach und sah sie fragend an. „Aber bist du es auch?“

3. KAPITEL

Die gleiche Frage stellte ihr eine Woche später auch ihre Mutter. Kiara war auf das Weingut der Familie zurückgekehrt, um sich über den Stand der Veredelungsmaßnahmen bei den Shiraz-Weinen zu informieren. Danach plante sie, nach Khatan zu fliegen, um ihre dortigen Verpflichtungen wahrzunehmen.

Azrin hatte sie versichert, dass sie bereit war für die Rolle der Königin. Dass sie sich sogar darauf freue.

Fast glaubte sie es selbst.

„Bist du wirklich bereit, Königin zu werden, Kiara?“ Ihre Mutter schien die heimlichen Zweifel und Ängste ihrer Tochter zu spüren. „Was dich in Khatan erwartet, ist alles andere als ein Kinderspiel. Das kleine Königreich ist kein Märchenland.“

Kiara saß im Büro ihrer Mutter, von dem sich ein herrlicher Blick auf die ausgedehnten, von der Sonne verwöhnten Weinberge der Familie bot, und zählte stumm bis zehn. Normalerweise hatte die Aussicht auf die liebliche Landschaft eine beruhigende Wirkung auf sie, doch im Moment beschäftigten sie andere Dinge. Auf keinen Fall durfte sie jetzt aufbrausen, weil ihre Mutter das als Bestätigung ihrer Vermutung auslegen würde.

Eins, zwei, drei …

Sie betrachtete ihre Mutter, die entspannt hinter ihrem großen, ordentlich aufgeräumten Schreibtisch saß, forschend. War sie nicht in vielem genau wie sie? Sie hatten die gleichen schmalen Schultern, die gleiche Körperhaltung und die gleichen wohlgeformten Beine, nur die angeborene Grazie und unnachahmliche Eleganz ihrer Mutter besaß Kiara nicht.

Sie unterdrückte einen Seufzer. Vermutlich hatte sie als Einzige Einblicke ins tiefste Innere dieser starken Frau erhascht. Nur sie wusste, was Diana geopfert hatte, um ihrer Tochter die Hinterlassenschaft ihres Mannes zu erhalten.

Vier, fünf, sechs …

Nach dessen frühem Tod hatte Diana die Weinkellerei Frederick eher mit zäher Entschlossenheit als mit Fachwissen geleitet, sich die jetzige Marktgeltung mit eisernem Willen erkämpft. Während Kiaras Kindheit war ihre Mutter nur selten zu Hause gewesen. Die Erziehung ihrer Tochter hatte Diana ihrer Schwiegermutter überlassen. Doch für Kiaras Geschmack hatte ihre Mutter sich trotzdem viel zu oft in ihr Leben eingemischt.

Das galt natürlich auch für ihre Beziehung zu Azrin. Ihre Mutter lehnte rundweg ab, was er war und darstellte, wie sie sich ausdrückte. Dianas Meinung nach hätte Kiara ihren Jugendfreund, den netten Harry Thompson, heiraten sollen, dessen Familie ebenfalls seit Generationen Weinanbau im Barossa Valley betrieb. Er würde ihre Tochter so viel besser verstehen als Azrin, den Welten von ihr trennten.

Insgeheim fragte Kiara sich manchmal, ob ihre Mutter vielleicht recht hatte. Die Überlegung beunruhigte sie nun, da sie sich auf ihre Rolle als Königin vorbereiten musste, umso mehr. Azrin und sie hatten nie richtig über das Thema gesprochen. Irgendwie war es für sie beide immer eine Sache gewesen, die in ferner Zukunft lag.

Und nun stellte ihre Mutter ihr die kritische Frage, die sie sich selbst nicht zu stellen gewagt hatte.

Sieben, acht, neun …

„Warum sollte ich nicht dazu bereit sein, Mutter?“, fragte sie vorsichtig. Wie so oft bei Diana, hatte sie das ungute Gefühl, von vornherein verloren zu haben, fuhr jedoch betont sachlich fort: „Schließlich wusste ich, auf wen ich mich einließ, als ich Azrin geheiratet habe.“

Sie hatte es in der Tat vom ersten Moment an gewusst. Azrin war mächtig. Beinahe zu mächtig. Zu gefährlich. Zu überwältigend und entschieden zu rücksichtslos. Sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt, doch das änderte nichts daran, dass er einen Thron übernehmen musste.

Das hatte sie nie aus den Augen verloren.

Und Azrin?

„Vor fünf Jahren hast du einen Finanzmanager geheiratet, der zufällig der Sohn eines arabischen Herrschers war. Bisher wirkte er rundherum zufrieden damit, mit dir durch die Weltgeschichte zu reisen.“ Diana machte eine Pause. „Aber jetzt wird er König. Damit ändert sich alles. Oder etwa nicht?“

„Er wusste von Anfang an, dass er König werden würde.“ Um sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt sie war, lächelte Kiara heiter. „Und ich bin sicher, ein sehr guter.“

„Und was für eine Königin wirst du?“ Zweifelnd zog Diana die Brauen hoch. „Du weißt alles über Weine und Weinanbau, aber nicht das Geringste von höfischen Intrigen und Staatsinteressen.“

„Wirklich rührend, dein grenzenloses Vertrauen zu mir.“ Kiara stand auf. Sie hatte keine Lust, sich mit ihrer Mutter auseinanderzusetzen. Weil sie womöglich etwas über sich erfahren würde, das sie lieber nicht wissen wollte.

Diana zuckte die Schultern. „Hier geht es nicht um Vertrauen. Bei eurer Hochzeit habe ich mich ein wenig mit Königin Madihah unterhalten. Sie wurde von frühester Kindheit an dazu erzogen, dem König eine perfekte Ehefrau zu sein.“ Wieder zog Diana zweifelnd die Brauen hoch. Sie brauchte nicht weiterzusprechen, Kiara wusste auch so, was ihre Mutter ihr zu verstehen geben wollte.

Du eignest dich nicht zur Königin.

Das saß, denn es traf Kiaras eigene Befürchtungen. Mühsam beherrscht packte sie ihre Sachen zusammen.

„Ich habe keine Zeit für lange Diskussionen“, erwiderte sie betont ruhig. „Morgen Vormittag fliege ich nach Khatan. Gibt es sonst noch etwas zu besprechen?“ Ihr Lächeln fiel etwas gezwungen aus. „Ich meine, geschäftlich. Lassen wir meine Ehe beiseite, Mutter.“

„Ich möchte nur, dass du deine Situation realistisch siehst, Kiara.“ Zum ersten Mal seit Jahren zeigte Diana so etwas wie Gefühle.

Wie so oft bei ihrer Mutter, überfielen Kiara Gewissensbisse. Sie durfte nicht vergessen, wie viel sie Diana verdankte. „Darum geht es doch gar nicht“, wehrte sie gereizt ab. „Du willst mich beeinflussen. Ich soll tun, was du für richtig hältst.“

„Glaubst du, du bist die erste Frau auf diesem Planeten, die wegen einer Romanze die Bodenhaftung verliert?“ Diana stand ebenfalls auf und deutete mit einer ausladenden Handbewegung, die die Weinberge, das Schloss, die Familie, ihr ganzes Leben einbezog, aus dem Fenster. „Als ich deinem Vater begegnete, schwebte ich auf Wolke sieben. Auf die Wirklichkeit war ich nicht vorbereitet – darauf, dass ich kurze Zeit später ohne irgendwelche Vorkenntnisse die Leitung des Unternehmens übernehmen musste. Und noch weniger darauf, ein Kind allein aufzuziehen, nachdem dein Vater von uns gegangen war.“

Die ewige Litanei über Opfer, Verluste und Enttäuschungen. Kiara konnte sie nicht mehr hören. Sie wollte nicht daran erinnert werden, wie sehr sie es an Dank vermissen ließ. Wo doch ihre Mutter alles für sie getan hatte. Und immer noch tat.

„Das war damals“, wehrte sie ab. Mit der Vergangenheit wollte sie sich nicht mehr belasten. „Ich bin Azrins Frau. Und ich werde seine Königin, Mutter. Ob es dir gefällt oder nicht.“

Im Büro wurde es bedrückend still, dann seufzte Diana. „Ach, Kiara“, sagte sie in dem vertrauten resignierten Ton, bei dem Kiara das Herz schwer wurde. „Es geht doch gar nicht darum, was ich möchte.“

Azrin fand seine Frau auf der privaten Terrasse vor, die ihre Suiten im Palast von Arjat an-Nahr miteinander verband. Der kühne Bau thronte auf einer Steilklippe über der Stadt, deren jahrhundertealte, schlanke Minarette sich neben modernen, mächtigen Wolkenkratzern in den Himmel reckten.

Kiara hatte es sich auf einer Polsterliege bequem gemacht und blickte nachdenklich auf das tief unter ihr glitzernde Meer. Die Sonne war fast untergegangen und tauchte den Himmel am Horizont in ein glühend rotgoldenes Licht.

Wie schön, dass Kiara endlich wieder bei ihm war! Azrin stellte fest, dass es ihn glücklich machte, sie in Khatan und in seiner Nähe zu wissen. Schon viel zu lange hatte er sie nicht gesehen und bereits schmerzlich vermisst. Als er auf sie zu schlenderte, fielen die Belastungen des hinter ihm liegenden Tages von ihm ab. Vom Vormittag an hatte er nervenaufreibende Besprechungsrunden und Strategiesitzungen leiten müssen, und Kiara war sein erster Lichtblick an diesem anstrengenden Tag.

„Kiara! Wie schön, dass du da bist.“ Er begrüßte seine Frau mit einem Kuss und nahm auf dem Fußende ihrer Liege Platz. Über ihnen funkelten die ersten Sterne, und einen Moment lang waren sie einfach nur zwei Menschen, die sich nacheinander sehnten und die ganze Nacht vor sich hatten.

Dann setzte Kiara sich aufrecht, und Azrin nutzte die Gelegenheit, um ihre Beine auf seinen Schoß zu ziehen. Ihre schmalen Füße waren nackt, sie trug ein leichtes, luftiges Sommerkleid. Das Haar fiel ihr, noch feucht vom Duschen, offen über die Schultern und umrahmte ihr ungeschminktes Gesicht.

Sie war unglaublich schön. Doch Azrin wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich innerlich von ihm entfernt hatte.

„Wie waren deine Besprechungen?“, fragte sie sachlich. So sachlich, dass er auf der Hut war.

„Endlos“, erwiderte er ausweichend.

Er rief sich die Streitigkeiten mit den Ministern ins Gedächtnis, ihre Einwände, die Rückwärtsgewandtheit vieler Sitzungsteilnehmer … unter ihnen leider auch sein Vater. Und er hasste das unvermeidliche Gefeilsche, die Zugeständnisse die er machen, und die Probleme, die er bald allein lösen musste. Bereits jetzt empfand er das ständige Ringen um unausweichliche Veränderungen als zermürbend, und manchmal hatte er das Gefühl, als Einziger darum zu kämpfen. Dennoch musste er weitermachen.

Mit zweiundzwanzig, als er noch draufgängerisch und idealistisch gewesen war, hatte er seinem Volk den Fortschritt versprochen. Dieses Versprechen konnte er nicht zurücknehmen, weil alles viel schwerer war und so viel früher umgesetzt werden musste, als er geglaubt hatte.

Und plötzlich verhielt auch Kiara sich seltsam; beinahe so, als hätte er ihr etwas angetan. Dabei wollte er sich nur mit ihr austauschen, ihre Meinung hören, jemanden an seiner Seite haben, dem er vertrauen konnte. Vielleicht war es sogar gut, dass sie jetzt erst gekommen war. Ihnen blieben noch genug Gelegenheiten, um alles zu besprechen. Sie sollte sich nicht fremd fühlen in seinem Land.

„Langwierig und kompliziert“, setzte er hinzu.

„Von einem deiner Berater wurde ich gleich nach der Ankunft eingehend über alles unterrichtet, was mich hier erwartet“, sagte Kiara ruhig. „Über alles andere hat das Geschwader deiner Schwestern mich aufgeklärt, das du mir auf den Hals gehetzt hast.“ In ihren braunen Augen blitzte es rebellisch auf, während sie nervös ein Bein über das andere schlug. „Findest du, ich brauche Unterricht in höfischer Etikette? Habe ich dich vor aller Welt blamiert, ohne dass es mir bewusst war?“

Azrin kam sich vor wie auf einem Minenfeld. „Du kennst dich mit den Feinheiten der Diplomatie noch nicht aus“, versuchte er, sachlich zu argumentieren. Hatte er das nicht den ganzen Tag über getan? Dann war er inzwischen wohl wenigstens geübt darin. „Meine Schwestern sind bei Hof und auf dem diplomatischen Parkett groß geworden. Da liegt es doch auf der Hand, dass sie dir mit ihrem Erfahrungsschatz helfen können.“

Er versuchte, in Kiaras Miene zu lesen; suchte die fröhliche, erfrischende Kiara, die er kannte, in ihren Zügen. Vergebens. Sie musterte ihn vorwurfsvoll.

„Was war falsch an meinem bisherigen Verhalten?“ Herausfordernd zog sie die Brauen hoch. „Gibt es ein unsittliches Foto von mir, von dem ich nichts weiß? Einen peinlichen Zwischenfall, an den ich mich nicht erinnere?

„Natürlich nicht.“ Sie konnte nichts dafür, dass die amtierende Regierung seines Landes sich gegen Neuerungen sträubte. Dass er selbst nur wenig bewirken konnte – falls überhaupt. Es war nicht Kiaras Schuld, dass er gereizt und mit seiner Geduld am Ende war. „Aber du bist nicht mehr die Prinzessin, die in einem gewissen Rahmen tun und lassen konnte, was sie wollte. Als zukünftige Königin hast du Symbolfunktion für die Frauen von Khatan.“ Er lächelte schwach. „Natürlich will ich keinen Druck auf dich ausüben …“

„Keinen Druck“, wiederholte Kiara zögernd, als wollte sie sich das Wort einprägen. „Dennoch scheint mein Verhalten so viel zu wünschen übrig zu lassen, dass du deine Schwestern auf mich ansetzen musstest, sobald ich den Palast betrat. Ohne mich vorzuwarnen. Es war ein regelrechter Überfall.“

Azrin seufzte müde. Er war erschöpft, und nach den Strapazen der vergangenen Stunden hatte die Ankündigung seines Vaters ihm den Rest gegeben.

„Soll ich heute auch noch bei dir den Feuerlöscher spielen, Kiara?“, fragte er gereizt. „Entwickelst du dich zu einem weiteren Brand, den ich löschen muss?“

Unwillkürlich verkrampfte sie sich.

„Ich dachte, ich könnte mich mit meinem Mann unterhalten“, erwiderte sie gekränkt. „Mir war nicht klar, dass ich eine Audienz beim König habe.“

Kiara wollte die Beine von seinem Schoß schwenken, doch Azrin hielt ihre Fesseln fest. Einen Moment später besann er sich und gab sie frei. Schweigend beobachtete er, wie sie aufstand und sich etwas zu heftig einen unsichtbaren Fussel vom Kleid fegte. Dass sie ihn nicht ansah, tat weh. Er verwünschte die ganze unsägliche Situation, in der sie sich befanden, und dachte wehmütig an ihr Wiedersehen in Sydney.

Wie weit sie sich von der wunderbaren Vertrautheit miteinander entfernt hatten! Und wie schnell.

„Ich nehme an, wir müssen uns für irgendein Essen umziehen“, bemerkte Kiara leise.

Natürlich. Irgendein Essen stand immer an. Aber es nützte nichts, sich gegen das Unvermeidliche aufzulehnen. Vergebliche Mühe. Das war sein Leben.

Azrin konnte die Fremdheit zwischen ihnen kaum ertragen, schon gar nicht, nachdem Kiara nun endlich bei ihm war. Und bleiben würde. Er musste sich nicht mehr damit begnügen, ihre melodische Stimme am Telefon zu hören oder zwischen zwei Besprechungen ihre geistreichen E-Mails zu überfliegen. Spontan nahm er ihre Hand und zog Kiara an sich. Sie sperrte sich nicht, sah ihn nur ernst, fast besorgt an. Das ertrug er noch weniger.

Sanft hielt er sie umfangen. Danach hatte er sich gesehnt, seit sein Assistent ihn von ihrer Ankunft informiert hatte.

Er streichelte und liebkoste sie, mobilisierte sein gesamtes Verführungsarsenal. Zärtlich, immer verlangender küsste er sie, bis Kiara weich und nachgiebig wurde und sich ihm seufzend entgegendrängte. Es gab nur noch ihr Begehren, die erwachende Leidenschaft, der sie auf der Stelle nachgegeben hätten – unter anderen Umständen.

Doch sie hatten Verpflichtungen. Azrin hob Kiaras Kinn, sodass sie ihn ansehen musste. Ihr zartes Gesicht glühte vor Erregung.

„Ich brauche dich an meiner Seite“, murmelte er beschwörend. „Ich brauche deine Unterstützung, Kiara. Jetzt mehr denn je.“

Wieder sah sie ihn ungewohnt ernst an. Hatte er womöglich etwas Wichtiges nicht mitbekommen, das sie betraf? Azrin verbannte das ungute Gefühl. Sie war immer offen und direkt gewesen. Wenn es etwas gab, das er wissen musste, würde sie es ihm sagen.

Nun lächelte sie auf die Art, die ihn schon bezaubert hatte, als er ihr an dem regnerischen Nachmittag in Melbourne zum ersten Mal begegnet war – doch irgendwie wirkte sie distanzierter. Um uns her ist einfach zu viel los, dachte er. Wir stehen unter einem schrecklichen Erwartungsdruck.

Doch Kiara würde sich daran gewöhnen. Da war er zuversichtlich.

„Ich bin doch hier“, sagte sie ruhig.

Ja, das stimmte. Und doch … Aber es musste ihm fürs Erste genügen.

Buchstäblich über Nacht wurde Kiara zur öffentlichen Person. Von einem Tag auf den anderen hatte sie keine Privatsphäre mehr, da sie in wenigen Wochen Königin sein würde.

Und je mehr sie zum öffentlichen Eigentum wurde, desto mehr hatte sie das Gefühl, von der Last der Anforderungen erdrückt zu werden.

Dabei war Azrin noch nicht einmal König. Erst musste sein Vater offiziell abdanken.

Mit jedem weiteren Tag gaben Azrins Schwestern ihr deutlicher zu verstehen, wie wenig sie auf ihre Rolle als Königin vorbereitet war. Und die Nächte häuften sich, in denen Kiara wach lag und das Gefühl hatte, dass eine unsichtbare Hand sich immer enger um ihre Kehle schloss.

Am schlimmsten war, dass sie sich niemandem anvertrauen konnte.

Azrin war ständig müde oder in Gedanken woanders. Bis an seine Grenzen gestresst von der Bürde, die auf seinen Schultern liegt, dachte Kiara. Sie wollte nicht, dass er sie als zusätzliche Belastung empfand.

Außerdem wusste sie nicht recht, wie sie ihn auf das Thema ansprechen sollte.

Bisher war das nie ein Problem gewesen. Wie alle Paare, hatten sie sich gelegentlich gestritten, ihre Auseinandersetzungen aber auch immer schnell beilegen können und sich anschließend im Bett leidenschaftlich versöhnt.

Diesmal würde das nicht helfen. Kiara seufzte. Was sollte sie Azrin sagen? Du überforderst mich? Ich habe Angst davor, Königin zu werden? Vielleicht sollten wir einmal offen darüber reden?

Völlig indiskutabel!

Ihre Situation mit einer ihrer Freundinnen zu besprechen war auch nicht mehr möglich. Die Kontakte, die sie früher gehabt hatte, waren im Laufe der Jahre alle eingeschlafen, weil sie ihre knappe Freizeit lieber mit Azrin verbracht hatte, und so einfach ließen vernachlässigte Freundschaften sich nicht wiederbeleben. Wo hätte sie auch anfangen sollen? Und Firmenmitarbeiter, die sie schätzte, würden Andeutungen von Problemen möglicherweise an ihre Mutter weitertragen. Dann sähe Diana sich mit ihren Warnungen vor einer Ehe mit Azrin bestätigt.

Aber letztlich war Kiara zu stolz, sich jemandem anzuvertrauen.

Vielleicht wenn ihre Großmutter noch am Leben gewesen wäre … Mit einer Umarmung und den richtigen Worten hatte die lebenserfahrene alte Dame stets alles wieder ins Lot gebracht.

Ironie des Schicksals: Noch nie war Azrin ihr so fern gewesen, obwohl er ständig um sie war. Kiara hatte das Gefühl, von der Wucht einer unerbittlichen Brandung überrollt und verschluckt zu werden.

„Versuch, bald schwanger zu werden.“

König Zayed richtete den durchdringenden Blick seiner dunklen Augen auf seine australische Schwiegertochter.

Angespanntes Schweigen senkte sich über die lange Dinnertafel im prunkvollen Privatspeisesaal, an der sich die Mitglieder der Königsfamilie eingefunden hatten.

Alle Köpfe wandten sich zu Kiara um … für den Fall, dass sie nicht begriffen haben sollte, dass die Anweisung des alten Herrschers ihr galt.

Kiara wurde elend.

Sie spürte, wie Azrin, der neben ihr saß, sich anspannte. Er schwieg, obwohl sie hätte wetten können, dass auch er entsetzt war. Doch sie wagte nicht, ihn anzusehen, weil sie fürchtete, dass er womöglich die Beherrschung verlor.

„Das wäre ideal, Euer Majestät“, pflichtete ein hochrangiger Minister, der mit einer von Azrins Schwestern verheiratet war, dem König bei.

„Unser Volk wird begeistert sein zu hören, dass in der Herrscherfamilie ein Baby erwartet wird“, warf Königin Madihah heiter ein und lächelte Kiara zu. „Erst recht, wenn die junge Königin schwanger ist.“

Irgendwie schaffte Kiara es, die Gabel festzuhalten, die ihr zu entgleiten drohte. Ihre Wut auf den König war grenzenlos.

„Leider bin ich es nicht“, erwiderte sie beherrscht, als das Schweigen sich endlos zu dehnen drohte und Azrin keine Anstalten machte, sie in Schutz zu nehmen. Alle sahen sie bedeutsam an, und am liebsten wäre sie im Erdboden versunken.

Als sie Stunden später in ihre Gemächer zurückkehrten, bebte Kiara noch immer vor Zorn.

„Warum hast du keinen Ton gesagt?“, fragte sie Azrin anklagend.

Sie musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um ihren aufgestauten Frust nicht laut herauszuschreien.

„Was hätte ich sagen sollen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Noch ist er König. Und er wird immer mein Vater bleiben.“

„Aber es ist mein Körper.“ Fassungslos schüttelte Kiara den Kopf. Selbst jetzt noch fühlte sie die vorwurfsvollen Blicke der königlichen Tischrunde auf sich gerichtet. Und das bei einem Thema, das nur sie und Azrin anging! „Und über den bestimme ich allein.“

Für einen Augenblick sah Azrin sie auf eine Weise an, die sie an ihm nicht kannte. Der stählerne Ausdruck in seinen Augen beunruhigte sie.

„Nein“, sagte er endlich. Sie hatte den Eindruck, dass er seine Worte sehr sorgfältig wählte. Auch das tat weh. Es war, als wären sie einander in wenigen Wochen fremd geworden. „Nein, das tust du nicht.“

Sie musste sich verhört haben! „Was willst du damit sagen?“

„Du musst dem Königreich Khatan den ersehnten Erben schenken.“ Azrin blickte auf ihren Bauch, als sähe er dort im Geist bereits Babys, über die sie sich höchstens andeutungsweise unterhalten hatten. Nach dem Motto: Irgendwann, wenn wir dazu bereit sind.

Unwillkürlich schlang Kiara schützend die Arme um sich.

„Und je eher wir den Erben präsentieren, umso zufriedener wird das Volk sein“, fuhr Azrin fort. „Zumal nach dem Unmut, den mein Schwur, nur eine Frau zu heiraten, im Land erregt hat. Wobei du hoffentlich Söhne bekommen wirst. Denn nur ein Sohn kann die königliche Nachfolge antreten.“

Um ein Haar hätte Kiara laut gelacht. So etwas Vorsintflutliches konnte man ihr, ihnen beiden, ihrem gemeinsamen Leben doch unmöglich antun!

„Und bis es so weit ist, fürchte ich, bestimmst du nicht uneingeschränkt über deinen Körper“, sagte Azrin in ihre Gedanken hinein.

„Und das lässt du dir so einfach gefallen?“

„Es gehört zu unserem Leben, Kiara.“ Der erschöpfte Ausdruck in seinen Zügen ging Kiara ans Herz. Auf einmal kam sie sich kleinlich und selbstsüchtig vor.

Zu deinem Leben als König, dachte sie. Doch sie hütete sich, es auszusprechen.

Stumm ließ sie sich in einen Sessel sinken und blinzelte die aufsteigenden Tränen fort. Jetzt bloß nicht weinen. Sie fühlte sich auch so schon schrecklich genug.

„Und vielleicht hat mein Vater sogar recht“, sprach Azrin weiter. „Vielleicht sollten wir anfangen, über Kinder nachzudenken.“

Kiara brachte kein Wort hervor. Panik stieg in ihr auf, in ihrem Kopf dröhnte es.

„Spricht da mein Ehemann?“, flüsterte sie hilflos. „Oder der zukünftige König, der seiner Mutter recht gibt, weil er damit bei den Untertanen punkten kann?“

In Azrins Augen erschien ein eisiger Glanz. „Und wenn es beides wäre?“

Darauf wusste Kiara keine Antwort. Plötzlich kam ihr die Situation vollkommen unwirklich vor. Am liebsten hätte sie sich zusammengerollt und ihren Tränen freien Lauf gelassen. Aber was würde das nützen?

„Du sagtest, wir könnten mit dem Kinderkriegen warten, bis ich dazu bereit bin“, erinnerte sie ihn. „Du hast es mir sogar versprochen.“

„Sieh mich nicht so an, Kiara.“ Eine steile Falte erschien auf Azrins Stirn. „Wir sind jetzt fünf Jahre verheiratet. Und du weißt, dass ich dem Volk irgendwann einen Thronfolger präsentieren muss. Da ist es doch vernünftig, darüber zu sprechen, findest du nicht auch?“

„Dann besprich dich mit deinen Eltern und deinen Kabinettsmitgliedern!“, schleuderte sie ihm aufgebracht entgegen. „Lass mich wissen, was ihr beschlossen habt. Als gute Zuchtstute folge ich dann brav euren Befehlen.“

Kaum waren die Worte heraus, als sie sie auch schon bereute.

Azrins Züge wurden hart, er murmelte etwas auf Arabisch, das sie zusammenzucken ließ, obwohl sie kein Wort verstand. Dann drehte er sich um und verließ den Raum.

Erst als Kiara im Badezimmer Wasser rauschen hörte, wagte sie wieder zu atmen.

Im nächsten Moment schlug die Verzweiflung über ihr zusammen, und sie hielt es nicht mehr aus. Aufgewühlt sprang sie auf und ging ins Bad.

Azrin stand unter der Dusche, und im wabernden Dampf zeichnete sich seine athletische Gestalt schemenhaft hinter der gläsernen Trennwand ab. Als Kiara die Tür der Duschkabine öffnete, wandte er sich zu ihr um.

Wie jedes Mal bei seinem Anblick, stockte ihr der Atem.

„Ich bin nicht dein Feind“, erklärte er ihr gequält. „Warum legst du es darauf an, mich zu bekämpfen?“

Kiara wollte keine Aussprache. Was hätte sie auch sagen sollen? Was immer sie antwortete, es würde nur ihnen beiden wehtun.

Stattdessen trat sie voll bekleidet zu Azrin unter die Dusche. In kürzester Zeit hatte der warme Wasserstrahl sie durchnässt, doch Kiara war es egal. Sie sank auf die Knie, umfasste Azrins muskulöse Schenkel, bedeckte seinen Bauch mit Küssen und glitt mit ihrem Mund tiefer.

Langsam, dann immer hemmungsloser, jagte sie ihren Mann in ungeahnte Höhen der Lust … und ließ sie beide alle Probleme vergessen.

Zumindest für eine kurze Zeit.

Es war die Nacht vor der Thronbesteigung, dennoch kamen sie kaum zum Schlafen.

Sie liebten sich wie Besessene, keiner von ihnen sprach von dem Streit oder von ihrer Verzweiflung. Stattdessen katapultierten sie einander mit unerschöpflicher Leidenschaft in die gewagtesten Sphären der Ekstase.

Fast war es zwischen ihnen wieder wie vor der brutalen Forderung des alten Königs, und am liebsten hätte Kiara alles, was mit dem nächsten Tag unerbittlich auf sie zukam, in weite Ferne gescheucht.

Doch irgendwann brach der Morgen an.

Eine riesige Menschenmenge erwartete Azrin. Monarchen und Präsidenten, Emire und Premierminister und natürlich sein eigenes jubelndes Volk wollten dem neuen König von Khatan ihre Huldigungen darbringen. Traditionsgemäß würde Kiara sich bei der Zeremonie einen Schritt hinter ihm halten, den Kopf neigen und eine Krone aufgesetzt bekommen, durch die sie zur Königin wurde.

Als sie ihre Suite verließen, fragte sie sich, ob Azrin ihr je wieder ganz gehören würde. Aber hatte er ihr überhaupt jemals gehört? Oder waren die Jahre mit ihm nur geborgte Zeit gewesen?

Tapfer verdrängte Kiara die beunruhigenden Gedanken und rang sich ein Lächeln ab. Für Azrin.

Alles, was jetzt kam, tat sie nur ihm zuliebe. Dabei hatte er vermutlich keine Ahnung, wie schwer ihr das fiel. Wie sehr sie befürchtete, sich den Belangen der Krone und denen seines Land opfern zu müssen.

Noch bedrückender war der Verdacht, dass Azrin es gar nicht wissen wollte.

„Wir sollten uns beeilen“, mahnte er sie. Seine Stimme klang fast mürrisch, und ein düsterer Ausdruck stand in seinen hellen Augen. Kiara seufzte unhörbar. Warum konnten sie nicht ganz normale Durchschnittsmenschen sein? Wenigstens an diesem Tag. „Wir müssen noch das Krönungsornat anlegen, ehe wir unsere Positionen einnehmen – wie Figuren auf dem Schachbrett.“

Lächelnd strich Kiara ihrem Mann über die breite Brust und sah ihn an. Und zum ersten Mal seit Langem war ihr Lächeln echt. Sie wollte nicht an die endlosen Etikette-Lektionen seiner Schwestern denken, die ihr unmissverständlich klargemacht hatten, dass sie nie die Königin werden würde, die Azrin brauchte. Und sie wollte auch nicht daran denken, wie fremd sie einander geworden waren. Sie wollte Azrin einfach nur lieben. Mehr nicht.

„Wenn wir das nächste Mal allein sind, bist du König“, sagte sie leise.

Sie hatte nicht gesagt: mein König.

„Und dein Ehemann. Nicht mehr und nicht weniger.“ Er küsste sie sanft auf die Schläfe.

Wie gern wollte sie ihm glauben!

Wehmütig dachte Kiara an die wunderbare Vergangenheit. Und ihre ungewisse Zukunft …

4. KAPITEL

Zwei Monate nach der prunkvollen Krönung statteten König Azrin und seine Gemahlin den Vereinigten Staaten einen Staatsbesuch ab.

Das neu gekrönte Herrscherpaar von Khatan nahm eine Einladung der Regierung wahr und führte diplomatische Gespräche mit den Verbündeten. Am Nachmittag hatte Azrin mit dem Präsidenten über die geplante Verfassungsänderung gesprochen, durch die das Königreich Khatan eine konstitutionelle Monarchie werden sollte, am Abend würden er und Kiara ein Galadiner besuchen. Washington war die letzte Etappe ihrer politischen Rundreise. Am nächsten Morgen würden sie endlich nach Khatan zurückfliegen.

Azrin konnte es kaum erwarten.

„Du siehst hinreißend aus“, flüsterte er Kiara zu, als sie über den roten Teppich schritten. Sie lächelte, ohne ihm das Gesicht zuzuwenden.

Irritiert kniff er die Augen zusammen. Er sehnte sich danach, endlich wieder ein wenig Privatleben zu haben und mit Kiara allein zu sein. Stattdessen war er Tag und Nacht von Leuten umgeben, die ihn mit Staatsgeschäften in Atem hielten. Dabei wünschte er sich nichts mehr, als Kiara wieder einmal zu lieben, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, ob die Wände zu dünn oder die königlichen Sicherheitsbeamten in der Nähe waren. Oder jeden Moment wegen einer Krise oder kritischer Nachrichten abberufen zu werden.

Im dunkelroten Abendkleid, das kunstvoll aufgesteckte Haar mit funkelnden Diamanten geschmückt, schritt Kiara an der endlosen Reihe der versammelten Gäste entlang und begrüßte jeden von ihnen mit einer so natürlichen Anmut und Würde, als habe sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Als sie höflich über die Bemerkung eines hochrangigen Diplomaten lächelte, wurde Azrin bewusst, wie lange er ihr melodisches, ansteckendes Lachen nicht mehr gehört hatte, das ihn für ihn stets wie Lebenselixir gewesen war.

Das musste anders werden. Seit Monaten fraßen ihre Verpflichtungen sie förmlich auf. Nie hatten sie richtig Zeit füreinander.

Sobald es das Protokoll erlaubte, entführte er Kiara auf die Tanzfläche und zog sie in seine Arme. Dankbar schmiegte sie sich an ihn und passte sich seiner Führung an. Azrin musterte sie forschend. Das war seine Königin. Elegant. Graziös. Vollkommen. Aber nicht seine Kiara.

„Erinnerst du dich an das Wochenende in Barcelona?“

Bei seiner Frage blinzelte sie überrascht und zögerte. Vermutlich, um nichts Falsches zu sagen. Eigentlich hätte er stolz auf sie sein müssen, weil ihr Auftreten so diskret und diplomatisch geworden war. Hatten seine Schwestern sie nicht deshalb wochenlang auf ihre Rolle vorbereitet? Trotzdem wurde Azrin das ungute Gefühl nicht los, dass es zwischen seiner Frau und ihm kaum noch Spontaneität oder wirkliche Nähe gab.

„Welches Wochenende?“ Sie klang viel zu höflich. Als wäre er einer der Würdenträger, die sie so mühelos bezaubert hatte, und nicht die Kiara, die er kannte. „Im Laufe der Jahre waren wir oft dort.“

„Du weißt, welches Wochenende ich meine.“ Er konnte sie nicht so eng an sich ziehen, wie er es gern getan hätte. Und er wusste selbst nicht, wieso ihre Höflichkeit ihn auf einmal störte. „Ich helfe dir auf die Sprünge. Wir hatten zu viel Sangria getrunken, haben stundenlang getanzt und waren mit Abstand das jüngste Paar dort.“ Nun zog er sie doch enger an sich, als die Etikette es vorsah. „Ich weiß, dass du die beiden Tage ebenso wenig vergessen hast wie ich.“

Wie gut er sich an ihr Lachen erinnerte! Übermütig und glücklich hatte es geklungen. Erst gegen Morgen waren sie zum Hotel zurückgeschlendert, und Kiara hatte ihre hochhackigen Schuhe ausgezogen und in der Hand getragen. Bei der Erinnerung musste Azrin lächeln.

Jetzt sah sie ihn so ernst an, dass sein Lächeln erstarb.

„Ja, ich erinnere mich.“ Ihre Stimme klang seltsam neutral.

„Was ist?“ Er runzelte besorgt die Stirn. „Was hast du?“

Abwehrend schüttelte sie den Kopf. „Die Tanzfläche ist nicht der richtige Ort, um über Probleme zu reden.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. Ein nichtssagendes, einstudiertes Lächeln, dachte Azrin. Aber was sollte er tun? Er war der König von Khatan. Nicht einmal küssen konnte er seine Frau in der Öffentlichkeit, ohne Befremden auszulösen.

Wie er die ganze Situation hasste!

Er ließ Kiara nicht aus den Augen, und auf einmal hatte er das Gefühl, sie schon lange nicht mehr richtig wahrzunehmen. Dabei waren sie seit Wochen ununterbrochen zusammen! Aber trotz ihres perfekten Make-ups wirkte Kiara unnatürlich blass und müde.

„Fühlst du dich nicht wohl, Kiara?“

Azrin schloss die Eingangstür der zweigeschossigen Präsidentensuite, die sie während ihres Aufenthaltes in Washington in einem exklusiven Hotel in Georgetown bewohnten.

Kiara blieb mitten in dem im Art-decó-Stil eingerichteten Wohnzimmer stehen und drehte sich langsam zu ihm um. Der seidige Stoff ihres Kleides raschelte leise. Azrin beobachtete sie. Zum ersten Mal seit Wochen versuchte er herauszufinden, was in ihr vorging.

Kiara zögerte kurz. „Nein. Ich fühle mich gut.“

„Bist du schwanger?“ Azrin wusste selbst nicht genau, warum er sie das fragte, doch ihm entging nicht, dass sie schluckte. Sie presste die Lippen zusammen, und in ihren Augen blitzte es aufsässig auf. Selbst das war besser als ihre maskenhafte Gleichmut.

„Nein. Immer noch nicht – falls du die Neuigkeit an die Medien weitergeben möchtest.“

„Wenn etwas nicht in Ordnung ist …“ Ihm wurde bewusst, wie ungeduldig er klang.

„Was sollte nicht in Ordnung sein?“ Ihre Augen glänzten unnatürlich. Sie wandte sich ab und blickte auf die Terrasse hinaus, die sich über die gesamte Breite der Glasfensterfront hinzog und einen großzügigen Blick über die Dächer von Georgetown bot. „Überall bist du unglaublich erfolgreich. Man feiert dich als innovativen, modernen Politiker, der die unruhige Region endlich stabilisieren wird. Als in jeder Hinsicht würdigen Nachfolger deines Vaters. Alles hat sich so entwickelt, wie du es wolltest und erhofft hattest.“

„Kiara.“

Er hätte nicht sagen können, was er hören wollte. Und als Erfolgspolitiker sah er sich schon gar nicht. Es schmerzte, dass sie sich abwandte, sich vor ihm verschloss und ihm immer fremder wurde. Auf einmal hielt er es nicht mehr aus.

„Was könntest du dir mehr wünschen?“, flüsterte sie. Von mir, schien sie im Stillen hinzuzusetzen.

Azrin trat hinter sie und drehte sie zu sich um. Sie ließ es geschehen. Er nahm sie in die Arme. Seine Kiara. Er war verrückt nach ihr. „Ich kann nie genug von dir bekommen.“

Fast verzweifelt begann er sie zu küssen, und sie ließ sich von seiner Leidenschaft mitreißen, zog ihm ungeduldig Jackett und Hemd aus, und er befreite sie von der störenden Kleidung. Dann sanken sie auf das riesige Sofa.

Unglaublich, wie wunderbar sie zueinander passten! Wie Kiara sich ihm entgegendrängte, ihn auf ihre ganz besondere Weise berauschte, bis er endgültig die Kontrolle verlor. Seine Kiara. Er küsste sie wie ein Verhungernder. Sie gehörte ihm allein.

Unvermittelt unterbrach er den Kuss, strich ihr das Haar aus dem Gesicht und wartete, bis sie ihn ansah.

„Sag mir, was mit dir ist, Kiara.“

Statt zu antworten, bog sie sich ihm entgegen. „Ich habe es dir doch schon tausend Mal gesagt“, brachte sie atemlos hervor. „Du musst lernen, mir zuzuhören.“

Das werde ich tun, schwor er sich. Doch heute Nacht würde er sie lieben, sie an den Rand des Wahnsinns bringen und schließlich über die Klippe treiben.

Wieder und wieder.

Bis nichts anderes mehr wichtig war.

Als Azrin erwachte, war Kiara bereits aufgestanden.

Verschlafen schlüpfte er in seine Hosen und ging in den weitläufigen Salonbereich der Suite. In einem eleganten Tageskleid stand Kiara am Fenster und hielt einen Becher Kaffee in den Händen. Sie blickte so angespannt nach draußen, als fänden sich auf den Häuserdächern von Georgetown die Lösungen für alle Probleme der Welt.

„Unser Flug geht erst in einigen Stunden, Kiara.“ Nach der viel zu kurzen Nacht klang seine Stimme rau. Azrin war froh, dass sie die Tour um die halbe Welt endlich hinter sich hatten und den Morgen genießen konnten. Heute Vormittag warteten weder Berater noch Pflichten auf ihn.

Zärtlich küsste er sie auf den Nacken. „Komm wieder ins Bett.“

„Nein“, erwiderte sie leise, seltsam heiser. „Ich fliege nicht mit dir nach Khatan zurück.“

Spielerisch nahm er ihr den Becher aus der Hand, trank einige Schlucke Kaffee und reichte ihn ihr zurück. „Wohin willst du stattdessen?“

Kiara setzte sich auf den Couchtisch und sah ihn mit ausdrucksloser Miene an. „Nach Australien.“

Unwillkürlich strich er sich über die Bartstoppeln. In Gedanken war er bereits im Bad. Als Erstes musste er duschen. Das heiße Wasser würde ihn wunderbar entspannen. Nach der Wahnsinnsnacht wollte er im Moment an nichts Wichtiges denken, lediglich ein ganz normaler Mann sein. Für ein paar Stunden endlich einmal nicht König …

Er machte sich auf den Weg ins Bad. „Willst du deine Mutter besuchen?“, fragte er über die Schulter. „Wann kommst du wieder nach Khatan?“

Kiara antwortete nicht. Verwundert drehte Azrin sich zu ihr um. In ihrem Blick stand ein eigentümlicher Ausdruck. Resignation? Trauer? Aber auch so etwas wie Trotz.

Auf einmal war er hellwach. „Was hast du?“

„Genau darum geht es, Azrin“, erwiderte sie leise. „Ich weiß nicht, ob ich zu dir zurückkomme.“

Im ersten Moment stand Azrin wie versteinert da. Was hatte sie gesagt?

„Ich brauche Zeit, um nachzudenken“, fuhr sie fort.

Kiara wusste selbst nicht, ob ihr Entschluss zu gehen oder die Verzweiflung über ihre ausweglose Situation sie frühmorgens aus dem Bett getrieben hatte. Aber seitdem wartete sie auf Azrin. Es wurde Zeit, ihm endlich reinen Wein einzuschenken. Seit Wochen quälte sie sich mit ihrer Entscheidung herum.

Sie atmete tief durch, schloss die Augen und zwang sich, es auszusprechen. „Ich möchte die Scheidung, Azrin.“

Ein Herzschlag. Noch einer. Die Brust drohte ihr zu zerspringen.

„Was sagst du da?“

Sie blickte ihn an. Azrin sah atemberaubend aus mit dem dunklen, schlafzerwühlten Haar, dem unrasierten Gesicht und der Hose, die ihm tief auf den Hüften saß, doch sein Ton war so eisig, dass es ihr das Herz zerriss. Er erinnerte sie daran, wie rücksichtslos und gefährlich ihr Mann sein konnte.

„Ich muss mich verhört haben“, setzte er schroff hinzu.

Er kam nicht näher. Angespannt, starr stand er da – die Verkörperung männlicher Kompromisslosigkeit. In diesem Moment wurde Kiara bewusst, dass sie ihn immer begehren würde, ganz gleich, wie unglücklich sie war.

„Willst du es mir nicht wenigstens erklären?“, fragte er ungeduldig. „Soll ich raten, wie viel Zeit du brauchst? Warum du dich scheiden lassen willst? Oder glaubst du, ich würde dich kampflos nach Australien zurückkehren lassen?“

„Ich bin nicht glücklich mit dir“, brachte Kiara mühsam hervor.

Musste sie sich nach diesem Geständnis nicht schrecklich fühlen? Oder erleichtert, weil es endlich heraus war? Hätte sie sich vor fünf Jahren in Melbourne nur nicht zu ihm gesetzt! Schon damals hatte sie sich vor dem gefürchtet, was jetzt eingetreten war.

„Bist du dir sicher, Kiara?“ Sein Ton klang fast drohend. „Letzte Nacht, in meinen Armen, warst du glücklich. Und erfüllt. So oft, dass ich nicht mehr mitgezählt habe.“

Wut und Verzweiflung kämpften in ihr, dennoch schaffte sie es, die Schultern zu straffen und die entscheidenden Worte auszusprechen.

„Ja“, gab sie unumwunden zu. „Aber um das, was wir im Bett miteinander teilen, geht es hier nicht.“

Beschwörend spreizte er die Hände und wirkte fast wie ein Bittender. Dennoch konnte nichts darüber hinwegtäuschen, was er war: Ein Herrscher, der selbst mit dieser Geste Macht über sie ausübte.

„Wieso sagst du nicht einfach, worum es dir geht?“, schlug er ihr etwas beherrschter vor. „Du bist es, die sich scheiden lassen will.“ Er spie das Wort förmlich aus.

„In den letzten drei Monaten bin ich ständig einen Schritt hinter dir hergelaufen“, erklärte sie so sachlich, als würde sie einen Geschäftsbericht vortragen. „Erst der höfische Drill deiner Schwestern. Dann die öffentlichen Auftritte. Lächeln, lächeln, immer nur lächeln. Stets musste ich würdevoll, stumm und höflich sein. Nie durfte ich eine Meinung äußern, außer vielleicht über Blumen, Dekorationen, das Wetter. Dieses Leben ist nichts für mich.“

Azrin zuckte die Schultern und sah sie durchdringend an. „Es ist dein Job.“

„Nein, es ist dein Job“, hielt Kiara dagegen. „Wie du sehr wohl weißt, habe ich einen eigenen Job. Und der umfasst weit mehr, als ein bloßes Sprachrohr für längst feststehende Entscheidungen und Meinungen zu sein. Eine hirnlose Marionette. Oder besser gesagt, eine Gebärmaschine, über die dein ganzes Land entscheidet. Mein Beruf erfordert Intelligenz, Sachverstand und aktiven persönlichen Einsatz.“

Der Ausdruck in Azrins Augen war Furcht einflößend. Dennoch blickte Kiara nicht fort. Sie wusste, sie kämpfte den Kampf ihres Lebens. Die Erkenntnis hatte ihr in den letzten Wochen so viel Angst gemacht, dass sie stumm geworden war, aus Furcht, dass ihr im unpassendsten Moment etwas herausrutschen und sie beide vor aller Welt unmöglich machen würde.

„Ich fasse es nicht. Glaubst du allen Ernstes, die Königin von Khatan kann ganz nebenbei auch noch Geschäftsführerin einer Firma im Ausland sein?“, hielt Azrin ihr ironisch vor.

Azrins verständnislose Reaktion bewies Kiara, dass er sie nicht ernst nahm. Für ihn war sie nur einer von den täglich aufflackernden Bränden, die er löschen musste. So schmerzlich die Erkenntnis war, sie zeigte ihr, dass sie den letzten, entscheidenden Schritt tun musste.

„Ich halte das nicht für den wahren Grund deiner Rebellion“, fuhr Azrin unerbittlich fort. „Du bist verletzt, fühlst dich vernachlässigt, weil ich mich dir wegen meiner Verpflichtungen nicht genug widmen konnte. Daher der Aufstand.“

„Ich habe vor fünf Jahren nicht geahnt, auf was ich mich einließ.“ Es kostete Kiara Mühe, ruhig zu bleiben. „Und es ist kein Aufstand, wenn ich diese Dinge ausspreche. Du tust meine Reaktion als kindische Trotzhaltung ab, um dich mit meinen Problemen nicht auseinandersetzen zu müssen.“

„Du hast mich als Kronprinz von Khatan kennengelernt.“ Azrins Miene wurde eisig. „Und genau darauf hast du dich eingelassen. Auf den Job als Königin.“ Er lachte nachsichtig. „Für dich mag manches unerwartet gekommen sein, aber so ist das Leben. Nicht alles läuft nach Plan. Manchmal bleibt einem nichts anderes übrig, als einfach seine Pflicht zu tun.“

„Du sprichst von deinem Leben.“ Kiaras Brust fühlte sich wie zugeschnürt an. Jetzt bloß nicht weinen. Nicht vor Azrin. Schon gar nicht, wo alles davon abhing, dass er sie ernst nahm. Ihr zuhörte. „Deinen Pflichten. Und was ist mit meinem Leben?“

„Was soll damit sein?“ Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Mein Leben ist dein Leben, Kiara. In den letzten fünf Jahren haben wir uns amüsiert und unsere Träume gelebt. Das hier ist die Wirklichkeit. Und je eher du dich damit abfindest, umso besser wirst du dich fühlen.“

Es war also so weit! Hatte sie nicht gewusst, dass es so kommen würde? Hatte sie deshalb so aufsässig auf den Druck reagiert, einen Erben zu liefern?

„War die Ehe, die wir geführt haben, für dich nur ein amüsantes Spiel?“, fragte sie anklagend. „Für mich nicht. Ich habe Pflichten wahrgenommen und Verantwortung getragen und tue es immer noch. Von mir hängen Menschen ab …“

„Bei mir geht es um ein Königreich“, hielt Azrin ihr schneidend vor. „Um eine Regierung. Ein Land. Ein ganzes Volk. Du redest von Trauben.“

Ihr war, als hätte er sie geschlagen. Sein abschätziger Ton, der Ausdruck in seinen Augen bewiesen ihr, dass er nur so getan hatte, als würde er sie verstehen. Ihre ganze Beziehung war eine Lüge. Kiara fühlte sich leer und ausgehöhlt.

Doch davon durfte sie sich nicht umwerfen lassen.

„Nein.“ Erstaunlich, dass sie so ruhig sprechen konnte. So ungerührt und stolz. Als würde ihr nicht gerade das Herz brechen. „Du denkst an deine Familie. Und ich an meine.“

Azrin antwortete nicht sofort. Das Schweigen zwischen ihnen wurde unerträglich. Es spülte all die Dinge an die Oberfläche, die er nicht hatte aussprechen wollen. Kiaras gleichmütiger Ton traf ihn, machte ihn wütend. Er musste an sich halten, um nicht zu brüllen.

„Was willst du, Kiara?“, fragte er, als er wieder normal sprechen konnte. „Was soll jetzt werden? Wie stellst du dir das Ganze vor? Ich bin der König von Khatan. Und du die Königin. Daran lässt sich nichts ändern, ganz gleich, wo du dich verstecken möchtest.“

„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie erschreckend ruhig.

Azrin entging nicht, dass sie die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt hatte. Sie war keineswegs so gefasst, wie sie tat. „Glaubst du allen Ernstes, das Volk würde sich mit dem plötzlichen Wohnsitzwechsel seiner Königin nach Australien abfinden?“ Waren sie sich so fremd geworden? War das die Frau, die ihn seit Jahren verzauberte? Die er immer noch begehrte, obwohl er wütend auf sie war und nicht wusste, wohin diese Wut führen sollte? „Oder willst du einen Skandal heraufbeschwören?“

„Ich weiß es nicht“, wiederholte Kiara nur.

Autor

Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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