Romantik und Leidenschaft - Best of Digital Edition 2018

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Mit diesem eBundle präsentieren wir Ihnen die schönsten und erfolgreichsten Romane 2018 aus unserer Digital Edition - leidenschaftlich, aufregend und romantisch. Die kleine Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!

ONE-NIGHT-STAND MIT FOLGEN

Obwohl sich Daisy sehnlichst ein Kind wünscht, ist sie schockiert, als sie feststellt, dass sie schwanger ist. Nur eine heiße Nacht erlebte sie in Chance Fosters Armen - niemals wird sie diesem Playboy sagen, dass er Vater wird. Da Chance der Bruder ihrer besten Freundin ist, kann Daisy ihm gar nicht aus dem Weg gehen, bleibt aber kühl und abweisend. Seine Einladungen lehnt sie ab, bis er ihr ein äußerst verlockendes Angebot macht ...

EIN GANZ BESONDERES GEFÜHL

Als Diana erfährt, dass sie ein Kind erwartet, beschließt sie, ein neues Leben anzufangen. Sie verlässt London, um in Heppleton Magna einen Buchladen zu eröffnen. Bei ihrem ersten Kunden stockt Diana der Atem: Marcus Simons! Mit ihm hatte sie die Liebesnacht in einem Londoner Hotel verbracht …

WAS HAST DU MIR VERSCHWIEGEN, MELANIE?

Lange hat Melanie dem Milliardär Rafiq Al-Qadim verheimlicht, dass sie nach ihrer leidenschaftlichen Affäre ein Kind von ihm bekam. Aber nun muss sie es ihm einfach sagen! Auch wenn ihr Herz bei dem Gedanken rast, ihrem Traummann wieder zu begegnen …


  • Erscheinungstag 17.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739195
  • Seitenanzahl 390
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jacqueline Diamond, Penny Jordan, Michelle Reid

Romantik und Leidenschaft - Best of Digital Edition 2018

IMPRESSUM

One-Night-Stand mit Folgen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2001 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Kiss A Handsome Stranger“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1287 - 2001 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Juni Meyer

Umschlagsmotive: GettyImages_dima_sidelnikov

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733755195

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Daisy Redford gab Chance Foster erst mal ein paar ordentliche Ohrfeigen. Dann schlug sie ihm mit aller Kraft ihre Fäuste ins Gesicht, bis von ihm nichts mehr übrig blieb als ein zerquetschter Klumpen Ton.

„Das hast nun davon!“, sagte sie halblaut, allerdings eher zu sich selbst. Der Tonklumpen lag exakt auf der Mitte der Töpferscheibe und drehte sich im Kreis.

Weiß der Teufel, was sie dazu getrieben hatte, die kleine Männerbüste anzufertigen. Das verführerische Glitzern seiner Augen konnte sie zwar nicht einfangen, aber dennoch war es ihr in einer knappen Viertelstunde gelungen, eine beachtliche Ähnlichkeit mit seinem ausdrucksvollen Gesicht, seinem vollen Mund und seiner geraden Nase herzustellen.

Sie hatte ein spontanes Gefühl der Befriedigung verspürt, als sie dann mit unterdrückter Wut auf die Büste eingeschlagen hatte. Jetzt bezeugte nur noch ein Klumpen Ton ihren Triumph. Sachte drehte er sich auf der Töpferscheibe und wartete darauf, in einen Topf verwandelt zu werden.

Jede andere Frau hätte ihre Erfahrungen mit diesem Mann mühelos abschütteln können. Daisy Redford hatte es ihm auf der Töpferscheibe gegeben. Vielleicht konnte sie sich dadurch endlich von den Bildern der gemeinsam verbrachten Nacht befreien, die ihre Träume immer wieder heimsuchten. Dann wäre sie glücklich. Nein, überglücklich.

„Jetzt bleibt mir nur noch eines. Ich muss meinen Traummann finden, bevor meine Freundinnen mich wieder mit einem Verlierertyp verkuppeln wollen“, verkündete sie in ihrem leeren Atelier. „Oder bevor ich selbst wieder an eine solche Niete gerate.“

Es war zu komisch. Vor Monaten hatten Phoebe und Elise, ihre beiden besten Freundinnen, sich auf die Suche nach einem Mann für Daisy begeben. Sie sollte ein Kind bekommen, bevor die Endometriose, an der sie litt, sie unfruchtbar machen würde. Angeblich waren ihre Freundinnen nicht auf der Suche nach einem Mann für sich selbst gewesen. Merkwürdig, beide waren jetzt verlobt. Daisy nicht.

Irgendwann war sie mit einem Mann ausgegangen und musste schon nach dem ersten Abend feststellen, dass sie ihn abstoßend fand. „Was für ein scheußlicher Kerl“, erinnerte sie sich.

Oh. Sie führte Selbstgespräche. Zum Glück war Sean, ihr Assistent, montags nicht da. Montags hatte Daisy ihre Galerie geschlossen. Niemand konnte sie hören.

Und niemand spazierte montags durch die drei Ausstellungsräume und durch den Verkaufsraum ihrer Galerie. Niemand betrachtete das Portfolio der Fotografen und die anderen Kunstwerke, die verkauft werden sollten. Heute arbeitete sie in einem der beiden Lagerräume, die sie sich als Atelier eingerichtet hatte.

Daisy besaß eine Galerie im Zentrum von Phoenix, im Bundesstaat Arizona. Montags, wenn sie geschlossen hatte, verwandelte sich die Galeristin in die Künstlerin Daisy. Ihre Töpferarbeiten gelangten allerdings nie in ihre Ausstellung, und sie bot sie auch nie zum Verkauf an. Sie war fest davon überzeugt, dass sie nicht gut genug waren. Aber sie liebte die Töpferei und verschenkte ihre Arbeiten oft an ihre Freundinnen oder an ihre Mutter.

Vorsichtig erhöhte Daisy den Druck auf den feuchten Tonklumpen auf der Töpferscheibe und formte ihn zu einer Vase. Zwischen ihren geübten Fingern wuchsen die Seitenwände aus dem weichen Material empor. Das Werkstück ähnelte den anderen vierzig Zentimeter hohen Vasen, die sie bereits zum Trocknen auf einen leinenbedeckten Tisch gestellt hatte.

Der kleine Raum war ausgestattet mit der Töpferscheibe, einem Regal mit glasierten Werkstücken, mehreren Trockentischen und einem elektrischen Brennofen. Die Werkstatt war gut durchlüftet und hell ausgeleuchtet.

Plötzlich vernahm sie ein schwaches Klopfen. Es klang wie ein weit entferntes Hämmern. Vielleicht kam es von den Reparaturarbeiten an dem Verwaltungsgebäude, das nur ein paar Häuserblocks entfernt lag. Als sie die Drehscheibe anhielt, bemerkte Daisy, dass jemand an die Eingangstür der Galerie klopfte.

„Na großartig.“ Eilig wischte sie sich den Ton von den Händen.

Es blieb keine Zeit, die fleckigen Leinenschuhe und die schmutzigen Jeans zu wechseln. Normalerweise ignorierte sie die Besucher, die ihre Galerie montags besuchen wollten, aber sie erwartete eine Auslieferung von einem ihrer Künstler. Vielleicht hatte der Fahrer übersehen, dass er den Seiteneingang benutzen sollte.

Sie trat sich die Schuhe an der Fußmatte ab und eilte durch die Galerie. Daisy hatte sie „Native Art“ genannt, weil sie überwiegend Künstler aus Arizona ausstellte. Obwohl einige Töpferwaren und Webarbeiten von indianischer Kunst inspiriert waren, konzentrierte sie sich ansonsten auf zeitgenössische Malerei und Skulpturen.

Sie spähte durch die Glastür und entdeckte draußen einen Lieferwagen, der in zweiter Reihe auf der Straße parkte. Neben dem Wagen stand ein Mann, der die Uniform der örtlichen Zustellfirma trug.

Daisy blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn und schloss die Tür auf. „Sie müssen durch den Seiteneingang liefern.“

„Haben Sie sich die Straße mal angesehen?“, gab der Mann zurück. „Sie arbeiten dort an der Wasserversorgung. Ein LKW blockiert die Zufahrt. Und kein Fahrer weit und breit.“

„Er kommt bestimmt jeden Augenblick zurück.“ Daisy ließ ihren Blick nervös durch die geschäftige Straße schweifen, die von modischen Läden und Restaurants gesäumt war. Um die Mittagszeit schwärmten die Menschen wie hungrige Ameisen durch diese Gegend. Das Parken in der zweiten Reihe brachte der Zustellfirma mit Sicherheit einen Strafzettel ein, und Daisy konnte sich an zehn Fingern abzählen, wer ihn am Ende zu bezahlen hatte.

„Tut mir leid, aber ich kann hier nicht ewig warten“, erklärte der Mann. „Ich hab noch andere Touren zu fahren.“

„Na gut, beeilen wir uns“, meinte Daisy kurz entschlossen. Sie durfte nicht riskieren, dass der Mann ohne Auslieferung wieder abfuhr, und stieß die Tür sperrangelweit auf. Schließlich wollte sie am Samstag ihre neue Ausstellung eröffnen.

Daisy stellte sich nur ungern mit ihren schmutzigen Klamotten auf die Straße. Das Anwaltsbüro von Chance Foster lag nur wenige Häuserblocks entfernt, und in den vergangenen zwei Monaten war sie ihm bereits ein paar Mal unfreiwillig über den Weg gelaufen. Andererseits kannte er ihre wirkliche Identität nicht. Und in ihrer tonverschmierten Kleidung würde er sie wohl kaum wieder erkennen.

„Vorsichtig!“, rief sie dem Lieferanten zu, der zusammen mit seinem Kollegen ein verhülltes Gemälde die Rampe hinuntermanövrierte. „Gehen Sie gerade durch, bis ganz nach hinten.“

Die Acrylarbeiten waren sehr schwer und unförmig. Und leider gingen die Lieferanten nicht besonders umsichtig mit den Kunstwerken um. Zwei Mal rettete Daisy im letzten Augenblick eine kunstvoll getöpferte Blumenschale vor den Männern, die durch ihre Galerie trampelten wie die sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen.

Sie warf einen letzten Blick in das Innere des Lieferwagens und stellte erleichtert fest, dass er leer war. „Danke“, seufzte sie.

Die Männer winkten ihr zu und kletterten in die Fahrerkabine. Daisy wollte gerade zurück in die Galerie gehen, als sie einige Hauseingänge weiter eine Frau bemerkte, die das „Bistro Français“ verließ.

Honigblondes Haar wirbelte ihr ums Gesicht. Die Frau hatte ihre vollen Lippen zu einem Schmollmund verzogen. Mit glänzenden, weit aufgerissenen Augen schaute sie starr auf die Straße.

Hinter ihr trat ein Mann aus der Tür. Daisy ballte in ihren Hosentaschen die Hände zu Fäusten.

Chance Foster bewies guten Geschmack. Sein hellbraunes Haar war elegant geschnitten, der teure Anzug stand ihm ausgezeichnet. Doch seine dezente Erscheinung konnte weder den verführerisch knackigen Po noch sein ausgesprochen männliches Auftreten verbergen.

Jeder Zentimeter seines Körpers war ihr vertraut. Die aufmerksamen grauen Augen ebenso wie seine breiten Schultern und seine schmalen Hüften. Daisy hatte zwar beschlossen, Chance aus ihren Leben zu streichen, aber sie spürte ganz genau, dass sie ihn immer noch begehrte.

Sie verspürte einen schmerzhaften Stich in ihrem Herzen, als sie sah, wie Chance einen Arm um die Frau legte. Sie standen neben einem schnittigen Wagen. Chance hielt sie mehrere Minuten lang fest, bevor er ihr die Fahrertür öffnete.

Er achtete noch darauf, dass die blonde Schönheit im fließenden Verkehr sicher einstieg. Hoffentlich ist diese Blondine nicht so naiv zu glauben, dass Chance um sie besorgt ist, dachte Daisy. Zugegeben, Chance war ein angenehmer Begleiter, ein perfekter Gentleman und Charmeur. Aber er war auch der berüchtigtste Playboy in ganz Arizona.

Mit zwei großen Schritten war er wieder auf dem Bürgersteig und wartete, bis der Wagen losgefahren war. Als er sich umdrehte und in sein Büro zurückgehen wollte, hielt er plötzlich inne und starrte Daisy an.

Bitte, er darf mich nicht erkennen, flehte Daisy inständig. Wie sollte er auch? Die Tonspritzer klebten auf ihrer Nase und auf ihren Wangen und trockneten langsam fest. Dennoch blieb er wie angewurzelt stehen. Vielleicht erinnerte er sich dunkel an ihr unverwechselbar kastanienrotes Haar, das sie kinnlang geschnitten hatte.

„Uups.“ Daisy eilte in die Galerie und schloss die Tür hinter sich ab. Schnell hängte sie das Schild mit der Aufschrift Geschlossen an die Scheibe und flüchtete in den hinteren Raum.

Langsam verrannen die Minuten. Niemand klopfte. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte.

Niemals hätte sie mit einem Mann ins Bett gehen sollen, den sie gerade erst kennen gelernt hatte. Im Grunde sah es Daisy auch gar nicht ähnlich. Sie war unehelich geboren, Tochter eines Mannes, der ihrer Mutter den Himmel auf Erden versprochen, aber die Hölle beschert hatte. Peinlich genau achtete sie deshalb darauf, sich nicht mit flüchtigen Bekanntschaften einzulassen.

Doch an jenem Abend, auf der Verlobungsparty von Elise, war es um sie geschehen. Der attraktive Unbekannte hatte ihre geheimsten Fantasien angesprochen. Als sie miteinander sprachen, fühlte sie sich federleicht und wie elektrisiert, als sie miteinander tanzten.

Als er sie auf einen Drink zu sich nach Hause einlud, freute sie sich zuerst darüber, dass sie ihre angenehme Unterhaltung fortsetzen konnten. Außerdem wollte sie auf jeden Fall verhindern, dass Elise oder Phoebe die zauberhafte Stimmung zerstörten, die zwischen ihnen in der Luft lag. Ihre Freundinnen übertrieben manchmal etwas, wenn es darum ging, Daisy an den Mann zu bringen.

Im Nachhinein wusste sie natürlich, dass es ausgesprochen dumm gewesen war, die gewohnte Vorsicht in den Wind zu schlagen. Wenn sie einen Mann kennen lernte, fragte sie sich normalerweise zuerst, ob er wohl ein guter Vater sein würde. Sie war bereits dreißig und wusste, dass sie aufgrund ihrer Krankheit schnell heiraten musste, wenn sie jemals Mutter werden wollte.

An jenem Abend hatte sie sich mit ihrem richtigen Namen vorgestellt. Deirdre. Sie fand das niveauvoller. Er hieß Charles. Sie konnte nicht ahnen, dass auch er unter seinem Spitznamen besser bekannt war.

Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, sprachen sie noch eine Weile leise miteinander. Sie fragte ihn, woher er Elise kannte, und ihr blieb fast das Herz stehen, als sie seine Antwort hörte. „Ich bin ihr Bruder.“

Chance Foster war berühmt. Oder besser, berüchtigt. Wenn man Elise glauben durfte, dann hatte er bereits alle attraktiven Frauen in Phoenix verführt. Für jede Gelegenheit eine andere Frau, so sagte man ihm nach.

Entsetzt hatte Daisy festgestellt, mit wem sie die Nacht verbracht hatte. Sie hätte sich ohrfeigen können für ihre Dummheit. Bis zu jenem Moment hatte sie allen Ernstes geglaubt, dass ein tiefes Einverständnis zwischen ihnen herrschte. Jetzt wusste sie, dass Chance die Frauen mit dieser Masche um den Finger wickelte.

Sie hatte gewartet, bis er eingeschlafen war, dann ein Taxi gerufen und Hals über Kopf die Flucht ergriffen. Und jetzt versteckte sie sich in ihrer Werkstatt vor ihm, obwohl der Mann in den vergangenen zwei Monaten gewiss nicht einen einzigen Gedanken an sie verschwendet hatte.

Daisy ärgerte sich über sich selbst und griff nach einem Draht, um die fertige Vase von der Drehscheibe zu lösen. Sorgsam setzte sie das Stück zum Trocknen auf den Tisch.

Wer mochte die Blondine in dem Bistro gewesen sein? fragte sie sich. Der schnittige Wagen, die Kleider und ihre Aufmachung ließen darauf schließen, dass sie sehr reich sein musste. Oder vielleicht hoch verschuldet und trotzdem glücklich?

Daisy nahm ein paar Tonklumpen vom Tisch auf und formte sie unwillkürlich zu einem weiblichen Kopf. Dann klebte sie die kleine Skulptur an die Seite eines halb getrockneten Tongefäßes. Die Skulptur karikierte die Gesichtszüge der blonden Frau. Ihr Blick wirkte hungrig und verführerisch.

Aus dem nächsten Tonklumpen formte sie eine weitere kleine Skulptur von Chance. Ein verhaltenes Lächeln und ein begehrender Blick bestimmten sein Gesicht. Zufrieden betrachtete sie ihre Arbeit, bis ihr auffiel, dass sie ihren Werkstücken damit eine ganz individuelle Handschrift verleihen konnte.

Daisy war plötzlich aufgeregt. Ihre Keramik- und Töpferarbeiten galten zwar als handwerklich perfekt, aber bisher fehlte ihnen die persönliche Note, die so genannte künstlerische Aura. Doch diese Idee war viel versprechend. Natürlich schufen andere Künstler bereits Gefäße mit Gesichtern, aber sie würde ihre Arbeit in eine ganz neue Richtung lenken können.

Komisch, dass ausgerechnet Chance Foster sie auf diese Idee gebracht hatte!

Den Rest des Nachmittags experimentierte Daisy mit den Karikaturen aus Ton. Am späten Nachmittag schmerzten ihre Arme vom vielen Tonkneten. Ihre Aufregung wegen des im letzten Augenblick verhinderten Zusammenstoßes mit Chance Foster war verflogen. Sie machte gerade das Atelier sauber, als das Telefon klingelte.

„Native Art“, meldete sie sich.

„Hi, hier ist Elise“, hörte sie die Stimme ihrer Freundin.

Wie konnte eine so liebevolle Freundin nur einen so herzlosen Bruder haben? „Was gibt’s?“

„Ich habe endlich meine Farben gefunden! Altrosa und Blassgelb!“

Daisy begriff nicht auf Anhieb, was ihre Freundin meinte. „Ach, für die Hochzeit!“ Elise und James, ihr Verlobter, wollten im September heiraten. In drei Monaten. „Klingt großartig.“

„Du weißt, was das für dich und Phoebe bedeutet“, sagte Elise. „Jetzt können wir die Kleider für die Brautjungfern aussuchen.“

„Großartig.“ Die beiden Freundinnen würden Elise auf dem Weg zum Altar begleiten.

„Wie wär’s, wenn wir nach der Arbeit schwimmen gehen?“, fragte Elise. „Vielleicht um halb sechs? Wir können alles besprechen und uns dabei erfrischen.“

Obwohl es erst Juni war, waren die Temperaturen bereits bei über dreißig Grad. „Hört sich gut an.“

„Dann bis gleich.“

Sie trafen sich in der Mesa Blue Wohnanlage, in der jede der drei Frauen eine Eigentumswohnung besaß. Der blau gekachelte Pool war von Farnen und einigen imposanten Palmen umsäumt. Während der Sommermonate bot der schattige Platz einen idealen Treffpunkt.

Daisy konnte es kaum erwarten, ihre Freundinnen wieder zu sehen. Sie zog den Plastiküberzug locker über die Gefäße, damit sie nicht zu schnell austrockneten und zerbrachen. Dann eilte sie nach Hause.

Chance Foster hätte schwören können, dass er die Rothaarige in den verschmierten Klamotten dort vor der Galerie irgendwie kannte. Aber als er wie beiläufig vorüberschlenderte, war sie verschwunden.

Unschlüssig wie ein Teenager stand er auf dem Fußweg und überlegte, ob er anklopfen sollte. Aber was sollte er sagen? Dass er vor zwei Monaten eine wundervolle Nacht mit einer geheimnisvollen Frau verbracht hatte und jetzt nach ihr suchte?

Er konnte nicht begreifen, wie diese großartige Frau auf der Verlobungsparty von Elise auftauchen konnte, ohne dass Elise oder Phoebe sie kannten. Beide hatten rundheraus abgestritten, dass ihnen jemals eine Frau mit dem Namen „Deirdre“ über den Weg gelaufen war.

Dann entschied er sich, seine Jagd auf die geheimnisvolle Unbekannte abzubrechen, und eilte zurück in sein Büro. Trotzdem ging ihm die Angelegenheit nicht aus dem Kopf.

Vielleicht war sie verheiratet und betrog ihren Ehemann. Oder sie scheute sich so sehr vor ernsthaften Bindungen, dass sie in Panik geriet, wenn ihr ein Mann gefiel.

Als Anwalt für Familienrecht wusste Chance nur zu gut, wie viele Dinge in einer Beziehung falsch laufen konnten. Meistens bewies einer der Partner zu wenig Charakter, um auch dann treu zu bleiben, wenn die Ehe in Schwierigkeiten geriet.

Wie gern würde er Deirdre wieder sehen. Zumindest könnte er dann herausbekommen, warum sie ihn einfach im Stich gelassen hatte. Dann würde er sich nicht mehr einbilden müssen, sie unverhofft auf der Straße erspäht zu haben. Das war ihm heute nämlich nicht zum ersten Mal passiert.

Im Büro fragte sich Chance, ob seine Schwester und ihr Verlobter seinem Rat gefolgt waren und endlich eine voreheliche Partnerschaftsberatung in Anspruch genommen hatten. Schließlich waren sie beide beruflich sehr erfolgreich. Elise war Professorin für Französisch, und James war ein äußerst wohlhabender Geschäftsmann. Ausgerechnet solche Leute wollten nicht wahrhaben, dass sie sich auf die Ehe vorbereiten mussten.

Er beschloss, sie nach der Arbeit in ihrer Wohnung aufzusuchen. Und als großer Bruder würde er sich das Recht herausnehmen, Elise in dieser Sache ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

„Niemals ziehe ich ein gelbes Kleid an!“, protestierte Phoebe. Sie saß am Rand des Pools und planschte mit den Beinen im Wasser. „Bei meinen blonden Haaren. Das steht mir nicht. Und Rosa passt absolut nicht zu Daisys Teint! Sie hat schließlich dunkelrote Haare. Das wäre eine grausame Kombination.“

„Ich dachte gerade an die Blumen“, gab Elise zu. „Ein Bouquet aus gelben und roten Rosen wäre einfach wundervoll.“

„Komm schon, Daisy!“ Phoebe stieß ihr freundschaftlich in die Seite. „Lass mich nicht im Stich. Gelb würde dir auch nicht gerade gut stehen.“

Daisy räkelte sich in der Sonne und unterdrückte ein Gähnen. Zugegeben, im Moment interessierte sie sich nicht besonders für das Hochzeitsarrangement ihrer Freundin, aber schließlich war Phoebe Kosmetikerin. Außerdem studierte sie Biochemie, um eines Tages ihr eigenes Kosmetiklabor zu gründen. Sie besaß ein untrügliches Gefühl dafür, welche Farbe einer Frau am besten stand.

Daisys Geschmack dagegen war reichlich ausgefallen. Ihr Badeanzug beispielsweise war von Jeanine Redford, ihrer Mutter, entworfen worden. Sie arbeitete als Schneiderin und Designerin im nahe gelegenen Tempe. Ein schwarzer Streifen verlief diagonal über dem smaragdgrünen Stretchstoff. Aufregende rechteckige Ausschnitte in Taillenhöhe betonten das geometrische Design.

„Wir sollten meine Mutter fragen“, schlug Daisy vor. „Sie würde ein unvergessliches Hochzeitskleid entwerfen.“

Elise grinste. „Ich bewundere die Entwürfe deiner Mutter wirklich. Vielen Dank für das Angebot, aber bei meiner Hochzeit kann ich gern auf etwas so Verrücktes verzichten.“

Phoebe erhob sich. „Ich will jetzt schwimmen und nicht streiten“, erklärte sie. „Wer als Erste am anderen Ende ist, bestimmt die Farben, okay?“

Damit tauchte sie in das Becken. Das Wasser wirkte so einladend, dass Daisy ebenfalls hineinsprang und mit ihrer Freundin um die Wette schwamm.

„Es ist meine Hochzeit, also bestimme ich!“, rief Elise und glitt unter Wasser. Schnell war sie an Daisy vorbei. Mit ein paar kräftigen Zügen hatte sie Phoebe eingeholt und erreichte als Erste das andere Ende des Beckens. „Altrosa“, keuchte sie. „Altrosa und … irgendwas.“

Phoebe tauchte auf und schnappte nach Luft. „Vergiss dein Rosa. Wie wäre es mit Grün?“, fragte sie. „Grün und Gold.“

„Violett und Weiß?“, schlug Daisy vor, als sie den Beckenrand erreichte.

„Passt irgendwie besser zu Krönungsfeierlichkeiten“, entgegnete Elise. „Es ist mir egal, wie reich James ist. Niemand soll glauben, dass ich mich plötzlich in eine Prinzessin verwandle.“

Ein lautes Miauen ließ sie herumfahren. Auf der Terrasse von Apartment 1B versammelte sich eine Horde Katzen, als eine Frau von ungefähr fünfzig Jahren mit unnatürlich rot gefärbten Haaren die Futternäpfe auffüllte. Es war Frannie Fitzgerald. Meistens trug sie Kleider in auffallend grellen Farben und hatte sich die Haare hoch toupiert.

„Blassrosa könnte passen“, schlug Phoebe vor und wandte ihren Blick wieder ab.

„Vielleicht Weiß?“, meinte Daisy. „Nein, zu langweilig. Wie wäre es mit drei Farben? Blassrosa mit Schwarz und Weiß?“

„Schwarz? Zu einer Hochzeit?“, stöhnte Elise.

„Lass uns einfach ein paar Kleider anprobieren, dann sehen wir schon, was uns steht“, meinte Phoebe. „Daisy und ich sollten uns ein Kleid kaufen, das wir auch nach deiner Hochzeit noch tragen können.“

„Und wenn dir Giftgrün gut stehen sollte?“, murmelte ihre Freundin. „Oh, guckt mal, mein großer Bruder. Lass uns hören, was er dazu meint.“

Zu ihrem Entsetzen musste Daisy feststellen, dass ihr der „große Bruder“ nur allzu gut bekannt war. Chance steuerte direkt auf den Pool zu. Verzweifelt sah sie sich nach einem Versteck um. Dann holte sie tief Luft und tauchte einfach unter.

2. KAPITEL

Chance lächelte unwillkürlich, als er sah, wie seine Schwester und ihre beiden Freundinnen sich im Pool herumlümmelten. Er hatte eine Schwäche für Frauen und genoss ihre Gesellschaft sehr. Das traf sich gut, denn immerhin hatte Chance sieben Schwestern.

Kaum betrat er die begrünte Poolanlage, als er eine merkwürdig aussehende Frau auf der Terrasse bemerkte, die von einer Horde Katzen umgeben war. Sie beobachtete ihn argwöhnisch. Chance rief sich ihren Namen ins Gedächtnis. Natürlich, es war Frannie.

„Vorsicht mit den Frauen dort am Pool“, warnte sie ihn. „Zwei von ihnen sind verlobt und die dritte ist irgendwie … seltsam.“

„Seltsam?“, wiederholte Chance irritiert. Insgeheim musste er zugeben, dass Elises Freundin Daisy einen merkwürdigen Eindruck auf ihn machte. Frannie hatte ihn nur wenige Sekunden abgelenkt, und als er sich wieder der Szenerie am Pool zuwandte, war Daisy wie von Zauberhand verschwunden.

„Sie ist Künstlerin“, erklärte die Frau wissend. „Obwohl man sie hier draußen nie malen sieht. Seltsam, wenn Sie mich fragen. Passen Sie gut auf sich auf, wenn ich Ihnen raten darf.“

„Danke.“ Diese Frannie ist wirklich ein Unikum, dachte Chance und setzte seinen Weg zum Pool fort. Vergeblich fragte er sich, wie Daisy wohl so schnell hatte verschwinden können. „Wo ist deine andere Freundin?“, rief er Elise zu.

Elise deutete auf das Wasser. „Sie taucht.“ Ihre Stimme klang nicht eine Spur beunruhigt. Bestimmt erlaubt sie sich nur einen Scherz, dachte Chance. „Wir brauchen deinen Rat“, fügte Elise hinzu.

„Du findest doch auch, dass Gelb einer blonden Frau überhaupt nicht steht, stimmt’s?“, fragte Phoebe. „Und Altrosa passt einfach nicht im Geringsten zu … dem da.“ Phoebe zeigte auf den rotbraunen Haarschopf, der auf der Wasseroberfläche schwamm. Ganz offensichtlich gehörte er zu Daisys Kopf.

„Ich plädiere auf Vertagung der Befragung“, erwiderte Chance. „Findest du nicht auch, dass sie schon recht lange unter Wasser ist?“

„Sie ist eine ganz ausgezeichnete Schwimmerin“, gab Elise zurück. „Na ja, sie paddelt ganz gut.“

„Sie schwimmt nicht, sie lässt sich treiben“, korrigierte Chance. Einen Moment lang dachte er darüber nach, ob er vielleicht in voller Bekleidung in den Pool springen und die Frau retten sollte. Ihre Lungen mussten jeden Augenblick zerbersten. Aber er wollte die Situation nicht unnötig dramatisieren.

„Es geht ihr gut“, beschwichtigte Elise. „Ihre Hände bewegen sich unter Wasser. Wenn sie bewusstlos wäre, könnte sie ihren Körper nicht in dieser Position halten.“

Chance kniete sich an den Rand des Pools. Der kastanienrote Haarschopf tauchte auf, ging aber sofort wieder unter. Offensichtlich blieb die Frau freiwillig unter Wasser, aber warum benahm sie sich so merkwürdig?

Phoebe stemmte sich aus dem Wasser, kniete neben Chance nieder und schaute besorgt nach Daisy. „Nimmt sie Medikamente?“, fragte Chance.

„Bestimmt nimmt sie Hormonpillen. Frauenkram“, sagte Phoebe und wurde unwillkürlich rot. „Vielleicht hätte ich dir das nicht verraten sollen. Es ist mir so ‚rausgerutscht“, entschuldigte sie sich.

„Hormone machen niemanden verrückt. Glaube ich jedenfalls.“ Chance hielt die Spannung nicht mehr aus. Er tauchte die Hand in den Pool und versuchte, nach Daisys Schulter zu greifen. Der Ärmel seines Jacketts war sofort vollkommen durchnässt.

Ihre Schultern fühlen sich schmal an, stellte er verwirrt fest. Ein leichter Schauder fuhr ihm durch den Körper, als er ihre nackte Haut berührte.

Schließlich zog er sie nach oben. Sie schoss an die Wasseroberfläche und schnappte keuchend nach Luft. Das nasse Haar klebte an ihren Wangen. Einen Augenblick lang glaubte er, dass er sich diese Ähnlichkeit nur einbildete.

Aber sie war es. Deirdre!

Daisy? dachte er verwirrt. Deirdre war Daisy? Aber warum, um alles in der Welt, war die Freundin seiner Schwester vor ihm davongelaufen?

Daisy hatte keineswegs so lange unter Wasser bleiben wollen. Sie war froh, als er sie endlich nach oben zog. Und sie fühlte sich gedemütigt, weil sie entdeckt worden war. Hätte sie nicht so stark husten müssen, wäre sie auf der Stelle ins Haus gelaufen, bevor ihr jemand irgendwelche Fragen stellen konnte.

Chance hielt sie mit seinen starken Armen fest. Sie lehnte sich in die Ecke des Pools und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Nebenbei bemerkte sie, dass die Ärmel seines Jacketts vollkommen durchnässt waren. Nicht zu sprechen von der Uhr an seinem Handgelenk, die sehr teuer gewesen sein musste.

Beschämt löste sie sich aus seinem Griff. „Es tut mir sehr leid.“

„Bist du in Ordnung?“ Seine tiefe Stimme ließ sie erzittern.

Sie nickte und hielt den Blick immer noch gesenkt. Ihre Freundinnen beobachteten sie irritiert.

„Liegt es an den Hormonen?“, fragte Elise besorgt. „Hast du Hitzewallungen?“

„Nein, natürlich nicht!“, entgegnete Daisy empört. Konnten ihre Freundinnen nicht noch indiskreter sein?

Auf keinen Fall durfte Chance wissen, wie es um ihre Gesundheit bestellt war. Einen Mann wie ihn würde die Diagnose „Endometriose“ ganz sicher zurückhaltend werden lassen.

Er war ein Playboy. Und deshalb würde er schnellstens das Weite suchen, wenn er auch nur ahnen sollte, wie verzweifelt sie sich nach einem Kind sehnte. Er durfte nicht wissen, dass sie schnell schwanger werden musste, um einigermaßen gesund zu bleiben. Vor allem aber, weil die Gefahr der Unfruchtbarkeit bestand.

Warum sieht er nur so unverschämt gut aus? fragte sie sich. In der hellen Nachmittagssonne wirkte sein Profil noch markanter. Seine grauen Augen strahlten, und plötzlich sah er sie sanft und einfühlsam an. Es würde ihr schwer fallen, die gebührende Distanz zu ihm zu wahren. Abgesehen davon rang sie noch immer nach Luft.

„Bist du sicher, dass du keine Mund-zu-Mund-Beatmung brauchst?“, spottete er.

„Mir ist kalt“, sagte sie und zeigte auf ihr Handtuch, das auf einer Bank neben dem Pool lag. Außerhalb des warmen Wassers würde ihr zwar noch kälter werden, aber Daisy hatte das dringende Bedürfnis, den neugierigen Blicken ihrer Freundinnen zu entkommen.

Chance brachte ihr das Handtuch und wickelte es ihr um den Körper, nachdem sie aus dem Becken geklettert war. Ein wenig länger als unbedingt notwendig berührte er dabei ihre Haut. Aber das störte sie nicht. Im Gegenteil, ein angenehmer Schauer durchfuhr sie.

„Ehrlich, wir haben nicht gemerkt, dass mit dir etwas nicht stimmt“, sagte Phoebe besorgt. „Soll ich den Arzt rufen?“

„Es ist alles in Ordnung“, versicherte Daisy mit bebender Stimme. „Es ist mein Fehler. Ich wollte plötzlich wissen, wie lange ich es unter Wasser aushalten kann. Wie blöde von mir.“

„Warum?“, fragte ihre Freundin.

„Weil ich blöde bin“, wiederholte Daisy mechanisch.

„Ich begleite Daisy ins Haus“, erklärte Chance.

„Ich gehe allein.“

„Nein.“ Chance duldete keinen Widerspruch. „Du brauchst mich, um auf dich aufzupassen.“

Daisys Herz machte vor Freude einen kleinen Hüpfer. Natürlich wusste sie, dass Chance nur seinen unwiderstehlichen Charme spielen ließ, aber insgeheim wünschte sie sich, dass er es ernst meinte.

„Oh, bevor du gehst“, warf Elise ein, „warum bist du eigentlich vorbeigekommen, lieber Bruder?“

„Nichts Wichtiges“, gab Chance zurück. „Ich erklär’s dir später.“

Im Grunde wusste Daisy genau, dass sie es ihm nicht erlauben sollte, sie zu ihrem Apartment zu begleiten. Ganz bestimmt würde er mit hineinkommen wollen. Und sie würde ihm genauso wenig widerstehen können wie vor zwei Monaten.

Wieso hatte dieser Mann eine solche Macht über sie? Er hat nur so viel Macht über dich wie du ihm gewährst, ermahnte sie sich streng.

Und dann ließ sie sich widerspruchslos zum Apartment 2E begleiten.

„Vielen Dank“, sagte sie, als sie die Tür zu ihrem Apartment aufschloss und sich zu ihm umdrehte.

„Ist das alles?“, bemerkte er enttäuscht.

„Du willst sicher deine Uhr trocknen und kontrollieren, ob sie noch funktioniert, nicht?“, fragte sie zurück.

„Natürlich funktioniert sie. Sie ist schließlich wasserdicht“, entgegnete er. „Und du weißt genau, was ich meine. Wie lange willst du einem Gespräch eigentlich noch ausweichen? Oder legst du es darauf an, dass wir hier auf dem Flur vor den neugierigen Ohren und Augen deiner Nachbarn unsere intimsten Geheimnisse ausplaudern? Ich wäre entschieden dagegen.“

Sie atmete tief durch. „Na schön“, willigte sie zögernd ein, als ob sie die Ereignisse vor zwei Monaten in Gedanken Revue passieren ließ.

Überrascht ließ Chance seinen Blick durch ihr Apartment schweifen. Sie war zwar sehr sparsam eingerichtet, hatte aber die Akzente gezielt gesetzt. Seine Aufmerksamkeit blieb an einer Decke hängen, deren Muster in roten, orange- und pinkfarbenen Zacken gewebt waren. Sie hing über der Lehne des Sofas, das mit hellem Leinen bezogen war. In der gegenüberliegenden Ecke entdeckte er eine große Keramikvase. Die dunkelrote Farbe, die sich wie ein verschlungenes Band über die graublaue Vase zog, hob sich apart von der Oberfläche ab. Farben und Formen der gesamten Einrichtung ergänzten sich perfekt.

„Wer hat dir die Wohnung eingerichtet?“ Er hatte sich im vergangenen Jahr ein Haus gekauft und plante, die noch spärlich Einrichtung endlich zu vervollständigen. Am liebsten hätte er ihren Designer sofort engagiert.

„Ich.“ Daisy nagte verlegen an ihrer Unterlippe und ging dann in die Küche. „Möchtest du einen Kaffee?“

„Nein, aber du solltest dir eine Tasse genehmigen. Er wird dich aufwärmen“, sagte er. „Und zieh dir trockene Sachen an.“

„Mir ist nicht kalt.“

„Ich bestehe darauf.“

„Und wie willst du herausfinden, ob ich auch warm genug angezogen bin?“ Trotzig sah sie ihn an.

„Wie möchtest du es denn gern?“ Im Grunde hatte Chance nicht die Absicht, mit ihr zu flirten. Aber wenn sich schon die Gelegenheit bot, dann sagte er nicht Nein. „Nachdem du dich am Pool so verrückt benommen hast, könnte ein wenig Aufsicht gar nichts schaden.“

„Aufsicht?“ Sie zog das Handtuch enger um ihren Körper. Ihre wunderschönen Beine und die geschwungene Linie ihres Nackens konnte sie aber nicht verdecken. „Ich bin nicht deine kleine Schwester.“

„Ich weiß.“

„Dann beherrsch dich bitte.“ Sie trat einen Schritt zurück. „Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst.“

„Ich möchte, dass du mich aufklärst“, verlangte er. „Warum bist du in jener Nacht vor mir geflüchtet?“

„Weißt du, wenn ich darüber nachdenke, hast du recht. Ich sollte mir warme Sachen überziehen.“ Augenblicklich war sie im Schlafzimmer verschwunden. Ärgerlich sah Chance, wie sie die Tür ins Schloss warf.

Immer noch zitternd pellte sich Daisy den feuchten Badeanzug vom Leib. Sie war eigentlich nicht der Typ Frau, der sich den Männern an den Hals warf. Ihre Mutter hatte sie allein großgezogen. Ihren Vater hatte sie kaum kennen gelernt. Selbst nach all den Jahren waren die Wunden an ihrer Seele kaum vernarbt, die ihr unzuverlässiger Vater ihr zugefügt hatte.

Aber mit Chance Foster war es irgendwie anders. Merkwürdigerweise gelang es ihm immer wieder, ihre innere Schutzmauer zu durchbrechen. Sollte sie aufrichtig sein und ihm ehrlich sagen, warum sie in jener Nacht weggegangen war? Sollte sie riskieren, dass er dann vielleicht noch einmal versuchen würde, bei ihr zu landen?

Während sie darüber nachdachte, zog Daisy einen langen Dashiki über, den ihre Mutter selbst gefärbt hatte. Dann ging sie ins Bad, bürstete sich die Haare und betrachtete ihr Gesicht aufmerksam im Spiegel.

Ihr Teint wirkte frischer als sonst. Bestimmt lag es an der Sonne. Oder vielleicht doch an den Hormonen? Vor ein paar Monaten hatte ihr Arzt die Verschreibung geändert. Vielleicht gab es positive Nebenwirkungen?

Die Erinnerung an ihren Gesundheitszustand wirkte wie eine kalte Dusche auf sie. Ein Mann wie Chance Foster, attraktiv, erfolgreich und beliebt, würde niemals die Geduld aufbringen, sich mit ihren Problemen zu beschäftigen.

Der Arzt hatte ihr gesagt, dass sie möglicherweise überhaupt keine Kinder bekommen konnte. Der Casanova von Phoenix würde sich ganz sicher nicht für eine Frau entscheiden, die ihm keinen Nachwuchs garantieren konnte. Andere Frauen konnten es vielleicht riskieren, ihr Herz an Chance Foster zu verlieren. Sie nicht. Sie brauchte einen aufrichtigen und verständnisvollen Mann, der ihre Gefühle nicht zum Spielball seiner Launen machte. So wie ihr Vater es getan hatte.

So sehr sie sich danach sehnte, Chance Foster noch ein weiteres Mal zu erobern, sie durfte es nicht riskieren.

Energisch straffte Daisy die Schultern und machte sich bereit für ihre nächste Begegnung mit ihm.

Chance blätterte in einem Kunstmagazin, als Daisy zurückkam. Sie trug ein afrikanisches Gewand. Der Stoff fiel sanft über ihren Körper und ließ ihre Kurven erahnen.

„Fühlst du dich besser?“, fragte er unerwartet liebevoll.

Ihr rotbrauner Haarschopf wippte, als sie nickte. Das erinnerte ihn an die Frau, die er am Nachmittag gesehen hatte.

„Arbeitest du zufällig in einer Kunstgalerie?“

„Ich bin Besitzerin einer Galerie.“ Daisy ging in die Küche und goss sich Kaffee in einen Becher. Chance folgte ihr. „,Native Art‘. In der Innenstadt.“

Sofort dachte er daran, sie in ihrer Galerie zu besuchen. „Dann arbeitest du nur wenige Häuserblocks von meinem Büro entfernt. So ein Zufall.“

„Soll das heißen, dass dir eine verrückte Frau aufgefallen ist, die sich immer versteckt, wenn du vorbeispazierst?“ Daisy zuckte die Schultern. „Das bin ich.“

„Schuldest du mir nicht eine Erklärung?“, verlangte er erneut.

Sie griff nach der Kaffeetasse. „Ich bin abgehauen, weil ich überzeugt bin, dass wir nicht zueinander passen“, begann sie mutig. „Und außerdem habe ich mich geschämt. Es ist nicht meine Art, mit fremden Männern ins Bett zu gehen.“

„Aber das hättest du mir auch noch am nächsten Morgen sagen können“, beharrte er. „Ich dachte, ich hätte dich irgendwie verletzt. Ich finde, du solltest dich bei mir entschuldigen. Und ich habe eine bessere Erklärung verdient.“

Daisy roch an ihrem Kaffee und stellte den Becher schließlich ab, ohne zu trinken. „Du hast recht. Ich war feige. Es tut mir leid. Bestimmt willst du mich jetzt nicht mehr wieder sehen. Damit ist die Sache erledigt.“

„Falsch“, gab er zurück.

„Du kannst doch nicht erwarten … Irgendwie ist alles schief gelaufen. Noch nicht einmal mein Kaffee duftet appetitlich. Ich muss wirklich verrückt sein.“ Sie ging zurück ins Wohnzimmer. „Wir hätten das niemals tun dürfen. Denk nur an deine Schwester. Sie wäre begeistert, wenn sie von unserer Liebesnacht erfahren würde. Ganz verrückt würde sie uns machen.“

„Du willst mich allen Ernstes zurückweisen, weil ich Elises Bruder bin? Weil meine Schwester sich über unsere Verbindung freuen würde? Das ist doch wirklich totaler Unsinn.“

Daisy machte einen Schritt auf dem hellen Teppich. „Du wolltest wissen, warum ich in jener Nacht davongelaufen bin. Ich habe dir geantwortet. Wir passen nicht zueinander. Und ich habe mich geschämt. Das ist die ganze Geschichte“, wiederholte sie mit Nachdruck.

Als Anwalt wäre sein erster Impuls, sie mit logischen Argumenten zu widerlegen. Er wusste allerdings nur zu gut, dass er sie dadurch in die Ecke drängen würde. Ihr Herz würde er auf diese Art niemals gewinnen.

„Vielleicht können wir einen neuen Versuch wagen“, sagte er stattdessen. „Du musst dich nicht mehr schämen, weil ich kein Fremder mehr bin, und …“

„Ich diskutiere nicht“, unterbrach sie ihn. „Das Gespräch ist beendet.“

„Du wirfst mich raus?“

„Tut mir leid. Ja.“

Er suchte ihren Blick und hielt ihn gefangen. Sie war zierlich, aber er merkte, dass sie einen bemerkenswerten Dickkopf hatte. Darin stand sie ihm in nichts nach.

„Ich verstehe“, sagte er. „Daisy?“

„Ja?“

„Bitte hör auf, dich in dunkle Ecken zu ducken, und ertränk dich nicht wieder, nur um mir aus dem Weg zu gehen“, bat er. „Ich bin schließlich kein Ungeheuer.“

„Ich werde es mir merken“, erwiderte sie.

Das Glitzern in ihren Augen verriet Chance, dass sie ihn verspottete. Er hoffte sehr, dass sich hinter ihrem Spott die gleiche Leidenschaft für ihn verbarg, die er für sie empfand.

Daisy schloss die Tür hinter ihm, ging in die Küche und bereitete das Abendessen vor. Krampfhaft versuchte sie, sich zu konzentrieren. Sie wurde den Gedanken an Chance nicht los. Der Duft seines After Shaves hing noch immer in ihrem Wohnzimmer. Es war, als ob ein Teil von ihm in ihrer Wohnung geblieben wäre.

Während sie mit dem Dosenöffner an einer Konserve hantierte, fiel ihr Blick auf ein Buch mit weißem Umschlag, das im Küchenschrank zwischen zwei Kochbüchern steckte. Sie war erleichtert. Endlich hatte sie es wieder gefunden! Fast hatte sie befürchtet, dass eine tief sitzende emotionale Blockade sie dazu gebracht hatte, ausgerechnet das Buch zu verlieren, das ihre Freundinnen ihr geschenkt hatten. 2001 Ways to Wed war ein Ratgeber, wie man auf intelligente Weise an einen Mann kommen konnte.

Das Buch funktionierte offenbar gut. Phoebe und Elise hatten es besorgt, um Daisy zu helfen. Und jetzt hatten sie sich selbst beide verliebt. Daisy schlug das Buch auf. „Okay, Jane Jasmine“, sagte sie, als ob die Autorin vor ihr stehen würde, „welche Perlen der Weisheit hast du mir denn anzubieten?“

Aufmerksam blätterte sie durch die Seiten, verwarf aber die meisten Vorschläge sofort wieder. Am Arbeitsplatz würde sie ihrem Traummann nicht begegnen. Sean O’Reilly, der Assistent in ihrer Galerie, war gerade zweiundzwanzig Jahre alt. Acht Jahre jünger als sie.

Ebenso wenig konnte sie hoffen, den Traummann unter ihren Nachbarn zu treffen. Immerhin war Chance ja der Bruder ihrer direkten Nachbarin, Elise, aber der schied schon mal aus. Die Wohnung auf der anderen Seite gehörte einem Paar in mittlerem Alter mit schulpflichtigen Kindern.

Plötzlich blieb ihr Blick an einer Überschrift hängen. Daisy hielt inne. Wenn er mich kennt, wird er mich hassen – oder nicht?“

Wir alle fürchten uns davor, zurückgewiesen zu werden. Und insgeheim denken viele von uns, dass sie es nicht wert sind, geliebt zu werden. Wenn wir uns diese beiden Befürchtungen vor Augen halten, dann kommen wir schnell zu dem Schluss, dass uns das Objekt unseres Interesses auf keinen Fall so lieben kann, wie wir sind.

Also geben wir vor, jemand zu sein, der wir nicht sind. Wir verstecken unser Selbst tief in unserem Innern. Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was wir tun sollten, wenn wir die wahre Liebe finden wollen.

Wir müssen offen und aufrichtig sein. Wir müssen das Risiko eingehen, unser wahres Selbst demjenigen zu offenbaren, für den wir uns interessieren.

Ich will keineswegs vorschlagen, dass wir die Zuneigung unserer Liebsten auf die Probe stellen sollten, indem wir unsere dreckigen Stiefel auf den sauber geputzten Fußboden schleudern. Oder dadurch, dass wir uns in seiner Gegenwart den Ärger des Alltags aus dem Leib schreien. Das ist keine Aufrichtigkeit, das ist Rücksichtslosigkeit.

Aber wenn Sie sich seine Fußballspiele im Fernsehen anschauen, während Sie Ihren Eiskunstlauf seit Monaten nicht mehr gesehen haben, dann sagen Sie ihm, was Ihnen fehlt. Suchen Sie nach einem Weg, Ihre und seine Bedürfnisse zu befriedigen. Verstecken Sie Ihre Interessen nicht, Ihre Ängste, Ihre Hoffnungen. Teilen Sie diese Dinge. Das Band zwischen Ihnen wird dadurch nur noch stärker werden.

Skeptisch schob Daisy das Buch zurück an seinen Platz. Die Ratschläge der Autorin machten in gewisser Hinsicht sogar Sinn, aber wie sollte sie einem so wundervollen Mann wie Chance Foster beibringen, dass sie fest daran glaubte, dass er ihr früher oder später das Herz brechen würde?

Und jetzt, nachdem sie ihn wieder gesehen hatte, war sie davon überzeugter als jemals zuvor.

„Was war denn los?“, fragte Elise, als sie Chance kurz darauf ihre Wohnungstür öffnete.

Seine Schwester trug jetzt Shorts und ein ärmelloses T-Shirt mit Knöpfen. Ihre halblangen braunen Haare hatte sie zurückgekämmt. Für eine Professorin am College sah sie viel zu jung aus. Manchmal konnte er kaum glauben, dass sie mit ihren dreiunddreißig Jahren schon promoviert war.

„Was soll schon los gewesen sein?“, fragte er zurück. Als Anwalt war er es gewohnt, seine Gefühle nicht zu erkennen zu geben, dabei dachte er angestrengt nach.

„Ich hatte den Eindruck, dass du Daisy schon mal begegnet bist.“ Sie drehte ihm den Rücken zu und ging in die Küche zu ihren Zwiebeln, Pilzen, Eiern und dem Käse. Offensichtlich machte sie sich gerade ein Omelett. „Du wirst meine Neugierde schon befriedigen müssen, wenn du möchtest, dass ich dir ein Abendessen zaubere.“

„Darauf habe ich nicht spekuliert“, sagte er, obwohl ihm beim Anblick der Essensvorbereitungen das Wasser im Mund zusammenlief. „Übrigens, ich bin vorbeigekommen, weil ich mit dir über deine Hochzeitspläne sprechen möchte. Als Anwalt …“

„Wenn du nur mit einem einzigen Wort erwähnst, dass James und ich eine voreheliche Partnerberatung aufsuchen sollen, dann drehe ich dir den Hals um!“, explodierte Elise. Sie knallte die Zwiebeln auf das Schneidebrett und goss schwungvoll Olivenöl in die Pfanne. „Wir brauchen keine psychologische Beratung, weil wir uns lieben und uns über alle Dinge einig sind.“

„Und wie wollt ihr die finanziellen Dinge handhaben?“, wollte Chance wissen. „Mit welchen Verwandten verbringt ihr die Weihnachtsfeiertage? Wie viele Kinder wollt ihr bekommen? Und wenn man dir irgendwann den Job deines Lebens an einer ausländischen Universität anbietet?“

„Wir besprechen die Probleme, wenn sie da sind.“ Der gedankenverlorene Ausdruck in ihrem Gesicht bewies Chance, dass er mit seinen Fragen den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Elise seufzte. „Wann wirst du die Arbeit denn endlich einmal ruhen lassen?“, fragte sie schließlich.

„Wann werde ich je aufhören, mich um dich zu sorgen? Nie“, gab er zurück.

Elise schwieg und konzentrierte sich darauf, das Omelett in die Pfanne zu gießen. Sie ließ es auf einer Seite durchbacken und wendete es dann geschickt um. Ein paar Minuten später saßen sie beide am Tisch und genossen das Abendessen.

„Erzähl mir von dir und Daisy“, verlangte Elise.

Er musste die Wahrheit sagen. „Ich habe sie auf deiner Verlobungsparty kennen gelernt.“

Daisy hielt inne und legte die Gabel zur Seite. „Daisy ist Deirdre? Das ist doch nicht möglich!“

Innerlich war er heilfroh, dass er seiner Schwester nichts von seiner leidenschaftlichen Liebesnacht mit ihrer Freundin berichtet hatte. Er hatte lediglich erzählt, dass er eine bezaubernde Frau kennen gelernt hätte und jetzt wissen wollte, ob vielleicht jemand ihre Telefonnummer kannte. „Aber es kommt noch schlimmer. Ich habe ihr gesagt, dass ich Charles heiße. Also wusste sie auch nicht, wer ich bin.“

„Und ihr mögt euch? Perfekt!“ Elise juchzte vor Begeisterung. „Seit Monaten suchen Phoebe und ich nach einem Mann für Daisy!“

„Du hast mir davon erzählt“, sagte Chance. „Ich verstehe allerdings nicht, warum. Eine attraktive Frau wie sie. Die Männer müssten in Scharen hinter ihr her sein.“

„Sie ist wählerisch“, wandte Elise ein. „Wir wollten den richtigen Mann für sie finden. Den Mann fürs Leben.“

Chance zögerte. Es gab noch etwas, was er von Elise wissen wollte. Vielleicht würde das ein Licht auf das merkwürdige Benehmen von Daisy werfen. Aber seine Frage betraf eine persönliche Angelegenheit. „Phoebe erwähnte etwas von ‚Frauenkram‘ oder so. Ich verstehe nichts von diesen Dingen.“

Elise legte die Gabel auf den Tisch. „Ich weiß nicht, ob ich es dir erzählen darf.“

„Dann lass es.“

Elise starrte aus dem Fenster und dachte nach. „Daisy hätte sicher nichts dagegen, wenn ich dich über ihren Zustand aufkläre. Schließlich habe ich gehört, wie sie sich mit anderen darüber unterhalten hat. Leute, die ihr nicht besonders nahe standen.“ Elise machte eine kleine Pause. „Sie hat eine Endometriose. Daisy erklärte, dass dann die Gebärmutterschleimhaut entzündet ist. Es kann ihre Empfängnisfähigkeit beeinträchtigen. Wenn sie also ein Kind haben möchte, dann sollte sie es bald bekommen.“

Bei dem Gedanken, dass Daisys in Lebensgefahr sein könnte, schoss eine eisige Woge von Angst durch seinen Körper. „Es ist wie Krebs, nicht wahr?“

„Nein, nein!“ Elise wehrte ab und ergriff beruhigend seine Hand. „Es ist, als ob ein Stück von deinem Herzen im Ellbogen landet.“

„Wie bitte?“

„Es schlägt weiter. Ganz normal. Du hast nur den dummen Ellbogen, der pulsiert wie ein Herz. Genauso ist es auch mit der Schleimhaut. Sie arbeitet normal, nur an einer anderen Stelle. Und manchmal verursacht das höllische Schmerzen. Besonders einmal im Monat.“

„Ich verstehe“, sagte Chance.

Elise schaute ihn argwöhnisch an. „Hab ich dir jetzt meine Freundin verleidet?“

„Wegen ihres Gesundheitszustandes?“, fragte er. „Nein.“

„Ich habe Daisy schon mit vielen Männern zusammen gesehen“, meinte Elise nachdenklich. „Aber in deiner Gegenwart benimmt sie sich anders. Nicht, dass sie irgendetwas Außergewöhnliches sagt oder tut. Es ist nur, also ob … als ob sie die ganze Zeit über auf dich achtet.“

In der Hoffnung auf weitere Details schwieg er und wartete. Vielleicht hatte Daisy sich nach der Verlobungsparty über ihn geäußert? Vielleicht hatte Elise doch einen besonderen Blick bemerkt?

„Machst du den Abwasch?“, fragte seine Schwester. Seine Neugier nach weiteren Details über die zauberhafte Daisy schien sie nicht zu bemerken.

3. KAPITEL

Den ganzen Freitagmorgen über hatte Daisy schreckliche Bauchschmerzen. Zuerst vermutete sie, dass sie sich eine Magenverstimmung geholt hätte. Aber um die Mittagszeit bekam sie plötzlich großen Hunger.

„Geht es Ihnen besser?“, fragte Sean, als er eine Collage aus dem Ausstellungsraum III in das Lager brachte. Sie mussten die Stücke abhängen, um für die neue Ausstellung Platz zu schaffen.

„Ja, es geht besser. Außerdem sterbe ich vor Hunger“, gab sie zu. „Ist dies das letzte Stück?“

„Es ist alles fertig“, bestätigte Sean.

Daisy betrachtete die nackten Wände im Ausstellungsraum und stellte sich in Gedanken die neue Ausstellung vor. Es war die erste große Ausstellung der Künstlerin in den USA. Die Einladungen zur Vernissage mit Wein und Käse am Samstagabend waren in der vergangenen Woche verschickt worden.

Shakira Benjamin war eine talentierte afroamerikanische Malerin und Professorin, die ihr Atelier sowie eine Malschule in Deutschland hatte. Vor ungefähr einem Jahr hatte sie sich in Mesa, ganz in der Nähe von Phoenix, niedergelassen. Daisy war überglücklich, dass es ihr gelungen war, sie für eine Ausstellung zu gewinnen.

Die Künstlerin malte mit Acrylfarben. Die ausgesprochen realistischen Figuren auf ihren Bildern platzierte sie auf einem impressionistischen Hintergrund, der durch die sepiafarbenen, fast schwarz-weißen Farbtöne an alte Fotografien erinnerte. Der Gesamteindruck wurde durch die ausgleichenden Farben der Wand angenehm gemildert.

Am besten gefiel Daisy das Bild von zwei indianischen Kindern, eines in traditioneller Lederkleidung, das andere in moderner Kleidung. Sie spielten miteinander. Der verschwommene Hintergrund konnte entweder als mehrstöckiges Gebäude der alten Pueblokultur oder als Skyline einer modernen City gedeutet werden.

„Okay, wo soll ich diese Bilder aufhängen?“ Sean hob ein gelbes Dreieck aus Sackleinen vom Boden auf.

„Ich zeige es dir.“ Daisy schleppte eine Trittleiter heran und stellte sie an die Wand. Als sie hinaufstieg, hatte sie einen kurzen, aber heftigen Schwindelanfall. Sie hielt inne. „Mann. Ich bin hungriger, als ich dachte.“

„Soll ich uns schnell ein Sandwich holen?“

„Warte eine Minute.“ Sie stieg wieder runter und gab Sean die Skizze, auf der die Aufhängung der Objekte exakt eingezeichnet war. Sie erläuterte ihm, wie die Dreiecke platziert werden mussten, damit sie die Gemälde ergänzten. „Meinst du, dass du das alleine hinkriegst?“

„Sicher.“ Daisy schätzte seine zupackende Art. Es machte ihr Spaß, mit ihm zu arbeiten, und auf seinen Kunstverstand konnte sie sich jederzeit verlassen.

Die Glöckchen klingelten, als die Eingangstür geöffnet wurde. Daisy klopfte sich flüchtig den Staub von ihrer bunten Bluse und ging nach vorn, um den Besucher zu begrüßen.

Chance Foster stand vor. Seine Augen leuchteten, als sie näher kam. Es dauerte einen Moment, bis sie bemerkte, dass er eine Pizzaschachtel und Getränke unter dem Arm trug.

„Ich hoffe, du hast noch nicht gegessen“, sagte er.

Bevor Daisy antworten konnte, tauchte Sean auf. „Toll“, meinte er erstaunt, „hast du Pizza bestellt?“ Dann fiel ihm auf, dass Chance einen maßgeschneiderten Anzug trug. „Muss ein tolles Restaurant sein, das seine Fahrer in so edlen Klamotten losschickt.“

„Wir tun alles für unsere Gäste.“ Chance stellte Pizza und Getränke auf einen niedrigen Tisch, auf dem Informationsblätter lagen. „Darf ich mich vorstellen, Chance Foster. Ich bin ein Freund von Daisy.“ Sean stellte sich ebenfalls vor.

„Es ist eine mexikanische Pizza.“ Chance schob die Infoblätter zur Seite, während Sean die Klappstühle aus dem Lagerraum holte. Normalerweise aß Daisy im hinteren Bereich der Galerie, aber für drei Personen war es dort entschieden zu eng.

Beim Anblick der scharfen Sauce und der Chilischoten auf der Pizza krampfte sich ihr Magen einen Moment lang wieder heftig zusammen. Aber sie war ausgesprochen hungrig und langte herzhaft zu. Glücklicherweise machte der scharfe Belag ihrem Magen nichts aus.

„Ich arbeite nur einen Häuserblock entfernt“, erklärte Chance und schaute Sean an. „Ich bin Anwalt für Familienrecht.“

Sean sah ihn verwundert an. „Aha.“

„Ich interessiere mich beruflich für Daisy.“

Chance isst seine Pizza, ohne sich Käse auf das Kinn zu schmieren, bemerkte Daisy im Stillen.

„Braucht sie einen Anwalt?“, fragte Sean besorgt.

„Nein. Ich spreche nicht von meinem Beruf, sondern von ihrem.“ Chance langte über den Tisch und griff nach einer Saftflasche. „Ich möchte mein Haus mit Kunstwerken ausstatten, und da brauche ich ihren Rat.“

Ein älteres Paar betrat die Galerie. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Daisy freundlich. Das Paar nickte. Sean stand auf und zeigte ihnen den Schmuck in der Verkaufsausstellung.

Hoffentlich lädt er mich nicht zu sich nach Hause ein, bat Daisy inständig. Und hoffentlich versucht er nicht, mich wieder ins Bett zu kriegen … Sie holte tief Luft. „Was ich bis jetzt von deinem Haus gesehen habe …“

„Du solltest einen zweiten Blick darauf werfen. Bei Tageslicht.“ Befremdet stellte Daisy fest, dass er gar nicht die Absicht hatte, sie auch nur nach ihrem Einverständnis zu fragen. Er hatte entschieden und ging davon aus, dass sie seinen Auftrag widerspruchslos annehmen würde.

„Ich möchte, dass die ganze Einrichtung vollkommen neu durchdacht wird. Natürlich werde ich ein paar neue Möbel kaufen müssen, vielleicht auch die Wände neu streichen. Ich weiß, dass du keine Innenarchitektin bist. Aber Bilder und Skulpturen sollen der Blickfang sein.“

Daisy wollte ablehnen. Sie mochte es nicht, dass man sie vor vollendete Tatsachen stellte, und auf keinen Fall wollte sie wieder einen Fuß in Chance Fosters Haus setzen. Wer weiß, ob sie seinem Bett widerstehen konnte. Ganz allein in seinem Haus …

„Ich arbeite mit Dutzenden von Künstlern zusammen. Wir werden sicher das Richtige für dich finden“, versprach sie und gab sich größte Mühe, unbeteiligt zu klingen.

Das ältere Paar hatte seinen Einkauf beendet und verließ die Galerie wieder. Sean kam zu ihnen zurück. „Habe ich was verpasst?“, fragte er neugierig.

„Miss Redford wird sich heute Nachmittag mein Haus ansehen und mir ihre Ratschläge geben.“ Chance wischte sich die Hände an der Serviette ab und stand auf. „Freitags komme ich früher von der Arbeit nach Hause. Ich hole dich gegen drei Uhr ab, okay?“ Chance nickte Daisy und Sean freundlich zu und war verschwunden, ehe sie protestieren konnte.

„Netter Kerl. Hey, mach dir keine Sorgen“, sagte Sean zu Daisy und biss in seine Pizza. „Mit deiner Skizze kann ich die Ausstellung allein vorbereiten. Freitags ist hier ohnehin nicht viel los.“

„Lass uns sehen, was wir bis drei Uhr noch schaffen können“, erwiderte Daisy, nachdem sie ihre Sprache wieder gefunden hatte.

Sie wusste genau, dass Chance sie vollkommen überrumpelt hatte. Nun, sie würde es durchaus mit Chance Foster aufnehmen können. Das würde sie ihm schon noch beweisen.

Es war Viertel vor drei. Er musste jetzt losfahren, wenn er Daisy pünktlich abholen wollte.

Im Vorzimmer schloss Nell Beecham, seine Sekretärin, gerade die Terminplanung für die kommende Woche ab. Die Sekretärin wandte sich um und schaute ihn streng an.

„Sie gehen heute fünfzehn Minuten früher, Mr. Foster?“, fragte sie. Nell war siebenundsechzig Jahre alt und konnte auf ein knappes halbes Jahrhundert Berufserfahrung zurückblicken. Und sie hatte eine genaue Vorstellung davon, wie Leute sich zu benehmen hatten. Das galt auch für ihren Boss.

„Ich bin um drei Uhr verabredet“, erklärte er.

Ihr Stirnrunzeln verschwand. Ein verhaltenes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. „Gut. Dann kommen Sie noch pünktlich.“ Doch Chance sollte nicht glauben, dass die Befragung damit schon vorüber war. „Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich eine Verabredung für Sie eingetragen habe?“

„Ich treffe mich mit der Besitzerin der Galerie, die etwas weiter die Straße hinunter liegt“, antwortete er. „Sie wird mich bei der Einrichtung meines Hauses beraten.“

„Einige ihrer Ausstellungsobjekte sind ein bisschen seltsam“, kommentierte Nell. „Ich persönlich bin ja kein Fan von moderner Kunst. Aber die Galerie genießt einen ganz ausgezeichneten Ruf.“

„Die letzte Entscheidung bleibt natürlich mir selbst vorbehalten“, versicherte er und wandte sich zum Gehen. „Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.“

„Vergessen Sie nicht, dass Sie Montagmorgen einen Termin im Gericht haben“, mahnte Nell.

„Bestimmt nicht“, versicherte er ihr. Er musste seine Sekretärin nicht daran erinnern, das Büro sorgfältig abzuschließen und die wichtigen Papiere sicher zu verwahren. Nell Beecham war so zuverlässig wie ein Bankdirektor.

Es herrschte dichter Verkehr, als Chance mit seinem Sportwagen auf die Straße einbog. Aber das störte ihn nicht. Er liebte die Arbeit in einer pulsierenden Stadt, wenn er nur schnell nach draußen in die Vororte gelangen konnte.

Trotzdem blieben seine beruflichen Möglichkeiten in Phoenix beträchtlich hinter Karrierechancen zurück, die andere Großstädte zu bieten hätten. Phoenix war aufregend, aber es hatte bei weitem nicht die Bedeutung wie New York oder die Hauptstadt Washington.

Manchmal verspürte Chance ein leises Bedauern, dass er nicht entschlossen in die Fußstapfen seiner Exverlobten Gillian getreten war. Als er zuletzt von ihr gehört hatte, war sie gerade Juniorpartnerin in einer Kanzlei in Washington D.C. geworden und vertrat einen Mandanten in einem Prozess gegen die Regierung.

Der Gedanke, dass er seine Begabung eines Tages in einem solchen Fall erproben könnte, war äußerst spannend.

Er parkte vor der Galerie und überlegte, ob er hineingehen oder noch einen Spaziergang die Straße hinunter machen sollte, als er sah, dass Daisy sich bereits von ihrem jungen Assistenten verabschiedete.

Sie trat aus der Galerie und setzte sich neben ihn auf den Beifahrersitz.

„War viel los heute Nachmittag?“, fragte er.

„Wir haben eine ganze Reihe Bilder für die neue Ausstellung an die Wand gebracht“, antwortete Daisy. „Morgen Abend ist Vernissage.“

Er erinnerte sich an das Plakat, das in der Galerie aushing. „Shakira Benjamin, nicht wahr?“

„Genau. Einige ihrer Arbeiten würden dir gefallen“, vermutete Daisy. „Du bist herzlich eingeladen. Es gibt Wein und Käse, und unsere Gäste sind sehr interessante Persönlichkeiten.“

Sie klang durch und durch geschäftsmäßig. Chance respektierte professionell arbeitende Frauen. Dennoch wünschte er sich, dass ihre Einladung ein klein wenig persönlich klingen würde.

Zwanzig Minuten später erreichten sie den Vorort, in dem er lebte. Er besaß ein recht eigenwillig geschnittenes Haus auf einem großen Gartengrundstück, das von einer niedrigen Mauer umgeben war. Er hatte das Haus vor über einem Jahr gekauft und damals weitere Interessenten ausstechen müssen.

Sie fuhren durch das Tor und folgten der geschwungenen Auffahrt. Der Wegrand wurde von kleinen Granitblöcken und buschigen Wüstenpflanzen gesäumt.

„Bei Tageslicht sieht es wirklich ganz anders aus“, gab Daisy ihm recht. „Ich hatte gar nicht bemerkt, wie gut die Farben auf die Wüste abgestimmt sind.“

Sie spazierten an der Vorderfront des Hauses entlang und begutachteten die Pflanzen. Chance hatte Schafgarbe und violette Stiefmütterchen setzen lassen. Der Kies knirschte unter ihren Sohlen. Er muss als Erstes den scheußlichen Belag beseitigen und zersplitterten Granit streuen lassen, dachte Daisy.

„Du könntest gut etwas Höhe hineinbringen“, sagte sie dann laut. „Ich kenne ein paar Bildhauer, deren Arbeiten ausgezeichnet hierher passen würden. Vielleicht gefallen dir auch ein paar Exponate unserer neuen Ausstellung.“

„Ich werde sie mir morgen bei der Eröffnung ansehen“, meinte Chance.

Er schloss die große Eingangstür auf und trat in den gefliesten Flur, an den sich ein offener Wohnbereich anschloss. Durch die Lamellen der Jalousien war die Mauer zu erkennen, die den rückwärtigen Garten begrenzte.

„Dein Garten ist wie geschaffen, um dort Skulpturen aufzustellen“, sagte Daisy beeindruckt. „Ein richtiger Ausstellungsgarten. Ich nehme an, dass du auch schon daran gedacht hattest?“

„Absolut.“

Sie begriff genau, welche Effekte er mit der neuen Einrichtung setzen wollte, und verstand es, ihm ihre Ideen näher zu bringen, obwohl Chance die Fachbegriffe aus der Welt der Farben, Formen und Materialien nicht geläufig war. Sie überlegte, wo er am besten den kleinen Beistelltisch platzieren sollte, damit er neben dem bequemen Ledersessel und den anderen Möbeln noch zur Geltung kam.

„Wenn du individuelle Möbel fertigen lassen möchtest, ich kenne Tischler, die sie für dich arbeiten können“, schlug sie vor.

„Ich bin wirklich begeistert“, gestand er richtig erstaunt. „Hattest du schon immer ein solches Gespür für Kunst, oder hast du studiert?“

„Beides“, erwiderte sie. Sie hatten ihren Rundgang beendet. Daisy legte ihr Portfolio auf den Tisch im Wohnzimmer, das gleich neben der Küche lag. „Ich habe Design und Töpferei an einer öffentlichen Kunstschule studiert. Aber ich bin in Gesellschaft von Künstlern aufgewachsen. Meine Mutter ist Designerin und fertigt Kleidung an. Sie färbt ihre Stoffe selbst.“

„Lass uns deine Mappe angucken“, schlug er vor und bot Daisy einen Stuhl an. Dann vertieften sie sich in die Arbeit.

Als Chance wieder auf die Uhr schaute, war es fast sechs.

„Ich werde zu den Leuten Kontakt aufnehmen“, erklärte Chance abschließend. Sie hatten sich für ein halbes Dutzend Künstler entschieden, deren Entwürfe Chance zusagten.

„Lass es mich wissen, was du bei ihnen in Auftrag gibst. Künstler sind manchmal schlecht organisiert und bringen die Aufträge leicht durcheinander“, wandte Daisy ein. „Und ich werde auch die Preisverhandlungen übernehmen.“

„Natürlich. Gerne.“ Es war Zeit, sie nach Hause zu fahren, aber er hatte überhaupt keine Lust dazu. „Wie wäre es mit einem gemeinsamen Abendessen? Ich habe Lachssteaks im Kühlschrank, die wir grillen könnten. Und ich mache einen Salat dazu. Hat Elise dir von meinen berühmten Salaten erzählt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin sehr müde. Und du musst mich nicht zum Essen einladen, schon gar nicht zwei Mal am Tag.“

„Aber ich möchte etwas essen“, widersprach er. „Und ich bin dabei lieber in Gesellschaft.“

Offenbar hatte er den richtigen Ton getroffen. Daisy lächelte, anstatt sich zurückzuziehen. „Also gut, was kann ich helfen?“

„Kannst du die Bohnen in die Mikrowelle schieben?“, fragte Chance.

Daisy wackelte mit beiden Zeigefingern. „Ich trainiere meine Finger täglich an der Mikrowelle“, scherzte sie.

Chance nahm ihre Hand und gab vor, die Muskulatur ihrer Finger zu untersuchen. Sie fühlten sich warm und trocken und schmal in seiner großen Hand an. „Du bist in Bestform, wie ich sehe.“

„Apropos Bestform …“ Ihr Blick blieb an seinem weißen Hemd hängen, das sich über seiner Brust spannte. „Ich habe keinen Hometrainer entdecken können, aber es sieht so aus, als würdest du täglich trainieren.“

„Ich jogge jeden Morgen mit Gewichten“, gestand er. „Dafür braucht man keine besondere Ausrüstung.“

Sie wandte sich ab. Die leichte Rötung auf ihren Wangen bewies, dass sie ihn angestarrt hatte.

Chance wurde plötzlich sehr warm. Ihm wurde bewusst, wie künstlich die Distanz zwischen ihnen wirkte. Hatten sie vor zwei Monaten nicht miteinander geschlafen?

„Lass uns endlich kochen“, schlug er etwas zu hastig vor. „Ich sterbe vor Hunger.“

„Ich auch“, erwiderte sie.

Das Lachsteak war ausgezeichnet. Daisy machte beim Essen nicht mehr den Eindruck, als würde sie ihn krampfhaft auf Distanz halten. Sie unterhielten sich angeregt, und ihr Gesichtsausdruck wirkte so entspannt wie in jener Nacht der Leidenschaft, die sie miteinander verbracht hatten.

„Ich bin beeindruckt, wie weit du es beruflich gebracht hast. Zum Beispiel, dass du dir dieses Haus kaufen konntest“, sagte Daisy. „Elise erzählte, dass du dich durch das Jurastudium gequält und außerdem noch die Ausbildung deiner Schwestern finanziell unterstützt hast. Das war bestimmt nicht leicht.“

Ja, da hatte sie recht. „Die langen Arbeitstage haben mir allerdings wenig ausgemacht“, antwortete Chance. „Und wie du siehst, geht es mir gut. Es gibt nur eine Sache, die ich bedauere.“

„Und das wäre?“

Er hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen. „Ich wollte mein Examen mit Topnoten abschließen und an der Revision von Gesetzen mitwirken“, gestand er. „Aber weil ich für meine Schwestern sorgen musste, hat es nicht ganz so geklappt. Das hat mich eine Weile beschäftigt.“

„Und wenn du es geschafft hättest, wie würde dein Leben denn jetzt aussehen?“ Ihre Stimme klang sachlich und kein bisschen mitleidig.

„Ich wäre vielleicht in Washington oder in New York und würde Fälle betreuen, die die Zukunft eines Unternehmens oder sogar eines ganzen Industriezweiges betreffen“, sagte er nachdenklich. „Gillian, meine frühere Verlobte, arbeitet in diesem Bereich.“

Daisy spießte ein weiteres Stück Lachs auf die Gabel, bevor sie wieder das Wort ergriff. „Ist es wirklich das, was du gern tun möchtest?“

„Manchmal wünschte ich, dass ich mich noch einmal neu entscheiden könnte“, seufzte er. Aber im Moment empfand er es einfach als Vergnügen, Daisy gegenüber zu sitzen und das Spiel der Emotionen auf ihren Gesichtszügen zu beobachten. Im Moment wollte er an keinem anderen Ort der Welt sein.

„Bleib sitzen, und entspann dich.“ Er erhob sich von seinem Stuhl. „Ich mache den Abwasch.“

„Nein, ich helfe dir.“ Abrupt sprang sie auf. „Sonst verdonnerst du mich vielleicht das nächste Mal zum Abwaschen. Und dann gibt es womöglich wirklich etwas zu tun.“ Daisy nahm die Teller in die Hand und ging in die Küche.

Hoffentlich geht sie nicht sofort nach dem Abwasch, wünschte er insgeheim. Ihr zweiter gemeinsamer Abend würde sicher nicht so explosiv verlaufen wie der erste. Ihr Feuer brannte langsam. Sie hatten sich noch viel zu erzählen.

Während Daisy die Gläser abwusch, stellte Chance die Reste ihres Abendessens in den Kühlschrank. Daisy spürte die Wärme seines Körpers, obwohl sie sich nicht berührten. Es kostete sie viel Kraft, sich auf den Abwasch zu konzentrieren.

„Hat dir der Salat geschmeckt?“ Seine Stimme erklang dicht neben ihrem Ohr. „Ich mache ihn jedes Mal anders.“

„Die frischen Kräuter waren umwerfend“, lobte sie. „Hast du sie selbst gezogen?“

Und dann machte sie einen Fehler – sie drehte sich um. Er stand nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Sie konnte nicht zurücktreten, weil sie sich mit dem Rücken bereits gegen das Waschbecken lehnte.

„Ich ziehe die Kräuter auf der Terrasse.“ Seine Stimme verzauberte sie. Sein Blick ließ ihre Knie erzittern. „In Blumentöpfen. Dann kann ich sie in den Schatten stellen, wenn es zu heiß wird. Oder nach drinnen, sollte es frieren.“

Wenn Chance mich jetzt berührt, explodiere ich, dachte Daisy irritiert.

Er legte seine Hände leicht auf ihre Arme. „Du hast eine sehr intensive Ausstrahlung. Ich spüre immer, was du empfindest.“

„Wir sollten nicht …“ Er stand so dicht bei ihr, dass sie ihn fast schmecken konnte. Und sie wollte ihn schmecken. Sie brannte vor Verlangen nach ihm.

Mit seinen Lippen berührte er zaghaft ihren Mund. Leicht und langsam. Seine Nase berührte ihre Wange. Tief atmete er ihren Duft ein.

Daisy kämpfte um ihre Beherrschung. Mit den Fingern fuhr sie durch sein dichtes Haar. Sie schmiegte ihren Kopf gegen seinen Hals und nahm den Duft seines Rasierwassers wahr. Dann schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und lehnte ihr Gesichts gegen seins.

Seine Zunge traf ihre Zunge. Voller Verlangen pressten sie ihre Körper aneinander. Er konnte spüren, wie Daisys Brustknospen sich aufrichteten. Mit einer Hand umfasste er ihr Hinterteil und drückte sie an sich, so dass sie seine Erregung spüren konnte.

Tiefe Leidenschaft erwachte in ihrem Innern. Sie konnte es kaum erwarten, ihn auszuziehen, seine nackte Haut an ihrer zu spüren und … ihn in sich aufzunehmen, wie sie es schon einmal getan hatte.

„“, spottete er zärtlich. Der Klang seiner Stimme ließ sie erzittern. „Es dauert schon so lange, Deirdre.“

Ich hätte nicht gedacht, dass du es so lange aushältst … Seine Worte verhallten in ihren Gedanken. Was war sie für ihn, eine sportliche Herausforderung?

Das heiße Verlangen nach ihm erstarb, obwohl es ihr zuerst schwer fiel, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Schließlich schlüpfte sie unter seinen Armen hindurch.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“ Ein letzter Strahl der untergehenden Sonne tauchte sein hellbraunes Haar in ein sanftes Gelb.

„Weißt du was?“, stammelte Daisy und rang nach Fassung. „Dieses Mal rufe kein Taxi und stehle mich heimlich davon. Dieses Mal darfst du mich zur Galerie fahren.“

Die Enttäuschung stand ihm deutlich im Gesicht geschrieben. Daisy ballte die Hände zu Fäusten und presste die Lippen fest aufeinander.

Chance atmete schwer, machte aber keine Anstalten, auf sie zuzugehen. „Nimmst du die Einladung für morgen Abend zurück?“, fragte er schließlich.

„Nein.“ Die Einladung hatte sie schon ganz vergessen.

Chance griff nach seiner Jacke, die über dem Stuhl hing. „Na schön, wenn du wirklich gehen willst“, sagte er schulterzuckend.

„Ja.“ Eilig verließ Daisy das Haus. Ihre Gefühle wirbelten wild durcheinander, so wild, dass sie sich nur mit Mühe beherrschen konnte.

Eines ist sicher, dachte Chance, diese Frau ist zutiefst verletzt. Aber das ist nicht meine Schuld.

4. KAPITEL

Auf der Fahrt zurück zur Galerie hielt Daisy das Fenster weit geöffnet. Obwohl sich die Luft draußen rasch abkühlte, war ihr innerlich noch immer sehr heiß.

Sie erwartete, dass Chance ihr ab sofort nur noch die kalte Schulter zeigen würde. So hatte Tony, ihr erster Freund, sich nach ihrem heftigen Streit benommen.

Tony hatte genau verstanden, dass sie ihm haushoch überlegen war, nachdem sie erst mal den Mut gefunden hatte, ihm seine ungehobelten Manieren und seine Unzuverlässigkeit vorzuwerfen. Schließlich hatten sie sich gegenseitig heftige Schimpfwörter an den Kopf geworfen. Sie hatte zwar noch versucht, ihre Beziehung wieder ins Reine zu bringen, aber er war dickköpfig und uneinsichtig geblieben.

„Ich wünschte, du würdest mir erklären, warum du deine Meinung so abrupt geändert hast“, sagte Chance, als sie durch den Vorort fuhren. „Wenn ich dich beleidigt habe, dann entschuldige bitte vielmals. Es geschah nicht absichtlich.“

„Du hast mich nicht beleidigt.“ Daisy wollte keine Diskussion. „Mein eigenes Benehmen war nicht ganz korrekt.“

„Ich verstehe, dass du dich mit Kunden nicht allzu nah einlassen willst“, fuhr er fort. „Aber ich hatte gehofft, dass du in meinem Fall eine Ausnahme machen würdest.“

„Das ist nicht der Punkt.“ Daisy hoffte, dass er nicht weiter in sie dringen würde. Sie fühlte sich von ihm hinters Licht geführt, und das war ihr peinlich. Außerdem würde er abstreiten, dass er sie nur als eine Eroberung betrachtete.

Sie erreichten die Galerie. „Wo steht dein Wagen?“, fragte er.

„Hinten.“

Er bog in die Seitenstraße ein und hielt schließlich an. Auf einem reservierten Parkplatz stand Daisys alter Lieferwagen. „Soll ich dich vielleicht nach Hause begleiten?“, bot Chance an. Er legte seinen Arm über die Lehne des Beifahrersitzes. Beinahe berührte er sie. „Schließlich habe ich sieben Schwestern. Ein Gentleman achtet darauf, dass seine Begleitung sicher nach Hause kommt.“

„Hier handelt es sich um eine geschäftliche Beziehung“, widersprach Daisy.

„Und ums Vergnügen.“ Das Lächeln um seine Mundwinkel verschwand augenblicklich wieder, als er ihren Blick bemerkte. „Für mich jedenfalls.“

Sie öffnete die Tür. „Danke, ich komme zurecht.“

„Ich warte, bis du losfährst.“

Als Geschäftsfrau arbeitete Daisy oft bis spät in die Nacht und fuhr dann alleine nach Hause. Trotz der spärlichen Beleuchtung lag die Straße im Dunkeln. Seine stillschweigende Begleitung vermittelte ihr Sicherheit. Und sie genoss das mehr, als sie zugeben mochte.

Autor

Jacqueline Diamond
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