Romana Weekend Band 14

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SPANISCHE NÄCHTE von MAGGIE COX

Durch die traumhafte Landschaft Nordspaniens führt Isabella ihre Pilgerreise auf dem Jakobsweg – direkt in Leandros Arme. Der Regisseur mit den silbergrauen Augen ist ein Traummann! Und statt des geplanten Interviews schenkt er ihr eine unvergessliche Nacht – die nicht ohne Folgen bleibt ...

ZÄRTLICHE NÄCHTE AUF ZYPERN von JENNIFER TAYLOR

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VERTRAU DER STIMME DEINES HERZENS! von MELANIE MILBURNE

Rachel bittet ihn völlig erschöpft um Hilfe, doch Alessandro verschließt sein Herz: Sie braucht Geld – nur deswegen ist sie zu ihm zurückgekommen. Zwar beteuert sie, dass alles ganz anders war. Doch das zu glauben, fällt dem stolzen Sizilianer so unendlich schwer …


  • Erscheinungstag 18.05.2024
  • Bandnummer 14
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527811
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maggie Cox, Jennifer Taylor, Melanie Milburne

ROMANA WEEKEND BAND 14

PROLOG

Die glühenden Strahlen der Mittagssonne brannten unerbittlich auf Isabellas Hinterkopf und rissen sie damit endlich aus ihrem Schockzustand. Langsam erhob sie sich von dem Sofa, ging in Richtung der raumhohen Fenster und ließ die modischen Bambusrollos an dem Fenster hinter sich herunter. Der wohltuende Schatten, den die Jalousien augenblicklich spendeten, tat gut. Mit aller Macht war der britische Sommer in diesem Jahr ausgebrochen und das Straßenpflaster heiß genug, um darauf zu grillen. Doch sogar als Isabella jetzt barfuß über den kühlen Laminatboden zum Sofa zurückging, konnte sie nur an eins denken: Sie war schwanger. Neben der Müdigkeit und Übelkeit, die sie seit einer guten Woche quälten, hatte das Ergebnis des Schwangerschaftstests ihr den letzten und endgültigen Beweis dafür geliefert.

Isabella schüttelte ungläubig den Kopf. Alles hatte sie von dieser Reise erwartet – bloß dieses Szenario nicht. Mit einem Mal stand ihre gesamte Welt Kopf!

Fast im gleichen Moment wurde sie von einer Welle der Übelkeit ergriffen, die alles noch schlimmer machte. Hastig flüchtete sie ins Badezimmer. Zehn Minuten später stand eine beruhigende Tasse Kamillentee neben ihr, ein kühler, feuchter Waschlappen lag erfrischend in ihrem Nacken, und mit einem Mal konnte Isabella die Situation mit einer Ruhe abwägen, die sie selbst überraschte. Ihr leidenschaftliches Zwischenspiel mit einem attraktiven und berühmten Spanier hatte dazu geführt, dass sie sein Kind erwartete. Na und? Sie war problemlos in der Lage, mit den veränderten Umständen selbst fertig zu werden. Für Ängste oder Zweifel blieb jetzt keine Zeit.

Just in diesem Augenblick wurde sie von einer Sehnsucht erfüllt – nach dem Mann, von dem sie sich hatte verabschieden müssen, der ihre Reise unterbrochen und einen so tiefen und starken Eindruck auf sie gemacht hatte –, und sie ahnte, dass dieses Sehnen sie wohl ihr ganzes weiteres Leben begleiten würde.

1. KAPITEL

Mai 2004 – Hafen von Vigo, Nordspanien

„Nein! Es ist mir egal, ob du jemals wieder mit mir sprichst, Emilia, aber ich werde nicht die Recherchen für mein eigenes Buch abbrechen, um irgendeinen egozentrischen Filmregisseur zu verfolgen, von dem du nicht einmal weißt, dass er dort ist, wo du ihn vermutest. Und der mir höchstwahrscheinlich ein spontanes Interview verweigern wird.“

Isabella klopfte ungeduldig mit den Fingernägeln auf die Theke der Hotelrezeption, an der sie den Anruf ihrer Schwester entgegengenommen hatte. Sie spürte, wie ihr ein kleines Rinnsal aus Schweiß den Rücken hinunterlief. Trotz des Regens war es unglaublich heiß und schwül, und im Moment hätte sie alles für eine kühlende Dusche und ein erfrischendes Getränk gegeben. Sie war den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatte Pilger auf dem berühmten Jakobsweg interviewt. Rücken und Füße taten ihr weh, doch die Kameradschaft und der Enthusiasmus der Gläubigen gaben ihr Auftrieb. Nach einer kurzen Erholungspause würde sie wieder an ihrem Buch weiterarbeiten. Auf keinen Fall hatte sie die Absicht, sich auf ein so fruchtloses Unterfangen einzulassen, wie ihre Schwester es ihr vorschlug. Warum sollte sie einem Mann hinterherjagen, der offensichtlich großen Wert darauf legte, seine Privatsphäre zu wahren? Und das nur, weil die impulsive und krankhaft ehrgeizige Emilia eine Chance witterte, für ihr Magazin ein Exklusivinterview an Land zu ziehen.

„Bitte, Isabella … das kannst du mir nicht abschlagen! Du bist direkt im Hafen von Vigo, in derselben Stadt, in der auch Leandro Reyes sich nur einen einzigen Tag lang aufhält, um einen Vortrag zu halten. Bitte tu mir den Gefallen! Womit kann ich dich überzeugen? Hör mal, ich zahle dir jeden Betrag … nenn mir einfach deinen Preis.“

„Um Himmels willen, Emilia! Ich will kein Geld! Alles, was ich will, ist, in Ruhe gelassen zu werden, um mich auf mein eigenes Projekt konzentrieren zu können!“

Die Verzweiflung ihrer Schwester erschien ihr lächerlich, doch Emilia war es eben nicht gewöhnt, dass man ihr etwas abschlug. Sie war das Nesthäkchen der Familie, drei Jahre jünger als Isabella und aus der Ehe ihrer Mutter mit dem liebenswerten Amerikaner Hal Deluce hervorgegangen. Den hatte ihre Mutter ein Jahr nach dem Tod von Isabellas Vater auf einer Kreuzfahrt in der Karibik kennengelernt. Emilias Geburt erschien der Mutter als ein wunderbares Omen für den Beginn besserer Zeiten, und das Mädchen konnte seitdem einfach nichts verkehrt machen. Auf Isabellas Schultern hatten dagegen immer übertrieben hohe Erwartungen gelastet, schon allein deshalb, weil sie die Ältere war. Erwartungen, die sie immer wieder enttäuscht hatte. Dazu gehörte unter anderem eine teure Hochzeitsfeier, die von ihren Eltern organisiert und finanziert worden war. Doch in letzter Minute hatte Isabella kalte Füße bekommen und die Hochzeit abgeblasen.

Im Gegensatz dazu würden die Wörter „Fehlschlag“ und „Emilia“ ihren Eltern nie in einem Zusammenhang über die Lippen kommen. Denn außer als Journalistin bei einem Frauenmagazin der Spitzenklasse Karriere zu machen, hatte sie einen gut aussehenden jungen Börsenmakler aus bester Familie geheiratet. Und um ihren Ruf als „Miss Fehlerlos“ noch weiter zu untermauern, lebte sie seit Kurzem in einem prächtigen Haus in Chelsea und wohnte nun Seite an Seite mit den Reichen und Schönen, über die sie auch in ihrem Magazin berichtete. In den Augen ihrer Mutter war ihre Jüngste „angekommen“, während Isabella noch immer „unterwegs“ war.

Daher waren Emilias Ansprüche an die Großmut derjenigen, die sie liebten, häufig völlig übertrieben. Wie jetzt. Sie wusste, dass Isabella in Nordspanien war, um für ihr Buch zu recherchieren und sich der Herausforderung einer Pilgerwanderung zu stellen, bei der sie täglich zwischen zwanzig und dreißig Kilometer zu Fuß zurücklegte. Sie war nicht zum Urlaub hier, sondern verfolgte ein seriöses Ziel … während sie lief, arbeitete sie gleichzeitig auch.

Was nicht hieß, dass Isabella nicht jede Minute genoss. Ihre Recherche über den Jakobsweg und die Gründe, die die Menschen dazu veranlassten, diese fünfwöchige Pilgerreise anzutreten und tatsächlich selbst mitzulaufen, begeisterten sie. Deshalb wollte sie sich auch nicht davon ablenken lassen.

„Aber verstehst du das denn nicht, Em? Ich arbeite hier! Dafür habe ich mir in der Bibliothek drei Monate unbezahlten Urlaub genommen, von dem ich keine Sekunde verschwenden möchte. Ich bin den ganzen Tag gewandert, es ist heiß, ich bin müde, habe Riesenblasen an den Füßen und muss mich etwas ausruhen, bevor ich heute Abend weiterschreibe. Du bist doch pfiffig: Wenn du herausbekommen hast, dass Leandro Reyes heute in Vigo ist, bin ich sicher, dass du auch herausfinden kannst, wo er morgen sein wird. Es tut mir leid, aber ich kann dir nicht helfen – wirklich nicht!“

Am anderen Ende der Leitung war ein frustriertes Seufzen zu vernehmen, das Bände sprach. Wenn du das nicht für mich tust, schien es zu sagen, lässt du die Familie wieder einmal im Stich. Ich dachte, du bist meine Schwester? Ich dachte, dir liegt etwas an mir? Nun sehe ich, dass es nicht so ist.

Sofort verspürte Isabella Schuldgefühle und musste sich auf die Lippe beißen, um ihren letzten Satz nicht wieder zurückzunehmen. Unruhig sah sie auf ihre Armbanduhr und ließ ihren Blick dann sehnsüchtig zu der kleinen Treppe wandern, die zu ihrem einfachen und ruhigen Zimmer hinaufführte. Aufgrund von Emilias überraschendem Anruf war sie noch nicht einmal dazu gekommen, ihren Rucksack auszupacken. Vor der Reise hatte sie ihrer Mutter die Telefonnummern der preiswerten Hotels gegeben, in denen sie an den Tagen absteigen wollte, an denen sie nicht in Pilgerherbergen übernachtete. Nach diesem Anruf ihrer Schwester bedauerte sie das zutiefst.

„Ich würde alles geben, um an Informationen über Leandro Reyes zu kommen, Isabella! Als Mum erwähnte, dass du heute in Vigo ankommst, war ich ganz aus dem Häuschen! Ich habe erst gestern Abend erfahren, dass er dort sein wird. Leider verbietet es mein Terminkalender, selbst hinzufliegen. Sonst hätte ich natürlich persönlich versucht, ein Interview von ihm zu bekommen. Es würde mir so viel bedeuten, Schwesterchen … für meine Karriere. Leandro Reyes ist ein Genie unter den Experimentalfilmern. Die meisten Feuilletonschreiber würden ihre Seele verkaufen, um ein Interview mit ihm zu bekommen. Versuch bitte, ihn zu treffen – bitte! Auch wenn es nur ein ganz kurzes Interview wird. Zumindest würdest du einen Eindruck von dem Mann bekommen, und ich hätte eine Grundlage, die ich noch ausschmücken könnte.“

Isabella wurde es flau im Magen. Emilias Edelmagazin der gehobenen Preisklasse galt als seriös, aber auch dort fand man es nicht unter der Würde, die schmutzigen kleinen Geheimnisse der Stars und Prominenten auszuplaudern, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Isabella missbilligte diese Art von Sensationsjournalismus. Jeder hatte ein Recht auf seine Privatsphäre … sogar hochgelobte und gefragte Filmregisseure. Besonders solche wie Leandro Reyes, der für seine außerordentliche Öffentlichkeitsscheu bekannt war. Bei dem Gedanken daran, mit einem solchen Mann ein Gespräch führen zu müssen, war ihr gar nicht wohl. „Emilia, ich muss jetzt auflegen. Ich brauche eine Dusche und etwas zu trinken und dann …“

„Ich flehe dich an, Isabella! Leandro wird im Paradiso sein, einem eher verschwiegenen Lokal. Bei einer Filmpremiere habe ich gestern zufällig ein Gespräch belauscht, bei dem erwähnt wurde, dass er heute an einer Hochschule in Vigo einen Vortrag hält und sich hinterher mit einem Kollegen auf einen Drink treffen will. Um sieben Uhr. Ruf mich zu Hause an, nachdem du mit ihm gesprochen hast. Ich warte auf deinen Anruf. Danke, Schwesterchen … du bist ein Engel! Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann!“

„Und woran kann ich ihn erkennen? Ich weiß ja nicht einmal, wie er aussieht!“

„Er ist eins fünfundachtzig groß, durchtrainiert, hat dunkle Haare, schiefergraue Augen und ist der gefragteste Junggeselle der Filmindustrie. Glaub mir – es ist unmöglich, ihn zu übersehen!“

Bevor Isabella etwas darauf erwidern konnte, wurde am anderen Ende der Leitung aufgelegt.

Als Leandro Reyes sich in der fast leeren Bar umsah, spürte er ein nervöses Kribbeln in seinem Nacken. Alphonso hätte schon vor einer halben Stunde hier sein sollen. Sein Freund – auch Regisseur – hatte ihn dringend sprechen und ihn bezüglich eines Projekts um Rat fragen wollen. Nachdem er herausgefunden hatte, dass Leandro in der Gegend sein würde und anschließend in sein Haus in Pontevedra fahren wollte, hatte er das Paradiso als einen auf der Strecke liegenden Treffpunkt vorgeschlagen. Es war ein ruhiges, abgelegenes Lokal, wo niemand sie belästigen würde. Der Besitzer hatte auch versprochen, dass er ihnen etwas zu essen zaubern konnte, wenn sie hungrig wären. Beim bloßen Gedanken an Essen fing Leandros leerer Magen an zu knurren. Während er auf seinen Freund wartete, konnte er die Zeit nutzen und sich eine Kleinigkeit bestellen. Als ob er Gedanken lesen konnte, erschien ein Kellner an Leandros Tisch, und er bestellte sich eine Portion Meeresfrüchte – die natürliche Wahl in einer Hafenstadt.

, Señor Reyes, mit Vergnügen.“

„Gracias.“

Leandro sah sich wieder um. Durch die großen Bogenfenster warf er einen Blick auf den gepflegten kleinen Innenhof mit seinen zahlreichen Topfpflanzen und bemerkte im Zwielicht eine Frau, die sich zögernd dem Eingang näherte. Sie wirkte verunsichert, und abgesehen von der Tatsache, dass sie schön genug war, um seine volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, spekulierte Leandro, was sie wohl in diese kleine Bar verschlagen hatte.

Als sie durch die offen stehende Tür eintrat, stellte er fest, dass sie aus der Nähe noch erheblich attraktiver und verführerischer wirkte. Soweit er sehen konnte, hatten ihre Augen die Farbe von starkem Kaffee, wozu ihre schwarzen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare wunderbar passten. Im Kontrast dazu war ihr Teint erstaunlich hell. Irgendetwas sagte ihm, dass sie keine Spanierin war. Vielleicht eine Touristin? Ähnlich wie Leandro selbst trug sie ausgeblichene Jeans und ein leger sitzendes weißes Hemd und brachte eine frische Brise in die kleine überhitzte Bar. Sie wartete darauf, platziert zu werden, und runzelte die Stirn, als sich niemand um sie kümmerte. Während sie sich in der Bar umsah, fiel ihr furchtsam wirkender Blick auf Leandro und blieb bei ihm hängen. Dieser suchende Blick entfachte in seinem Innern ein ungeahntes Verlangen.

Alphonso hatte sich entweder verspätet oder würde gar nicht mehr auftauchen, deshalb könnte es nichts schaden, diese Schönheit mit den rabenschwarzen Haaren und den großen dunklen Augen zu einer kleinen Unterhaltung zu verleiten, die ihm helfen würde, sich die Zeit zu vertreiben.

„Der Besitzer der Bar hat gerade zu tun“, erklärte er auf Spanisch. An ihrer gerunzelten Stirn erkannte er, dass sie ihn nicht verstanden hatte. „Sind Sie hier mit jemandem verabredet?“, wechselte er mühelos ins Englische.

„Nein … also, ich meine … vielleicht.“

Zwei feuerrote Flecken auf ihren Wangen gaben ihrer hellhäutigen Schönheit etwas Farbe. Sie war also eine Touristin … eine Engländerin, dem Akzent ihrer sympathischen, leisen Stimme nach zu urteilen. Leandro war fasziniert von ihr.

„Sie sind sich nicht sicher, ob Sie mit jemandem verabredet sind?“, neckte er sie.

„Nicht direkt … ich meine … kann ich mit Ihnen sprechen?“ Die fesselnde junge Frau hatte ihre Stimme gesenkt und trat näher zu ihm. Ein verführerischer Duft von Jasmin umgab sie. Es gibt ganz andere Dinge, die ich gern mit dir tun würde, mi ángel, dachte Leandro bei sich. All seine Sinne sprachen auf diese außerordentlich schöne Frau an.

„Ich … also, das ist mir sehr peinlich, und normalerweise tue ich so etwas nicht, aber … sind Sie Leandro Reyes?“

Sie war also absolut keine „unschuldige“ Touristin! Seine Enttäuschung war groß. Entweder war sie eine unbekannte Schauspielerin, die auf eine Filmrolle spekulierte, oder aber eine Reporterin. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass die zweite Variante vermutlich die richtige war. Wie schade! Wenn er nicht eine so abgrundtiefe Abneigung gegen Journalisten hätte, hätte er nichts dagegen gehabt, die ganze Nacht mit dieser bildhübschen jungen Frau zu verbringen. Doch jetzt wirkte ihre Anwesenheit auf ihn nur wie ein unverschämtes Eindringen in seine Privatsphäre. Wie, in aller Welt, hatte sie ihn hierher verfolgt? Sie war nicht unter den Studenten gewesen, vor denen er seinen Vortrag gehalten hatte. Woher wusste sie, dass er hier war?

„Das geht Sie nichts an“, erwiderte er kühl, und seine silbergrauen Augen verschleierten sich.

In diesem Moment hätte Isabella ihre Schwester erwürgen können. Wozu hatte sie sich da von Emilia überreden lassen? Sie war kein Mensch, der in die Privatsphäre anderer Leute eindrang. Selbst wenn sie einen Prominenten in der Öffentlichkeit träfe, würde sie ihn ganz sicher nicht belästigen! Nun sah dieser angesehene Filmregisseur Leandro Reyes, der dafür bekannt war, sein Privatleben vor der Öffentlichkeit mit allen Mitteln zu schützen, sie an, als wäre sie eine lästige Fliege, die er zerquetschen wollte!

„Es tut mir leid, wenn ich Sie belästigt habe …“ Ohne es zu merken, fuhr Isabella mit der Zunge über ihre Oberlippe, die vor Nervosität zitterte. „Ich wollte Ihnen wirklich nicht zu nahe treten. Ich habe wider besseres Wissen gehandelt und hätte wirklich nicht zu Ihnen hinüberkommen sollen. Bitte verzeihen Sie mir.“ Mit der Absicht, so schnell wie möglich zu verschwinden und dieses peinliche Erlebnis aus ihrem Gedächtnis zu verbannen, drehte sie sich um. Später am Telefon würde sie Emilia gehörig die Meinung sagen! Sie musste verrückt gewesen sein, zu glauben, dass sie ein Interview von diesem Mann bekommen würde. Den abfälligen Blick, mit dem er sie gemustert hatte, hatte sie nur allzu deutlich gesehen.

„Warten Sie einen Moment.“

Seine Stimme, die kehlig und zugleich verführerisch klang, ließ Isabella innehalten. „Für welche Zeitschrift arbeiten Sie?“

„Für keine.“

Isabella drehte sich langsam wieder um und schob ein paar der Haarsträhnen, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten, hinter ihr Ohr. Die kühlen grauen Augen von Leandro Reyes musterten sie voller Misstrauen. Überall wäre sie lieber gewesen, als diesem prüfenden Blick standhalten zu müssen.

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Ich will damit sagen, dass ich selbst keine Journalistin bin. Ich bin in Spanien, um für ein Buch zu recherchieren. Und ich habe Sie nur aufgesucht, weil meine Schwester, die für eine Frauenzeitschrift in England arbeitet, mich angerufen hat, als sie erfuhr, dass ich zum gleichen Zeitpunkt wie Sie in Vigo sein würde, Señor Reyes.“

„Also will eigentlich Ihre Schwester ein Interview von mir?“

„Das ist richtig. Noch einmal, ich kann mich nur entschuldigen dafür, dass ich so …“

„Woher wusste Ihre Schwester, dass ich heute hier sein würde?“

Sie konnte ihm doch nicht sagen, dass Emilia ein Privatgespräch belauscht hatte! Wie würden sie und ihre Schwester dann in seinen Augen dastehen? Isabellas Wunsch, aus dem Blickfeld dieses verstörenden Mannes zu entkommen, verstärkte sich. Sie sollte jetzt eigentlich in ihrem kleinen Hotelzimmer sitzen und Notizen über ihre Gespräche mit den Pilgern niederschreiben – und nicht die unbedarfte Spionin für Emilia spielen!

„Es tut mir leid, aber da müssen Sie meine Schwester fragen. Nehmen Sie bitte meine Entschuldigung an, Señor Reyes. Ich habe meiner Schwester gesagt, dass ich das Ganze für eine schlechte Idee halte, aber sie kann leider sehr überzeugend sein.“ Sie verzog verschämt das Gesicht und wandte sich wieder zum Gehen. Doch Leandro hielt sie noch einmal zurück.

„Sie sind also Schriftstellerin? Haben Sie schon etwas veröffentlicht?“

„Nein … noch nicht. Momentan arbeite ich noch als Bibliothekarin, aber ich hoffe, irgendwann als Autorin arbeiten zu können.“

„Und das Buch, an dem Sie schreiben? Ist es ein Roman?“

Einen kurzen Moment lang war Isabella von dem intensiven Blick dieses Mannes wie hypnotisiert, und es fiel ihr nicht leicht, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Nein, es ist ein Sachbuch. Ich schreibe über die Pilger auf dem Jakobsweg. Mein Großvater war Spanier und hat mir so viele Geschichten darüber erzählt, dass es schon immer mein Wunsch war, herzukommen und alles selbst zu erleben.“

Leandros Zorn verrauchte, während er die junge Frau überrascht betrachtete. Der Jakobsweg hatte für ihn und seine Familie eine große Bedeutung – wie eigentlich für alle Bewohner von Spaniens Norden. Viele waren ihn entlanggewandert und hatten seine Segnungen empfangen, über die sie bis heute dankbar sprachen. Vielleicht war diese junge Frau mit den seelenvollen dunklen Augen und der zarten Haut nicht aus demselben Holz geschnitzt wie die skrupellosen Reporter, die ihm so auf die Nerven gingen. Es wäre doch möglich, dass man ihr vertrauen konnte? Leandro wollte das gerne glauben, auch wenn er von Natur aus misstrauisch war. Er beschloss, ihr eine Chance zu geben. Er würde früh genug herausfinden, ob das ein Fehler war oder nicht.

„Sie wandern den Jakobsweg selbst entlang?“, fragte er interessiert.

„Ja, aber ich mache immer wieder ein, zwei Tage Station, um mit anderen Pilgern zu sprechen und etwas zu schreiben. Bis jetzt habe ich schon einige sehr interessante und mitreißende Geschichten gehört, wunderbares Material, um damit zu arbeiten. Wie dem auch sei, ich sollte jetzt gehen und Sie in Ruhe lassen. Ich habe viele Notizen zu verarbeiten und will vorankommen. Ich bin sehr erfreut, Sie kennengelernt zu haben, Señor Reyes.“

„Wenn dem so ist, sollten Sie nicht so eilig darauf bedacht sein, wieder zu verschwinden, nicht wahr?“ Mit dem Fuß stieß er einen Stuhl an seinem Tisch für Isabella zur Seite. Ihre Wangen röteten sich, und Leandro lächelte sie mit der Zuversicht eines Mannes an, der wusste, dass sie seine Einladung nicht ausschlagen würde. Doch innerlich war Isabella zerrissen. Sie wollte eigentlich nichts anderes, als in ihr Hotelzimmer zurückzukehren und weiterzuarbeiten. Außerdem hatte sie am nächsten Tag eine lange Wegstrecke vor sich, und es wäre sicher klüger, sich dafür etwas auszuruhen.

„Es … es tut mir leid, aber ich muss weg.“

Emilia würde sie zwar dafür, die Gelegenheit nicht genutzt zu haben, mit dem verschlossenen Regisseur zu plaudern, umbringen wollen, aber das war eben Pech. Sie würde sich diesem Mann keine Sekunde länger als nötig aufdrängen.

„Wie heißen Sie?“, fragte Leandro, der ihr Zögern bemerkt hatte.

„Isabella Deluce.“

„Isabella? Wie unsere berühmte Königin … Nun, Isabella …“ Die Art, wie er die Silben ihres Namens aussprach, klang wie eine intime Liebkosung, und sie begann heftig zu zittern. „Ich spreche mit Ihnen über den Jakobsweg und die Wallfahrten, aber mein Privat- und Berufsleben sind tabu … Ist das klar?“

Isabella schluckte ihren Schreck über seine Worte hinunter und strich sich nervös ihre Jeans glatt. „Ja, natürlich … aber wollen Sie wirklich über den Jakobsweg mit mir sprechen?“

„Das sagte ich doch gerade.“

Leandros lebhafte Augen streiften über Isabellas Körper in ihrem weißen Baumwollhemd und den hellen Jeans und blieben einen Moment an ihren langen, wohlgeformten Beinen hängen, auf die sie durch ihre nervöse Geste unabsichtlich seine Aufmerksamkeit gelenkt hatte. Er hob seinen Blick wieder zu ihrem erhitzten und hübschen Gesicht mit dem charmanten Grübchen am Kinn.

„Nun setzen Sie sich doch“, forderte er sie heiser auf, in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. „Wir unterhalten uns über den Pilgerpfad, und Sie können mir von Ihren Eindrücken erzählen. Haben Sie schon gegessen?“

„Nein … aber ich kann in meinem Hotel noch etwas bekommen.“

„Dann leisten Sie mir doch bitte Gesellschaft … ich habe schon ein paar Meeresfrüchte bestellt, und Señor Varez, der Besitzer dieser Bar, wird, wie ich ihn kenne, wieder viel zu viel für eine Person auftischen. Wir sollten auch etwas Wein dazu trinken … meiner Erfahrung nach regt Wein den Gesprächsfluss ungemein an.“

Als Isabella immer noch zögerte, sich auf den angebotenen Stuhl zu setzen, verzog sich sein Mund zu einem verführerischen Lächeln.

„Schauen Sie nicht so erschreckt, schöne Isabella … Mit meinen etwas zu langen Haaren und meinem Dreitagebart mag ich zwar wie ein Pirat aussehen, aber ich versichere Ihnen, dass ich nicht die Absicht habe, Sie über meine Schulter zu werfen und Sie in meine Höhle zu verschleppen, um dort über Sie herzufallen … es sei denn, Sie hätten den heimlichen Wunsch, dass ich genau das tue!“

2. KAPITEL

Isabella zitterte am ganzen Leibe, als sie sich auf den rustikalen Stuhl gegenüber von Leandro setzte. In ihrem Innern spielte sich angesichts seiner schlüpfrigen und gewagten Bemerkung ein kleiner Aufruhr ab. Sie sah ihm in die jetzt ironisch funkelnden Augen, bemerkte die charmanten Grübchen zu beiden Seiten seines sinnlichen Mundes und erinnerte sich an den Kommentar ihrer Schwester …

Er ist eins fünfundachtzig groß, durchtrainiert, hat dunkle Haare, schiefergraue Augen und ist der gefragteste Junggeselle der Filmindustrie.

Jetzt konnte sie feststellen, dass selbst diese Beschreibung ihm nicht gerecht wurde. Er hatte vollkommen recht, er sah wie ein Pirat aus – allerdings ein sehr moderner, heutiger Pirat mit einem Touch von Bohème. Doch trotz seiner lässigen Kleidung und seiner schulterlangen Haare strahlte Leandro Reyes eine Autorität aus, die darauf hindeutete, dass seine Werte und Moralvorstellungen bei Weitem nicht so „unkonventionell“ waren, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte.

Jetzt, da sie nun tatsächlich ein Gespräch mit ihm führen würde, wünschte Isabella, sie hätte mehr Informationen über ihn. Ihr Wissen über ihn und seine Filme war eher dürftig, und das fand sie einigermaßen peinlich – auch wenn Emilia ihr aus heiterem Himmel diesen Auftrag aufgebürdet hatte. Isabella ging für ihr Leben gern ins Kino und bevorzugte eher anspruchsvolle, zum Nachdenken anregende Filme von der Art, für die Regisseure wie Leandro berühmt waren, hatte aber, soweit sie sich erinnern konnte, noch nie einen seiner Filme gesehen. Denn ihre erste Liebe waren Bücher, genau wie für ihren geliebten Großvater. Deshalb war in ihrer Familie auch niemand verwundert gewesen, als sie die Ausbildung zur Bibliothekarin begonnen hatte, anstatt einen prestigeträchtigeren Beruf anzustreben. Und Isabellas Anstrengungen, sich als Autorin zu profilieren, wurden auch eher als eine fixe Idee angesehen, die ihr kein Geld einbringen würde.

„Nun bin ich schuld daran, dass sie rot geworden sind!“, neckte Leandro sie, den ihr offensichtliches Unbehagen über seine spielerische Bemerkung amüsierte. „Habe ich Sie in Verlegenheit gebracht, schöne Isabella?“

„Nein, Señor Reyes.“ Sie zuckte die Achseln. „Nun ja … ein wenig. Ich würde es vorziehen, wenn sich unser Gespräch auf den Pilgerpfad konzentriert.“ Sie wollte ihn von seinen Neckereien abbringen, die sie zu sehr ablenkten.

„Leandro … mein Name ist Leandro, und wenn wir den Abend gemeinsam verbringen, muss ich darauf bestehen, dass Sie mich so nennen und nicht Señor Reyes … ?“ Bevor er die Überraschung in ihren verführerischen dunklen Augen länger beobachten konnte, wurde er von Señor Varez an die Bar gerufen. Ein Anruf. Leandro zweifelte nicht daran, dass es Alphonso sein würde. Während er sich erhob, lächelte er Isabella zu und stellte fest, dass er nicht mehr voller Ungeduld auf die Ankunft seines Freundes wartete … er hatte jetzt eine viel interessantere Beschäftigung. Als er wieder an den Tisch zurückkehrte und es sich wieder auf seinem Stuhl bequem machte, machte er eine wegwerfende Handbewegung.

„Meine Verabredung ist abgesagt worden, das heißt, dass sie jetzt in aller Ruhe mit mir sprechen können, Isabella.“ Er beugte sich vor, und sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Um das noch einmal klarzustellen – mir wäre es lieber, wenn das, was wir besprechen, unter uns bleiben und nicht im Magazin Ihrer Schwester veröffentlicht würde. Sie können das, was ich Ihnen erzähle, gerne für Ihr Buch verwenden, aber das ist alles.“

„Natürlich … und vielen Dank, dass Sie bereit sind, mit mir zu reden.“

Zu seinem Erstaunen bemerkte Leandro, dass die Aussicht, den Abend mit dieser jungen Frau zu verbringen, ihn – seiner misstrauischen Natur zum Trotz – definitiv erfreute. Abgesehen von ihrem Aussehen, das ihn magnetisch anzog, machte etwas an ihrem Verhalten ihn zutiefst neugierig. Auch aus ihren Augen sprach eine große Vorsicht … Leandro erkannte sie und fragte sich, wer oder was sie verursacht hatte. Er hoffte, dass er es nicht bereuen würde, seine übliche Zurückhaltung aufgegeben zu haben, um ihr einen kleinen Einblick in seine Auffassungen über den Jakobsweg zu gewähren.

Trotz der unleugbaren Faszination, die seine unerwartete Gefährtin auf ihn ausübte, war er gleichzeitig besorgt, weil Alphonso ihm mitgeteilt hatte, dass seine Frau Perdita ihn verlassen hatte. Das war auch der Grund, warum dieser zu ihrem Treffen nicht erschienen war. So viele seiner Freunde schienen dieser Tage Eheprobleme zu haben, und Leandro war froh darüber, dass das in seinem Leben kein Thema war. Er war glücklich mit seinem ungebundenen, von Verwicklungen freien Leben. Besonders nachdem das einzige Mal, als er sich verliebt hatte, ihm nur Verletzungen eingebracht hatte. Seine Geliebte hatte ihn mit einem anderen Mann betrogen und damit seine Meinung bestätigt, dass es so gut wie unmöglich war, Vertrauen wieder aufzubauen, das einmal gebrochen worden war. Eines Tages würde er heiraten – weil ein Mann Kinder haben sollte, wie sein Vater immer sagte –, aber momentan stand für Leandro die Arbeit an erster Stelle. Filme zu machen war seine Leidenschaft, und jeden Tag dankte er Gott dafür, dass er so viel Glück hatte und es ihm möglich gewesen war, daraus seinen Beruf zu machen. Aber trotz allem hatte er eine Schwäche für schöne, intelligente Frauen. Besonders wenn sie so außerordentlich attraktiv waren wie die reizende, dunkeläugige Señorita, die ihm jetzt gegenübersaß …

Isabella ermahnte sich selbst, dass sie sich eigentlich um die Niederschrift ihrer Notizen kümmern und sich dann für den morgigen Tag ausruhen sollte, anstatt mit diesem erstaunlichen und faszinierenden Filmregisseur zu reden. Andererseits würde sich ihr ein unschätzbarer Reichtum an nützlichen Informationen über den Pilgerpfad und die Region erschließen, wenn sie diesem Mann zuhörte.

„Also … möchten Sie etwas über Santiago de Compostela hören?“ Leandro lächelte geheimnisvoll, und Isabellas Muskeln strafften sich in ungeduldiger Erwartung.

„Liebend gern“, erwiderte sie mit glänzenden Augen.

Die Zeit verging wie im Fluge, und Isabella – gestärkt von einem großzügig eingeschenkten Glas des einheimischen Albarino und der größten Meeresfrüchteplatte, die sie je zu Gesicht bekommen hatte – lauschte hingerissen der Geschichte und Mythologie der Gegend, die Leandro vor ihr ausbreitete. Er berichtete von dem Volksglauben, demnach die Knochen des Apostel Jakobus unter dem Altar der großartigen Barockkathedrale in Santiago bestattet lagen, die dadurch zum Ziel der Pilgerfahrt geworden war. Und er unterhielt sie mit einigen bewegenden Geschichten über die morrina. Dieses Wort beschrieb eine besondere Art von melancholischer Stimmung, die die Leute in der Region von Zeit zu Zeit überkam und die man mit den hier üblichen atlantischen Sturmtiefs in Verbindung brachte.

Nach zwei Stunden hatte Isabella nicht ein Wort notiert, aber, wie sie hoffte, Leandros mitreißende Geschichten über den Jakobsweg in ihrem Gedächtnis gespeichert. Ihn kennenzulernen war eine unerwartete und aufregende Bereicherung ihrer Reise, und sie dachte, dass vielleicht das Schicksal seine Hand dabei im Spiel gehabt und sie aus gutem Grund zu diesem Mann geleitet hatte. Sie wäre nicht der erste Mensch, dem auf diesem Pilgerpfad ein Wunder zuteilgeworden war. Leandro hatte nicht einmal über sich selbst gesprochen, über seine Familie und seine glänzende Karriere, und Isabella war beeindruckt davon, dass sein Ego es offensichtlich nicht nötig hatte, seine Triumphe herauszuposaunen. Sie hätte ihm endlos zuhören können … Seine Stimme hüllte sie ein wie eine warme Decke an einem kalten Abend und war genauso einnehmend wie sein gutes Aussehen und die langen Blicke, mit denen er sie wieder und wieder ansah und die ihr Blut erhitzten und erregten. Seine Gegenwart berauschte sie mehr, als wenn sie eine ganze Flasche Albarino allein getrunken hätte. Die lässige Art, in der er seine Geschichten erzählte, konnte nicht über die Leidenschaft in seiner Stimme hinwegtäuschen. Eine Leidenschaftlichkeit, wie jede Frau sie sich heimlich wünschte – vielversprechend und auch gefährlich.

Leandro gegenüberzusitzen und ihm zuzuhören erinnerte Isabella an die total konträren Gefühle, die ihr ehemaliger Verlobter Patrick in ihr ausgelöst hatte. Eigentlich hatte sie von Anfang an gewusst, dass ihre Beziehung keine Zukunft hatte. Und dann hatte er sie sehr enttäuscht, als sie zufälligerweise mitbekommen hatte, wie er einem Freund gegenüber die intimsten Aspekte ihrer Beziehung in derber Weise kommentierte. Deshalb hatte sie sich schließlich zwei Tage vor der Hochzeit dagegen entschieden, sich für immer an einen so illoyalen Mann zu binden. Lieber wollte sie allein bleiben, als eine Ehe einzugehen, die ihr im Lauf der Jahre das letzte Fünkchen Lebensfreude zu entziehen drohte.

Plötzlich hörte man draußen ein lautes Krachen, als eine heftige Bö einen Stuhl aus Metall umwarf. Der Bann, in den Leandro Isabella mit seinen Erzählungen gezogen hatte, wurde von dem unschönen Geräusch jäh gebrochen. Der Wind wurde heftiger und lauter, es begann in Strömen zu gießen. Widerwillig überlegte Isabella, dass sie schleunigst in ihr Hotel zurückkehren sollte. Sie hatte sich mittlerweile schon an die häufigen Regenfälle gewöhnt, und es schreckte sie nicht, bis auf die Haut durchnässt zu werden. In ihrem Zimmer würden ihre Kleider schnell wieder trocknen. Doch tief in ihrem Innern wünschte sie sich, dass die Zeit stehen bliebe und sie für immer Leandros Geschichten lauschen könnte.

Während sie Señor Varez beobachtete, der eilig von einem Fenster zum nächsten hastete und die Fensterläden schloss, biss Isabella sich auf die Unterlippe. Bei dem Gedanken daran, dass sie Leandro Reyes nach diesem Abend nie wiedersehen würde, spürte sie eine verzweifelte Leere in sich aufsteigen.

Sie schluckte. „Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen dafür danken soll, dass Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, mit Ihnen zu sprechen, Señor Reyes …“

„Leandro“, insistierte er und brachte sie mit einem durchdringenden Blick aus seinen grauen Augen völlig aus der Fassung. „Sie wollen doch nicht schon aufbrechen? Abgesehen davon, dass es in Strömen gießt, haben Sie mir noch überhaupt nichts von sich erzählt! Ich weiß noch nicht einmal, warum Sie die Wanderung über den Jakobsweg machen. Nicht nur wegen Ihres Buches, da bin ich mir sicher.“

Seit ungefähr einer Stunde hoffte er, dass sie noch bleiben würde. Er hatte die Unterhaltung bis jetzt dominiert, und er wollte das gern wieder wettmachen, hatte aber außerdem das überwältigende Bedürfnis, das Zusammensein mit ihr auszudehnen. Sie war eine ungewöhnliche Frau, und Leandros Interesse wurde immer größer. Nicht ein Mal hatte sie mit ihm geflirtet oder ihm verführerische Blicke zugeworfen, wie es die meisten Frauen bei dieser Gelegenheit, mit ihm allein zu sein, getan hätten. Vor allem wenn sie wussten, wer er war.

Wenn er ehrlich war, fand Leandro das Fehlen jeglicher Reaktion Isabellas auf ihn als Mann etwas beunruhigend, denn er selbst fühlte sich sehr von ihr angesprochen und spürte, wie sein Körper auf sie reagierte. An einem Punkt, als er von einer Engelsvision berichtete, die einer seiner Freunde während der Pilgerfahrt erlebt hatte, hatte sie die Ellbogen auf den Tisch gelegt, den Kopf in die Hände gestützt und ihm vollkommen gefesselt zugehört. Dabei hatte sie ihn so konzentriert und entzückt angesehen, dass er Mühe hatte, nicht den Faden zu verlieren.

Die ein, zwei Gläser Wein hatten zweifellos dazu beigetragen, ihn zu besänftigen, aber eigentlich war er schon sicher gewesen, heute Abend nicht mehr zu seinem Haus in Pontevedra weiterzufahren, bevor er auch nur ein halbes Glas getrunken hatte. Nein, er würde in Vigo bleiben und stattdessen am nächsten Morgen heimreisen. Er hatte sich vorgenommen, sich ein paar Tage Auszeit zu gönnen, in denen er Manuskripte lesen und Papierkram erledigen wollte, bevor er nach Madrid zurückkehrte, um sein nächstes Projekt in Angriff zu nehmen.

Auf seine letzte Bemerkung hin sah Isabella ihn überrascht an. Er wollte, dass sie über sich redete?

„Der Regen stört mich nicht … daran habe ich mich gewöhnt. Es ist sehr freundlich, dass Sie sich für mein Buch interessieren, aber ehrlich gesagt, ich habe einen langen, anstrengenden Tag hinter mir und hatte vor, morgen wieder zeitig aufzubrechen“, erwiderte sie entschuldigend. „Aber noch einmal vielen Dank für alles … das Essen, den Wein und die wundervollen Geschichten über den Jakobsweg.“

Zu seiner Verwunderung streckte sie Leandro die Hand entgegen, die er nach kurzem Zögern ergriff und an seine Lippen führte. Sanft küsste er die zarte Haut, die so betörend nach Jasmin duftete. Sein Magen verkrampfte sich, als er von einem heftigen, heißen Verlangen überflutet wurde, und beinahe hätte er lustvoll aufgestöhnt.

„Dadurch, dass Sie mir so unverhofft Gesellschaft geleistet haben, haben Sie mir eine große Freude gemacht, Isabella – wirklich. Und vielleicht können wir die Tatsache, dass ich erst so wenig über Sie erfahren habe, etwas korrigieren, was meinen Sie? Ich habe beschlossen, heute Abend doch nicht mehr nach Hause zu fahren. Das Unwetter draußen hat gerade erst begonnen und wird mit Sicherheit stärker werden … nicht gerade die besten Bedingungen zum Autofahren. Ich wollte Ihnen vorschlagen, dass wir woandershin fahren und unser Gespräch dort fortsetzen. Ein Freund von mir hat ein Haus hier in der Nähe. Ich kann telefonieren und einen Wagen bestellen, der uns abholt, dann wären wir in null Komma nichts dort.“

Wenn man Emilia Glauben schenken konnte, war Leandro Reyes einer der renommiertesten Filmemacher Spaniens, und er schlug ihr vor, mit ihm in die Wohnung eines Freundes zu fahren und dort die Nacht zu verbringen? Während sie noch die elektrisierende Berührung seiner warmen Lippen, das Streicheln seiner Bartstoppeln an ihrer Hand spürte, schien Isabella unfähig, eine Antwort zu formulieren.

„Isabella?“

In Erwartung einer Antwort verzog Leandro das Gesicht, und seine ausgeprägten Wangenknochen zusammen mit den faszinierenden Augen brannten sich für immer in Isabellas Gedächtnis ein.

„Ja?“

„Ich möchte, dass Sie die Nacht mit mir verbringen … verstehen Sie?“

Er hätte diese Frage in zwölf verschiedenen Sprachen stellen können, doch aus dem wilden, heißen Blick in seinen magischen Augen hätte sich die Bedeutung seiner Worte Isabella auf alle Fälle erschlossen. Die Frage war, wie sie darauf reagieren sollte. Ganz tief in ihrem Innern war sie entzückt und hoffnungsfroh und hatte schon längst ihre Entscheidung gefällt. Doch noch kämpfte Isabella gegen ihre erhitzten Wünsche an, hatte Angst, von ihnen überwältigt zu werden, Angst, zu leichtsinnig zu sein und es ihr Leben lang zu bereuen. Nicht weil sie Leandro nicht begehrte, sondern weil sie ihn beinahe zu sehr begehrte.

„Ich verstehe Sie sehr gut, Leandro, aber ich fürchte, das wird nicht möglich sein.“ Sie senkte den Kopf und spürte, wie ihr Gesicht unter seinem spöttischen Blick feuerrot und heiß wurde. Ihr Mangel an Weltgewandtheit würde ihn sicherlich amüsieren. „Ich bin hier, um den Jakobsweg entlangzupilgern, das steht momentan im Mittelpunkt für mich.“

Nach dieser unerwarteten, sanften Zurückweisung begehrte Leandro Isabella noch viel mehr. Dieses Verlangen befahl ihm, sie nicht gehen zu lassen. Jeder Versuch von ihr, sich von ihm zu entfernen, musste abgewendet werden, denn jetzt war er entschlossen, sie um jeden Preis zu bekommen. Das Hotel seines Freundes Benito war nur wenige Kilometer entfernt. Benito war einer von Leandros ältesten Freunden und verstand und akzeptierte seinen Wunsch nach einer ungestörten Privatsphäre. Es bestand keine Gefahr, dass die Paparazzi Wind davon bekämen, dass er dort war. Dort hätte er die ganze Nacht Zeit, um Isabella zu verführen und ihre Gesellschaft zu genießen. Nachdem dieser Einfall geboren war, wurde er schnell zu einer fixen Idee. „Ich möchte, dass Sie mit mir kommen. Ich stelle fest, dass ich nicht in der Lage bin, Sie gehen zu lassen.“

So verführerisch und schmeichelhaft diese Erklärung auch war, wusste Isabella doch, dass sie nicht einfach nachgeben konnte. Wollte sie wirklich riskieren, dass ihr Herz gebrochen wurde – von diesem Mann? Denn nichts anderes schien ihr im Moment möglich. Sie hatte noch nie einen Mann kennengelernt, bei dem es ihr so schwergefallen war, ihm zu widerstehen, und das machte ihr Angst. Besonders weil sie sich seit dem Fehlgriff, den sie mit Patrick getan hatte, noch immer sehr verletzlich fühlte.

„Ich kann wirklich nicht bleiben, Leandro.“ Isabellas Kehle zog sich zusammen. „Ich muss in meinem Hotel sein, bevor …“

„Ich akzeptiere nicht, dass Sie gehen möchten.“

Er begrub ihren Mund unter seinen Lippen. In diesem blinden, erhitzten Augenblick wilden Verlangens war es ihm gleichgültig, ob er ihre weichen Lippen verletzte oder ihre zarte Haut mit seinem bärtigen Kinn zerkratzte. Leandro wusste in diesem Moment nur, dass er dem Drang, sie zu berühren, nicht widerstehen konnte. Das Bedürfnis, ihren weichen Körper in seinen Armen zu spüren und ihren femininen Duft, der ihn um den Verstand zu bringen drohte, einzuatmen, war eine zwingende Notwendigkeit, die er nicht ignorieren konnte. Isabella hatte ihn schon den ganzen Abend schier verrückt gemacht. Als er sie schließlich abrupt wieder losließ, sah sie ihn mit verwirrten großen, feuchten Augen an, und einige zarte, ebenholzfarbene Strähnen, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten, kräuselten sich um ihre Wangen.

Leandro ergriff ihre Hand und setzte bewusst sein charmantestes Lächeln auf.

„Es ist nur eine Nacht, Isabella … eine Nacht. Wir können zusammen in einem gemütlichen Bett schlafen und uns richtig gut kennenlernen. Morgen Abend wirst du an einem anderen Ort sein, in einem anderen Bett – vielleicht in einer der Pilgerherbergen, die nur wenig Bequemlichkeit bieten –, und du wirst an mich denken und dich vielleicht fragen, wie es zwischen uns gewesen wäre, wenn du heute mit mir gekommen wärst. Das Leben ist zu kurz, um etwas zu bereuen. Findest du nicht?“

Bei dem verführerischen Blick, der sie aus seinen grauen Augen traf, blieb Isabella das Herz fast stehen. Sie war noch nicht wieder ganz auf dem Boden nach seinem wilden und leidenschaftlichen Kuss, der sie überwältigt hatte. Kein Mann hatte sie je mit einem solchen unverhohlenen Verlangen geküsst. Und plötzlich wusste sie, dass sie nicht wollte, dass Leandro Reyes zu den verpassten Gelegenheiten ihres Lebens gehörte. Sie wollte später zurückblicken können und sich darüber freuen und dem Schicksal danken, dass ihre Wege sich gekreuzt hatten. Es war gut möglich, dass ihr nie wieder eine so brennende Leidenschaft begegnen würde und diese unwiderstehliche Verbindung, die sie zwischen sich und Leandro spürte, für den Rest ihres Lebens vorhalten musste. Linkisch streifte sie sich den Riemen ihrer Tasche über die Schulter, sie war nervös und aufgeregt, und ihre Beine zitterten.

„Ich bin auch der Meinung, dass das Leben zu kurz für verpasste Gelegenheiten ist. Aber ich möchte dir sagen, dass, wenn ich jetzt mit dir komme, das keineswegs etwas ist, was ich normalerweise tue.“

„Natürlich.“ Seine Augen funkelten übermütig. „Ich rufe schnell meinen Freund an und kümmere mich darum, dass wir abgeholt werden.“

Leandro hatte sie allein gelassen, damit sie sich in ihrem gemeinsamen Zimmer einrichten konnte. Währenddessen sprach er unten mit seinem Freund Benito, der Isabella sehr freundlich willkommen geheißen, dabei jedoch eine respektvolle Distanz aufrechterhalten hatte.

Isabella war erschüttert gewesen, als sie gesehen hatte, wohin Leandro sie brachte. Das Hotel, das plötzlich verschwommen aus dem Regen aufgeragt war, wirkte wie eine imposante Festung aus der Zeit der Konquistadoren.

Eigentlich hätte sie nach ihrer heutigen Wanderung todmüde ins Bett fallen müssen, stattdessen fühlte sie sich aber von einer ruhelosen Energie erfüllt und ziemlich aufgedreht. Als sie einem freundlichen Zimmermädchen die breite geschwungene Treppe hinaufgefolgt war, hatten ihre Beine sich wie Kaugummi angefühlt. Die Aussicht, mit Leandro zu schlafen, dominierte all ihre Sinne, und ein Teil von ihr wäre am liebsten weggelaufen.

Er hatte versprochen, dass er sich „sehr bald“ zu ihr gesellen würde, und der Gedanke daran ließ ihr Herz schneller schlagen. Verzweifelt versuchte sie sich zu beruhigen, während sie sich jetzt in dem großzügig geschnittenen, atemberaubend schönen Zimmer umsah mit seinen in gebranntem Ocker gehaltenen Wänden, den Bogenfenstern und dem herrschaftlichen Himmelbett, das von einer luxuriösen Tagesdecke aus goldfarbenem Satin bedeckt wurde.

Doch es war ein aussichtsloser Kampf. Isabella hatte eingewilligt, mit einem charismatischen, gut aussehenden spanischen Regisseur die Nacht zu verbringen, und das war ein so unglaubliches Ereignis, dass sie gar nicht anders konnte, als mit ausgeprägter Beklommenheit darauf zu reagieren. Seit vor drei Monaten ihre Hochzeit geplatzt war, hatte sie sich mit keinem anderen Mann getroffen, geschweige denn die Nacht mit jemandem verbracht! Verflixt! Sie hatte jedes Recht dazu, nervös zu sein!

Eigentlich war ihr Plan gewesen, sich jetzt endlich den Traum zu erfüllen, Schriftstellerin zu werden. Die Suche nach der grande passion, die ihr in ihrem bisherigen Leben noch nicht begegnet war, musste erst einmal warten. Vielleicht später einmal … wenn sie Glück hatte. Und wenn nicht … es gab andere Dinge im Leben, andere Leidenschaften, die genauso fesselnd waren. Schon immer hatte sie ein außergewöhnliches Leben führen wollen. Nach Nordspanien zu reisen und für ihr Buch zu recherchieren war nur der Anfang. Aber jetzt, wenn Leandro jede Sekunde an die Tür klopfen konnte, wandelte sich ihr Leben gerade von außergewöhnlich zu unglaublich!

Isabella warf ihre Tasche aufs Bett und eilte ins Bad. Eine Myriade himmlischer Düfte empfing sie dort. Alles, was ein anspruchsvoller Gast erwarten konnte, stand reichlich zur Verfügung. Sie trat an das große Waschbecken aus Porzellan, ließ kaltes Wasser aus dem goldenen Wasserhahn laufen und erfrischte sich etwas. Dann tupfte sie sich das Gesicht mit einem blütenweißen Handtuch trocken, das an einem goldenen Ring neben dem Becken hing. Sie befreite ihr regenfeuchtes Haar von dem Band, das es zusammenhielt, und schüttelte es. Als sie im Spiegel die zwei roten Flecken bemerkte, die sich auf ihren Wangen gebildet hatten, stieß sie einen ungeduldigen kleinen Schrei aus. Sie hasste es, dass sie so leicht rot wurde!

Weiß Gott, was Emilia von der ganzen Angelegenheit halten würde … Doch schon, als dieser unerwünschte Gedanke auftauchte, wusste Isabella mit Sicherheit, dass sie ihrer Schwester nichts von diesem Zusammentreffen mit Leandro Reyes erzählen würde. Es war normalerweise nicht ihre Art, etwas zu verschweigen, aber in diesem Fall drängte es sie nicht danach, irgendjemandem von dieser Begebenheit zu berichten. Das bedeutete, dass Emilia keine Informationen über den spanischen Regisseur bekommen würde – jedenfalls nicht von ihr, Isabella.

Vor ihrem Gewissen konnte sie das nur deshalb vertreten, weil sie Leandro hatte versprechen müssen, ihrer Schwester keinerlei Einzelheiten weiterzugeben. Außerdem hatte er nur über den Jakobsweg gesprochen und nicht über sich selbst. Isabella war sich sicher, dass das jemanden wie Emilia nicht interessierte, denn als sie ihrer Schwester erzählt hatte, dass sie nach Spanien fahren wollte, um Recherchen für ein Buch über den Jakobsweg nach Santiago de Compostela anzustellen, hatte Emilia erklärt, noch nie etwas davon gehört zu haben.

Das plötzliche Klopfen an der Tür ließ Isabella erschauern. Schnell ordnete sie ihre zerzausten feuchten Haare, bevor sie ins Zimmer zurückging, um die Tür zu öffnen. Sie war nicht einmal dazu gekommen, ihr Make-up aufzufrischen. Nun ja, Leandro würde sie so akzeptieren müssen, wie er sie vorfand. Sein einnehmendes Lächeln war Balsam für ihre Seele. Dieses Gefühl der Freude steigerte sich noch, als ihre Blicke sich trafen. Isabella hatte das Gefühl zu zerfließen. Glühende Hitze durchströmte sie in einer lähmenden Welle.

„Hi.“ Ihre Hände umklammerten den Saum ihres Hemdes, als brauchte sie irgendetwas, an dem sie sich festhalten konnte, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.

„Mein Freund Benito findet, dass ich wie ein Zigeuner aussehe, den du auf der Straße nach Santiago aufgelesen hast. Er glaubt, dass ich das nette englische Mädchen verhext haben muss. Was denkst du, Isabella?“

Ihr Herz klopfte, als sie registrierte, wie Leandro bewundernd ihre Brüste musterte, bevor er seinen Blick wieder auf ihr Gesicht lenkte. „Ich glaube, dass dein Freund eine etwas zu lebhafte Fantasie hat.“ Zigeuner, Pirat, Geschichtenerzähler … Leandro Reyes war all das und mehr, dachte Isabella hilflos.

„Und wie sieht es mit deiner eigenen Fantasie aus, meine Schöne?“

Leandro sah, wie Isabellas Wangen sich röteten, noch bevor er seine Frage beendet hatte. Diese Frau war nicht fähig, ihre Gefühle zu verbergen, und er war froh darüber, festzustellen, dass ihre Gefühle in eine ähnliche Richtung zu gehen schienen wie seine. Er wollte sofort mit ihr ins Bett … er konnte es kaum erwarten. Die ganze Zeit, in der er sich mit Benito unterhalten hatte, hatte Leandro an nichts anderes denken können als an die süße Señorita, die oben auf ihn wartete. Wenn sie ihn abgewiesen hätte, wäre er außerordentlich frustriert gewesen, und er wäre mit dieser Enttäuschung nicht leicht fertig geworden.

„Also?“ Mit vorgetäuschter Lässigkeit zuckte er die Achseln. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich reinkomme. Dann können wir uns auch besser unterhalten.“

Isabella trat beiseite, um ihn ins Zimmer zu lassen. Dann schloss sie die Tür und beobachtete, wie er zum Bett hinüberschlenderte und sich darauf niederließ.

3. KAPITEL

„Gefällt es dir hier? Benito ist sehr stolz auf dieses Hotel.“

„Es ist wunderschön. So etwas habe ich nicht erwartet“, gestand Isabella nervös.

„Ich soll dir von ihm ausrichten, dass du es mit deiner Schönheit noch aufwertest. Aber nun musst du mir erzählen, warum du die Wanderung über den Jakobsweg machst.“ Entspannt lehnte er sich auf seine Ellenbogen zurück. Sein nonchalantes Verhalten sensibilisierte Isabella für ihr eigenes Körpergefühl. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart zunehmend nervös. Was sie besonders verstörte, war sein durchdringender Blick, mit dem er bis in ihr Innerstes vorzustoßen schien. Sie erschauerte. Wie um das Echo ihrer Erregung aufzunehmen, peitschte draußen der Regen gegen die Fensterläden. Während sie eine feuchte Strähne ihres schwarzen Haares um ihre Finger wickelte, bat sie in einem stillen Stoßgebet um Hilfe. Noch niemals hatte sie himmlischen Beistand dringender benötigt!

„Wie ich schon sagte, schreibe ich ein Buch darüber, warum die Menschen sich zu dieser Pilgerwanderung entschließen. Mein Großvater war ein sehr gläubiger Katholik, und er hat so viel davon erzählt, dass ich …“

„Die meisten Pilger machen die Wanderung über den Jakobsweg nicht aus religiösen Gründen – wie du bestimmt schon festgestellt hast.“

Leandros umwerfendes Lächeln wirkte ein klein wenig spöttisch, und Isabella wurde klar, dass er intuitiv mehr von ihr wusste, als ihr lieb war. Mit seinen klaren grauen Augen schien er ihr direkt in die Seele zu schauen – deshalb machte es keinen Sinn, sich weiter zu verstellen.

„Ich brauchte etwas Anregung, eine neue Herausforderung.“ Langsam ging sie zum Fenster hinüber, wobei sie sorgfältig darauf achtete, dem Bett, auf dem Leandro es sich bequem gemacht hatte, nicht zu nahe zu kommen. „Ich meine, ich liebe meine Arbeit in der Bibliothek, aber aus irgendeinem Grund begann ich, eine gewisse Unzufriedenheit zu spüren, fühlte mich wie festgefahren. Aufgrund der ewigen Gleichförmigkeit hätte ich manchmal am liebsten laut geschrien! Das Leben sollte nicht nur aus vorhersagbarer Plackerei bestehen, man braucht auch etwas Abenteuer, findest du nicht?“ Nach diesem Gefühlsausbruch schaute sie aus dem Fenster, um ihre Fassung wiederzugewinnen. „Jedenfalls war ich mir nicht ganz sicher, was ich tun wollte, um mich besser zu fühlen, aber eins wusste ich genau: Ich wollte dieses Buch schreiben. Die Idee dafür hatte ich schon seit Langem, habe aber immer wieder Ausreden gefunden, um es nicht zu tun. Ich befürchtete, dass die Leute denken würden, dass ich mich damit übernehme, weißt du? Dass ich etwas versuche, das eine Nummer zu groß für mich ist.“ Die besagten „Leute“ waren ihre Familie und Patrick. „Ich musste einige schwierige Entscheidungen treffen. Ich habe mich von meinem Verlobten getrennt und unsere Hochzeit abgeblasen. Und das nicht, weil ich gefühllos bin, sondern weil es sowieso nicht funktioniert hätte. Und dann dachte ich mir, wenn ich es jetzt nicht tue – die Wanderung über den Jakobsweg und das Buch –, dann habe ich möglicherweise nie wieder die Gelegenheit und den Mut dazu. Deshalb bin ich jetzt hier. Ich glaube, dass ich die Wanderung mache, weil ich neue Ideen und neuen Mut finden will für ein anderes Leben als bisher … weil ich entdecken möchte, wer ich wirklich bin und was ich leisten kann … Verstehst du, was ich meine?“

Leandro bemerkte ihren verlegenen Unterton und zog innerlich den Hut vor so viel Ehrlichkeit. Eine so aufrichtige Antwort auf seine Frage wirkte sehr erfrischend, vor allem wenn er an die Falschheit mancher der Frauen dachte, mit denen er zusammen gewesen war. Isabella Deluce war wirklich eine faszinierende, unbestreitbar aufreizende Person, von der kein Mann unbeeindruckt bleiben würde. Er stand auf und schlenderte zu ihr hinüber.

„Isabella …“

Genüsslich betrachtete er ihre dunkle Haarpracht, dann teilte er ein paar der seidigen Strähnen mit seinen Fingern und blies sanft seinen warmen Atem in ihren Nacken. Er sah, wie sie erschauerte, und war heilfroh, dass er sie in Benitos Luxusherberge gebracht hatte, denn die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwelche Paparazzi ihm hierher gefolgt waren, war relativ gering. Leandro wollte sich von jetzt an für den Rest der Nacht ganz und gar Isabella widmen. „Jeder Schritt auf dem Jakobsweg bringt dich deinem wahren Selbst näher“, versicherte er ihr. „Das verspreche ich dir. Wenn du am Ende des Weges die Kathedrale in Santiago erreichst und durch den berühmten Pórtico de la Gloria trittst, wie es schon Millionen Pilger vor dir getan haben, dann wirst du eine größere Klarheit in Geist und Seele besitzen.“

Instinktiv wusste Isabella, dass Leandro recht hatte, und seine Worte machten ihr Mut. Schon jetzt, nachdem sie so viele Tage und Kilometer gewandert war, manchmal schweigend, manchmal in Gesellschaft anderer Wanderer, oder an den Abenden, wenn Gruppen von Pilgern sich in den vielen Dörfern in Nordspanien zusammenfanden zur allabendlichen Pilgermesse, merkte sie, dass ein tief greifender Wandel in ihr vorging. Wie Leandro gesagt hatte, unternahmen die meisten Wanderer die Reise nicht aus religiösen Gründen. Aber diese anstrengende Reise über 800 Kilometer zu Fuß in der heißen nordspanischen Sonne, in Wind und Regen gab jedem reichlich Gelegenheit zum Nachdenken.

Diese Wanderung würde ihr Leben für immer beeinflussen. Sie war noch nicht abgeschlossen, doch Isabella hatte unterwegs schon herausgefunden, dass viel mehr in ihr steckte als eine pflichtbewusste Tochter und eine gute Bibliothekarin. Sie hatte sich von einem Verlobten gelöst, der heimlich die wahre Bedeutung der Liebe verspottet und seiner Verlobten nicht eine Spur von Loyalität entgegengebracht hatte. Und sie hatte sich über die Ratschläge ihrer Familie hinweggesetzt, die ihre Entscheidungen nicht billigten und überall Fallstricke witterten. All das war von ihr aufgegeben worden, um sich in einem Teil von Spanien wiederzufinden, der so weit von den touristischen Küsten entfernt war, dass er in einem anderen Land hätte liegen können. Dieser Teil des Landes hatte extreme Wetterverhältnisse zu erdulden – erst prasselte der Regen auf den roten Lehm in den Ebenen nieder, und schon im nächsten Moment verwandelte die glühende Sonne die Erde in einen Backofen. Und in der Seele eines jeden, der sich dem Zauber dieser Landschaft hingab, regte sich das Gefühl, einem Mysterium beizuwohnen.

Als ob das noch nicht genug wäre, fühlte sie sich nun durch Leandro dazu bewogen, sich einem ganz anderen Zauber hinzugeben … Sein Atem kitzelte sie im Nacken wie eine warme Sommerbrise. Leandro Reyes war mit so viel Sex-Appeal gesegnet, dass keine Frau sich seinem Reiz entziehen konnte. Sogar die Luft, die ihn umgab, schien von seiner Präsenz wie aufgeladen.

„Du duftest nach den wilden Blumen in den Bergen“, raunte er in diesem Moment.

„Tue ich das?“

Sie drehte sich um, damit sie ihm in seine faszinierenden silbergrauen Augen schauen konnte, und fühlte sich unter seinem schmelzenden Blick wie in sinnliches Mondlicht getaucht. Für einen so maskulinen Mann hatte er erstaunlich dichte, lange Wimpern. Mit nervösem Erstaunen realisierte Isabella das brennende Verlangen, das von ihm in ihre Richtung ausging. „Ich bin tagelang durch die Natur gewandert.“ Sie lächelte ironisch. „Vielleicht ist davon etwas an mir haften geblieben?“

Ihr Lächeln verging langsam wieder, denn beunruhigenderweise wurde es von ihm nicht erwidert. Stattdessen begann ihr Körper zu beben, in dem Verlangen, von ihm berührt zu werden. Isabella sehnte sich danach, wieder von seinen Lippen zu kosten. Und tatsächlich erhörte der Himmel ihr Gebet. „Du bist auch eines der erlesenen Geheimnisse der Natur, Isabella. Du erinnerst mich an die seltensten der Wildblumen … an das Entzücken über den Frühling nach einem langen, rauen Winter“, flüsterte er, während er sie langsam an sich zog. „Und du entfachst in mir eine Glut, die so stark ist wie die Sonne, die die Hochebenen verbrennt …“

„Tue ich das?“ Ihre Stimme war nur noch ein heiseres Stöhnen.

… das tust du. Ich will dich verführen, Isabella … und ich habe schon viel zu lange gewartet.“

Leandro beugte seinen dunklen Kopf zu ihr herunter und berührte ihren Mund mit seinem. Als er sie küsste, wurde sie von einem Wonnegefühl durchflutet. Seine Lippen schmeckten noch schwach nach Wein und Kaffee, und in diesem Moment hätte sie sich keine erregendere Geschmackskombination vorstellen können. Die heißen Liebkosungen seiner Zunge wollte sie wieder und wieder spüren … Wenn es um Leandro ging, gab es für sie anscheinend kein „zu viel“.

Unfähig, ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken, seufzte Isabella lustvoll auf, als er die Hand um ihren Hinterkopf legte, um sie noch näher an sich zu pressen, und mit der anderen Hand der Linie ihres Rückgrats hinunter bis zu ihrem Hinterteil folgte, das er aufreizend liebkoste. Sie wollte ihn in sich spüren, ihr Körper verlangte danach. Ihre Brüste fühlten sich ganz schwer an, und sie fühlte sich am ganzen Körper zittrig und schwach – eine so intensive Reaktion hatte sie noch mit keinem anderen Mann erlebt.

Ein teuflisches Lächeln umspielte Leandros Lippen, als er den Kuss unterbrach, und Isabella hielt sich mit beiden Händen an ihm fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren – eine momentan sehr reale Gefahr. Sie fand keine Worte, aber sie hielt seinem wissenden Lächeln stand und sah ihm fest in die Augen.

„Ich möchte die ganze Nacht mit dir Liebe machen … Weißt du das? Aber ich glaube, nicht einmal dann wird mein Drang, dich zu besitzen, befriedigt sein!“ Leandro fuhr ihr mit den Fingern durch das seidige Haar.

Überwältigt von seiner konzentrierten Aufmerksamkeit, biss Isabella sich verlegen auf die Unterlippe. „Eigentlich sollte ich etwas schlafen“, erklärte sie atemlos, plötzlich verängstigt von dieser Feuersbrunst der Lust, die zwischen ihnen aufgeflammt war. „Ich habe morgen wieder eine lange Strecke vor mir.“

„Wir werden uns lieben … und dann schlafen wir.“

Leandro nahm besitzergreifend ihre Hand in seine und steuerte sie zum Bett hinüber. Er ließ sich darauf niedersinken und zog sie dabei auf seinen Schoß. Seine Hände waren warm, und sie spürte die Dringlichkeit in ihrer Berührung. Die einzigen Geräusche im Zimmer waren das sanfte Quietschen der Matratze und das Prasseln des Regens, der an die Scheiben schlug. Leandro fand in ihren Augen ein schweigendes, drängendes Flehen, das die Lust, die seine Adern durchströmte, noch verstärkte. Hatte er jemals zuvor ein solch offensichtliches Verlangen in den Augen einer Frau wahrgenommen?

Während er Isabellas Kinn anhob, verzogen sich Leandros Mundwinkel zu einem zufriedenen Lächeln. Ihre Stirn war so weich und hell und zeigte keinerlei Anzeichen dafür, dass sie seit Tagen in der sengenden Sonne gewandert war, ihre eindrucksvollen Augen waren so schwarz wie die Ordenstracht einer Nonne, ihre Lippen noch feucht von seinem Kuss.

Ungezügelte Begierde durchströmte ihn, und er begann fieberhaft, Isabellas Bluse aufzuknöpfen. Ein paar Schweißtropfen rannen ihm das Rückgrat hinunter, denn es herrschte eine drückende Schwüle in dem Raum. Allerdings wurde Leandros innere Glut eher durch das sexuelle Verlangen angefacht, das von ihm Besitz ergriffen hatte. Wilde erotische Fantasien beherrschten seine Gedanken. Doch er versuchte, sich zurückzuhalten, denn er wollte nicht über Isabella herfallen … dieses zauberhafte englische Mädchen, das den Jakobsweg durchwanderte, um „sich selbst“ zu finden. Er wollte keinen Misston in ihr Abenteuer der Selbstfindung bringen. Jedoch wollte er sich selbst auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, sie auf intimste Art zu erforschen. Dafür begehrte er sie zu sehr, und er würde sich nehmen, was er haben wollte.

Isabella sog hörbar die Luft ein, als Leandro ihre Bluse geradezu aufriss und sie über ihre Schultern nach unten schob. Ihre vollen Brüste wurden nur knapp von ihrem weißen Bügel-BH verdeckt, und sie spürte, wie ihre Brustspitzen sich aufrichteten und sich gegen das weiche Material pressten. Als sie einen hungrigen Blick auf den wie gemeißelt wirkenden männlichen Körper mit der kupferfarbenen Haut riskierte, wurde sie von einem so heftigen Verlangen erfasst, dass es fast schmerzte. Dieser Anblick würde sich für immer in ihr Gedächtnis einbrennen.

Leandro konnte sich nicht sattsehen an Isabellas wundervollen Brüsten. Voller Begierde legte er seine Hand um ihren Nacken, zog sie fest an sich und küsste sie hungrig. Kurz darauf realisierte er mit Genugtuung, dass sie seinen beinahe brutal fordernden Kuss leidenschaftlich erwiderte. Der Funke zwischen ihnen war übergesprungen. Mit einem aufreizenden kleinen Lächeln zog er sich etwas von ihr zurück und riss die Knöpfe seines Hemdes auf.

Isabella hätte danach nicht mehr sagen können, wer eigentlich wen auszog, sie wusste nur, dass beide so schnell wie möglich ihre Kleidung loswerden wollten, und als ihre Hände sich umklammerten, ihre Lippen endlich zueinanderfanden, raste ein Aufruhr der Gefühle durch ihr Blut wie ein Waldbrand, der selbst mit einem ganzen See nicht mehr gelöscht werden konnte.

Während Leandro ihre Hüften, ihre Brüste und ihre Schenkel streichelte, wisperte er ihr zärtliche Worte zu und brachte Isabella mit seinen erotischen Berührungen dazu, ihrem wachsenden Verlangen freien Lauf zu lassen und sich ihm gänzlich hinzugeben. Ihre Ner...

Autor

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