Roter Teppich, Champagner und du

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Die Gerüchte in Hollywood überschlagen sich: Jaxon Wilder ist nicht allein zur Premiere gekommen, sondern in Begleitung einer umwerfenden Schönheit! Wer ist diese Stazy Bromley? Die neue Affäre des Stars - oder mehr?


  • Erscheinungstag 17.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777982
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Dein Gast scheint endlich eingetroffen zu sein, Großpapa“, erklärte Stazy übellaunig, während sie aus dem Erkerfenster in den Hof hinabschaute. Der glänzende schwarze Sportwagen rollte langsam über die mit Kies bestreute Hofzufahrt von Bromley House, dem Anwesen ihres Großvaters im südenglischen Hampshire. Das Gesicht des Fahrers war hinter den getönten Scheiben des Wagens nicht zu erkennen. Doch Stazy war sicher, dass es sich nur um Jaxon Wilder handeln konnte, den englischen Schauspieler und Regisseur, der seit mehr als zehn Jahren als einer der angesagtesten Hollywoodstars galt.

„Sei nicht so streng mit dem jungen Mann, Stazy. Er ist bloß fünf Minuten zu spät, obwohl er den weiten Weg aus London hinter sich hat“, schimpfte ihr Großvater von seinem Sessel am anderen Ende des Salons.

„Zumindest hätte er seine Reise ein bisschen besser planen können, damit wir nicht noch auf ihn warten müssen.“

Stazy bemühte sich erst gar nicht, ihre Abneigung gegen Jaxon Wilder zu verbergen. Für sie war sein Vorhaben, einen Film über das Leben ihrer verstorbenen Großmutter zu drehen, absolut inakzeptabel. Zu ihrem Leidwesen hatte Stazy es jedoch nicht geschafft, ihren Großvater davon zu überzeugen, wie absurd die Idee eigentlich war. Und nun parkte der Sportwagen des Schauspielers vor dem Haus.

Schnell trat Stazy einen Schritt vom Fenster zurück, als der Mann aus dem Auto stieg. Sie wusste ohnehin bereits, wie er aussah. Jaxon Wilder war auf der ganzen Welt bekannt. Gerade erst hatte er mit seinem neuesten Werk wieder einmal sämtliche Filmpreise abgeräumt.

Der Mittdreißiger war groß, schlank, hatte kräftige, breite Schultern, langes dunkles Haar, stahlgraue Augen und eine aristokratische Nase, die seinem Gesicht in Kombination mit dem energischen Kinn einen markanten, sehr männlichen Zug verlieh. Spätestens seine sinnlich geschwungenen Lippen und die tiefe Stimme ließen die Herzen aller Frauen höher schlagen. Obendrein war Jaxon Wilder bekannt als einer der bestbezahlten Schauspieler und Regisseure. Die Zeitschriften waren voll vom neuesten Klatsch über ihn und seine Affären mit den schönsten Frauen der Welt.

Und heute würde er erneut seinen Charme spielen lassen – um ihren Großvater dazu zu bringen, ihm die Einwilligung für den Film über das abenteuerliche Leben der Anastasia Romanski, Stazys Großmutter, zu geben. Eine Frau, die als Kind mit ihrer Familie vor der Russischen Revolution nach England geflohen war und später zu einer der vielen geheimen Heldinnen ihres neuen Heimatlandes geworden war.

Vor zwei Jahren war Anastasia im Alter von vierundneunzig Jahren gestorben. Ihr Nachruf in der Zeitung hatte die Aufmerksamkeit eines gewitzten Reporters geweckt, der Anastasia Bromleys Leben recherchiert und schnell herausgefunden hatte, dass weit spannendere Informationen über sie existierten, als offiziell bekannt gegeben. Das Ergebnis seiner Nachforschungen war eine reißerische Biografie über Anastasia gewesen, die vor einem halben Jahr veröffentlicht worden war. Das Aufsehen, das dieses Buch erregt hatte, hatte bei Stazys Großvater zu einem leichten Herzanfall geführt.

Und so war Stazy alles andere als begeistert gewesen, als sie erfahren hatte, dass Jaxon Wilder beabsichtigte, einen Film über Anastasias Leben zu drehen. Jetzt war er also hier, um sein Projekt mit ihrem Großvater zu besprechen. Aber er hatte sich mächtig geschnitten, wenn er dachte, er könnte den alten Mann mal eben so um den Finger wickeln. Denn Stazy hatte beschlossen, die beiden keinen Augenblick lang allein zu lassen.

„Sir Geoffrey.“ Jaxon trat einen Schritt vor, um dem älteren Mann die Hand zu schütteln, nachdem der Butler ihn in den Salon geführt hatte.

„Mr Wilder.“ Man mochte es kaum glauben, dass Geoffrey Bromley bereits weit über neunzig war. Sein dunkles Haar war lediglich von einigen grauen Strähnen durchzogen und er erwiderte den Händedruck des jungen Mannes fest. Seine Haltung in dem maßgeschneiderten dreiteiligen Anzug mit dem strahlend weißen Hemd und der exakt gebundenen grauen Krawatte wirkte fast unnatürlich aufrecht.

„Nennen Sie mich doch Jaxon, bitte“, bat der Gast. „Ich freue mich sehr, dass Sie sich heute Zeit für mich genommen haben …“

„Freuen Sie sich lieber nicht zu früh!“

„Stazy“, rügte Geoffrey Bromley seine Enkelin.

Jaxon wandte sich um. Die junge Frau stand vor einem der Erkerfenster. Die Sonne, die grell in den Raum schien, machte es unmöglich, ihre Gesichtszüge zu erkennen. Die Feindseligkeit in ihrer Stimme ließ jedoch vermuten, dass sie nicht gerade erfreut über Jaxons Besuch war.

„Darf ich vorstellen? Meine Enkelin, Stazy Bromley“, erklärte Sir Geoffrey jovial.

Jaxon hatte sich vor seiner Abreise in London an diesem Morgen noch einmal sämtliche Informationen, die ihm über die Familie Bromley vorlagen, durchgelesen. Er wusste, dass Stazy eine Kurzform für Anastasia war. Als sie schließlich aus dem Sonnenlicht heraustrat, verblüffte ihn die überraschende Ähnlichkeit mit ihrer Großmutter – das gleiche flammende Haar, weder rot noch gold, eher eine intensive Mischung aus beidem, ein blasser porzellanfarbener Teint, ausdrucksstarke smaragdgrüne Augen, die von kräftigen dunklen Brauen betont wurden, eine kleine gerade Nase und volle sinnliche Lippen.

Die Frisuren waren allerdings etwas anders. Anastasia hatte ihr Haar schulterlang getragen, während ihre Enkelin es an diesem Tag im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden hatte, der ihr fast bis zur Taille reichte. Das schwarze knielange Etuikleid ließ sie unglaublich feminin und elegant wirken.

Abgesehen von diesen kleinen Unterschieden hatte Jaxon den Eindruck, einer neunundzwanzigjährigen Anastasia Romanski gegenüberzustehen.

„Mr Wilder“, grüßte Stazy knapp und warf ihm einen kurzen geringschätzigen Blick zu.

Jaxon nickte leicht. „Miss Bromley.“

Dr. Bromley, bitte“, korrigierte sie ihn kühl.

Stazy Bromley wirkte mit ihrer Schönheit und Anmut eher wie ein Supermodel als wie eine promovierte Archäologin. Angesichts ihrer merklich feindseligen Haltung Jaxon gegenüber bereute er es ein wenig, lediglich ihr Alter und ihren Beruf zu kennen und nicht etwas eingehendere Nachforschungen über Geoffrey Bromleys Enkelin angestellt zu haben.

„Stazy, vielleicht solltest du Mrs Harris Bescheid geben, dass wir jetzt gern unseren Tee trinken würden“, bat Sir Geoffrey sie mit fester Stimme.

„Soll das eine Aufforderung sein, Mr Wilder und dich einen Moment allein zu lassen, Großpapa?“, fragte Stazy trocken, den Blick missbilligend auf Jaxon gerichtet.

„Ich glaube, das wäre das Beste, meine Liebe“, antwortete ihr Großvater.

„Dann lass dich bitte von Mr Wilders Charme nicht einlullen und unterschreibe nichts, bis ich wieder zurück bin!“, mahnte Stazy und sah erneut voller Verachtung in Jaxons Richtung.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Dr. Bromley“, erklärte dieser belustigt. „Ich fasse es übrigens als Kompliment auf, dass Sie mich charmant finden.“

Es war vielleicht nicht der klügste Schachzug, sich jetzt auch noch über Stazy Bromley lustig zu machen, wo sie ihm ohnehin nicht wohlgesinnt war. Sie behandelte ihn ja geradezu, als sei er der größte Gauner. Jemand, der ihrem Großvater die Familienjuwelen abluchsen wollte!

Die Vergangenheit ihrer Großmutter war offensichtlich ein sensibles Thema für Stazy Bromley.

„Nun, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich Sie finden soll, Mr Wilder. Dafür kenne ich Sie nicht genug“, antwortete sie distanziert.

Es ist offensichtlich, dass sie für meinen Charme in keinster Weise empfänglich ist, erkannte Jaxon. Zu schade, denn die Ähnlichkeit mit ihrer Großmutter reichte bereits aus, ihn selbst ziemlich zu faszinieren. Und das, obwohl Stazy nicht einmal Make-up trug und ihr wildes rotgoldenes Haar züchtig zusammengebunden hatte.

Falls Stazy beabsichtigt, ihre Schönheit zu kaschieren, dann war sie kläglich gescheitert. Diese smaragdgrünen Augen, den sinnlichen Schmollmund und die Kurven in diesem engen schwarzen Kleid konnte sie jedenfalls nicht verbergen.

Stazy hatte den Schauspieler bisher nur immer auf der Kinoleinwand gesehen, wo er sehr groß, geheimnisvoll und mächtig wirkte. Fälschlicherweise hatte sie bisher angenommen, dieser Eindruck entstünde lediglich durch die Ausmaße der Leinwand. Doch nun stand Jaxon Wilder live vor ihr und wirkte in diesem maßgeschneiderten, schwarzen Anzug, dem weißen Seidenhemd und der silbergrauen Krawatte genauso attraktiv und charismatisch wie im Film.

„Jetzt reicht es aber wirklich, Liebes“, rügte Stazys Großvater. „Ich bin mir sicher, dass Mr Wilder und ich ganz gut für einen Moment allein zurechtkommen werden.“

„Daran habe ich keinen Zweifel, Großpapa.“ Liebevoll lächelte sie den alten Mann an, bevor sie den Salon verließ.

Seit ihre Eltern vor fünfzehn Jahren bei einem Flugzeugabsturz vor der Küste von Cornwall ums Leben gekommen waren, war ihr Großvater mittlerweile das einzige Familienmitglied, das Stazy geblieben war.

Anastasia und Geoffrey waren bereits über achtzig, als sie ihre traumatisierte Enkelin nach dem Tod ihrer Eltern zu sich genommen hatten. Stazy war damals noch ein Teenager gewesen. Ihre Großeltern hatten sich all die Jahre liebevoll um sie gekümmert. Sie war ihnen unendlich dankbar für alles, was sie für sie getan hatten.

Entsprechend alarmiert hatte sie reagiert, als sie von Jaxon Wilders Idee hörte, einen Film über ihre verstorbene Großmutter zu drehen. Zweifellos hatte er sich von dieser furchtbaren Biografie inspirieren lassen, in der ihre Großmutter als eine Art russische Mata Hari dargestellt wurde, die für den britischen Geheimdienst arbeitete. Und nun hatte Jaxon Wilder offensichtlich die Sensationslust gepackt.

Sicherlich sah er jetzt schon die unzähligen Preise vor sich, die er in seine ohnehin bereits beachtliche Sammlung würde einreihen können. Zu schade eigentlich – denn er hatte nicht mit Stazy gerechnet. Sie würde unter allen Umständen dafür sorgen, dass dieser Film niemals gedreht würde!

„Ich fürchte, Stazy ist nicht gerade erfreut über Ihre Pläne, Jaxon“, murmelte Sir Geoffrey belustigt.

„Sieht nicht so aus, nicht wahr?“ Frustriert verzog Jaxon den Mund.

Der alte Mann lächelte leicht. „Bitte setzen Sie sich doch, und erklären Sie mir ganz genau, was Sie von mir erwarten“, bat Sir Geoffrey und nahm wieder in seinem Sessel neben dem Kamin Platz, nachdem er für die Begrüßung aufgestanden war.

„Sollten wir nicht auf Ihre Enkelin warten, bevor wir alles Weitere besprechen?“ Seufzend ließ Jaxon sich in den Sessel auf der anderen Seite des Kamins fallen. Stazy Bromley würde mit aller Macht versuchen, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Während seines Fluges von Amerika nach England gestern hatte er sich die Sache noch so einfach vorgestellt.

Er hatte Geoffrey Bromley vor einigen Monaten zum ersten Mal kontaktiert und ihm in einer Mail seine Filmidee dargelegt. Die Antwort, die er zwei Wochen später erhalten hatte, war ihm recht positiv und ermutigend erschienen. Danach hatten die beiden Männer einige Male telefoniert, bis Jaxon schließlich ein persönliches Treffen vorgeschlagen hatte, um seine Pläne mit Geoffrey Bromley im Detail zu besprechen. Der alte Mann hatte zuvor mit keinem Wort die Abneigung seiner Enkelin gegen den Film erwähnt.

„Ich versichere Ihnen, Stazy wird meine Entscheidung letzten Endes akzeptieren.“ Sir Geoffrey lächelte ihn zuversichtlich an.

Jaxon hatte keinen Zweifel daran, dass der alte Mann einen ebenso starken Willen besaß wie seine verstorbene Frau. Wenngleich er sich auf eine ganz andere Art durchzusetzen schien – die Rolle, die Geoffrey Bromley bei den Ereignissen des letzten Jahrhunderts gespielt hatte, schien sogar noch mysteriöser gewesen zu sein als die seiner Frau. Soweit Jaxon wusste, war er ein sehr hohes Tier beim britischen Geheimdienst, bis er vor fünfundzwanzig Jahren in den Ruhestand ging.

Kein Wunder, dass Stazy Bromley so willensstark und resolut auftrat. Dieser Charakterzug lag offensichtlich in der Familie.

Jaxon würde um eine Auseinandersetzung mit der jungen Frau nicht herumkommen. Doch er würde um keinen Preis klein beigeben.

„Ich hoffe, ihr habt während meiner Abwesenheit nichts besprochen, was von Relevanz gewesen wäre …?“, erkundigte sich Stazy betont freundlich, als sie zurück in den Salon kam. Der Butler folgte ihr direkt auf den Fersen. Er trug ein schwer beladenes Silbertablett, das er vorsichtig auf dem niedrigen Tischchen vor dem Sofa abstellte, auf dem Stazy nun Platz nahm. Gespannt sah sie die beiden Männer ihr gegenüber an.

Ihr Großvater warf ihr einen kritischen Blick zu, während Jaxon Wilder sich räusperte, um zu antworten. „Das hätten wir sicher nicht gewagt, Dr. Bromley …“, erklärte er trocken.

Stazy wusste genau, dass der Hollywoodstar einer dieser Männer war, die vor nichts zurückschreckten, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatten.

„Möchten Sie Milch und Zucker in Ihren Tee, Mr Wilder?“, erkundigte sie sich höflich, während sie nach dem Zuckerschälchen griff, das neben den drei zarten Porzellantassen auf dem Tablett stand.

„Nur Milch, danke.“

Stazy nickte und häufte zwei Löffel Zucker in die Tasse, die sie anschließend ihrem Großvater reichte.

„Es wird immer anstrengender, sein Gewicht zu halten, wenn man älter wird, nicht wahr?“, stichelte sie, während sie Jaxons Figur mit betont kritischem Blick musterte.

„Stazy, ich denke, dieses ständige Gezanke mit unserem Gast ist wirklich nicht notwendig“, mahnte Sir Geoffrey sanft und rührte in seiner Tasse.

„Vielleicht hast du recht“, lenkte Stazy errötend ein. „Aber Mr Wilder ist sicher in der Lage, sich selbst zu verteidigen.“

Langsam verlor Jaxon die Geduld. Stazy war eine unglaublich schöne und fast zart wirkende junge Frau, doch sie führte sich auf wie eine aggressive Giftschlange.

„Zweifellos“, stieß er kurz angebunden hervor. „Vielleicht könnten wir jetzt wieder über Butterfly sprechen …?“

„Butterfly?“, wiederholte Stazy irritiert, während sie die schlanken Beine elegant übereinanderschlug.

„Das war der Codename Ihrer Großmutter …“

„Das ist mir bewusst, Mr Wilder“, wies sie ihn scharf zurecht.

„Ich habe ihn als Arbeitstitel für meinen Film gewählt“, erklärte Jaxon knapp.

„Ist das nicht etwas voreilig?“, fragte Stazy stirnrunzelnd. „Soweit ich weiß …“, fuhr sie langsam fort, „… existiert bisher noch gar keine Vereinbarung darüber, dass es überhaupt einen Film geben wird. Wie kann er dann schon einen Arbeitstitel haben?“

Fragend blickte sie von Jaxon zu ihrem Großvater. Ihre Anspannung war unübersehbar.

Sir Geoffrey zuckte die Schultern. „Ich fürchte, wir können Mr Wilder nicht wirklich davon abhalten, diesen Film zu machen, Stazy.“

„Aber …“

„Er wird ihn mit oder ohne unsere Kooperation drehen“, fügte Sir Geoffrey mit fester Stimme hinzu. „Und ehrlich gesagt ist es mir nach der Veröffentlichung dieser grausigen Biografie lieber, in diesem Fall zumindest Einfluss auf die Inhalte nehmen zu können.“

Stazys Augen funkelten vor Wut, als sie sich wieder an Jaxon wandte. „Wenn Sie es gewagt haben sollten, meinen Großvater zu bedrohen …“

„Natürlich hat Jaxon mich nicht bedroht, Liebes …“, fuhr ihr Großvater dazwischen.

„Und Jaxon wäre es verdammt noch mal – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, Sir –“ Jaxon nickte dem älteren Mann kurz zu, bevor er seinen Blick wieder auf die wütende Stazy Bromley richtete. „… im Traum nicht eingefallen, an so etwas auch nur zu denken!“

Stazy spürte, dass sie nun wohl einen Schritt zu weit gegangen war. Im Grunde hatte sie diesen Mann, schon bevor sie ihn überhaupt kennengelernt hatte, nicht ausstehen können. Allein wegen der Dinge, die sie die letzten Jahre so über ihn gelesen hatte. Er war unglaublich charmant ihrem Großvater gegenüber, aber Stazy war sich sicher, dass er sie nach ihren feindseligen Bemerkungen mittlerweile ebenso wenig mochte wie sie ihn.

Doch was hatte dieser Jaxon Wilder auch erwartet, als er seinen Besuch bei ihnen ankündigte? Dass er sich mit einem alten Mann, der gerade einen Herzinfarkt erlitten hatte, allein treffen würde? Dass sie beide sich nett unterhalten würden und er sich dann mit Geoffreys Zustimmung zu sämtlichen Vorschlägen auf den Heimweg machen würde? Wenn er das geglaubt hatte, dann hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Selbst fünfundzwanzig Jahre nach seiner Pensionierung war Stazys Großvater immer noch ein Mann, dem so leicht niemand das Wasser reichen konnte. Und Stazy stand ihm in nicht viel nach …

Sie war nicht nur eine hoch qualifizierte Londoner Universitätsdozentin, es wurde sogar gemunkelt, dass sie zur Fachbereichsleiterin ernannt werden würde, wenn ihr Professor das Amt im nächsten Jahr niederlegen würde. Stazy hatte es im Alter von neunundzwanzig Jahren sicher nicht so weit gebracht, weil sie schüchtern und zurückhaltend war.

„Verzeihen Sie meine Bemerkung“, entschuldigte sie sich. „Die Tatsache, dass Sie von einem ‚Arbeitstitel‘ sprachen, hat mich zu der Annahme verleitet, dass Sie während meiner Abwesenheit bereits alles mit meinem Großvater ausgehandelt haben.“

„Ist schon in Ordnung“, kam Jaxon ihr entgegen. Seine Körperhaltung verriet jedoch, dass er sich keineswegs entspannt hatte. „Natürlich würde ich mich bei der Arbeit an meinem Projekt mit Ihrem Segen, Sir Geoffrey, weitaus wohler fühlen.“ Sein Nicken in Richtung des alten Mannes implizierte, dass er sich hingegen nicht darum scherte, ob er auch Stazys Zustimmung erhielt.

„Und mit seiner Kooperation?“, warf diese trocken ein.

Jaxon schaute sie eindringlich an. „Selbstverständlich.“

Eine Gänsehaut lief Stazy über den Rücken. Allerdings war sie nicht entzückt, wie sicher der Großteil der Damenwelt, wenn sie einen Blick von Jaxon Wilder erhaschten, sondern durch seinen kritischen Ausdruck alarmiert. Sie wusste genau, was er in ihr sah: eine Frau, die auf typisch weibliche Effekthascherei keinen Wert legte. Abgesehen von einem blassen, pfirsichfarbenen Lipgloss trug sie keinerlei Make-up und auch keinen Schmuck.

Natürlich war Stazy sich bewusst, dass sie den außergewöhnlich schönen Schauspielerinnen, mit denen Jaxon Wilder in den vergangenen Jahren fotografiert worden war, nicht annähernd das Wasser reichen konnte. Dieser Mann wusste mit einer intelligenten Frau sicherlich auch gar nichts anzufangen …

Warum machte sie sich darüber überhaupt Gedanken? Es konnte ihr doch vollkommen egal sein, was Jaxon Wilder von ihr hielt. Sie würde ihn ohnehin nie mehr wiedersehen nach dem heutigen Tag.

Entschlossen straffte sie die Schultern. „Ich fürchte, Sie verschwenden nicht nur Ihre Zeit, Mr Wilder, sondern auch die meines Großvaters und meine …“

Bevor Stazy weitersprechen konnte, ergriff Sir Geoffrey das Wort. „Ich werde Jaxon mein Einverständnis geben und ihm meine Kooperation anbieten. Ich erlaube ihm hiermit, Anastasias Briefe und ihre persönlichen Dokumente einzusehen. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen …“

Stazys Augen weiteten sich entsetzt, als sie ihren Großvater ansah. „Das kann nicht dein Ernst sein, Großpapa!“

Sir Geoffrey neigte den Kopf ein wenig zur Seite, bevor er sprach: „Manchmal ist es besser, nachzugeben und damit die Kontrolle über eine Situation zu behalten, Liebes, statt gegen das Unvermeidliche anzukämpfen.“

Die erwartete Erleichterung darüber, dass Sir Geoffrey ihm seine Genehmigung für diesen Film gab, wollte sich nicht einstellen. Ein unbestimmtes Gefühl sagte Jaxon, dass ihm diese Bedingungen, wie auch immer sie aussehen mochten, ganz und gar nicht gefallen würden …

Offensichtlich fühlte sich Stazy Bromley ebenso unwohl in ihrer Haut. Abrupt erhob sie sich vom Sofa und sah ihren Großvater mit ihren klaren grünen Augen mehrere Sekunden lang stirnrunzelnd an. „Großpapa, erinnerst du dich nicht, was passiert ist, nachdem dieses schreckliche Buch veröffentlicht wurde …?“

„Dr. Bromley, wie können Sie auch nur daran denken, meinen Film mit diesem sensationsheischenden Mist zu vergleichen?“ Wütend sprang Jaxon ebenfalls aus seinem Sessel auf.

Stazy sah ihn kühl an. „Was soll ich sonst denken?“

„Vielleicht könnten Sie mir einfach eine Chance geben?“

„Na na na, ihr beiden“, rügte Sir Geoffrey lächelnd. „Das verheißt ja nichts Gutes, wenn ihr euch nicht einmal im gleichen Raum aufhalten könnt, ohne euch zu streiten.“

Jaxons Gefühl der Beklommenheit wurde immer größer. Der unschuldige Ausdruck in Sir Geoffreys Miene konnte ihn nicht darüber hinwegtäuschen, dass der alte Mann etwas im Schilde führte.

„Würden Sie uns Ihre Bedingungen nun vielleicht erklären …?“, forderte Jaxon ihn zögernd auf.

Der alte Mann zuckte die Schultern. „Meine erste Bedingung lautet, dass keinerlei Kopien von den persönlichen Unterlagen meiner Frau angefertigt werden. Die Dokumente bleiben hier im Haus.“

Innerlich stöhnte Jaxon auf. Das würde bedeuten, dass er mehrere Tage – womöglich eine Woche – in Bromley House würde verbringen müssen, um alles durchzusehen und sich Notizen zu machen. Nun ja, er hatte in seinem Leben definitv schon schlechtere Unterbringungen als den eleganten Komfort von Bromley House in Kauf nehmen müssen.

„Meine zweite Bedingung …“

„Moment mal, wie viele Bedingungen gibt es?“, erkundigte Jaxon sich.

„Nur diese beiden“, versicherte Sir Geoffrey. „Und die erste Bedingung tritt lediglich in Kraft, wenn Sie auch der zweiten zustimmen.“

„In Ordnung.“ Jaxon nickte ergeben.

„Warten Sie lieber erst, bis Sie meine Forderung gehört haben, bevor Sie zustimmen, Jaxon“, warnte der alte Mann.

Stazy gefiel das schelmische Funkeln in den Augen ihres Großvaters ganz und gar nicht. Seine erste Bedingung ergab ja einen gewissen Sinn. Natürlich garantierte das immer noch nicht, dass Jaxon Wilder sich in seinem Skript ausschließlich an die wahren Begebenheiten halten würde.

„Sprich weiter, Großpapa“, bat Stazy.

„Vielleicht solltet ihr beide euch besser setzen …“

Sofort verkrampfte Stazy sich. Und bemerkte im gleichen Augenblick, dass auch Jaxons Anspannung wuchs.

„Ich bleibe stehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht“, antwortete Jaxon ein wenig schroff.

„Nicht im Geringsten“, erwiderte Sir Geoffrey. „Stazy?“

„Ich ebenfalls“, murmelte sie unwillig.

Autor

Carole Mortimer
<p>Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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