Roter Mini, heiße Küsse

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Die sexy Lady in dem roten Minikleid ist wie Feuer in Shawns Blut! Erst flirtet er heiß mit ihr, dann küsst er sie - am liebsten würde er auf der Stelle Sex mit ihr haben! Bis er erfährt, wer sie ist: Mallory Carson, die Schwester seines Freundes, die er beschützen soll. Doch da ist es schon zu spät. Mallory hat ihn um den Verstand gebracht…


  • Erscheinungstag 25.10.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733753733
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Komm schon, Dave, du willst doch, dass ich Screaming Orgasms habe, oder?“ Mallory Carson lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schlug die langen Beine übereinander, während sie dem Mann hinter dem Schreibtisch einen verführerischen Blick zuwarf. Sie befanden sich in seinem Büro, aber man hätte meinen können, es gehöre ihr.

Dave betrachtete sie und strich sich über seinen Schnurrbart. „Schätzchen, ich würde nichts lieber tun, als dir Screaming Orgasms zu verschaffen, aber du hast dein Limit für diesen Monat bereits überschritten.“ Er warf einen Blick auf seine Unterlagen. Das Blatt in seiner Hand zitterte leicht, als Mallory ihr langes dunkles Haar auf dem Kopf zusammennahm und sich dabei der knappe blaue Pulli über ihren Brüsten spannte. „Du bist erst seit vier Wochen unser Kunde“, erklärte Dave. „Und du wohnst hier gerade mal seit fünf Wochen. Da können wir dein Kreditlimit unmöglich schon erweitern. Du kennst die Regeln.“

Mallory kannte keine Regel, die sich nicht brechen ließ, besonders wenn die Person, die für die Einhaltung zuständig war, männlich war. „In den letzten zwei Wochen waren wir rappelvoll“, wandte sie ein. „Die Leute trinken. Wie soll ich eine Bar mit dem Namen Bad Reputation führen, ohne meinen Gästen den Drink Screaming Orgasm anbieten zu können?“ Sie sah ihn flehend an. „Du bist mein Getränkelieferant, Dave. Was soll ich denn tun?“ Das ist wie Bluffen beim Pokern, dachte sie insgeheim. Cool bleiben und keine Gefühle zeigen, das bringt’s.

Dave tippte mit den Fingern auf den Schreibtisch. „Der Laden läuft also wirklich gut, was?“

„Oh ja, der Laden brummt“, bestätigte Mallory und ließ das Haar wieder über die Schultern fallen, um ihre Anspannung zu verbergen. „Newport hat noch nie etwas wie uns gesehen. Aber wenn ich den Gästen sagen muss, dass ich nicht die Drinks anbieten kann, die sie haben wollen, wird sich das rasch ändern. Muss ich wirklich woanders hingehen?“ Komm schon, Dave, dachte sie, beiß endlich an.

Er zögerte, doch schließlich nickte er. „Also gut, ich verlängere deinen Kredit um zwei Wochen, aber ich brauche eine Anzahlung von fünfhundert Dollar, und zwar heute noch.“

Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht, während sie unmerklich aufatmete. „Kein Problem. Du willst Bargeld, oder?“

„Bargeld ist mir recht. Übrigens, wenn wir schon dabei sind, Vereinbarungen zu treffen, muss ich dir von dem super Deal erzählen, den ich für dein Fassbier aushandeln kann. Wir haben nämlich gerade die Ausschanklizenz für Sam Adams Bier bekommen.“

„Für einen guten Deal bin ich immer zu haben, Dave. Erzähl mir, was dir vorschwebt.“

Es war ein wundervoller Sommertag mit einem strahlend blauen Himmel. Während Mallory ihren Transporter über ruhigere Nebenstraßen von Rhode Island lenkte, dachte sie an ihre Vereinbarung mit Dave. In acht Monaten, wenn sie dreißig wurde, würde sich das Bad Reputation hoffentlich in eine Goldgrube verwandelt haben, sodass sich ihre Arbeit lohnte – im Gegensatz zu ihrem letzten Job in einer ungünstig gelegenen Bar in Lowell, Massachusetts, in der sich vor allem Sportfans zu Fernsehübertragungen getroffen hatten.

Unruhig trommelte Mallory mit den Fingern auf das Lenkrad. Dann drückte sie auf die Schnellwahltaste ihres Handys – sie hatte eine Freisprechanlage – und wartete darauf, dass sich vier Bundesstaaten von ihr entfernt die angerufene Person meldete.

„Hallo“, sagte eine ziemlich undeutlich klingende Stimme.

Mallory grinste. „Hier ist die Gesundheitsbehörde von Newport“, erklärte sie mit verstellter Stimme. „Ich bin auf der Suche nach Devlin Carson, dem Teilhaber der Bar Bad Reputation. Wir hatten Beschwerden über Salmonellen in Ihrer Küche.“

„Was?“ Offensichtlich war Devlin noch nicht richtig wach.

„Salmonellen, Mr. Carson“, wiederholte Mallory unwirsch und amüsierte sich köstlich. „Ihre Gäste haben Ihr Lokal mit Schwindelanfällen verlassen und wurden krank. Wir möchten, dass Sie kommen und sich zu den Beschwerden äußern.“

„Aber das geht nicht. Ich wohne in Baltimore“, entgegnete er benommen, während sie fast laut losgeplatzt wäre.

„Das ist nicht unser Problem, Sir. Wir wollen Antworten, und zwar sofort.“

„Aber wir servieren doch nicht einmal Essen. Meine Schwester Mallory ist die Managerin. Sie wird …“ Seine Stimme erstarb. „Mallory? Das bist du, nicht wahr?“

Sie lachte laut. „Raus aus den Federn, du Schlafmütze!“ Sie bog auf die Route 38 nach Newport ab. „Was machst du überhaupt noch im Bett? Ich glaube, ich kann mich nicht daran erinnern, wann du jemals so lange geschlafen hast.“

„Ich bin gestern mit ein paar von den Jungs ausgegangen und habe wahrscheinlich zu viel getrunken.“ Devlin stöhnte. „Oje, mein Kopf!“

„Tja, jetzt musst du wohl dafür bezahlen.“

„Das ist nichts“, erklärte er trocken, „verglichen mit dem, was mich erwartet, wenn Melissa mit ihrer Schwester vom Einkaufen zurückkommt und über mich herfällt.“

„Weil du mit deinen Freunden ausgegangen bist? Da ist doch nichts dabei.“

„Sie wollte gestern Abend, dass ich mit ihr essen gehe. Stattdessen war ich mit den Jungs weg. Riley hatte Geburtstag.“

„Nun, du bist nicht gerade ein großer Partygänger. Aber ab und zu geht jeder mal aus. Sag ihr, dass das völlig normal ist.“ Mallory suchte nach diplomatischen Worten. „Ich weiß, Melissa ist wunderbar, und ihr beiden seid verlobt und alles, Dev. Aber das klingt nicht gerade nach vorehelichen Wonnen. Bist du sicher, dass sie die Richtige ist?“

„Wenn die Dinge gut laufen, kann ich gar nicht genug von ihr kriegen. Du hast leider einen schlechten Eindruck von ihr bekommen, als du mich besucht hast. Manchmal kann sie ein bisschen eifersüchtig sein.“ Er gähnte laut.

„Ich bin deine Schwester. Worauf sollte sie da eifersüchtig sein?“, wollte Mallory wissen.

Er lachte. „Weil alle Männer dir nachgesehen haben, als wir ausgegangen sind.“

„Sie ist mit dir verlobt. Welche Rolle spielt es für sie, wohin andere Männer gucken?“, gab Mallory irritiert zurück.

„Vielleicht hat es ihren Stolz verletzt oder so. Ich weiß bloß, dass sie auf dergleichen achtet.“

Das leuchtete Mallory nicht ein. Devlin hing sehr an Melissa, aber sie traute ihr nicht über den Weg. „Also du gehst mit deinen Freunden aus, und sie hat Angst, dass du dich von irgendwelchen Anschluss suchenden Frauen abschleppen lässt?“

„Mann, ich brauche jetzt erst eine Kopfschmerztablette“, erklärte Devlin. Es knackte in der Leitung, und dann hörte Mallory Schritte. Offenbar suchte er nach den Pillen. „Ich weiß nicht, möglicherweise ist sie zu Recht verärgert. Wir wollen in fünf Monaten heiraten. Vielleicht hätte ich mit ihr ausgehen sollen. Jedenfalls erklärt sie mir ständig, dass man Dinge aufgeben muss, wenn eine Beziehung funktionieren soll.“

Typisch Melissa, dachte Mallory. Sie war von dem Moment an misstrauisch gegenüber der Freundin ihres Bruders geworden, als sie herausgefunden hatte, dass Melissa ihn zu einer Paarberatung schleppte. Mallory seufzte. „Pass bloß auf, dass du dich nicht selbst aufgibst.“

„Ich versuche nur herauszufinden, wie man alles richtig macht. Schließlich haben wir in dieser Beziehung nichts von unseren Eltern gelernt.“

„Sicher haben wir das“, erwiderte Mallory, ohne nachzudenken. „Lass bloß niemanden zu nahe an dich herankommen, sonst wirst du es bereuen.“

„Du bist ekelhaft“, spottete er gutmütig. „Eine Ehe muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein, wenn man die Sache richtig angeht.“

„Demnächst bringst du mich noch dazu zu glauben, wir beide wären in verschiedenen Elternhäusern aufgewachsen. Ich weiß, du bist älter und deshalb kannst du dich möglicherweise noch an eine Phase erinnern, während der unsere Eltern glücklich waren. Aber wir beide wissen ganz genau, wie hässlich es am Ende war.“

Im Hintergrund hörte sie Wasser rauschen und vermutete, dass Devlin endlich ein Schmerzmittel gefunden hatte. „Okay“, murmelte er. „So ist es besser. Aber du hast doch wahrscheinlich nicht angerufen, um mir den Morgen zu verderben. Was ist los?“

„Ich komme gerade vom Großhändler, und Dave hat mir einen Langzeitvertrag zu günstigen Konditionen angeboten, um Sam Adams Bier auszuschenken. Es ist immer noch teurer als unser derzeitiges Fassbier, aber ich glaube, es wird sich bezahlt machen. Nicht jeder, der in die Bar kommt, will Budweiser trinken.“

„Du bist die Managerin“, erwiderte er. „Solange alles planmäßig verläuft, bin ich nur stiller Teilhaber.“

„Das Problem ist, dieser Deal ist mit einer höheren Anzahlung verbunden. Auf lange Sicht wird es aufwärts gehen, aber solche zusätzlichen Kosten werfen mich im Augenblick ein wenig zurück.“

„Ich habe die Zahlen gesehen. Wie es aussieht, läuft das Geschäft sehr langsam an.“

Mallory biss sich auf die Unterlippe. „Es wird sich rechnen, aber nächsten Monat brauche ich ein bisschen mehr Kapital.“

Devlin seufzte. „Mallory, ich will dir gern aushelfen, aber ich muss auch die Kosten für die Hochzeit tragen. Bist du sicher, dass das nötig ist? Die letzten Zahlen, die du gemailt hast, sahen nicht sehr versprechend aus.“

„Dev, wir haben doch erst seit einem Monat geöffnet“, erinnerte sie ihn und umfasste das Lenkrad fester. „Du kannst nicht erwarten, dass eine neue Bar im ersten Jahr Gewinn abwirft. Darüber haben wir schon gesprochen. Wir können froh sein, wenn wir kostendeckend arbeiten.“

Was sie verschwieg, war, dass sie notfalls persönlich auf die Straße gehen würde, um Leute in die Bar zu holen, nur um Devlin am Ende des ersten Jahres Gewinn auszahlen zu können. Wenn er nicht gewesen wäre, dann würde sie immer noch in einer Kleinstadt in Massachusetts Drinks servieren und jeden Cent sparen in der Hoffnung, eines Tages ein eigenes Lokal zu besitzen. Er hatte ihr eine Chance gegeben, genau wie damals, als ihr Vater gestorben war und sie bei Devlin vor der Tür gestanden hatte, weil sie nicht gewusst hatte, wohin sie sonst gehen sollte. Jetzt hatte sie einen Ort, der ihr gehörte. Sie wünschte sich mehr als alles andere, mit Bad Reputation Erfolg zu haben. Für ihren Bruder. Für sich selbst.

Devlin räusperte sich. „Sieh mal, ich erwarte gar nicht, dass du einen Haufen Kohle machst. Ich frage mich bloß, ob es nicht klüger wäre, auf Sam Adams zu verzichten, bis das Geschäft sich stabilisiert hat.“

Mallory überlegte. „Ich schätze vorab zehn Prozent mehr Ausgaben mit wahrscheinlich zwölf Prozent mehr Verkauf auf lange Sicht. Das würde sich bezahlt machen in …“ Sie überschlug die Zahlen rasch im Kopf. „Ich würde sagen, in ungefähr drei Monaten. Das ist nur eine grobe Schätzung.“

„Hast du das gerade eben ausgerechnet? Mann, wie kommt es dann, dass du nicht in irgendeiner Firma ein dickes Gehalt kassierst?“

„In Firmen gibt es Regeln, an die man sich halten muss, großer Bruder.“

„Und das hast du ja noch nie gern gemacht.“

„Genau“, stimmte sie zu. „Jedenfalls gehe ich noch mal die Zahlen durch, und dann reden wir im Detail darüber. Übrigens wird das Geschäft immer besser.“

„Ach, ja? Liegt das an dem, was du tust, oder spricht es sich langsam herum, was für ein toller Laden es ist?“

„Nun, ein bisschen von beidem.“ Mallory lächelte. „Ich habe mir einfach überlegt, weshalb Leute in Bars gehen.“

„Um tiefgründige Gespräche zu führen?“

Mallory lachte. „Nein. Wegen Drinks, Musik und Sex. Wir liefern das alles und haben deshalb jeden Abend ein volles Haus. Wir haben Alkohol. Wir haben eine Lizenz für Live-Musik, deshalb werde ich mir Bands anhören, die demnächst samstagabends spielen werden. Die können wir mit dem Eintrittsgeld finanzieren.“

„Und was ist mit dem Sex?“, erkundigte Devlin sich argwöhnisch.

Wieder lachte Mallory. „Was hast du gesagt? Ich bin gerade in einem Funkloch.“

„Ich kann dich aber sehr gut hören. Du hast gesagt, das Geschäft läuft besser, weil du dafür etwas tust. Was denn genau?“

„Ich höre dich nicht mehr“, schwindelte sie.

„Wag es nicht, jetzt aufzulegen, Mallory. Was hast du vor? Du wirst doch nichts unternehmen, weswegen wir schließen müssen, oder?“

„Ich verstehe kein Wort mehr, Dev. Ich lege jetzt auf.“ Mallory drückte auf die Taste, um die Verbindung zu unterbrechen. Was sie machte, würde ganz bestimmt nicht zur Schließung der Bar führen.

Jedenfalls glaubte sie das nicht.

„Das Übliche, Dermott?“ Shawn O’Connor betrachtete den massigen alten Mann mit den leuchtenden Augen, der die Ellbogen auf den polierten Tresen aus Walnussholz gestützt hatte. Aus der Stereoanlage ertönten die fröhlichen Klänge einer Pennywhistle und einer Geige, und der Mann klopfte den Takt mit den Fingern mit.

„Das Gleiche, das mir schon dein Großvater serviert hat, Shawn“, erwiderte Dermott unbeschwert, wobei er sich das spärliche weiße Haar zurückstrich. „O’Connor’s ist immer noch der einzige Ort in der Stadt, wo man weiß, wie man ein ordentliches Bier zapft.“

Shawn hielt ein Glas schräg unter den Zapfhahn und ließ Guinness fließen. „Das Einzige, was in dieser Stadt von Irland übrig ist, Dermott, alter Kumpel“, sagte er mit übertriebenem irischen Akzent.

„Verdammt, wenn du nicht klingen kannst, als würdest du aus County Kerry stammen“, erklärte Dermott. Er drehte sich um und ließ den Blick über das gemütliche Pub schweifen. Vom Bohlenfußboden bis zur verkleideten Decke war alles aus Holz. Spitzenvorhänge zierten breite Fenster, durch die man jetzt die heraufziehende Dämmerung sah. Raumteiler aus dunklem Holz, die oben mit Buntglasaufsätzen abschlossen, trennten das Restaurant vom Barbereich ab und bildeten die Rückwand von langen, gepolsterten Bänken, auf denen Stammgäste saßen, die ihre Gläser vor sich auf den Tischen abgestellt hatten. Parallel zur Decke waren Regale angebracht, auf denen alte Bücher, antike Spielsachen, Flaschen und andere Erinnerungsstücke an vergangene Zeiten standen.

Eine gertenschlanke Rothaarige mit Augen, die fast zu groß für ihr schmales Gesicht waren, stellte ein Tablett auf den Tresen. „Zwei Bass, ein Guinness und ein Murphy’s, Shawn“, sagte sie energisch im Dialekt der West Counties.

„So rasch, wie du wünschst, Fiona.“

„Dann müssten die Getränke schon da sein, damit ich sie sofort zu meinen Gästen bringen kann“, sagte sie augenzwinkernd.

Shawn warf Dermott einen Blick zu, während er ein Guinness abstellte und ein weiteres zapfte. „Sind alle Frauen in Irland so ungeduldig?“

Dermott nickte lebhaft. „Ja, und noch ein ganzes Stück schlimmer“, bestätigte er. „Das hat mich hierher getrieben.“

„Ich dachte, du bist gekommen, um hier dein Glück zu suchen, Dermott“, antwortete Fiona und hob eine Augenbraue.

„Deshalb auch“, äußerte er lautstark.

Shawns Blick wanderte zu den Worten, die über ihm an die Wandtäfelung gemalt waren: „Es gibt keine Fremden, nur Freunde, die sich noch nicht kennen gelernt haben.“

Jedes Mal wenn er sich im Pub umsah, erfüllte ihn Zufriedenheit vergleichbar mit dem Gefühl, wenn man an einem kalten Morgen eine schöne heiße Tasse Kaffee trank. Er schob ein Guinness mit Schaumkrone über den Tresen zu Dermott.

Ein schlaksiger junger Mann mit unordentlichem schwarzem Haarschopf betrat das Lokal. Fiona musterte ihn eine Spur zu lange, bevor sie sich gespielt beiläufig umdrehte und ihr Tablett überprüfte. „Nett, dass ein Rockstar wie du beschließt, uns Gesellschaft zu leisten, Colin O’Connor“, erklärte sie mit leicht spöttischer Miene.

Belustigt sah Colin sie an, während er hinter den Tresen ging. „Wenn ich gewusst hätte, dass du hier bist, hätte ich früher mit dem Üben aufgehört“, sagte er und ahmte dabei ihren Akzent nach.

„Sicher, und der Papst isst am Freitag Steak“, gab Fiona zurück und ging mit ihrem Tablett weg.

Shawn musterte seinen kleinen Bruder. „Du kommst spät.“ Beide hatten schwarzes Haar und tiefblaue Augen, wobei Shawn sein Haar aus praktischen Gründen halblang trug. Damit endete allerdings die Ähnlichkeit. Colin hatte ein offenes Gesicht und ein jungenhaftes Lachen, das seinen Humor verriet. Shawns klare Augen und hohen Wangenknochen wirkten dagegen irgendwie geheimnisvoll und faszinierend.

Colin band sich eine Schürze um. „Sorry. Das Üben hat länger gedauert. Wir waren gerade so gut in Fahrt. Und nachher bin ich auch noch in eine Verkehrskontrolle geraten.“

Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne fielen durch die Fenster herein. „Weiß eigentlich irgendjemand, was es mit dieser neuen Bar am Washington Square auf sich hat?“, erkundigte Shawn sich, denn ein Freund hatte ihn am Nachmittag deswegen angerufen.

Dermott winkte ab. „Ich habe gestern Abend auf dem Heimweg dort vorbeigeschaut. Halbnackte Frauen tanzen auf dem Tresen, und die Menge auf der Straße macht viel Wirbel darum.“ Er schlürfte sein Guinness und stellte dann das Glas wieder auf den Tresen. „Man sollte dieses Lokal schließen. Das ist nicht anständig.“

Interessiert blickte Colin zu Shawn. „Halbnackte Frauen tanzen auf dem Tresen? Vielleicht sollte ich das mal überprüfen.“

Fiona stellte ihr Tablett auf den Tresen. „Was soll das ganze Gerede über halbnackte Frauen?“

„Wir sprechen über die neue Bar am Washington Square.“

„Oh, du meinst die mit den Bad Girls? So nennen die Leute die Frauen, die dort arbeiten.“

„Was weißt du darüber?“, frage Shawn neugierig.

Fiona gab ihre Bestellung bei Colin auf, dann wandte sie sich an Shawn. „Nicht viel. Der Laden hat erst vor ein paar Wochen aufgemacht.“

„Unanständig“, schimpfte Dermott erneut.

„Überhaupt nicht“, widersprach Fiona und stützte sich mit einem Ellbogen auf den Tresen. „Die Kellnerinnen tanzen einfach ein bisschen, wenn ihnen danach ist, und dabei behalten sie die Kleider an. Daran ist doch nichts Schlimmes.“ Sie warf Colin, der gerade einen Whisky einschenkte, einen Blick zu. „Für mich sah es so aus, als hätten sie Spaß.“

„Denkst du daran, dich ihnen anzuschließen, Fiona?“, wollte Colin jetzt wissen, während er den Whisky auf ihr Tablett stellte und gleichzeitig nach einem Glas griff, um einen halben Liter Ale zu zapfen.

Ihre Miene blieb undurchsichtig, als sie sagte: „Vielleicht sollte ich das. Man scheint dort mehr Anerkennung zu bekommen, als ein Mädchen hier kriegen kann.“

Colin öffnete eine Flasche Newcastle. „Ach, komm schon, Fiona, du bist doch unser frisches junges Mädel aus Irland und kein schlimmes Mädchen.“

„Bilde dir bloß nicht ein, du würdest alles wissen, Colin O’Connor“, sagte sie in scharfem Ton, nahm ihr Tablett und verließ den Tresen.

„Wirklich sehr klug von dir“, meinte Shawn ironisch.

„Was habe ich denn gesagt?“, fragte Colin verwirrt.

Shawn schüttelte den Kopf. Er band seine Schürze ab und schwor sich, sie heute nicht mehr anzuziehen. „Schon gut. Jedenfalls kannst du hier die Stellung halten. Ich gehe mal rüber zum Washington Square und sehe nach, was dort los ist.“

„Wie kommt es, dass du das tust?“, beschwerte sich Colin.

„Vielleicht deshalb, weil ich hier seit elf Uhr morgens stehe, und du eineinhalb Stunden zu spät gekommen bist?“ Shawn warf die Schürze in einen Korb und bückte sich unter dem Durchgang des Tresens durch.

„Ach ja? Ich sage, du gehst, weil du seit ewigen Zeiten kein Date mehr gehabt hast. Du bist mit dieser Bar verheiratet. Das ist nicht gerade gesund.“

Shawn sah Colin eine ganze Weile lang schweigend an. „Hast du noch andere Bemerkungen über mein Privatleben zu machen?“

„Du meinst außer der Tatsache, dass du gar keins hast?“ Unter Shawns finsterem Blick wich Colin ein wenig zurück. „He, ich weiß, du hast die Verantwortung für das Familienerbe. Außerdem ist Enthaltsamkeit heutzutage ziemlich hip.“

„Bist du fertig?“

Colin grinste. „Nein, aber du würdest mir sowieso nicht zuhören. Geh schon und spioniere die halbnackten Frauen aus. Ich erwarte nachher einen detaillierten Bericht.“

Shawn ging zur Tür.

„Pass auf dich auf!“, riet Dermott. „Schlimme Mädchen können einen Mann ganz schön in Schwierigkeiten bringen.“

Shawn hörte die laute Musik lange, bevor er sich den Leuten näherte, die sich an der Eingangstür zur Bar versammelt hatten. Einige klopften im Takt der dröhnenden Bässe mit dem Fuß. Falls irgendeiner der Männer über dreiundzwanzig war, hätte Shawn sich gewundert. Den bulligen Mann, der als Türsteher fungierte, kannte er.

„Hallo, Benny.“

„Hallo, Shawn. Warum bist du nicht drüben und zapft Guiness?“ Lachen und Jubelschreie drangen aus der offenen Tür.

„Ich dachte, ich schaue mal rüber und sehe, was es Neues in der Nachbarschaft gibt.“ Und tue einem Freund einen Gefallen, fügte Shawn im Stillen hinzu. Sechs Jahre zuvor hatte Devlin Carson Renovierungsarbeiten im O’Connor’s erledigt. Die beiden waren sich sofort sympathisch gewesen und hatten rasch festgestellt, dass sie eine Vorliebe für Segeln und Musik teilten. Jetzt hatte Devlin angerufen, weil er Hilfe brauchte. Shawn solle sicherstellen, dass seine Schwester sich nicht in Schwierigkeiten brachte. Ihre Freundschaft war Shawn zu viel wert, als dass er es abgelehnt hätte, den Wachhund für Devlins Schwester zu spielen, der er noch nie begegnet war.

Benny wies zum Eingang. „Sei unser Gast.“

Shawn ging durch die offene Tür und betrat eine Art kontrolliertes Tollhaus.

Die Musik spielte so laut, dass die Wände zu vibrieren schienen. Farbige Scheinwerfer warfen rasant wechselnde Lichtmuster auf den langen Tresen, der die ganze Breite des Raumes einnahm. Zumindest vermutete Shawn, dass es ein Tresen war. Wegen der Menschenmenge, die davor stand, war das schwer zu sagen. Dann entdeckte er die beiden Frauen.

Sie tanzten den Tresen rauf und runter, schwangen ihr Haar, wiegten sich im Rhythmus der Musik und wackelten mit den Hüften. Die Menge, überwiegend junge Männer, pfiff und johlte bei jeder Bewegung der attraktiven Tänzerinnen. Eine Frau war blond, die andere rothaarig. Manchmal tanzten sie synchron, dann bewegte sich wieder jede für sich allein, stolzierte zu einer Messingstange – es gab an jedem Ende des Tresens eine – und wirbelte daran herum.

Das Gerücht von halbnackten Frauen war eine Übertreibung. Sie trugen hautenge Hosen und knappe Tops, gemacht für üppige Dekolletees und sonnengebräunte Bäuche. Nichts Aufregenderes, als man in jedem Einkaufszentrum zu sehen bekam. Shawn verzog den Mund. Vielleicht hatte Colin recht mit seiner Behauptung, er wäre mit dem Pub verheiratet, denn das Duo auf der Bar sollte aufreizend wirken, aber für ihn sahen sie harmlos aus, mehr wie Studentinnen in den Semesterferien.

Auf die anderen Gäste schienen sie allerdings die gewünschte Wirkung zu haben. Mit anfeuernden Rufen und Jubel wurde jede Bewegung honoriert. Die Rothaarige kauerte sich mit einer Flasche Tequila auf den Tresen und schüttete den Inhalt in den offenen Mund eines jungen Mannes, der den Kopf nach hinten bog und hastig schluckte, während seine Kumpels bis zehn zählten. Dann richtete er sich grinsend auf und hob die Hände über den Kopf wie ein Preisboxer nach dem Sieg.

Shawn seufzte. Sogar eine halbe Stunde dieses Auftrittes wäre ihm zu viel. Wenn er länger als ein paar Minuten hier herumhängen musste, würde es eine lange Nacht werden.

Eine volle Bar, das gefiel Mallory, die am Tresen Drinks ausschenkte. Über ihr schwang Kayla ihr langes blondes Haar und tanzte mit Belinda, während Liane und Michelle neben ihr am Tresen halfen.

Das Klingeln der Registrierkasse hatte einen verführerischen Klang, besonders nach den mageren Wochen, die hinter ihnen lagen. Falls sie es schaffte, dass die Bar ständig so voll war wie an diesem Abend, würden ihre finanziellen Sorgen bald der Vergangenheit angehören.

„Ich mache mal eben eine kurze Runde“, sagte Mallory zu Michelle. Wenn man seinen eigenen Betrieb hatte, war man für alles verantwortlich und musste auch wissen, was draußen vor sich ging.

Sie schlängelte sich durch die Menge. Ein Blick nach draußen verriet ihr, dass die Warteschlange am Eingang jetzt doppelt so lang war wie vorhin, als sie nachgesehen hatte. „Wie steht’s?“, fragte sie ihren Türsteher mit gedämpfter Stimme.

„Wir sind immer noch erst zu drei Vierteln voll“, gab er Auskunft.

Man hätte alle Leute hereinlassen können, aber eine Warteschlange war die beste Werbung. Mallory warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Lass bis elf Uhr immer ungefähr sechs Leute warten, danach lass jeden rein, bis der Laden voll ist.“

Benny grinste. „Was immer du sagst, Boss.“

Gleich nachdem eine der Tänzerinnen vom Tresen stieg, um wieder Gäste zu bedienen, nahm eine andere ihren Platz ein. Gelangweilt wandte Shawn sich von der Menge an der Bar ab und sah sich um. Der Raum war größer, als er im ersten Moment gewirkt hatte. Außer dem überfüllten Tresen gab es noch ein paar Poolbillardtische, einige Tische, an denen man sitzen konnte, und eine Tanzfläche. Im Augenblick herrschte in diesem Bereich aber nicht viel Betrieb. Alle wollten vorn am Tresen sein, wo etwas los war.

Autor

Kristin Hardy
Kristin Hardy studierte Geologie und Physik und arbeitete nach ihrem Abschluss in Connecticut im Auftrag der NASA an der Entwicklung eines Telekops mit, dass mittlerweile die Erde umkreist. Doch der Drang zu schreiben wuchs.
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