Romana Jubiläum Band 9

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

UNTER DEM HIMMEL VON NIZZA von AMANDA BROWNING

In Nizza will Lucas noch einmal Sofies Nähe spüren … Nie hat er aufgehört, sie zu begehren. Deshalb soll sie ihn jetzt an die Côte d'Azur begleiten. Sie ist es ihm schuldig. Schließlich verschwieg sie ihm lange ihr Geheimnis. Und er weiß bis heute nicht, warum …

EINE PRICKELNDE ROMANZE von NINA HARRINGTON

Zarte Aromen, prickelnde Atmosphäre: Seit Saskia mit Rick Burgess durch Frankreich reist und die edelsten Weine verkostet, ist jeder Tag ein großes Abenteuer! Warum nur hat sie niemand gewarnt, dass ihr neuer Geschäftspartner vollkommen unwiderstehlich ist?

SINNLICHER SOMMER IN ST. TROPEZ von KATHRYN ROSS

Sommer, Sonne, St. Tropez – Libby ist absolut hingerissen von dem glamourösen Badeort an der Côte d'Azur. Vor dieser traumhaften Kulisse trifft sie den unwiderstehlichen Marc Clayton und erlebt in seinen Armen sinnliche Stunden. Aber kann sie Marc wirklich vertrauen?


  • Erscheinungstag 10.08.2024
  • Bandnummer 9
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524407
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Amanda Browning, Nina Harrington, Kathryn Ross

ROMANA JUBILÄUM BAND 9

PROLOG

Sofie Antonetti seufzte zufrieden. Noch konnte sie nicht ahnen, dass ihr Leben sich von diesem Tag an für immer verändern würde …

Ein vertrauter Duft stieg ihr nun in die Nase. „Kaffee!“ Lächelnd schlug sie die Lider auf und blickte in die faszinierenden blauen Augen ihres Mannes.

„Ich würde dich sofort wieder heiraten. Du machst wunderbaren Kaffee“, neckte sie ihn.

Seine Augen funkelten mutwillig. „Nur das?“

Langsam ließ sie die Hände über seine nackte Brust gleiten. Mit Lucas zu schlafen war das Aufregendste, was sie bisher erlebt hatte. „Na gut, du bist auch toll im Bett.“ Als er sich zu ihr beugte, schob sie ihn weg. „Aber jetzt brauche ich etwas zum Wachwerden.“

Lachend zog er sich zurück, damit sie sich aufsetzen und die Decke hochziehen konnte, um ihre Brüste zu bedecken. „Ich weiß, was darunter ist“, meinte er, während er ihr den Becher reichte.

Er hatte sich nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt und nahm eine große Schachtel und seinen Becher vom Frisiertisch.

„Was ist das?“ Sie überlegte, ob es sich um ein verspätetes Hochzeitsgeschenk handeln könnte. Nachdem Lucas und sie von den Flitterwochen auf den Seychellen zurückgekehrt waren, hatten sie einige Tage damit verbracht, die vielen Geschenke auszupacken, doch es trafen immer noch welche ein.

Lucas stellte seinen Becher ab und machte es sich auf dem Bett bequem. „Es sind die Hochzeitsfotos, die Jack für uns abgezogen hat.“

Sofort stellte auch Sofie ihren Becher weg und nahm ihm die Schachtel aus der Hand. Die offiziellen Aufnahmen hatten Lucas und sie schon nach wenigen Tagen bekommen, aber ihr Kollege Jack, der auch Fotograf war, hatte ihnen selbst ein Album zusammengestellt.

„Darauf habe ich mich schon die ganze Zeit gefreut!“, rief sie, während sie das Geschenkpapier abriss und die Schachtel öffnete. Unter dem Seidenpapier kam ein weißes Lederalbum zum Vorschein.

Natürlich waren die Fotos sehr professionell, wie sie beim Blättern feststellte. Doch schon bald verlor sie sich in Erinnerungen an jenen Tag und wie sie sich kennengelernt hatten …

Alles war perfekt. Die Sonne schien am strahlend blauen Himmel, und es herrschte eine fröhliche Stimmung. Doch niemand war so glücklich wie sie und Lucas. In dem Cutaway sah er einfach überwältigend aus.

Lucas und sie hatten sich erst wenige Monate zuvor in einem Hotel auf Bali kennengelernt – es war ein typischer Urlaubsflirt gewesen. Erst im Nachhinein hatte Lucas ihr gestanden, dass er sie unbedingt hatte wiedersehen wollen. Als sie kurz nach der Reise nach London fuhr, um die neue Zentrale der Antonetti Corporation zu fotografieren, fand sie heraus, dass die Firma seinem Vater gehörte und er der Geschäftsführer war, wie er ihr später erzählte.

Als sie das Büro betrat und sich ihm gegenübersah, war sie so schockiert, dass sie über den Teppich stolperte und Lucas direkt in die Arme fiel. Genau in diesem Moment verliebte sie sich hoffnungslos in ihn. Lächelnd hob er sie hoch, wurde aber wieder ernst, sobald er ihr in die Augen blickte.

„Eigentlich hatte ich nicht vor, es dir jetzt zu sagen, aber ich kann nicht länger warten. Ich liebe dich“, sagte er bewegt.

„Und ich liebe dich“, flüsterte Sofie überglücklich.

Als er sie dann zärtlich küsste, wusste sie, dass nichts wieder so sein würde wie vorher. Es war ein unbeschreibliches Gefühl gewesen, und von dem Augenblick an hatte sie jedes Mal so empfunden, wenn sie Lucas ansah.

Schon bald darauf heirateten sie. Es gab eine große Feier, denn Lucas und sie wollten alle an ihrem Glück teilhaben lassen. Am nächsten Tag waren sie auf die Seychellen geflogen und hatten dort eine wundervolle Zeit verbracht, bevor sie vor einigen Wochen zurückgekehrt waren.

Versonnen betrachtete Sofie jetzt den Schnappschuss, der sie beim Tanzen mit ihrem Vater zeigte. Er hatte ihr gesagt, wie schön sie sei, und genau wie in jenem Moment traten ihr Tränen in die Augen.

„O nein, da ist meine Tante mit dem schrecklichen Hut!“, rief Lucas aus, woraufhin Sofie das Gruppenfoto betrachtete, auf das er zeigte. Es war vor der Kirche entstanden. „Haben wir all diese Leute wirklich eingeladen? Wer ist das?“, fügte er hinzu.

„Wen meinst du?“

„Den da.“ Er zeigte auf einen Mann, der am Ende einer der hinteren Reihen stand.

Als sie ihn erkannte, schien es ihr, als würde eine eisige Hand ihr Herz umklammern. Nein! Bitte nicht! Warum war er zu ihrer Hochzeit gekommen? Wie war es möglich, dass sie seine Anwesenheit nicht gespürt hatte?

„Kennst du ihn?“, hakte Lucas nach, und sie zuckte erschrocken zusammen.

Sie spürte wieder die alte Angst in sich aufsteigen, versuchte sich aber nicht anmerken zu lassen, dass etwas nicht stimmte. „Nein. Wahrscheinlich ist er der Freund oder Mann von einem der weiblichen Gäste.“ Erleichtert stellte sie fest, dass ihre Stimme fast normal klang. In ihrem Inneren sah es allerdings ganz anders aus. Die Furcht wurde stärker, und sie wusste aus Erfahrung, dass es noch schlimmer werden würde. Lucas durfte es auf keinen Fall merken.

Sofie blickte auf den Wecker. „Du meine Güte, so spät ist es? Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät!“ Schnell sprang sie aus dem Bett und nahm ihren Bademantel vom Stuhl. „Du hast eine Besprechung mit … Du weißt schon, wen ich meine. Geh du ins Bad. Ich dusche im Gästebad.“

Bevor Lucas etwas einwenden konnte, suchte sie alles Nötige zusammen und eilte hinaus in den Korridor. Sobald sie sich in dem kleinen Raum befand, schloss sie ab und ließ ihre Sachen fallen. Am ganzen Körper zitternd, sank sie gegen die Tür und presste sich die Hand vor den Mund. Dann rutschte sie zu Boden, legte den Kopf auf die Knie und schlang die Arme um sich.

Warum ausgerechnet jetzt? Es war einige Jahre her, dass sie den Mann zum letzten Mal gesehen hatte. So lange, dass sie geglaubt hatte, ihn endlich los zu sein. Doch offenbar hatte sie sich getäuscht. Tränen rannen ihr über die Wangen, während sie sich hin und her wiegte. Bei der Vorstellung, dass er auf ihrer Hochzeit gewesen war, wurde ihr übel. Er hatte gewartet. Sie beobachtet. Und zum Schluss hatte er sich für das Foto mit aufgestellt, wohl wissend, dass sie es später sehen würde.

Ihr drehte sich der Magen um, und sie schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Toilette. Nachdem sie sich das Gesicht gewaschen hatte, sank sie gegen die geflieste Wand. Zum Glück zitterte sie nicht mehr, nun, da sie den ersten Schock überwunden hatte.

Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie hatte es gewagt, glücklich zu sein. Hatte nach vorn geschaut statt zurück. Aber nichts hatte sich geändert. Gary Benson war immer noch da. Und ihn hatte sie einmal gemocht!

Damals war sie neunzehn gewesen, als sie ihn kennenlernte. Er studierte am selben College wie sie und wirkte wie ein ganz normaler junger Mann. Doch schon nach wenigen Verabredungen merkte sie, dass er völlig auf sie fixiert war, und beendete die Beziehung. Dass sie seine Gefühle nicht erwiderte, wollte er nicht wahrhaben. Ständig rief er sie an, tauchte bei ihr auf oder wartete einfach draußen, bis sie gezwungen war, auf ihn zuzugehen und ihn wegzuschicken.

Als er irgendwann nicht mehr anrief, glaubte sie, er hätte aufgegeben. Stattdessen begann Gary, sie nun zu verfolgen. Natürlich schalteten ihre Eltern die Polizei ein und erwirkten eine einstweilige Verfügung gegen ihn – vergeblich.

Fast zwei Jahre dauerte dieser Albtraum an, bis er irgendwann ein Ende fand. Den Grund dafür hatte Sofie nie erfahren. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass Gary Benson sich nicht mehr für sie interessierte und sich ein anderes Opfer gesucht hatte. Und sie war dankbar dafür, wieder ein normales Leben führen zu können.

Das war es allerdings nur dem Anschein nach. Sie konnte keinem Mann mehr vertrauen und zog sich zurück, um sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Es dauerte sehr lange, bis sie sich wieder ohne Angst auf die Straße wagte.

Die Zeit und die Begegnung mit Lucas hatten diese Wunden geheilt. Sie hatte neuen Mut gefasst und Gary Benson vergessen – bis das Foto aufgetaucht war. Jetzt wusste sie, dass er sie nur vorübergehend in Ruhe gelassen hatte. Er betrachtete sie noch immer als sein Eigentum.

Seine Vermessenheit machte Sofie wütender als je zuvor. Sie würde nicht zulassen, dass er ihr das alles noch einmal antat! Sie wollte zur Polizei gehen. Allerdings konnte man es kaum als Stalking bezeichnen, wenn jemand nur auf einem Foto auftauchte.

Was sollte sie bloß tun? Ihr Instinkt riet ihr, sich Lucas anzuvertrauen. Doch er hatte momentan andere Sorgen, weil gerade die Übernahme einer Firma bevorstand. Sie konnte noch ein paar Tage warten, denn allein seine Nähe gab ihr das Gefühl von Sicherheit. Er war das Gegenteil von Gary – anständig und ehrenwert.

Trotzdem schauderte Sofie bei der Vorstellung, dass Benson sich in der Nähe aufhielt und sie beobachtete. Wahrscheinlich wartete er nur den richtigen Zeitpunkt ab und würde dann überraschend vor ihrer Tür stehen. Jetzt war sie allerdings keine wehrlose junge Frau mehr, sondern hatte einen starken Mann an ihrer Seite, der sie beschützte.

Es klopfte an ihre Tür. „Sofie! Bist du da drinnen eingeschlafen?“, rief Lucas.

Erschrocken sprang Sofie auf. „Ich bin fast fertig!“ Schnell zog sie ihren Bademantel aus und trat unter die Dusche. „Du kannst mir schon Toast machen.“ Sicher würde sie keinen Bissen hinunterbringen, aber sie musste so tun, als wäre alles in Ordnung – zumindest bis Lucas nicht mehr so unter Druck stand.

Nachdem sie in Rekordzeit geduscht und sich angezogen hatte, ging sie nach unten in die Küche, wo Lucas am Tisch vor einer Schale Müsli saß.

Er blickte auf und betrachtete sie stirnrunzelnd. „Was ist, cara?“

Sie rang sich ein Lächeln ab und schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich habe nur gerade daran gedacht, wie sehr ich dich liebe.“

Sofort streckte er ihr die Hand entgegen. „Komm her, und sag es mir.“

Bereitwillig ließ sie sich von ihm auf den Schoß ziehen. Während sie ihm durchs Haar strich, sah sie ihm tief in die Augen. „Ich liebe dich, Lucas. Und ich werde dich immer lieben.“

Lucas lächelte. „Das freut mich, denn ich empfinde genauso für dich. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. Wenn ich nicht in einer Stunde diese Besprechung hätte, würde ich es dir beweisen.“

Sofie wünschte, Lucas und sie könnten wieder ins Bett gehen und alles andere vergessen, doch das war nicht möglich. „Du kannst mir ja einen kleinen Vorgeschmack geben“, meinte sie verführerisch.

Lachend beugte er sich vor, sodass sie nur noch von seinem Arm gestützt wurde. „Und ob …“, erwiderte er, bevor er sie verlangend küsste.

Als er sich irgendwann von ihr löste, sehnten sich beide nach mehr.

„Vielleicht war das keine so gute Idee. Wir machen später weiter“, erklärte er schroff, und seufzend stand Sofie auf.

„Das wird ein langer Tag.“

Lucas erhob sich ebenfalls. „Ja, aber denk an heute Nacht.“ Er nahm sein Jackett von der Lehne und zog es an. „Ich muss los, cara. Denk an mich, während du deine Fotos schießt.“

Das würde sie tun. Er war immer in ihren Gedanken.

Sie brachte ihn zur Tür, und als er ging, winkte sie ihm nach, wie sie es meistens tat. Gerade als sie die Tür schließen wollte, nahm sie eine Bewegung auf der anderen Straßenseite wahr. Im Schatten eines Baumes stand ein Mann. Ein eiskalter Schauder überlief sie. Während sie noch regungslos dastand, kam er schon über die Straße auf sie zu. Sosehr es ihr auch widerstrebte, mit ihm zu sprechen, sie musste es tun. Sie musste wissen, warum er zurückgekehrt war. Also ging sie die Stufen hinunter zum Tor und blieb dort mit verschränkten Armen abwartend stehen.

Gary Benson war ein unscheinbarer Mann und wirkte inzwischen etwas heruntergekommen. „Hallo, Sofie“, begrüßte er sie, als hätte er sie erst vor wenigen Tagen zuletzt gesehen.

Kühl funkelte Sofie ihn an. „Was willst du, Gary?“, fragte sie schroff.

„Dich. Nur dich.“

Sie musste einen kühlen Kopf bewahren und riss sich zusammen. „Du kannst mich nicht haben. Ich bin verheiratet, falls du es vergessen haben solltest.“

Er lachte. „Du hast mich auf dem Foto gesehen. Ich hatte es gehofft. Du warst sehr schön.“

Sofie atmete scharf ein. „Du hattest kein Recht, da zu sein. Die Hochzeit war nicht öffentlich.“

Wie immer ignorierte Gary einfach, was er nicht hören wollte. „Wie konntest du ihn heiraten? Du gehörst zu mir! Du liebst mich!“

Wie oft hatte sie diese Worte schon gehört? Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das tue ich nicht. Ich liebe meinen Mann, nicht dich.“

„Das glaubst du. Aber wenn er weg ist, wird dir klar, dass du einen Fehler gemacht hast. Dann wird alles besser, du wirst sehen“, behauptete er selbstgefällig.

Sofie hatte keine Ahnung, was er damit meinte. „Er wird nirgendwohin gehen. Du bist derjenige, der geht. Verschwinde, und halte dich von mir fern“, befahl sie, so energisch sie konnte.

Gary lächelte nur. „Du weißt, dass du es nicht so meinst, Sofie.“

Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien. Sie drang einfach nicht zu ihm durch. „Wenn du mich weiter belästigst, rufe ich die Polizei.“

Selbstgefällig grinste er. „Die ist doch unfähig. Außerdem habe ich nichts verbrochen. Ich habe dir nie etwas getan. Ich liebe dich über alles. Ich möchte nur, dass wir zusammen sind.“

„Das kann nicht dein Ernst sein!“, höhnte sie, und wahrscheinlich zum ersten Mal erlebte sie ihn richtig wütend, als sie zu lachen begann.

„Lach gefälligst nicht über mich, Sofie. Ich mag es nicht, wenn andere sich über mich lustig machen!“ Er wandte sich ab und stapfte aufgebracht davon.

Aufgewühlt blickte Sofie ihm nach, bis er um die Ecke verschwand. Irgendwie musste sie ihm einen Schlag versetzen. Vielleicht würde er sie dann in Ruhe lassen.

Am Spätnachmittag bereitete Sofie eines von Lucas’ Lieblingsgerichten zu, denn heute würde es für mindestens eine Woche ihr letzter gemeinsamer Abend sein. Er musste geschäftlich nach Seattle fliegen, und diese Nacht sollte etwas ganz Besonderes werden. Während das Essen im Backofen garte, nahm sie ein Bad und zog danach einen eleganten Hausanzug an. Leise vor sich hin summend, ging sie nach unten ins Wohnzimmer, um Cocktails zu mixen.

Lucas kam eine Viertelstunde später als sonst. Sobald sie hörte, wie der Schlüssel im Türschloss gedreht wurde, überlief sie ein erwartungsvolles Prickeln. Mit zwei Gläsern in der Hand ging sie in die Eingangshalle, um ihn zu begrüßen.

„Hallo“, sagte sie verführerisch. Dann stellte sie die Gläser auf den Flurtisch und umarmte Lucas stürmisch.

„Hallo“, erwiderte er lachend, bevor er seine Aktentasche abstellte und sie an sich zog. „Was ist los?“

Sofie legte den Kopf zurück, um ihm in die Augen sehen zu können. „Ich habe dich vermisst, das ist alles.“ Sie hauchte ihm verführerische Küsse auf Hals und Kinn.

„Ich dich auch, cara.“ Er presste die Lippen auf ihre.

Da es die erste Trennung seit ihrer Hochzeit sein würde, legte Sofie die ganze Liebe, die sie für ihn empfand, in diesen Kuss. Wie immer flammte sofort heiße Leidenschaft zwischen ihnen auf. Und schon bald erwiderte Lucas das erotische Spiel ihrer Zunge mit derselben Begierde.

„Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe momentan keinen Appetit auf Essen“, gestand er, nachdem sie sich voneinander gelöst hatten.

Zärtlich strich Sofie ihm mit dem Finger über die Lippen. „Ich dachte, du hättest Hunger. Ich habe einen Schmortopf gemacht.“ Sinnlich blickte sie zu ihm auf.

Er lachte, doch der verlangende Ausdruck in seinen Augen war unmissverständlich. „Ich habe Appetit … auf dich. Komm, lass uns ins Bett gehen“, schlug er vor und hob sie im nächsten Moment hoch.

„Ich muss erst den Ofen ausschalten. Wir können später essen.“

Lucas trug sie in die Küche und dann nach oben ins Schlafzimmer.

Schnell zogen sie sich aus und sanken eng umschlungen aufs Bett. Da sie wusste, dass sie einige Zeit von dieser Begegnung würde zehren müssen, küsste und streichelte sie Lucas noch zärtlicher als sonst. Sie wollte ihm ohne Worte zeigen, wie sehr sie ihn liebte, und es knisterte förmlich vor Leidenschaft.

Nichts existierte mehr außer ihren erhitzten Körpern, die sich aneinanderschmiegten. Sinnliche Liebkosungen fachten die Glut noch stärker an. Lange hielten sie es nicht aus. Schon bald verschmolzen sie miteinander und bewegten sich in einem harmonischen, immer schneller werdenden Rhythmus, bis sie gemeinsam einen ekstatischen Höhepunkt erreichten.

Eine Ewigkeit später, wie es schien, kehrten sie in die Wirklichkeit zurück. Sofie schmiegte sich an Lucas und umarmte ihn. Diese Woche würde unendlich lang werden.

Plötzlich war sie sehr traurig. Sie schloss die Augen. „Ich wünschte, du müsstest nicht weg“, sagte sie seufzend.

Zärtlich küsste Lucas sie auf die Stirn. „Ich würde auch lieber hierbleiben, aber es ist ja nur für eine Woche. Danach haben wir noch ein ganzes Leben zusammen.“

Seine Worte trösteten sie sofort. „Ein ganzes Leben … Das klingt gut“, erwiderte sie gähnend. Sieben Tage würden schnell vorbeigehen.

Eigentlich hatte sie wach bleiben wollen, doch ihr leidenschaftlicher Liebesakt forderte seinen Tribut, und Sofie schlief ein. Kurz darauf fielen auch Lucas die Augen zu.

In den nächsten Tagen konzentrierte Sofie sich auf ihre Arbeit. Der Fotograf, für den sie tätig war, war ausgebucht, sodass sie viel zu tun hatte. Sie vermisste Lucas schrecklich und konnte seine abendlichen Anrufe kaum erwarten. Sobald sie seine Stimme hörte, fühlte sie sich weniger einsam.

Am Mittwoch hielt sie sich an dem Gedanken fest, dass Lucas schon in wenigen Tagen zurückkommen würde. Als sie am Abend mit ihm telefonierte, wurde sie allerdings enttäuscht.

„Tut mir leid, cara, aber ich muss noch ein paar Tage länger bleiben. Es läuft nicht so gut wie erwartet“, informierte er sie.

„Oh nein, Lucas!“, rief sie, während ihr Tränen in die Augen traten.

„Ich weiß“, beschwichtigte er sie. „Es geht leider nicht anders. Ich habe zu viel Arbeit in diese Übernahme investiert, um sie jetzt platzen zu lassen. Das verstehst du doch, oder?“

Natürlich tat sie das. Es änderte allerdings nichts an der Situation. „Ja“, erwiderte sie traurig und zuckte dann zusammen, als sie am anderen Ende der Leitung den Schrei einer Frau und anschließend Kichern hörte. „Was war das?“ Stirnrunzelnd setzte sie sich auf.

„Ach, ein paar Leute albern hier herum. Wir machen gerade eine Pause und sitzen am Pool. Ich muss jetzt Schluss machen. Denk daran, dass ich dich liebe. Ich komme nach Hause, sobald ich kann, ja?“

„Okay, Lucas. Ich liebe dich auch.“ Sofie versuchte, fröhlich zu klingen, aber sie war traurig, als sie auflegte.

In dieser Nacht schlief sie sehr schlecht und stand deshalb am nächsten Morgen später als sonst auf. Da sie eine Fotosession im Haus eines Kunden hatte, nahm sie auf dem Weg nach draußen die Post aus dem Briefkasten und steckte sie in ihre Tasche. Erst als sie sich gegen Mittag ein Sandwich kaufte und damit in einen nahe gelegenen Park ging, um in Ruhe zu essen, fielen ihr die Briefe wieder ein.

Außer den üblichen Rechnungen und Werbeschreiben befand sich auch ein brauner Umschlag darunter, auf dem nur ihr Name und ihre Adresse in Maschinenschrift standen. Neugierig riss sie ihn auf und nahm den Inhalt heraus. Es waren Fotos, an denen ein selbstklebender Zettel mit einigen Zeilen haftete:

Weißt Du eigentlich, was Dein Mann macht, wenn er weg ist? Sieh Dir diese Aufnahmen an!

Ihr Magen krampfte sich nun zusammen, und Sofie hatte plötzlich das Gefühl, dass sie an einem Abgrund stand. Mit zittrigen Fingern nahm sie den Zettel weg und atmete vor Entsetzen scharf ein. Die Aufnahme zeigte Lucas, der die Arme um eine ihr unbekannte Frau gelegt hatte. Die beiden lachten und blickten sich in die Augen, als würden sie …

„Nein!“, schrie Sofie auf. Dann sah sie sich das nächste Foto an. Ihr Herz krampfte sich zusammen, denn diesmal küssten die beiden sich.

Nun betrachtete sie den ersten Schnappschuss noch einmal. Ja, es handelte sich um dieselbe Frau, nur der Hintergrund war anders. Es war offensichtlich, dass die beiden eine leidenschaftliche Affäre hatten. Sie schloss die Augen, als könnte sie die Realität dadurch ausblenden, sah Lucas und die Fremde aber trotzdem vor sich.

Ihr wurde übel, doch sie zwang sich, die Ruhe zu bewahren. Das konnte nicht wahr sein! Aber sie hielt den Beweis in Händen. Und wer hatte ihr die Aufnahmen geschickt? Sie blickte noch einmal in den Umschlag. Er war leer. Irgendjemand hatte ihr die Wahrheit mitteilen, aber anonym bleiben wollen.

Es hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Bei dieser Person musste es sich um einen Freund oder eine Freundin handeln, und dieser Gedanke ließ Sofie innehalten. Ob es eine andere Erklärung für die Fotos gab? Sie wollte es glauben, denn sie hatte Vertrauen zu Lucas gefasst, und die einzige Möglichkeit war, ihn zu fragen.

Lucas würde sie nicht anlügen. Sofie nahm ihr Handy aus der Tasche und klappte es auf, stellte dann allerdings fest, dass der Akku leer war. Irgendwo in der Nähe musste es eine Telefonzelle geben. Sie stopfte alles in ihre Tasche und eilte los, um eine zu suchen. Als sie eine gefunden hatte, war die jedoch besetzt, und sie musste zehn zermürbende Minuten warten, bis sie endlich hineingehen konnte.

Obwohl es in Seattle jetzt mitten in der Nacht war, wählte sie die Nummer seines Hotels. Es dauerte eine Weile, bis man sie in sein Zimmer durchstellte, aber schließlich nahm jemand ab. Angespannt hielt sie den Atem an.

„Hallo! Ich hoffe, es ist wichtig“, ließ sich eine verärgerte Frauenstimme vernehmen.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und Sofie krauste die Stirn. „Entschuldigung. Eigentlich wollte ich Lucas Antonetti sprechen. Anscheinend liegt ein Irrtum vor …“

„Nein. Das hier ist sein Zimmer. Warten Sie, ich hole ihn.“ Verblüfft lauschte Sofie den Geräuschen am anderen Ende der Leitung. „He, Lucas, steh auf. Du wirst am Telefon verlangt.“

In diesem Moment brach für Sofie eine Welt zusammen. Mehr brauchte sie nicht zu hören. Sie knallte den Hörer auf die Gabel und stürzte verzweifelt aus der Telefonzelle. Das Einzige, woran sie denken konnte, war, dass die Fotos nicht gelogen hatten. Es stimmte alles!

Als sie sich umsah, fühlte sie sich ganz fremd und wollte nur noch weg aus dieser Umgebung. Sie musste so schnell wie möglich nach Hause! Schnell winkte sie ein Taxi herbei, riss die Tür auf und ließ sich auf den Rücksitz sinken. Sie nannte dem Fahrer ihre Adresse, dann barg sie das Gesicht in den Händen. Wie konnte Lucas ihr das nur antun? Sie hatte ihm vertraut! Angesichts ihrer Vorgeschichte war es ihr schwergefallen, an eine gemeinsame Zukunft zu glauben, und nun hatte er alles zerstört.

Gary Benson hatte ihr damals das Leben schwer gemacht, und nun hatte Lucas sie betrogen. Und das war die Hölle!

Diese Gedanke gingen ihr noch immer durch den Kopf, als sie zu Hause eintraf. Allerdings betrachtete sie es nicht mehr als ihr Zuhause. Sie fühlte sich außerstande, noch eine weitere Nacht hier zu verbringen. Als sie sich in dem Wohnzimmer umblickte, in dem sie so viele glückliche Stunden verbracht hatte, wusste sie, dass sie Lucas verlassen musste. Sosehr sie ihn auch liebte, sie konnte ihm nicht mehr vertrauen.

Sie musste ein für alle Mal aus seinem Leben verschwinden. Denn wenn sie ihn wiedersah, würde sie womöglich schwach werden und bei ihm bleiben. Bei der Vorstellung, für immer zu gehen, wäre sie beinah zusammengebrochen, doch sie musste stark bleiben.

Sofie riss sich zusammen und griff zum Telefon, um ihre Eltern anzurufen. Sie konnte nicht gehen, ohne ihnen zu erklären, warum. Nachdem es einige Male geklingelt hatte, nahm ihre Mutter ab.

„Hallo, Mum. Ich … ich wollte euch nur sagen, dass ihr euch keine Sorgen zu machen braucht, wenn ihr eine Weile nichts von mir hört“, sagte Sofie mühsam beherrscht.

Ihre Mutter merkte natürlich sofort, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los, Sofie? Was ist passiert?“

Sofie atmete tief ein. „Ich verlasse Lucas, Mum“, erwiderte sie angespannt, woraufhin ihre Mutter einen entsetzten Laut ausstieß.

„Aber warum? Was ist passiert? Ich dachte, ihr beide wäret glücklich miteinander.“ Ihre Mutter klang fast so verzweifelt, wie Sofie sich fühlte.

„Ich kann es dir jetzt nicht erklären. Ihr sollt nur wissen, dass ich es tun muss …“ Ihr versagte die Stimme, und sie biss sich auf die Lippe. „Ich werde euch schreiben.“

„Kind, überstürze bitte nichts. Komm her, und rede mit uns. Vielleicht können wir dir helfen.“

Sofie blinzelte, um die Tränen zu unterdrücken. „Das kann niemand. Es tut mir leid, Mum. Ich habe euch sehr lieb. Macht euch keine Sorgen um mich“, fügte sie mit bebender Stimme hinzu und legte auf, bevor ihre Mutter etwas erwidern konnte.

Nur wenige Sekunden später klingelte das Telefon, doch Sofie ignorierte es. Sie ging nach oben, holte zwei große Koffer aus dem Ankleidezimmer und packte alles ein, was sie mitnehmen wollte. Nachdem sie die Koffer nach unten gebracht und in die Eingangshalle gestellt hatte, setzte sie sich im Wohnzimmer an den Schreibtisch und schrieb einen Brief an Lucas. Darin teilte sie ihm mit, dass sie ihn verließ und er nicht nach ihr suchen solle, weil sie nicht zu ihm zurückkehren würde. Sie steckte den zusammengefalteten Bogen in einen Umschlag, verschloss ihn und stellte ihn auf den Kaminsims.

Danach rief sie sich ein Taxi. Während der Fahrer ihr Gepäck verstaute, schloss sie die Haustür ab und warf die Schlüssel in den Briefkasten. Als sie zum letzten Mal die Stufen hinunterging, hatte sie das Gefühl, all ihre Hoffnungen und Träume hinter sich zu lassen.

„Wissen Sie, von welchem Bahnhof die Züge in Richtung Norden fahren?“, fragte sie den Mann, sobald sie eingestiegen war.

„Das hängt davon ab, wohin Sie wollen, meine Liebe“, antwortete er.

Sofie zuckte die Schultern. „Bringen Sie mich einfach zum nächsten Zug.“ Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Es war vorbei. Sie hatte getan, was zu tun war. Nun musste sie lernen, den Rest ihres Lebens ohne Lucas zu verbringen.

1. KAPITEL

„Na, bin ich froh, dass ich ihm das nicht sagen muss!“, rief Sofie lachend, als sie ein weiteres Glas Champagner nahm, das ein Kellner ihr auf einem Tablett anbot.

Alles lief perfekt. Als ihr Chef den Fotowettbewerb anregte, hatte sie begeistert zugestimmt. Nie hätte sie damit gerechnet, dass er sie mit der Organisation betrauen würde, aber es war eine echte Herausforderung gewesen. Da sie nicht gern im Mittelpunkt stand und es auch um jeden Preis vermied, in der Öffentlichkeit aufzutreten, wollte sie die Preisverleihung eigentlich nicht ausrichten. Schließlich erklärte sie sich doch dazu bereit, weil sie davon ausging, dass man nur in den Lokalzeitungen darüber berichten würde.

In den letzten Jahren hatte sie es nicht leicht gehabt und sich mit allen möglichen Jobs über Wasser gehalten. Inzwischen hatte sie einen festen Job als Fotoassistentin und wohnte im Norden Englands in einem gemieteten kleinen Haus. Um keine Spuren zu hinterlassen, zahlte sie nur bar. Sofie Antonetti war an jenem Tag vor sechs Jahren spurlos verschwunden und lebte nun völlig zurückgezogen als Sofie Talbot.

Prüfend ließ sie den Blick durch den Raum schweifen, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Als sie sich von der Gruppe abwandte, mit der sie gerade geplaudert hatte, sah sie einen großen Mann hereinkommen und stehen bleiben. Sie erstarrte vor Entsetzen, denn es war nicht irgendein Fremder. Immer und überall hätte sie ihn wiedererkannt, denn er würde für immer in ihrem Herzen bleiben.

Es war Lucas!

Diesen Tag hatte sie so lange gefürchtet, in ihrem tiefsten Inneren aber auch herbeigesehnt. Lucas wiederzusehen erfüllte sie mit einem tiefen Glücksgefühl, denn sie hatte nie damit gerechnet, ihm noch einmal zu begegnen.

Nachdem der erste Schock abgeklungen war, schnürte sich ihr die Kehle zu, und Tränen traten ihr in die Augen. Zum Glück hatte er sie noch nicht bemerkt.

Sehnsüchtig betrachtete sie ihn. Vom ersten Moment an hatte sie diesen Mann über alles geliebt. Er hatte das gewisse Etwas, das ihr Herz sofort schneller klopfen ließ. Und sie hatte eine derart starke Bindung zu ihm gespürt, dass sie es sofort merkte, wenn er den Raum betrat. Kein anderer würde je an ihn heranreichen können.

Auch jetzt, während sie ihn betrachtete, nahm sie das Knistern wahr. Lucas hatte sich überhaupt nicht verändert. In einem der italienischen Designeranzüge, die er bevorzugte, ein Glas Champagner in einer Hand und die andere lässig in die Hosentasche geschoben, wirkte er völlig selbstsicher und gelassen. Diese Lässigkeit hatte sie schon immer sehr anziehend gefunden.

Kein Wunder, dass sie sich bis über beide Ohren in ihn verliebt und ihn sofort geheiratet hatte! Sie hätte es sofort wieder getan, würde er ihre Gefühle je erwidern können.

Dieser Gedanke und die Erkenntnis, dass Lucas sich nicht über das Wiedersehen mit ihr freuen würde, brachte Sofie auf den Boden der Tatsachen zurück. Schnell wandte sie sich ab und hoffte, er hätte sie nicht bemerkt. Das hier war kein Happy End, sondern konnte sich schnell zu einem Albtraum entwickeln.

Sofie trank einen Schluck Champagner, um sich zu beruhigen. Vielleicht handelte es sich nur um einen Zufall. Warum hätte Lucas ausgerechnet hier nach ihr suchen sollen? Möglicherweise hatte er geschäftlich in dieser Gegend zu tun und wohnte in diesem Hotel.

Ja. Genau so musste es sein! Sie seufzte nervös. Aber wenn Lucas aus reiner Neugier hier hereingekommen war und nicht gleich wieder ging, würde er sie sehen. Um neun fand die Preisverleihung statt, auf die sie sich freute.

Die Fotografie war ihre Leidenschaft, und erneut beruflich damit zu tun zu haben, hatte viel dazu beigetragen, dass sie wieder einen Sinn in ihrem Leben sah. Dieses mühsam errungene bescheidene Glück war jedoch in Gefahr, wenn Lucas nicht bald den Raum verließ. Sobald er sie sah, würde er sie zur Rede stellen. Sie hatte ihn zwar aus gutem Grund verlassen, trotzdem würde er wütend auf sie sein, weil sie so einfach verschwunden war. Und wenn er erfuhr, was sie ihm vorenthalten hatte, würde er sie für immer verachten.

Schnell ging sie in den angrenzenden Raum, um sich dort unter die Gäste zu mischen. Sie gesellte sich zu einer Besuchergruppe und hatte sich gerade ein wenig entspannt, als sie merkte, dass Lucas ebenfalls hereingekommen war. Erneut erstarrte sie und spürte dann ein sinnliches Prickeln – offenbar ruhte sein Blick nun auf ihr.

Langsam und mit wild pochendem Herzen drehte sie sich um. Die Geräusche um sie her schienen zu verstummen, sobald sie ihn am anderen Ende des Raums stehen sah und seinem Blick begegnete. Schnell senkte sie die Lider und öffnete sie dann wieder.

Nachdem ihr für einen Moment der Atem gestockt hatte, holte sie nun tief Luft. Lucas nach all der Zeit wieder in die Augen zu sehen war aufregend, und sofort spürte sie erneut jenes erotische Knistern.

Sie wartete darauf, dass er auf sie zukam. Er blieb jedoch stehen, was sie verwirrte. Dies schien ihm nicht zu entgehen, denn ein verräterisches Lächeln umspielte seine Lippen. Schnell wandte sie sich ab und suchte verzweifelt nach einer Erklärung für sein Verhalten. Wahrscheinlich wollte er selbst entscheiden, ob und wann er mit ihr redete. Damals hatte sie ihn vor vollendete Tatsachen gestellt, und jetzt bestimmte er.

Anscheinend hatte sie recht, denn er folgte ihr, als sie kurz darauf langsam von einem Raum zum anderen ging. Und obwohl sie seine Nähe spürte, blickte sie ab und zu über die Schultern, um sich zu vergewissern. Lucas blieb auf Distanz. Er spielte Katz und Maus mit ihr, und sie wusste nur, dass sie sich ihre wachsende Nervosität nicht anmerken lassen durfte.

„Da bist du ja! Ich hatte dich eben aus den Augen verloren.“

Sofie wirbelte herum und lächelte ein wenig schuldbewusst, als sie sich ihrem Chef David Lacey gegenübersah, den sie in der Zwischenzeit ganz vergessen hatte. „Ich … wollte mir nur etwas zu trinken holen“, schwindelte sie und zeigte ihm ihr leeres Glas.

„Komisch, ich dachte, das sollte ich tun.“ Er hielt zwei Gläser hoch, doch sie hörte gar nicht zu, weil sie schon wieder Ausschau nach Lucas hielt. Er stand in der Nähe und beobachtete David und sie. „Und der Hund ist mit dem Knochen weggelaufen“, fügte er trocken hinzu, woraufhin sie sich wieder zu ihm umdrehte.

„Was hast du gesagt?“, fragte sie.

David runzelte die Stirn. „Kleiner Scherz, vergiss es. Ist alles in Ordnung, Sofie?“, erkundigte er sich besorgt und blickte dann auf ihr Glas. „Wie viel hast du getrunken?“ Er stellte das zweite volle Glas auf das Tablett eines vorbeigehenden Kellners.

Sofie atmete tief durch. Sie musste sich zusammenreißen, sonst würde David noch unangenehme Fragen stellen. „Entschuldige. Ich bin ein bisschen nervös wegen der Preisverleihung. Aber keine Angst, das war erst mein zweiter Sekt.“ Das erste Glas hatte sie ohnehin nicht ausgetrunken.

„Anscheinend sind alle wichtigen Leute gekommen“, bemerkte ihr Chef, während er sich umsah. „Einen Gast kenne ich allerdings nicht. Hast du eine Ahnung, wer der Mann im Anzug an der Tür ist?“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. „Welcher Mann?“, fragte sie schroff und überlegte, wie sie sich verhalten sollte. Wenn sie sich unwissend gab und Lucas zu ihr kam, würde sie sich blamieren.

„Egal. Er ist weg“, erwiderte David, der ihren inneren Aufruhr offenbar nicht bemerkt hatte.

Als sie sich umdrehte und feststellte, dass Lucas tatsächlich den Raum verlassen hatte, überfiel sie eine seltsame Traurigkeit. Sosehr sie die Auseinandersetzung mit ihm auch gefürchtet hatte, ihre größte Angst war gewesen, dass er gehen und sie ihn nie wiedersehen würde.

Beinah panisch sah Sofie sich um. Sie konnte sich ihre tiefe Enttäuschung nicht erklären. Schließlich war es das Beste so, denn für Lucas und sie gab es keine gemeinsame Zukunft mehr.

Schnell trank sie einen großen Schluck Champagner. Daraufhin zog David die Augenbrauen hoch und nahm ihr das Glas ab.

„Warte einen Moment. Ich hole uns etwas zu essen, sonst hast du gleich einen Schwips.“ Er stellte die Gläser weg und wandte sich ab, doch sie umfasste seinen Arm.

„Lass nur. Es geht mir gut“, schwindelte sie. „Außerdem muss ich gleich meine Rede halten.“

Sie war erleichtert, als sie kurz darauf das Podium betreten und die Preise verleihen konnte. Und obwohl ihr nicht danach zumute war, schaffte sie es trotzdem, einigermaßen ungezwungen in die Kameras zu lächeln.

Während sie den Blick über die Gäste schweifen ließ, entdeckte sie plötzlich Lucas wieder. Prompt klopfte ihr Herz schneller. Er war also noch hier! Und als könnte er ihre Gedanken lesen, prostete er ihr zu und brachte sie damit erneut aus der Fassung.

Kurz darauf verließ sie zusammen mit den Preisträgern das Podium. Da diese sofort von ihren Verwandten und Freunden umringt wurden, verlor sie Lucas wieder aus den Augen. Nach einer Weile entschuldigte sie sich, um Ausschau nach ihm zu halten, konnte ihn allerdings nirgends entdecken. Da sie die Spielchen inzwischen leid war und ihr der Sinn auch nicht nach Small Talk stand, flüchtete sie sich auf die Terrasse.

Es war ein lauer Sommerabend. Sofie lehnte sich ans Geländer und ließ den Blick über die Stadt gleiten. Es wurde bereits dunkel, und überall gingen die Lichter an. Sie hatte es nie bereut, in den Norden Englands gezogen zu sein, und hätte keinen besseren Ort finden können, um ein neues Leben zu beginnen.

Mit den Jahren hatte sie sich zunehmend sicherer gefühlt – und nun war Lucas völlig unerwartet aufgetaucht. Auch wenn sie sich die ganze Zeit insgeheim danach gesehnt hatte, ihn wiederzusehen, wusste sie, dass es gefährlich für sie war, jetzt mehr denn je. Es gab Dinge, von denen er nichts ahnte, und sie fürchtete seine Reaktion, wenn er davon erfuhr.

Sie hatte damals auf schmerzhafte Art und Weise gelernt, dass das Leben sehr grausam sein konnte und die Menschen zu gewissen Entscheidungen zwang. Es hatte ihr das Herz gebrochen, und sie hatte lange gebraucht, um wieder glücklich zu werden. Wenn das Schicksal ihr jedoch noch einmal so mitspielte, hätte sie sicher kein zweites Mal die Kraft dazu. Aber sie hatte es geschafft.

Eine sanfte Brise wehte ihr das schulterlange braune Haar ins Gesicht, und im selben Moment lief ihr ein Schauer über den Rücken. Als sie sich nervös umdrehte, sah sie Lucas aus dem Schatten heraustreten und auf sich zukommen.

Auch aus der Nähe war er immer noch der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Das Licht, das aus einem der Fenster fiel, ließ sein schwarzes Haar schimmern und seine blauen Augen funkeln. Damals hatte sein Blick so viel Liebe verraten, dass es ihr den Atem raubte. Nun wusste sie nicht, was in Lucas vorging.

Etwa einen Meter vor ihr blieb er stehen. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen, während er sie von Kopf bis Fuß musterte. Damals hätte sie unter solchen Blicken sofort ein heißes Prickeln verspürt, jetzt aber empfand sie nur Leere. Deshalb war sie froh, als er ihr in die Augen sah.

„Warum hat es so lange gedauert?“, fragte er rau.

„Wie bitte? Ich …“ Sofie räusperte sich. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.

Merklich enttäuscht schüttelte Lucas den Kopf. „Natürlich weißt du das. Du hast mich den ganzen Abend beobachtet, und ich habe es genossen. Deswegen war mir klar, dass du mich suchen würdest, sobald du mich nicht mehr siehst.“

Ihr Puls raste. „Ich bin hierhergekommen, weil mir warm war und ich … Das heißt …“ Verzweifelt schloss sie die Augen und atmete tief durch. „Ich dachte, du wärst weg.“

„Du meinst, du hattest es gehofft“, konterte Lucas trügerisch sanft, woraufhin sie sich nervös die Lippen befeuchtete.

„Ja … nein … egal …“, sagte sie mit bebender Stimme und riss sich dann zusammen. „Warum hätte ich dich suchen sollen? Wir haben uns nichts mehr zu sagen“, erklärte sie energisch. Er musste endlich gehen, denn wenn er alles herausfand, würde er ihr niemals verzeihen.

„Im Gegenteil. Wir beide haben uns sogar eine Menge zu sagen, Mrs Antonetti!“, entgegnete er kühl.

Sofie zuckte zusammen. Dass er wütend war, konnte sie ihm nicht verdenken. „Lucas …“, begann sie hilflos.

„Weißt du eigentlich, dass ich früher sofort in Flammen stand, wenn du meinen Namen ausgesprochen hast?“, fragte er sarkastisch.

Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. „Bitte …“, flüsterte sie. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie wäre damals geblieben und hätte ihn zur Rede gestellt, aber eigentlich spielte es jetzt keine Rolle mehr. Inzwischen stand viel mehr auf dem Spiel.

Mit funkelnden Augen kam Lucas näher. „Das hast du auch gesagt, als du mich angefleht hast, dich zu lieben. Erinnerst du dich, Sofie? Erinnerst du dich überhaupt an irgendetwas?“

Natürlich tat sie das. Sie hatte nichts vergessen, weder die Glücksmomente noch ihren unbeschreiblichen Kummer. Am liebsten hätte sie ihn gefragt, wie es sich denn mit ihm verhielt, doch sie musste vorsichtig sein.

„Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen.“ Das war natürlich gelogen, denn es verging kein Tag, an dem sie nicht um das trauerte, was sie verloren hatte.

Höhnisch verzog Lucas den Mund. „Wie praktisch! Das Problem ist nur, dass die Vergangenheit einen immer dann einholt, wenn man es am wenigsten erwartet. Jedenfalls ging es mir so, als ich gestern das Hotel betrat und das Plakat mit deinem Foto sah.“

„Du hast also gar nicht …“ Sie verstummte abrupt, doch Lucas erriet natürlich, was sie hatte sagen wollen.

„Nach dir gesucht? Nein, ich bin geschäftlich hier. Du kannst dir sicher vorstellen, wie schockiert ich war. Meine abtrünnige Frau, die ich überall gesucht habe, versteckt sich gewissermaßen vor meinen Augen.“

Wütend hob Sofie das Kinn. „Ich habe mich nicht versteckt!“, entgegnete sie heftig, und damals war es auch tatsächlich so gewesen. Sie hatte ihn einfach nur nicht sehen wollen, weil sie ihren eigenen Gefühlen nicht getraut hatte. Dann hatten die Umstände sich jedoch geändert, und sie war aus ganz anderen Gründen vor ihm geflohen.

Lucas zog eine Augenbraue hoch, eine vertraute Geste, die sie schmerzlich berührte. „Und warum hast du deinen Namen geändert?“

Das Lügen war ihr schon immer schwergefallen. „Weil … weil …“ Ihr fiel beim besten Willen nichts ein. Verzweifelt suchte sie nach einer Erklärung. „Ich wollte … ein eigenes Studio eröffnen“, fuhr sie schließlich fort und gestikulierte dabei unbeholfen.

Sein spöttischer Blick bewies, dass Lucas ihr nicht glaubte. „Das würde ich dir abnehmen, wenn du Smith oder Brown geheißen hättest. Also, warum hast du deinen Namen nicht behalten? Es wäre dein gutes Recht gewesen. Schließlich bist du meine Frau.“

„Nenn mich gefälligst nicht so!“, fuhr sie ihn an, denn ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

Erneut legte sich ein spöttischer Zug um seinen Mund. „Warum? Das bist du doch“, erinnerte er sie. „Sofie Antonetti, meine Frau.“

Wieder war sie schockiert. Lucas konnte unmöglich meinen … „Aber … ich habe dir gesagt, du sollst nicht nach mir suchen und mich vergessen. Ich dachte …“

Er neigte den Kopf zur Seite. „Dass ich mich von dir scheiden lasse? Das wirft die Frage auf, warum du keine offizielle Trennung beantragt hast. Ach ja, weil ich dich sonst gefunden hätte, und das wolltest du ja nicht, stimmt’s?“

Mühsam schluckte Sofie. „Ich habe dich verlassen. Du hättest das Recht auf deiner Seite gehabt“, erinnerte sie ihn heiser.

Ein finsterer Ausdruck trat in seine Augen. „Da liegst du verdammt richtig. Du hast gesagt, du liebst mich. Konntest es gar nicht erwarten, mich zu heiraten. Und dann verschwindest du ein paar Wochen nach unserer Hochzeit spurlos. Hast du wirklich geglaubt, ich würde das alles einfach abhaken und dich vergessen? Träum weiter, Sofie.“

Eigentlich hätte sie sich denken können, dass ein Mann wie Lucas so etwas nicht mit sich machen ließ. Er wusste ja nicht, dass sie von seiner Affäre erfahren hatte. „Es tut mir leid. Ich habe einen Fehler gemacht.“

Lucas lachte bitter auf. „Und ob! Du bist mir etwas schuldig, Sofie.“

Starr blickte sie ihn an. Dies war einer der Gründe, warum sie sich vor Lucas versteckt hatte. Sie hatte schon immer gewusst, dass er ein leidenschaftlicher Mann war und sein Zorn keine Grenzen kennen würde. Doch sie konnte ihm keine Antworten geben. Sonst würde sie ihn womöglich auf die Spur ihres Geheimnisses führen. Und so musste sie ihre Gefühle unterdrücken und stark bleiben.

„Wenn ich dich verletzt habe, tut es mir leid, aber was ich getan habe, war nur zu unserem Besten. Vergiss mich, Lucas. Wir beide hätten nie ein Paar werden dürfen. Fahr wieder nach Hause, sobald deine Besprechungen vorbei sind.“

Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Bilde dir ja nicht ein, dass ich immer noch tue, was du sagst. Ich bleibe hier, bis ich alle Angelegenheiten geregelt habe.“

Seine Worte machten sie erneut nervös. „Gut, dann bleib, aber lass mich in Ruhe. Ich will dich nicht mehr sehen, Lucas.“

Er kniff die Augen zusammen. „Warum? Weil du einen neuen Partner hast? Ist es der Mann, mit dem du vorhin gesprochen hast? Und was hast du mit ihm gemacht? Ihn weggeschickt?“

Unbehaglich führte Sofie sich vor Augen, dass sie tatsächlich keinen Gedanken mehr an ihren Chef verschwendet hatte. „David kennt mich. Es macht ihm nichts aus.“

Wieder zog Lucas eine Braue hoch. „Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass er sich mit einer verheirateten Frau trifft.“

„David ist mein Chef“, stellte sie nun schnell richtig, weil sie nicht wollte, dass Lucas mit irgendjemandem über sie sprach.

„Ich hoffe, das stimmt. Unser erstes Treffen soll schließlich nicht mit einer Lüge enden“, sagte er sanft, wobei er ihr in die Augen blickte.

„Unser erstes und letztes“, verkündete sie energisch, obwohl ihre Beine zu zittern begannen.

„Es ist noch nicht vorbei. Du wirst mich wiedersehen. So, ich würde unsere faszinierende Unterhaltung zwar gern fortsetzen, aber ich muss gleich an einer Telefonkonferenz teilnehmen.“ Er wandte sich ab.

Plötzlich begann ihr Herz wieder zu rasen. „Bitte halt dich von mir fern, Lucas!“, rief sie ihm nach.

„Nicht, nachdem ich dich endlich gefunden habe“, entgegnete er kühl, bevor er im Gebäude verschwand.

Sobald er außer Sichtweite war, drohten ihre Beine nachzugeben, und Sofie ließ sich gegen das Geländer sinken. Wie konnte das Schicksal ihr so übel mitspielen, nach allem, was sie durchgemacht hatte? Bei der Vorstellung, was für sie auf dem Spiel stand, packte sie nackte Angst.

„Heute Abend machst du dich aber rar!“, riss eine tiefe Stimme sie plötzlich aus ihren Gedanken, und Sofie zuckte erschrocken zusammen, weil sie David gar nicht hatte kommen hören.

„Entschuldige bitte“, erwiderte sie schuldbewusst. „Ich brauchte frische Luft.“

„Das habe ich gesehen“, bemerkte er trocken, was sie erröten ließ. „Das war der Mann von vorhin. Wer ist er?“

Sie beschloss, ihm zumindest einen Teil der Wahrheit zu sagen, um später nicht als Lügnerin dazustehen. „Sein Name ist Lucas Antonetti. Er hat geschäftlich hier zu tun.“

Er runzelte die Stirn. „Antonetti? Irgendwie kommt der Name mir bekannt vor.“

„Vielleicht hast du ihn irgendwann mal in der Zeitung gelesen“, sagte sie, in der Hoffnung, damit weitere Spekulationen zu vermeiden.

„Kann sein. Und, wann willst du ihn wiedersehen?“

Prompt verspannte sie sich. „Gar nicht“, erwiderte sie schnell. „Wie kommst du überhaupt darauf?“ Ihr Lachen wirkte gekünstelt, wie sie sich selbst eingestehen musste.

„Weil ich ihn beobachtet habe, als du auf dem Podium gestanden hast. Er scheint sehr an dir interessiert zu sein.“

Beinah hätte Sofie hysterisch aufgelacht. „Du irrst dich.“

Doch er schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Er konnte den Blick gar nicht von dir abwenden!“

Das reichte ihr. Sie richtete sich auf und stellte erleichtert fest, dass die Beine ihr wieder gehorchten. „Wir haben uns nur unterhalten. Ich beabsichtige nicht, ihn wiederzusehen!“, fügte sie scharf hinzu, woraufhin ihr Chef überrascht blinzelte.

„Entschuldige. Ich dachte nur … Na ja, egal. Ich halte jetzt den Mund.“

Nun hatte sie ein schlechtes Gewissen. „Ich muss mich bei dir entschuldigen.“ Plötzlich fühlte sie sich völlig erschöpft. „Macht es dir etwas aus, wenn ich jetzt nach Hause fahre, David? Ich bin furchtbar müde.“

„Natürlich nicht. Du siehst total erledigt aus!“, sagte er mitfühlend. „Du hast heute Abend großartige Arbeit geleistet, und ich bin stolz auf dich.“ Er hakte sie unter, um sie hineinzuführen.

Sofie rief sich ein Taxi und traf kurz darauf zu Hause ein. Leise schloss sie die Eingangstür hinter sich. Nachdem sie einen Moment stehen geblieben war und nach oben geblickt hatte, ging sie ins Wohnzimmer. Annie, ihre Babysitterin, blickte von ihrem Buch auf und lächelte sie an.

„Hallo, Annie, ist alles in Ordnung?“, fragte Sofie und beobachtete dann, wie die junge Frau ihre Sachen einpackte.

„Ich habe den ganzen Abend keinen Laut gehört“, berichtete diese, während sie das Geld entgegennahm. „Sag einfach Bescheid, wenn du mich wieder brauchst.“

„Das mache ich. Danke, Annie.“ Sofie brachte sie zur Tür und wartete, bis Annie das Nachbarhaus betreten hatte. Dann ging sie nach oben zu der Tür, die einen Spaltbreit offen stand.

Leise betrat sie das Zimmer und ging zum Bett, um den kleinen Jungen zu betrachten, der darin schlief. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, weil ihr dunkelhaariger Sohn das genaue Abbild seines Vaters war. Dies war das Geheimnis, das sie so hütete. Wenn Lucas sich an ihr rächen wollte, weil sie ihn von einem Tag auf den anderen verlassen hatte, wie würde er dann erst reagieren, wenn er erfuhr, dass sie ihm seinen Sohn vorenthalten hatte?

Sie mochte es sich gar nicht ausmalen. Ihre Hand zitterte, als sie Tom zärtlich übers Haar strich. Er seufzte, und sie wartete einen Moment, bevor sie ihn auf die Stirn küsste und anschließend das Zimmer verließ. Im Flur musste sie sich an der Wand abstützen. Was sollte sie bloß tun? Lucas hatte sie betrogen. Warum also sollte sie wieder diejenige sein, die litt? Er war im Unrecht, und es war richtig von ihr gewesen, ihn zu verlassen.

Irgendwann jedoch musste man für alles bezahlen, und nun würde Lucas sie zur Rechenschaft ziehen.

2. KAPITEL

Traurig seufzend ging Sofie ins Schlafzimmer. Sie knipste das Licht an, ließ die Tür aber offen, damit sie Tom hörte, falls er in der Nacht aufwachen sollte. Nachdem sie ihre Schuhe abgestreift hatte, trat sie ans Fenster. Dabei rieb sie sich die Arme, weil sie innerlich fror.

Stand Lucas in diesem Moment auch am Fenster und überlegte, ob sie an ihn dachte? Nein, dafür war er zu sehr von sich überzeugt. Er wusste, dass sie es tat und sich ängstlich fragte, wie er sich weiterhin verhalten mochte. Er würde erst wieder gehen, wenn er Antworten bekommen hatte. Wie sehr wünschte sie, die Dinge würden anders liegen!

Zu Anfang war ihre Beziehung von Glück, Leidenschaft und Zuversicht geprägt gewesen. Selbst jetzt musste Sofie lächeln, als sie den liebevollen Ausdruck in Lucas’ Augen vor sich sah. Das Herz wurde ihr schwer. Nie wieder würde er sie so anschauen wie damals.

Doch würde sie ihm überhaupt glauben, selbst wenn er ihr noch einmal seine Liebe gestand? Sicher nicht, denn er hatte ihr Vertrauen missbraucht.

Sofie seufzte. Nun, da sie Lucas wiedergesehen hatte, verstärkte sich das Gefühl, betrogen worden zu sein, einmal mehr. Als ihr Blick auf das Schmuckkästchen auf der Frisierkommode fiel, ging sie hin, um erst das obere Fach und dann die darunter liegenden Gegenstände herauszunehmen. Mit Tränen in den Augen betrachtete sie den diamantbesetzten Ehering in ihrer rechten und das Foto in der linken Hand.

Sie kehrte zum Fenster zurück und setzte sich auf die Bank. Das Bild war das einzige, das sie damals mitgenommen hatte. Es zeigte Lucas und sie an ihrem Hochzeitstag. Darauf wirkten sie beide so glücklich, dass es ihr schier das Herz zerriss. Natürlich hatte sie damals nicht geahnt, wie flatterhaft er war.

Und trotz seiner Untreue hatte sie sich abends unzählige Male in den Schlaf geweint. Ständig fragte sie sich, wo er gerade sein, was er gerade tun mochte. Die Sehnsucht nach dem Klang seiner Stimme bewog sie mehr als einmal, zum Hörer zu greifen, aber letztendlich siegte immer die Vernunft.

Es kostete sie große Kraft, jeden neuen Tag zu überstehen. Ihr war, als würde sie durch einen endlos langen dunklen Tunnel gehen. Erst als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, sah sie wieder einen Sinn in ihrem Leben.

Sobald die erste Euphorie nach der Geburt verflogen war, wurde Sofie sich bewusst, in welch unhaltbarer Situation sie sich befand. Lucas hatte ein Recht darauf, von seinem Sohn zu erfahren, aber sie konnte sich nicht dazu überwinden, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als die Folgen zu tragen und mit den Schuldgefühlen zu leben.

Es war nicht einfach gewesen, doch ein Kind zu haben hatte ihr enorm geholfen. Sie hatte ihren Sohn vom ersten Augenblick an geliebt, und er hatte sie von ihrem Kummer abgelenkt. Nachdem sie jene schwerwiegenden Entscheidungen getroffen hatte, hatte sie ihr Bestes getan, um mit der Vergangenheit abzuschließen.

Angst überkam sie, als ihr klar wurde, wie verletzlich sie war. Was sollte sie denn bloß tun? Wenn sie Lucas jetzt von der Existenz seines Sohnes erzählte, würde er ihr niemals verzeihen, und das zu Recht. In ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass er seinen Sohn würde haben wollen. Und sie könnte es niemals ertragen, Tom zu verlieren.

Tränen brannten Sofie in den Augen, und sie presste sich die Hand an die bebenden Lippen. In Gedanken hörte sie die Stimme ihrer Großmutter, die oft gesagt hatte, dass jede Sünde sich irgendwann rächen würde. Allerdings hatte sie damals keine Wahl gehabt. Wäre sie bei Lucas geblieben, hätte sie ständig gezweifelt, und irgendwann hätte er ihr wieder das Herz gebrochen. Sie hatte den Kontakt zu ihm abgebrochen, damit er sie vergaß und sein Leben weiterlebte.

Doch er hatte sich nicht von ihr scheiden lassen und sie auch nicht vergessen. Er wollte Vergeltung für das, was sie ihm angetan hatte.

Eine Träne rann ihr über die Wange. Sie musste jetzt stark sein. Und sie brauchte nur noch ein einziges Treffen mit Lucas zu überstehen. Dann wäre er weg, und ihr Leben würde wieder in den gewohnten Bahnen verlaufen.

Sofie lachte gequält. Das Lügen fiel ihr sehr schwer, aber sie hatte keine andere Wahl. Wenn Lucas auftauchte, musste sie ihm sagen, was er hören wollte, damit er sie ein für alle Mal in Ruhe ließ.

Schmerz durchzuckte sie bei der Vorstellung. Sie lehnte den Kopf an die Wand und atmete tief ein. Ihre heftige Reaktion bewies ihr, wie sehr sie sich insgeheim nach einem Wiedersehen mit Lucas gesehnt hatte – trotz seiner Untreue.

Sie schlang die Arme um sich, während ihr heiße Tränen über die Wangen liefen. Nichts hatte sich geändert. Es würde kein Happy End für Lucas und sie geben. So war das Leben. Ohne Vertrauen war Liebe nicht möglich.

In den nächsten Tagen durchlebte Sofie ein schreckliches Auf und Ab der Gefühle. Nachdem sie im einen Moment noch darauf vertraut hatte, dass sie ein zweites Treffen mit Lucas überstehen würde, ohne ihr Geheimnis preiszugeben, verzweifelte sie im nächsten, weil sie wusste, wie schwer es sein würde. Wie, um alles in der Welt, sollte sie einen fünfjährigen Jungen verstecken? In den vergangenen drei Nächten hatte sie kaum geschlafen, aus Angst, Lucas könnte am nächsten Tag vor der Tür stehen. Bisher war er allerdings noch nicht aufgetaucht.

Entweder war er sehr beschäftigt, oder er ließ sie absichtlich warten. Wahrscheinlich beides, dachte sie und erschauerte.

Inzwischen war Montag, und sie hatte Tom auf dem Weg zu ihrer Arbeit zur Vorschule gebracht. Das ganze Wochenende hatte er schlechte Laune gehabt – vermutlich weil er spürte, wie ihr zumute war. Sie hatte ihn einige Male angefahren und sich dafür gehasst, schließlich konnte er nichts für ihre Probleme. Der Gedanke daran schnürte ihr jetzt die Kehle zu, und sie beschloss, sich zusammenzureißen, bevor sie ihn später bei Jenny abholte.

Jenny, Annies Mutter, hatte einen Sohn im selben Alter. In der Woche durfte Tom nach der Schule bei ihnen bleiben, bis sie nach Hause kam. Sofie hätte nicht gewusst, was sie ohne die beiden getan hätte.

Normalerweise lenkte ihre Arbeit sie von ihren Sorgen ab, doch heute fiel es ihr sehr schwer, sich darauf zu konzentrieren – nicht zuletzt wegen des Schlafmangels. Während sie ein Porträt vergrößerte, schimpfte sie leise vor sich hin. Zum Glück war sie allein im Studio, denn David hatte gerade eine Fotosession bei einem Kunden zu Hause, und Jimmie, der Auszubildende, hatte Mittagspause und war weggegangen.

Sofie führte gerade eine Korrektur durch, als die Ladenglocke klingelte. Erschrocken zuckte sie zusammen und merkte erst jetzt, wie angespannt sie war. Nervös lauschte sie und hoffte, dass es Jimmie war, der zurückkam, aber es handelte sich offenbar um einen Kunden.

Da Tina, die Empfangsdame, krank war, stand Sophie auf und zog ihren Laborkittel aus. Nachdem sie ihn an den Haken gehängt hatte, öffnete sie die Tür und betrat den vorderen Raum.

„Tut mir leid, dass Sie warten mussten“, entschuldigte sie sich fröhlich, obwohl sie noch niemanden sah. Doch sobald sie um die Ecke ging, erblickte sie ihn. Die Hände in den Hosentaschen, stand er mit dem Rücken zu ihr und betrachtete die gerahmten Fotos an den Wänden.

„Kein Problem. Ich bin ein sehr geduldiger Mann. Ich warte immer so lange, bis ich bekomme, was ich will“, verkündete Lucas in drohendem Ton, als er sich zu ihr umdrehte. „Deine Fotos sind sehr gut. Du verstehst es, den Menschen hinter der Fassade zu zeigen.“

Sofie musste sich eingestehen, dass sein Kompliment sie überraschte. Allerdings hätte es ihr mehr bedeutet, wenn er nicht gleich hätte durchblicken lassen, dass er sich an ihr rächen wollte.

„Die sind nicht alle von mir“, erwiderte sie steif. Normalerweise machte ihr Chef die Studioaufnahmen. Aber ihre privaten Fotos hatten ihn beeindruckt, und er hatte darauf bestanden, einige davon hier auszustellen.

Lucas nickte gedankenverloren. „Ich weiß. Das hier, das und die beiden da hinten sind von dir“, meinte er, während er auf die entsprechenden Bilder zeigte. „Sie verraten eine Tiefe, die den anderen fehlt.“

„Ich versuche, mit jeder Aufnahme eine Geschichte zu erzählen.“

„Und das ist dir erstaunlich gut gelungen. Du hattest schon immer ein Talent dafür, hinter die Fassade zu schauen – unter anderem“, bemerkte Lucas ironisch, woraufhin Sofie sich sofort verspannte.

„Und über welche Fähigkeiten verfüge ich sonst noch?“, hakte sie nach.

Nun lächelte er. „Na, die, spurlos zu verschwinden, natürlich“, konterte er.

Jetzt hatten sie genug Höflichkeiten ausgetauscht. „Was kann ich für dich tun, Lucas?“, fragte sie beherrscht.

Doch während sie sich nach außen hin kühl gab, loderte heißes Verlagen in ihr. Sie dachte daran, wie schnell sie damals seine Leidenschaft entfacht hatte, sobald sie ihn umarmte. Aber das war lange vorbei. Ganz sicher wollte Lucas jetzt nicht mehr, dass sie ihn berührte. Um sich nichts anmerken zu lassen, ballte sie die Hände zu Fäusten und setzte eine unbeteiligte Miene auf.

Lucas kam ein wenig näher. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen, und seine blauen Augen funkelten. „Eine Menge“, antwortete er mit jenem vertrauten verführerischen Unterton, mit dem sie nie wieder gerechnet hätte.

Dabei musterte er sie so herausfordernd, dass es ihr vorkam, als hätte er sie tatsächlich berührt. Ein heißes Prickeln überlief sie, und ihr Puls begann zu rasen. In Anbetracht der Umstände war es jedoch völlig unangebracht, so zu empfinden, und sie riss sich zusammen. Lucas spielte nur mit ihr und durfte auf keinen Fall merken, welche Wirkung er immer noch auf sie ausübte.

„Früher vielleicht. Jetzt nicht mehr.“ Sofie ging zum Empfangstresen und lehnte sich dagegen, weil sie ganz weiche Knie hatte.

Die Hände noch immer in den Taschen, kam Lucas auf sie zu, und prompt fiel ihr Blick auf seine langen Beine. Nur zu genau erinnerte sie sich daran, wie es gewesen war, als er sie um sie geschlungen hatte, und hätte beinah laut gestöhnt.

„Warum nicht? Schließlich hat sich zwischen uns nichts geändert“, erklärte er sanft.

Was für ein Spielchen spielte Lucas jetzt? Nervös räusperte Sofie sich. „Ich habe dich verlassen. Wenn das keine Veränderung ist …“

„Stimmt, aber mir ist bei unserem Wiedersehen etwas bewusst geworden. Ungeachtet dessen, was du getan hast, ist diese Bindung zwischen uns immer noch vorhanden. Zwischen uns knistert es noch genauso stark wie damals. Es ist nicht vorbei, stimmt’s, cara?“, fragte er leise.

Ihr Herz pochte wild. Mit bebenden Fingern begann sie, im Terminkalender zu blättern, und tat so, als würde sie die Eintragungen überfliegen. Mit dieser Taktik hätte sie niemals gerechnet. Lucas konnte es unmöglich ernst meinen. Er wollte sie damit nur verunsichern. „Mach … mach dich nicht lächerlich. Es war vorbei, als ich dich verlassen habe. Wie ich bereits sagte, vergeudest du nur deine Zeit.“ Sie zwang sich, zu ihm aufzublicken. „Hör zu, ich bin im Moment sehr beschäftigt. Soll David dich fotografieren?“

Das Funkeln in seinen Augen wurde noch intensiver. „Das auch.“

Plötzlich flammte Zorn in ihr auf. „Lass das, Lucas! Es ist nicht komisch. Ich habe keine Zeit für deine Spielchen. Du solltest jetzt lieber gehen.“

„Wer sagt, es wäre ein Spiel? Wir beide haben noch eine Menge zu klären. Mehr, als ich gedacht hatte. Ich werde also nirgendwohin gehen. Außerdem wolltest du früher immer mit mir allein sein“, fügte er mit einem amüsierten Unterton hinzu.

Ungläubig sah sie ihn an. „Du behauptest also, mich immer noch zu begehren, und denkst, ich will dich auch?“ Natürlich hatte er recht. Sie fühlte sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen, und es kostete sie ihre ganze Willenskraft, ihm nicht in die Arme zu fallen.

Er lachte. „Ich weiß es, cara. Von Anfang an hat es zwischen uns geknistert. Ich habe es in dem Moment gespürt, als ich dich wiedergesehen habe. Und du auch.“

Wieder hatte er ins Schwarze ge...

Autor

Amanda Browning
Amanda Browning ist ein überzeugter Single und lebt am Rande der englischen Grafschaft Essex in dem Haus, in dem sie auch aufgewachsen ist. Sie hat engen Kontakt zu ihrer Familie und ist begeisterte Großtante von insgesamt 18 Neffen und Nichten. Ihre absoluten Lieblinge sind die beiden Enkel ihrer Zwillingsschwester. Ihre...
Mehr erfahren
Nina Harrington
Nina Harrington wuchs in der Grafschaft Northumberland in England auf. Im Alter von 11 Jahren hatte sie zuerst den Wunsch Bibliothekarin zu werden – einfach um so viel und so oft sie wollte lesen zu können. Später wollte sie dann Autorin werden, doch bevor sie ihren Traumberuf ausüben konnte, machte...
Mehr erfahren
Kathryn Ross
Kathryn Ross wurde in Afrika geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in England und Irland. Eigentlich ist sie ausgebildete Therapeutin, aber die Liebe zum Schreiben war stärker, und schließlich hängte sie ihren Beruf an den Nagel. Als Kind schrieb sie Tier- und Abenteuergeschichten für ihre Schwester und Freundinnen. Mit...
Mehr erfahren