Romantik und Leidenschaft - Best of Digital Edition 2017

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

WARUM SPRICHT ER NICHT VON LIEBE?

Eine zauberhafte Nacht hat Laurel in den Armen des feurigen Griechen Damian Skouras erlebt. Obwohl sie ihn nicht wiedersehen will, bereut sie keine Sekunde. Bis sie einige Wochen später feststellen muss, dass die traumhaften Liebesstunden nicht ohne Folgen geblieben sind ...

DIE HEIMLICHE HOCHZEIT

Der Unternehmer Silas Livingston muss unbedingt heiraten. Wenn er nur wüsste wen! Da bewirbt sich die zierliche Colly bei ihm als Sekretärin. Sie kommt wie vom Himmel gesandt - er hat den perfekten Job für sie: nicht als Assistentin, sondern als Ehefrau. Zögernd lässt Colly sich auf eine Zweckehe ein, und in aller Stille geben sie sich das Jawort. Nach der heimlichen Hochzeit wollen sie wieder getrennte Wege gehen. Doch Silas bricht sein Versprechen. Erst küsst er Colly zärtlich, dann umarmt er sie voller Leidenschaft und will mehr von ihr ...

VERSÖHNUNG UNTER PALMEN

Als Lauranne damals ihren Mann in Marinas Armen sag, brach die Welt für sie zusammen. Ohne sich jemals mit ihm auszusprechen, trennte sie sich von Alexander. Und jetzt, Jahre später, erliegt sie erneut seiner Faszination. Doch auch diesmal scheint ihre Liebe nicht von Dauer zu sein…


  • Erscheinungstag 18.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735333
  • Seitenanzahl 390
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sandra Marton, Jessica Steele, Sarah Morgan

Romantik und Leidenschaft - Best of Digital Edition 2017

IMPRESSUM

Warum spricht er nicht von Liebe? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 1997 by Sandra Myles
Originaltitel: „The Bride Said Never!“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1234 - 1998 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Eva von der Gönna

Umschlagsmotive: ThinkstockPhotos_Halfpoint

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733777395

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Damian Skouras hielt nicht viel von Hochzeiten.

Mann und Frau, die, umgeben von Angehörigen und Freunden, vor einem Geistlichen standen und sich ewige Liebe und Treue gelobten – Versprechen, die kein menschliches Wesen einhalten konnte –, gehörten für ihn in das Reich der Märchen.

Mit dem wirklichen Leben hatten solche Ereignisse jedenfalls nichts zu tun.

Dennoch stand Damian in diesem Moment vor einem blumengeschmückten Altar. Die Orgel ließ mit Mendelssohns Hochzeitsmarsch das Gebälk der Kirche erzittern, und hundert Gäste reckten die Hälse, als eine errötende Braut durch den langen Mittelgang auf ihn zuschritt.

Er musste zugeben, dass sie sehr hübsch war, aber wie schon das Sprichwort sagte, waren alle Bräute schön. Diese hier, die ein altmodisches Kleid aus weißem Satin und Spitze trug und einen Strauß aus winzigen weißen und violetten Orchideen umklammert hielt, war allerdings besonders attraktiv. Ihr Lächeln war durch den hauchzarten Schleier, der ihr bis zu den Fingerspitzen reichte, nur zu erahnen, als sie den Altar erreichte.

Ihr Vater küsste sie. Sie ließ seinen Arm los und blickte dem wartenden Bräutigam liebevoll in die Augen. Damian schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel, dass nicht er der Auserwählte war. Nur Pech, dass es Nicholas erwischt hatte!

Neben ihm schien Nicholas plötzlich das Gleichgewicht zu verlieren. Damian betrachtete den jungen Mann, der bis vor drei Jahren sein Mündel gewesen und dessen gutgeschnittenes Gesicht jetzt blass war.

Er runzelte die Stirn. „Alles in Ordnung?“, fragte er leise.

Nick schluckte. „Klar.“

Es ist noch nicht zu spät, mein Junge, hätte Damian gern gesagt, aber er schwieg. Nick war schließlich volljährig. Viel problematischer – er war verliebt. Jedenfalls hatte er das gesagt, als er an jenem Abend zu Damian gekommen war, um seine Hochzeit mit einem Mädchen anzukündigen, das er erst seit zwei Monaten kannte.

Damian hatte seine Argumente sorgfältig gewählt, um Nick davon zu überzeugen, dass er einen Fehler machte, doch Nick hatte auf alles eine Antwort gewusst. Schließlich hatte Damian die Geduld verloren. „Du Narr! Kriegt sie etwa ein Kind?“

Nick versetzte ihm einen Fausthieb, oder besser gesagt, er versuchte es, denn mit seinen einsfünfundachtzig war Damian größer und schneller als sein siebzehn Jahre jüngerer Neffe. Die Lektionen, die er als Junge in Athen auf der Straße gelernt hatte, kamen ihm noch heute zugute.

„Nein, sie ist nicht schwanger!“, rief Nick empört, während Damian ihn mühelos auf Abstand hielt. „Wir wollen heiraten, weil wir uns lieben.“

„Liebe“, meinte Damian verächtlich.

Nicks Augen funkelten zornig. „Jawohl, Liebe! Verflixt noch mal, kannst du das denn nicht verstehen?“

Damian verstand sehr wohl. Was Nick empfand, war wohl eher Wollust als Liebe, doch wenn er ihn darauf hinwies, würden sich die Fronten nur noch mehr verhärten. Stattdessen sagte er, was seine Schwester und ihr Mann vermutlich gesagt hätten, wenn sie noch am Leben gewesen wären. Er sprach von Verantwortung, Reife und Vernunft und davon, dass es sicher klüger wäre, noch einige Jahre zu warten.

Nick ließ ihn höflich ausreden. „Das Gleiche haben wir schon von Dawns Eltern gehört“, antwortete er. „Aber wir sind uns sicher, dass wir für immer zusammenbleiben wollen.“

Damian, der sein Vermögen unter anderem dadurch verdient hatte, dass er wusste, wann er angreifen und wann er nachgeben musste, hatte sich ins Unvermeidliche geschickt. Nun stand er hier und lauschte den salbungsvollen Worten des Pfarrers, während die meisten Frauen, darunter auch die Mutter der Braut, ergriffen in ihre Taschentücher weinten. Dabei wusste er von Nick, dass Dawns Eltern geschieden waren, genauso wie er selbst und vermutlich über die Hälfte der Hochzeitsgäste.

Seine Ehe war glücklicherweise so kurz gewesen, dass sie keine bleibenden Spuren hinterlassen hatte. Die Trauung war keine griechisch-orthodoxe Zeremonie gewesen, sondern von einem Friedensrichter vollzogen worden. Nachdem er seine erste erfolgreiche Übernahme mit zu viel Sex und viel zu viel Champagner gefeiert hatte, war er aus einer Laune heraus mit seiner Auserwählten nach Las Vegas geflogen. Als er wieder einen klaren Kopf gehabt hatte, war es zu spät gewesen. Er hatte seinen Fehler mit einer horrenden Abfindung teuer bezahlt und war entschlossen, ihn nicht zu wiederholen.

Zwischen seinen eisblauen Augen war eine tiefe Falte zu sehen. Vielleicht geschah ein Wunder, und die Ehe zwischen Nick und Dawn hielt. Für Damian war sein Neffe der Sohn, den er vermutlich nie haben würde, und nur deshalb hatte er sich bereit erklärt, an dieser lächerlichen Zeremonie mitzuwirken und nachher auch mit der rundlichen Brautjungfer zu tanzen, die Nick ihm besonders ans Herz gelegt hatte. „Sie hat furchtbare Angst, dass niemand auf dem Empfang mit ihr redet, weil sie nicht nur dick, sondern auch furchtbar schüchtern ist.“

Wenn er seine Pflichten als Ersatzvater mit Anstand hinter sich gebracht hatte, würde er in das Hotel am See fahren, wo er und Gabriella bereits die letzte Nacht verbracht hatten, und mit ihr ins Bett gehen.

Damian blickte zu seiner derzeitigen Geliebten, die in einer Bank in der dritten Reihe saß. Wie er hatte sie die Ehe bereits ausprobiert und keinen Gefallen daran gefunden. „Ehe ist nur ein anderes Wort für Sklaverei“, hatte sie zu Beginn ihrer Beziehung geäußert. Allerdings hatte sich ihr Verhalten in letzter Zeit merklich verändert. „Wo bist du gewesen, Damian?“, wollte sie wissen, wenn er einmal einen Tag nicht anrief. Auch seinen Umzug in die neue Wohnung hatte sie als Aufforderung verstanden, Möbel für ihn zu bestellen. Er hatte den Auftrag gerade noch rückgängig machen können, und der sich daraus entwickelnde Krach hatte ihr Verhältnis zueinander wochenlang getrübt. Seit dem gestrigen Abend war sie allerdings sehr süß, und als sie jetzt seinen Blick auffing, lächelte sie zärtlich und tupfte sich mit einem Spitzentaschentuch die Augen.

Damian verspürte einen Stich des Bedauerns. Vielleicht war es Zeit, die Sache zu beenden. Wenn eine Frau diesen Blick bekam …

„Damian?“

Er blinzelte. Nicholas zischte ihm etwas zu. War der Junge etwa zur Besinnung gekommen und wollte die Sache abblasen?

„Der Ring, Damian!“

Natürlich, der Ring. Damian suchte verzweifelt in seiner Jackentasche. Hatte er etwa …? Nein, hier war er. Erleichtert reichte er Nick den schlichten Goldreif. Eine der Brautjungfern schluchzte auf. Die Mutter der Braut griff mit tränenüberströmtem Gesicht nach der Hand ihres geschiedenen Mannes, nur um sie gleich darauf wieder fallen zu lassen.

Damian zwang sich, sich auf die Worte des Pfarrers zu konzentrieren.

„Und nun“, sagte dieser feierlich, „wenn es jemanden unter uns gibt, der einen Grund nennen kann, warum Nicholas Skouras Babbit und Dawn Elizabeth Cooper nicht in christlicher Ehe verbunden werden sollen, möge er jetzt sprechen oder für immer …“

Rumms!

Die Flügeltür der Kirche flog auf und schlug krachend gegen die Wand. Stoff raschelte, als sich die Gäste umwandten, um zu sehen, was passiert war. Selbst das Brautpaar drehte sich neugierig um.

In der offenen Tür stand eine Frau. Im Licht der hellen Frühjahrssonne war nur ihre Silhouette zu sehen. Der Wind, der ihr die Tür aus der Hand gerissen hatte, zerzauste ihr das Haar und wehte ihr den Rock um die Schenkel.

Schockiertes Gemurmel hob an. Der Pfarrer räusperte sich. Langsam kam die Frau herein. Damian stockte der Atem. Sie war unglaublich schön. Das Gesicht kam ihm bekannt vor, aber wenn sie sich irgendwann begegnet waren, hätte er sich an sie erinnert. Eine solche Frau vergaß man nicht.

Ihr Haar hatte die Farbe von Herbstlaub mit goldenen Lichtern und fiel in Wellen um das ovale Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Die großen Augen standen weit auseinander. Sie waren … Grau? Blau? Auf diese Entfernung konnte Damian die Farbe nicht bestimmen. Sie trug keinen Schmuck. Der hätte auch nur von ihrer Schönheit abgelenkt. Selbst ihr Kleid von der Farbe des Himmels kurz vor einem Gewitter war ganz schlicht mit dem runden Ausschnitt, den gefältelten langen Ärmeln und dem kurzen, weiten Rock. Er hätte den Ton als violett bezeichnet, aber die Modeleute hatten wahrscheinlich eine bessere Bezeichnung dafür.

Damian betrachtete die festen, runden Brüste, die schlanke Taille, den sanften Schwung ihrer Hüften. Die Frau stellte eine eigenartige Kombination aus Erotik und Unschuld dar, obwohl die Unschuld wahrscheinlich gespielt war. Es konnte gar nicht anders sein. Schließlich war sie kein Kind mehr, und wer so aussah, musste Erfahrung haben.

Ein Windstoß bauschte ihren Rock. Rasch zog die Frau ihn wieder herunter, aber nicht, ehe Damian einen Blick auf lange, schlanke Beine und ein verführerisches schwarzes Spitzenhöschen erhascht hatte.

Das Wispern der Gemeinde wurde lauter. Jemand lachte. Anstatt verlegen zu reagieren, hob die Frau stolz den Kopf.

Heftiges Verlangen durchzuckte Damian. Ich könnte diesen arroganten Gesichtsausdruck verschwinden lassen, dachte er. Ich bräuchte nur den Gang hinunterzugehen, sie hochzuheben und hinaus auf einen der Hügel zu tragen, die die Kirche umgeben. Dort würde ich sie ins weiche Gras legen und sie küssen, ehe ich jeden Zentimeter ihres Körpers erforsche. Er stellte sich vor, wie er in sie eindrang und sich mit ihr bewegte, während sie vor Leidenschaft stöhnte.

Sein Mund fühlte sich ganz trocken an, und Damian fragte sich, was mit ihm los war. Schließlich war er kein von sexuellen Fantasien geplagter Teenager. Es sah ihm gar nicht ähnlich, von Frauen zu träumen, die er gar nicht kannte.

In diesem Moment sah sie ihn an. Sein Herz pochte zum Zerspringen. Ich weiß genau, was du denkst, sagte ihr Blick, und ich finde es sehr erheiternd.

Damian hörte ein Brausen. Er ballte die Hände zu Fäusten und trat einen Schritt vor.

„Damian?“, flüsterte Nick. In diesem Moment schlug der Wind die Tür erneut gegen die Wand. Das Geräusch schien den Bann zu brechen, der die Hochzeitsgesellschaft erfasst hatte. Ein Mann aus der letzten Reihe stand auf und schloss die Tür. Er nickte der Frau lächelnd zu, doch sie ignorierte ihn, während sie sich nach einem freien Platz umschaute. Schließlich fand sie einen, setzte sich und sah den Pfarrer erwartungsvoll an.

Dieser räusperte sich erneut. Fast widerstrebend wandte sich die Gemeinde wieder dem Altar zu.

„Wenn es niemanden gibt, der einen Grund nennen kann, warum Nicholas und Dawn nicht heiraten sollten“, sagte er rasch, als befürchtete er eine weitere Unterbrechung, „erkläre ich sie nach dem Gesetz Gottes und des Staates Connecticut zu Mann und Frau.“

Nick nahm seine Braut in die Arme und küsste sie. Der Organist stimmte den Schlusschoral an. Nach und nach standen die Gäste auf, um dem Hochzeitspaar aus der Kirche zu folgen, und Damian verlor die Unbekannte aus den Augen.

Das ist gerade noch mal gut gegangen, dachte Laurel. Schlimm genug, dass sie zu spät zu Dawns Hochzeit gekommen war, aber dass sie auch noch solche Aufmerksamkeit erregt hatte … Sie unterdrückte ein Stöhnen.

Erst vergangene Woche hatte Dawn so etwas vorausgesagt.

Annie war mit ihrer Tochter zur letzten Anprobe des Brautkleides nach New York gekommen, und sie hatten sich zum Mittagessen im Tavern on the Green im Central Park getroffen. Dawn hatte sie über ihre Pasta Primavera angeblickt und vernehmlich geseufzt. „Wie schön du bist! Ich wünschte, ich würde so aussehen wie du.“

Laurel hatte das zarte, ungeschminkte Gesicht ihrer Nichte betrachtet. Das Mädchen hatte noch keine Ahnung, wie übel einem das Leben mitspielen konnte. „Wenn ich so aussehen würde wie du“, sagte sie sanft, „wäre ich immer noch auf dem Titelblatt der Vogue.“

Die Unterhaltung wandte sich Laurels stagnierender Karriere, die nach Annies und Dawns Meinung keineswegs stagnierte, und ihren Zukunftsplänen zu. Laurel tat ihr Bestes, um die Angelegenheit herunterzuspielen. Und schließlich kam das Gespräch auf Dawns Hochzeit.

„Du wirst die hübscheste Braut sein, die es je gegeben hat“, prophezeite Laurel.

„Ich hoffe, dass zumindest Nick mich so sieht“, antwortete Dawn scheu, „aber du wirst alle anderen Frauen in den Schatten stellen.“

In diesem Moment hatte Laurel sich vorgenommen, ihrer Nichte auf keinen Fall die Schau zu stehlen. Wenn man ein bekanntes – beziehungsweise ehemals bekanntes – Gesicht hatte, konnte man das allein dadurch bewirken, dass man einen Raum betrat. Das wollte sie den Menschen, die sie gern hatte, nicht antun.

Deswegen hatte sie auf das eigens für diesen Anlass gekaufte zartrosa Chanel-Kostüm verzichtet und sich für das schon einige Jahre alte rauchblaue Seidenkleid entschieden. Selbst Lipgloss und Mascara, die sie als einziges Make-up trug, wenn sie nicht auf dem Laufsteg oder vor der Kamera stand, hatte sie diesmal weggelassen und das Haar nur durchgebürstet, anstatt es wie sonst zu einem lockeren Knoten aufzustecken, aus dem einzelne Strähnen in Gesicht und Nacken fielen.

Sie war extra früh aufgebrochen und hatte an der Penn Station einen Zug genommen, mit dem sie normalerweise eine Stunde vor Beginn der Trauung in Stratham eingetroffen wäre. Dieser war wegen einer Panne in New Haven stecken geblieben. Bis ein Ersatzbus gekommen war, war fast eine Stunde vergangen, und als man sie endlich am Bahnhof von Stratham abgesetzt hatte, war zu allem Überfluss kein Taxi aufzutreiben.

„Laurel?“

Laurel blickte hoch. Dawn und ihr gut aussehender Bräutigam standen vor ihr. Sie stand auf und umarmte ihre Nichte. „Alles, alles Gute, mein Schatz.“

„Das war vielleicht ein Auftritt“, meinte Dawn lachend.

„Oh Dawn, es tut mir so …“

Zu spät. Das Brautpaar war bereits an ihr vorbeigegangen und trat auf die Stufen vor der Kirche.

Laurel wusste, dass Dawn im Scherz gesprochen hatte, doch sie hätte alles darum gegeben, die letzten Minuten ungeschehen zu machen. Nachdem sie endlich ein Taxi gefunden hatte, war sie sogar einige Minuten vor der Kirche stehen geblieben und hatte überlegt, was schlimmer war – zu spät zu kommen oder die Trauung ganz zu verpassen. Schließlich hatte sie ganz behutsam auf die Klinke gedrückt, doch der Wind hatte ihr die Tür aus der Hand gerissen und ihr damit den ungewollt spektakulären Auftritt verschafft.

Alle hatten sie angestarrt – vor allem dieser entsetzliche Mann mit dem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck. Da er direkt neben Nicholas gestanden hatte, konnte es sich nur um dessen Onkel handeln. Er hieß Damian Skouras oder so ähnlich.

Ein Blick, und Laurel hatte gewusst, wen sie vor sich hatte. Leider kannte sie diesen Typ Mann nur zu gut. Frauen flogen auf solche Männer mit breiten Schultern, schmaler Taille, einem durchtrainierten Körper und einem ebenmäßigen Gesicht, in dem die Augen sich wie eine blaue Flamme von der gebräunten Haut abhoben. Das wellige Haar hatte er glatt zurückgekämmt. In einem Ohr glitzerte ein winziger goldener Stecker.

Dass er über Geld und Einfluss verfügte, war nicht nur an seinem Armani-Smoking zu erkennen, sondern auch an der lässigen männlichen Arroganz, mit der er dastand. Er hatte sie angesehen wie ein neues Spielzeug.

Baby, hatte sein Blick gesagt, ich würde dir zu gern das Kleid ausziehen und nachsehen, was darunter ist.

Darauf konnte er lange warten. Laurel hasste unverschämte Männer, denen Geld und Macht zu Kopf gestiegen waren. Schließlich hatte sie sich selbst über ein Jahr lang von einem an der Nase herumführen lassen.

Der Rest der Hochzeitsgesellschaft zog an ihr vorbei – kichernde Brautjungfern in pastellfarbenen Kleidern sowie nette junge Männer, die sich in Anzug und Krawatte etwas unbehaglich zu fühlen schienen. Annie ging am Arm ihres geschiedenen Mannes an ihr vorbei und begrüßte sie kurz. Und jetzt kam der Kerl, der sie vorhin mit seinen Blicken ausgezogen hatte. Er bildete den Abschluss der Prozession und führte eine der Brautjungfern am Arm, ein Kind, das höchstens halb so alt war wie er.

Das Mädchen sah ihn aus großen Augen an, während er seinen Charme voll aufdrehte und seine viel zu weißen Zähne blitzen ließ. Die Kleine war völlig gebannt von seinem im Fitnessstudio gestählten Körper, der auf der Sonnenbank erworbenen Bräune und dem Selbstbewusstsein, das ein volles Bankkonto mit sich brachte.

Mistkerl, dachte Laurel. Ehe sie wusste, was sie tat, war sie aufgestanden und hatte sich den beiden in den Weg gestellt. Die Brautjungfer war so in seinen Anblick versunken, dass sie beinahe mit Laurel zusammenstieß.

„Was ist denn los?“, fragte sie erschrocken.

„Gar nichts“, antwortete er, ohne den Blick von Laurel abzuwenden.

Das junge Mädchen zupfte ihn am Ärmel. Sie war zwar unerfahren, aber nicht dumm. „Kommen Sie, Damian. Wir müssen zu den anderen.“

Er nickte. „Gehen Sie schon voraus, Elaine. Ich komme gleich nach.“

„Mein Name ist Aileen.“

„Aileen“, verbesserte er sich. Noch immer sah er Laurel unverwandt an. „Ich bin gleich bei Ihnen.“

Das Mädchen sah Laurel mürrisch an und eilte den anderen nach.

Aus der Nähe stellte Laurel fest, dass die Augen des Mannes von einem ungewöhnlichen Blau waren, hell und kühl mit einem dunklen Ring um die Iris. Eis, dachte sie. Pures Polareis.

Eine Ader an ihrem Hals begann zu pochen. Ich hätte bleiben sollen, wo ich bin, dachte Laurel.

„Ja?“, fragte er. Seine Stimme passte genau zu den Augen.

Die Kirche war jetzt leer. Nur wenige Meter entfernt konnte Laurel Stimmen und Gelächter hören, aber hier drinnen war es bis auf das Hämmern ihres Herzens ganz still.

„Wollten Sie mir irgendetwas sagen?“

Seine Worte waren höflich, doch sein kalter Tonfall ließ ihr den Atem stocken. Einen Moment lang war sie versucht, sich umzudrehen und davonzulaufen, aber sie war noch nie in ihrem Leben vor irgendetwas geflohen. Außerdem sollte dieser Kerl nicht denken, dass sie sich einschüchtern ließ. Schließlich gab es nichts, wovor sie Angst zu haben brauchte.

Laurel straffte sich, warf das Haar aus dem Gesicht und maß ihn mit einem hochmütigen Blick, den sie für die Kamera perfektioniert hatte. „Eigentlich wollte ich Sie nur darauf aufmerksam machen, dass es unter Ihrem Niveau sein müsste, Ihr Spiel mit kleinen Mädchen zu treiben. Sollten Sie sich nicht lieber eine Spielgefährtin suchen, die weiß, mit wem sie es zu tun hat?“

Er betrachtete sie schweigend. Laurel freute sich bereits, den ersten Punkt gemacht zu haben, doch dann lächelte er sie auf eine Weise an, dass ihr das Herz stehen blieb, und kam so dicht auf sie zu, dass nur noch Zentimeter sie trennten. „Wie heißen Sie?“

„Laurel. Laurel Bennett. Aber …“

„Ich bin ganz Ihrer Meinung, Miss Bennett. Das Spiel macht wesentlich mehr Spaß, wenn die Beteiligten ebenbürtig sind.“

In seinem Blick las Laurel, was jetzt kam, doch es war bereits zu spät. Ehe sie reagieren konnte, hatte er sie an sich gezogen und küsste sie heftig.

2. KAPITEL

Laurel blickte verstohlen auf die Uhr.

Noch eine Stunde, dann konnte sie gehen, ohne Aufsehen zu erregen. Nur noch eine Stunde – vorausgesetzt, sie hielt so lange durch.

Der Mann, der an dem in Rosa und Weiß eingedeckten Tisch neben ihr saß – Evan Soundso – erzählte einen Witz. Dr. Evan Soundso, wie Annie betont hatte, als sie ihre Gäste miteinander bekannt machte. Annie ließ auch wirklich keine Gelegenheit aus, ihre Schwester zu verkuppeln.

Eigentlich war er ganz nett, auch wenn seine rosa Nasenspitze und der leichte Überbiss an ein Kaninchen erinnerten. Das Problem war nur, dass er schon den ganzen Abend lang Witze erzählte, die sich zum Verwechseln ähnelten. Irgendwann zwischen dem Krabbencocktail und dem Bœuf Stroganoff hatte Laurel den Faden verloren.

Vielleicht lag es auch daran, dass sie sich an diesem Tag auf gar nichts konzentrieren konnte. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Damian Skouras ab, der an einem Tisch auf dem Podium saß, an seiner Seite eine mondäne Blondine. Obwohl Laurel nicht hinsah, spürte sie seinen Blick deutlich im Rücken.

Inzwischen wusste sie, dass es sich tatsächlich um Damian Skouras, Nicks Onkel und früheren Vormund, handelte. Annie hatte ihr anvertraut, dass sie die Hochzeit für verfrüht hielt. Sie fand, Dawn und Nick seien viel zu jung. Nun, da sie den Mann kannte, der Nick aufgezogen hatte, wunderte sich Laurel, dass ihre Schwester nicht noch einen zweiten, viel wichtigeren Einwand erhoben hatte. Wer wollte schon einen Schwiegersohn, dessen Vorbild ein egoistischer, arroganter Frauenheld wie Damian Skouras war?

Dass sie ihn dafür hielt, hatte sie ihm ins Gesicht gesagt, als sie sich bei der Gratulationscour gegenüberstanden. Sie hatte versucht, an ihm vorbeizugehen, ohne ihn zur Kenntnis zu nehmen, doch er hatte einfach ihre Hand ergriffen und sich höflich vorgestellt, als wären sie einander noch nie begegnet.

Entrüstet versuchte Laurel, ihm die Hand zu entziehen. Das schien ihn sehr zu amüsieren. „Ganz ruhig, Miss Bennett“, sagte er leise. „Sie wollen doch nicht wieder alle Blicke auf sich ziehen. Eine solche Szene pro Tag ist genug, finden Sie nicht?“

„Nicht ich habe die Szene gemacht, Sie …“

„Mein Name ist Damian Skouras.“ Er weidete sich sichtlich an ihrem Unbehagen. „Vielleicht genießen Sie es, Aufmerksamkeit zu erregen. Dann machen Sie ruhig so weiter. Aber wenn Sie wie ich der Meinung sind, dass am heutigen Tag Nick und seine Braut im Mittelpunkt stehen sollten, dann schlage ich vor, Sie setzen ein nettes Lächeln auf und tun so, als würden Sie sich amüsieren.“

Er hatte recht. Hinter ihr drängten sich bereits andere Gäste und begannen, die Hälse zu recken. Deswegen lächelte sie nicht nur nett, sondern strahlend und zischte ihm zu, dass sie sich noch besser unterhalten würde, wenn er vom Erdboden verschwände.

Sein Griff wurde fester, und in seinen Augen glomm ein Funke auf, der sie ihre übereilten Worte bedauern ließ. „Das glaube ich nicht“, sagte Damian sanft. „Oder haben Sie vergessen, was passiert ist, als ich Sie geküsst habe?“

Als er festgestellt hatte, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss, hatte er zufrieden gelächelt und ihre Hand losgelassen.

Sie würde den Vorfall niemals vergessen. Nach dem ersten Moment des Schocks und der Wut hatte sie sich plötzlich dabei ertappt, dass sie ihm die Hände auf die Schultern legte und ihre Lippen weich und nachgiebig wurden …

„Wenn das so ist, sagte das Huhn“, hörte sie Evan Soundsos nasale Stimme, „hat es nicht viel Sinn, auf die andere Seite zu wechseln.“

Alle am Tisch lachten. Laurel ebenfalls, wenn auch einen Moment zu spät.

„Toller Witz“, meinte jemand.

Evan lächelte, griff nach seinem Weinglas und drehte sich zu Laurel um. „Sie kannten ihn wohl schon.“

„Nein“, antwortete sie rasch. „Ich bin heute nur nicht so reaktionsschnell wie sonst. Vermutlich liegt es am Zeitunterschied. Gestern war ich noch in Paris …“

„Paris“, wiederholte er beeindruckt. „Eine wunderschöne Stadt. Vergangenes Jahr war ich dort auf einem Kongress. Haben Sie Urlaub gemacht?“

„Nein, es war eine Geschäftsreise.“

„Vermutlich sind Sie dort zwei Mal im Jahr zu den Modenschauen.“

„Ja, aber woher …?“

„Ich habe Sie erkannt.“ Evan schmunzelte. „Außerdem hat Annie mir verraten, wer Sie sind. Ich bin ihr Zahnarzt, und als sie das letzte Mal zum Nachschauen kam, sagte sie, sie könnte es gar nicht erwarten, mich mit ihrer kleinen Schwester – dem schönsten Model der Welt – bekannt zu machen. Allerdings hat sie nicht die Wahrheit gesagt.“

„So?“ Laurel heuchelte Interesse, obwohl sie genau wusste, was jetzt kam. Acht von zehn Männern sagten das Gleiche.

„Ja. Sie sind nicht nur das schönste Model, sondern die schönste Frau der Welt.“

Treffer, dachte Laurel und setzte ein höfliches Lächeln auf. „Sie dürfen es Annie nicht übel nehmen. Sie kann es einfach nicht lassen, Beziehungen zu stiften.“

„Wenigstens hat sie nicht übertrieben.“ Er neigte sich ihr zu. „Sie sollten die so genannten Traumfrauen sehen, mit denen man für mich schon Verabredungen arrangiert hat.“

„Wir haben keine Verabredung, Doktor“, stellte Laurel richtig, doch als sie seine gekränkte Miene sah, setzte sie rasch hinzu: „Ich kann gut nachempfinden, was Sie fühlen. Auch ich bin schon Opfer wohlmeinender Verkupplungsversuche gewesen.“

„Annie hat mich doch nicht falsch informiert? Ich meine, Sie sind doch ungebunden?“

Laurel nahm sich vor, ihrer Schwester gehörig die Meinung zu sagen. Annie versuchte schon seit Jahren, sie an den Mann zu bringen. Seit ihrer, Laurels, Trennung von Kirk war Annie noch aktiver geworden.

Dabei war sie, Laurel, zu dem Schluss gekommen, dass Männer eigentlich nur zwei nützliche Funktionen hatten, und zwar beim Öffnen von Schraubverschlüssen und beim Sex. Für Schraubverschlüsse gab es inzwischen technische Hilfsmittel, und dem Sex wurde ihrer Meinung nach viel zu viel Bedeutung beigemessen. Auch das war ihr während ihrer Beziehung zu Kirk klar geworden. Möglicherweise gab es Frauen, die Musik hörten und Sterne sahen, wenn sie mit einem Mann im Bett lagen, aber wenn eine Frau ein eigenes Leben führte, war Sex eigentlich nichts weiter als ein Trieb wie Essen und Trinken – nur längst nicht so wichtig.

„Verzeihen Sie mir.“ Evan war rot geworden. „Das hätte ich Sie nicht fragen dürfen.“

„Was denn?“, fragte Laurel, die mit ihren Gedanken ganz woanders war.

„Ob Sie für eine Beziehung frei sind.“

„Wissen Sie“, antwortete sie ausweichend, „ich bin so häufig auf Reisen, dass ich …“

„Miss Bennett?“

Laurel erstarrte. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer hinter ihr stand. „Ja?“, fragte sie kühl.

„Ich dachte, Sie würden vielleicht gern tanzen“, sagte Damian Skouras. Auf seinem Gesicht lag ein freundliches Lächeln.

„Nein, vielen Dank“, lehnte sie ab.

„Aber sie spielen unser Lied.“

Bisher hatte Laurel der Kapelle kaum Beachtung geschenkt. Jetzt wurde ihr bewusst, dass ein Wiener Walzer an Stelle der Pop-Musik gespielt wurde, die die jüngere Generation bevorzugte.

„Zumindest unsere Art von Lied“, verbesserte er sich. „Ein altmodischer Walzer für ein altmodisches Mädchen – Verzeihung, eine altmodische Frau.“

„‚Frau‘ ist angemessen, aber es macht keinen Unterschied, Mr. Skouras. Ich bin nicht interessiert.“

„Am Walzertanzen?“

„An Ihnen“, stellte sie richtig. „Weder zum Tanzen noch zu sonst irgendwas.“

Eine Dame am Tisch schnappte entzückt nach Luft. Damian Skouras dagegen ließ sich nicht aus der Fassung bringen. „Sie scheinen in eigenartigen Kreisen zu verkehren, Miss Bennett. In meiner Welt stellt eine Aufforderung zum Tanz keineswegs einen unzüchtigen Antrag dar.“

Zum Teufel mit ihm! Ihre Ablehnung schien ihn nicht im Geringsten in Verlegenheit zu bringen. Schlimmer noch, er hatte es geschafft, ihr den Schwarzen Peter zuzuschieben.

„Und in meiner“, erwiderte Laurel zuckersüß, „nennt man einen Mann, der mit seiner Freundin auf eine Party geht und sich dort an eine andere Frau heranmacht …“

„Hallo!“, rief jemand fröhlich. Das Brautpaar war hinter Laurel aufgetaucht, um sich zu vergewissern, dass sich seine Gäste gut unterhielten.

„Ein tolles Fest!“, bemerkte jemand.

„Freut mich zu hören“, antwortete Nick. „Ich habe viel gelernt, als ich den Damen beim Austüfteln der Tischordnung über die Schulter gesehen habe. Man weiß nie, ob sich die Leute tatsächlich vertragen.“ Mit einem zufriedenem Lächeln blickte er zwischen Laurel und Damian hin und her. „Wie schön! Ihr habt euch also schon ohne unser Zutun kennen gelernt.“

Die Dame auf der anderen Seite des Tisches gab einen erstickten Laut von sich und führte rasch die Serviette zum Mund.

„Das haben wir allerdings“, bestätigte Damian.

Dawn lehnte sich vor. „Ich wusste, dass ihr beide euch viel zu sagen haben würdet.“

Das kann einfach nicht wahr sein! dachte Laurel. Ist denn meine ganze Verwandtschaft darauf aus, mich an den Mann zu bringen? Laut sagte sie: „Wirklich? Was denn zum Beispiel?“

Dawn machte ein verwirrtes Gesicht. „Wie bitte?“

„Worüber sollten wir uns denn unterhalten?“, fragte Laurel, obwohl eine innere Stimme sie warnte, sie solle lieber still sein.

Nick kam seiner frisch gebackenen Frau zu Hilfe. „Nun, zum einen seid ihr beide viel auf Reisen.“

„Tatsächlich?“

„Ja. Nach Frankreich zum Beispiel. Damian hat dort vor kurzem eine Wohnung gekauft. Da du so häufig dort bist, kannst du ihm vielleicht ein paar Tipps geben, wo er nach Möbeln schauen sollte.“

„Ich komme nicht mehr so oft hin wie früher“, wehrte sie ab.

„Wo verbringen Sie Ihre Zeit denn dann?“, erkundigte sich Damian interessiert.

Laurel vermutete, dass er vermutlich in jeder europäischen Großstadt zu Hause war. „New York“, antwortete sie und erkannte im nächsten Moment, dass sie einen Fehler gemacht hatte.

„Welch ein Zufall“, meinte er freundlich. „Ich habe gerade erst eine Wohnung in Manhattan erworben.“

„Ich dachte, in Paris.“

„Paris, New York …“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin geschäftlich in der ganzen Welt unterwegs. Da ist es sehr schön, wenn man abends nicht in ein Hotel, sondern in die eigene Wohnung kommt.“

„Vor allem wenn dort die Blonde wartet, mit der Sie heute hier sind.“

„Laurel!“, rief Dawn schockiert.

„Das ist schon in Ordnung, Dawn“, sagte Damian, ohne den Blick von Laurel abzuwenden. „Deine Tante und ich verstehen uns. Nicht wahr, Miss Bennett?“

„Absolut, Mr. Skouras.“ Laurel wandte sich dem Zahnarzt zu, der den Schlagabtausch wie alle anderen mit offenem Mund verfolgt hatte. „Möchten Sie tanzen, Evan?“

Dieser wurde rot. Zweifelnd blickte er zu Damian hoch. „Gern, aber ich dachte …“

„Sie haben sich geirrt, Sir.“ Damians Ton war höflich, aber Laurel ließ sich nicht täuschen. „Während wir alle Gelegenheit hatten, uns Miss Bennetts interessante Ansichten anzuhören, habe ich es mir anders überlegt.“ Damian reichte Dawn seinen Arm. „Meine Liebe, es wäre mir eine Ehre, wenn du mir diesen Tanz gewähren würdest.“

Dawn lächelte erleichtert. „Aber gern.“

Kurz hinter ihnen erreichten Laurel und Evan die Tanzfläche. Nicholas zog Evans Stuhl unter dem Tisch hervor, drehte ihn um und setzte sich rittlings darauf. Mit einigen witzigen Bemerkungen über Familien an sich und seine im Besonderen hatte er die Gesellschaft bald zum Lachen gebracht.

Das war’s wohl, Damian Skouras, dachte Laurel voller Genugtuung, während sie über Evans Schulter blickte. Beim nächsten Mal wirst du es dir hoffentlich genau überlegen, mit wem du dein Spiel treibst.

Gabriella Boldini schlug die langen Beine übereinander und zwängte sie unters Armaturenbrett von Damians Mietwagen. „Also wirklich, Damian“, sagte sie unwirsch. „Ich verstehe nicht, warum du keine Limousine bestellt hast.“

Damian seufzte und konzentrierte sich auf die kurvige Bergstraße. Es war sinnlos, auf eine Bemerkung zu antworten, die sie seit ihrer Abfahrt aus Stratham bereits ein halbes dutzend Mal gemacht hatte.

„Wir sind bald im Hotel“, sagte er. „Warum lehnst du dich nicht zurück und versuchst ein bisschen zu schlafen?“

„Weil ich nicht müde bin, Damian. Ich habe lediglich darauf hingewiesen …“

„Dass dir ein anderer Wagen lieber gewesen wäre“, beendete er den Satz für sie.

„Genau. Wenn wir schon in die tiefste Provinz fahren müssen, könnten wir es doch wenigstens bequem haben.“

Damian lachte. „Gaby, wir sind nicht in der Provinz. Das Hotel liegt keine fünfzig Kilometer von Boston entfernt.“

„Musst du denn alles wörtlich nehmen? Ich weiß sehr wohl, wo das Hotel ist. Schließlich haben wir gestern dort übernachtet.“ Nun schlug sie das andere Beine über. Wenn ihr schwarzes Kleid noch höher rutschte, würde es sich um ihre Taille bauschen. „Dabei fällt mir ein … Da das Hotel keinen Zimmerservice hat …“

„Es hat sehr wohl einen Zimmerservice.“

„Aber nicht nach zehn Uhr abends. Weißt du nicht mehr, was passiert ist, als ich gestern Abend noch eine Tasse Tee bestellen wollte?“

Damian umfasste das Lenkrad fester. „Ich erinnere mich sogar sehr gut daran, Gaby. Der Geschäftsführer bot an, dir persönlich Tee zu machen und ihn in unsere Suite zu bringen.“

„Ich wollte aber Kräutertee und nicht dieses Zeug im Teebeutel. Außerdem habe ich dir schon unzählige Male gesagt, dass du mich nicht Gaby nennen sollst.“

Was läuft hier eigentlich ab? fragte sich Damian. Jeder, der uns hören könnte, wäre überzeugt, dass wir einen lange geprobten Ehekrach inszenieren. Nicht, dass er etwas gegen ein Wortgeplänkel hatte. Mit der scharfzüngigen Frau auf Nicks Hochzeit war es sogar ausgesprochen amüsant gewesen.

Zudem war sie atemberaubend schön. Dawn hatte ihm erzählt, dass sie Model war. Bisher hatte Damian gedacht, Models wären geschlechtslose Wesen aus nichts als Haut und Knochen, doch Laurel Bennett verfügte durchaus über Rundungen. Schade, dass es ihm nicht gelungen war, mit ihr zu tanzen. Dann hätte er feststellen können, ob sie sich genauso weiblich anfühlte, wie sie aussah.

„Musst du so schnell fahren?“, beschwerte sich Gabriella. „In dieser pechschwarzen Einöde sieht man so gut wie nichts.“

Damian presste die Lippen zusammen. „Ich fahre gern schnell. Und da nicht du, sondern ich am Steuer sitze, reicht es, wenn ich etwas sehe.“

Er wartete auf eine Antwort, doch nicht einmal Gabriella war so töricht, etwas dagegenzuhalten. Stattdessen lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Im Auto wurde es still. Damian begann gerade, sich zu entspannen, als sie von neuem anhob.

„Also, manche Leute haben wirklich Nerven.“

Er streifte sie mit einem Seitenblick. „Da kann ich dir nur zustimmen.“

„Diese Frau zum Beispiel.“

„Welche Frau?“

„Du weißt schon, die mit den rot gefärbten Haaren. Die mitten in die Trauung hineingeplatzt ist.“

Endlich begriff Damian, was hier gespielt wurde. „Ich glaube, die Haarfarbe war echt“, sagte er beiläufig.

„Männer lassen sich eben leicht täuschen.“

Damit hatte sie ausnahmsweise ein wahres Wort gesprochen. Was war aus Gabriellas reizendem Wesen und dem bezaubernden italienischen Akzent geworden? Ersteres hatte sich im Laufe der vergangenen Wochen verflüchtigt, letzteres erst in der letzten Stunde.

„Und das Kleid!“, fuhr sie fort. „Wenn es noch kürzer gewesen wäre …“

Damian verkniff sich die Bemerkung, dass ihr Kleid die Fantasie eines Mannes erst recht beflügelte.

„Ich habe gehört, sie ist Dawns Tante.“

Vor ihnen tauchte die Abzweigung zum Hotel auf. „Das stimmt. Sie ist Model.“ Damian bremste und bog ab.

„Dass ich nicht lache! Jeder weiß doch, wovon solche Frauen leben. Wie es heißt, hat sie Dutzende von Liebhabern gehabt.“

Das linke Rad geriet in ein Schlagloch. Mühelos brachte Damian den Wagen wieder auf Kurs. „Tatsächlich.“

„Also wirklich, Damian, kannst du nicht langsamer …?“

„Was redet man denn sonst noch so über sie?“

Gabriella streifte ihn mit einem Blick, klappte die Sonnenblende herunter und blickte in den dort befestigten Spiegel. „Denkst du, ich höre auf Klatsch?“ Dann zupfte sie ihr perfekt frisiertes Haar zurecht. „Was soll man schon über eine Frau sagen, die nackt posiert?“

Ungewollt sah er vor seinem geistigen Auge Laurel vor sich, wie sie nackt und erhitzt in seinem Bett lag. Er musste sich zwingen, sich die letzten Meter bis zum Ziel zu konzentrieren.

„Nackt?“, fragte er gelassen.

„Allerdings. Eine Anzeige für Calvin Klein. Ich habe sie in der letzten Ausgabe von Chick oder Femme gesehen.“ Gabriella klappte die Sonnenblende wieder zurück. „Es war eines dieser übertrieben künstlerisch gestalteten Fotos, aufgenommen durch einen Schleier. Das braucht sie wohl auch. Schließlich ist sie nicht mehr die Jüngste.“

Laurels Bild ließ sich nicht vertreiben. Er räusperte sich. „Interessant.“

„‚Billig‘ ist das passendere Wort. Primitiv und billig. Deswegen ist es mir auch rätselhaft, wieso du dich überhaupt mit ihr abgegeben hast.“

„Jetzt redest du Unsinn, Gabriella.“

„Ich habe mitbekommen, wie du sie angesehen hast. Das hat mir ganz und gar nicht gefallen. Schließlich bist du mir etwas schuldig.“

Damian hielt vor dem Hotel, stellte den Motor ab und drehte sich zu Gabriella um. „Schuldig?“

„Allerdings. Wir sind jetzt schon eine ganze Weile zusammen. Bedeutet dir das denn gar nichts?“

„Ich war dir nicht untreu.“

„Davon rede ich nicht, und das weißt du auch.“ Sie atmete tief durch. „Willst du wirklich behaupten, dass du heute während der Trauung nichts empfunden hast?“

„Ich habe das Gleiche empfunden wie bei jeder Hochzeit – Ungläubigkeit, dass zwei Menschen sich freiwillig auf etwas einlassen, das sie gar nicht überblicken können, in der Hoffnung, ein so unnatürliches Arrangement könnte vielleicht doch ein Erfolg werden.“

Gabriella presste die Lippen zusammen. „Wie kannst du so etwas sagen?“

„Weil es wahr ist. Dir war doch von Anfang an bekannt, wie ich darüber denke. Du hast gesagt, unsere Ansichten würden sich decken.“

„Darum geht es jetzt nicht. Du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum hast du diese Frau unentwegt angesehen?“

Weil ich es gern wollte, dachte Damian. Weil du mich nicht besitzt. Weil Laurel Bennett mich auf eine Weise fasziniert, wie du es niemals getan hast, nicht einmal zu Anfang unserer Affäre.

Damian atmete tief durch. Es war spät. Sie waren beide müde und nicht in der Verfassung, Entscheidungen zu treffen. Er strich Gabriella mit dem Handrücken über die Wange, lehnte sich hinüber und öffnete ihre Tür. „Geh schon hinein, und warte in der Halle, während ich den Wagen parke.“

„Siehst du, was ich meine? Wenn wir eine Limousine mit Chauffeur genommen hätten, wäre das nicht nötig. Aber es musste ja unbedingt nach deinem Kopf gehen, ohne Rücksicht auf mich oder meine Gefühle.“

Im grellen Licht des Hoteleingangs betrachtete Damian das Gesicht seiner Geliebten und stellte fest, dass es keineswegs so hübsch war, wie er angenommen hatte. Vor allem jetzt nicht, da sich Gereiztheit und Eifersucht darin abzeichneten.

„Gaby“, sagte er leise. „Es ist schon spät. Lass uns jetzt nicht mehr darüber streiten.“

„Glaub ja nicht, dass du mich auf diese Art zum Schweigen bringen kannst. Und nenn mich nicht Gaby!“

Er biss die Zähne zusammen, schloss die Beifahrertür wieder und ließ den Motor an.

„Moment mal! Ich denke nicht daran, mit dir bis zum Parkplatz zu fahren. Denkst du, ich habe Lust, auf hohen Absätzen durch den Kies …?“ Gabriella runzelte die Stirn, als Damian die Abzweigung zur Straße nahm. „Damian? Was machst du denn?“

„Wonach sieht es wohl aus?“ Damian hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. „Ich fahre nach New York.“

„Heute noch? Aber es ist schon spät. Und was ist mit meinen Sachen? Den Kleidern und Toilettenartikeln? Damian, das ist doch lächerlich.“

„Sobald ich dich abgesetzt habe, werde ich im Hotel anrufen und darum bitten, dass man uns unsere Sachen nachschickt.“

„Was soll das heißen? Du weißt doch, dass ich die Wochenenden nie in meiner Wohnung verbringe.“

„Du hast vorhin etwas gesagt, das mir zu denken gegeben hat“, entgegnete er sanft. „Ich bin dir tatsächlich etwas schuldig, und zwar die Wahrheit. Die Zeit mit dir war schön, aber …“

„Was aber? Denkst du etwa, du kannst mich so einfach loswerden?“

„Gabriella, beruhige dich.“

„Sag mir nicht, was ich tun soll!“, schrie Gabriella. „Vielleicht kannst du mit deinen Angestellten so verfahren, aber nicht mit mir!“

„Ich möchte, dass wir unsere Beziehung wie zwei zivilisierte Erwachsene beenden. Wir haben doch beide gewusst, dass wir nicht für immer zusammenbleiben würden.“

„Ich habe es mir aber anders überlegt. Wie kannst du es wagen, mich einfach abzuschieben, weil du ein billiges Flittchen gefunden …“

„Gabriella, es gibt keine andere Frau in meinem Leben. Ich bin lediglich zu der Überzeugung gekommen, dass unsere Beziehung am Ende angelangt ist.“

„Das sagst du jetzt, aber du hast gewisse Erwartungen in mir geweckt. Mein Anwalt sagt …“

Gabriella verstummte mitten im Satz, doch es war schon zu spät. Damian hatte den Wagen auf dem Seitenstreifen zum Stehen gebracht. Als sie sein Gesicht sah, drückte sie sich ängstlich in die Ecke.

„Dein Anwalt sagt?“, wiederholte er trügerisch leise. „Heißt das, du hast unsere Beziehung bereits mit einem Anwalt diskutiert?“

„Nur ganz allgemein. Schließlich muss eine Frau sich schützen.“ Im Lichtkegel eines vorbeifahrenden Wagens sah er, wie ihre Miene hart wurde. „Wie es scheint, hatte ich allen Grund dazu.“

Damian schaltete das Radio ein, suchte einen Musiksender und drehte den Lautstärkeregler bis zum Anschlag. Dann fuhr er wieder an. Weniger als drei Stunden später hielt er vor ihrem Wohnhaus an der Park Avenue in Manhattan. „Du Mistkerl!“, zischte Gabriella, als sie ausstieg.

Ohne einen Blick zurückzuwerfen, fuhr Damian davon. Für ihn gehörte Gabriella bereits der Vergangenheit an.

3. KAPITEL

Jean Kaplan arbeitete schon seit vielen Jahren als Damian Skouras’ Assistentin. Sie war mittleren Alters, glücklich verheiratet und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Dennoch machte sie ein überraschtes Gesicht, als ihr Chef am Montagmorgen im Büro erschien und sie nach einem kurzen Gruß bat, persönlich hinunter zum Kiosk zu gehen und ein Exemplar jeder Modezeitschrift zu kaufen, die sie finden konnte.

„Modezeitschriften, Mr. Skouras?“

„Allerdings, Mrs. Kaplan“, bestätigte er gelassen. „Ich bin sicher, Sie wissen, was ich meine. Femme, Chick und was es sonst noch so gibt.“

„Selbstverständlich, Sir.“

Vielleicht trägt er sich mit dem Gedanken, einen Verlag zu kaufen, überlegte sie, während sie ein gutes Dutzend Magazine erstand.

„Hoffentlich ist das Gewünschte darunter“, sagte sie, als sie den Stapel in sein Büro im dreißigsten Stock brachte.

„Ganz bestimmt, Mrs. Kaplan.“

„Soll ich wie immer Rosen an Miss Boldini schicken lassen?“

Er schaute auf, und unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Sein Blick war eiskalt. „Danke, das ist nicht nötig.“

„Entschuldigen Sie, Sir, ich dachte nur …“

„Wenn Miss Boldini anruft, sagen Sie ihr bitte, ich sei nicht zu sprechen.“

„Wie Sie wünschen, Sir. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

„Im Moment nicht. Bitte stellen Sie keine Gespräche durch, bis ich Ihnen Bescheid gebe.“

Jean nickte und ging hinaus.

So, so, dachte sie schadenfroh. Gabriella Boldini mit dem katzenhaften Lächeln und den dazu passenden scharfen Krallen ist endlich in Ungnade gefallen. Jean Kaplan hatte schon viele Frauen im Leben ihres Chefs kommen und gehen sehen, alle attraktiv und die meisten nett oder zumindest klug genug, sich mit seiner Assistentin gut zu stellen. Gabriella hatte sie dagegen wie ein Dienstmädchen behandelt.

Jean setzte sich an ihren Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Wie sie Mr. Skouras kannte, würde er sich wie nach jeder Affäre erst einmal zurückziehen und damit viel Zeit haben, sich ein neues Geschäftskonzept auszudenken. Doch es würde nicht lange dauern, bis eine neue Schönheit auftauchte und versuchte, ihn einzufangen, obwohl er nie einen Hehl daraus machte, dass er an einer festen Bindung nicht interessiert war.

Jean selbst hatte die Hoffnung, ihr Chef würde eines Tages die Richtige finden, schon längst aufgegeben. Nach einer katastrophalen Ehe, über die er nie sprach, war er zum erklärten Junggesellen geworden.

Eigenartig, dass ein Mann, der in geschäftlichen Dingen kein Risiko scheute, so feige war, wenn es um Persönliches ging.

Damian betrachtete stirnrunzelnd die Schlagzeilen:

Sind Sie für Ihren Mann noch sexy genug?

Zehn Tipps, wie Sie ihn heißmachen

Sexy Mode für den Sommer

Perfekte Sonnenbräune jetzt

Gab es wirklich einen Markt für solchen Schrott? Er hatte Gabriella häufig mit einer Zeitschrift auf der Couch liegen sehen, sich aber niemals für den Inhalt interessiert.

Auch Models hatte er bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt. Warum sahen die meisten nur aus, als hätten sie seit Wochen nichts gegessen? Eine Frau, deren Knochen hervorstanden, fand doch kein Mann attraktiv.

Und dann die schmollenden Gesichter mit dem grellen Make-up!

Seufzend klappte Damian eine Zeitschrift zu und griff nach der nächsten. Laurels Foto fand er nicht. Er versuchte sich einzureden, dass sie ihn überhaupt nicht interessierte, doch es nützte nichts. Er hatte schlecht geschlafen und Träume gehabt, die ihn seit seiner Jugend nicht mehr gequält hatten.

Da war es! Das Foto von Laurel Bennett.

Gabriella hatte sich geirrt. Laurel war nicht nackt. Damian konnte sich selbst nicht erklären, weshalb er darüber so erleichtert war.

Sie hatte mit dem Rücken zur Kamera posiert, den Kopf über die Schulter gewandt. Rücken und Schultern waren bloß. Um die Hüften hatte sie eine Bahn elfenbeinfarbener Seide geschlungen, so tief, dass ihr Rücken bis zum Ende zu sehen war. Ihre herrliche mahagonifarbene Mähne mit den hellen Strähnen umzüngelte ihr Gesicht wie eine Flamme.

Damian konnte den Blick nicht von dem Bild abwenden. Also gut, sagte er sich. Da ist sie. Eine Frau – nicht mehr und nicht weniger. Schön und sehr begehrenswert, aber nicht die hitzigen Träume der letzten Nacht wert.

Er klappte die Zeitschrift zu, legte sie zu den anderen und trug den Stapel zum Tisch bei der Sitzgruppe in der Ecke seines Büros. Später würde er Mrs. Kaplan bitten, sie allesamt zu entsorgen oder an die Sekretärinnen zu verschenken. Er selbst hatte keinen Bedarf mehr daran. Das Kapitel Laurel Bennett war abgeschlossen, ehe es überhaupt begonnen hatte.

Solange er sich mit der Lösung konkreter geschäftlicher Probleme befasste, war alles wie sonst. Als Damian jedoch begann, die Unterlagen für einen Vortrag durchzugehen, den er demnächst halten sollte, stellte er fest, dass er sich kaum konzentrieren konnte. Er musste jeden Absatz mehrmals durchlesen, ohne dass der Inhalt hängen blieb. Schließlich gab er auf und schob stirnrunzelnd den Stuhl zurück. Eigenartig, so ruhelos war er doch sonst nicht!

Als er sich eine Tasse Kaffee aus der Thermoskanne auf der Anrichte holen wollte, fiel sein Blick auf den Tisch, wo er die Zeitschriften abgelegt hatte. Das Magazin mit Laurels Foto lag ganz oben. Er nahm es zur Hand und schlug es auf. Laurels Haar wirkte wie Seide. Ob es sich genauso anfühlte? Oder würde es steif vor Haarspray sein wie das von Gabriella? Wie würde ihre Haut riechen, wenn er das Gesicht an ihrem Hals barg? Wie würde sie schmecken?

Damian schüttelte den Kopf? Was war nur mit ihm los? Er würde diese Frau weder schmecken, riechen noch berühren.

Er studierte ihr Gesicht. Der abweisende Ausdruck ihrer Augen passte schlecht zu ihrem Mund, der weich, sexy und sehr verletzlich wirkte. So hatte er sich auch angefühlt, als sie aufhörte, sich gegen die zwischen ihnen aufflackernde Leidenschaft zu wehren.

Damian verspannte sich, als er sich an seine Gefühle erinnerte. Noch nie hatte er bei einem Kuss beinahe die Kontrolle verloren.

Er war ein Mann schneller Entschlüsse. Es gab nur eine Möglichkeit, diese Frau ein für alle Mal aus seinen Gedanken zu vertreiben. Er würde mit ihr schlafen. Eine Nacht, und er würde über sie hinweg sein.

Er konnte sie anrufen und auf einen Drink oder zum Essen einladen. Obwohl ihre Nummer wahrscheinlich nicht im Telefonbuch stand, wusste er, wie man an solche Informationen kam.

Allerdings musste er geschickt vorgehen. Er hatte gespürt, dass sie ihn ebenso begehrte wie er sie, aber das würde sie niemals eingestehen. Erneut betrachtete er das Foto. Wahrscheinlich würde sie aufhängen, ehe er seine Einladung auch nur aussprechen konnte.

Damian begann zu schmunzeln. Bisher hatte er der Anzeige selbst keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Er hatte angenommen, dass Laurel für Parfüm, Kosmetika oder Pelze warb. Nun stellte er jedoch fest, dass er sich geirrt hatte.

Das Produkt, dem sie Glamour verlieh, war ein Laptop, hergestellt von einer Firma, die Skouras International erst vor einigen Monaten übernommen hatte.

Damian griff nach dem Telefon. Er hatte Glück. Zehn Minuten später war er auf dem Weg zu einem Studio in Soho, wo die Anzeigenreihe aufgenommen wurde.

„Laurel, Liebling“, rief Haskell, „der Winkel stimmt nicht. Dreh den Kopf bitte ein bisschen weiter nach rechts.“

Laurel tat es.

„Und nun ein Stück nach vorn. Gut so. Und jetzt lächeln.“

Zum Lächeln war sie heute gar nicht aufgelegt. Wie schon so oft in letzter Zeit fragte sie sich, warum sämtliche Produkte vom Abschleppwagen bis zur Zahnpasta unbedingt mit Sex an den Mann gebracht werden mussten.

„Laurel, Baby, so geht es nicht. Die Leute sollen sehen, dass du glücklich bist. Im Moment wirkst du nur gelangweilt.“

Das war sie auch. Aber Langeweile war immer noch besser als Zorn. Denk nicht mehr daran, ermahnte sich Laurel.

Oder an ihn.

„Laurel, jetzt runzelst du sogar die Stirn. Liebes, das gibt Falten. Mal dir die Szene aus. Du bist an Deck einer Yacht in … sagen wir, in der Ägäis.“

„Lieber in der Karibik.“

„Was ist denn los? Hast du etwas gegen Griechen? Na gut, von mir aus in der Karibik. Hauptsache, du kriegst den Ausdruck endlich hin. Stell dir vor, du liegt ausgestreckt in der Sonne und schreibst auf deinem Laptop Postkarten an deine Freunde zu Hause.“

„Das ist doch lächerlich, Haskell. Postkarten schreibt man auch heute noch mit der Hand.“

Der Fotograf funkelte sie an. „Ehrlich gesagt, ist es mir egal, wozu du das Ding verwendest. Schreib von mir aus deine Memoiren damit. Oder rechne den Saldo deines Schweizer Bankkontos zusammen. Was auch immer. Hauptsache, ich bekomme endlich ein Lächeln.“

Laurel seufzte. Er hatte recht. Modeln war ihr Beruf, und den musste sie professionell machen. Leider hatte sie schlecht geschlafen und war übellaunig aufgewacht. Jetzt im Bikini vor einem blaugestrichenen Hintergrund, der den Himmel simulieren sollte, zu stehen half nicht. Was hatten Bikinis und blauer Himmel mit Laptops zu tun?

„Himmel noch mal, Laurel, konzentrier dich! Denk an etwas Schönes. Was wirst du heute Abend essen? Wie hast du das Wochenende verbracht?“

Ihr Abendessen würde wie immer aus einem Salat mit Hüttenkäse in ihrer Küche bestehen. Und daran zu denken, wie Damian Skouras sie gedemütigt hatte, war das Letzte, was sie wollte.

„He, was ist los? Jetzt schaust du geradezu grimmig drein. Komm schon! Stell dir etwas vor, das dich glücklich macht.“

Ein rechter Haken mitten auf Damian Skouras’ Kinn.

„Gut so!“

Ein gezielter Tritt an eine Stelle, wo es besonders wehtat.

„Jetzt hast du’s!“ Haskell begann zu fotografieren. „Was auch immer du dir gerade vorstellst, es funktioniert. Jetzt den Kopf ein Stück zur Seite. Die Leute sollen sehen, wie glücklich du bist. Dein Laptop hat es dir ermöglicht, statt im Büro in der Sonne zu sitzen. In ein paar Minuten wirst du ihn ausschalten, unter Deck gehen und dich in die Arme eines unglaublich attraktiven Mannes werfen. Du kennst doch einen attraktiven Mann?“

Damian Skouras. Der athletische Körper. Das Gesicht mit den ausgeprägten Zügen. Die ungewöhnlichen blauen Augen. Und der Mund, der hart wirkte, sich aber überraschend weich anfühlte.

„Ja!“ Haskell schoss den Film voll. Dann legte er die Kamera weg und streckte ihr die Hand entgegen. „Baby, das war toll. Dieser Blick …“ Er seufzte. „Einfach Dynamit.“

Laurel stellte den Computer auf den Boden, ließ sich von Haskell vom Podium helfen und griff nach ihrem Bademantel. „Sind wir fertig?“

„Allerdings. Willst du mir nicht verraten, an wen du eben gedacht hast?“

„An niemanden“, behauptete Laurel. „Ich habe deinen Vorschlag aufgegriffen und mir vorgestellt, was ich heute Abend essen werde.“

„Noch nicht einmal ein saftiges Steak zaubert einen solchen Blick in das Gesicht einer Frau“, meinte Haskell. „Wer ist der Glückliche, und warum bin ich es nicht?“

„Vielleicht sagt Miss Bennett ja die Wahrheit.“

Laurel wirbelte herum. Die Stimme kam aus einer dunklen Ecke des Studios. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Nein, das konnte nicht sein.

Damian Skouras trat aus dem Schatten. „Hallo, Miss Bennett.“

Einen Moment lang stand sie reglos da und blickte den Mann an, den sie niemals wieder zu sehen gehofft hatte. Dann straffte sie sich und zog den Gürtel ihres Bademantels fester. „Das ist nicht komisch, Mr. Skouras.“

„Freut mich zu hören, Miss Bennett. Komödien sind nämlich nicht meine starke Seite.“

„Laurel?“ Haskell drehte sich zu ihr um. „Kennst du diesen Mann? Hast du ihn gebeten, dich hier zu treffen?“

„Nein, ich kenne ihn nicht“, erwiderte sie kalt.

„Selbstverständlich kennt sie mich“, widersprach Damian. „Hat sie mich nicht gerade mit Namen angesprochen?“

Das ließ sich nicht leugnen. „Jedenfalls habe ich ihn bestimmt nicht herbestellt.“

Haskell ging auf ihn zu. „Mister, Sie haben gehört, was die Dame sagt. Hier ist kein öffentliches Gebäude. Wenn Sie mich geschäftlich sprechen wollen, rufen Sie meinen Agenten an.“

„Ich will nicht Sie, sondern Miss Bennett sprechen. Bitte lassen Sie uns einen Moment allein.“

Haskell ballte die Hände zu Fäusten. „Ich höre wohl nicht richtig! Das ist mein Studio und …“

„Nicht, Haskell!“ Laurel hatte schon gehört, dass der Fotograf hin und wieder in Prügeleien verwickelt war. Sie war zwar noch nie dabei gewesen, hatte ihn jedoch mehr als einmal mit einem blauen Auge oder einer Platzwunde gesehen. Obwohl sie Damian Skouras eine Abreibung von Herzen gönnte, wollte sie ihren alten Freund nicht mit hineinziehen.

Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Der Fotograf blickte in Damians Gesicht und sah dort etwas, das ihn einen Schritt zurückweichen ließ. „Ich will hier drinnen keinen Ärger“, murmelte er.

„Den werden Sie auch nicht haben.“ Damian lächelte schwach. „Außerdem habe ich das Recht, hier zu sein. Warum rufen Sie nicht in der Agentur an? Sie brauchen nur meinen Namen zu sagen, und man wird es Ihnen bestätigen.“

Laurel lachte. „Sie sind wirklich unglaublich. Was soll die Agentur denn bestätigen? Dass Sie der liebe Gott sind?“

„Der liebe Gott nicht, aber der Besitzer von Redwood Computers.“

„Sie sind dieser Skouras?“, fragte der Fotograf beeindruckt.

„Allerdings.“

„Lass dich nicht irremachen, Haskell“, fauchte Laurel, den Blick unverwandt auf Damians Gesicht gerichtet. „Nur weil er behauptet, dass ihm die Firma gehört, braucht es noch lange nicht zu stimmen.“

„Es stimmt aber“, murmelte Haskell. „Ich habe es neulich in der Zeitung gelesen. Er hat das Unternehmen gekauft.“

Laurel hob das Kinn. „Wie schön für Sie, Mr. Skouras! Das gibt Ihnen aber trotzdem nicht das Recht, hier hereinzuplatzen, als ob Ihnen das Studio ebenfalls gehört.“

Damian schmunzelte. „Das stimmt.“

„Also hören Sie auf, mich zu belästigen.“

„Ich belästige Sie nicht, Miss Bennett. Als ich erfuhr, dass heute Aufnahmen für mein Produkt stattfinden, war ich neugierig und beschloss, es mir einmal anzusehen.“

Laurel hatte die Augen zusammengekniffen. „Mit mir hat Ihr Besuch also nichts zu tun?“

„Nein“, log Damian ungerührt.

„Wenn das so ist, haben Sie sicher nichts dagegen, wenn ich …“

Er hielt sie am Arm fest, als sie an ihm vorbeigehen wollte. „Essen Sie mit mir.“

„Nein.“

„Wir könnten ins Vier Jahreszeiten oder ins Water’s Edge gehen. Es ist ein herrlicher Tag, Miss Bennett.“

„Das war es vielleicht, bis Sie auftauchten.“

Haskell räusperte sich. „Also, wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde …“

„Warte“, rief Laurel ihm nach, doch seine Schritte verklangen bereits. Dann klappte eine Tür, und alles war still.

„Warum müssen Sie die Sache so kompliziert machen?“, fragte Damian.

„Nicht ich mache sie kompliziert.“ Sie blickte auf ihr Handgelenk. „Lassen Sie mich los.“

Was mache ich eigentlich? fragte sich Damian. Es war überhaupt nicht seine Art, Frauen zu bedrängen. Nichts, was er im Zusammenhang mit Laurel Bennett tat, entsprach seinem üblichen Verhalten. Gestern war er wie ein brünstiger Hirsch auf sie losgegangen, und heute hätte er sich ihretwegen um ein Haar geprügelt. Es lag schon viele Jahre zurück, dass er Auseinandersetzungen mit den Fäusten geregelt hatte.

Eine Frau, die ihn offenbar nicht wollte, so beharrlich zu verfolgen, sah ihm auch nicht ähnlich. Schließlich konnte er normalerweise unter den schönsten Mädchen auswählen.

Vermutlich weckte gerade ihr Desinteresse – auch wenn es vermutlich nur gespielt war – seinen Jagdinstinkt. Die Lösung war in jedem Fall die Gleiche: Er würde mit ihr schlafen und sie dann vergessen. Allerdings würde er dabei wie ein zivilisierter Mensch vorgehen.

Damian ließ Laurel los und atmete einmal tief durch. „Miss Bennett … Laurel, ich weiß, dass unsere Bekanntschaft unter ungünstigen Vorzeichen begonnen hat …“

„Sie irren sich. Unsere Bekanntschaft hat gar nicht begonnen.“

„Das lässt sich ändern. Wenn es Ihnen jetzt nicht passt, warum gehen wir nicht heute Abend miteinander essen?“

„Ich habe etwas anderes vor.“

„Dann morgen.“

„Morgen auch. Und ehe Sie weiterfragen – ich bin auf absehbare Zeit ausgebucht.“ Als Damian lachte, funkelte Laurel ihn entrüstet an. „Habe ich etwas Komisches gesagt, Mr. Skouras?“

„Mein Name ist Damian. Außerdem habe ich mich gerade gefragt, wer von uns welche Rolle spielt.“

„Sie sind wirklich unglaublich eingebildet. Denken Sie denn, das ist ein Spiel, in dem ich versuche, durch Sprödheit Ihr Interesse zu steigern?“

Er lehnte sich an den Schneidetisch. Sein Jackett stand offen. Die Hände hatte er in die Hosentaschen gesteckt. „Der Gedanke ist mir allerdings gekommen.“

„Hören Sie, Mr. Skouras …“

„Damian.“

Mr. Skouras. Ich werde ganz einfache Worte wählen, damit Sie es auch bestimmt verstehen. Erstens, ich mag Sie nicht. Zweitens, ich mag Sie nicht. Und drittens, ich bin nicht an einem Essen oder irgendetwas anderem interessiert.“

„Haben Sie schon zu viele Männer am Gängelband?“

Am liebsten hätte sie ihm eine Ohrfeige versetzt, um das selbstzufriedene Lächeln auszulöschen. „Jawohl. Sie stehen morgens, mittags und abends bei mir Schlange. Für ganz besondere Freunde mache ich mich zur Teezeit für eine Stunde frei. Wie Sie sehen, habe ich also überhaupt keine Zeit für Sie.“

Er lachte jetzt ganz offen. Das trieb sie zur Weißglut. Sie würde ihm tatsächlich einen Kinnhaken verpassen oder ihn in die überaus männliche Brust boxen …

Oder ihm die Arme um den Nacken legen, seinen Kopf nach unten ziehen und ihn küssen, bis er sie an sich presste und in den dunklen Bereich trug, der den erleuchteten Teil des Studios umgab …

„Laurel?“, fragte Damian. Ihre Blicke trafen sich.

Er wusste es. Sie merkte es daran, wie er sie ansah. Damian Skouras konnte ihre Gedanken lesen.

„Nein!“, rief sie, wandte sich um und lief davon. Er rief ihren Namen, doch sie rannte, bis sie ihre Garderobe erreicht und die Tür hinter sich zugeschlagen hatte. Mit hämmerndem Herzen und zitternden Knien lehnte sie sich dagegen.

Draußen im Studio blickte Damian starr gegen die geschlossene Tür. Er war angespannt und konnte das Blut durch die Adern rauschen hören.

Laurel war so wütend auf ihn gewesen, weil sie genau gemerkt hatte, dass er sie provozierte. Und dann hatte sich plötzlich alles verändert. Er hatte ihren schockierten Gesichtsausdruck gesehen und sofort verstanden, was sie empfand, denn ihm ging es genauso.

Sie war nicht vor ihm, sondern vor sich selbst davongelaufen. Er brauchte nur die Tür zu öffnen, hinter der sie sich versteckte, und sie in die Arme zu nehmen. Eine Berührung, und ihr Widerstand wäre dahin. Er würde sie nehmen, und dann wäre dieser Wahnsinn vorbei.

Wäre er das wirklich?

Damian atmete tief durch. Laurel Bennett war eine interessante Frau, und das nicht nur wegen des Feuers, das unter ihrem kühlen Äußeren loderte. Auch andere Dinge an ihr faszinierten ihn, zum Beispiel ihre Entschlossenheit, das zu leugnen, was sich unbestreitbar zwischen ihnen entwickelte. Sie war ein Rätsel. Eine Herausforderung.

Er rieb sich das Kinn. Es war schon ziemlich lange her, seit er sich auf das eine oder das andere eingelassen hatte. Das war ein Teil des Preises, den er für seinen geschäftlichen Erfolg bezahlte.

Vielleicht war seine Annahme, er könnte den Bann, in dem sie ihn hielt, in einer einzigen Nacht der Leidenschaft brechen, falsch. Möglicherweise stellte sich Laurel Bennett als Abwechslung heraus, die sein Interesse etwas länger wach hielt. Und er spürte instinktiv, dass sie im Gegensatz zu Gabriella nicht mehr verlangen würde.

Damian lächelte. Die Frauenbewegung würde ihn wegen solcher Gedanken vermutlich am liebsten mit dem Kopf nach unten aufhängen, aber er war lediglich ein Mann, der Situationen richtig einschätzen konnte. Laurel war eine erfahrene Frau, die schon viele Liebhaber gehabt hatte. Selbst wenn Gabriella es ihm nicht erzählt hätte, wäre es offenkundig gewesen. Eine kurze, heftige Affäre würde ihnen beiden Spaß machen.

Allerdings war Sex in einem zugigen Studio nicht der richtige Auftakt dafür. Damian strich sich das Haar zurück, rückte die Krawatte zurecht und ging dann rasch hinaus.

4. KAPITEL

Laurels Wohnung lag im ersten Stock einer umgebauten Stadtvilla mit hellen und weitläufigen Räumen an der Upper East Side in Manhattan. Das Gebäude war attraktiv und sowohl ruhig als auch verkehrsgünstig gelegen – ein für New York nicht zu unterschätzender Vorteil.

Allerdings war es schon alt, und manchmal funktionierte die Wasserversorgung nicht. Der Vermieter hatte zwar schon mehrfach Abhilfe versprochen, aber da er beinahe so alt war wie das Haus, brachten es die Bewohner nicht übers Herz, ihn ständig daran zu erinnern. Glücklicherweise war Grey Morgan, der Star einer Vorabendserie, in einem früheren Leben, als er noch George Mogenovitch hieß und in Brooklyn wohnte, Klempner gewesen.

Seine hübsche Frau Susie war Tänzerin und eine gute Freundin von Laurel. Allerdings schien auch sie es sich zum Ziel gesetzt zu haben, Laurel unter die Haube zu bringen. Laurel hatte gelernt, die Anzeichen rechtzeitig zu erkennen. Wenn Susie anrief, ob sie auf einen Teller Spagetti herüberkommen wollte, sagte sie sofort ja. Wurde jedoch eine Einladung zu einem aufwendigen Menü ausgesprochen, ließ sie sich rechtzeitig eine Ausrede einfallen.

In diesem Moment saß Laurel auf dem heruntergeklappten Toilettendeckel in ihrem Bad und reichte George die benötigten Werkzeuge, während dieser in der Wanne stand und herauszufinden versuchte, warum überhaupt kein Wasser aus ihrer Dusche kam.

„Tut mir leid, dass es so lange dauert“, entschuldigte er sich, „aber jetzt hab’ ich’s gleich.“

„Es ist lieb, dass du dir überhaupt die Mühe machst.“

„Susie besteht darauf. Sie sagt, dass mich körperliche Arbeit davor bewahrt abzuheben.“

Nicht, dass diese Gefahr bestand. Im Gegensatz zu gewissen anderen Männern war George der Erfolg ganz und gar nicht zu Kopf gestiegen. Meistens ergab eine Kombination aus gutem Aussehen, Geld, Ruhm und Einfluss Exemplare wie Damian Skouras. Laurel presste die Lippen zusammen. Oder Kirk Soames. Was hatte sie nur an sich, das solche ichbezogenen, oberflächlichen Kerle anzog?

Zu Anfang hatte sie das allerdings anders gesehen. Als unabhängige, beruflich erfolgreiche Frau hatte sie sehr früh gemerkt, dass viele Männer sich ihr unterlegen fühlten. Deshalb war sie fasziniert gewesen, als Kirk – einflussreich, wohlhabend und gut aussehend – selbstsicher in ihr Leben trat. Als er sie gebeten hatte, zu ihm zu ziehen, hatte sie ihr Herz bereits an ihn verloren.

Annie hatte ihr rundheraus gesagt, dass sie einen Fehler machte. „Zu ihm ziehen? Warum nicht heiraten?“

„Er ist eben vorsichtig“, verteidigte Laurel ihren Geliebten. „Mit Recht. Eine Ehe will für einen Mann wie ihn gut überlegt sein.“

„Jeder sollte sich einen solchen Schritt gut überlegen“, verbesserte Annie. „Aber wenn ihr euch liebt …“

„Annie, ich bin zweiunddreißig und damit alt genug, um mit einem Mann zusammenzuleben, ohne dass gleich eine Welt zusammenbricht. Außerdem möchte ich die Dinge ebenso wenig überstürzen wie Kirk.“

„Aha.“ Annie gab sich keine Mühe, ihre Skepsis zu verbergen.

Laurel hatte selbst gewusst, dass sie log. Sie hätte Kirk sofort geheiratet, wenn er sie gefragt hätte. Und sie war davon überzeugt gewesen, dass er es irgendwann tun würde.

„Laurel?“ Georges Stimme riss Laurel aus ihren Gedanken. „Kannst du mir den Schraubenschlüssel mit dem schwarzen Griff geben?“

„Den hier?“

„Ja, genau.“

Also war sie zu Kirk gezogen, hatte allerdings ihre Wohnung behalten. Das war sein Vorschlag gewesen. Er erbot sich sogar, die Miete zu bezahlen, doch das lehnte sie ab. Sie würde dort übernachten, wenn sie Termine am frühen Morgen hatte und nicht erst von seiner Villa auf Long Island nach Manhattan fahren wollte.

„So ein Unsinn!“, schimpfte Annie. „Der Kerl ist mehrfacher Millionär. Wieso hat er selbst keine Wohnung in der Stadt?“

„Das verstehst du nicht“, sagte Laurel geduldig. „Kirk braucht die Ruhe auf dem Land.“

Wie sich herausgestellt hatte, besaß er sehr wohl eine Wohnung in Manhattan. Laurel schloss die Augen. Sie hatte durch Zufall davon erfahren, als ein unvorsichtiger Mitarbeiter der Hausverwaltung im Landhaus anrief und fragte, ob Mr. Soames ein bestimmter Termin für die Reparatur der Terrasse genehm wäre. Neugierig geworden, war sie zu der angegebenen Adresse gegangen, mit dem Lift nach oben gefahren und hatte an der Tür von Apartment 2004 geklingelt.

Kirk öffnete selbst. Er war im Bademantel. Als er Laurel entdeckte, wurde er blass, fing sich aber rasch. „Was machst du denn hier?“

In diesem Moment tauchte eine üppige Blondine hinter ihm auf. Ihre zarte Haut war erhitzt wie nach einem leidenschaftlichen Nachmittag im Bett. „Wo bleibst du denn, Liebling?“

Laurel hatte kein Wort gesagt, sondern war in ihre Wohnung gefahren. Am nächsten Tag hatte sie ihre Sachen durch einen Spediteur aus Long Island abholen lassen.

Es hatte lange gedauert, bis sie darüber hinweggekommen war. Als sie endlich so weit gewesen war, ihre Beziehung nüchtern zu betrachten, hatte sie erkannt, dass sie seine Arroganz für Selbstsicherheit, seinen Egoismus für Entschlossenheit gehalten hatte. Sie, die stets stolz auf ihre beherrschte Art gewesen war, hatte Sex mit Liebe verwechselt, und nicht einmal der war besonders beeindruckend gewesen. In Kirks Armen war sie niemals vor Leidenschaft vergangen.

Bei Damians Kuss war es anders gewesen. Der hatte sie mit heißer Sehnsucht nach mehr erfüllt, Sehnsucht, die sie zu zerstören drohte.

Die Rohrzange, die Laurel in der Hand hielt, glitt ihr plötzlich aus der Hand und fiel zu Boden.

George steckte den Kopf durch den Duschvorhang. „Alles in Ordnung?“

„Klar“, versicherte sie und hob das Werkzeug auf.

Damian Skouras war nicht der richtige Mann für sie. Er war eine Kopie von Kirk, bis hin zu der schmollenden Blondine, die ihn auf Dawns Hochzeit begleitet hatte.

„Gibst du mir mal den Schraubenzieher? Nein, nicht den mit dem Kreuzschlitz. Den anderen.“

Hatte Damian wirklich geglaubt, ihr würde die Blondine nicht auffallen? Oder war er der Meinung, das wäre nicht wichtig?

„Egoistischer Mistkerl“, murmelte sie und drückte George den Schraubenzieher in die Hand.

George sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Nanu, was habe ich denn angestellt?“

Laurel wurde rot. „Entschuldige. Nicht du warst gemeint.“

George verzog das Gesicht zu jenem jungenhaften Lächeln, das an jedem Wochentag zwischen zwei und drei Uhr nachmittags Millionen von Frauen vor den Fernseher lockte. „Freut mich zu hören. Ich wäre ungern der Mann, dem dieser finstere Blick gilt.“ Er reichte ihr das Werkzeug und bewegte den Hebel auf und ab. „Jetzt müsste es wieder funktionieren. Sobald ich aus der Wanne heraus bin, werden wir es ausprobieren.“

„Pass auf die Pfütze in der …“

Zu spät. George rutschte aus und griff nach dem erstbesten Rettungsanker – dem Mischhebel. Wasser schoss aus dem Duschkopf.

„Verflixt!“, schrie er und machte einen Satz zurück. Er war völlig durchnässt. Auch Laurel hatte einen Schwall abbekommen. Prustend stellte er das Wasser ab und schüttelte sich wie ein nasser Hund. „Jetzt wissen wir wenigstens, dass es funktioniert.“

Laurel hatte Lachtränen in den Augen. „Susie wird denken, dass ich dich ertränken wollte“, rief sie und warf ihm ein Handtuch zu.

George zog sein triefendes Sweatshirt aus und stieg aus der Wanne. Seine Turnschuhe gaben ein schmatzendes Geräusch von sich, als er über den Fliesenboden ging. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich meine neue Jeans angezogen. Laut Werbespot wird sie erst nach der ersten Wäsche richtig passen.“ Schmunzelnd durchquerte er den Korridor und öffnete die Wohnungstür. „Wir sollten einen neuen Slogan fürs Energiesparen kreieren: Spare Wasser – dusche mit einem Freund.

„Sehr passend“, sagte jemand ironisch.

Im Korridor stand Damian Skouras. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd mit einer roten Seidenkrawatte. Sein Gesicht war finster.

Die Kehle war Laurel wie zugeschnürt. Sie hatte sich etwas vorgemacht. Dieser Mann war niemandes Kopie. Kirk hatte gut ausgesehen. Für Damian gab es nur eine Bezeichnung: umwerfend. Dennoch änderte es nichts an der Tatsache, dass er weder eingeladen noch willkommen war. „Was machen Sie denn hier?“, fragte sie kühl.

Damian ignorierte die Frage. Er war vollauf damit beschäftigt, eine Erklärung für diese unerwartete Situation zu finden. Als ob eine Erklärung nötig gewesen wäre!

Laurel trug Shorts und ein durchnässtes T-Shirt, das wie eine zweite Haut an ihrem Körper klebte. Darunter zeichneten sich ihre Brustspitzen deutlich ab. Sie war barfuß. Ihr Gesicht war ungeschminkt und schöner denn je.

„Laurel, kennst du diesen Mann?“

Zum ersten Mal nahm Damian den Mann neben ihr richtig wahr. Das hieß, jetzt stand er vor ihr, als wollte er sie beschützen. Spöttisch verzog Damian den Mund. Was eine Frau wohl an einem solchen Dressmantyp mit einen viel zu glatten Gesicht und beeindruckenden Muskeln fand? Damian ließ den Blick über Georges Körper gleiten. Die nassen Jeans regten die Fantasie an.

Was ging hier vor sich? Laurel und dieser Kerl sahen aus, als wären sie durch einen Wolkenbruch gelaufen. Das Problem war nur, dass es seit Tagen nicht geregnet hatte. Er konnte sich zwar denken, dass die Bemerkung über gemeinsames Duschen nur ein Scherz gewesen war, denn wer duschte schon in voller Montur? Die beiden sahen auch nicht aus, als kämen sie aus dem Bett. Trotzdem …

Bis jetzt hatte er es für eine gute Idee gehalten, einfach unangemeldet hier aufzutauchen. Vor der Tür wartete eine Limousine mit Chauffeur und einer Flasche Champagner im Eiskübel. Auf dem reservierten Tisch in einem neu eröffneten Restaurant mit einem atemberaubenden Blick auf die Skyline stand eine Kristallvase mit roten Rosen.

Bis jetzt war er nicht einmal auf den Gedanken gekommen, dass Laurel vielleicht nicht allein lebte.

„Laurel“, wiederholte der Blonde. „Kennst du ihn?“

„Natürlich kennt sie mich!“

„Stimmt das, Laurel?“

Widerstrebend nickte Laurel. „Ja. Aber ich habe ihn nicht hergebeten.“

George verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie kennt Sie, aber sie hat Sie nicht eingeladen.“

Damian lächelte freundlich. „Mr. …“

„Morgan. Grey Morgan.“

„Mr. Morgan. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber ich habe bereits jedes Wort von Laurel verstanden.“

„Dann werden Sie die nächsten hoffentlich auch verstehen“, erklärte Laurel. „Bitte gehen Sie.“

„Bitte gehen Sie“, wiederholte der Muskelprotz.

Sein Körperbau war beeindruckend. Sehr gut, dachte Damian. Er verspürte die gleiche Vorfreude wie am Nachmittag, als er sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dem Fotografen einen Kinnhaken zu verpassen. Vielleicht hatte er in letzter Zeit zu viel am Schreibtisch gesessen, anstatt sich zu bewegen.

Was ist nur mit diesem Mann los? fragte sich Laurel. Sie konnte das Testosteron förmlich riechen. Obwohl George mit Sicherheit kräftiger war, bezweifelte sie, dass er aus einem Schlagabtausch als Sieger hervorgehen würde. Trotz seiner eleganten Kleidung hatte Damian die Instinkte eines Raubtiers. Die Frage war nur, wie sie ihn loswerden sollte.

„Laurel legt keinen Wert auf Ihre Gesellschaft“, erklärte der Blonde.

„Wer sind Sie eigentlich?“, fragte Damian trügerisch leise. „Ihr Dolmetscher?“

„Jetzt hören Sie mal, Laurel und ich …“

„Wir stehen uns sehr nahe.“ Laurel hakte sich bei George ein und lächelte ihn auf eine Weise an, die Damians Körpertemperatur um zwei Grad in die Höhe trieb. „Nicht wahr, George … Ich meine, Grey?“

„Klar“, bestätigte der Kerl. „Sehr, sehr nahe.“

Irgendetwas ging hier vor sich. Damian kam sich vor wie bei geschäftlichen Besprechungen in Tokio. Alle sprachen Englisch, er selbst konnte leidlich Japanisch, und trotzdem kam es immer wieder zu Missverständnissen.

„Mr. Skouras …“ Laurel betonte das „Mister“ besonders. „Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir jetzt gern …“

„George? Liebling, bist du oben fertig?“

Alle blickten zur Treppe, an deren Fuß eine hübsche Brünette stand. „Hi, Laurel. Brauchst du meinen Mann noch?“

Damian zog die Augenbrauen hoch. Laurel wurde rot und ließ Georges Arm los.

„Nein, Susie. Vielen Dank.“

Die junge Frau kam die Treppe hoch.

„Ich hoffe, er hat es gut gemacht.“

Laurel schoss das Blut ins Gesicht. „Sehr gut.“

„Siehst du, Schatz?“ Susie hatte hinreißende Grübchen. „Wenn deine Karriere eines Tages den Bach hinuntergehen sollte, kannst du immer noch Klos reparieren.“

„George hat meine Dusche in Ordnung gebracht“, stellte Laurel würdevoll richtig.

Damian nickte. „Ich verstehe.“

„Susie …“ George räusperte sich. „Laurel hat wohl ein kleines Problem …“

„Nein, nein“, wehrte Laurel ab.

„Aber du sagtest doch …“

Autor

Jessica Steele
Jessica Steele stammt aus der eleganten Stadt Royal Leamington Spa in England. Sie war ein zerbrechliches Kind und verließ die Schule bereits mit 14 Jahren als man Tuberkulose bei ihr diagnostizierte. 1967 zog sie mit ihrem Mann Peter auf jenen bezaubernden Flecken Erde, wo sie bis heute mit ihrer Hündin...
Mehr erfahren
Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
Mehr erfahren
Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
Mehr erfahren
Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
Mehr erfahren