Romana Sommerliebe Band 5

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Rebecca Winters
Ich brauche keine Millionen

Fürstinnen für ein paar Tage - aber nur zum Spaß! So wollen Greer und ihre Schwestern im glamourösen Monaco ihr Glück finden. Etwa in Gestalt des atemberaubenden Anwalts Max di Varano. Und tatsächlich zeigt der smarte Ermittler brennendes Interesse an Greer. Doch nicht nur aus Liebe …

Rebecca Winters
Am Ziel aller Träume?

Olivia hat ihr Herz an den faszinierenden Luc de Falcone verloren. Nun soll auch er ihr seines schenken! Auf einer romantischen Segeltour an der Riviera versucht sie alles, um Luc zu erobern. Sie will ihn. Nur ihn. Und alle früheren Notlügen möge er bitte vergessen …

Rebecca Winters
Der Märchenprinz aus Monaco

Ein traumhafter Urlaub am Mittelmeer liegt hinter Piper - Sonne, Strand und ein aufregender Flirt mit dem charmanten Nic de Pastrana. Doch vorbei ist vorbei, denkt Piper. Da erscheint ihr Märchenprinz plötzlich in New York. Er will sie heiraten. Sofort. - Aus Liebe?


  • Erscheinungstag 14.06.2019
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745103
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rebecca Winters

ROMANA SOMMERLIEBE BAND 5

1. KAPITEL

14. April, Kingston, New York

Unruhiges Füßescharren verriet Greer Duchess, dass ihre Schwestern ungeduldig wurden. „Wir sind fast durch, Kinder. Für November sind wir uns also einig: ‚Ginger Rogers tanzte genauso gut wie Fred Astaire. Nur rückwärts. Und auf Stöckeln.‘“

„Aber nicht jeder, der unsere Kalender kauft, weiß, wer Ginger Rogers ist“, gab Olivia zu bedenken.

„Macht nichts. Pipers Zeichnungen sind so treffend, dass man auch so versteht, was gemeint ist“, entschied Greer. Die beiden süßen Comicfiguren Luigio und Violetta, ein verliebtes italienisches Taubenpaar, waren ihr richtig ans Herz gewachsen.

Obwohl Piper die Zeichnungen anfertigte und Olivia den Vertrieb leitete, war Greer der Kopf und die treibende Kraft ihres gemeinsamen Unternehmens.

„Also, weiter zu den Dezembersprüchen, die wir in die engere Wahl genommen haben: ‚Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine überraschte Frau.‘ und ‚Ein Mann tut, was er tun muss. Eine Frau muss tun, was er nicht tun kann.‘“

Piper stand auf und reckte ihre wohlgeformte Gestalt. „Ich fand beide sofort prima, als du sie uns vorgeschlagen hast.“

„Mir gefallen sie auch“, versicherte Olivia. „Entscheide du, Greer. Wir verlassen uns auf dein Gespür.“ Sie betrachtete ihre langen, schlanken Beine. „Und jetzt müssen wir wirklich los, sonst kommen wir zu spät zur Verlesung von Daddys Testament. Um zehn sollen wir beim Notar sein.“

„Na gut. Lass schon mal den Motor an, während ich Don noch kurz eine E-Mail schicke.“

In Sekundenschnelle war die Nachricht verschickt. Erleichtert atmete Greer auf. Der Kalender mit dem Titel „Nur für Frauen“ sollte im Mai in Druck gehen, und bis dahin waren es nur noch wenige Wochen.

Don Jardine, einer der Männer, mit denen sie und ihre Schwestern ausgingen, war der Eigentümer der Druckerei und lieferte ausgezeichnete Arbeit.

Leider ließ er für Greers Geschmack zu oft durchblicken, dass er sich in sie verliebt hatte und ernste Absichten hegte. Das Dumme war nur, dass sie seine Gefühle nicht erwiderte. In letzter Zeit erfand sie immer öfter Ausreden, um nicht mit ihm auszugehen. Ihr wäre es lieber, sie könnten einfach nur Geschäftsfreunde sein.

Die Firma Duchesse Designs war weitgehend ihre Schöpfung. Zu dem Namen hatte sie neben ihrem Familiennamen der Adelstitel ihrer einzigen berühmten Ahnin, der Herzogin von Parma, inspiriert, einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus gewesen war. Und inzwischen lief das Geschäft sehr viel besser, als Greer erwartet hatte.

Nachdem das Auftragsvolumen sich in den letzten drei Monaten vervierfacht hatte, würden sie und ihre Schwestern zum ersten Mal seit fünf Jahren in der Lage sein, einen Teil des Gewinns zu investieren und den Rest in ihr eigenes Unternehmen zu stecken.

Natürlich würde auch Don in Zukunft mehr Geld bekommen. Ob er ihr dann verzieh, blieb abzuwarten.

Greer schaltete den Anrufbeantworter ein, ehe sie ihren Schwestern aus dem Erdgeschossapartment nacheilte.

Die Bestattungsfeierlichkeiten für ihren geliebten Vater lagen hinter ihnen. Nun blieb nur noch der Termin bei Mr. Carlson. Eine reine Formsache.

Zwanzig Minuten später betraten die drei Schwestern die Kanzlei im Zentrum des New Yorker Stadtteils Kingston. Die Empfangsdame führte sie in den Konferenzsaal, wo ein Fernseher und ein DVD-Spieler aufgestellt waren.

Nachdem sie Platz genommen hatten, betrat Mr. Carlson mit einer Akte den Raum. Er begrüßte die Drillinge, dann setzte er sich ans Kopfende des langen Konferenztisches.

„Ihr Vater hat mich beauftragt, Ihnen einen Brief vorzulesen, den er handschriftlich verfasst hat.“ Der Notar schlug die Akte auf und nahm das Schreiben heraus. Dann rückte er seine Brille zurecht und räusperte sich.

„An meine geliebten Töchter Greer, Piper und Olivia, die ich stets meine drei Täubchen genannt habe. Ihr wurdet geboren, nachdem ich die fünfzig längst überschritten und die Hoffnung schon aufgegeben hatte, eurer Mutter jemals Kinder zu schenken …

Der Umstand, dass Walter Carlson euch zu dieser Testamentsverlesung bestellt hat, bedeutet, dass mein altersschwaches Herz den Kampf aufgegeben hat und ihr bereits wisst, dass euer Zuhause verkauft werden muss, um die Arztrechnungen zu begleichen.

Ich wünschte, ich hätte es euch vererben können, aber es sollte wohl nicht sein. Doch zumindest hinterlasse ich euch keine Schulden. Walt wird die letzten Rechnungen bezahlen und sich um alles kümmern. Er weiß, dass ihr Zeit braucht, um eine andere Bleibe zu finden, und wird euch mitteilen, wann ihr ausziehen müsst.

Zu meinem großen Kummer hat bisher keine von euch die geringste Neigung gezeigt, sich zu verheiraten. Darüber war schon eure Mutter vor ihrem Tod besorgt, und mich belastet es noch mehr. Denkt an ihre letzten Worte an euch: Sucht euch einen guten Mann, heiratet ihn und gründet eine Familie. Diesen Ratschlag gebe auch ich euch mit auf den Weg.

Deshalb hinterlasse ich jeder von euch fünftausend Dollar aus dem Hochzeitsfonds, den eure Mutter und ich vor ihrem Tod eingerichtet haben. Ihr könnt das Geld beliebig ausgeben, solange es für die Suche nach einem Ehemann ist, mit dem ihr glücklich werdet. Walt wird euch die Schecks gleich im Anschluss aushändigen. Für heutige Verhältnisse mag fünftausend Dollar nicht viel sein, aber das Geld kommt von ganzem Herzen.

Ich weiß, dass ihr euren Weg gehen werdet, denn ihr seid intelligent, begabt und ideenreich, wie das gut gehende Internetgeschäft beweist, das ihr nach dem College aufgezogen habt. Aber wenn ihr das Geld richtig anlegt, werdet ihr merken, dass es im Leben noch wichtigere Dinge gibt als ein gutes Auskommen.

Als Denkanstoß bestehe ich darauf, dass ihr noch eine Weile in Walts Büro bleibt und euch den Lieblingsfilm eurer Mutter anseht. Tut eurem alten Vater den Gefallen. Ich will nur das Beste für meine schönen Mädchen. Ihr und eure Mutter wart mein ganzer Lebensinhalt.

Unterzeichnet: euer euch liebender, besorgter Vater, Matthew Duchess, 2. Februar, Kingston, New York.“

Nachdem er geendet hatte, blickte Mr. Carlson auf. Verunsichert sah Greer ihre blonden Schwestern an, die mit ihr um den Tisch versammelt waren.

Da der Zustand ihres Vaters sich schon lange vor seinem Tod vor sechs Wochen zusehends verschlechtert hatte, hatten sie den schmerzlichsten Teil der Trauerzeit bereits hinter sich. Und da sie gewusst hatten, dass die Zuzahlungen für die medizinische Behandlung ihrer Eltern große Summen verschlungen hatten, waren sie auf eine Erbschaft überhaupt nicht gefasst gewesen.

Umso mehr überraschte es sie, dass ihre Eltern ihnen Geld hinterlassen hatten. Doch die Erwähnung eines „Hochzeitsfonds“ behagte Greer ebenso wenig wie die Aussicht, sich den Lieblingsfilm ihrer geliebten, aber altmodischen Mom ansehen zu müssen.

Der Hollywoodstreifen handelte von drei jungen Frauen, die unbedingt Millionäre heiraten wollten. Zu Lebzeiten hatte ihre Mutter Greer nie dazu bringen können, sich den Film anzusehen. Greer fand die Vorstellung, einem reichen Mann nachzujagen, schlichtweg idiotisch.

Wenn eine Frau reich sein wollte, brauchte sie keinen Mann. Sie musste einfach nur selbst Millionärin werden!

Doch ihre Mutter hatte nun mal der guten alten Zeit angehört und eine völlig andere Auffassung von den Möglichkeiten einer Frau gehabt. Und da sie hoffnungslos romantisch gewesen war, hatte sie ihren dreieiigen Drillingen die Namen ihrer Lieblingsfilmstars gegeben – und sie mit Märchen aufgezogen.

Dafür hatte Greer sich jedoch nie erwärmen können.

Während Olivia und Piper für Cinderella schwärmten, die den Märchenprinzen bekam, weil sie so wunderschön war, hatte Greer ihre Schwestern oft mit ihrer ganz eigenen Sicht der Dinge vor den Kopf gestoßen.

Die schöne, unschuldige, hilflose Heldin solle lieber ihr Köpfchen benutzen und einen Plan schmieden, um dem Prinzen Schloss und Ländereien abzukaufen, hatte sie erklärt. Ein Mann, der sie, Greer, für sich gewinnen und heiraten wolle, müsse außerdem schon mehr als bloßen Charme zu bieten haben.

Nicht, dass Greer etwas gegen Männer hatte. Sie verabredete sich gern, und häufig gingen sie und ihre Schwestern gemeinsam mit ihren Verehrern aus. Don und seine Freunde gehörten zu ihren neuesten Bekannten. Doch an eine ernsthafte Beziehung dachte Greer nicht.

Mit der Ehe hatte es noch viel Zeit. Ihre Eltern hatten erst spät geheiratet, und so wollte sie es auch halten.

Das Motto der Drillinge lautete: Eine für alle, alle für eine. Und als „Älteste“ hatte Greer ihre Schwestern oft gewarnt, wenn sie heirateten, würden sie sich um den Triumph bringen, es mit ihrer gemeinsam aufgebauten Firma aus eigener Kraft zu etwas gebracht zu haben.

Nun blickte sie den Notar fragend an. „Müssen wir uns den Film wirklich noch ansehen?“

„Nur, wenn Sie Ihre fünftausend Dollar haben möchten. Das hat Ihr Vater zur Bedingung gemacht. Wenn Sie es nicht tun, geht das Geld an die Krebsforschung.“ Carlson zog die Brauen hoch. „Ich persönlich habe den Film schon einige Male gesehen und finde ihn sehr unterhaltsam.“

Resigniert verdrehte Greer die Augen. Auch ihre Schwestern machten keine Anstalten zu gehen. Und sie wusste natürlich, warum. Sie hatten moralische Bedenken. Bessere Eltern hätten sie sich nicht wünschen können, und Piper und Olivia wollten ihren letzten Wunsch respektieren.

Also schlug Greer die langen, schlanken Beine übereinander und wartete, während Mr. Carlson das Fernsehgerät näher heranrollte. Nachdem er den DVD-Spieler eingeschaltet hatte, lehnte sie sich gelangweilt im Ledersessel zurück und machte sich darauf gefasst, wieder einen von Männern für Männer gemachten Film über sich ergehen lassen zu müssen.

Die Geschichte war noch schlimmer, als sie erwartet hatte. Nach zehn Minuten musste Greer an sich halten, um nicht laut loszulachen.

Unauffällig blickte sie zu ihren Schwestern und merkte, dass es ihnen genauso ging. Doch aus Achtung für ihren Vater beherrschten sie sich.

Als der Film zu Ende war, erfüllte Schweigen den Raum, bis dem vom Film faszinierten Notar bewusst wurde, dass es Zeit war, das Gerät auszuschalten.

Würdevoll drehte er sich zu ihnen um. „Werden den Damen dreißig Tage reichen, um das Haus zu räumen?“

„Wir sind bereits in Mrs. Weylands Erdgeschosswohnung auf der anderen Straßenseite gezogen“, erklärte Greer.

Ihre Schwestern nickten. „Wir haben das Haus tipptopp hinterlassen.“

„Die Schlüssel sind hier im Umschlag und auch eine Liste unserer Handynummern und die neue Anschrift.“ Greer schob dem Notar den Umschlag zu und stand auf, um zu gehen.

Langsam erhob Carlson sich ebenfalls und reichte ihnen die Schecks. „Sie sind wirklich so bemerkenswert und selbstständig, wie Ihr Vater stets behauptet hat. Dennoch rate ich Ihnen, sich die Wünsche Ihrer Eltern zu Herzen zu nehmen.“ Bedeutsam sah er Greer an. „Frauen sind nicht dazu geschaffen, allein zu leben.“

Vermutlich dachte der Mann wirklich so. Doch seine Bemerkung gehörte zufällig zu den zwölf Monatssprüchen auf dem Kalender, den sie letztes Jahr unter dem Motto „Typisch Mann“ herausgebracht hatten und der sofort ein Verkaufsrenner geworden war.

Greer wagte nicht, ihre Schwestern anzusehen, sonst wäre sie laut losgeplatzt. Nichts wie raus!

„Vielen Dank für alles, Mr. Carlson.“

Mit ihrem Scheck in der Hand ging sie zur Tür. Ihre Schwestern folgten.

Zu dritt eilten sie den Gang entlang zum überfüllten Aufzug. Irgendwie schafften sie es, den alten Pontiac ihres Vaters zu erreichen, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen.

Da Olivia den besten Orientierungssinn besaß, fuhr sie meist, wenn sie zu dritt unterwegs waren.

„Nach der ersten Großaufnahme von Betty Grable dachte ich, ich müsste für Mr. Carlson den Notarzt rufen!“

„Diese Generation ist hoffnungslos rückständig!“

„Der Film war schrecklich!“

„Aber unsere Mom konnte nicht genug davon bekommen.“

„Und Daddy hat sie geliebt.“

„Und wir haben sie beide geliebt. Was machen wir also mit dem Geld?“

„Lasst uns erst nach Hause fahren“, schlug Greer vor. „Dort können wir in Ruhe darüber nachdenken.“

Während der restlichen Fahrt benahmen sie sich nicht wie siebenundzwanzigjährige Firmenchefinnen, sondern lachten und frotzelten übermütig wie Schulmädchen.

Als sie vor dem Gehsteig ihrem Haus gegenüber hielten, drehte Olivia sich zu Greer um, die auf dem Rücksitz saß. „Lasst uns einen neuen Wagen kaufen. Der hier hat schon zweihunderttausend Kilometer auf dem Buckel.“

Typisch ihre impulsive Schwester! „Jetzt gleich?“

„Warum nicht?“

Ehe Greer widersprechen konnte, mischte die romantische Piper sich ein. „Für eine Anzahlung von fünfzehntausend könnten wir ein neues Haus kaufen. Was meint ihr?“

Greer, die praktisch Orientierte, sagte nur: „Ich bin zu erschöpft, um jetzt darüber nachzudenken.“ Sie blickte verdrießlich drein. Schließlich wussten sie alle, dass das Geld aus dem Hochzeitsfonds an eine Bedingung geknüpft war.

„Mrs. Weyland hält uns für urlaubsreif“, bemerkte Olivia vorsichtig.

Piper lehnte den Kopf an die Scheibe. „Die Karibik wäre traumhaft.“

„Das stimmt schon, aber wir können nicht dorthin.“

Beide Schwestern sahen sie verständnislos an. „Warum nicht?“

Seufzend beugte Greer sich vor. „Weil jetzt April ist. Bis wir uns in der Firma loseisen können, ist es Juni. Und im Juni würden wir dort bestimmt mit einem Hurrikan Bekanntschaft machen.“

„Woher willst du das wissen?“

„Von unserer Vertriebspartnerin Jan im Nordosten. Sie fährt jedes Jahr im Februar zum Tauchen in die Karibik, weil das Wetter dann super ist.“

„Wie wär’s mit Hawaii?“

Olivia rümpfte die Nase. „Dort wimmelt es von Touristen. Mir wäre was Exotisches wie Tahiti lieber.“

„Der Flug ist zu teuer.“

„Was schlägst du vor, Greer?“ Die Schwestern warteten auf ihre Antwort.

„Gar nichts. Und ihr wisst genau, warum.“

In Olivias hellblauen Augen blitzte es auf. „Dann gehen wir eben auf Ehemannsuche … an einem paradiesischen Ort wie Australien, wo es die schönsten Strände der Welt geben soll. Ich finde, Mrs. Weyland hat recht. Wir haben seit Jahren nicht mehr Urlaub gemacht.“

Nun begannen Pipers blaugrüne Augen zu leuchten. „Schließlich hat Daddy nicht zur Auflage gemacht, dass wir auch heiraten.“

Dagegen konnte Greer nichts ins Feld führen. „Richtig. Er hat gesagt, wir können das Geld beliebig ausgeben, solange es für die Suche nach einem Ehemann ist. Und mit drei Mal fünftausend Dollar sollten wir irgendwo zwei Wochen einen tollen Urlaub machen können. Mich würde das Great Barrier Reef reizen.“

„Und mich Südamerika!“, warf Olivia ein. „Denkt nur an Rio! Ipanema und die Copacabana sollen die fantastischsten Strände der Welt haben!“

„Moment mal …“ Piper spreizte die Hände. „Wo immer wir Urlaub machen, ich habe da eine Idee, wie wir im Nu Männer an der Angel haben.“

Vergnügt lächelte Olivia. „Ich weiß, was dir vorschwebt.“

Greer wusste es auch. Schließlich hatten sie alle drei den idiotischen Film gesehen und waren nicht umsonst Drillinge. „Du meinst, wir sollten es umgekehrt machen und uns als Millionärinnen ausgeben?“

„Warum nicht?“

Ja, warum nicht? Greer hatte zwar das Gefühl, dass es bis zum Millionärsdasein noch etwas dauern könnte, doch wenn das Geschäft weiter so gut lief, dürften sie mit dreißig recht gut betucht dastehen.

„Hört mal“, sagte Piper und machte eine dramatische Handbewegung. „Wir haben noch viel mehr zu bieten als nur Geld. Wir heißen Duchess, was so viel heißt wie Herzogin. Das bedeutet, dass wir einen Adelstitel besitzen! Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen die Herzoginnen von Kingston vorstellen?“

Brillant.

So brillant, dass Greer ihre Schwester bewundernd ansah, während Olivia schon wieder blitzschnell weiterdachte. „Wir besitzen den Anhänger der Herzogin!“

„Und?“, drängte Greer. „Was ist damit?“

Der rechteckige Goldanhänger war mit Amethysten besetzt, in deren Mitte eine aus Perlen zusammengesetzte Taube mit einem rötlichen Kapgranatauge prangte.

Ihr Vater hatte ihnen erzählt, ein Hofkünstler habe den Anhänger für die Herzogin von Parma gefertigt, die berühmte Kaiserin Marie Louise aus dem Herrschergeschlecht der Bourbonen. Auf der Rückseite des Schmuckstücks befanden sich die stilisierten Buchstaben D und P.

Nach ihrem Tod hatte eins ihrer Kinder das Schmuckstück geerbt, dann war es an eine Enkelin gegangen, die es innerhalb der Familie weitergereicht hatte, bis es auf Matthew Duchess, ihren Vater, gekommen war.

Vor dem sechzehnten Geburtstag der Drillinge waren ihre Eltern zu einem Juwelier gegangen und hatten nach dem Vorbild des Originals zwei gleiche Anhänger fertigen lassen, damit alle drei Töchter das gleiche Erinnerungsstück besitzen sollten.

„Gebt sie an eure Kinder weiter“, hatten die Eltern ihnen geraten und ihre Töchter liebevoll umarmt und geküsst.

Elf Jahre waren seitdem vergangen, und die drei Mädchen waren immer noch ledig. Eines Tages würden sie sicher heiraten und Kinder haben, doch wann, kümmerte sie wenig.

„Denkt nach, Herzoginnen!“ Olivia lächelte kokett. „Wo finden wir einen Traumstrand mit tollen Männern, die verzweifelt nach einer adligen Dame mit Familienschmuck suchen?“

„An der Riviera natürlich.“

„Natürlich!“, riefen Greers Schwestern wie aus einem Mund.

„Aber wir stammen aus dem unehelichen Zweig des Hauses Bourbon-Parma“, erinnerte Greer sie.

„Na und? Wir sind mit ihnen verwandt!“

„Nur, wenn die Geschichte stimmt.“

„Dad schien sich da sicher zu sein“, betonte Piper. „Wie wäre er sonst zu dem Anhänger gekommen?“

„Jemand könnte sich die Sache ausgedacht haben, und im Lauf der Jahre wurde immer mehr dazugedichtet“, gab Greer zu bedenken. „Aber wie auch immer: Wir besitzen den Anhänger, und niemand kann beweisen, dass wir nicht mit den Bourbon-Parmas verwandt sind. Mir kommt da eine Idee. Wir wissen, dass Kaiserin Marie Louise drei weitere Titel besaß: Herzogin von Colorno, Herzogin von Piacenza und Herzogin von Guastalla. Wie wär’s, wenn jede von uns sich einen dieser Titel zulegt, der die Verwandtschaft belegt. Damit könnten wir jeden Playboy blenden.“

Fast ehrfürchtig sahen die Schwestern Greer an, deren veilchenblaue Augen denselben Tonfall wie die der Herzogin von Parma hatten.

Olivia lächelte verschwörerisch. „Ich schlage vor, wir fangen mit der italienischen Riviera an, machen Abstecher nach Parma und Colorno, um die Orte kennenzulernen, an denen sie gelebt hat. Dann arbeiten wir uns an der Küste entlang zur französischen und spanischen Riviera vor. Dabei lassen wir durchblicken, dass wir in Italien unsere ‚königlichen Verwandten‘ besucht haben.“

Fantastisch! Manchmal hatte Olivia wahrhaft geniale Ideen.

In Gedanken war Greer bereits weiter. „Wenn wir dort sind, bahnen wir auch gleich Geschäfte an, sodass wir die Reise von der Steuer absetzen können. Es dürfte nicht schwer sein, jemanden zu finden, der unsere Kalender in die jeweilige Landessprache übersetzt und für uns vertreibt. Das könnte der Anfang vom ganz großen Geschäft sein.“

Piper strahlte. „Eines Tages werden Violetta und Luigio in ganz Europa berühmte Figuren sein. Wir dürfen darüber nur Daddys Wunsch nicht vergessen, uns tatkräftig nach Ehemännern umzusehen“, erinnerte sie ihre Schwestern.

„Ach, das wird kinderleicht“, prophezeite Olivia. „Sobald wir als Herzoginnen in Erscheinung treten, werden die ahnungslosen Opfer uns förmlich belagern.“

„Und wir wissen natürlich, warum“, bemerkte Greer vergnügt. „Weil die Typen nur mittellose Abenteurer sind, die auf eine reiche Partie aus sind und möglichst auf einen Adelstitel obendrein.“

„Die große Enttäuschung kommt dann, wenn wir scheu lächelnd zugeben, nur die armen amerikanischen Duchess-Nachkommen zu sein. Wenn die Typen den Antrag dann zurücknehmen wollen …“

„Du bist gemein, Greer“, tadelte Piper.

„Schlimm“, pflichtete Olivia ihr bei.

„Nicht so schlimm wie die Typen, die dann reihenweise umfallen.“ Erheitert betrachtete Greer ihre Schwestern. „Gehen wir drinnen etwas essen, dabei können wir weiter Pläne schmieden.“

Rasch stieg Piper aus. Olivia folgte. „Wenn wir uns beeilen, können wir heute noch Pässe beantragen, ehe die Behörde dichtmacht.“

Greer bildete das Schlusslicht. „Gut, dass Flüge nach Europa jetzt so billig sind. Wir brauchen nämlich auch alle drei eine neue Garderobe.“

„Wirklich stilvoll wäre es, eine Privatjacht zu chartern.“

„Die können wir uns nicht leisten.“

„Trotzdem kann es nicht schaden, sich umzuhören“, schlug Olivia vor. „Vielleicht können wir ja eine ganz kleine nehmen.“

Im Apartment angekommen, eilte Greer sofort zum Computer im Wohnzimmer, das auch als Büro diente. Gespannt saßen sie zu dritt vor dem Bildschirm, während Greer Jachtangebote aufrief.

„Hm. Ich fürchte, die können wir uns nicht leisten. Das Günstigste, was wir bisher gefunden haben, wäre ein bemanntes Chartersegelboot für zwölf Gäste. Das käme pro Person auf fünftausend Dollar die Woche – wenn das Schiff voll besetzt ist. Können wir vergessen.“

Nun beugte Piper sich über Greers Schulter. „Klick doch mal spaßeshalber bemannte Katamarane an. Die dürften erheblich billiger sein.“

Als die Daten auf dem Monitor erschienen, gingen sie aufgeregt die Namen der Boote durch.

„Sieh mal!“, platzte Olivia heraus. „Da heißt eins Piccione.“

Greer hatte das italienische Wort für Taube ebenfalls entdeckt. Ihr Dad hatte seine Töchter stets seine drei Täubchen genannt. Aus Jux klickte Greer das Boot an und las laut vor: „Blitzsaubere weiße Siebzehnmeterschaluppe, bemannt, zwei bis sechs Gäste, komplett eingerichtet, Vollpension. Dreitausend Dollar pro Person. Zehn Tage auf dem Mittelmeer. Die Reiseroute bestimmen Sie. Der schnellste Weg zu jedem Strand. Info: F. Moretti, Vernazza, Italien.“

Olivia knuffte Greer in die Seite. „Das nenne ich stilvoll und erschwinglich. Wir haben Glück. Schick sofort eine E-Mail und frag an, ob das Schiffchen im Sommer oder Frühherbst noch zu buchen ist.“

„Ein bestimmter Monat?“

Beide Schwestern schüttelten den Kopf.

Greer schickte die Anfrage ab und folgte den anderen in die Küche. Nachdem sie sich kurz mit belegten Broten gestärkt hatten, suchten sie ihre Geburtsurkunden heraus.

Auf dem Weg zur Passstelle ließen sie Passfotos machen, wobei ihnen einfiel, dass sie zum Herzoginnenlook auch eine neue Frisur brauchten.

Eine Stunde später, als sie sich wieder auf dem Heimweg befanden, stach Piper ein Reisebüro ins Auge. Sie ließ Olivia halten und sprang aus dem Wagen, um kurz darauf mit einer Handvoll Prospekte zurückzukommen.

Fast wäre es wegen der Broschüre von Vernazza unter den Schwestern zum Streit gekommen, denn alle wollten sie auf einmal studieren. Der Ort versprach, ein wahres Paradies zu sein.

Als einer der wenigen noch fast unberührten Mittelmeerflecken gehört Vernazza zu Cinque Terre, einem aus fünf Dörfern bestehendem, dufterfüllten Naturreich inmitten von grünen Hügeln am Klippenhang zwischen Himmel und Erde. Hier können Sie im Meer schwimmen, in den Bergen oder auf den schmalen ‚carrugi‘ wandern, mit dem Boot einen alten Tempel besuchen oder sich unterwegs an Meeresfrüchten delektieren.

Im Apartment angekommen, war Piper als Erste am Computer.

„Wir haben Antwort auf unsere E-Mail!“

Greer und Olivia beugten sich über ihre Schulter, während sie vorlas.

„Danke für Ihre Anfrage. Wegen einer unerwarteten Absage ist der Termin ab dem achtzehnten Juni noch frei! Hurra!“ Piper hüpfte auf ihrem Drehstuhl auf und ab. „Sie haben besonderes Glück, da am zwanzigsten der Grand Prix in Monaco stattfindet, für das wir eine Anlegegenehmigung besitzen. Falls Sie zusagen möchten, bitten wir um sofortigen Bescheid.“

Aufgeregt schwenkte Piper ihren Drehstuhl herum. „Monaco, Kinder! Der Spielplatz der Reichen und Berühmten. Denk doch mal, Olivia, der Grand Prix! Vielleicht siehst du dann den tollen französischen Rennfahrer, von dem du die ganze Zeit schwärmst! Den Typ, bei dem Fred jedes Mal eine Schnute zieht, wenn du von ihm sprichst.“

„Fred ist selbst schuld, dass ich Bekanntschaft mit der Formel 1 gemacht habe.“ Olivias Augen glänzten. „Wäre es nicht super, wenn wir César Villons Autogramm mit nach Hause bringen würden?“

Greer hätte es noch viel aufregender gefunden, einen Italiener aus der Familie Duchesse kennenzulernen, der ihre Verwandtschaft mit der Herzogin von Parma bestätigen könnte.

„Piper? Frag mal an, ob wir das Boot ganz für uns haben können, wenn jede von uns einen weiteren Tausender drauflegt.“

„Gute Idee, Greer. Aber ich darf Tom nichts erzählen, sonst will er mitkommen.“

„Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Du bist ja nicht verliebt in ihn.“

„Woher willst du das wissen?“

„Bist du’s?“

„Vielleicht.“

„Zehn Tage ohne Tom werden dir Gewissheit geben, stimmt’s?“

„Ja.“ Piper hatte die Frage eingetippt und schickte sie ab.

Während sie auf Antwort warteten, beschäftigte Greer sich mit einer Broschüre, in der eine Karte der europäischen Mittelmeerküste abgebildet war.

Plötzlich schrie Piper freudig auf. „He! Sie sind einverstanden, wenn wir den vollen Betrag sofort zahlen.“

„Ehe wir uns festlegen, müssen wir sehen, ob wir einen Flug bekommen.“

„Hab mich schon erkundigt.“ Olivia legte die Hand über die Telefonmuschel. „Nach Mailand, Rom und Bologna ist alles ausgebucht, aber für den sechzehnten Juni sind noch Plätze in der Maschine nach Genua frei. Rückflug neunundzwanzigster Juni.“

Greer blickte erneut auf die Karte. „Genua ist nur knapp achtzig Kilometer von Vernazza entfernt“, schätzte sie. „Da könnten wir mit dem Zug hinfahren und am siebzehnten und achtundzwanzigsten im Hotel übernachten. Buch die Flüge, Olivia!“

„Und wie bezahlen wir das Schiff?“, wandte Piper sich an Greer.

Diese zog ihre Brieftasche aus der Handtasche. „Hier. Wir bezahlen die gesamte Rechnung mit der Firmenkreditkarte. Lass durchblicken, die Herzogin von Kingston aus dem Haus Bourbon-Parma würde exklusiv für drei buchen, wolle das jedoch geheim halten.“

Als alles erledigt war, brachen die drei Schwestern in übermütiges Gelächter aus.

„Ein echter Geistesblitz, Greer. Jetzt wird das Geheimnis garantiert die Runde machen“, prophezeite Olivia. „Klar, dass wir atemberaubend aussehen müssen, wenn wir an der Anlegestelle aufkreuzen.“

„Ach!“, rief Piper. „Da fällt mir noch was ein. Erinnert ihr euch an die Fahrstuhlszene in dem Film, wo der Verlobte der Amerikanerin sich in eine Französin verguckt? Das Kleid, das sie anhatte, war ein absoluter Knaller!“

Olivia zog die Brauen hoch. „Ach ja! Wir sollten versuchen, preisgünstige Klamotten und Strandsachen zu finden, die so aussehen wie die, welche die Schauspielerin in dem Film getragen hat. Vielleicht auch ein, zwei Hüte! Man muss ihnen ja nicht ansehen, dass sie kein Vermögen gekostet haben.“

„Bestimmt nicht, wenn wir unsere Anhänger tragen“, betonte Piper.

„Genau. Die Männer, auf die wir aus sind, sind scharf auf Damen mit Schmuck. Aber ohne Juwelierlupe können sie echten nicht von falschem unterscheiden.“ Das konnte Greer bis heute nicht.

„Also abgemacht! Wenn wir in Italien ankommen, tragen wir alle drei unsere Anhänger und warten ab, was passiert. Und da wir die erste Nacht im Hotel verbringen, sollten wir ganz groß absteigen. Welches ist das exklusivste Hotel in Genua?“

„Moment.“ Wieder suchte Piper im Internet. „Hm … wie wär’s mit dem Splendido gleich nebenan in Portofino, das der Herzog von Windsor damals für sich entdeckt hat? ‚Hotel am Hafen für königliche Gäste, Tor zur Riviera.‘ Zwölfhundert Dollar die Nacht für uns drei. Es liegt rund vierzig Kilometer vom Flughafen entfernt, und wir werden mit der Limousine abgeholt. Wollt ihr so viel springen lassen?“

Greer und Olivia nickten.

„Ich auch. Ich frage gleich mal an, ob sie für den siebzehnten noch ein Zimmer frei haben. Bis zum achtundzwanzigsten haben wir unseren Spaß gehabt und können in der Jugendherberge übernachten, falls wir pleite sind.“

Genüsslich kniff Greer die Augen zusammen. „Eine Jugendherberge ist genau der richtige Ort, an den wir unsere Eheanwärter einladen sollten, wenn wir die Bombe platzen lassen.“

Lachend erwiderte Olivia: „Du bist herzlos.“

„Ja, du kannst einem richtig Angst machen“, schalt Piper.

Greer setzte ihre Unschuldsmiene auf. „Cinderella hatte auch keine andere Wahl, als die Kutsche auf dem Heimweg zum Kürbis wurde und ihr nur noch ein Glasschuh blieb. Was können wir also dafür, wenn uns nach dem Ball nur die Anhänger bleiben?“

2. KAPITEL

17. Juni, Oberhaus, London

„Eure Lordschaften, wir beginnen mit der Anhörung der Eröffnungsausführungen durch Signore Maximilliano di Varano aus dem Hause Bourbon-Parma. Er ist der leitende Rechtsberater des italienischen Bauernkonsortiums der Region Emilia-Romagna, deren Mitglied, die Federazione del Prosciutto de Parma, als Kläger gegen das unter dem Namen UKSC bekannte Supermarktkartell auftritt, das von Lord Winthrope vertreten wird.“

Max, der in diesem Jahr schon zum zweiten Mal vor dem Oberhaus auftrat, erhob sich. Er war entschlossen durchzusetzen, dass sein Berufungsantrag vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wurde, um eine endgültige Entscheidung zu erzwingen.

„Danke, Eure Lordschaften.“ Max sprach ohne Akzent, da er in England private Eliteschulen besucht, vier Jahre in Oxford studiert und längere Zeit in den Vereinigten Staaten und Kanada gelebt hatte.

„Lassen Sie mich Ihre Erinnerung auffrischen. Prosciutto de Parma, oder Parmaschinken, wird in Parma aus dem Fleisch von Schweinen hergestellt, die in Nord- und Mittelitalien seit Etruskerzeiten gezüchtet werden. Der Name Parmaschinken genießt weltweites Ansehen und steht unter Ursprungsbezeichnungsschutz.

Die Corona Ducale, eine fünfzackige Adelskrone, die das altehrwürdige Herzogtum von Parma symbolisiert, ist das äußere Kennzeichen dieser Echtheitsgarantie. Nach italienischem Recht muss sie auf jedem Produkt erscheinen, unabhängig davon, in welcher Form der Schinken dem Kunden angeboten wird, ob im Ganzen oder in Scheiben. In jedem Fall muss das Symbol auf der Packung erscheinen.

Beim zweiten Beklagten, Prime Choice Affiliates, handelt es sich um einen angesehenen Lebensmittelhersteller in Herefordshire, der die echten Schinken und Schinkenscheiben verpackt an den ersten Beklagten UKSC liefert, der sie an Endverbraucher in Supermärkten weiterverkauft – bedauerlicherweise ohne die Herzogskrone auf der Packung.

Die Federazione del Prosciutto de Parma vertritt die Auffassung, dass dies sowohl nach italienischem als auch nach europäischem Recht ungesetzlich und daher in den Gerichten aller Mitgliedsstaaten einklagbar sei. In der anstehenden Berufungsklage fordert die Federazione eine gerichtliche Verfügung gegen Prime Choice Affiliates und UKSC, um zu erzwingen, dass diese die Vermarktung als Parmaschinken unterlassen, bis der Europäische Gerichtshof den Fall gehört und endgültig darüber entschieden hat. Damit gebe ich das Wort weiter an Lord Winthrope.“

Nachdem Max sich gesetzt hatte, reichte Bernaldo, sein Assistent, ihm eine Mitteilung.

Während Max mit einem Ohr auf die Eröffnungserklärungen des Anwalts der Krone lauschte, überflog er die Nachricht. In Gedanken war er jedoch noch bei seinem Fall, sodass er sie ein zweites Mal lesen musste.

Ihre Sekretärin in Colorno erhielt soeben einen Anruf vom Sicherheitschef des Flughafens Cristoforo Colombo in Genua Sestri. Sie möchten Fausto Galli umgehend unter der Nummer 555 328 anrufen. Es handelt sich um eine sehr wichtige, vertrauliche Angelegenheit.

Also keine Familienkrise, niemand war verletzt oder in einen Unfall verwickelt. Erleichtert steckte Max den Zettel in seine Anzugtasche und nahm sich vor, Signore Galli in der Gerichtspause zurückzurufen.

Zehn Minuten lang hörte Max sich Lord Winthropes Belehrungen an. Endlich kam der Mann zur Sache.

„Meiner Ansicht nach ist es fair zu argumentieren, dass die Aufsichtsfunktion der Parma Federazione – dass nur das echte Produkt als Parmaschinken verkauft werden darf – außer Kraft tritt, nachdem es die Provinz Parma verlassen hat. Ich gebe das Wort zurück an Signore di Varano.“

Wieder stand Max auf. „Eure Lordschaften, hier geht es darum, ob die Unterlassungsforderungen der Federazione del Prosciutto de Parma als gesetzgebende Maßnahme eines Mitgliedsstaates sich auch landesweit auf das Vereinigte Königreich und andere Länder erstrecken können. Ich beantrage daher respektvoll eine Berufungsverhandlung dieses Falles am Europäischen Gerichtshof, da sonst eine Engpasssituation bestehen bleibt, die keiner Partei nützt.“

Nach seinem Antrag verkündete der Richter Lord Marbury eine fünfzehnminütige Verhandlungspause.

Da Max neugierig war, was der Anruf aus Genua zu bedeuten hatte, nahm er sein Handy aus der Brusttasche und wählte die auf dem Papier angegebene Nummer.

Nach zweimaligem Läuten meldete sich eine männliche Stimme. „Pronto. Signore di Varano?“

„Si.“

„Ich habe eine Nachricht für Sie, die für Ihre Familie von großem Interesse sein dürfte. Und da Sie sie juristisch vertreten, hielt ich es für geraten, Sie als Ersten zu benachrichtigen.“

„Worum geht es, signore?“

„Vor einer halben Stunde wurden drei Amerikanerinnen hier im Zoll abgefertigt, die mit der Maschine aus New York gekommen sind. Meine Leute haben sie unter dem Vorwand festgehalten, sie müssten ankommende Fluggäste nach einer verdächtigen Person befragen, die sich an Bord der Maschine befunden habe. Diese Maßnahme hielt ich für angebracht, weil die jungen Damen den Anhänger der Herzogin trugen.“

„Alle drei?“ Max schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich!“

Schließlich existierte nur ein einziger Anhänger, und der war verschwunden, seit die Schmuckkollektion der Herzogin von Parma vor gut einem Jahr bei einer Ausstellung im Palast der Familie gestohlen worden war.

Der Anhänger stellte das am wenigsten wertvolle dieser Stücke dar, doch sein historischer und sentimentaler Wert war unschätzbar, vor allem für Max’ Familie.

„Haben Sie einen Experten hinzugezogen?“

Si. Während der Befragung haben wir Fotos gemacht. Unsere forensischen Experten haben sie mit dem Foto des Anhängers verglichen, das Sie der Polizei nach dem Diebstahl zur Verfügung gestellt haben. Sie stimmen völlig überein.“

Erstaunt überlegte Max.

„Deshalb habe ich Sie angerufen, Signore Varano. Wünschen Sie, dass ich die Anhänger beschlagnahme, damit sie untersucht werden können? Bis jetzt wissen die Amerikanerinnen noch nicht, warum wir sie festhalten.“

„Gut. Belassen wir’s fürs Erste dabei. Ich danke Ihnen für Ihre Diskretion und Ihr promptes Handeln, Signore Galli. Sie haben die Situation bestens gemeistert. Im Übrigen haben wir zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung erhalten, seitdem die Nachricht von dem Diebstahl veröffentlicht und für die Wiederbeschaffung eine Belohnung ausgesetzt wurde. Bisher haben sich jedoch alle diese Hinweise als falsch erwiesen. Ich frage mich nur, was diese Amerikanerinnen sich bei diesem dreisten Scherz gedacht haben.“

„Das frage ich mich auch, vor allem weil die Sache immer merkwürdiger wird.“

Der Tonfall des Mannes ließ Max aufhorchen. „Wie meinen Sie das?“

„Es handelt sich um Schwestern.“

„Sie meinen Nonnen?“

„Nein, nein. Sie sind gleich alt und am selben Tag geboren.“

„Drillinge?“ Das gab es nicht alle Tage. „Wie alt sind sie denn?“

„Siebenundzwanzig.“

So jung und schon kriminell …

„Und überaus attraktiv“, fügte der Mann am anderen Ende der Leitung hinzu.

Natürlich.

„Ihren Papieren nach handelt es sich um die Duchesses of Kingston …

Herzoginnen von Kingston? Max blickte kurz zu Lord Winthrope. Wenn dieser Titel tatsächlich existierte, musste der Lord als Mitglied des Hochadels wissen, um wen es sich handelte.

„Leider bin ich noch in London und kann erst heute Abend zurück nach Genua fliegen, um mich mit der Sache zu befassen. Haben Sie festgestellt, warum die Amerikanerinnen in Italien sind?“

„Sie behaupten, hier Urlaub machen und geschäftliche Kontakte knüpfen zu wollen. Wir haben ihre Angaben überprüft. Für heute Abend haben sie Reservierungen im Splendido und ab morgen ein Segelboot gechartert.“

„In Portofino?“

„Nein. Vernazza.“

Max’ Lächeln erlosch. Das konnte kein Zufall sein.

Vor zwei Jahren hatte er seinem guten Freund Fabio und dessen beiden jüngeren Brüdern die Piccione überlassen, nachdem ihre Eltern mit dem Fischerboot der Familie auf See verschollen waren. Jetzt verdienten die Morettis ihren Lebensunterhalt als Schiffsbesatzung für Touristen.

Max musste es Fabio lassen, sein ehrlicher Freund hatte ihm jeden Cent zurückgezahlt, obwohl Max ursprünglich gar kein Geld hatte haben wollen. Zwanzig Monate lang hatte er dennoch pünktlich jeden Monat eine Abzahlung erhalten.

Fabio kümmerte sich nicht nur rührend um seine Brüder, sondern hatte inzwischen auch geheiratet, und seine Frau erwartete das zweite Kind. Da die Morettis als Einzige ein Segelschiff-Chartergeschäft in dem kleinen Nest betrieben, in dem Max aufgewachsen war, wusste er genau, wo er die Amerikanerinnen finden würde – falls sie nach der Festnahme auf dem Flughafen wie geplant auf Segeltour gingen.

„Sie können sie laufen lassen, Signore Galli. Aber behalten Sie das Trio im Auge. Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich in Genua bin.“

„Bene. Arrivederci.“

Max schaltete das Handy ab, schrieb einige Worte auf einen Zettel und bat Bernaldo, ihn Lord Winthrope zu bringen. „Warten Sie auf seine Antwort und bringen Sie sie mir sofort.“

Wenige Minuten später kehrte Bernaldo zurück. Gespannt überflog Max die Antwort.

Freut mich, Ihnen helfen zu können, Max.

Evelyn Pierrepont folgte seinem Großvater als zweiter Herzog von Kingston. Berühmt wurde er vor allem durch seine Liaison mit Elizabeth Chudleigh, die sich Herzogin von Kingston nannte, doch der Titel Kingston erlosch 1733 mit dem Tod des Herzogs. Er starb kinderlos. Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage.

In der Tat.

Max lächelte Lord Winthrope zu, der ausgesprochen freundlich zurücknickte.

So was! Diese Amerikanerinnen waren nicht nur freche Betrügerinnen, sondern auch noch unverschämt genug, um sich mit einem alten englischen Adelstitel zu schmücken, den es seit zweihundert Jahren nicht mehr gab.

Was für ein Spiel trieben diese Damen? Und was bezweckten sie mit den Anhängern, die dem gestohlenen aufs Haar glichen?

„Ich bin einfach zu müde, um jetzt noch schwimmen zu gehen.“

„Mich hat der Zeitunterschied auch geschafft. Gehen wir schlafen. Kommst du mit nach oben, Greer?“

„Gleich.“ Der Zauber der dufterfüllten Nacht hielt sie in seinem Bann. Seit jeher hatte sie davon geträumt, Italien zu besuchen. Obwohl neunzig Prozent ihrer Vorfahren englischer und schottisch-irischer Abstammung waren, hatte ihr Vater den italienisch-österreichischen Zweig der Familie immer bevorzugt und Greer damit angesteckt.

„Na gut. Sei aber leise, wenn du ins Zimmer kommst.“

„Versprochen“, gab Greer zurück, ehe ihre Schwestern verschwanden.

Nach geschäftlichen Besprechungen, bei denen es um einen möglichen Einstieg in Europa gegangen war, und einem späten Abendessen hatten sie die Kirche San Giorgio besichtigt. Danach waren sie durch den tropischen Garten des Hotels Splendido geschlendert, wo früher ein Kloster aus dem sechzehnten Jahrhundert gestanden hatte. Schließlich waren sie am Swimmingpool gelandet, von dem aus sich ein atemberaubender Blick über den Hafen von Portofino bot.

Allein schon diese Aussicht war die Reise wert gewesen, fand Greer. Ihre Mutter wäre von dem blumengeschmückten Paradies hingerissen gewesen.

Nur noch wenige Gäste tummelten sich im und am Pool. Geräuschlos huschten Ober umher, die Champagner nachschenkten. Ab und zu erreichten Greer Gesprächsfetzen und das Gelächter der distinguierten Gäste.

Während sie in ihrem leuchtend orangefarbenen Designerkleid bei einer Palme stand, fiel ihr eine Gestalt auf, die sich geschmeidig wie ein Hai durchs Wasser bewegte. Ein großer, dunkler Hai, falls es so etwas gab …

Fasziniert folgten ihre Blicke dem Mann, von dem nur die gebräunte Haut seiner Arme und breiten Schultern zu sehen war und sein glänzendes dunkles Haar. Auf einmal schwamm er zum Beckenrand und stemmte sich genau vor Greer aus dem Wasser.

Der Hai hatte Beine, kraftvolle, durchtrainierte Beine, und war nur mit einer Badehose bekleidet. Unter den sehnsüchtigen Blicken der umstehenden Frauen kam er direkt auf Greer zu.

Mit untrüglichem Gespür hatte er sein Opfer geortet. Sein Radarsystem musste ihre unbewusste Botschaft aufgefangen haben, dass sie zu gerne gewusst hätte, ob auch der Rest seiner Erscheinung dem Klischee eines echten Playboys entsprach.

Und sie wurde nicht enttäuscht: Der Fremde verfügte über eine kühne Adlernase, aristokratische Züge und dunkle Augen, die an nächtlich ausbrechende Vulkane erinnerten. Ein Blick aus diesen Augen, und Greer hatte das Gefühl, der glühenden Magma zu nahe gekommen zu sein.

Genauer gesagt, sie hatte sich bereits verbrannt.

Ihr Puls schlug so heftig, dass sie ihn unter dem Anhänger spürte, den sie eng am Hals trug.

Interessiert betrachtete der Fremde sie. Er hatte angebissen.

Könnte Piper doch miterleben, was für einen durchschlagenden Erfolg ihr Vorschlag, das Familienerbstück in Italien zu tragen, gleich am ersten Abend hatte!

„Ich habe Sie durch den Garten gehen sehen, signorina.“ Der Fremde besaß eine dunkle, sinnliche Stimme, die Greer trotz der Wärme der Nachtluft Schauer über die Haut jagte. „Ich hatte gehofft, Sie würden zum Pool kommen.“

Natürlich.

„Sie sind mir auch aufgefallen.“ Mutig warf Greer die gewohnte Vorsicht über Bord. „Deshalb bin ich auch nicht mit meinen Schwestern nach oben gegangen.“

Das war gelogen. Sie hatte ihn nicht gesehen. Ein Jäger zeigte sich nicht verfrüht. Er lauerte in den Tiefen, bis es Zeit war, zuzuschlagen.

„Schwimmen Sie mit mir“, drängte er leise.

Es klang, als wäre sein Leben nicht mehr lebenswert, wenn sie ablehnte.

„Ich habe keinen Badeanzug an“, wandte Greer ein.

„Spielt das eine Rolle?“, fragte er aufreizend sanft.

Sie hätte ihn noch etwas zappeln lassen können, denn sie genoss jede Minute, doch es war besser, das Schicksal nicht herauszufordern.

„Nein.“

In seinen Augen blitzte es auf.

Hatte ihre Antwort ihn überrascht? Soweit sie wusste, besaßen Haie keine menschlichen Empfindungen, nur Instinkte, die sie zur nächsten Beute zogen.

Mal sehen, wie lange du brauchst, um mich zu verschlingen.

Kühn streifte Greer ihre goldenen Sandaletten ab, legte die goldene Uhr und die Goldlamétasche auf einen Tisch am tiefen Ende des Pools und hechtete kopfüber ins Wasser.

Da sie am Hudson River aufgewachsen waren, hatte ihr Vater geübte Schwimmerinnen aus ihnen gemacht, und sie huldigten ihrem Lieblingssport regelmäßig.

Den Grund des Pools zierten faszinierende Fliesenmuster, und Greer schwamm tiefer, um sie aus der Nähe zu betrachten. Doch sie kam nicht dazu, weil der Mann ihre Hüften umfasste und sie mit sich an die Oberfläche zog.

Das schulterlange, nasse Haar klebte Greer am Kopf, und sie gab nun kein Bild klassischer Herzoginnenwürde mehr ab. Doch das störte sie nicht. Nur der Umstand, dass ihr das Kleid bis zur Taille hochgerutscht war und die Hand des Fremden damit unmittelbar auf ihrem Slip lag.

Und da sein markantes Gesicht dem ihren gefährlich nahe war, musste sie sich gehörig zusammenreißen, um ihn nicht merken zu lassen, dass diese unerwartete Wendung der Dinge sie gewaltig beunruhigte.

„Wir haben uns noch nicht bekannt gemacht. Mein Name ist Greer Duchess.“

„Greer“, wiederholte er weich und genussvoll, und sein Lächeln verzauberte sie. „Ihr Name ist so einzigartig wie Sie. Was führt eine wunderschöne Amerikanerin wie Sie nach Italien?“

Höchste Zeit, die abgesprochene Story zu testen. „Meine Schwestern und ich besuchen hier Verwandte.“

„So?“

„Ja. Eine meiner Vorfahrinnen war die Herzogin von Colorno.“

In den dunklen Augen des Unbekannten spiegelte sich Erkennen. „Sie meinen Marie Louise von Österreich aus dem Hause Bourbon-Parma?“

Also kannte er sich in italienischer Geschichte so gut aus, dass er den Anhänger der Herzogin sofort erkannt hatte! Alles lief wie am Schnürchen, es war fast beängstigend.

Was würden Olivia und Piper sagen, wenn sie ihnen berichtete, dass ihr gleich am ersten Abend ein Playboy ins Netz gegangen war? Nun brauchte sie ihn nur ein bisschen zappeln lassen, ehe sie die Angel einholte und ihn dazu brachte, ihr einen Heiratsantrag zu machen.

Und nachdem sie die Maske fallen gelassen hatte, würde er den Haken abstreifen und davonschwimmen. Danach konnte sie den Rest des Urlaubs in dem erhebenden Bewusstsein genießen, sich genau an die Bedingungen ihres Vaters gehalten zu haben.

„Richtig. Meine Schwestern und ich sind die amerikanischen Nachfahren der Herzogin.“ Dass es der uneheliche Zweig war, tat fürs Erste nichts zur Sache. „Jetzt habe ich Ihnen etwas von mir erzählt und wüsste gern, wer Sie sind“, setzte sie lockend hinzu.

„Wie wär’s, wenn Sie raten, wie ich heiße?“, erwiderte der Unbekannte mit dunkler, erotisierender Stimme und ließ die Daumen aufreizend auf ihrem Slip kreisen, während sie Wasser traten.

Unter den Wimpern hervor betrachtete sie seine athletische Gestalt und sagte das Erstbeste, was ihr einfiel. „Luigio?“

Amüsiert lächelte er. „Nein.“

In ihrem ganzen Leben hatte Greer noch nie so viel riskiert, doch etwas an diesem Mann reizte sie, das Spiel weiterzutreiben. Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. „Es kann ganz schön lange dauern, bis ich Ihren Namen errate.“

Er zuckte die Schultern und zog sie enger an sich. „Ich war geschäftlich in London. Jetzt mache ich hier eine Woche Urlaub und könnte mir nichts Zauberhafteres vorstellen, als jede Sekunde mit Ihnen zu verbringen, bellissima.“

Jede Sekunde! Also Tag und Nacht. Typisch!

Doch Greer musste sich eingestehen, dass die Vorstellung sie unerhört reizte. Und an diesem italienischen Herzensbrecher, der gleich aufs Ganze ging, war ja auch wirklich nichts auszusetzen. Möglicherweise hatte er gerade eine Dame in London verlassen und war jetzt auf die nächste Eroberung aus.

Warum nicht etwas länger mit ihm spielen, solange sie mit ihrem Schmuck und dem Titel der Köder war? Vielleicht war das für den schmucken Playboy eine ganz neue Erfahrung.

„Leider fahren meine Schwestern und ich morgen früh nach Vernazza und kommen nicht zurück.“

„Den Ort kenne ich bestens. Und da Sie nicht wasserscheu sind, würde ich Sie gerne zu einer geheimen Grotte bringen, die man nur erreichen kann, wenn man eine kurze Strecke unter Wasser taucht.“

Greer lächelte überlegen. „Werde ich dort Gold und Silber und kostbare Perlen entdecken wie Edmont Dantès, der Abbé Farias Schatz auf Monte Christo gefunden hat?“

Er neigte den Kopf leicht zur Seite. „Sind Sie auf Schatzsuche?“

Wieder hatte sie das komische Gefühl, etwas gesagt zu haben, das ihn überraschte. „Tut das nicht jeder, in der Hoffnung, das große Glück zu finden?“

„Das große Glück?“, wiederholte er nachdenklich und betrachtete sie. „Was verstehen Sie darunter?“

„Dank Alexandre Dumas wissen wir eins …“

„Richtig“, flüsterte er, und seine Lippen waren ihren so nah, dass sie seinen Atem spüren konnte. Verwirrt trat sie Wasser und berührte seine behaarten Beine dabei mit den Zehen. „Der Graf von Monte Christo konnte sich an seinen Feinden rächen, aber er wurde nicht glücklich.“

„Dumas’ Buch war doch nur ein Roman“, gab Greer zu bedenken.

Wieder blitzte es in den Augen des Fremden auf. „Wenn Sie möchten, bringe ich Sie auf die Insel des Grafen von Monte Christo. Sie liegt nicht weit von Vernazza entfernt. Vielleicht finden Sie dort, was Sie suchen.“

Du meinst natürlich dich, mein Lieber. Eingebildet bist du gar nicht!

Sie unterdrückte ein Lächeln.

„Soll das heißen …“

„Es heißt … vielleicht“, unterbrach sie ihn kokett. „Und jetzt sage ich Gute Nacht, denn ich bin müde.“

Er umfasste ihre Hüften fester. „Aber es ist noch gar nicht spät, und Sie sind zu jung, um müde zu sein.“

„Mag sein, aber wir sind heute angekommen und wurden bei der Zollabfertigung von der Polizei aufgehalten. Drei Stunden lang. Das war ziemlich strapaziös.“

„Tut mir leid, dass Ihnen in meinem Land so etwas Schreckliches passiert ist. Warum sollte die Polizei so etwas tun?“

„Der Sicherheitschef behauptete, an Bord sei eine verdächtige Person gewesen. Er und seine Männer haben die Fluggäste befragt, die in der Nähe dieser Person gesessen haben.“

„Konnten Sie ihnen helfen?“

„Keine Ahnung. Wir haben versucht, uns an die Leute zu erinnern, die neben uns saßen, aber mir kam niemand verdächtig vor. Als wir endlich gehen durften, wollten wir nur noch ins Hotel und schlafen.“

„Verständlich.“ Mitfühlend betrachtete er Greer. „Moment.“

Während er mit einer Hand weiter ihre Hüfte streichelte, winkte er einem Ober und sagte etwas in rasch gesprochenem Italienisch. Der Mann nickte und verschwand.

Der Fremde bemerkte ihren fragenden Blick. „Ich habe ihn gebeten, Ihnen einen Bademantel zu bringen, den Sie auf dem Weg zu Ihrem Zimmer überwerfen können. So ein verführerischer Anblick ist nicht für jedermanns Augen bestimmt.“

Nur für deine, und du hast ihn genossen, dachte Greer. Er zog genau die richtigen Register: Casanova mit einem Hauch Kavalier.

„Danke, Signore … Mysterioso“, improvisierte sie in ihrem besten Italienisch, das immer noch viel zu wünschen übrig ließ.

Nun lachte er schallend – die erste spontane Reaktion, die er zeigte. In dieser Millisekunde gestattete er ihr einen unerwarteten Blick hinter die Playboyfassade, der sie seltsam berührte.

Verwirrt schob Greer ihre Empfindungen beiseite und befreite sich, um in den flachen Teil des Beckens zu entkommen. Dort konnte sie die Stufen nehmen und ein gewisses Maß an Würde bewahren.

Doch der Unbekannte schaffte es, als Erster dort zu sein. Und es überraschte sie, dass er ihr schützend den weißen Bademantel um die Schultern legte. Erstaunlich, wie schnell der Ober der Anweisung nachgekommen war.

Greer blickte dem Fremden in die Augen. „Danke. Ich hätte mich etwas … preisgegeben gefühlt.“

„Wie Venus, als sie aus dem Meer stieg?“

Das berühmte Gemälde der römischen Göttin der Schönheit stieg vor ihr auf, die unbekleidet in einer Muschel erwachte.

Verlegen wandte Greer sich ab. Doch der Unbekannte machte die Situation noch intimer, indem er den Anhänger an Greers Hals hob und die heftig pulsierende Ader darunter küsste.

„Bald werden wir nur noch die Sonne auf der Haut und den Sand unter unseren Körpern spüren, und dann möchte ich Sie so sehen, wie Botticelli seine Venus geschaffen hat“, flüsterte er sinnlich an ihrem Hals.

Erschauernd entzog Greer sich ihm.

Mit bebenden Fingern nahm sie ihre Uhr und die Abendtasche vom Tisch. Doch ehe sie sich entschieden hatte, ob sie ihre Sandaletten anziehen oder tragen sollte, schob der Fremde einen Finger unter die goldenen Riemchen.

„Ich begleite Sie zu Ihrem Zimmer. Nicht mal das Splendido kann für die Sicherheit einer Frau garantieren, die so aussieht wie Sie. Erschöpft, wie Sie sind, wären Sie leichte Beute für jemanden, der Sie über Nacht in eine versteckte Lagune entführen möchte …“

Bei der Vorstellung überliefen Greer erneut Schauer der Erregung.

Vor der Reise hatten sie und ihre Schwestern sich Playboys als harmlose Kerle vorgestellt, mit denen sie spielend fertig werden würden. Vielleicht würden die Männer leicht eingeschnappt reagieren, wenn sie erfuhren, dass sie auf einen Streich hereingefallen waren, doch immerhin so galant bleiben, dass sie die Drillinge als gleichwertige Gegner anerkannten und sich ohne Groll vom Spielfeld trollten.

Doch nachdem der Fremde sie geküsst und ihr gewagte Bemerkungen zugeflüstert hatte, war Greer sich da nicht mehr so sicher.

Instinktiv spürte sie, dass dieser Mann ihr gefährlich werden konnte. Er war nicht der Typ, den man in eine Jugendherberge locken und aufklären konnte: „Tut mir leid, ich bin gar keine Herzogin.“ Er würde entscheiden, wann er des Spiels müde wurde, und dann zuschlagen. Bis dahin würde er sie nicht aus den Augen lassen.

Alarmiert beschleunigte Greer den Schritt.

Am Aufzug nahm sie sicherheitshalber schon mal den Zimmerschlüssel aus der Abendtasche.

Als sie in der dritten Etage ausstiegen, hatte Greer sich wieder im Griff. Morgen früh würden sie das Hotel verlassen, und da sie nicht die Absicht hatte, den Fremden je wiederzusehen, brachte sie sogar ein selbstsicheres Lächeln zustande.

Der heutige Abend war eine Art Versuchsballon gewesen. Eine Trockenübung. Na ja, eine ziemlich nasse Trockenübung, berichtigte Greer sich.

Der Versuch war fehlgeschlagen, doch morgen kam ein neuer Tag mit neuen Playboys und neuen Möglichkeiten.

Vor ihrer Zimmertür blieb Greer stehen und schloss mit einer schnellen Handbewegung auf. Doch ehe sie ins Zimmer huschen konnte, küsste der Fremde sie auf den Nacken, und ihr wurde heiß und kalt.

„Bis morgen.“

Sein Versprechen kam ihr wie ein Schwur vor.

„Leben Sie wohl“, verabschiedete sie sich durch den Spalt und schloss rasch die Tür hinter sich.

Froh, es sicher ins Zimmer geschafft zu haben, ging Greer zum nächsten Sessel und versuchte, sich zu fangen. Mit einem leisen Geräusch fiel ihre Abendtasche zu Boden.

Zu spät fiel Greer ein, dass der Fremde ihre Schuhe immer noch hatte. Egal. Sie würde ohne sie auskommen müssen. Diesen Mann wollte sie nie wiedersehen!

3. KAPITEL

Die Beleuchtung flammte auf.

„Greer?“ Die Schwestern bemerkten ihren Aufzug und schossen aus den Betten.

„Wieso ist dein Kleid nass?“

„Woher hast du den Bademantel?“

„Wo sind deine Schuhe?“

Hilflos stand sie da. Sie war dem Fremden nur entkommen, weil er es zugelassen hatte. Wie triumphierend seine dunklen Augen gefunkelt hatten, ehe sie ins Zimmer geflüchtet war!

„Es gibt Probleme, Kinder!“ Sie streifte sich den Bademantel und das nasse Kleid ab. „Wir müssen schleunigst hier weg! Ich erzähle euch alles, wenn wir im Taxi sitzen. Ruft sofort eins, ja?“, drängte Greer. „Es soll in einer Viertelstunde da sein.“

„Und wohin wollen wir so blitzschnell?“

„Über die Grenze nach Frankreich. Wir nehmen die nächste Maschine irgendwohin. Nur weg von ih… Italien.“

„Das soll wohl ein Witz sein“, staunte Olivia.

Greer schüttelte nur das triefnasse Haar.

„Ich kenne diesen Gesichtsausdruck“, flüsterte Piper. „Sie scherzt nicht.“ Beunruhigt folgten die Schwestern Greer ins Bad. „Hat das etwas mit der Sache am Flughafen zu tun, wegen der die Polizei uns festgehalten hat?“

„Nein.“ Greer nahm ihre Uhr ab, dann den Anhänger. Ihre Haut prickelte immer noch, wo der Fremde sie geküsst hatte.

„Dahinter steckt ein Mann“, tippte Olivia.

Greer schoss das Blut in die Wangen, sie war froh, dass die Reliefglastür der Dusche sie verdeckte.

„Und ich dachte, dich könnte kein Mann der Welt in die Flucht treiben.“

„Wenn du’s genau wissen willst, ich hab mich gerade mit einem Hai eingelassen.“

„Im Pool?“, platzte Piper ungläubig heraus.

„Der hier hatte Arme und Beine …“ Und eine unverschämte Ausstrahlung, die verboten werden müsste, dachte Greer und spülte sich das Shampoo aus dem Haar.

„Hat er dich angegriffen?“

Sie drehte den Wasserhahn zu. „Nicht direkt.“

„Dich bedroht?“

Unwillkürlich erschauerte Greer. „Auch nicht.“

„Wenn du erwartest, dass wir sofort aus dem Hotel ausziehen, nachdem wir gerade mal zwei Stunden geschlafen haben, musst du uns schon reinen Wein einschenken.“

Olivia hatte recht.

Greer griff sich zwei Frotteetücher, von denen sie eines um ihren Kopf drapierte und das andere um ihren Oberkörper wickelte. Dann folgte sie ihren Schwestern in das gemeinsame Schlafzimmer.

Die beiden hockten im Schneidersitz auf ihren Betten und warteten. Matt setzte Greer sich auf ihre Bettkante. „Ich habe das schreckliche Gefühl, mich auf etwas eingelassen zu haben, was böse ausgehen kann. Und daran bin ich selbst schuld.“ Rastlos sprang sie auf. „Zuerst fand ich es lustig und hielt es für eine tolle Herausforderung, einem echten europäischen Playboy mal zu zeigen, wo’s langgeht. Aber dann …“

„Dann hast du deinen Meister gefunden“, ahnte Piper.

Greer nickte. „Im Pool war ein dunkelhaariger Adonis, der einen Olympiaschwimmer beschämen würde. Als er …“ Hilflos verstummte sie.

„Wir sind schon im Bild.“ Olivia legte die Fingerspitzen aneinander. „Hat er dich in den Pool geworfen?“

„Nein“, musste Greer zugeben.

Piper beugte sich vor. „Bist du reingefallen?“

„Nein, so war es auch nicht“, gestand Greer leise.

„Wie war es dann?“

„Wenn ihr es unbedingt wissen wollt: Als er den Anhänger sah, hat er mich prompt aufgefordert, mit ihm zu schwimmen. Alles lief genau nach Plan. Da war der umwerfende Playboy, der wusste, wer die Herzogin von Colorno war. Er hat mich auch gleich auf den Anhänger angesprochen.“

Erstaunt sah Piper ihre Schwester an. „Und da bist du einfach zu ihm in den Pool gehüpft?“

„Herzoginnen hüpfen nicht.“

Nun musste Olivia lächeln. „Natürlich nicht. Du bist in voller Montur elegant zu ihm ins Wasser gehechtet.“

„So ungefähr“, gab Greer zögernd zu.

Ihre Schwestern brachen in schallendes Gelächter aus.

„Und was war dann?“, fragte Piper.

Nervös knetete Greer ihre Hände. „Dann ging alles schief.“

„Was hat er denn getan? Sag schon“, drängte Olivia. „Wir wollen die ganze Geschichte hören, egal, wie peinlich sie ist. Wie sollen wir sonst beurteilen, wie schlimm die Situation ist?“

„Sehr schlimm, das dürft ihr mir glauben“, flüsterte Greer.

Ihre Schwestern wurden ernst. „Hat er …?“

„Nein!“ Greer wurde heiß. „Aber er hätte alles tun können. Das Kleid war mir bis zur Taille hochgerutscht, und er war so stark wie …“

Piper glitt vom Bett. „Du glaubst, wenn du mit ihm allein gewesen wärst, hätte er die Situation ausgenutzt?“

Langsam atmete Greer ein. „Ich glaube, der Mann bekommt, was er will. Punkt. Außerdem schien der Anhänger für ihn eine besondere Bedeutung zu haben.“

Nun berichtete sie von der Unterhaltung im Pool, ließ die beiden Küsse jedoch aus. Das war zu persönlich. Darüber konnte sie einfach nicht reden, nicht einmal mit ihren Schwestern.

„Und wie heißt er?“

„Keine Ahnung.“

Olivia verdrehte die Augen. „Greer …“

„Ich weiß.“ Hilflos rieb sie sich die Arme. „Es kommt noch schlimmer. Ich habe ihm gesagt, dass wir ab morgen in Vernazza sind.“

„Das hast du ihm verraten?“

„Ich weiß, es war idiotisch, Piper, aber da ahnte ich noch nicht, wie gefährlich er ist. Und dann sprach er von einer geheimen Grotte und Sonne und Sand und verglich mich mit einer nackten Göttin, die aus einer Muschel steigt. Nun vermute ich, dass er mir dorthin folgen wird.“

Nach der Verabschiedung vor der Tür war Greer sicher, dass der Fremde nicht lockerlassen würde.

„Klingt aufregend“, stellte Piper gedankenvoll fest.

Olivia nickte. „Finde ich auch.“

„Hört mal“, rief Greer voller Panik, „der Mann ist unberechenbar.“

„Das sagst du, weil du noch nie so einen tollen Typ kennengelernt hast und nicht weißt, wie du damit fertig werden sollst, dass du dich zu ihm hingezogen fühlst.“

„Ich fühle mich nicht zu ihm hingezogen, Piper!“

„Doch, das tust du“, widersprach Olivia.

„Na gut. Aber selbst wenn es so wäre – er gehört zu den Männern, vor denen man sich hüten muss.“ Greers Stimme bebte. „Wir hätten uns eine zahme Version des Millionärsfilms einfallen lassen und uns normale Männer vornehmen sollen. Das ist sehr viel sicherer, als es mit reichen Playboys aufzunehmen.“

Olivia runzelte die Stirn. „Unser Plan ist in Ordnung. Italienische Männer bist du einfach nicht gewohnt. Für den Typ ist es ganz normal, sich an dich ranzumachen. So sind sie nun mal.“

„Olivia hat recht“, unterstützte Piper ihre Schwester. „Schließlich siehst du toll aus, Greer. Don ist verrückt nach dir, aber er ist Amerikaner, und amerikanische Männer sind nicht so forsch. Denk nur, wie lange er gebraucht hat, ehe er sich an dich rangetraut hat.“

„Sechs Monate“, bemerkte Olivia amüsiert. „Greer, vielleicht ist der Fremde völlig skrupellos. Aber vielleicht auch nicht. Du kennst ihn doch gar nicht.“

„Du warst ja nicht dabei“, fuhr Greer sie an.

„Das stimmt. Aber du hast doch gesagt, er sei dir nicht zu nahe getreten?“

Wieder wurde Greer heiß. „Na ja“, räumte sie zögernd ein. „Er hat mich im Pool … und vor der Tür geküsst.“

„Dachte ich’s mir doch“, bemerkte Olivia.

„Hast du die Küsse erwidert?“, wollte Piper wissen.

„Natürlich nicht! Er hat mich nicht auf den Mund geküsst.“

Ihre Schwestern wechselten einen Blick, dann sagte Piper: „Das erklärt alles.“

„Wie meinst du das?“, fragte Greer.

„Du bist eine Frau, die alles im Griff hat. Das hat er gemerkt und dich überrumpelt. Sieht so aus, als würde er dir in Kürze einen Antrag machen.“

„Ich will keinen Heiratsantrag, ich will nur weg! Vielleicht sollten wir wieder nach Hause fliegen.“

„Das tun wir auch, aber erst, wenn der Urlaub zu Ende ist“, versuchte Olivia, Greer zu beschwichtigen. „Und da wir das Boot schon bezahlt haben und das Geld nicht zurückbekommen, sollten wir die Anhänger wegpacken, die Herzoginnennummer streichen und den Rest der Reise wie gewöhnliche Touristen genießen.“

„Das finde ich auch“, pflichtete Piper ihr bei.

„Aber ich habe dem Fremden schon gesagt, ich sei mit der Herzogin von Colorno verwandt.“

„Das Boot haben wir auch für die Herzogin von Kingston gebucht, aber den Titel lassen wir ab jetzt einfach unter den Tisch fallen“, schlug Olivia vor. „Reg dich nicht auf, Greer. Wenn dein geheimnisvoller Fremder aufkreuzt, muss er es mit uns dreien aufnehmen.“

„Richtig“, bekräftigte Piper. „Falls er kommen sollte, lassen wir dich keine Sekunde aus den Augen. Was sagst du nun?“

„Klingt gut.“

„Fein. Nachdem wir das geklärt hätten, legen wir uns endlich aufs Ohr und schlafen.“

Wenige Minuten später waren die Lichter gelöscht, und alle lagen in ihren Betten. Bald hörte Greer ihre Schwestern selig schlummern.

Sie selbst jedoch fand keine Ruhe. Aber schließlich hatten Olivia und Piper auch nicht Bekanntschaft mit einem Hai gemacht.

Selbst jetzt noch spürte sie die Berührung seiner Lippen.

„Nic? Ich bin’s, Max. Luc ist zugeschaltet, sodass wir eine Dreierkonferenz abhalten können.“

„Luc?“

„Hallo, Nic. Schön, deine Stimme zu hören.“

„Es ist wie in alten Zeiten.“

Max’ Cousins Nic und Luc, die Söhne seiner Tanten väterlicherseits, standen ihm so nahe wie Brüder.

Eine Schwester seines Vaters war mit Carlos de Pastrana aus dem spanischen Marbella verheiratet, die andere mit Jean-Louis de Falcon aus Monaco. Alle drei Elternteile waren direkte Abkommen des Hauses Bourbon-Parma und hatten in Königshäuser eingeheiratet.

Die drei Cousins waren dreiunddreißig und vierunddreißig Jahre alt und hatten während der Schulzeit und in den Ferien die meiste Zeit miteinander verbracht. Doch vor fünf Monaten war Nics Verlobte bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen, bei dem Luc fast ein Bein verloren hätte. Nach der Tragödie hatten Max’ Cousins ihre frühere Lebensfreude verloren.

Jetzt war er froh, einen Vorwand zu haben, um die beiden wiederzusehen.

„Entschuldigt, dass ich euch um ein Uhr nachts aus dem Bett hole, aber es geht um etwas Wichtiges.“

„Was heißt hier entschuldigen“, hielt Nic dagegen. „Soweit ich mich erinnere, habe ich dich nach dem Unfall wochenlang die halbe Nacht wach gehalten.“

„Und die andere Hälfte hast du bei mir im Krankenhaus verbracht“, erinnerte Luc ihn. „Deine Stimme zu hören, ist wie frische Luft zu atmen, nachdem ich in letzter Zeit nur vom Bett zur Arbeit, danach zur Physiotherapie und wieder ins Bett gehe.“

„Luc hat recht, Max“, versicherte Nic. „Schön, dass du anrufst. Sag, was du willst, und wir werden es tun.“

Darauf wollte Max ihn festnageln. „Könntet ihr beide mir zehn Tage opfern?“

„Wann?“, fragten die beiden wie aus einem Mund.

„In sechs Stunden.“

„Bei dir in Colorno?“

„Nein. In Vernazza. An Bord der Piccione. Ihr sollt mit mir Bordmannschaft spielen.“

Luc gab einen brummigen Laut von sich. „Da ich auf den verflixten Stock angewiesen bin, kann ich im Moment höchstens kochen.“

„Du scheinst Gedanken lesen zu können, Luc. Genau darum wollte ich dich bitten. Wir wissen ja, wenn Nic oder ich den Kochlöffel schwingen, würden wir alle verhungern. Nic macht den Kapitän.“

„Wieso ausgerechnet auf der Piccione?“, wollte der wissen. „Du hast dein Schiff doch Fabio Moretti überlassen.“

„Richtig. Jetzt gehört es ihm. Die letzte Rate hat er mir vor Monaten bezahlt.“

„Schön für ihn.“ Es folgte Schweigen.

Schließlich fragte Luc: „Und wo bleiben die Morettis?“

„Sie treten einen unerwarteten, bezahlten Urlaub an.“

„Scheint wirklich ein Notfall zu sein.“

Max sah das Zauberwesen vor sich, das den kostbaren Anhänger seiner Familie trug. Das Blau ihrer Augen wetteiferte mit dem der Amethyste, und er nahm den Duft ihrer makellosen Haut selbst jetzt noch wahr.

„Ich bin nicht sicher, was es ist, Luc. Aber eins weiß ich: Wir müssen sofort zuschlagen.“

„Zuschlagen? Klingt geheimnisvoll.“

„Möglicherweise sind wir jetzt endlich auf die Person oder Personen gestoßen, die hinter dem Diebstahl des Familienschmucks stecken.“

Luc stieß eine Verwünschung aus. „Meine Eltern reden ständig davon.“

„Meine auch“, murrte Nic. „Ehe ich von Marbella zur Bankierskonferenz nach Luxemburg abgeflogen bin, hat Mama sich beklagt, dass der Sicherheitschef noch keine einzige wirkliche Spur gefunden hat. Ich vermute, die Familienjuwelen wurden längst aus der Fassung genommen und liegen bei jemandem im Tresor.“

Oder am zarten Hals einer amerikanischen Hexe ohne Gewissensbisse.

„Es wird euch interessieren, dass Signore Galli, der Sicherheitschef vom Flughafen Genua, gestern früh drei Amerikanerinnen festgehalten hat, weil jede von ihnen den Anhänger der Herzogin trug.“

Verblüfftes Schweigen folgte, dann Gelächter. „Aber es gibt doch nur einen Anhänger!“

So hatte Max anfangs auch reagiert. Die Schmuckkollektion gehörte zu den größten Schätzen Italiens. Wer immer sie aus dem Herzogspalast in Colorno gestohlen hatte, musste damit rechnen, gnadenlos verfolgt zu werden.

Seit über einem Jahr arbeitete Italiens Polizei mit dem CIA, Scotland Yard und Interpol zusammen. Ohne Erfolg.

„Dieser Signore Galli sollte zum Augenarzt gehen.“

„Ich weiß nicht, Nic. Der Anhänger der Herzogin, den ich vor Kurzem gesehen habe, sah verteufelt echt aus.“

Wieder herrschte Schweigen.

„Du hast einen von den Anhängern gesehen, den die Amerikanerinnen trugen?“

„Richtig, Luc. Ganz nah und … sehr intim, wenn du verstehst, was ich meine.“

Das mussten die Cousins erst einmal verarbeiten. Nach weiteren Schweigesekunden bedrängten sie Max, sich näher zu erklären.

„Diese Damen, Greer, Piper und Olivia, sind atemberaubende Blondinen, siebenundzwanzig Jahre alt und … Drillinge.“

„Drillinge?“

Si. Sie gleichen sich nicht aufs Haar, aber eins steht fest: Wo sie auftauchen, erregen sie Aufsehen. Ihren Pässen nach heißen sie Duchess und sind aus Kingston, New York. Ich habe herausgefunden, dass sie heute von Vernazza aus auf Segeltour gehen wollen. Und von Fabio weiß ich, dass die Person, die die Piccione gechartert hat, sich Herzogin von Kingston aus dem Haus Bourbon-Parma nennt.“

Ungläubiges Schnauben drang durch die Telefonleitung.

„Ich habe nachgeforscht und aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass es den Titel Kingston heute nicht mehr gibt.“

„Welche Schwester hat sich dieses Märchen ausgedacht?“, fragte Nic.

„Keine Ahnung“, erwiderte Max. „Greer behauptet, die Herzogin von Colorno sei ihre Ahnfrau.“

„Unglaublich!“, rief Luc.

„Ja, so klingt es wirklich. Ich hätte Signore Gallis Bericht nicht viel Bedeutung beigemessen, wenn ich den drei Schwestern nicht aus dem Splendido zur Kirche San Giorgio und zurück gefolgt wäre. Alle drei trugen den Anhänger. Weshalb, ist mir ein Rätsel, vor allem im Hinblick auf den Diebstahl.“

„Warum würden sie mit Imitationen des Originals am Tatort auftauchen, wenn sie nicht aus irgendeinem Grund ertappt werden wollen?“

„Das weiß ich nicht, Nic. Vielleicht soll das ein verrückter Streich sein, um unserer Familie unter die Nase zu reiben, dass wir den Verantwortlichen nie finden werden.“

„Oder einer von den Anhängern ist der echte, und sie wollen eine höhere Auslösesumme erpressen“, überlegte Luc.

„Richtig. Noch interessanter wird die Sache, weil Greer behauptet, sie würden hier ihre italienischen … Verwandten besuchen.“

„Verwandte?“, platzte Nic heraus. „Wir sind die Verwandten der Herzogin von Parma.“

„Genau. Deshalb dachte ich, du und Luc, ihr würdet mir helfen, ein Treffen mit den verloren gegangenen Cousinen einzufädeln.“

„Sprich weiter“, drängte Nic.

„Wir müssen feststellen, wer die drei wirklich sind und was sie hier wollen. Ob sie allein handeln, und wenn nicht, wer sie geschickt hat. Und das erfahren wir nur mit der guten alten Methode – ihr wisst schon, was ich meine“, setzte Max bedeutsam hinzu. „Hoffentlich seid ihr nicht aus der Übung.“

„Die Vorstellung, dass wir auf einmal drei sexy Cousinchen haben, gefällt mir außerordentlich“, ließ Luc sich vernehmen. „Und für das, was du vorschlägst, gibt es keinen kuscheligeren Ort als die Piccione.“

„Richtig. Während wir uns als Mannschaft nützlich machen, werden wir sie ständig auf Trab halten. Hier ist mein Plan, Nic. Wenn Fabio die drei an Bord bringt, unterhältst du dich mit ihnen, während ich ihr Gepäck durchsuche und mir die Anhänger schnappe.

Wir segeln nach Lerici. Nach dem Abendessen führe ich die Damen durchs Schloss. Währenddessen fliegt ihr mit dem Hubschrauber nach Parma, legt Signore Rossi die Anhänger zur Begutachtung vor und seid wieder an Bord, wenn ich mit unseren Gästen zurückkomme.

Je nachdem, was wir über die Anhänger in Erfahrung bringen, wissen wir dann, ob wir zusätzliche Zeit brauchen, um noch mehr aus den Damen herauszubringen, oder sofort die Polizei rufen und das Trio verhaften lassen.“

Nic lachte leise. Es war das erste Mal, dass er seit der Beerdigung wieder Gefühle zeigte.

Auch Luc schien endlich aus seiner Teilnahmslosigkeit zu erwachen. Das war mehr, als Max erwartet hatte.

„Ehrlich gesagt freue ich mich darauf, viel Zeit mit Greer Duchess zu verbringen“, gestand Max.

„Ich bin um sieben auf dem Schiff“, erklärte Luc.

„Und was ist mit dir, Nic?“ Nach dem Verlust seiner Verlobten hatte Nic keine Frau mehr angesehen.

„Ich auch.“

Gut. Mehr als gut. Lange genug hatte Nic sich vom Leben zurückgezogen. „Ich habe das Gefühl, es wird wie in alten Zeiten. Ciao.“

In der Broschüre wurde Vernazza als Juwel bezeichnet. Der Anblick des Ortes übertraf jedoch alles, was Greer erwartet hatte. Der einzige natürliche Hafen der fünf Dörfer von Cinque Terre war so einzigartig und schillernd wie ein kostbarer Edelstein.

Während sie die hellen Fassaden der turmförmigen Häuser betrachtete, die sich auf verschiedenen Ebenen an die steilen Klippen schmiegten, blendeten sie das leuchtend blaue Meer und der klare, tiefblaue Himmel.

Einfach atemberaubend, die Farbabstufungen der wie hingetupft wirkenden Baumgruppen und der smaragdgrünen Berghänge, von denen sich die Gelb-, Rosa- und Rosétöne mit Portalen und Säulenvorbauten geschmückter Luxusvillen und Schlösser abhoben.

Die entzückten Seufzer ihrer Schwestern verrieten Greer, dass auch sie von dem Geschick der Genuesen überwältigt waren, die es vor Jahrhunderten verstanden hatten, dieses einzigartige Fleckchen Erde vor Barbaren und Sarazenen zu schützen.

Zu gern hätte Greer die schmalen Pfade erkundet, die sich bis in schwindelnde Höhen vom kleinen Marktplatz bis zu den Felskämmen emporschlängelten. Doch den Ort und das Flüsschen Vernazzola würden sie erst am Ende des Urlaubs für sich entdecken können, weil sie schon viel zu spät zum Segelboot kamen.

Aufgrund der Touristenschwärme, die wegen des Grand Prix an die Riviera strömten, hatten die Schwestern im Bahnhof endlos anstehen müssen, um ihre Fahrkarten zu kaufen. So kam es, dass sie den steinernen Anlegesteg des kleinen Hafens von Vernazza erst um drei Uhr nachmittags, drei Stunden nach der verabredeten Zeit, erreichten.

Über ein Dutzend Boote in verschiedenen Farben schaukelten auf der geschützten Seite des blauen Wassers. Doch es gab nur einen Katamaran, der sich blendend weiß von den anderen abhob.

Obwohl der beunruhigende Fremde am Morgen nicht mit Greers Schuhen vor ihrem Hotelzimmer gewartet, ihr auch nicht in der Hotelhalle aufgelauert hatte, als sie die Rechnung beglichen hatten, und von ihm jetzt an der Anlegestelle nichts zu sehen war, fühlte Greer sich unruhig.

Er hatte etwas an sich, das ihr den Seelenfrieden raubte, doch das konnte sie nicht einmal ihren Schwestern erklären. Erst wenn sie den Hafen verlassen hatten, würde sie aufatmen.

„Buon giorno, signorine“, sagte eine dunkle Männerstimme hinter ihnen.

Unwillkürlich zuckte Greer zusammen und befürchtete das Schlimmste. „Ich bin Fabio Moretti, der Eigentümer der Piccione. Willkommen in Vernazza.“

Sie hörte, wie ihre Schwestern sich vorstellten, und drehte sich um.

Erleichterung durchflutete sie, als sie einen mittelgroßen, dunkelblonden Italiener in blauer Hose und dunkelblauem Sporthemd vor sich erblickte, der sie bewundernd anlächelte und ihnen die Hände schüttelte.

„Welche von Ihnen ist die Herzogin von Kingston?“

„Wir alle drei“, erklärte Olivia, und Greer unterdrückte ein Stöhnen.

Verunsichert zupfte der Mann sich am Ohrläppchen, dann begriff er. „Ach so … weil Sie Drillinge sind?“

Piper nickte. „Aber wie wir Ihnen bereits per E-Mail angedeutet haben, möchten wir das geheim halten.“

„Natürlich. Ich habe für Sie einen besonderen Koch angeheuert. Er hat schon für andere königliche Gäste aus dem Haus Bourbon-Parma gekocht und bereitet in der Kombüse bereits das Abendessen vor. Auf der Piccione werden Sie richtig verwöhnt werden.“

Greer warf ihren Schwestern einen besorgten Blick zu: „So viel Mühe hätten Sie sich wirklich nicht machen müssen, signore.“

„Es war mir ein Vergnügen. Die Einheimischen von Vernazza sind zwar Ligurer, aber die Herzogin von Parma hat einen speziellen Platz in unseren Herzen, und ganz besonders in meinem. Wenn Sie mir folgen wollen, mache ich Sie mit dem Kapitän bekannt, der schon darauf wartet, in See zu stechen. Um das Gepäck brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Der Erste Maat bringt es in Ihre Kabinen. Er wird Ihr Steward sein und Sie mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut machen, sobald wir abgelegt haben. Gehen wir an Bord?“

Die Schwestern folgten dem Mann an Deck und über die Seitentreppe.

Das Schiff übertraf alle Erwartungen und lenkte Greer fürs Erste ab. Es kam ihr wie ein Luxusapartment auf See vor und verfügte auch über Gleitschirme, Schnorchelausrüstungen, Wasserski, Surfbretter und Sonnenliegen … einfach alles für einen Traumurlaub.

Dann bemerkte Greer einen ungewöhnlichen Mann um die dreißig mit einer Sonnenbrille, der aus der Mannschaftskabine kam.

Mit seinem athletischen Körper, der sich unter dem blauen T-Shirt und der weißen Cargohose abzeichnete, erinnerte er sie ein wenig an den Fremden aus dem Splendido.

Ihr Herz begann heftig zu pochen. Doch als der Mann zu ihnen in den Salon kam, merkte sie, dass sie sich geirrt hatte.

Er besaß glatteres, eher dunkelbraunes Haar, und seine markanten Züge ließen sie an die stolzen Kastilianer denken, mit denen sie während der Zugfahrt geflirtet hatten.

Der Bootsbesitzer sagte etwas auf Italienisch zu ihm. Als der Mann die Sonnenbrille abnahm, blickte Greer in dunkelbraune, von dichten schwarzen Wimpern gerahmte Augen.

Buenas tardes, señoritas. Mein Name ist Nicolas, aber bitte nennen Sie mich Nic. Hier auf der Piccione geht es ganz zwanglos zu.“

Ein toll aussehender Spanier, und Italienisch und Englisch sprach er auch! Beeindruckend.

Alle begrüßten sich.

„Es wird mir ein Vergnügen sein, eine Segeltour mit drei so atemberaubenden Schwestern zu machen.“ Er betrachtete sie nacheinander, am längsten ruhte sein Blick auf Piper. „Verzeihen Sie, dass ich Sie so ansehe, Señorita …?“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

...

Mehr erfahren