Roulette der Liebe

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Jede Sekunde ihrer heißen Liebe will Rosalind genießen! Denn sie befürchtet, für den faszinierenden Casino-Besitzer Cesar Montarez nur eine Affäre zu sein. Bisher hat der umschwärmte Mann es nie lange bei einer Frau ausgehalten. Als Cesar sie nach Wochen der sinnlichen Leidenschaft immer noch jede Nacht zärtlich liebt und ewige Treue schwört, beginnt Rosalind, von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Umso überraschender empfindet sie Cesars kühle Zurückweisung am nächsten Abend: Wieso glaubt er plötzlich, dass sie es nur auf sein Geld abgesehen hat?


  • Erscheinungstag 13.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746292
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie sah wie ein Flittchen aus!

Entsetzt betrachtete Rosalind ihr Spiegelbild. Sie hatte viel zu viel Make-up aufgetragen, ihr langes dunkles Haar umrahmte ihr Gesicht wie eine steife Masse, und die dicke Tusche auf den Wimpern verlieh ihren schwarz umrandeten Augen einen aufreizenden Ausdruck. An ihren Ohren baumelten lange, funkelnde Gehänge, und dazu passenden Ketten lenkten die Aufmerksamkeit auf ihren unverschämt tiefen Ausschnitt.

Mit leichtem Schaudern blickte sie an dem gewagten, hautengen Silberlamékleid herab, das bis zu den Oberschenkeln geschlitzt war und ihre Brüste nur knapp bedeckte. Es war das Letzte, was sie sich ausgesucht hätte, doch darüber hatte sie nicht entscheiden können.

„Hier“, hatte Sable gesagt, „ich habe dir eins meiner Outfits mitgebracht. Deine Brüste sind voller als meine, aber es müsste dir passen. Darin wirst du umwerfend sexy aussehen, und auf so etwas fliegt Yuri immer. Wie alle reichen Männer umgibt er sich gern mit attraktiven und auffallenden Frauen. Und du fällst wirklich auf, Ros, obwohl du es gar nicht darauf anlegst. Aber bei dir brauche ich wenigstens nicht zu befürchten, du könntest mir Yuri abspenstig machen, denn das würdest du nie tun.“

Da hatte Sable recht, wie Rosalind ihr bereitwillig versicherte. Sables Freund war der Letzte, mit dem Rosalind etwas zu tun haben wollte. Das Einzige, was er zu bieten hatte, war Geld, mit dem er Sable großzügig überschüttete. Doch Rosalind konnte Sable die Bitte unmöglich abschlagen, denn sie hatte ihr aus der Patsche geholfen. Und was ihre Freundin an diesem Abend von ihr erwartete, war ja im Grunde genommen nicht viel, auch wenn es Rosalind zutiefst widerstrebte.

„Du musst nur ständig um Yuri herum sein und darfst andere Frauen gar nicht erst an ihn heranlassen“, hatte Sable ihr aufgetragen. „Die Frauen würden wer weiß was dafür geben, wenn sie ihn mir ausspannen könnten. Meine Güte“, hatte sie stöhnend hinzugefügt und noch ein Aspirin genommen. Auf die Wirksamkeit dieser Tabletten schwor sie. „In meinem ganzen Leben esse ich keinen Hummer mehr. Mir ist schon den ganzen Tag entsetzlich übel, und ich habe fürchterliche Kopfschmerzen.“

Während Rosalind ihr Spiegelbild betrachtete, wurde auch ihr ganz flau im Magen. Ihr grauste vor dem Abend. Es ging ihr nicht nur darum, dass sie mit Sables unmoralischer Lebensweise nichts zu tun haben wollte, sondern auch darum, dass sie das Café früher schließen und auf kostbare Trinkgelder verzichten musste, mit denen sie ihr niedriges Gehalt aufbesserte. Die Arbeit wurde schlecht bezahlt, doch dafür stand ihr über dem Café kostenlos ein Zimmer zur Verfügung, was viel wert war. Die Mieten an diesem beliebten Küstenstreifen Südspaniens waren unerschwinglich, wenn man wie Rosalind jeden Euro zweimal umdrehen musste.

Resigniert schüttelte sie den Kopf. Ohne Geld ging leider gar nichts, und sie musste den ganzen Tag arbeiten, sodass ihr keine Zeit für andere Dinge blieb. Schon gar nicht dafür, sich herauszuputzen und abends auszugehen. Das konnte Sable natürlich nicht verstehen.

„Meine Güte, Ros, bei deinem Aussehen könntest du ein Luxusleben führen! Wenn du vernünftig wärst und dich mir anschließen würdest, hättest du bald ausgesorgt. Hier wimmelt es nur so von Männern wie Yuri, die mit Geld um sich werfen. Im Handumdrehen hättest du ausgesorgt, wenn du es dir endlich leichter machen würdest!“

„Es sich leichter machen“, bedeutete für Sable, mit reichen Männern zu schlafen.

Die bloße Vorstellung ließ Rosalind erschaudern. Das kam für sie nicht infrage. Niemals! Sable war da ganz anders. Sie hatte keine Probleme damit, von dem Geld reicher Männer zu leben und mit ihrem Körper zu bezahlen.

Doch dann schämte Rosalind sich wegen dieser Gedanken, denn sie musste Sable unendlich dankbar sein. Die Freundin hatte ihr geholfen, als sie völlig verzweifelt gewesen war, und sie hatte kein Recht, Sable zu verurteilen.

Nein, sie musste Sable den Gefallen tun. Widerstrebend nahm Rosalind die silberne Abendtasche, die zu dem Outfit gehörte, in die Hand und ging zur Tür.

Cesar Montarez kniff die Lippen zusammen und ließ den Blick abschätzend über die Gruppe gleiten, die sich um den Tisch, an dem Blackjack gespielt wurde, versammelt hatte.

„Yuri Rostrov“, sagte der Mann neben ihm leise. „Drogen, Waffenschmuggel, Erpressung, Schutzgelddelikte, all das geht auf sein Konto. Wollen Sie noch mehr hören?“

Sein Chef schüttelte den Kopf. „Wir werfen ihn hinaus. Lassen Sie mir Zeit für den üblichen Spruch, dann folgen Sie mir, aber unauffällig.“

Der Mann vom Sicherheitsdienst nickte nur kurz. Es war reine Routinesache. Alles lief diskret und meist äußerst erfolgreich ab.

„Es wird ihm nicht gefallen“, warnte er seinen Chef. „Er gewinnt gerade.“

Cesar zuckte die Schultern. „Dann hat er Pech gehabt.“ Einen Moment lang wünschte er, er könnte sich den unerwünschten Gast auf seine Weise vornehmen – mit den Fäusten. Kriminelle wie Rostrov waren im El Paraíso nicht willkommen, egal, wie großzügig sie mit ihrem Geld um sich warfen, das sie sich durch Betrug verschafft hatten. Aber auf jemanden mit den Fäusten loszugehen passte nicht zu der exklusiven Atmosphäre dieses Spielkasinos in dem eleganten Urlaubsort. Um Ganoven wie Rostrov loszuwerden, wandte man sehr unauffällige Methoden an, die dem Image nicht schadeten.

Langsam, aber zielstrebig schlenderte Cesar durch das überfüllte Kasino, blieb hier und da stehen, um bekannte und geschätzte Kasinogäste zu begrüßen. Den weiblichen Gästen machte er Komplimente, wie es sich für einen aufmerksamen Gastgeber gehörte. Dabei verstand er es geschickt, Abstand zu halten, auch wenn er gebeten wurde zu bleiben. Schließlich kam er wie zufällig in die Nähe seiner Zielperson.

Während er einen Stammgast des Kasinos begrüßte, einen wohlhabenden ehemaligen Berufsgolfspieler, der mit ihm ins Geschäft kommen wollte, blickte Cesar beiläufig über die Schulter des Mannes. Rostrov und seine Leute beherrschten immer noch den Tisch, an dem Blackjack gespielt wurde. Der Ganove lachte triumphierend auf, als er wieder eine Runde gewonnen hatte, und seine Kumpel stimmten lärmend in sein Gejohle ein. Die Männer hatten sich wie gewöhnlich mit einer Schar junger Frauen umgeben, die sie umgarnten und ihnen schöne Augen machten. Sie kicherten und jubelten, als Rostrov erneut gewann.

Wieder kniff Cesar die Lippen leicht zusammen. Auch das war ein Grund, Rostrov loszuwerden: Frauen wie diese waren hier ebenso wenig erwünscht. Auf sie konnte man im Kasino verzichten. Sicher war es nett, wenn schöne Frauen hier auftauchten, das war gut für das Geschäft. Wo reiche Männer verkehrten und Geld ausgaben, hatten sie gern auch etwas für das Auge um sich. Doch Cesar wollte nicht, dass das Kasino zu einem Tummelplatz für halbseidene Damen wurde, auch wenn einige von ihnen geradezu fantastisch aussahen wie jene dort …

Cesar betrachtete sie genauer. Sie war viel attraktiver als die beiden anderen Frauen in der Gruppe um Rostrov. Widerwillig musste Cesar sich eingestehen, dass sie eine der schönsten Frauen war, die er je gesehen hatte.

Was für eine Verschwendung, dachte er. Ihre natürliche Schönheit wurde ruiniert durch übertrieben viel Schminke. Die gedrechselt wirkende Frisur und das beinah bis zur Hüfte geschlitzte Silberlamékleid waren schlichtweg geschmacklos. Einer von Rostrovs Kumpanen hatte den Arm um sie gelegt und zog sie an sich. Dabei verzog sich das Oberteil mit den Spaghettiträgern so, dass der tiefe Ausschnitt verrutschte und ihre rechte Brust halb entblößt war. Die junge Frau bemerkte es nicht einmal. Und selbst wenn es ihr bewusst gewesen wäre, hätte es ihr wahrscheinlich nichts ausgemacht, dessen war Cesar sich sicher. Wenn sie mehr Schamgefühl besessen hätte, würde sie nicht die Gesellschaft solcher Männer suchen.

Es wurde Zeit, sie loszuwerden, die ganze Bande. Höflich entschuldige Cesar sich bei dem Golfer und ging auf die unerwünschten Gäste zu.

Rosalind schauderte insgeheim. Der Mann, den alle Gyorg nannten, hatte sie mit Beschlag belegt und presste sie an sich. Seine fleischige Hand lag besitzergreifend auf ihrer nackten Schulter. Während Yuri Rostrov erneut gewann, rief Gyorg ihm bewundernd etwas in seiner Sprache zu und streichelte dabei Rosalinds Schulter.

Du liebe Zeit, ich muss hier weg, dachte Rosalind deprimiert. Doch es half alles nichts, sie musste den Abend irgendwie überstehen. Eigentlich hatte sie sofort geahnt, was sie erwartete, als sie sich in der Bar des Hotels in der Stadt den auffällig gekleideten, schwergewichtigen osteuropäischen Geschäftsleuten vorgestellt hatte. Doch es war alles noch viel schlimmer gekommen, als sie befürchtet hatte.

Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig, als Sable zuliebe durchzuhalten. Deshalb war sie immer noch hier und ließ sich begrapschen. Tapfer hielt sie durch, sie lächelte und lachte, wenn die anderen es taten. Insgeheim zählte sie jedoch die Minuten. Die Zeit schien unendlich langsam zu vergehen, und Rosalind sehnte das Ende des Abends herbei, der ihr wie ein Albtraum vorkam.

Immer wieder erinnerte sie sich an Sables Rat: Du brauchst nur zu lächeln und nett zu sein. Und das würde sie weiterhin tun, koste es, was es wolle. Ich muss lächeln und nett sein, lächeln und nett sein, bis ich endlich nach Hause gehen und das alles hier vergessen kann, sagte sie sich.

Aber sie schaffte es noch nicht einmal, andere Frauen von Yuri fernzuhalten, wie sie Sable versprochen hatte. Die beiden anderen jungen Frauen hatten sich sogleich an ihn herangemacht. Er schien recht glücklich darüber zu sein, denn er hatte Rosalind an Gyorg weitergereicht.

Vergeblich versuchte sie, den unangenehmen Geruch des schweren, süßlichen After Shaves nicht einzuatmen, mit dem der Mann sich überschüttet zu haben schien. Plötzlich fiel ihr auf, dass der Croupier, ein schlanker Mann mit ausdrucksloser Miene, jemanden anblickte. Unauffällig drehte Rosalind sich halb um, sodass sie sehen konnte, wer gemeint war.

Der Anblick des Mannes verschlug ihr geradezu den Atem. Er stand neben Yuri und sprach leise mit ihm. Rosalind konnte den Blick nicht von dem Fremden abwenden. Er war Spanier, daran gab es keinen Zweifel. Seine gebräunte Haut, die dunklen Augen, das dunkle Haar und die langen Wimpern, die ihn nur noch männlicher wirken ließen, sprachen für seine spanische Herkunft. Doch für einen Spanier war er ungewöhnlich groß. Sie schätzte ihn auf weit über einen Meter achtzig. Er bewegte er sich mit jener raubtierhaften Geschmeidigkeit, die vielen seiner Landsleute eigen war. Doch was diesen Mann so faszinierend machte, waren sein markantes Profil, die kühne Adlernase, sein kühler Blick, die hohen Wangenknochen und seine sinnlich und verführerisch wirkenden Lippen.

Rosalind kribbelte die Haut. Seit sie nach Spanien gekommen war, hatte sie schon viele blendend aussehende Männer gesehen, doch keiner hatte sie so sehr beeindruckt wie dieser.

Aber er war nicht nur der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war, sondern er hatte etwas Besonderes, etwas seltsam Gefährliches an sich, das sie instinktiv warnte. Er war ein Mensch, der anderen Respekt abnötigte und vor dem man sich in Acht nehmen musste.

Und er war ein Mann, mit dem wahrscheinlich jede Frau gern ins Bett gehen würde.

Entsetzt über sich selbst, atmete Rosalind tief durch. Was war nur mit ihr los? Sie sah diesen Mann zum ersten Mal und dachte sofort an Sex!

Aber sie hätte nichts dagegen, mit ihm … Nein, das musste aufhören. Rosalind presste die Lippen zusammen. Er sah nur ungemein gut aus, das war alles. Und im Moment hatte sie ganz andere Sorgen, als über diesen attraktiven Mann nachzudenken. Sie sollte lieber versuchen, den Abend durchzustehen, ohne davonzulaufen.

Erst jetzt wurde Rosalind bewusst, dass die Osteuropäer plötzlich seltsam angespannt dasaßen. Ihre Mienen wirkten grimmig, die Männer schienen gar nicht erfreut zu sein.

Der Spanier sagte wieder etwas zu Yuri auf Englisch und in leicht drohendem Ton. Rosalind begriff auf einmal, um was es ging.

„… ist schon veranlasst“, setzte der Fremde hinzu und ließ den Blick kurz durch den Saal gleiten.

Yuri Rostrov folgte seinem Blick, und seine Miene wurde hart.

„Sehen Sie?“, fragte der Spanier leise.

Rosalind bemerkte, dass jemand sich durch die Menge hindurch einen Weg bahnte. Es war ein großer, kräftiger Mann, der keinen Spaß zu verstehen schien.

Der Spanier zog ein Notizbuch aus dem Abendjackett, sprach kurz auf Spanisch mit dem Croupier, dann schrieb er eine Zahl mit mehreren Nullen auf das Papier und unterschrieb. Schließlich riss er das Blatt heraus und reichte es Yuri.

„Das geht zulasten des Kasinos“, sagte der Fremde.

Der Spieler nahm den Zettel und blickte darauf. Plötzlich hellte sich seine Miene auf.

Cesar hatte gewusst, dass er so reagieren würde. Es kostete ihn einiges, den Ganoven loszuwerden, aber das war ihm die Sache wert. Den Gewinn des Mannes zu verdoppeln war kein zu hoher Preis dafür, dass er freiwillig mit seinen Leuten verschwand. Er hatte dem Ganoven erklärt, die spanische Polizei hätte Zivilfahnder im Kasino eingesetzt, weil der Verdacht bestünde, dass Schwarzgeld gewaschen würde. Der Mann hatte es geglaubt, und Cesar war sich sicher, dass der unerwünschte Gast hier so schnell nicht wieder aufkreuzen würde.

Rostrov nickte, wandte sich seinen Kumpanen zu und schnippte mit den Fingern. Nun konnte Cesar sich entspannen. Wieder blickte er zu der schönen jungen Frau. Aus der Nähe sah sie noch atemberaubender aus. Sie hatte ein oval geformtes Gesicht, eine zierliche Nase, schön geschwungene Lippen und Augen, die so grün wie Smaragde waren.

Und sie hatte einen herrlichen Körper.

Für eine Frau war sie groß, aber sie hatte eine perfekte Figur. Das geschmacklose silberne Glitzerkleid schmiegte sich wie eine zweite Haut um ihre üppigen Rundungen. Ihre Brüste waren zu voll für das knappe Oberteil, sodass sie halb entblößt waren.

Begehren durchflutete ihn, doch er nahm sich zusammen. Frauen wie sie interessierten ihn nicht. Sie und die anderen würden heute Abend zwischen Rostrov und seinen Kumpanen wie Pralinen herumgereicht werden. Sie kamen ihm vor wie schmutzige Ware.

Rosalind errötete. Der Spanier betrachtete sie aufmerksam, und sie wusste genau, wofür er sie hielt: für ein billiges Flittchen.

Am meisten ärgerte sie sich darüber, dass sie ihm das nicht einmal verdenken konnte. Was sollte er sonst von ihr und den anderen Frauen halten, deren Namen sie nicht kannte? Sie hängten sich an reiche Männer, um möglichst viel Geld aus ihnen herauszuholen.

Beschämt wandte sie den Blick ab. Ihr blieb nichts anders übrig, als Sable den Gefallen zu tun und hier auszuhalten. Doch in dem Moment brachen ihre Begleiter auf. Gyorg legte den Arm um Rosalind und folgte Yuri. Eine der jungen Frauen klammerte sich an Yuris Arm und erkundigte sich schmollend, was los sei. Er beachtete sie nicht und sagte etwas zu seinen Freunden. Sie gingen auf die Kasse zu. Dort wurde Yuri ein dickes Bündel Banknoten ausgehändigt, die er zählte und in seine Jacketttasche steckte.

So viel Geld, dachte Rosalind konnte den Blick kaum abwenden.

Als sie den weitläufigen Kasinosaal verließen, merkte Rosalind, dass der Spanier sie immer noch beobachtete. Er ist wahrscheinlich der Hausdetektiv, dachte sie. Oder er war ein Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts des Kasinos. Vermutlich wollte er sich vergewissern, dass sie wirklich verschwanden. Vielleicht hatte er Yuri Rostrov vor einem Rivalen gewarnt. Wie auch immer, Yuri hatte es jedenfalls plötzlich eilig zu gehen.

Die kühle Nachtluft schien Rosalind einzuhüllen, als sie auf den überdachten Eingangsbereich hinaustraten. Selbst für englische Verhältnisse konnte man das Wetter noch nicht als frühlingshaft bezeichnen. Sie erbebte, und Gyorg drückte sie fest an sich.

„Ich halte dich schon warm, Süße“, versprach er grinsend, sodass seine Goldzähne aufblitzten. Dabei streifte sein alkoholisierter Atem ihr Gesicht.

Sein Englisch war mangelhaft, doch sein Blick sprach Bände. Rosalind rang sich ein Lächeln ab, antwortete jedoch nicht. Nachdem ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte sie den großen, gut aussehenden Spanier, der hinter ihnen stand. Eine Sekunde lang begegneten sich ihre Blicke.

Der verächtliche Ausdruck in seinen Augen traf sie wie ein Peitschenhieb. Rasch wandte sie sich ab. Als sie wieder in die Richtung sah, war der Mann verschwunden. Dann fuhr eine schwarze Stretchlimousine vor, und einer von Yuris Befehlsempfängern öffnete ihm die Wagentür.

„Wohin fahren wir?“, fragte Rosalind argwöhnisch.

„Zu Hotel“, erwiderte Gyorg in gebrochenem Englisch. „Mr. Rostrovs Suite. Dort Party.“

Entsetzt riss sie sich los.

Der Mann schien zu glauben, es wäre ein Spiel. Mit seiner fleischigen Hand zog er sie wieder an sich. „Suite hat große Badewanne.“ Er lachte rau auf und streichelte Rosalinds Arm, was ihr sehr unangenehm war. „Ich dich abreiben.“ Sein Lachen klang derb. „Ich reiben deinen schönen nackten Körper überall.“

Wie erstarrt stand Rosalind da.

Cesar winkte dem Angestellten dankend zu, der seinen Wagen vorgefahren hatte, und stieg ein. Endlich konnte er gehen. Der Abend hatte einen faden Geschmack hinterlassen. Die Ganoven loszuwerden war einfach gewesen, doch es gefiel ihm nicht, dass sie überhaupt da gewesen waren. Er ließ den Motor an und blickte zu dem mächtigen Portal des Kasinos hinauf. Wie lange hatte er gebraucht, um das Kasino aufzubauen? Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor. In knapp zwölf Jahren hatte er es zu einem der bedeutendsten Kasinobesitzer der Südküste gebracht. In zwölf harten Jahren war aus dem armen Studenten ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden.

Aber natürlich war ihm auch der Trend der Zeit entgegengekommen. Die spanische Mittelmeerküste erwies sich als wahre Goldmine. Hier konnte man viel Geld verdienen, sowohl an den Durchschnittsurlaubern als auch an den ganz Reichen, die er als Zielgruppe im Auge hatte, weil sie alles kauften, was teuer und gerade in Mode war, von teuren Jachten bis zu Golfplätzen.

Mit offenem Verdeck fuhr Cesar die palmengesäumte Auffahrt entlang, die durch die terrassenförmigen Anlagen des Kasinos führte. Er erreichte die Gabelung zum angeschlossenen Luxushotel hoch über dem Privatstrand mit seinen Swimmingpools und versteckten Bungalows mit Blick auf den Hafen. Dort ankerten die Jachten der Millionäre, die ihr Geld im El Paraíso verloren oder im exklusiven Klub neben dem Hotel Golf spielten.

Wie seine Ferienanlagen auf Mallorca und an der Algarve war das Unternehmen eine Goldmine. Cesars Gedanken schweiften ab. Wo sollte er das nächste El Paraíso eröffnen? Auf Menorca oder den Kanarischen Inseln? Oder an der sich rasch entwickelnden Costa de Luz in Spanien? Vielleicht sogar an der spanischen Nordküste, wo die englischen Aristokraten früher ihre Börsengewinne zu verspielen pflegten?

Ein leichtes Lächeln umspielte Cesars Lippen. Hundert Jahre waren seitdem vergangen, und Spanien war immer noch ein Mekka für sonnenhungrige Nordeuropäer. Ihre Sehnsucht nach Sonne hatte dem Land Wohlstand gebracht, doch der hatte seinen Preis. Das alte Spanien veränderte sich zusehends. Die Armut war verschwunden, aber auch die Traditionen und die Kultur schienen sich aufzulösen. Die Unterschiede, die seit Jahrhunderten zwischen Spanien und dem übrigen Europa bestanden hatten, waren kaum noch zu spüren.

Die Geschichte seines Landes hatte ihn schon immer fasziniert. Doch die Zeit, als er den Ehrgeiz besessen hatte, Geschichtsprofessor zu werden, lag lange zurück. Er hatte sich für das Geldverdienen entschieden und war erfolgreicher gewesen, als er es sich je erträumt hatte. Inzwischen lief das Geld ihm förmlich hinterher.

Und auch die Frauen liefen hinter ihm her.

Er bog in die Küstenstraße ein und beschleunigte das Tempo. Die Frauen hatten es ihm stets leicht gemacht, besonders die aus dem nördlichen Europa, die nur noch an Sex zu denken schienen, wenn sie nach Spanien kamen. Als er früher in den Semesterferien gekellnert hatte, hatte er wenigstens sicher sein können, dass sie wirklich auf ihn flogen und nicht auf das, was er ihnen bieten konnte.

Seit er zu Geld gekommen war, hatte sich das geändert. In seinen Augen erschien ein zynischer Ausdruck, und er gab Gas. Nie würde er vergessen, wie entsetzt er gewesen war, als er begriffen hatte, dass ein Mann mit Geld praktisch jede Frau haben konnte. An der Küste wimmelte es von Frauen, die nach einem reichen Mann Ausschau hielten. Dabei war es für sie völlig unwichtig, ob ein Mann alt, hässlich oder dick war. Wichtig war nur, dass er reich war.

Die Erkenntnis, dass sie eine dicke Brieftasche attraktiver fanden als ihn, hatte ihn schockiert. Er schaltete in den höheren Gang und fuhr schneller. Immerhin war er bald klüger geworden. Jetzt war er so zynisch, dass er sich nur mit Frauen abgab, die die beste Verpackung aufzuweisen hatten, und selbst mit ihnen hielt er es nicht lange aus. Es gab immer wieder neue, unter denen er sich nach Belieben eine aussuchen konnte.

Verächtlich verzog er die Lippen. Würde es immer so weitergehen? Eine ständig wechselnde Parade schöner Frauen? Er lächelte spöttisch. Weshalb beklagte er sich eigentlich? Die meisten Männer beneideten ihn.

Eines Tages würde er natürlich heiraten und eine Familie gründen. Er wusste nur noch nicht, wann. Sein derzeitiges Leben war oberflächlich, er bewegte sich in einer vergoldeten Scheinwelt. Nur wenige Ehen seiner Freunde und Bekannten hatten gehalten. Die Reichen schienen oft wie prächtige Schmetterlinge durchs Leben zu flattern. Er dachte an seine eigenen Eltern, die leider nicht mehr lebten. Obwohl sie bescheiden bezahlte Beamte gewesen waren, hatten sie alles daran gesetzt, um ihm eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sie waren entsetzt gewesen, als er ihnen schließlich eröffnete, dass er doch keine akademische Laufbahn einschlagen wollte. Nachdem er einen Sommer lang für ein Bauunternehmen gearbeitet hatte, war ihm bewusst geworden, welche Möglichkeiten das neue Spanien ehrgeizigen Männern bot. Es wäre dumm gewesen, das Angebot der Firma abzulehnen.

Seine Züge überschatteten sich. Immerhin hatten seine Eltern noch erlebt, wie ihr Sohn sein Imperium an der Südküste aufbaute. Doch sein Vater hatte sich besorgt über das damit verbundene hohe finanzielle Risiko geäußert, und seine Mutter war enttäuscht gewesen, dass er nicht ans Heiraten dachte. Seit sie vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hatte er keine Familie mehr. All seine Kraft und Energie steckte er in den Aufbau seines Imperiums.

Zwischendurch hatte er sich auch nach einem Anwesen in den Bergen umgesehen, fernab des Rummels an der Küste, wo er leben wollte, wenn er sich irgendwann einmal zurückziehen würde.

Wieder lächelte Cesar zynisch. Natürlich gab es für ihn neben der Arbeit auch Ablenkungen: Frauen. Er ließ sich von ihnen nie von seiner Arbeit abhalten, aber es gefiel ihm, sich ab und zu zu entspannen und zu amüsieren.

Cesar schaltete in einen anderen Gang. Im Moment gab es in seinem Leben keine Frau. Die Letzte, eine geschiedene Blondine aus Skandinavien, war im Bett unglaublich erfinderisch, in jeder anderen Hinsicht jedoch ziemlich langweilig gewesen. Temperament hatte sie nur entwickelt, wenn sie das Gespräch aufs Heiraten brachte. Sie hatte ihn als Ehemann Nummer zwei auserkoren. Das hatte ihn sehr gestört, und er hatte sich von ihr getrennt. Ilsa Tronberg hatte nur sein Geld geliebt, nicht ihn als Mensch.

Natürlich hatte sie versucht, es zu verbergen, aber er kannte Frauen wie sie. Letztlich war sie auch nicht besser als die käuflichen Flittchen am Arm jener Kriminellen.

Cesar runzelte die Stirn. An diese Frauen wollte er nicht denken, schon gar nicht an die eine, die ihm aufgefallen war. Schade, dachte er. Irgendwie war sie eine außergewöhnliche Frau, und er hätte sie gern näher kennengelernt, wenn sie nicht in Begleitung dieser Ganoven erschienen wäre. Er presste die Lippen zusammen.

Er näherte sich einer Kreuzung und verlangsamte das Tempo. Obwohl es bereits weit nach Mitternacht war, herrschte noch reger Verkehr. Das El Paraíso lag acht Kilometer außerhalb der Stadt. In der früher ländlichen Umgebung gab es jetzt viele kleinere Siedlungen, Hotels und Touristenzentren. Um ins eigentliche Hinterland zu gelangen, musste er in wenigen Minuten nach Norden abbiegen und in die Berge abseits der Küste fahren.

Als Cesar über die Kreuzung fuhr, bemerkte er plötzlich eine Gestalt auf dem Gehweg neben ihm. Instinktiv bremste er und war sekundenlang sprachlos vor Überraschung.

Rosalind stöhnte auf. Obwohl sie die lächerlichen Stöckelschuhe schon längst ausgezogen hatte und auf Strümpfen, die inzwischen zerrissen waren, weiterlief, taten ihre Füße fürchterlich weh. Immerhin erwies sich der Schlitz in ihrem Abendkleid als nützlich, denn so konnte sie wenigstens relativ große Schritte machen. Vor ihr lag jedoch noch ein weiter Weg.

Sie war wütend. Nicht auf Yuri Rostrov und seine Leute, sondern auf sich selbst. Wie hatte sie so dumm sein können, sich mit solchen Menschen überhaupt einzulassen? Was immer sie Sable schuldete, sich mit ihren Freunden nackt in der Badewanne zu vergnügen, ging zu weit. Das konnte niemand von ihr verlangen.

Ekel und Angst erfüllten sie bei dem Gedanken, was hätte passieren können, wenn sie sich nicht geweigert hätte, in die Limousine zu steigen. Yuri war nicht erfreut gewesen, doch sie war standhaft geblieben. Daraufhin hatte er vor sich hin geflucht und Gyorg eine der beiden an seinen Armen hängenden jungen Frauen zugeschoben. Schließlich waren alle zusammen in die Limousine gestiegen und davongefahren. Rosalind hatten sie einfach auf dem Gehweg stehen gelassen.

Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als zu Fuß nach Hause zu gehen. Für ein Taxi hatte sie kein Geld.

Ein spitzer Stein schnitt ihr in den Fuß, und sie zuckte vor Schmerz zusammen. Noch sechs Kilometer lagen vor ihr. Der letzte Bus war längst fort. Und selbst wenn jemand anhielt und bereit war, sie mitzunehmen, würde er das bestimmt nicht aus reiner Barmherzigkeit tun.

Plötzlich stoppte direkt vor ihr ein Wagen, aber sie ging entschlossen weiter.

Ich darf nicht stehen bleiben, sondern muss weiterlaufen, wenn jemand mich anspricht, darf ich nicht reagieren, mahnte sie sich.

Dennoch packte sie die hochhackigen Schuhe fester. Notfalls konnte sie die Absätze als Waffe benutzen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als eine Gestalt aus dem Sportwagen stieg. Nur undeutlich nahm sie wahr, dass es ein großer Mann war, der einen Smoking trug.

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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