Romana Gold Band 37

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OASE DER SEHNSUCHT von HART, JESSICA
Claire weiß, dass Max in ihr nur das High-Society-Girl sieht, doch als sie sich in einer Oase unter tausend Sternen das erste Mal lieben ist all das vergessen und er bittet sie zu bleiben. Aber schon am nächsten Tag muss Claire zurück nach London. Wird Max bei ihrer Rückkehr noch auf sie warten?

DER KUSS DES PRINZEN von KENDRICK, SHARON
Noch nie hat ein Mann so um Rose geworben wie Prinz Khalim von Maraban. Obwohl Rose seit dem ersten Augenblick weiß, dass er der Mann ihrer Träume ist, zeigt sie ihm die kalte Schulter. Denn Rose weiß, sie kann nur seine Geliebte werden - eine Heirat ist völlig ausgeschlossen …

DER GOLDENE PALAST von FAITH, BARBARA
Catherine ist völlig verzückt vom bunten Treiben des Bazars in Marrakesch, bis die Situation plötzlich gefährlich wird. Tamar Fallah Haj, Prinz von El Agadir rettet sie in letzter Sekunde und er verspricht ihr, sie zu beschützen und ihr sein exotisches Land zu zeigen - und noch mehr …


  • Erscheinungstag 17.02.2017
  • Bandnummer 37
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743635
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jessica Hart, Sharon Kendrick, Barbara Faith

ROMANA GOLD BAND 37

1. KAPITEL

„Max Falconer? Sie haben Glück. Er steht da drüben.“

Claire erblickte einen schlanken Mann in staubiger Kleidung, der gerade Ausrüstungsgegenstände aus einem Pick-up lud. Er nahm gerade seinen Hut ab und wischte sich über die Stirn, woraus Claire entnahm, dass es ihm genauso heiß war wie ihr.

Sie blickte ihn zweifelnd an. Max Falconer wird Ihnen helfen, hatten alle gesagt. Es gibt keinen besseren Führer. Max kennt das Plateau so gut wie jeder Tuareg.

Claire war fasziniert von der Geschichte über den Engländer, der in der Wüste wohnte, und insgeheim hatte sie eine strahlende, romantische Figur erwartet, aber als sie ihn nun betrachtete, war sie enttäuscht. Dieser Mann war überhaupt nicht romantisch. Er sah nur müde und übellaunig aus.

„Ist er das bestimmt?“, fragte sie den jungen Ingenieur, der stehen geblieben war, um ihr zu helfen.

Er lächelte. „Daran besteht kein Zweifel. Es gibt nur einen Max Falconer.“

Claire unterdrückte ein Seufzen. Sie hatte sich ihre Reise ganz anders vorgestellt. In der Stadt gab es keine verfügbaren Führer, aber als man ihr von dem englischen Geologen erzählt hatte, hatte sie wieder Hoffnung geschöpft. Einen freundlichen, englisch sprechenden Reisebegleiter zu haben, wäre viel besser, besonders wenn er so interessant war, wie man ihn schilderte. Jetzt war sie jedoch gar nicht mehr beeindruckt. Der Mann vermittelte einen zurückhaltenden Eindruck, und obwohl sie zugeben musste, dass er durchaus sachkundig wirkte, sah er nicht besonders freundlich aus. Er hatte ganz gewöhnliches braunes Haar, und das, was sie von seinem Gesicht sah, wirkte sehr beherrscht.

Ich kann es mir nicht leisten, wählerisch zu sein, erinnerte sie sich. Sie musste auf dieses Plateau steigen, und wenn Max Falconer der Einzige war, der sie dort hinbringen könnte, dann musste sie sich wohl oder übel mit ihm abfinden.

Sie straffte die Schultern, bedankte sich lächelnd und ging über den sandigen Schotterweg zu Max hinüber.

Obwohl sie einen frischen Eindruck machte, fühlte sich Claire alles andere als gelassen. Die Hitze war drückend, und das gleißende Sonnenlicht schien um sie herum zu flirren. Zum soundsovielten Mal wünschte sie sich, zuhause im verregneten Londoner Frühling zu sein. Man hatte ihr erzählt, Max Falconer sei schon seit Jahren in Shofrar, er habe sich entschieden, hier zu leben. Claire konnte sich nicht vorstellen, dass jemand in diesem Land, einem braunen, sandigen Glutofen, wohnen wollte. So weit sie es ermessen konnte, gab es hier nichts als ein paar Felsen, eine chaotische Bürokratie und eine unendlich weite, nichts sagende Wüste.

Claire ging den staubigen Weg entlang, bis sie feststellte, dass er sich aufgerichtet hatte und beobachtete, wie sie auf ihn zukam. Ihre Blicke trafen sich in der Hitze, und sie stolperte.

Sie war von den überaus hellen und eisigen Augen in seinem gebräunten Gesicht derart überrascht, dass sie sich zwingen musste, weiterzugehen. Sie hätte nicht sagen können, welche Farbe sie hatten. Sie wusste nur, dass sie so kalt und entmutigend gleichgültig wirkten, dass ihr Herz fast stehen blieb.

Max drehte sich wieder zum Pick-up um und wandte seinen frostigen Blick von ihr ab, und Claire atmete tief durch. Sie bemerkte, wie verunsichert sie war. Irgendetwas in seinen Augen zwang sie dazu, sich ein neues Bild von ihm zu machen. Die Strenge, die sie aus der Entfernung bemerkt hatte, verbarg eine unterdrückte Kraft, die jeden Augenblick ausbrechen konnte. Er war nicht nur irgendein Geologe. Dieser Mann war zäh und äußerst beeindruckend.

Sie hatte sich jedoch nicht in seiner schlechten Laune getäuscht. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem grimmigen Zug um den Mund sah er sie kurz an und fuhr gleich damit fort, den Pick-up abzuladen, wodurch Claire noch gereizter wurde.

„Sind Sie Max Falconer?“ Claire wunderte sich, wie hart ihre Stimme klang. Der unerwartete Anblick seiner Augen hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.

Max hob eine verbeulte Metallkiste aus dem Wagen und stellte sie vorsichtig auf den Boden, bevor er antwortete. „Ich nehme an, Chris hat Ihnen gerade gesagt, wer ich bin, sonst hätte er nicht auf mich gezeigt.“ Es war seltsam, dass eine so tiefe und volle Stimme so kühl klingen konnte. „Warum fragen Sie ihn überhaupt, wenn Sie ihm sowieso nicht glauben?“

„Warum sagen Sie nicht einfach ja oder nein?“, erwiderte Claire gereizt. Sie hatte einen anstrengenden Tag gehabt. Ihr war heiß, sie war müde und hatte es satt, in Menesset herumzulaufen, um schließlich einen Mann zu finden, der sich als derart unangenehm erwies. Musste sie ihn doch nur nicht um einen Gefallen bitten!

Sie holte tief Luft, nahm ihre Sonnenbrille ab, damit er sah, mit wem er sprach, und bemühte sich, einen freundlichen Ton anzuschlagen. „Ich heiße Claire Kingswood.“ Obwohl sie von der Sonne geblendet wurde, sah sie wie er ihr einen durchdringenden Blick zuwarf, bevor er sich wieder dem staubigen Pick-up zuwandte. Ihr war so, als würde sie sich an etwas erinnern, aber sie verwarf den Gedanken sogleich. Einen Menschen, der so grob war wie Max Falconer, hätte sie bestimmt nicht vergessen! Er stapelte seine Kisten, als wäre sie gar nicht da! Er hatte nicht einmal auf ihre Vorstellung reagiert.

„Ich habe da ein kleines Problem“, sagte sie schließlich. „Man hat mir gesagt, Sie seinen der Einzige, der mir helfen kann.“

Max hob die letzte Kiste aus dem Wagen und schlug die Heckklappe zu. Er wischte sich die Hände an der khakifarbenen Hose ab und sah Claire endlich an. „Wer ist man?“ Jetzt bemerkte sie, dass seine Augen eine blasse grün-graue Farbe hatten, die durch die dunklen tiefschwarzen Wimpern noch heller wirkte.

„Ungefähr jeder, mit dem ich gesprochen habe seit ich gestern in Shofrar angekommen bin“, sagte Claire, die sich zwang, ihre Gedanken von diesen Augen abzuwenden und an ihr Problem zu denken. Sie erinnerte sich gequält an das frustrierende Gerenne in Menesset, an das endlose Kopfschütteln und an den Rat: finden Sie Max Falconer. Jetzt hatte sie ihn gefunden, und plötzlich schien es gar nicht mehr leicht, ihre Bitte vorzutragen.

Sie zögerte einen Augenblick, dann deutete sie auf das große, steile Plateau, das sich in der Ferne von der flachen Wüste emporragte. Vom Lager aus gesehen, das am Rand von Menesset lag, wirkte es aus wie ein riesiger Tafelberg, aber sie wusste, dass sich diese Felsen, die im Laufe der Jahrhunderte zu einer unheimlichen Mondlandschaft verwittert waren, über hunderte von Kilometern erstreckten. Das Plateau war so weit von der Zivilisation entfernt, wie man sich nur vorstellen konnte, und Claire schauderte es bei diesem Gedanken, aber sie musste dorthin. „Ich brauche einen Führer, der mich da hinbringt“, sagte sie.

„Es gibt viele Führer in Menesset“, sagte Max alles andere als hilfsbereit.

„Eben nicht.“ Claires Haar sah aus wie dunkles, glänzendes Gold und fiel in sanften Wellen bis zu ihrem Kinn. Jetzt strich sie es sich enttäuscht aus dem Gesicht. „Ich habe nicht bedacht, dass Shofrar ein moslemisches Land ist. Heute Abend ist Ramadan vorbei, alle feiern Id el-Fitr, so dass ich in den nächsten Tagen niemanden finden werde. Ich habe nicht viel Zeit, und ich kann es mir nicht leisten zu warten, bis die Feiertage vorbei sind.“

Max zeigte kein Mitgefühl. „Daran hätten Sie früher denken müssen“, sagte er, öffnete die Tür des Pick-ups und holte ein Notizbuch vom Armaturenbrett. „Es ist nicht schwer, sich über die Feiertage eines Landes zu erkundigen, bevor man abreist, und wenn Sie sich darum gekümmert hätten, hätten Sie herausgefunden, dass es jetzt sowieso viel zu heiß ist, um auf das Plateau zu klettern. Die Touristensaison wurde vor einem Monat beendet.“

„Man hat mir gesagt, dass Sie jederzeit auf das Plateau steigen“, protestierte Claire, als er sich aufrichtete.

„Das stimmt – aber ich bin kein Tourist.“

„Ich auch nicht“, sagte sie. „Ich bin geschäftlich hier.“

„Geschäftlich?“, wiederholte er ungläubig und blickte sie mit seinen verwirrenden hellen Augen an. „Mit wem wollen sie auf dem Plateau Geschäfte abschließen?“

„Ich vertrete hier meine Klienten, Haydn Deane“, sagte Claire und versuchte professionell zu wirken, was ihr jedoch ziemlich misslang, zumal sie von der Sonne geblendet wurde. Pfeif auf die Höflichkeit, dachte sie, als sie die Sonnenbrille aufsetzte. Die dunklen Gläser gaben ihr das Gefühl, gelassener und geschäftsmäßiger zu erscheinen. „Haydn Deane ist eine Werbeagentur“, fuhr sie fort, „die gerne Modeaufnahmen mit dem Plateau als Hintergrund machen möchte.“

Zu ihrem Verdruss fing Max Falconer an zu lachen. „Modeaufnahmen auf dem Plateau? Die müssen verrückt sein!“ Er hatte schöne weiße Zähne, und das Lachen hellte sein strenges Gesicht vorübergehend auf.

„Haydn Deane ist alles andere als verrückt“, sagte Claire kühl, gedemütigt und ziemlich verwirrt durch die Veränderung seines Gesichtsausdrucks. „Es handelt sich um eine kreative und äußerst erfolgreiche Agentur, die für eine Vielzahl von preisgekrönten Werbungen verantwortlich ist.“

„Sie werden für preisgekrönte Hitzschläge verantwortlich sein, wenn sie versuchen, dort Aufnahmen zu machen“, sagte Max gefühllos. Er hörte auf zu lachen, und sie glaubte, sie hätte sich seine plötzliche Attraktivität nur eingebildet. „Die haben ja überhaupt keine Ahnung, wie es dort ist..“

Claire bemühte sich, gelassen zu bleiben. „Gerade deshalb bin ich hier. Mein Partner und ich führen eine Beratungsagentur, die die Vorbereitungen für internationale Projekte wie dieses trifft. Da meine Klienten sehr wohl über die voraussichtlichen Schwierigkeiten im Bild sind, haben sie mich damit beauftragt, Aufnahmeorte zu finden und alle logistischen Probleme im Vorfeld zu beseitigen. Ergibt das einen Sinn?“, fügte sie gespielt sanftmütig hinzu, aber Max war überhaupt nicht beeindruckt.

Er steckte das Notizbuch in die Tasche seines alten blauen Hemdes. Es war sehr ausgeblichen und hatte einen Ölfleck auf einem Ärmel, und seine Hose sah auch nicht viel besser aus. „Wenn Sie glauben, dass es sinnvoll ist, mitten im Sommer eine Gruppe von eingebildeten Großstadtmenschen zum heißesten und unwirtlichsten Ort der Welt zu bringen, müssen Sie von Sinnen sein!“

„Ende Mai ist noch nicht Sommer“, sagte Claire hartnäckig. „Ich weiß, dass es heiß sein wird, aber man hat mir gesagt, dass es machbar ist.“

„Wenn Sie durchtrainiert, äußerst zäh sind und einen guten Führer haben, dann ist es machbar. Auf Sie, Miss Kingswood, scheint nichts davon zuzutreffen.“

Claire hob das Kinn. „Ich bin zäher, als ich aussehe.“

„Zweifellos, wenn es darum geht, Ihren Willen durchzusetzen“, sagte Max und betrachtete sie von oben bis unten, seine kühlen Augen musterten die weiche Haut, das dichte glänzende Haar und die elegante Kleidung. Sie trug einen knielangen Leinenrock, flache Pumps und eine olivgrüne Seidenbluse. „Menschen wie Sie sind mir nichts Neues“, sagte er frostig. „Sie kommen mir vor wie ein ungezogenes Kind. Ich nehme an, Sie haben noch nie gearbeitet, waren nie auf sich allein gestellt.“

Das kam der Wahrheit leider sehr nahe, Claire senkte den Blick und biss enttäuscht die Zähne zusammen. Zu viele Menschen hatten sie als verwöhnt abgeurteilt. Menschen, die sich nicht die Mühe gemacht hatten, sie kennen zu lernen. Sie konnte nichts dafür, dass ihr Vater sie zu nachgiebig behandelt hatte, und wenn Sie keine Erfahrung hatte, dann musste das sich jetzt eben ändern. Außer Piers war keiner bereit gewesen, ihr eine Chance zu geben, und der Gedanke an ihren Partner und der Grund für ihr Hiersein bestärkten ihre Entschlossenheit.

„Ich arbeite“, sagte sie zu Max und blickte verdrossen auf die Fertighäuser des Lagers und auf die staubige Straße, die bis zum Horizont führte. „Ich versichere Ihnen, dass ich nicht aus Spaß hier bin! Ich muss auf dem Plateau meine Arbeit machen, und ich habe mich genauestens informiert, was das bedeutet.“

„Wenn Sie sich informiert hätten, dann wüssten Sie, dass es unmöglich ist, ein Werbeteam hinaufzubringen.“ Max deutete auf das Plateau, das in der Hitze zu schweben schien. „Haben Sie herausgefunden, wie lange der Aufstieg dauert? Man muss elf Stunden lang bei über vierzig Grad einen fast senkrechten Pfad hinaufklettern, und man kann keine langen Pausen einlegen, weil man sonst nicht vor Einbruch der Dunkelheit oben ist. Das Plateau ist nämlich kein Ort, an dem man im Dunkeln herumspaziert, Claire Kingswood. Es ist voller tückischer Spalten und Rinnen. Wenn man da hineinfällt, kommt man nie wieder raus.“ Max blickte auf ihr erschrockenes Gesicht und schüttelte den Kopf. „Sie würden es nicht einmal fünf Minuten lang aushalten“, sagte er entschieden.

„Wollen wir wetten?“, fragte Claire viel mutiger, als sie sich fühlte.

„Nein, wir werden es nicht ausprobieren“, erwiderte er ablehnend. Er holte einen schäbigen Hut aus dem Wagen und setzte ihn auf. „Ich bin nicht bereit, Sie auf das Plateau mitzunehmen, Schlusspunkt.“

Claire atmete tief durch. Er konnte sich nicht weigern, nicht, nachdem es so schwierig gewesen war, ihn zu finden! Sie versuchte es mit einem Lächeln. „Bitte“, flehte sie ihn an, obwohl es ihr gegen den Strich ging, ihn anzubetteln. „Es ist sehr wichtig.“

„Was ist schon wichtig an Werbung?“ Max sah sie geringschätzig an. „Die ganze Branche ist korrupt. Werbung vermittelt nur falsche Eindrücke, um die Menschen davon zu überzeugen, dass sie ihr Geld für etwas ausgeben sollen, das sie gar nicht brauchen. Meiner Meinung nach ist das unredlich und gar nicht wichtig!“

Von der Bitterkeit seiner Stimme überrascht, presste Claire die Lippen zusammen. Warum hasste er die Werbung so sehr? Hier draußen könnte sie ihm bestimmt nichts anhaben! „Für mich ist es wichtig, meinen Auftrag auszuführen“, sagte sie nach einem Augenblick. „Das kann ich nur, wenn ich auf das Plateau komme, und Sie sind der Einzige, der mich hinbringen kann.“

„Es tut mir schrecklich Leid“, entgegnete er kurz angebunden und schloss die Tür des Wagens. Claire war über seine Gleichgültigkeit empört.

Er hätte ihre Bitte ernster nehmen sollen! Sie konnte doch nicht heimgehen und Haydn Deane erzählen, dass sie nicht in der Lage gewesen war, auf das Plateau zu gelangen. Piers verließ sich auf sie, und sie konnte ihn nicht enttäuschen. Wenn es sich herumspricht, dass wir unzuverlässig sind, werden wir nie wieder einen Auftrag bekommen, dachte sie verzweifelt, und was soll dann aus mir und Vater werden?

Hilflos beobachtete sie, wie Max sich bückte, um eine Kiste zu verschließen. „Könnten Sie es sich nicht anders überlegen?“, fragte sie und hasste sich selbst für den flehenden Unterton in ihrer Stimme.

„Warum sollte ich?“, erwiderte Max und richtete sich plötzlich auf. Als Claire seinen Gesichtsausdruck sah, trat sie unwillkürlich ein paar Schritte zurück. „Sie beeindrucken mich nicht im Geringsten mit Ihrem Gerede über preisgekrönte Werbeagenturen.“ Seine Stimme war verletzend. „Die Welt wäre viel besser, wenn es keine Werbung gäbe, und wenn Sie glauben, dass ich meine Zeit mit einem derart unverantwortlichen Unternehmen vergeude, dann haben Sie sich getäuscht. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

„Völlig klar“, antwortete Claire frostig. Sie war es weder gewohnt, dass man so mit ihr umsprang, noch war es ihr angenehm. „Wenn es so ist, werde ich Sie nicht weiter behelligen.“

„Sehr gut“, sagte Max.

Er war wirklich unausstehlich! Claire drehte sich um, legte den langen Weg zu den Gästezimmern zurück und warf die Tür hinter sich zu. Sie wünschte sich, sie hätte niemals von Haydn Deane oder Shofrar gehört, wünschte sich, Piers hätte sie niemals gebeten, herzukommen. Dieser Ort war ein Albtraum und die Bürokratie war noch schlimmer, und zu allem Überfluss musste sie auch noch Menschen wie Max Falconer anflehen.

Claire ging wütend im Zimmer auf und ab. Was brachte ihn dazu, sich so erhaben zu fühlen? Er war doch nur ein verwahrloster Geologe.

Ihre Augen schmerzten von dem gleißenden Licht. Die Begegnung mit Max hatte sie tief enttäuscht. Als sie sich mit kaltem Wasser erfrischt hatte, erblickte sie ihr wütendes Gesicht im Spiegel, die Wangen waren gerötet und die schrägen grünen Augen glitzerten.

Nachdem sie die Klimaanlage eingeschaltet hatte, ließ sie sich seufzend auf das schmale Bett fallen. „Es ist gar nichts dabei“, hatte Piers gesagt. „Du musst nur auf das Plateau kommen, ein paar schöne Stellen finden und ein paar Esel auftreiben, die nächsten Monat alles hinaufbringen. Es wird sicher ganz leicht.“

Leicht? Claire lächelte ironisch. Sie hatte sehr bald festgestellt, dass es alles andere als leicht sein würde. Sie würde einen unendlichen Papierkrieg bewältigen müssen, um all die Genehmigungen von der Regierung zu bekommen, und das war noch überhaupt nichts, verglichen mit dem Problem, zuerst einmal auf das Plateau zu gelangen. Wäre sie doch nur eine Woche früher gekommen, dann hätte sie in Menesset einen Führer gefunden und wäre lange vor den Feiertagen schon wieder vom Plateau heruntergekommen, stattdessen musste sie sich von Max Falconer erniedrigen lassen – und genau das hatte er getan!

Warum hatte Haydn Deane für die Aufnahmen keinen zugänglicheren Ort gewählt? Max hat Recht, gab sie widerwillig zu. Irgendein brillanter Kopf hatte vermutlich Fotos vom Plateau gesehen und entschieden, dass es ein Aufsehen erregender Hintergrund wäre, ohne darüber nachzudenken, wie man all die Menschen und die Ausrüstung hinaufbrachte.

„Da kommen wir ins Spiel“, hatte Piers aufgeregt gesagt. „Nachdem sie erkannt haben, wie schwierig es sein wird, haben sie uns den Auftrag für die Vorbereitungen nur allzu gern erteilt.“

Er setzte sich an den Schreibtisch und sah Claire an, die sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnt hatte, mitten in die Sahara geschickt zu werden. „Was ist los? Das ist die Chance, auf die wir gewartet haben, Claire! Wenn wir den Auftrag erfolgreich ausführen, wird es sich herumsprechen, und wir haben ausgesorgt. Man wird uns die Türen einrennen.“

„Es wird ganz einfach sein“, fuhr Piers zuversichtlich fort. „Wenn wir diesen Auftrag erfolgreich erledigen, werden wir deiner Patin das Geld zurückzahlen können, das sie dir für die Eröffnung der Agentur geliehen hat, und dann fangen wir an, Gewinne zu machen, wart’s nur ab. Du musst nur auf das Plateau kommen.“

Claire setzte sich auf, schob sich das Kissen in den Rücken und lehnte sich seufzend zurück. Sie dachte nach. Es musste doch möglich sein, auf das Plateau zu kommen. Sie konnte damit fertig werden, Piers und Haydn Deane zu enttäuschen, aber sie konnte ihren Vater nicht im Stich lassen. Er hatte ihr in ihren ersten vierundzwanzig Lebensjahren alles gegeben, und nun war es an ihr, ihm zu helfen.

Sie ließ sich das Gespräch mit Max Falconer erneut durch den Kopf gehen. Vielleicht hatte sie nur die falsche Taktik angewandt? Ihr war heiß, sie war müde und verärgert gewesen, und ihm war es nicht anders gegangen. Vielleicht hatte er nicht gemerkt, dass sie ihm ein Geschäft vorgeschlagen hatte. Wahrscheinlich hatte er gedacht, er solle sie aus reiner Gefälligkeit auf das Plateau bringen.

Daran lag es also! Claire richtete sich plötzlich auf, überzeugt, den Grund für Max’ Feindseligkeit gefunden zu haben. Sie würde heute Abend noch einmal mit ihm sprechen und ihm erklären, dass sie natürlich seine Dienste bezahlen wollte. Seiner schäbigen Kleidung nach hatte er sicher nichts gegen einen Nebenverdienst.

Claire war wieder zuversichtlich, sie sprang aus dem Bett und suchte im Koffer nach ihrem verführerischsten Kleid. Max würde heute Abend so von ihren Reizen eingenommen sein, dass er nicht in der Lage wäre, ihren Vorschlag auszuschlagen! Als Claire das schwarze Kleid aufhängte und versuchte, sich vorzustellen, wie sie Max aus der Fassung brachte, kamen ihr Bedenken, die sie aber sofort abschüttelte. Nach einer Dusche und einem Bier wäre er sicher zugänglicher. Vielleicht entschuldigte er sich sogar …

Wie gut, dass ich im Lager übernachten kann, überlegte Claire, als sie sich die Haare wusch und sich mit Grauen an das primitive Hotel von Menesset erinnerte. Sie wäre jetzt dort, wenn sie nicht Bruce Mitchell getroffen hätte. Bruce war der Verwalter des riesigen Bauarbeiterlagers, und er hatte ihr auch gesagt, wo sie Max finden würde.

„Er kommt und geht, wie es ihm beliebt, aber das Lager ist sein Stützpunkt“, hatte er gesagt. „Warum kommen Sie nicht mit mir? Wir haben ein paar Gästezimmer, die in der heißen Jahreszeit kaum genutzt werden. Sie könnten dort wohnen, bis Max aufkreuzt. Es ist nichts Großartiges – nur eine Bar und eine Kantine – aber ich denke, die Männer werden begeistert sein, weibliche Gesellschaft zu haben.“

Max Falconer ist überhaupt nicht begeistert gewesen, dachte Claire, als sie das Kleid überstreifte. Sie betrachtete sich kritisch im Spiegel und fragte sich, was er wohl davon halten würde. Normalerweise verschwendete sie keinen Gedanken an ihr Gesicht, aber jetzt, da sie versuchte, sich mit Max’ Augen zu sehen, trat sie ganz nah an den Spiegel heran. Sie hatte ein ungewöhnliches, fast dreieckiges Gesicht mit einem kräftigen Kinn, hohen Wangenknochen, und unter ihren geschwungenen Augenbrauen lagen grüne schrägstehende Augen, die an eine Katze erinnerten. Das dichte, wellige blonde Haar reichte bis zum Kinn. Ein einprägsames Gesicht, stellte sie fest. Max hatte sie vielleicht nicht sympathisch gefunden, aber er würde sie wieder erkennen, und bei diesem Gedanken erinnerte sie sich verwundert an den Augenblick, an dem sie hätte schwören können, Max schon früher getroffen zu haben. Er gehörte eigentlich nicht zu den Menschen, die man schnell vergisst.

Sein Bild kam ihr unwahrscheinlich lebendig in den Sinn. Sie konnte sich diese faszinierenden hellen Augen genau vorstellen und hätte seinen Mund und seine Wangenknochen genau beschreiben können. Claire erschauerte, ohne genau zu wissen warum.

Sie trug eins ihrer Lieblingskleider, das, wie all ihre Kleidungsstücke, noch aus guten Zeiten stammte, bevor das luxuriöse Leben, das ihr Vater ihr geboten hatte, vor ihren Augen zerstört worden war. Der weiche schwarze Stoff schmeichelte den sanften Linien ihres Körpers und verlieh ihrer Haut einen samtenen Glanz. Trotz seines nüchternen Schnitts war es zweifellos sehr verführerisch, und Claire fühlte sich immer gut, wenn sie es trug.

Würde Max es verführerisch finden? Sie stellte sich vor, dass er sie betrachtete, und sie errötete. Normalerweise würde ich ihn gar nicht bemerken, sagte sie sich. Abgesehen von diesen hellen Augen, die durch einen hindurchsahen, und dieser kalten Strenge, hatte er nichts Bemerkenswertes an sich. Er war nicht freundlich, hatte keinen Charme, nichts, was für ihn sprach. Müsste sie ihn nicht unbedingt dazu bringen, ihren Wunsch zu erfüllen, wäre es ihr völlig egal, was er dachte.

Als Bruce Mitchell am Abend mit Claire die Bar betrat, richteten sich alle Augen auf sie. Da Claire es gewohnt war, bewundert zu werden, brachte es sie nicht aus dem Gleichgewicht, sie ertappte sich jedoch dabei, wie sie nach Max Ausschau hielt.

Schließlich sah sie, dass er am anderen Ende des Raumes halb abgewandt an der Bar stand, und das gab ihr einen Stich ins Herz. Obwohl er von anderen gut aussehenden Männern umgeben war, musste sie feststellen, dass er etwas Besonderes war. Es hatte nichts mit seinem Aussehen zu tun; er war bei weitem nicht der einzige schlanke sonnengebräunte Mann mit dunkelbraunem Haar, seine Zurückhaltung unterschied ihn jedoch von den anderen. Er lachte nicht besonders oft, aber wenn sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass er es tat, schweifte ihr Blick unwillkürlich zu ihm hinüber.

Max schien sie nicht gesehen zu haben, was Claire ein bisschen ärgerte. Sie wusste, dass sie attraktiv war, und abgesehen von Max betrachteten sie alle Anwesenden bewundernd.

Je länger er ihr den Rücken zuwandte, desto mehr versuchte Claire seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie plauderte angeregt mit einer ganzen Traube von Männern, die sich um sie versammelt hatten, aber Max ignorierte sie einfach. Claire war enttäuscht. Wie sollte sie ihn umgarnen, wenn er sie gar nicht bemerkte?

„Haben Sie sich mit Max geeinigt?“, fragte Bruce, als sie zum Abendessen in die Kantine gingen. „Nimmt er Sie morgen Früh mit?“

„Morgen früh?“

„Ja, er will gleich aufs Plateau. Normalerweise bleibt er erst ein paar Tage hier, und ich habe mich gefragt, ob es daran liegt, dass Sie so schnell wie möglich hinaufsteigen wollen.“

Es ist viel wahrscheinlicher, dass er zurück will, um mir aus dem Weg zu gehen, überlegte Claire, aber es hatte keinen Sinn, Bruce zu erzählen, wie katastrophal ihre Begegnung mit Max gewesen war.

„Wir haben noch nicht alles besprochen“, sagte sie vage. „Ich weiß gar nicht mehr, wo er mit dem Aufstieg beginnen wollte.“

„Wahrscheinlich in Oued Misra.“ Bruce gab ihr den erhofften Hinweis. „Dort beginnt der kürzeste Weg, den Max auch meistens einschlägt. Die Vorräte lässt er mit dem Esel über einen leichteren, aber längeren Weg kommen.“

Claire überlegte schnell. „Ist es von hier aus weit nach Oued Misra?“, fragte sie beiläufig.

„Mit dem Auto sind es fünfundvierzig Minuten. Max hat einen Fahrer gebeten, ihn dort herauszulassen. Er wird sie also bestimmt mitnehmen.“

Voller Hoffnung legte sich Claire einen Plan zurecht. Am sichersten ist es, wenn ich noch einmal versuche, ihn zu überzeugen, entschied sie. Und wenn er schon nicht wie jeder normale Mann zu ihr kam, um sie zu begrüßen, musste sie eben zu ihm gehen. In der Kantine konnte sie ihn nicht finden, aber als sie wieder in die Bar kamen, sah sie, dass er gerade gehen wollte. Claire verabschiedete sich schnell von Bruce und eilte Max nach.

Die Tür schloss sich hinter ihr, als sie in die Nacht hinaustrat. Max stand ein paar Meter von ihr entfernt, er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und blickte gedankenversunken auf den Boden. Das Licht aus der Kantine erhellte sein Gesicht und betonte die starken Wangenknochen. Claire hatte ein Gefühl von déjà vu, und sie zögerte, weil sie sich plötzlich ganz sicher war, Max schon einmal nachgelaufen zu sein.

Mein Gedächtnis spielt mir wahrscheinlich einen Streich, sagte sich Claire. Sie hatte irgendwo gelesen, dass dieses Gefühl auftreten konnte, wenn die Nerven überreizt waren. Das würde wenigstens erklären, warum sie den Eindruck hatte, einen Mann zu kennen, den sie vorher noch nie getroffen hatte. Sie konnte sich nicht im Entferntesten vorstellen, wo sie Max Falconer begegnet sein könnte. Er war zwar Engländer, aber das war auch das Einzige, was sie gemeinsam hatten. Nein, sie war sich sicher, dass sie ihm noch nie begegnet war.

Trotzdem war es ein seltsames Gefühl, und Claire bemühte sich, es abzuschütteln, als sie auf Max zuging. „Hallo“, sagte sie.

Max blickte sie an, erwiderte ihren Gruß aber nicht. Er betrachtete sie nur schweigend, der Ausdruck seiner Augen war in der Dunkelheit nicht zu erkennen.

„Ich habe gehofft, Sie heute Abend zu treffen“, sagte sie schließlich. Sein Schweigen verunsicherte sie.

„Warum?“

Claire unterdrückte ein Seufzen. Konnte er nicht wenigstens versuchen, höflich zu sein? Sie warf ihm ein bezauberndes Lächeln zu. Das hatte bei Bruce Mitchell gewirkt, aber nicht bei Max. „Ich wollte mich entschuldigen“, fuhr sie fort. „Ich glaube heute Nachmittag habe ich einen ziemlich unpassenden Augenblick gewählt, um Sie zu belästigen.“

„Es gibt überhaupt keinen günstigen Zeitpunkt, um mich zu belästigen, Miss Kingswood“, entgegnete Max entmutigend. Claire biss die Zähne zusammen.

„Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt.“

„Ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen“, sagte er bissig. „Ich weiß genau, was Sie möchten. Sie wollen, dass ich Sie aufs Plateau bringe, damit Sie planen können, wie Sie eine Menge Menschen herbringen, die ihre Zeit und ihr Geld damit vergeuden wollen, an einem Ort, den niemand kennt, Fotos von einer Sache zu machen, die keiner braucht.“

Claire erinnerte sich daran, dass sie charmant sein wollte und brachte ein Lächeln zustande. „So kann man es auch ausdrücken.“

„So sagt man es wenigstens ehrlich – was in der Werbebranche jedoch nicht oft der Fall ist, glaube ich.“

Claire atmete tief ein und unternahm einen erneuten Versuch. „Ich glaube, Sie haben nicht ganz verstanden, was ich von Ihnen will. Ich werde Sie natürlich für Ihre Dienste entschädigen.“

„Die Antwort heißt nein“, sagte Max gefährlich ruhig.

„Geld spielt wirklich keine Rolle“, erwiderte Claire verwegen. „Können Sie es sich leisten, sich so eine Chance entgehen zu lassen? Sie könnten dabei mehr verdienen, als in einem ganzen Jahr.“

Sie hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als sie bemerkte, dass sie einen Fehler begangen hatte. „Jetzt habe ich aber genug von Ihnen“, sagte Max derart verächtlich, dass sie zusammenzuckte. „Ich kenne solche Menschen wie Sie. Sie glauben, dass Sie nur mit den Fingern schnippen müssen, um alles zu bekommen, was Sie wollen, nur weil Sie Geld haben und elegante Kleider tragen. Nun, die Wüste lässt sich nicht davon beeindrucken, und ich auch nicht. Wir sind nicht käuflich. Ich würde weder Sie, noch jemanden, der so ist wie Sie, jemals auch nur in die Nähe des Plateaus bringen, egal wie viel Geld Sie mir dafür anbieten. Gehen Sie am besten in die Großstadt zurück, denn da gehören Sie hin, und lernen Sie, ein klares Nein als Antwort zu akzeptieren!“

2. KAPITEL

Claire schirmte ihre Augen gegen die Sonne ab und beobachtete, wie das Auto sich entfernte. Als sie nichts mehr als einen winzigen Punkt in einer Staubwolke sah, schluckte sie. Sie musste verrückt sein!

Die Stille um sie herum war bedrückend. Vor ihr erstreckte sich die flache Sandwüste bis zum Horizont. Hinter Claire ragte das Plateau empor, ein einschüchterndes Felsmassiv, das steil zum geröllbedeckten Ödland abfiel, auf dem sie stand.

Claire hatte sich noch nie so einsam gefühlt. Nichts bewegte sich. Es war so still, dass sie ihren Herzschlag hörte, und selbst jetzt, in den frühen Morgenstunden, war es unheimlich heiß. Verunsichert drehte sie sich zu dem Plateau um, das sie unbedingt besteigen wollte. Der steile, enge Pfad verwandelte sich schon bald in ein Durcheinander von Felsen; sie würde den Weg nie alleine finden.

Sie würde es auch nicht schaffen, ins Lager zurückzukommen, erinnerte sie sich entsetzt. Bruces Fahrer wollte sie unter keinen Umständen alleine hier lassen, aber sie hatte ihm versichert, dass er nicht zu warten brauchte, weil sie sich mit Max verabredet hatte. Jetzt, da sie bemerkte, auf was sie sich eingelassen hatte, musste sie sich erst einmal setzen. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, was passieren würde, wenn Max nicht käme.

Sie wollte sich auch nicht ausmalen, was passieren würde, wenn er käme.

Jetzt war es zu spät, um es sich anders zu überlegen. Claire richtete sich auf. Ich hätte dieses Risiko nicht eingehen müssen, wenn Max umgänglicher gewesen wäre, murmelte sie. Es wäre allein seine Schuld, wenn sie einen Hitzschlag bekäme. Gestern Nacht war Claire so wütend gewesen, dass sie umso hartnäckiger an ihrem Entschluss festhielt, auf das Plateau zu steigen. Wenn Max glaubte, Claire Kingswood mit ein paar harten Worten einschüchtern zu können, dann konnte er sich auf etwas gefasst machen. Sie musste Max Falconer die Stirn bieten.

Früh am Morgen hatte sie alle Vorbereitungen getroffen, und nachdem sie festgestellt hatte, dass Max noch nicht aufgebrochen war, hatte sie Bruce Mitchells indischen Fahrer aufgesucht. Der Inder war über ihre Bitte, sie nach Oued Misra zu fahren, überrascht gewesen, aber als Bruce zugestimmt hatte, zuckte er nur mit den Schultern und ließ das Auto an. Jetzt konnte Claire nur hoffen, dass Bruce mit der Annahme Recht gehabt hatte, Max würde von hier aus starten.

Wenn er sich nun entschieden hatte, einen anderen Weg einzuschlagen …

„Denk nicht einmal daran“, sagte Claire sich laut und sprang auf, als sie ihre Stimme in der Stille vernahm. „Denk lieber an Daddy.“ Ihr Gesicht hellte sich auf, als sie an ihren Vater dachte. Ihre Mutter war gestorben, als Claire noch in den Windeln gelegen hatte, und Jeremy Kingswood hatte sein einziges Kind seitdem angebetet und mit Geschenken überhäuft. Als Claire schließlich feststellte, dass das Geld gar nicht ihm gehörte, war es zu spät gewesen, aber sie war ihm während des ganzen Skandals zur Seite gestanden, zumal sie wusste, dass er es nur für sie getan hatte.

Jetzt musste sie sich um ihn kümmern. Sie hatten alles verkauft, was sie besaßen – die Wagen, die Yacht, die Häuser, die Gemälde und Antiquitäten waren alle fort – und Claire hatte sich geschworen, die restlichen Schulden zu bezahlen, damit sie von vorne anfangen konnten. Wenn sie dafür ihr Leben aufs Spiel setzen musste, dann würde sie es tun.

Sie suchte das weite Land ab, in der Hoffnung auf ein Zeichen, das sie von dem Gefühl befreite, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben, und trotz ihrer Tapferkeit war sie unendlich erleichtert, als eine Staubwolke am Horizont die Ankunft eines Fahrzeugs ankündigte. Hoffentlich ist es Max, betete sie, versteckte den Rucksack und schlüpfte hinter einen Felsen.

Als sie ein paar Minuten später aus ihrem Versteck spähte, schlug ihr Herz höher. Es war Max. Er scherzte mit dem Fahrer und nahm den Rucksack aus dem Pick-up. Sein Lächeln war bezaubernd, und wieder einmal überraschte sich Claire beim Gedanken, dass er wahnsinnig attraktiv aussah, wenn er so lächelte. Als Max sich umdrehte, schien sich die Erinnerung wieder einstellen zu wollen, verblasste aber sofort wieder. Sie war ihm schon einmal begegnet … aber wo?

Max gab dem Fahrer gerade ein Zeichen, um ihm zu zeigen, dass er fertig sei, und als der Pick-up hupend davonfuhr, duckte sich Claire wieder schnell hinter den Felsen. Im Schatten der großen Wand war es kühler, Claire lehnte sich an das Gestein, schloss die Augen und versuchte, die plötzliche Angst abzuschütteln, Max vor die Augen treten zu müssen. Er würde bestimmt böse auf sie sein.

Für einen kurzen Augenblick überlegte sie sich, in ihrem Versteck zu bleiben, aber dann gewann ihr Stolz die Oberhand, und sie richtete sich auf. Sie würde sich nicht von Max Falconer einschüchtern lassen, und außerdem hatte sie ja gar keine Wahl. Wenn sie hier bliebe, würde sie nie ins Lager zurückkommen.

Sei kein Feigling, rügte sie sich streng und nahm Haltung an.. Was konnte er ihr schon anhaben?

Sie holte tief Luft und kam aus ihrem Versteck hervor. „Hallo.“

Max stand mit dem Rücken zu ihr und beugte sich über seinen Rucksack, aber als er ihren Gruß hörte, drehte er sich um und blickte Claire ungläubig an, die in ihrer knielangen Hose, der ärmellosen Bluse und dem Strohhut in der Hand schlank und elegant aussah.

„Was tun Sie denn hier?“, brauste er auf.

„Ich warte auf Sie“, sagte sie und versuchte, gelassen zu wirken.

Eine bedrohliche Stille stellte sich ein. „Verstehen Sie vielleicht kein Englisch?“, fragte Max gefährlich ruhig. „Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, und ich sage es jetzt zum letzten Mal, also hören Sie gut zu.“ Er neigte sich drohend vor. „Ich nehme Sie nicht mit aufs Plateau.“

Claire erzitterte, als sie seine wuterfüllten Augen sah, nahm sich aber zusammen. „Dann folge ich Ihnen halt“, sagte sie mutig. „Sie werden es nicht verhindern können.“

„Sie werden mir nie folgen können“, entgegnete er empört. „Sie würden sich schon nach fünf Minuten verirren.“

„Schon möglich, aber Sie lassen mir ja keine Wahl“, erwiderte sie streitlustig.

„Oh doch. Ihre einzige Wahl ist, ins Lager zurückzukehren und dann so schnell wie möglich nach London zu fliegen.“

„Ich kann nicht.“

„Was soll denn das heißen? Sie sind doch hier hergekommen, stimmt’s? Dann können Sie auch wieder zurückkehren.“

„Ich habe dem Fahrer erzählt, ich würde Sie hier treffen. Er ist schon weg.“

Sie schwiegen. „Soll das bedeuten“, sagte Max in einem so ruhigen Tonfall, dass Claire erschauerte, „dass Sie bei 50 Grad Hitze Ihre einzige Überlebenschance weggeschickt haben?“

„Ich wusste, dass Sie kommen“, entgegnete Claire zu ihrer Verteidigung. „Bruce hat gesagt, dass Sie normalerweise diesen Weg nehmen.“

„Normalerweise, aber nicht immer.“ Max sah sie staunend an. „Wie konnten Sie nur so verantwortungslos handeln? Ich nehme an, Sie haben bereits bemerkt, dass Sie verloren wären, wenn ich mich entschlossen hätte, einen anderen Weg einzuschlagen. Zu dieser Jahreszeit kommt sonst niemand her, und Sie würden es niemals schaffen, zu Fuß zum Lager zurückzugehen!“

„Ich muss auf das Plateau kommen“, sagte Claire hartnäckig.

„Was ist denn mit Ihnen los?“ Max war so frustriert, dass er fast schon schrie. „Ist diese verabscheuungswürdige Werbung so wichtig, dass Sie dafür ihr Leben aufs Spiel setzen?“

Claire machte ein entschlossenes Gesicht, obwohl sie spürte, dass ihr die Wangen brannten. „Ich habe gerade eine Agentur mit einem Partner gegründet. Es hat ewig gedauert, bis wir den ersten Auftrag bekommen haben, und jetzt, da wir ihn haben, kann ich nicht heimgehen und erzählen, dass ich es nicht einmal geschafft habe, an diesen Ort zu kommen.“ Sie blickte ihm unverblümt in die Augen „Ich möchte genauso ungern auf dieses Plateau klettern, wie Sie mich mitnehmen wollen, aber ich muss es tun. Wir können unsere Agentur sonst gleich wieder schließen.“ Es war nicht nötig, die Schulden zu erwähnen, die sie bei ihrer Patin hatte, oder über ihren Vater zu sprechen, einen gebrochenen Mann, der darauf wartete, dass sie ihm wieder auf die Füße half.

„Es war dumm, so einen Auftrag zu übernehmen“, sagte Max teilnahmslos. „Die Wüste ist kein Ort für eine Frau wie Sie.“

Stolz erhob Claire das Kinn. „Sie wissen doch gar nicht, wie ich bin.“

„Ich kann es mir lebhaft vorstellen.“ Er sah sie voller Abneigung an. „Sie sind in Ihrem Leben derart verwöhnt worden, dass Sie denken, alles dreht sich um Sie, und Sie sind bereit, jeden rücksichtslos zu tyrannisieren, um Ihren Willen durchzusetzen. Es stört Sie nicht, dass ich Sie nicht mitnehmen will. Es macht ja nichts, dass Sie mich von meiner Arbeit abhalten.“ Er war wütend. „Ich sollte Ihnen eine Lehre erteilen und Sie hier zurücklassen.“

Claire hielt den Atem an, als er sich schimpfend umdrehte, den Hut vom Kopf riss und frustriert mit den Fingern durch die Haare fuhr. „Sie sind eine Plage!“, stieß er wütend hervor. „Ich habe nicht die Zeit, Sie ins Lager zurückzubringen, und wie Sie sich schon ausgeklügelt haben, kann ich Sie kaum hier verdursten lassen, egal wie sehr Sie es auch verdienen.“

„Sie nehmen mich also mit.“ Claire lächelte erleichtert, aber als Max zu ihr kam und mit seiner starken sonnengebräunten Hand unter ihr Kinn fasste, verging ihr die Freude.

Er hob ihren Kopf, so dass ihre trotzerfüllten grünen Augen direkt auf seine Augen gerichtet waren. Unwillkürlich schluckte sie, als sie den bedrohlichen Ausdruck darin sah. „Obwohl Sie diese Runde gewonnen haben, würde ich mich an Ihrer Stelle nicht zu sehr darüber freuen, Claire Kingswood“, sagte er. „Ich schwöre Ihnen, dass ich Sie da zurücklasse, wo Sie gerade sind, wenn ich nur die kleinste Beschwerde über die Bedingungen hier höre.“ Seine Finger drückten so hart auf ihren Kiefer, dass es ihr wehtat. „Haben Sie das verstanden?“

„Ja“, antwortete sie. Zu ihrem Entsetzen brachte sie nur ein Flüstern zustande.

„Gut.“ Er gab sie frei, sie trat ein paar Schritte zurück und rieb sich an den Stellen, die von seiner unsanften Berührung schmerzten. Morgen habe ich wahrscheinlich zwei riesige blaue Flecken, dachte Claire grollend.

„Ich nehme an, Sie haben sich Proviant mitgebracht?“, fuhr Max fort, nicht im Geringsten von ihrem betrübten Ausdruck beeindruckt. Jetzt, nachdem er sich widerwillig mit der Situation abgefunden hatte, dachte er plötzlich ganz rationell.

„Ich habe einen Rucksack“, sagte sie leise.

„Zeigen Sie ihn mir.“

Claire holte den Rucksack und reichte ihn Max, der den Inhalt einfach auf den Boden fallen ließ. „Was machen Sie da?“

„Je mehr Sie tragen müssen, desto länger halten Sie mich auf. Sie brauchen nicht einmal die Hälfte von dem Zeug.“

Claire schwieg verärgert und beobachtete, wie Max die Hälfte der Dinge wegwarf, die sie am Morgen so umsichtig eingepackt hatte. Sie hatte viel über das Überleben in der Wüste gelesen und war eigentlich sehr zufrieden gewesen, dass sie so praktisch veranlagt war.

„Beschweren Sie sich nicht bei mir, wenn Sie Ihren Rucksack nicht mehr tragen können.“ Er warf einen kritischen Blick auf das, was noch vor ihm im Staub lag: eine Taschenlampe, zwei große Wasserflaschen, ein Essenspaket, ein Bettlaken, eine Iso-Matte, ein übergroßes T-Shirt und ein bisschen Unterwäsche. „Das ist mehr als genug“, murmelte er und packte alles wieder ein.

Als er ihr Spitzenhöschen erblickte, schüttelte er den Kopf und stopfte es, ironisch lächelnd, in den Rucksack.

Claire errötete. „Und meine anderen Sachen?“, fragte sie spitz.

„Was ist damit?“

„Ich kann sie nicht einfach da lassen. Sie könnten gestohlen werden.“

„Wenn ich glauben würde, dass jemand hier ist, um diesen Plunder zu stehlen, würde ich Sie hier lassen, damit sich diese Leute mit Ihnen herumschlagen müssten“, sagte Max giftig. „Verstecken Sie das Zeug hinter dem Felsen da, und legen Sie einen weißen Stein darauf. Wenn irgendjemand vorbeikommen sollte, wird er wissen, dass es jemand anderem gehört – wenn er sich überhaupt dafür interessiert.“

Max zog die Augenbrauen hoch. „Sie haben noch nicht begriffen, in welch gefährliche Lage Sie sich gebracht haben. Sie sind zwar nicht mehr aufgeschmissen, aber Sie müssen immer noch die nächsten Tage überleben, und ich glaube nicht, dass es Ihnen Spaß machen wird. Abgesehen von allem anderen, sind Sie völlig abhängig von mir, Sie sollten also sehr vorsichtig sein, wenn Sie keine böse Überraschung erleben wollen“, warnte er sie.

Trotzig warf Claire ihren Kopf zurück. „Ich bin nicht so hilflos, wie Sie glauben. Ich bin schließlich hier hergekommen, stimmt’s?“

„Sie haben sich in eine sehr gefährliche Lage gebracht“, entgegnete Max, „das ist kein Kunststück. Wenn Sie auch nur ein bisschen intelligent wären, würden Sie keine aufmüpfigen Bemerkungen machen. Sie sollten sich eher Gedanken darüber machen, dass Sie sich in die Hände eines völlig Unbekannten begeben, ohne dass Ihnen jemand zu Hilfe kommen kann.“

„Ich vertraue Ihnen“, erwiderte Claire verlegen. Sie wusste, dass Max die Wahrheit sprach, aber sie mochte es nicht, wenn man sie für dumm hielt, und obwohl sie ihn überhaupt nicht leiden konnte, hatte sie nie daran gedacht, ihm zu misstrauen.

„Das ist ganz schön dumm von Ihnen“, sagte Max. „Ich könnte ein sexbesessener Irrer sein.“

Daran habe ich überhaupt nicht gedacht, überlegte Claire verdrossen. „Sie sehen nicht aus wie ein Irrer“, sagte sie ruhig. „Sie sind grob und unfreundlich, aber nicht verrückt. Da es offensichtlich ist, dass Sie keine Frauen mögen, können Sie auch nicht sexbesessen sein.“

Max kniff die Augen zusammen. „Wie kommen Sie denn darauf?“ Er ging auf sie zu, und Claire, die plötzlich nervös wurde, trat ein paar Schritte zurück, bis sie am Felsen stand. Obwohl ihr Herz hämmerte, sah sie ihn trotzig an.

„Sie haben alles getan, um diesen Eindruck zu erwecken!“

Er stand ganz nah bei ihr. „Sie sind sich ganz sicher, stimmt’s?“, sagte er sanft. „Nur weil ich kein Interesse für Sie gezeigt habe, nehmen Sie gleich an, dass ich mich für niemanden interessiere.“ Er griff nach ihren Handgelenken und drückte sie gegen den Felsen. Sein Gesichtsausdruck veranlasste Claire, sich zu wehren, aber er hatte einen stählernen Griff. „Wie ist es, wenn man so eingebildet ist?“, fragte er beiläufig.

Claire hatte keine Zeit zu antworten, denn schon im nächsten Augenblick hatte er sich über sie gebeugt, um sie zu küssen. Sie versuchte verzweifelt, ihr Gesicht abzuwenden, aber er kam ihr zuvor und presste seinen Mund auf ihren. Die Berührung seiner Lippen elektrisierte sie, und sie schnappte unwillkürlich nach Luft, so dass sich ihre Lippen öffneten. Seine Zunge drang hart und verlangend in ihren Mund ein, und Claire, die darüber entsetzt war, dass sie den Kuss instinktiv erwiderte, kämpfte gegen die wachsende Erregung an.

Max presste ihren Körper gegen den Felsen, während er ihre Handgelenke freigab und mit den Fingern durch ihr dichtes goldenes Haar fuhr. Die weite Wüstenlandschaft drehte sich um Claire, bis sie nichts mehr als den massiven Felsen in ihrem Rücken, Max’ Mund auf ihrem und die sinnliche Kraft seines Körpers spürte. Als seine Küsse stärker wurden, griff sie instinktiv nach seinen Armen und umfasste die raue Baumwolle seines Hemdes, als wüsste sie nicht, ob sie ihn zu sich ziehen oder wegstoßen sollte.

Claire hatte den Eindruck, als verlöre sie den Boden unter den Füßen. Ihr Körper schien einen eigenen Willen zu haben, er lehnte sich an Max und ignorierte ihre verzweifelten Versuche, die Beherrschung wiederzuerlangen, ihre Lippen wehrten sich nicht gegen den erregenden Druck seines Mundes und ihre Augen schlossen sich, als sie sich dem gefährlichen und beschämenden Genuss seiner Berührung hingaben.

Plötzlich ließ Max von ihr ab, und Claire war dankbar, dass der Felsen sie stützte. Ihre Beine zitterten. Verwirrt über die plötzliche Rückkehr in die Realität, öffnete Claire die Augen..

Max’ Kiefermuskeln zuckten, und in seinen Augen spiegelte sich eine Empfindung wider, die Claire nicht benennen konnte, aber ansonsten hatte er sich völlig unter Kontrolle. Er atmete nicht einmal schwer. Als sie sich daran erinnerte, wie sie unter seinem Kuss dahingeschmolzen war, stieg ihr die Schamröte ins Gesicht. Sie drückte sich vom Felsen ab und richtete sich zitternd auf.

„Das war nicht fair“, flüsterte sie.

„Sie wollten es nicht anders“, sagte Max energisch. „Zufällig mag ich Frauen, aber nur einige, und Ihre Reize lassen mich kalt.“

„Warum haben Sie mich dann geküsst?“

„Um Ihnen eine Lektion zu erteilen.“ Max sah sie derart verächtlich an, dass sie noch mehr errötete. „Ich mag Sie nicht und ich möchte Sie nicht bei mir haben, erwarten Sie also nicht, dass ich mich fair verhalte, Claire. Sie haben es nicht verdient.“

Er nahm den Rucksack und hängte ihn sich um. „Meinetwegen können Sie hier bleiben und verdursten“, sagte er. „Wenn Sie aber mitkommen wollen, sollten Sie sich lieber beeilen. Ich werde keine Zeit mehr vergeuden.“ Ohne abzuwarten, ob sie sich bewegte, drehte er sich um und machte sich auf den Weg.

Claire blickte ihm voller Abscheu nach. Ihr Herz klopfte noch wegen seines Kusses und sie bemühte sich, wieder zu Atem zu kommen. In diesem Augenblick hätte sie es vorgezogen zu verdursten, als Max Falconer je wieder sehen zu müssen. Sie hätte alles dafür gegeben, einfach in die entgegengesetzte Richtung gehen zu können, aber sobald das Gefühl der Demütigung verging, setzte ihre Vernunft wieder ein. Wie Max so treffend bemerkt hatte, blieb ihr keine Wahl.

Er stieg kontinuierlich aufwärts, die braune Haut und die ausgeblichenen Kleider verschmolzen mit dem steinigen Hintergrund. Er hatte sich nicht umgedreht. Claire nahm sich zusammen. Sie würde es nicht zulassen, dass er sie zurückließ. Sie hängte sich den Rucksack um, setzte den Hut auf den Kopf und folgte Max.

Das erste Stück des Pfades war steil und schmal. Immer wieder rutschte Claire aus und löste dabei kleine Steinchen, die in die Tiefe fielen. Es war drückend heiß, die Sonne prallte an den Felsen ab und blendete Claire. Sie atmete schwer.. Das verschwitzte Haar unter dem Hut klebte unangenehm in ihrem Nacken.

Vor ihr ging Max mit lockeren, rhythmischen Schritten. Er sah gelassen und zufrieden aus, und seine Gleichgültigkeit ärgerte Claire. Er hatte sich nicht einmal umgeblickt, um zu sehen, ob sie ihm folgte oder nicht! Offensichtlich hoffte er, sie würde nicht Schritt halten können, und Claire war fest entschlossen, ihm zu zeigen, dass er Unrecht hatte. Sie biss die Zähne zusammen und kletterte mühsam weiter.

Der Hass auf Max ließ sie die heiße Luft, die ihre Lungen austrocknete, oder das Scheuern der Rucksackriemen an ihren Schultern leichter ertragen. Sie war noch nie jemandem begegnet, der seine Abneigung so offen gezeigt hatte. Er war zurecht erbost über die Art, wie sie sich ihm aufgedrängt hatte, aber deshalb hätte er sie doch nicht so überfallen müssen!

Claires erhitztes Gesicht wurde noch heißer, als sie sich erinnerte, auf welch demütigende Weise sie seine Berührung erwidert hatte. Ich war viel zu überrascht, sagte sie sich. Max Falconer wäre der letzte Mann, den sie attraktiv finden würde. Kühle, strenge Männer hatten ihr noch nie gefallen, und wenn sie seinen Mund als warm und aufregend empfunden hatte, war es bestimmt auf den Schock zurückzuführen. Sie wünschte sich, sie könnte sich nicht so lebhaft daran erinnern. Sie war immer noch verwirrt, und wenn sie an die Stärke seines Körpers dachte, krampfte sich ihr Herz zusammen. Er war nicht attraktiv. Er war nur …. überraschend.

Claire legte eine Atempause ein, wischte sich den Schweiß von der Oberlippe und blickte um sich. Der Pfad schlängelte sich an einer engen Schlucht entlang und die hochaufragenden Felswände schlossen die Hitze ein, so dass sie Claire fast erdrückte. Was für ein schrecklicher, kahler und bedrohlicher Ort, dachte Claire schaudernd. Sie wünschte sich in die sanfte grüne Landschaft Englands zurück und sehnte sich nach dem Anblick von Bäumen, Feldern und Häusern. Selbst die unendliche Leere der Wüste unter ihr war angenehmer als das hier!

Sie schleppte sich weiter, so dass sie nicht gleich bemerkte, dass Max im Schatten eines Überhangs auf sie wartete. Die Aussicht auf eine Pause beschleunigte ihre Schritte. Wenn sie sich einen Augenblick setzen könnte, würde sie sich von der Hitze erholen und ihren Durst löschen.

Max saß auf dem steinigen Boden und beobachtete, wie Claire sich abplagte. Claire spürte die Röte in ihrem Gesicht und den Schweiß, der den Rücken hinunterlief, und sie ärgerte sich schrecklich über den belustigten Zug um Max’ Mund. Sie wusste, dass er die elegante Dame, die sich ihm gestern Nachmittag genähert hatte, mit dem schwitzenden Mädchen verglich, das jetzt keuchend auf ihn zukam. Sie blickte ihn grollend an, als sie ihren Rucksack abnahm und eine Wasserflasche herausholte.

„Wenn Sie vor Einbruch der Dunkelheit im Lager sein wollen, müssen Sie noch einen Schritt zulegen“, sagte Max.

„Ich gehe so schnell ich kann“, erwiderte Claire spitz und öffnete die Flasche. Das Wasser war warm und abgestanden, aber sie schob den Hut zurück, schüttete es über das Gesicht und trank davon, als wäre es Nektar. Als sie ihren Durst gelöscht hatte, nahm sie den Hut ab, streifte die Sonnenbrille über die Haare und wischte ihr feuchtes Gesicht mit dem Handrücken ab.

Max stand auf, als sie die Wasserflasche zudrehte und in den Rucksack steckte. „Fertig?“

Claire wollte sich gerade beschweren, dass sie nicht genug Zeit gehabt hätte, um sich zu erholen, als sie seinen Blick sah. Er wartete nur darauf, dass sie sich beklagte! Da konnte er aber lange warten. Sie gab nicht so schnell auf. Sie hob den Kopf, sah ihn herausfordernd an und hängte den Rucksack um. „Fertig“, sagte sie und setzte den Strohhut auf.

Bevor Max sich umdrehte, leuchteten seine Augen bewundernd auf. Claire hatte ein Hochgefühl, sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf und holte tief Luft. Sie würde es ihm zeigen! Ihre Beine zitterten, und sie hätte sich am liebsten im Schatten ausgeruht, aber der Gedanke an Max’ Geringschätzung zwang sie dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Hätte sie es nicht besser gewusst, dann hätte sie gedacht, dass Max kurz darauf nur ihretwegen eine neue Pause einlegte. Im Schatten einer Felsspalte nahm er den Rucksack ab, während Claire langsam zu ihm hinaufkletterte.

„Wir ruhen uns ein bisschen aus.“

Sie ließ sich neben ihm zu Boden sinken und schloss die Augen, sie war sogar zu erschöpft, um die Wasserflasche zu suchen. Ihr Herz hämmerte, und sie fühlte sich, als müsste sie vor Hitze und Durst zusammenbrechen.

„Hier“, sagte Max schroff und bot Claire eine Orange an, die er mit seinem Messer geteilt hatte. Das Fruchtfleisch war saftig, und Claire lutschte gierig daran. Sie hatte noch nie etwas derart Köstliches gegessen.

„Danke“, murmelte sie. Die süße Frucht gab ihr sofort wieder Kraft, und als Claire etwas getrunken und ihr Gesicht abgewischt hatte, fühlte sie sich viel besser. Sie nahm den Hut und die Sonnenbrille ab, fuhr mit den Fingern durch das feuchte Haar und lehnte sich seufzend wieder auf ihren Rucksack.

„Warum tun Sie das?“, fragte Max unvermittelt. „Das ganze Gerede über ihre Arbeit stimmt doch nicht. Sie kommen mir nicht vor wie eine Karrierefrau.“

Er hat Recht, dachte Claire. Bis vor einem Jahr hatte sie nie arbeiten müssen, aber das war vorbei. Alles hatte sich verändert.

„Ich habe die gleichen Gründe, wie andere Menschen, die ihrer Arbeit nachgehen“, sagte sie. „Ich brauche das Geld.“

„Man kann doch auch einfacher Geld verdienen, als dies hier durchmachen zu müssen.“ Max sah Claire an, die erschöpft auf ihren Rucksack gelehnt war, das goldene Haar völlig verschwitzt, die langen Beine im Staub ausgestreckt. Ihre Turnschuhe waren am Morgen makellos weiß gewesen, jetzt waren sie braun und voller Sand. „Diese Beratungsagentur ist doch nichts als heiße Luft. Warum suchen Sie sich nicht eine anständige Arbeit?“

Mit dem Hut fächelte Claire sich Luft zu. „Ich habe keine Berufsausbildung“, gab sie zu. Nachdem sie die Schule verlassen hatte, war es nicht nötig gewesen zu arbeiten, und sie hatte vor sich hin gelebt, immer darüber geredet, dass sie eine Ausbildung beginnen wollte, aber sich immer erst dazu entschieden, wenn es zu spät war.

„Wenn man bedenkt, wie Sie sich verhalten haben, seit Sie hier sind, kann man es kaum glauben, aber ich nehme an, dass Sie ein bisschen Verstand haben“, sagte Max bissig. „Es muss doch irgendetwas geben, was Sie tun können.“

Das habe ich auch geglaubt, dachte Claire und entsann sich an die langen, unangenehmen Monate, in denen sie versucht hatte, irgendeine Arbeitsstelle zu bekommen, sie erinnerte sich an jene demütigenden Vorstellungsgespräche bei denen sie zugeben musste, dass sie weder eine Ausbildung noch Erfahrung hatte, an die endlosen Absagen, an die langsame, aber schmerzliche Erkenntnis, dass sie völlig nutzlos war. Sie hatte ihre Zuversicht nach und nach verloren, so dass sie schließlich überglücklich gewesen war, als Kellnerin arbeiten zu können. Kurz danach hatte sie Piers getroffen. Er hatte ihr Selbstvertrauen gestärkt und ihr gezeigt, dass sie sich auf dem Holzweg befand.

„Man kann sich zwar mit gewöhnlichen Arbeiten über Wasser halten“, sagte sie zu Max. „Aber wenn man das große Geld machen will, muss man etwas riskieren. Wenn unsere Agentur erfolgreich ist, verdienen wir viel mehr Geld, als bei jeder geregelten Arbeit.“

„Geld!“, spöttelte Max. „Ich hätte wissen müssen, dass es darauf hinausläuft. Ist das alles, was Sie interessiert?“

Claire dachte an das Gesicht ihres Vaters, als er seine Schulden zusammenzählte. „Zur Zeit schon“, antwortete sie kurz angebunden. Sie hätte am liebsten geweint und Max alles erzählt, aber er hatte offensichtlich angewidert aufgegeben, sich im Schatten ausgestreckt und den Hut über die Augen gezogen.

Jetzt konnte sie ihn zum ersten Mal richtig ansehen. Er trug eine abgewetzte Hose und ein altes khakifarbenes Hemd mit aufgerollten Ärmeln, das den Blick auf den kräftigen sonnengebräunten Hals freigab. Claire betrachtete seinen ruhigen, regelmäßigen Pulsschlag. In dieser öden, fremden Umgebung wirkte er völlig entspannt.

Sie blickte um sich. Die Felsen schienen auf sie einstürzen zu wollen, die Wände der Spalten ragten drohend über ihr empor und der mit Geröll bedeckte Pfad schlängelte sich in die Höhe. Die Stille war bedrückend. Unendlich hoch über ihr schwebte ein Adler am Himmel.

Claire zitterte. Wie konnte Max an diesem schrecklichen Ort so … so dazugehörig wirken? Unmerklich rückte sie ihm näher und erinnerte sich daran, wie schrecklich abhängig sie von ihm war. Seine Stärke war überaus beruhigend, und sie hatte das Verlangen, ihn zu berühren.

Sie blickte ihn nachdenklich an. Man könnte besser mit ihm auskommen, wenn er so gefühllos wäre, wie er auf den ersten Blick wirkt, dachte sie, aber seine Augen verraten, dass er eigentlich viel leidenschaftlicher ist. Diese verhaltene Spannung war für Claire beunruhigend und doch irgendwie vertraut. Sie hatte es schon einmal gespürt, das wusste sie genau.

Sie sah auf seinen Mund, der einzige Teil seines Gesicht, der nicht vom Hut bedeckt wurde. Sie war seltsam aufgewühlt, und als sie sich an seine Küsse erinnerte, schienen ihre Lippen zu brennen. Nein, er war bei weitem nicht so gefühllos, wie er wirken wollte.

Ohne ihre prüfenden Blicke zu bemerken, brachte sich Max in eine bequemere Lage, und Claire, die plötzlich ein unerklärliches, unerwünschtes Verlangen verspürte, holte tief Luft.

„Was ist los?“ Max schob seinen Hut zurück und sah sie an. Selbst im Schatten wirkten seine hellen Augen durchdringend, und Claire wandte ihren Blick schnell ab.

„Nichts“, murmelte sie. Entsetzt über ihre Reaktion, räusperte sie sich und fügte eilig hinzu, „Ich habe mir nur überlegt, ob wir uns nicht schon früher kennen gelernt haben.“

Max sah sie scharf an und schob den schwarzen Hut, zu ihrer Erleichterung, wieder über die Augen. „Ich glaube kaum, dass wir uns in den gleichen Kreisen bewegen“, erwiderte er verächtlich.

„Nein.“ Er ist anmaßend, arrogant und grob, sagte sich Claire, obwohl sie sich nicht davon abhalten konnte, auf den überraschend sinnlichen Mund zu blicken. Die Hitze musste ihr mehr zugesetzt haben, als sie dachte. Sie überlegte, wie sie die Unterhaltung fortsetzen konnte, weil sie verzweifelt versuchte, nicht mehr an Max’ Mund, seinen Körper und seine Berührung zu denken.

„Was tun Sie eigentlich?“

„Ich bin Geologe.“ Max schien sich mit ihrer Anwesenheit abgefunden zu haben. „Ich mache zurzeit eine Studie über die Strukturen und Mineralien des Plateaus für die Regierung von Shofrar.“

„Arbeiten Sie für die gleiche Gesellschaft wie Bruce Mitchell?“

„Nein, ich bin unabhängiger Berater.“

„Berater?“ Claire konnte nicht umhin, ihn nachzuäffen. „Warum suchen Sie sich nicht eine anständige Arbeit?“

„Ich arbeite am besten allein“, sagte Max gelassen, sein widerwilliges Lächeln berührte Claire.

Sie wandte ihren Blick ab. „Arbeiten Sie schon lange hier?“

„Was soll das? Sind wir auf einer Cocktailparty?“ Er hob den Hut kurz an und warf ihr ein ironisches Lächeln zu. „Diese Befragung erinnert mich an die Londoner Feste. Alle stellen dieselben Fragen – Was tun Sie? Gefällt es Ihnen? – und dabei sehen sie einem ständig über die Schultern und suchen einen interessanteren Gesprächspartner. Das ist nichts als oberflächlicher Charme. Warum fragen Sie, wenn es Sie nicht interessiert?“

„Es interessiert mich aber“, sagte Claire und wunderte sich über die Bitterkeit, mit der er über London gesprochen hatte. „Schließlich machen wir diese Reise zusammen, ob es uns gefällt oder nicht“, fügte sie hinzu. „Es wäre schön, mehr von Ihnen zu wissen. Wenn ich nicht wissen wollte, wie lange Sie schon hier sind, hätte ich nicht gefragt.“

Max seufzte. „Wenn es so faszinierend ist, ungefähr sieben Jahre.“

„Zieht es Sie niemals heim?“

„Weshalb?“ Er schob den Hut zurück, setzte sich auf und lehnte sich an den Felsen. „Ich bin in einer Großstadt aufgewachsen und will nie wieder zurück. An der Oberfläche sieht alles nett und zivilisiert aus, aber darunter ist es bis ins Mark verdorben. Die meisten Menschen sind vom Geld besessen – so wie Sie – und wenn es nicht das Geld ist, dann davon, vorzugeben, dass sie etwas sind, was sie gar nicht sind, koste es was es wolle. Da beginnt die Korruption, und ich fand es widerlich.“

Claire zuckte zusammen. Man hatte ihren Vater in der Presse verleumdet, korrupt zu sein. Korrupt bedeutete verdorben, wie Max gesagt hatte, aber ihr Vater war nie so gewesen. Vielleicht verwegen, sogar unehrlich, aber nicht schlecht. Wie konnte sie Max erklären, dass jemand, der in seinem Geschäft das Gesetz gebrochen hatte, auch freundlich, loyal und viel zu großzügig sein konnte?

„Es ist nicht immer so einfach, wie Sie es sehen“, sagte sie kurz darauf.

„Nein“, gab er unerwartet zu. „Das ist es nicht. Aber in der Wüste schon. Deshalb bin ich so gerne hier.“ Er blickte auf den Adler, der mühelos seine Kreise zog. „Die Wüste bringt die Menschen zum Wesentlichen zurück. Zeit bekommt hier eine andere Bedeutung. In der Wüste muss man niemandem gefallen. Man ist das, was man ist.“ Mit den hellen, durchdringenden Augen blickte er Claire unvermittelt an. „Sie sollten mehr Zeit in der Wüste verbringen. Das könnte Sie entspannen.“

3. KAPITEL

Sie schwiegen. Max verwirrte Claire. Er war derart anders als alle Männer, die sie bisher kennen gelernt hatte, und sie überlegte, was ihn wohl in die Wüste getrieben hatte. Es musste einen Grund für diese tiefe Abneigung gegen das Großstadtleben geben. Eine Frau? Hatte ein Mädchen, das Geld mehr liebte als ihn, sein Herz gebrochen? Er sah nicht aus, wie ein Mann, dem man das Herz brechen konnte. Dafür war er viel zu selbstsicher.

Claire warf ihm einen verstohlenen Blick zu und fragte sich, was für eine Frau er wohl lieben könnte. Bestimmt keine große, blonde elegante Frau, dachte sie mit einem Anflug von Eifersucht. Sie war noch nie jemandem begegnet, der so unempfänglich für ihre Reize war.

Während Claire mit dem Finger Muster in den Sand zeichnete, wurde ihr bewusst, wie sehr ihr die Vorstellung widerstrebte, dass Max eine andere Frau anlächelte, sie berührte, seine starken Hände über ihren Körper gleiten ließ … Sie erschauerte bei diesem Gedanken, sah ihn erneut an und bemerkte, dass er sie mit einem rätselhaften Gesichtsausdruck beobachtete.

Ihre Blicke trafen sich, und schlagartig entstand eine gespannte Atmosphäre. Claire spürte, wie sie errötete und war sich sicher, dass er ihre Gedanken erraten hatte.

„Gehen wir“, sagte Max unvermittelt.

„Ja.“ Claire war so glücklich, abgelenkt zu werden, dass sie ganz vergaß, wie müde sie war, aber als sie den Rucksack wieder um die Schultern hängte, verzog sie ihr Gesicht. Er schien doppelt so schwer zu sein und rieb unangenehm an den Schultern.

„Sie haben wohl einen Sonnenbrand.“ Max deutete auf die Stelle und streifte dabei ihre Haut. Sie zuckte, als hätte sie einen Schlag bekommen. Er hob die Augenbraue ironisch. „Das kommt davon, wenn man ein ärmelloses T-Shirt trägt.“

„Ich wollte doch nur etwas Luftiges anziehen“, erwiderte Claire verärgert.

„Sie fühlen sich viel frischer, wenn Sie eine dünne Stoffschicht darüber haben.“ Max seufzte gereizt und öffnete seinen Rucksack.. Er kramte ein bisschen herum und holte ein ausgeblichenes grünes Hemd heraus. „Hier“, sagte er und warf es ihr zu. „Ziehen Sie das über. Ich möchte nicht, dass Sie einen Sonnenstich bekommen.“

Claire verlor das Zeitgefühl, als sie dem Pfad folgten, der sich in endlosen Serpentinen an der Schlucht entlang hinaufschlängelte. Manchmal musste sie sich gegen die Felswände drücken, da der Pfad schmal war und Schwindel erregend zur Schlucht hin abfiel, und obwohl Claire keine Höhenangst hatte, war sie froh, dass Max ihr half.

Nach der ersten schwierigen Wegstrecke war Claire ganz blass, und Max runzelte die Stirn, als sie sich zitternd über das Gesicht wischte.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte er schroff. Claire hob sofort den Kopf.

„Sehr gut.“

Trotzdem war sie unheimlich erleichtert, als sie Stunden später endlich die Schlucht erklommen hatten. „Sie haben das Schlimmste hinter sich gebracht“, sagte Max. „Ab jetzt geht es ziemlich flach weiter.“

Claire war zu sehr außer Atem, um zu antworten oder sich über seine ermutigenden Worte zu wundern, sie nickte jedoch dankbar, als er ihr die Wasserflasche reichte. Ihre Finger waren durch die Hitze angeschwollen, und ungeschickt versuchte sie, ihren Rucksack zu öffnen, bis Max ihr dabei half und mit einem ärgerlichen Kopfschütteln die Wasserflasche aufschraubte.

„Danke“, keuchte sie und setzte die Flasche an. Sie war viel zu dankbar, um seine Verärgerung übel zu nehmen.

Über das Plateau zu laufen war fast so anstrengend wie die Schlucht hinauf zu klettern. Es war zwar flacher, aber es gab keinen Weg, und der Boden bestand entweder aus spitzen Steinen oder verstreutem Geröll.

Die Sonne ging gerade unter, als Claire einen abfallenden Felsen erklomm, auf dem Max stand, als wäre er am Rand der Welt. Seine Silhouette hob sich scharf vom glühenden Himmel ab, und trotz ihrer Erschöpfung, verschlug es ihr bei diesem Anblick den Atem.

Als sie ihn erreichte, bemerkte sie, dass sie an einem Wadi standen. Max zeigte in die Ferne. „Sehen Sie den Baum dort? Da ist das Lager.“

Claire blickte sprachlos auf die riesige Zeder, die aus dem Nichts zu wachsen schien. Nachdem sie den ganzen Tag im eintönigen Braun der Felsen verbracht hatten, war es unglaublich, dass es hier grüne Blätter gab. Das Abendrot verklärte die felsige Landschaft und tauchte den Baum in sanftes goldenes Licht.

„Welch ein magischer Ort“, hauchte sie.

Max blickte sie an. „Der Baum ist angeblich über dreitausend Jahre alt.“

„Wie kann er denn so lange überleben? Hier gibt es kein Wasser, nichts.“ Claire vergaß, schnippisch zu sein.

„Früher war es in der Wüste viel kühler und feuchter als heute. Als der Baum wuchs, gab es viel mehr Wasser und seine Wurzeln sind jetzt so tief, dass er mit dem seltenen Regenwasser auskommt.“

Claire kletterte schweigend in den Wadi hinunter und auf der anderen Seite hinauf. Sie dachte daran, wie sehr sich die Welt verändert hat, seit der Baum angefangen hatte zu wachsen. Jetzt, da sie ihr Ziel fast erreicht hatten, wurde sie fast von ihrer Erschöpfung übermannt, und die letzten paar Meter schienen sich endlos hinzuziehen.

Diesmal ging Max jedoch an ihrer Seite und fing sie auf, als sie stolperte und zu fallen drohte. Seine Berührung gab ihr Kraft, und sie spannte die Beine an, so dass sie allein bis zum Baum gehen konnte. Völlig erschöpft legte sie sich hin.

„Dieses Lager wird immer von den Touristen benutzt“, sagte Max und zeigte auf ein paar schäbige Zelte. „Normalerweise muss man innerhalb einer der drei ausgeschilderten Zonen bleiben, aber da ich für die Regierung arbeite, kann ich da übernachten, wo ich will.“ Er sah Claire belustigt an. „Nutzen Sie das letzte Bisschen Zivilisation.“

Claire blickte auf die heruntergekommenen Zelte. Zivilisation? Sie gab ein müdes Lachen von sich. „Womit habe ich mir diesen Luxus verdient?“

„Meine Vorräte werden mit Eseln hergebracht“, sagte Max, ohne auf ihre ironische Bemerkung einzugehen. Zu ihrem Verdruss sah er genauso frisch aus, wie fast zwölf Stunden zuvor. „Ich kann also hier herkommen und mich mit Wasser und Lebensmitteln versorgen, anstatt alles die Schlucht hinauftragen zu müssen. Die Esel nehmen einen viel längeren Weg, so dass sie noch nicht da sind. Wir werden mit dem Aufseher Tee trinken, während wir warten.“ Er ging zu den Zelten und befahl ihr liegen zu bleiben.

Es wird mir nicht schwer fallen, dem Befehl nachzukommen, überlegte sie müde. Alles an ihr war derart steif und wund gescheuert, dass sie sich nicht bewegen konnte.

Ein paar Minuten später kam Max mit einem ernsten alten Mann zurück, der Claire feierlich begrüsste und sich ruhig daran machte, Tee zu kochen, während er mit Max sprach. Seine langsamen Bewegungen hatten eine seltsam beruhigende Wirkung auf Claire. Er saß im Schneidersitz am Feuer und bereitete in einer blauen Emailkanne ein Gebräu aus Tee, Minze und Zucker zu.

Claire nippte neugierig an dem Tee. Er schmeckte köstlich und belebte sie.

„Sie müssen drei Gläser davon trinken, nicht mehr und nicht weniger“, sagte Max. Das erste ist bitter wie das Leben. Das zweite ist stark wie die Liebe, und das dritte ist so süß wie der Tod.“

Seine volle Stimme berührte Claire. Sie war sich seiner Nähe bewusst. Wie der alte Mann, saß er im Schneidersitz, seine Knie waren nur ein paar Zentimeter von ihren entfernt. Er hatte der Sonne den Rücken zugekehrt, so dass das sanfte Licht ihn umgab. Sein Kopf war höflich zum Aufseher geneigt, und Claire wunderte sich, dass er sich anderen Menschen gegenüber ganz anders benahm. Wie konnte der Mann, der so ruhig mit einem Greis sprach, der gleiche Mann sein, der sie derart feindselig anblickte und so leidenschaftlich geküsst hatte?

Es war schon völlig dunkel, als Geräusche die Ankunft von Max’ Vorräten ankündigte. Zu diesem Zeitpunkt verspürte Claire überhaupt keinen Hunger mehr, aber Max brachte sie dazu, ein bisschen Couscous zu essen.

Anschließend machte Max Kaffee, schweigend teilten sie sich den Emailbecher. Jedes Mal wenn Claire Max am Handgelenk streifte, spürte sie ein gefährliches Kribbeln. Das hatte noch kein Mann in ihr ausgelöst, besonders keiner, den sie so sehr verabscheute, und das machte sie gereizt. Claire führte es auf die Müdigkeit und die fremde Umgebung zurück. Es war sehr dunkel, und nur das entfernte Gemurmel der Eselstreiber erinnerte sie daran, dass sie und Max nicht allein auf der Welt waren.

Max schien sich nicht an ihrer Anwesenheit zu stören. Gedankenvoll blickte er in die Dunkelheit. Claire beobachtete ihn heimlich. Es war diese Zurückhaltung, die ihr so erschreckend bekannt vorkam. Vielleicht nicht wirklich bekannt, berichtigte sie sich, aber sie glaubte, sie irgendwie wieder zu erkennen. Dieses unbestimmte Gefühl, ihm schon einmal begegnet zu sein, wurde ihr langsam lästig. Irgendwie, irgendwo hatte sie Max getroffen – oder jemanden, der so war wie er.

„Haben Sie Familie?“, fragte sie ihn.

Max wandte sich um und sah sie an. Sie war schon darauf gefasst, dass er genauso schroff reagierte wie auf ihre Frage nach seiner Arbeit, aber er sagte nur: „Eine Schwester. Warum?“

„Es ist nur, weil ich immer dieses seltsame Gefühl habe, Sie zu kennen. Ich habe mich gefragt, ob Sie einen Bruder haben, dem ich irgendwo begegnet sein könnte.“

„Nein, es gibt nur mich und Joana.“

„Joana ist ihre Schwester? Vielleicht habe ich sie getroffen.“ Manchmal hatten Geschwister die gleichen Eigenschaften, obwohl sie unterschiedlich aussahen. „Ist sie Ihnen ähnlich?“

Im flackernden Licht des Feuers sah Max fast belustigt aus. „Nein.. Wenn überhaupt, dann ähnelt sie Ihnen.“

„Mir?“, erwiderte Claire überrascht.

„Oh, sie sieht nicht so aus wie Sie. Joanna ist irgendwie hübsch, aber sie ist nicht so auffallend wie Sie. Sie ist auch nicht so selbstsicher, aber trotzdem gleicht ihr euch in verschiedener Hinsicht. Zunächst seid ihr beide Großstadtkinder. Sie kann genauso wenig verstehen, warum ich in der Wüste leben möchte. Joannas Vorstellung von Leben im Freien ist, auf einer Terrasse zu sitzen, zu der ein gepflasterter Weg führt.“

„Ich bin nicht so!“, entrüstete sich Claire.

„Wirklich nicht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie einen Spaziergang auf dem Land machen würden, wenn Sie in einem überheizten Restaurant sitzen könnten.“

„Nun ja …“ Claire versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal auf dem Land gewesen war. „Ich muss nicht spazieren gehen“, sagte sie schließlich. „Ich habe genug Bewegung. Ich gehe daheim jeden Tag in den Fitnessraum“, fügte sie stolz hinzu.

„Ich weiß nicht, warum solche Mädchen wie Sie und Joanna sich derart vor frischer Luft fürchten“, spöttelte er. „Ihr scheint damit zufrieden zu sein, in einer völlig künstlichen Umgebung zu leben.“

„Unsinn!“

„Das ist kein Unsinn. Ihr erwartet Licht, wenn ihr am Schalter dreht, Wasser, wenn ihr den Hahn aufdreht, ihr fahrt überall mit dem Auto hin, mit euren eigenen Metallkisten, die euch vor der übrigen Welt abschotten. Es ist euch egal, wie das Wetter ist. Alles was euch interessiert, ist was ihr anziehen werdet. Das Seidenkleid oder etwas, zu dem man eine Jacke tragen kann?“ Er tat so, als hätte er eine schwere Entscheidungskrise, und Claire lachte peinlich berührt. Er erinnerte sie zu sehr an die Zeit, in der sie nichts anderes zu tun hatte, als sich um die Kleiderfrage zu kümmern.

„Sind Sie Joanna gegenüber genauso?“

Autor

Barbara Faith
Barbara Faith de Covarrubias wurde am 19. Februar 1921 geboren. Von 1978 bis zu ihrem Tod am 10. Oktober 1995 schrieb sie vor allem für Silhouette mehr als 40 Liebesromane. Die meisten ihrer Romane spielen in Mexiko, Spanien, USA oder Marokko, darum sind auch ihre Protagonisten häufig lateinamerikanischer Herkunft.
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