Royale Liason – Liebe auf Geheiß des Königs (2 Miniserien)

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Tauchen Sie ein in eine Welt von Königen und Prinzessinnen, royaler Hochzeiten und ganz viel Leidenschaft.

Das eBook enthält zwei Miniserien von Lucy Monroe und Therese Beharrie.

SAG ZUM ABSCHIED "ICH LIEBE DICH!" von MONROE, LUCY
Noch eine letzte Nacht, dann ist es vorbei: Kronprinz Maksim macht mit seiner Geliebten Gillian Schluss, weil sie ihm keine Kinder schenken kann. Aber ihr heißer Abschied hat süße Folgen! Wie kann der Prinz Gillian überzeugen, dass er nie aufgehört hat, sie zu lieben?

EIN DATE, EIN KUSS, EIN HEIRATSANTRAG von MONROE, LUCY
Chanel seufzt lustvoll. Demyan ist so sündhaft sexy, dass sie machtlos ist gegen den himmlischen Zauber seiner Zärtlichkeiten. Warum bloß plagt sie trotzdem das Gefühl, er wäre nicht ganz aufrichtig? Er hat ihr doch sogar einen Heiratsantrag gemacht – nach nur drei Dates!

WERDE MEINE KÖNIGIN, LEYNA von BEHARRIE, THERESE
König Xavier sieht nur eine Möglichkeit, um den Frieden für sein Land zu sichern: Er muss seine Jugendliebe Leyna heiraten! Ausgerechnet die Frau, die ihn einst zurückwies – und die insgeheim immer noch leidenschaftliches Verlangen in ihm weckt …

WAS VERBIRGST DU VOR MIR, GELIEBTE? von BEHARRIE, THERESE
König Zacchaeus heiratet Prinzessin Nalini bloß aus einem Grund: um den Frieden für sein Land zu sichern! Doch seine schöne Braut weckt nicht nur verzehrendes Verlangen in ihm, sondern auch nie gekannte romantische Sehnsucht – und gefährdet so sein kühl kalkuliertes Vorhaben …


  • Erscheinungstag 05.05.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514552
  • Seitenanzahl 640
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lucy Monroe, Therese Beharrie

Royale Liason - Liebe auf Geheiß des Königs (2 Miniserien)

IMPRESSUM

Sag zum Abschied "Ich liebe dich!" erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2013 by Lucy Monroe
Originaltitel: „One Night Heir“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 382 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Irmgard Sander

Umschlagsmotive: Inara Prusakova / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2022.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751514699

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Kronprinz Maksim von Volyarus packte seinen ganzen Zorn in sein Training und die harten Geraden gefolgt von einem blitzschnellen Haken gegen seinen Cousin und Sparringspartner.

Leder klatschte auf Leder, als Demyan den Angriff mit einem Überraschungslaut parierte. „Haben Eure Hoheit irgendein Problem?“

Maks hasste es, wenn sein Cousin, der vier Jahre älter und mit ihm wie ein Bruder im Palast aufgewachsen war, ihn mit seinem offiziellen Titel ansprach. Was Demyan natürlich wusste. Doch er ärgerte Maks gern ein wenig, vor allem während ihres gemeinsamen Trainings. Weil es, wie er meinte, dem Sparring etwas Würze verlieh.

Heute wäre das allerdings gar nicht nötig gewesen, denn Maks hatte auch so schon eine gehörige Wut im Bauch, die er Demyan ohne Vorwarnung spüren ließ, weil der es nicht anders verdient hatte. „Nichts, das sich nicht durch eine ordentliche Tracht Prügel richten ließe“, entgegnete er deshalb und tänzelte rückwärts, um im nächsten Moment erneut mit einer schnellen, gnadenlosen Kombination aus Punch und Kick auf seinen Cousin loszugehen.

Beide ein Meter neunzig groß und in Topform, waren sie ebenbürtige Gegner.

„Ich dachte, heute wäre für dich und Gillian der große Abend“, sagte Demyan, wobei er, von der Wucht des Angriffs überrascht, zurücktaumelte. „Du meinst doch nicht etwa, dass sie dir einen Korb geben wird?“

„Wenn ich sie fragen würde, würde sie Ja sagen.“ Noch einen Tag zuvor hätte Maks diese Zuversicht sehr gefreut. Jetzt aber machte sie ihm erst recht bewusst, worauf er würde verzichten müssen – nämlich Gillian.

„Wo ist dann das Problem?“ Mit einer Salve von Punches und Kicks ging Demyan unvermittelt in die Offensive und zwang Maks, sich nun seinerseits zu verteidigen.

„Das Ergebnis ihrer medizinischen Untersuchung liegt vor.“

„Sie ist doch nicht etwa krank?“ Für einen Mann, der als kalt und skrupellos galt, klang die Frage ungewöhnlich besorgt.

Doch Maks wunderte sich nicht, wusste er doch genau, wie viel Demyan die Familie bedeutete. Und die ebenso schöne wie reizende Gillian war in den vergangenen acht Monaten schon fast ein Teil davon geworden. „Sie ist völlig gesund.“ Wenn man von ihren Eierstöcken absah. „Heute jedenfalls.“

„Was soll das heißen?“

„Mit sechzehn hatte sie eine Blinddarmentzündung.“

„Das ist zehn Jahre her. Was für einen Einfluss auf ihren heutigen Gesundheitszustand sollte das haben?“

„Ihre Eileiter.“

Demyan erstarrte und sah Maks verdutzt an. „Wie?“

Maks, der nicht in der Stimmung war, Nachsicht zu üben, nutzte die Unaufmerksamkeit seines Cousins eiskalt aus und streckte ihn mit einem präzise gesetzten Kick zu Boden.

Demyan sprang zwar sofort wieder auf die Füße, ging aber nicht wie sonst direkt zum Gegenangriff über. „Komm schon, Maks, mach es nicht so spannend, und erklär mir, was die Blinddarmentzündung eines Teenagers mit den Eileitern einer erwachsenen Frau zu tun hat.“ Er wusste natürlich, dass Maks’ Interesse an Gillians Fruchtbarkeit in Zusammenhang mit dem Fortbestand des Hauses Yurkovich, der Königlichen Familie von Volyarus, stand.

„Die Funktion ihrer Eierstöcke ist beeinträchtigt.“ Maks korrigierte den Sitz seiner Sparring-Handschuhe. „Was die Chance einer Schwangerschaft auf weniger als dreißig Prozent reduziert.“ Möglicherweise sogar auf sehr viel weniger, wie ihm die Spezialisten erläutert hatten.

Demyan schob sich das dichte schwarze Haar, das dem seines Cousins so ähnlich war, aus der Stirn. „Und was ist mit Hormonbehandlungen?“

„Ich habe nicht vor, Vater von Sechslingen zu werden.“

„Sei kein Idiot.“

„Bin ich nicht. Du weißt genau, dass ich keine Frau heiraten kann, die nicht in der Lage ist, den nächsten Erben plus Ersatz zu produzieren.“

Demyan schwieg einen Moment. Genau wie sein Cousin war er sich nur allzu sehr bewusst, welcher Preis mit ihrer Position verbunden war. Dennoch sagte er schließlich: „Du bist nicht dein Vater. Du musst nicht eine Frau heiraten, die du nicht liebst, nur um einen Erben zu liefern.“

„Das habe ich auch nicht vor. Aber genauso wenig werde ich eine Frau heiraten, die den gewünschten Erben allenfalls mit Hilfe langwieriger, belastender und keineswegs immer erfolgreicher Fruchtbarkeitsbehandlungen hervorbringen könnte.“

„Du könntest auch ein Kind adoptieren.“

„So wie meine Eltern es mit dir getan haben?“

„Formal adoptiert haben sie mich ja nie. Ich bin immer noch ein Zaretsky. Ich denke, es war nie die Absicht deines Vaters, mich zum Thronerben zu machen.“

„Du warst für ihn nur der Ersatz“, warf Maks bitter ein.

Sein Cousin zuckte unbeeindruckt die Schultern. „Pflicht ist Pflicht.“

„Ja, und meine Pflicht schließt aus, dass ich Gillian Harris bitte, meine Frau zu werden.“ Genauso wie sein persönliches Ehrgefühl von ihm verlangte, dass er die Beziehung mit ihr so schnell wie möglich beendete.

„Du liebst sie also nicht?“, erkundigte sich Demyan beiläufig.

„Das weißt du besser.“

„Liebe bringt nur Schmerz“, zitierte Demyan Maks’ Mutter.

„Und Kompromisse in Bezug auf die Pflicht“, ergänzte Maks.

Beide hatten allen Grund, es auch zu glauben.

„Was hast du jetzt vor?“ Demyan ließ sich in die Sparringhaltung zurückfallen, Maks führte eine einfache Kombo aus einem Stoß mit der Führhand und einem linken Haken aus.

„Was meinst du wohl?“

„Mir wird sie jedenfalls fehlen.“

Was Maks keine Sekunde bezweifelte. Ein Grund, warum er sich entschieden hatte, Gillian zu heiraten, lag ja darin, wie überraschend gut sie mit seiner Familie auskam und wie souverän sie gesellschaftliche Situationen meisterte, in denen sich viele überfordert gefühlt hätten. Als Tochter eines international renommierten Journalisten hatte Gillian sich schon von Kindheit an ganz selbstverständlich in der Gesellschaft der Reichen und Mächtigen der Welt bewegt.

Demyan parierte Maks’ Kick und stieß seinerseits vor. „Wirst du es ihr heute Abend sagen?“

„Das wird vielleicht gar nicht nötig sein.“ Seine reizende blonde Freundin mit den hinreißenden blauen Augen würde inzwischen auch eine Kopie der Ergebnisse ihres jüngsten Gesundheitschecks erhalten haben. Mit anderen Worten: Gillian wusste natürlich längst, welche besonderen Pflichten und Verantwortungen mit seiner Position verbunden waren. Also sollte sie damit rechnen, dass er ihre Beziehung beendete. Und da sie vernünftiger war als die meisten Frauen, die er kannte, hoffte er, dass sie ihm keine Szene machen würde.

„Ja, Nana, ich glaube, heute ist der große Abend.“ Gillian hatte sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr geklemmt, während sie gleichzeitig auf einem Bein hüpfend versuchte, sich die Schuhe anzuziehen.

„Hat er dir schon gesagt, dass er dich liebt?“, erkundigte sich Evelyn Harris, die nicht nur Gillians Großmutter war, sondern sie auch großgezogen hatte.

„Nein.“

„Dein Großvater sagt mir seit achtundvierzig Jahren jeden Abend, bevor wir schlafen gehen, dass er mich liebt.“

„Ich weiß, Nana.“ Aber Maks war eben anders. Extrem beherrscht – als wäre dies ein königliches Gebot, das er als pflichtbewusster Kronprinz selbstverständlich befolgte. Seine Gefühle zeigte er eigentlich nur, wenn sie einander liebten. In gewisser Weise jedenfalls. Maks war ein fantastischer Liebhaber, der sich ganz darauf konzentrierte, der Frau, die sein Bett teilte, Freude zu schenken.

In den vergangenen sieben Monaten war Gillian diese Frau gewesen. Doch zuvor waren sie einen ganzen Monat regelmäßig miteinander ausgegangen, bevor sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Gemessen an Maks’ Ruf als Frauenheld, hatte Gillian das damals seltsam gefunden. Später hatte sie jedoch begriffen, dass Maks bei ihr mehr als nur ein flüchtiges, sexuelles Abenteuer gesucht hatte, so unglaublich es auch zu sein schien.

Eine aufregende Erkenntnis, denn schließlich gehörte sie ja keineswegs zu seinen Kreisen. Sie war weder reich noch berühmt noch mächtig. Allerdings traf sich ihr Vater, wenn er einmal in der Stadt war, immer noch gern mit ihr, was notgedrungen bedeutete, dass sie ihn zu der einen oder anderen offiziellen Veranstaltung begleitete. Da es für Richard Harris unvorstellbar war, seine wertvolle Zeit nur mit einem Besuch bei ihr zu vergeuden, baute er sie in der Regel einfach in seinen Terminplan ein. Als wenig bemerkenswerte Tochter des berühmten Nachrichtenkorrespondenten hatte Gillian so an mehr Diplomatenempfängen und High Society Events teilgenommen, als ihr lieb war.

Dennoch war niemand überraschter als sie, als sich herausstellte, dass Kronprinz Maksim Yurkovich sich anscheinend gerade zum wenig Bemerkenswerten hingezogen fühlte. Aber einige seiner Kommentare sowie seiner Mutter bei den wenigen Anlässen, bei denen Gillian die Königin getroffen hatte, ließen keinen Zweifel daran, dass im Königshaus auf die Bekanntheit der Person bei der Auswahl des Partners kein Wert gelegt wurde. Trotzdem hätte Gillian erwartet, dass der Thronfolger sich als zukünftige Frau jemanden von adeliger Abstammung ausgesucht hätte, doch auch dieser Aspekt schien im Königshaus von Volyarus keine so große Rolle zu spielen wie in anderen königlichen Familien auf der Welt.

Kaum jemand hätte jedenfalls so wenig bemerkenswert sein können wie ein Kleinstadtmädchen aus Alaska, das sich den Lebensunterhalt als „Pralinenschachtelfotografin“ verdiente, wie es ihr Vater nannte. Andererseits gab es aber auch nichts Anstößiges oder Fragwürdiges in ihrer Biografie zu beanstanden. Zwar waren ihre Eltern nicht zusammengeblieben und auch nicht daran interessiert gewesen, sie persönlich großzuziehen, aber sie hatten immerhin rechtzeitig vor ihrer Geburt geheiratet und mit der Scheidung anstandshalber bis ein Jahr danach gewartet.

„Ich lege besser auf, weil du mit dem Kopf sowieso ganz woanders bist“, sagte ihre Großmutter jetzt am anderen Ende der Leitung.

Gillian strich sich das blonde Haar hinters Ohr. „Sorry, Nana, ich wollte nicht …“

„Schon gut. Wenn du an Maks denkst, schaltet der Rest deines Verstandes ab. Aber sorg dafür, dass der Junge dir sagt, dass er dich liebt, bevor du seinen Antrag annimmst.“

„Er ist wirklich kein Junge mehr“, protestierte Gillian nicht zum ersten Mal.

„Ich bin fünfundsiebzig, mein Kind. Für mich ist er ein Junge.“

„Aber manche Menschen sprechen diese Worte nie aus“, kehrte Gillian noch einmal zu dem Thema zurück, das ihrer Großmutter so wichtig war.

„Manche Menschen haben eben weniger Verstand als eine Mücke.“

„Rich hat es mir auch noch nie ausdrücklich gesagt, aber er liebt mich trotzdem.“ Noch während sie die Worte aussprach, wurde ihr klar, dass sie sich dessen gar nicht so sicher war. Ihr Vater war nicht der liebevolle, gefühlsbetonte Typ. Tatsächlich hatte Richard Harris sich immer nur mäßig bemüht, an ihrem Leben Anteil zu nehmen. Aber er hatte auch dafür gesorgt, dass Gillian überhaupt von zwei Menschen großgezogen worden war, die sie aufrichtig liebten und um ihr Wohl besorgt waren. Genau die beiden Menschen nämlich, die auch ihn großgezogen hatten.

„Dein Daddy ist ein Blödmann, Pulitzer-Preis hin oder her!“

Gillian lachte, wusste sie doch, dass ihre Großmutter diese Worte nicht ernst meinte. Evelyn Harris war im Gegenteil sehr stolz auf ihren weltberühmten Sohn und hatte darüber hinaus die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er Gillian eines Tages ein richtiger Vater sein würde.

Der Zug war längst abgefahren, was aber Gillian ihrer Großmutter gegenüber nie erwähnt hätte, weil es sie nur verletzt hätte. „Lass ihn das bloß nicht hören“, scherzte sie stattdessen. „Sonst fordert er noch das Wohnmobil von euch zurück.“

„Das möchte ich sehen! Ich habe immer noch einen Holzlöffel in der Küche und keine Angst, ihn zu benutzen.“

Eine Vorstellung, die Gillian erst recht zum Lachen brachte. Ihre Großmutter hatte auch ihr immer mal wieder mit dem berüchtigten Holzlöffel gedroht. Tatsächlich hatte Gillian ihn aber nicht ein einziges Mal zu spüren bekommen.

„Ich weiß wirklich nicht, was meinem missratenen Sohn in den Sinn kommt“, sagte die alte Frau jetzt.

„Er ist schon in Ordnung, Nana. Nur weil eine Familie in seinen Träumen keinen Platz hatte, ist er noch lange nicht schlecht.“

„Träume hin, Träume her, er hat nun mal eine Tochter!“

„Ich weiß.“ Gillian hatte sich längst damit abgefunden, dass sie nicht wirklich erwünscht gewesen war, auch wenn sie ihren Eltern dankbar war, dass sie ihr das Leben geschenkt hatten.

„Ach, ich mag mir gar nicht vorstellen, dass du schon so bald heiraten willst“, jammerte Evelyn Harris in einem Ton, der bei Gillian die Alarmglocken schrillen ließ. Gleich würde ihre Großmutter auf die Idee kommen, ihren gegenwärtigen Abenteuertrip mit Großvater abzubrechen und kurz entschlossen nach Seattle zu fliegen, um bei ihrer Enkelin nach dem Rechten zu sehen!

„Nana, es geht mir gut. Bestens sogar.“ Schließlich stand sie kurz davor, sich mit dem Mann zu verloben, den sie von ganzem Herzen liebte. „Ich brauche diese Worte wirklich nicht.“ Nein, sie legte viel mehr Wert auf Taten, und die sprachen für sich. Trotz seines vollen Terminkalenders und der hohen Beachtung, die sein Leben in der Öffentlichkeit fand, gab Maks ihr nie das Gefühl, an zweiter Stelle zu stehen. Im Gegenteil. Er hatte noch nie eine Verabredung mit ihr abgesagt, kam nie zu spät zu einem Date oder gab ihr das Gefühl, dass ihre Interessen oder ihre Karriere als Fotografin unbedeutend wären.

„So so.“

Evelyn Harris’ zweifelnder Unterton ließ Gillian befürchten, dass ihre Großmutter vorhatte, sich Maks vorzuknöpfen. Sie seufzte. Er musste noch die eine oder andere Gardinenpredigt dieser Art verkraften, wenn sie wirklich heiraten würden.

„Wie gefällt dir und Grandpa denn Las Vegas?“, versuchte sie, auf ein unverfänglicheres Thema abzulenken.

„Dein Großvater hat an den Blackjack-Tischen Geld verloren, aber ich habe an den Automaten gewonnen“, trumpfte Evelyn Harris so begeistert auf, dass Gillian lächelte.

„Bleibt es dabei, dass Rich sich nächste Woche mit euch zum Dinner trifft?“

„Er hat jedenfalls noch keine SMS mit einer Absage geschickt“, erwiderte Gillians Großmutter so spitz, dass kein Zweifel daran bestehen konnte, dass sie diese moderne Art der Kommunikation für eine Unsitte hielt.

„Gut.“

„Ich nehme an, wir werden ihm dann gute Neuigkeiten verkünden können?“

„Das denke ich auch.“ Es läutete an der Wohnungstür. „Das wird Maks sein, Nana. Ich muss jetzt Schluss machen.“

„Ruf morgen wieder an, hörst du?“

„Ja, Nana.“ Mit guten Neuigkeiten.

Lächelnd eilte Gillian zur Tür. Im Vorbeigehen fiel ihr Blick auf den Briefumschlag mit den Ergebnissen ihres jüngsten Gesundheitschecks. Sie hatte sich den Arztbericht noch gar nicht angesehen, rechnete aber nicht mit irgendwelchen Überraschungen. Der jährliche ärztliche Check war ihr auf Drängen ihres Vaters hin einfach zur Gewohnheit geworden, nachdem sie mit sechzehn fast an einer akuten Blinddarmentzündung gestorben wäre. Dass ihr Vater überhaupt darauf bestand, nahm sie als Beweis seiner Zuneigung.

Maks wirkte ungewöhnlich ernst, als Gillian ihm die Tür öffnete – und, bekleidet mit einem schwarzen Armani-Anzug, wie stets atemberaubend attraktiv.

Sie blickte lächelnd zu ihm auf. „Du bist früh dran.“

„Und trotzdem bist du schon fertig. Du bist wirklich eine ungewöhnliche Frau, Gillian Harris.“ Zwar erwiderte er ihr Lächeln nicht, aber der Blick seiner samtbraunen Augen war wie eine Liebkosung und gab ihr wie jedes Mal das Gefühl, in seinen Augen die schönste Frau der Welt zu sein.

Bereitwillig trat sie zur Seite, um ihn einzulassen. „Nana hatte nichts übrig für Unpünktlichkeit.“

„Und ich habe mir eingebildet, du wärst so verrückt darauf, mich zu sehen, dass du dich extra beeilt hast, dich für mich schön zu machen“, sagte er neckend.

„Das natürlich auch“, gestand sie lächelnd.

Er beugte sich herab und küsste sie zur Begrüßung zart auf den Mund. Als sie ihre Lippen unwillkürlich öffnete und seinem Kuss verlangend entgegenkam, drängte er sie in die Wohnung zurück und presste sie an sich. Wie so oft, wenn sie einander küssten, vergaß Gillian alles um sich her, ganz gefangen von den erregenden Gefühlen, die Maks in ihr weckte.

Erst als sie beide Atem holen mussten, gab er sie wieder frei. Sein Blick fiel auf den Umschlag mit dem Arztbericht auf dem Telefontischchen. Gillian hatte ihn schon geöffnet, aber dann war ihr der Anruf ihrer Großmutter dazwischen gekommen, ehe sie den Bericht hatte ansehen können. Doch sie machte sich keinerlei Gedanken. Sie war noch jung, erst sechsundzwanzig, lebte gesund und fühlte sich in keinerlei Hinsicht krank.

„Du hast die Ergebnisse deines Gesundheitschecks bekommen“, sagte Maks nun seltsam ausdruckslos.

Sie nickte und ging voraus ins Wohnzimmer. „Möchtest du etwas trinken, bevor wir gehen?“

„Einen kleinen Old Pulteney, falls du ihn dahast.“

„Das weißt du doch.“ Seit sie wusste, dass der einundzwanzigjährige Single Malt Scotch sein Lieblingswhisky war, hielt sie immer eine Flasche bereit.

Gillian schenkte ihm in einen Tumbler zwei Finger breit Whisky ein, ohne Eis, und reichte ihm den Drink.

„Danke.“ Er trank einen größeren Schluck als gewöhnlich.

Sie registrierte es lächelnd als rührenden Beweis, dass er, den sonst nichts aus der Ruhe bringen konnte, ungewohnt nervös war, und schenkte sich selbst ein Sodawasser ein, gab Eis und eine Zitronenscheibe dazu.

„Du hast mir nie gesagt, dass du mit sechzehn eine Blinddarmentzündung hattest.“

„Du hast mich nie danach gefragt.“ Gesehen hatte er die kleine, verblasste Narbe oft genug. Es wunderte Gillian allerdings, dass die alte Geschichte in ihrem Gesundheitsbericht erwähnt worden war. Anscheinend war Maks’ Arzt wesentlich gründlicher gewesen als ihre Hausärztin. Dass Maks den Bericht offensichtlich sehr aufmerksam studiert hatte, überraschte sie dagegen nicht. Es war ganz seine Art.

Als er aber jetzt mit sehr nachdenklicher Miene erneut einen Schluck Whisky trank, fragte sie sich doch, was an der Tatsache, dass sie vor zehn Jahren eine Blinddarmentzündung gehabt hatte, so bedenklich sein sollte. Vielleicht ging es ihm ja einfach wie ihrem Vater, den die Nachricht, dass sie fast gestorben wäre, damals sehr hart getroffen hatte. Zum ersten und einzigen Mal hatte Gillian in dem attraktiven Gesicht von Rich Harris einen Ausdruck echter Sorge gesehen, als er sie im Krankenhaus besucht hatte. Da aber ihr Vater nie gern an diesen Beweis seiner Verletzlichkeit erinnert wurde, nahm Gillian Ähnliches von Maks an und ging schweigend darüber hinweg.

„Wo hast du denn zum Dinner reserviert?“, fragte sie stattdessen. Er hatte ihr angekündigt, dass er sie in ein besonderes Restaurant ausführen wolle. Zusammen mit der Tatsache, dass er sich nach ihrem jährlichen Gesundheitscheck erkundigt und darauf bestanden hatte, dass diesmal sein persönlicher Leibarzt die Untersuchungen durchführte, wertete Gillian dies als untrüglichen Hinweis, dass dieser Abend mit einem Heiratsantrag enden würde.

Ein Antrag, den sie keineswegs ablehnen würde. Sie liebte Maks von ganzem Herzen, obwohl sie es ihm auch noch nicht ausdrücklich gesagt hatte. Das hatte sie ihrer Großmutter nicht eingestanden, aber tatsächlich kamen auch ihr diese Worte überraschend schwer über die Lippen.

„Im ‚Chez Rennet‘.“

Es war das erste Restaurant, in das Maks sie eingeladen hatte. Kein Zweifel, auch wenn er die Worte nicht aussprach, so war er in seinem Herzen doch ein Romantiker.

„Wundervoll! Ich liebe Rennets Küche.“ Rennet, Küchenchef und Restaurantbesitzer in einer Person, hatte sie und Maks ins Herz geschlossen, und es war immer ein besonderes Vergnügen, bei ihm zu speisen. Ein weiterer Beweis, dass Maks diesen Abend zu einem besonderen machen wollte.

„Ich weiß.“ Erneut sah Maks sie so merkwürdig ernst an.

Plötzlich glaubte sie zu verstehen. Es war ja wirklich eine ernste Angelegenheit, denn der Abend sollte mit einem Gespräch enden, das Maks ganz sicher nur ein einziges Mal in seinem Leben führen wollte. In dem Moment, als sie begriff, wie bedeutsam dieser Abend für Maks war, hatte auch sie mit einem Mal einen ganzen Schwarm Schmetterlinge im Bauch. Lieber Himmel, sie stand im Begriff, sich mit einem leibhaftigen Prinzen zu verloben! Zum ersten Mal machte sie sich bewusst, wie es sein würde, eine richtige Prinzessin zu sein.

Die Vorstellung war schon ein wenig Angst einflößend. Ihre Großmutter hatte Gillian immer gesagt, dass sie das Talent besaß, Dinge, die ihr unbequem waren, einfach zu ignorieren, und jetzt gestand sie sich ein, dass sie genau das in den vergangenen Monaten mit Maks getan hatte. Doch sein ernstes Auftreten an diesem Abend zwang sie, sich klarzumachen, was sein Heiratsantrag für sie beide bedeuten würde.

Letztendlich änderte es jedoch nichts. Sie hätte auf sämtliche Annehmlichkeiten der Zivilisation verzichtet und wäre ihm in die Antarktis gefolgt, wenn er es von ihr verlangt hätte. Nein, es konnte sie nicht schrecken, die Rolle als Prinzessin an seiner Seite anzunehmen und mindesten sechs Monate im Jahr in dem baltischen Inselstaat Volyarus zu leben. Sie liebte ihn, den Menschen Maks. Deshalb konnte und wollte sie auch den Rest ihres Lebens mit Maksim aus dem Hause Yurkovich, dem Kronprinzen von Volyarus, verbringen.

2. KAPITEL

Das Dinner war wundervoll. Obwohl Maks weiterhin ungewöhnlich ernst wirkte, bezauberte er Gillian wie stets mit seinem unwiderstehlichen Charme.

Das eine oder andere Mal schien er allerdings etwas Wichtiges sagen zu wollen, besann sich dann aber anders. Für Gillian ein weiterer Beweis seiner geradezu rührenden Nervosität, weshalb sie sich im Verlauf des Abends nur noch mehr in den Mann ihrer Träume verliebte.

Nach dem Essen führte er sie in einen Club, in dem erstklassiger Jazz gespielt wurde, weil er genau wusste, wie sehr sie das liebte. Hingerissen lauschte sie der Musik, die ein ernsthaftes Gespräch erst einmal unmöglich machte, und spürte, wie auch Maks sich endlich etwas entspannte. Als er sie dann später nach Hause brachte, nahm er, wie erwartet, ihre Einladung an, mit in ihre Wohnung hinaufzukommen.

Er half ihr aus dem Mantel, legte ihn über den nächstbesten Stuhl und blieb dann irgendwie unschlüssig im Zimmer stehen. Um ihm etwas von seiner ungewohnten Befangenheit zu nehmen, bot Gillian ihm noch einen Drink an.

„Besser nicht.“

„Aber wenn du nicht willst, musst du doch nicht mehr fahren.“ Schließlich hatte er nach einem gemeinsamen Abend schon oft die Nacht bei ihr verbracht und ihr Angebot eigentlich nur ablehnt, wenn er früh morgens einen Termin hatte oder zum Flughafen musste.

Es überraschte sie deshalb, als er zögernd erwiderte: „Hältst du das für eine gute Idee?“

Meinte er etwa, dass sie sich in Anbetracht ihrer bevorstehenden Heirat rar machen wollte? Nun, sie hatte nicht vor, für die Boulevardpresse die „jungfräuliche Braut“ zu spielen. Denn obwohl es sehr angenehm war, dass sie ihre Beziehung bislang hatten geheim halten können, war natürlich klar, dass jetzt schon bald alle Welt davon erfahren würde. Was Gillian nichts ausmachte, nur dass sie nicht bereit war, sich deswegen zu verstellen.

„Ja“, antwortete sie deshalb entschieden.

„Wir müssen reden.“

„Danach.“ Plötzlich wollte sie das Eingeständnis ihrer Liebe hören, und wenn es nur aus ihrem Mund kam, bevor Maks sie bat, seine Frau zu werden. Sie würde es ihm zuflüstern, während sie einander liebten.

In seinen samtbraunen Augen leuchtete ein Verlangen auf, dem sie nicht widerstehen konnte. „Du bist sicher, dass das klug ist?“

„Ja.“ Zwar war sie sich nicht sicher, woher dieses Bedürfnis entsprang, aber sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, seinen Heiratsantrag anzunehmen, ohne ihm vorher gestanden zu haben, was sie für ihn empfand. So oder so wollte sie heute Nacht ihrer Liebe Ausdruck verleihen, zumindest mit ihrem Körper – aber sie hoffte, dass sie es auch schaffen würde, die Worte auszusprechen.

Je mehr es sie dazu drängte, umso mehr begriff sie, wie schwer es ihr fiel, diese drei kleinen Worte zu sagen. Obwohl sie bei ihren Großeltern in dem Gefühl, geliebt zu werden, aufgewachsen war, lag ihre diesbezügliche Scheu wahrscheinlich in ihrem sehr distanzierten Verhältnis zu ihren Eltern begründet, von denen sie derartige Gefühlbekundungen niemals erlebt hatte. Bislang hatte sie auch noch keinem Mann ihre Liebe gestanden, weil sie noch nie verliebt gewesen war. Ihr Herz war nicht so leicht zu gewinnen.

Bei Maks hatte sie Möglichkeit, ihm körperlich zu zeigen, wie viel sie für ihn empfand. So oder so würde er nach dieser Nacht wissen, dass sie ihn liebte.

Er schüttelte verwundert den Kopf. „Du bist wirklich eine sehr ungewöhnliche Frau.“

Das glaubte sie zwar nicht, aber sie leugnete es auch nicht, weil er sie so bewundernd ansah. Musste sie nicht etwas ganz Besonderes für ihn sein, wenn er den Rest seines Lebens mit ihr teilen wollte? Für sie jedenfalls war Maks ein Mann wie kein anderer.

Er nahm ihre Hand und zog sie in den Flur zum Schlafzimmer. „Komm, heute möchte ich dich in aller Bequemlichkeit lieben.“

Zwar hatten sie sich durchaus schon öfter auf dem Sofa im Wohnzimmer geliebt, aber Gillian widersprach nicht, wenn er dies einen besonderen Anlass fand. Vielleicht war es ja seine Art, ihr zu zeigen, wie viel es ihm bedeutete.

Mit klopfendem Herzen ließ sie sich also von ihm ins dunkle Schlafzimmer führen, wo er ihre Hand losließ, um die Lampe auf dem kleinen Tisch anzuknipsen. Der bronzene Fuß war wie eine anmutige Statue gestaltet, gekrönt von drei – Lilien nachempfundenen – Glasblüten, deren matte Glühbirnen ein sanftes Licht verbreiteten. An der Wand darüber hing das Porträt einer blonden Schönen inmitten eines Lilienfeldes. Maks hatte es ihr geschenkt, weil es ihn, wie er sagte, an sie erinnerte. Gillian fand die Frau in dem Gemälde zwar viel zu zart und ätherisch, um eine Ähnlichkeit zu sich festzustellen, aber ihr gefiel das Bild.

Maks wandte sich ihr zu und sah sie ernst an. „Du machst mir ein großes Geschenk.“ Er seufzte. „Und ich brauche es.“

Sie lächelte, überwältigt von ihren Gefühlen, die es ihr unmöglich machten, ein Wort herauszubringen.

Doch Maks schien das zu verstehen. Er nahm sie einfach in die Arme und küsste sie, und eine Weile ließen sie sich vom Ansturm ihrer Leidenschaft treiben, bis sie schließlich atemlos aufblickten.

„Du küsst sehr gut“, flüsterte sie.

„Du aber auch“, erwiderte er neckend.

„Na ja, du bist ja wohl der Erfahrenere von uns beiden.“ Zwar war sie nicht mehr Jungfrau gewesen, als sie sich kennenlernten, aber ihre ganze Erfahrung beschränkte sich auf zwei eher linkische und wenig lustvolle Erlebnisse während ihrer Studienzeit. Erst Maks hatte ihr beigebracht, wie wundervoll es war, sich gegenseitig Lust zu schenken, und sie mit unendlicher Geduld in die Freuden einer ungeahnten Sinnlichkeit eingeführt.

„Wir passen gut zueinander.“ Es klang fast traurig, als er es sagte.

Doch sie musste sich täuschen, denn es gab doch nichts, weshalb er hätte traurig sein müssen. Oder gehörte er etwa zu den Männern, die meinten, dass in der Ehe Sex bestenfalls zur Routine wurde?

Nun, sie würde ihm das Gegenteil beweisen, denn sie war eine Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts, die nicht nur daran glaubte, dass auch Frauen Freude am Sex haben sollten, sondern auch, dass er im Ehebett ganz entschieden und häufig seinen Platz hatte.

Nichts davon sprach sie jedoch aus, sondern konzentrierte sich ganz darauf, Maks den Anzug auszuziehen. Er half ihr, indem er sich Schuhe und Strümpfe abstreifte und sich das Smokinghemd einfach über den Kopf zog, nachdem er die Fliege ungeduldig gelockert und die obersten Hemdknöpfe aufgeknöpft hatte.

„Du hast es aber eilig“, bemerkte sie neckend.

„Du hast keine Ahnung wie!“ Im Nu hatte er ihr das Kleid, den Spitzen-BH und den zarten Slip ausgezogen, ohne sich wie sonst die Zeit zu nehmen, ihren Anblick in den aufregenden Dessous zu bewundern. Erst als sie nackt vor ihm stand, wanderte sein Blick in glühendem Verlangen über ihren schönen Körper.

Gillian erschauerte und fühlte, wie ihre Brustwarzen hart wurden. Noch nie hatte sie Maks so sehr begehrt wie in diesem Moment, da es das Vorspiel zu ihrem Leben an seiner Seite sein würde. Sie las in seinen Augen, dass er Ähnliches empfand. Auch er schien überwältigt von seinen Gefühlen.

Ohne zu überlegen, schmiegte sie sich in seine Arme und genoss es, als er sie wie seine Braut hochhob und zum Bett trug. Noch während er sie behutsam niederlegte, begann er, ihr Kinn und ihren Hals mit zarten, erregenden Küssen zu bedecken. Sehnsüchtig presste Gillian das Gesicht an seinen Hals und atmete den Duft seines Aftershaves ein. Spätestens das war der Zeitpunkt, da sie ihm nicht mehr widerstehen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Und sie wollte es gar nicht.

Es war ein himmlisches Gefühl, wie das Verlangen langsam in ihr wuchs, während Maks’ Hand zärtlich und bewundernd zur ihren Hüften hinabglitt.

„Du bist alles, was ich mir wünsche“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Wenn nur …“

Wenn nur, was? Sie wusste es nicht, aber es war ihr in dem Moment auch egal. Denn Maks streichelte sie in einer so unbeschreiblich erregenden Weise, wie sie es selbst von ihm noch nicht erlebt hatte. Als wäre sie etwas sehr Kostbares, Zerbrechliches, ja, etwas ganz Besonderes für ihn. Nicht einmal ihre Hochzeitsnacht hätte sie sich schöner ausmalen können.

Verlangend und bewundernd begann sie nun auch ihrerseits, ihn zu streicheln. Fast wollte sie es kaum glauben: Dieser erstaunliche Mann, ein echter Prinz und Großindustrieller in einem, gehörte tatsächlich ihr – er lag nackt in ihren Armen, sodass sie seinen wundervollen, männlich schönen Körper ganz nach Belieben liebkosen konnte.

„Du und Demyan, ihr haltet euch wirklich bemerkenswert in Form“, sagte sie anerkennend.

Bei der Erwähnung seines Cousins huschte ein seltsamer Ausdruck über Maks’ Gesicht. Normalerweise hätte Gillian nachgefragt, aber in diesem Moment war ihr nur wichtig, was zwischen ihnen geschah. Es würde buchstäblich ihr Leben verändern, vor allem wenn es ihr gelang, die drei alles entscheidenden Worte auszusprechen.

„Unser Sparring heute war ziemlich rau“, fügte Maks von sich aus erklärend hinzu.

Gillian ließ die Fingerspitzen über einen blauen Fleck gleiten, den sie gerade entdeckt hatte. „Sieht ganz so aus.“

„Das ist gar nichts“, wehrte er sofort stolz ab, denn niemals hätte er zugegeben, dass sein Cousin ihm beim Sparring überlegen gewesen wäre.

Demyan war, soweit Gillian ihn bisher kennengelernt hatte, ein sehr verschlossener Mensch, aber er und Maks standen sich auf jeden Fall sehr nahe. Es war gut, dass Maks einen Menschen hatte, dem er vertrauen konnte. In der Welt, in der lebte und die sie durch ihren Vater kennen- und verstehen gelernt hatte, war das besonders wichtig.

Jetzt beugte sie sich vor und bedeckte den blauen Fleck und dann weiter seine muskulöse Brust hingebungsvoll mit zärtlichen Küssen.

„Mm, das gefällt mir.“

Ja, er ließ sich gern verwöhnen, auch im Bett. Aber er schenkte seinerseits auch genauso großzügig, weshalb Gillian sich nie beklagte.

Eine Weile genoss er ihre Liebkosungen, dann drückte er sie sacht zurück aufs Bett und legte sich auf sie. Forschend blickte er ihr in die Augen. „Du bist wie gemacht für mich. Zu perfekt.“

Sie schüttelte den Kopf. Wusste er denn nicht, dass es von dem, was sie miteinander teilten, niemals zu viel geben konnte? Ehe sie jedoch etwas erwidern konnte, verschloss er ihr die Lippen mit einem Kuss. Er küsste sie, als wollte er nie mehr aufhören, als wollte er sie sich ganz und gar zu Eigen machen. Und Gillian erwiderte seinen Kuss von ganzem Herzen, weil sie ihm doch längst bedingungslos gehörte.

Im Nu entbrannte die Leidenschaft zwischen ihnen zu einem lodernden Feuer, das alles andere in den Hintergrund drängte. Für Maks und Gillian gab es nur noch sie beide und diese alles verzehrenden Gefühle, die mit Macht nach Erfüllung drängten. Verlangend spreizte Gillian die Beine. Sie wollte ihn. Jetzt.

Doch anstatt die verführerische Einladung anzunehmen, wich Maks zurück und blickte auf. „Noch nicht.“

„Bitte!“

Er schüttelte nur den Kopf und begann stattdessen, sie erneut zu streicheln und mit Lippen und Zunge zu liebkosen, als wolle er sie rasend vor Lust machen. Stöhnend drängte Gillian sich ihm entgegen und schrie leise auf, als er endlich eine ihrer harten Brustwarzen mit dem Mund umschloss. Zufrieden lachend setzte er sein erotisches Liebesspiel fort, bis sie glaubte, die süße Qual nicht länger ertragen zu können.

„Bitte! Bitte“, flehte sie ein ums andere Mal, und endlich hob er ihr Hüften an und drang in sie ein, zum ersten Mal ohne Kondom.

Die Vorstellung aber, ein Kind mit ihm zu zeugen, steigerte Gillians Erregung derart, dass sie schon beim ersten Stoß zum Höhepunkt gelangte. Ohne innezuhalten, stieß Maks weiter zu, immer schneller und machtvoller, bis sie ein zweites Mal kam. Ihr lustvoller Aufschrei mischte sich mit Maks triumphierendem Stöhnen, als er im nächsten Moment ebenfalls zum Orgasmus gelangte.

Schwer atmend blickte er sie ernst an. „Danke.“

Unfähig, ein Wort über die Lippen zu bringen, schüttelte sie nur stumm den Kopf. Wie gern hätte sie ihm die drei Worte gesagt, aber vielleicht war es ja gar nicht nötig. Er musste jetzt wissen, was sie für ihn empfand – so, wie sie keinen Moment an seinen Gefühlen für sie zweifelte. Kein Mann konnte derart leidenschaftlich und selbstvergessen mit einer Frau Sex haben, die er nicht auch liebte.

„Ich hätte dich fragen müssen. Wegen des Kondoms.“

„Nein, das ist schon in Ordnung.“ Sie wollte nichts Trennendes mehr zwischen ihnen.

Er nickte ernst und streckte sich neben ihr aus. „Ich würde gern die ganze Nacht bleiben. Darf ich?“

„Natürlich.“ Zwar wusste sie nicht, warum er die Frage überhaupt für nötig hielt, aber vielleicht war es auch in dieser Hinsicht ein ganz besonderer Moment.

Gillian wachte in Maks’ Armen auf. Sein Atmen verriet ihr, dass er schon wach war. Und plötzlich lagen ihr die Worte, die sie nicht herausbekommen hatte, auf der Zunge. Ohne zu zögern setzte sie sich hin und blickte im sanften Licht des frühen Morgens auf ihn herab.

„Ich liebe dich, Maks.“

Es war ganz leicht gewesen. Die Worte waren ihr wie von selbst über die Lippen gekommen, doch nun wich sie Maks’ Blick befangen aus. Vor allem, weil er so überrascht, ja, schockiert wirkte.

Wie sollte er es nicht wissen? Wie konnte ihn ihr Liebesgeständnis überraschen nach dem, was sie miteinander geteilt hatten? Oder war einfach der Zeitpunkt schlecht gewählt?

Da Gillian diese Worte noch nie zuvor zu einem Mann gesagt hatte, wusste sie auch nicht, ob – zumindest in Maks’ Welt – womöglich irgendein Protokoll vorschrieb, Liebesgeständnisse erst nach dem Morgengruß zu äußern. Das klang natürlich lächerlich, aber Gillian hatte, seit sie mit Maks zusammen war, schon die verrücktesten königlichen Protokolle kennengelernt. Nur gut, dass sie ihn wirklich liebte, denn sonst wäre ihr nie in den Sinn gekommen, ihr weiteres Leben an einem derart sonderbar und archaisch organisierten Ort zu verbringen wie einem Königshof.

Sie streckte sich neben Maks aus und schmiegte sich wieder an ihn. „Ich könnte mich wirklich daran gewöhnen.“

„Zu schade, dass es nicht möglich ist.“

Sie hörte die Worte, ohne ihren Sinn zu begreifen. Denn sie war immer noch zu sehr in der Erinnerung an die unglaubliche Liebesnacht mit Maks gefangen. Dazu kam ihre unbeschreibliche Erleichterung, weil sie es doch geschafft hatte, ihm ihre Liebe zu gestehen – auch wenn es etwas unbeholfen geschehen war.

Wenigstens hatte er sie nicht ausgelacht. Überhaupt zählte das zu den besonders netten Zügen an Maks: Er machte sie nie über einen Menschen lustig, obwohl er selbst jeder Situation gewachsen zu sein schien.

„Die vergangene Nacht war überwältigend“, sagte sie.

„Ja“, erwiderte er ungewohnt ernst. Es klang fast unglücklich.

Warum? Vielleicht war er ja nur müde und erschöpft, denn sie hatten sich in dieser Nacht noch erstaunliche drei weitere Male geliebt. Gillian wusste wirklich nicht, ob sie eine Ehe mit Maks überleben würde, wenn jede Nacht so leidenschaftlich verlaufen würde wie diese, so wundervoll es auch gewesen war. Maks hatte gar nicht genug von ihr bekommen können, und sie hatte es genossen. Allein bei der Erinnerung an seine Unersättlichkeit regte sich ihr Verlangen erneut.

„Es tut mir leid.“

Gillian glaubte zu wissen, warum er sich entschuldigte. Doch es fiel ihr nicht schwer, ihn zu beruhigen. Denn es war ihr wirklich nicht so wichtig, dass Maks ihr ausdrücklich seine Liebe gestand, solange er ihr seine Gefühl so zeigte, wie er es in der Nacht zuvor getan hatte. „Schon gut.“ Energisch verdrängte sie die leise aufkeimende Enttäuschung, setzte sich hin und wandte sich Maks zu.

Seine Miene war unergründlich. „Nein. Ich denke, diese Nacht war ein Fehler.“ Er verzog das Gesicht, als würde er seine eigenen Worte bereuen.

Und mit Recht! Gillian war zwar bereit, auf ausdrückliche Liebeserklärungen zu verzichten, aber sie würde nicht zulassen, dass er kleinmachte, was in dieser Nacht Wundervolles zwischen ihnen gewesen war. Plötzlich glaubte sie zu begreifen. „Du möchtest vor den Öffentlichkeit so tun, als würden wir nicht miteinander schlafen?“

„Auch wenn der Sex zwischen uns noch so fantastisch ist, wir können niemandem etwas vorspielen. Das wäre dir gegenüber nicht fair – und mir gegenüber auch nicht, wenn ich ehrlich bin.“

Sie sah ihn verständnislos an. „Ich begreife das nicht. Du möchtest wirklich nicht mehr mit mir schlafen?“ Bis sie verheiratet waren? Die Vorbereitungen für eine königliche Hochzeit nahmen wenigstens ein Jahr in Anspruch, nicht selten sogar zwei Jahre. Kein Wunder, dass Maks sie mit einer derartigen Verzweiflung geliebt hatte!

Aber warum hatte er auf das Kondom verzichtet? Hoffte er vielleicht, dass sie schwanger geworden war, sodass sie gezwungen waren, schneller zu heiraten? Ein solches Vorgehen durch die Hintertür passte aber gar nicht zu Maks, der gewöhnlich unerschrocken und geradewegs auf sein Ziel zuging.

„Es würde die endgültige Trennung nur noch schwerer machen, wenn wir weiter miteinander schlafen – ganz zu schweigen davon, dass die Medien womöglich von unserer Affäre Wind bekommen würden. Wir haben bisher ja nur Glück gehabt, dass sie uns in Ruhe gelassen haben.“

Gillian kam in den Sinn, dass es wohl weniger mit Glück zu tun hatte als mit dem Einfluss ihres Vaters und Maks’ und ihrer Vorsichtigkeit. „Endgültige Trennung?“, fragte sie verwirrt. „Warum sollten wir uns trennen?“ Sie würden doch heiraten. Oder nicht? Kalte Angst durchbohrte ihr Herz. Oder nicht?

Maks’ Miene erstickte all ihre Hoffnungen im Keim. „Eine Trennung ist unvermeidlich. Das verstehst du doch sicher.“

3. KAPITEL

Einen Moment lang sah Gillian Maks nur entgeistert an. „Nein“, sagte sie dann heiser. „Offensichtlich bin ich zu dumm, es zu begreifen. Erkläre es mir.“

„Ich kann keine Frau heiraten, die unfähig ist, einen Thronfolger zu liefern. Das ist zweifellos drakonisch, aber es lässt sich nicht ändern.“

„Ich kann keinen Thronfolger liefern?“ Ihre Beklommenheit wuchs, zumal sie sich, nackt und im Bett mit Maks, plötzlich besonders schutzlos und ausgeliefert vorkam.

Sichtlich irritiert setzte Maks sich hin. „Du hast doch gesagt, dass du den Arztbericht gelesen hättest. Der Umschlag war offen.“

„Ich habe gesagt, dass ich den Bericht erhalten habe. Nana rief an, bevor ich einen Blick darauf werfen konnte.“

„Man sollte meinen, auf etwas derart Wichtiges würdest du mehr als nur einen Blick werfen.“ Seine förmliche Ausdrucksweise verriet, wie verärgert er war.

Aber worüber? „Seit der Blinddarmentzündung mit sechzehn bin ich nie mehr krank gewesen!“

„Die Operation, bei der deine Eileiter beschädigt wurden“, ergänzte Maks, als sei dem nichts mehr hinzuzufügen.

Ihre Eileiter waren beschädigt? Was, in aller Welt, sollte das heißen? Die intime Nähe kam ihr plötzlich unerträglich vor. Gillian sprang aus dem Bett, zog sich ihren Morgenmantel an und wich so weit wie möglich von Maks zurück. „Wovon redest du?“

Es fiel ihm sichtlich schwer, zu antworten. „Es besteht nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass du schwanger werden kannst.“

„Und was ist mit künstlicher Befruchtung?“ Oder hatte er das nicht einmal in Erwägung gezogen? Sie war mit einem Mangel behaftet und taugte deshalb nicht als seine Braut. O Gott, lass es nicht wahr sein!

Doch ihr Stoßgebet war vergeblich. Die heiße Liebesnacht war lediglich Maks’ Art gewesen, sich von ihr zu verabschieden.

„Mit einem anderen Mann ist eine künstliche Befruchtung natürlich jederzeit eine Option für dich“, erklärte Maks, als würde er ihr damit eine gute Nachricht überbringen.

„Aber nicht mit dir.“

„Unter diesen Umständen wäre eine Heirat keine kluge oder wohldurchdachte Entscheidung seitens des Königshauses.“

„Aber ich würde doch nicht das Königshaus heiraten!“, schrie sie ihn praktisch an. Nein, wie es aussah, würde sie überhaupt niemanden heiraten. Eine Erkenntnis, die so wehtat, dass es ihr den Atem raubte. Denn all das Gerede bedeutete unter dem Strich, dass sie Maks verlor.

„Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Ich bin Kronprinz von Volyarus und werde eines Tages König sein. Seit meiner Geburt lastet auf meinen Schultern eine Pflicht und Verantwortung, die sich allenfalls Regierungsmitglieder eines Landes vorstellen können. Und die sind auch nur auf Zeit in ihre Ämter gewählt, während für mich jeden einzelnen Tag in meinem ganzen Leben mein kleines Land in meinem Denken und Handeln an erster Stelle steht.“

Das war ihr bewusst. Als zukünftiger König in einer der wenigen noch verbliebenen echten Monarchien auf der Welt, gehörte Maks’ Leben schon als Kronprinz von Volyarus seinem Volk. Dennoch traf er die Entscheidungen selbst.

„Du liebst mich nicht.“ Es war der einzige Schluss, den sie daraus ziehen konnte, dass er eine künstliche Befruchtung nicht einmal in Erwägung zog. Er mochte sie, begehrte sie zweifellos, war wahrscheinlich sogar traurig über die Trennung, aber er liebte sie nicht.

„Liebe zählt nicht zu den Gefühlen, denen nachzugehen ich frei oder gewillt bin“, erwiderte er förmlich.

„Liebe existiert entweder oder existiert nicht. Du musst ihr nicht nachgehen.“ Schon als kleines Kind hatte Gillian gelernt, dass man, egal wie sehr man sich auch anstrengte, niemanden dazu zwingen konnte, einen zu lieben. Nein, Liebe ließ sich genauso wenig erzwingen wie verleugnen. Obwohl Gillian in diesem Moment alles darum gegeben hätte, die Flut von Gefühlen verleugnen zu können, die sie in einen schwarzen Abgrund zu reißen drohte.

„Du hast gesagt, dass du mich liebst. Das tut mir leid.“

Der bedauernde Blick seiner samtbraunen Augen schmerzte fast noch mehr als seine Worte. Es tat ihm leid. Sie tat ihm leid. Gillian hätte am liebsten laut losgeschrien und ihren Tränen freien Lauf gelassen, doch sie rang mit aller Macht um Beherrschung.

„Verschwinde“, sagte sie leise, aber sehr deutlich.

„Bitte, bleib vernünftig.“

„Du warst von Anfang an sorgsam darauf bedacht, unsere Beziehung aus den Medien herauszuhalten.“ Gillian wollte nur noch, dass er ging, denn er sollte auf keinen Fall Zeuge ihres Schmerzes werden. „Meinst du nicht, dass es all deine Anstrengungen schlagartig zunichte machen würde, wenn ich jetzt den Sicherheitsdienst des Gebäudes rufen müsste, damit er dich gewaltsam aus meiner Wohnung entfernt?“

Er sah sie mit großen Augen an, völlig überrascht von ihrer kaum versteckten Drohung. „Du wirst nicht den Sicherheitsdienst rufen.“

Anscheinend kannte er sie doch nicht so gut, wie er gedacht hatte.

Wortlos machte Gillian auf dem Absatz kehrt und drückte die Taste in ihrem Schlafzimmer, mit der man den Sicherheitsdienst des Hauses alarmierte. „Du hast eine Minute, maximal zwei, bis die Wachleute hier sind. Wenn es dir nichts ausmacht, von ihnen in meiner Wohnung aufgegriffen zu werden, dann bleib.“

Sie sagte es, ohne die Stimme zu erheben und ohne ihn anzusehen. Denn wenn sie sich zu ihm umgedreht hätte, hätte sie doch losgeschrien. Und Gillian Harris hatte noch nie in ihrem Leben geschrien und würde jetzt nicht damit anfangen. Nicht seinetwegen. Nicht, wenn ihr Herz so kurz davor stand zu brechen.

Sie hörte einen Schwall von Flüchen, als Maks sich in aller Hast Hose und Hemd überstreifte, bevor er hinausstürmte. Sie spürte, wie er auf der Schwelle für Sekundenbruchteile verharrte.

„Es tut mir leid“, sagte er noch einmal, dann war er fort.

Gillian blieb allein zurück und sank auf der Stelle zu Boden. All ihre Träume, die sie in den vergangenen Monaten gehabt hatte, waren wie Seifenblasen zerplatzt, all ihre Hoffnung auf ein gemeinsames Glück mit Maks lag in Scherben.

Acht Wochen später saß Gillian benommen und ungläubig in dem kleinen Park vor der Praxis ihrer Ärztin auf einer Bank.

Immer wieder hörte sie im Geiste die Worte der Ärztin: „Sie sind schwanger.“

So gut wie unmöglich. Und doch wahr.

Sie war schwanger, exakt in der zehnten Woche. Man zählte die Schwangerschaftswochen nämlich ab dem Tag der letzten Regel, wie sie von der Ärztin erfahren hatte. Die eigentliche Empfängnis dürfte dann also zwei Wochen später gewesen sein – also vor acht Wochen.

Eine Nacht ungeschützten Sex mit dem Mann, der die ganze Zeit im Sinn hatte, sie aus seinem Leben auszuschließen, und sie hatten ein Baby gezeugt.

All die Gefühle, die sie zwei Monate lang so verzweifelt unterdrückt hatte, wallten wieder in ihr auf. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie wirklich nicht ignorieren, was sie am liebsten ignoriert hätte. Also schön, genau genommen, zum zweiten Mal, denn auch ihr Schmerz über die Zurückweisung durch Maks war derart heftig gewesen, dass sie ihn unmöglich hatte ignorieren können. Jeder neue Tag erinnerte sie daran, wie sehr sie diesen Mann geliebt hatte, wie viel sie verloren hatte – und wie sehr sie den Schuft vermisste.

Doch allmählich gewöhnte sie sich an den Schmerz oder redete es sich jedenfalls ein, und konnte sogar nachts wieder schlafen. Was gegen ihren Willen blieb, war die Hoffnung. Die Sehnsucht, ein anderes menschliches Wesen zu lieben, und sei es auch noch so winzig. Denn anders als ihren Eltern war es Gillian egal, wie die Schwangerschaft zustandegekommen war – ob geplant oder nicht, ob sie mit dem Vater zusammenbleiben konnte oder nicht. Das alles war in dem Moment, als sie erfahren hatte, dass sie ein Kind erwartete, völlig unwichtig gewesen.

Sie würde ihr Kind lieben, liebte es schon von dem Augenblick an, als ihre Ärztin die unmöglichen Worte ausgesprochen hatte, ja, noch bevor sie sich ganz sicher gewesen war. Denn sie hatte darauf bestanden, den Schwangerschaftstest zu wiederholen. Also hatte die Arzthelferin Gillian Blut abgenommen, und während sie auf das Ergebnis warteten, mit Hilfe eines Miniultraschallgeräts die Herztöne des Babys gesucht. Gillian kamen die Tränen, als sie zum ersten Mal das unverkennbare, rhythmische Rauschen hörte. Kein Zweifel, dass in ihr ein neues Leben heranwuchs. Ihr Baby. Maks’ Baby.

Natürlich war der zweite Schwangerschaftstest genauso eindeutig positiv ausgefallen wie der erste. Die Ärztin versicherte Gillian, dass alles anscheinend völlig gesund und normal verlief, auch wenn sie sichtbar Gewicht verloren hatte. Offenbar erging es vielen Frauen im ersten Drittel der Schwangerschaft ähnlich, allerdings erfuhr Gillian auch, dass jede fünfte Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt endete, eine unerwartet hohe Quote, die sie besorgte.

In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander. Vermutlich wäre sie besser noch eine Weile in der Arztpraxis geblieben, denn sie stand sicher unter Schock, aber sie hatte plötzlich das ganz dringende Bedürfnis nach frischer Luft verspürt.

Also saß sie jetzt hier auf der Parkbank und versuchte zu begreifen, was so unbegreiflich war. Schwanger. Sie.

Nur auf Drängen ihrer Großmutter hatte sie überhaupt den Termin bei ihrer Hausärztin gemacht. Nachdem sie Maks acht Wochen zuvor buchstäblich aus ihrer Wohnung geworfen hatte, war sie so deprimiert und am Boden zerstört gewesen, dass sie ihr Unwohlsein für eine hartnäckige Grippe gehalten und nicht weiter beachtet hatte. Wären nicht ihre Großeltern zu einem Besuch in die Stadt gekommen, hätte sie wahrscheinlich erst gemerkt, dass sie schwanger war, wenn es nicht mehr zu übersehen gewesen wäre. Sobald sie aber ihrer Großmutter erzwungenermaßen eingestanden hatte, dass sie schon seit Wochen an Unwohlsein und Übelkeit litt, hatte diese ihr sofort besorgt das Versprechen abgenommen, dass sie zum Arzt gehen würde.

Auch ihre Hausärztin hatte etwas Verwunderung darüber geäußert, dass Gillian so gar nicht an Schwangerschaft gedacht hatte, denn immerhin war ihre Regel wochenlang ausgeblieben. Aber ihr Zyklus war immer sehr unregelmäßig gewesen, sodass es für Gillian nichts Ungewöhnliches war, mal den einen oder anderen Monat zu überspringen.

Geschädigte Eileiter. Offenbar nicht geschädigt genug. Denn Gillian hatte es geschafft, auf Anhieb schwanger zu werden, als sie zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben ohne Kondom Sex gehabt hatte. Es war wirklich ein Wunder.

Ob Maks das Baby, das in ihr heranwuchs, auch als Wunder betrachten würde? Höchstwahrscheinlich nicht. So leicht, wie er sich von ihr getrennt hatte, würde er ganz bestimmt nicht begeistert reagieren, wenn sie plötzlich mit einem dicken Bauch bei ihm auftauchte. Würde er ihr überhaupt glauben, dass es sein Kind war? Aber sie würde keine Fruchtwasserpunktion für eine DNA-Analyse durchführen lassen und eine Fehlgeburt riskieren. Auf keinen Fall. Wenn Maks seine Vaterschaft bezweifelte, musste er bis nach der Geburt warten, um Sicherheit zu bekommen.

Ein wenig beklommen dachte Gillian auch an die Reaktion ihrer geliebten Großeltern. Auch wenn sie das Baby ganz sicher bedingungslos lieben würden, wenn es erst einmal da war, waren sie in diesem Punkt doch sehr altmodisch und vertraten unerschütterlich die Auffassung, dass Sex und Kinderkriegen in die Ehe gehörten. Gillian hielt es für das Beste, für die wenigen Tage, die die beiden in Seattle sein würden, ihren Zustand für sich zu behalten. Ja, in Anbetracht einer zwanzigprozentigen Fehlgeburtenquote in den ersten zwölf Wochen fasste sie den Entschluss, niemandem von ihrer Schwangerschaft zu erzählen, bis sie diese wichtige Zeitmarke überstanden hatte.

Was natürlich bedeutete, dass sie ab sofort eine oscarreife Darstellung einer Frau, die sich um einhundert Prozent besser fühlte, abliefern musste. Andernfalls würden ihre Großeltern nämlich erst einmal in Seattle bleiben und nicht, wie eigentlich geplant, in der nächsten Woche nach Kanada weiterfahren.

Sie erklärte ihren Großeltern, dass die Ärztin ihr Vitamine verschrieben hätte, weil die Trennung von Maks sie nicht nur emotional, sondern auch körperlich sehr mitgenommen habe. Das war nicht gelogen, und ihre Großeltern, die sehr mitfühlend auf Gillians deprimierende Neuigkeit reagiert hatten, akzeptieren dies fraglos als Erklärung für die scheinbar angeschlagene Gesundheit ihrer Enkelin. Natürlich wies Gillian sie darauf hin, dass die meisten jungen Frauen in ihrem Alter schon mehrmals unter Liebeskummer hatten leiden müssen. Mit sechsundzwanzig waren viele sogar schon verheiratet und das erste Mal geschieden.

Angesichts dieser fragwürdigen, neumodischen Moral winkte ihre Großmutter ab und meinte nur: „Dieser junge Mann hat sich jedenfalls einiges zuzuschreiben.“

Gillian war nur froh, dass sie den ersten Termin beim Gynäkologen erst am kommenden Freitag hatte. So musste sie ihren Großeltern nicht noch weitere Halbwahrheiten auftischen.

Maks blaffte eine Antwort in sein Handy und unterbrach die Verbindung, ohne sich zu verabschieden.

„Idioten!“

„Anscheinend haben all unsere Geschäftspartner in den vergangenen Wochen ihre Intelligenz eingebüßt“, meinte Demyan, der ihn von der Tür aus beobachtete.

Maks atmete tief ein und verkniff sich die bissige Entgegnung, die er schon auf der Zunge hatte. „Wolltest du irgendetwas Bestimmtes?“

„Tatsächlich habe ich eine Information, die dich vermutlich sehr interessieren wird.“

„Wir brauchen keinen weiteren Abnehmer für unsere seltenen Erden. Auch so können wir die Nachfrage kaum befriedigen.“ Nicht, wenn sie auch den Bedürfnissen des Umweltschutzes gerecht werden wollten, was in Volyarus ein absolutes Muss für alle Unternehmen war. Maks’ Vater und sein Großvater noch vor ihm waren ihrer Zeit weit voraus gewesen, indem sie die Notwendigkeit erkannt hatten, die Erde für zukünftige Generationen zu erhalten und zu schützen. Kein Land der Welt besaß strengere Umweltschutzvorschriften als das kleine Volyarus. Yurkovich Tanner war unter den zehn größten Ölkonzernen führend in der der Entwicklung alternativer Energiequellen, und als Vorstandschef betrachtete Maks es als seinen Job, dafür zu sorgen, dass es so blieb.

„Es geht nicht ums Geschäft.“

„Schön, ich weiß längst, dass Vater und die Gräfin sich einen heimlichen Urlaub auf den Kaimaninseln gönnen.“ Maks gab sich keine Mühe, seinen sarkastischen Unterton zu verbergen. „Was meinst du, warum ich morgen nach Volyarus zurückfliege? Ich muss für den Monat ihrer Abwesenheit Staatsoberhaupt spielen.“ Als ob er als Vorstandschef von Yurkovich Tanner nicht schon genug zu tun hätte! Anders als sein Vater, König Fedir, der nach dem Tod seiner Eltern beide Ämter ausgeübt hatte, bis Maks mit fünfundzwanzig die Leitung von Yurkovich Tanner übernahm, hatte Maks vor, das Amt des Vorstandsvorsitzenden sofort an einen Mann seines Vertrauens abzugeben, sobald er seinem Vater als Staatsoberhaupt auf den Thron folgte.

„Deine Mutter wird sich über deine Gesellschaft freuen.“

„Ich weiß, mehr als über die meines Vaters.“ Obwohl sich seine Eltern in der Öffentlichkeit stets höflich behandelten, war es ein offenes Geheimnis, dass sie nicht gerade die besten Freunde waren. Abgesehen von den gemeinsamen Auftritten als König und Königin von Volyarus führten sie jeder ihr eigenes Leben.

Demyan kam heran und lehnte sich an die Kante von Maks’ großen, antiken Schreibtisch. „Ich denke, du wirst deinen Rückflug wenigstens einen Tag aufschieben wollen.“

„Warum?“, fragte Maks unwillig. Wenn er ehrlich war, freute er sich darauf, nach Hause zu kommen, was nicht zuletzt bedeutete, weit weg von jeglicher Versuchung zu sein. Denn auch nach acht Wochen fiel es ihm noch immer nicht leicht, sich von Gillian fernzuhalten. Noch nie hatte er sich derart nach einer Frau verzehrt. Es war mehr als frustrierend. Keine andere Frau hatte ihn seit jener letzten, heißen Nacht mit Gillian reizen können.

„Miss Harris hat einen Termin bei einem Arzt gemacht.“

Maks gab sich alle Mühe, Desinteresse zu heucheln. „Und?“

„Bei einer Gynäkologin.“

„Sie wird sich wegen einer künstlichen Befruchtung informieren, um für die Zukunft zu planen.“ Was Maks’ Laune nicht gerade besserte.

„Nein, das ist wohl nicht der Grund.“

„Was, zum Teufel, willst du mir eigentlich sagen?“

„Nun, laut der Informationen unseres Hackers ist sie in der zehnten Woche schwanger, was durch zwei Tests und die Ultraschallaufnahme der Herztöne des Babys belegt wurde.“

„Wie bitte?“ Maks glaubte, sich verhört zu haben. „Wir haben einen Hacker auf unserer Gehaltsliste?“

„Willst du das wirklich wissen?“

Zum ersten Mal in seinem Leben wusste Maks nicht, was er sagen sollte.

Demyan zog vielsagend die Brauen hoch. „Deine Entscheidung, auf ein Kondom, zu verzichten, hatte ganz offensichtlich Folgen.“

Zwar hatte Maks vor seinem älteren Cousin so gut wie keine Geheimnisse, aber dieses pikante Detail hätte er ihm doch niemals anvertraut, wenn er nicht ziemlich betrunken gewesen wäre. „Unmöglich!“

„Nein, wie es aussieht, nicht.“

„Verdammt, Demyan, damit macht man wirklich keine Witze.“

„Das ist mir klar.“ Tatsächlich hatte Demyan selten so ernst ausgesehen.

„Willst du mir erzählen, dass Gillian ein Kind von mir bekommt?“

„Ich sage lediglich, dass Miss Harris als Teil einer allgemeinen Untersuchung wegen einer vermuteten Grippe einem Schwangerschaftstest unterzogen wurde, der sich als positiv erwies. Ein darauf erfolgter zweiter Test hatte ebenfalls ein positives Ergebnis. Bei einer Doppler-Ultraschalluntersuchung wurden die gesunden Herztöne eines Babys aufgezeichnet. Laut Patientenakte besteht die Schwangerschaft seit inzwischen zehn Wochen.“

„Gillian hatte die Grippe?“

Demyan sah seinen Cousin ob seiner Begriffsstutzigkeit fast mitleidig an. „Ich nehme an, was sie für eine Grippe gehalten hat, stellte sich als Schwangerschaftsübelkeit heraus.“

„Oh! Ach so.“ Maks hatte nicht viel Erfahrung mit Schwangeren. „Geht es ihr jetzt wieder besser?“

„Maks, ich habe nicht persönlich mit deiner Exfreundin gesprochen, sondern lediglich einen vertraulichen Bericht von unseren Ermittlern erhalten.“

Endlich fiel bei Maks der Groschen. Schlagartig begriff er, was Demyan ihm wirklich sagte und welche weitreichenden Konsequenzen daran geknüpft waren. Er fluchte laut und ausgiebig.

Demyan ertrug den derben Wortschwall, ohne mit der Wimper zu zucken. „Du nimmst also an, dass du der Vater des Kindes bist“, sagte er nur.

„Natürlich bin ich der Vater. Gillian treibt sich nicht in anderen Betten herum!“

„Vielleicht hat sie sich ja mit einem anderen Mann getröstet, weil du ihr den Laufpass gegeben hast.“

Allein der Gedanke machte Maks wütend, doch er ließ es sich nicht anmerken. Nicht einmal sein Cousin musste alles von ihm wissen. Die Art, wie Demyan seine Trennung von Gillian beschrieb, wollte er jedoch nicht so stehen lassen. „Ich habe ihr nicht den Laufpass gegeben! Zum Wohl des Landes war ich gezwungen, unsere Beziehung zu beenden.“

„Weil sie keine Kinder kriegen konnte.“

Eine Ironie, die Maks keineswegs entging. „Ja.“

„Und was hast du jetzt vor?“

„Genau das, was ich tun wollte, bevor ich herausfand, dass sie möglicherweise unfruchtbar ist: Ich werde sie heiraten.“ Es gab gar keine andere Wahl. Auch wenn dieses Kind ihr einziges bleiben würde, so war es doch seins, was Maks niemals hätte ignorieren können.

4. KAPITEL

Als Gillian endlich die Tür hinter ihren Großeltern schließen konnte, lehnte sie sich matt dagegen. Zum ersten Mal seit einer Woche musste sie ihre Müdigkeit und ihr Unwohlsein nicht mehr verbergen. Es war ihr schwergefallen, aber wenigstens war es ihr gelungen, ihre Schwangerschaft erst einmal vor den beiden alten Leuten zu verbergen.

Allerdings besaß sie auch, seit sie denken konnte, Übung darin, verletzende Wahrheiten von ihren geliebten Großeltern fernzuhalten. So hatte sie ihnen seit ihrer Kindheit überzeugend vorgespielt, dass es ihr nichts ausmache, ihre Mutter nur einmal im Jahr zu sehen und ihren Vater zwar etwas öfter, aber auch nur, wenn ein Treffen mit ihr in seinen Terminkalender passte. Bis heute wussten die Großeltern auch nicht, wie oft sie sich still in den Schlaf geweint hatte, weil weder ihre Mutter noch ihr Vater es duldete, dass sie sie mit Mom und Dad anredete anstatt mit den Vornamen. Als wollten sie jede Bindung zu ihr verleugnen.

Unwillkürlich legte sie eine Hand auf ihren noch flachen Bauch. Ihr Baby sollte nie zweifeln müssen, welch wichtigen Platz es in ihrem Leben einnahm. Leider war sie bei der Auswahl des Vaters nicht sorgfältig genug gewesen, sodass sie eine ähnliche Einstellung von seiner Seite nicht garantieren konnte. Und vor allem dieses Wissen verursachte ihr jetzt schlaflose Nächte.

Seufzend wandte sie sich zum Schlafzimmer. Höchste Zeit, sich für die Arbeit anzuziehen. Für den Besuch ihrer Großeltern hatte sie sich eine Woche freigenommen, aber jetzt erwarteten ihr Boss und ihre Kunden, dass sie am späteren Vormittag wieder im Studio erschien.

Zehn Stunden später, nach einem langen, anstrengenden Tag im Fotostudio, war Gillian froh, als sie endlich wieder zu Hause war. Zu müde und erschöpft, um irgendetwas anderes zum Dinner zuzubereiten, stellte sie einfach etwas Popcornmais in die Mikrowelle. Den Rest des Abends würde sie im Pyjama auf dem Sofa verbringen und sich im Fernsehen irgendeine fröhliche Gute-Laune-Show ansehen. Zu mehr war sie nicht mehr fähig.

Als die Gegensprechanlage an der Wohnungstür summte, kam ihr kurz der schreckliche Gedanke, ihre Großeltern könnten sich entschieden haben, noch länger in der Stadt zu bleiben. Doch sie verwarf ihn sofort, denn ihre Großmutter hatte sie ja von der kanadischen Grenze kurz angerufen. War es vielleicht ihr Vater? Auch wenn Rich sie nur selten besuchte, kam es vor, dass er immer mal wieder ohne Voranmeldung bei ihr auftauchte.

Müde ging sie zur Tür und drückte auf die Taste der Gegensprechanlage. „Ja?“

„Ich bin es, Gillian. Mach mir auf.“

Maks. Gillian stockte der Atem. Wie konnte der bloße Klang seiner Stimme eine derartige Macht über sie besitzen, dass ihr die Knie weich wurden? Halt suchend lehnte sie sich gegen die Wand.

Was wollte Maks von ihr? Zehn Wochen lang hatte er ihr nicht einmal eine SMS geschickt, um sich zu erkundigen, wie es ihr ging. Und jetzt stand er einfach vor ihrer Tür?

„Gillian? Bist du noch da?“

„Ja“, antwortete sie heiser.

„Du hast noch nicht auf den Türöffner gedrückt.“

Wunderte ihn das etwa? Sie schluckte und atmete tief ein. „Was willst du hier?“

„Wir müssen reden.“

Eine Woche oder sogar zwei Wochen, nachdem er gegangen war, hätte sie sich vermutlich über diese Worte gefreut. „Es ist zwei Monate her.“

„Nicht ganz. Acht Wochen genau.“

Er zählte also auch die Wochen. Was nichts bedeutete. „Was willst du, Maks?“

„Lass mich heraufkommen, dann sag ich es dir.“

„Ich will dich nicht sehen.“ Sie war endlich wieder so weit, dass sie schlafen konnte, ohne sich vor Sehnsucht nach ihm zu verzehren. Und das auch nicht jede Nacht.

„Ich will es wieder gutmachen.“

Er liebte sie nicht. Er wollte sie nicht. Sie genügte in seinen Augen seinen Anforderungen nicht. Wie wollte er das wieder gutmachen? „Nein.“

„Gillian.“

Wider alle Vernunft meldete sich die leise Stimme der Hoffnung. Immerhin war Maks da, von sich aus gekommen, was doch besser war, als irgendwann mit der Neuigkeit ihrer Schwangerschaft zu ihm zu gehen und seine „pflichtbewusste“ Reaktion zu erleben. Oder?

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Gillian nahm all ihren Mut zusammen. „Mach es aber kurz. Ich bin müde.“ Ohne eine Antwort abzuwarten betätigte sie den Türöffner für die Eingangstür und kehrte in die Küche zurück.

Als sie von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte sie gerade noch genug Energie aufgebracht, um rasch zu duschen und sich ihren Lieblingspyjama anzuziehen. Das blonde Haar hatte sie sich einfach zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Aber zum ersten Mal, seit sie Maks kennengelernt hatte, war es ihr egal, wie sie aussah. Warum sollte sie sich für einen Mann schön machen, der ihr, ohne mit der Wimper zu zucken, den Laufpass gegeben hatte?

Gerade als sie das Popcorn in eine Schüssel füllte, läutete es an der Wohnungstür. Die Schüssel im Arm ging Gillian zur Tür und atmete nochmals tief durch, bevor sie öffnete.

Maks sah nicht ganz so tadellos und perfekt aus wie sonst. Sein dichtes, fast schwarzes Haar war zerzaust, als wäre er sich öfter mit den Fingern dadurch gefahren. Irgendwo auf dem Weg zwischen Büro und ihrer Wohnung war seine Krawatte verlorengegangen, und ein dunkler Schimmer auf Wangen und Kinn verriet, dass er sich an diesem Tag nicht die Mühe gemacht hatte, sich ein zweites Mal zu rasieren.

Noch vor zehn Wochen hätte Gillian das alles sündhaft sexy gefunden, jetzt machte es ihr – wider Willen – etwas Sorgen. War ihre Trennung vielleicht auch für ihn schwer zu verkraften gewesen? Auf keinen Fall aber erlaubte Gillian sich die Hoffnung, er könne gekommen sein, um sich mit ihr auszusöhnen. Aus seiner Sicht hatte sich doch zwischen ihnen nichts geändert – und sie würde nicht noch einmal vorschnelle Schlüsse ziehen. Was immer er wollte, was immer er fühlte, er würde es deutlich und in absolut unmissverständliche Worten kleiden müssen, bevor sie bereit war, sich damit zu befassen.

Wenn er allerdings wirklich eine Aussöhnung vorschlug, wusste sie nicht, wie sie reagieren würde. Durch ihre Schwangerschaft hatte sich für sie natürlich alles geändert, bis auf eine entscheidende Sache: Maks liebte sie nicht.

Sie spürte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach, und zwang sich, flach zu atmen, damit ihr nicht schwarz vor Augen wurde. Ein Glück nur, dass Maks nichts von ihrer Schwangerschaft wusste, denn das hätte ja alles nur noch komplizierter gemacht!

Er streckte eine Hand aus, als wollte er sie berühren. „Du bist ganz blass.“

„Ich bin müde.“ Sie wich zurück, noch bevor er sie anfassen konnte.

„Ja, das hast du schon gesagt.“ Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, schienen ihm die Worte zu fehlen.

„Komm herein.“

Gillian ging voraus in Wohnzimmer und überließ es Maks, ihr zu folgen. Sie stellte die Schüssel mit Popcorn auf den Tisch neben das Glas Milch, das sie sich schon eingegossen hatte. „Möchtest du etwas trinken?“

Er nickte, besann sich aber anders und schüttelte den Kopf. „Nein, du solltest auch nicht trinken.“

„Weil ich müde bin? Ich werde schon nicht einschlafen, solange du noch hier bist. Außerdem trinke ich Milch.“

„Gut. Das ist sehr gut.“

Gillian sah ihn schweigend an. Sein Anblick beschwor Erinnerungen herauf, die Schmerz und Hoffnung in ihr weckten. Am schlimmsten war die Hoffnung. Vielen Menschen war gar nicht bewusst, wie erschreckend Hoffnung sein konnte. Vor allem für jemanden, dessen Hoffnungen so oft zerschlagen worden waren, wie es bei ihr geschehen war. Man zahlte einen hohen Preis dafür, wenn man nicht aufhören konnte, an einen Menschen zu glauben, der einen stets aufs Neue enttäuschte. Jemand wie ihr charismatischer, berühmter und doch für sie nie greifbarer Vater.

Kurz entschlossen ging sie zu ihrer kleinen Bar, um Maks einen Whisky einzuschenken. Denn es konnte nur für sie beide von Vorteil sein, wenn er sich etwas entspannte.

Als sie sich umdrehte, um ihm das Glas zu reichen, stand er unvermittelt so dicht hinter ihr, dass sie heftig zusammenzuckte.

Unwillkürlich griff er nach ihr. „Vorsichtig!“

„Nur keine Panik.“ Wieder wich sie seiner Berührung aus. „Ich fall schon nicht gleich um. Außerdem hätte ich mich nicht erschrocken, wenn du dich nicht so herangeschlichen hättest. Nimm deinen Drink, und setz dich.“

Er nickte fast kleinlaut und tat, was sie sagte.

Gillian war sich wirklich nicht sicher, was sie von einem kleinlauten, handzahmen Maks halten sollte. Aber nach allem Schmerz, den er ihr bereitet hatte, verspürte sie auch keine große Lust, sich noch mehr um ihn zu bemühen. Stattdessen setzte sie sich aufs Sofa, nahm eine Handvoll Popcorn und steckte sich eins nach dem anderen in den Mund. Sie musste unbedingt etwas essen, damit ihr Magen nicht rebellierte.

„Ist das dein Abendessen?“, fragte Maks hörbar entsetzt.

„Ja.“

„Aber das ist wohl kaum eine angemessene Ernährung!“

„Es genügt mir.“

„Aber …“

„Bist du hergekommen, um mit mir über meine Essgewohnheiten zu sprechen, oder weshalb? Die Presse hat doch nicht etwa Wind von unserer ehemaligen Beziehung bekommen, oder?“ Eine wirklich schreckliche Vorstellung.

„Nein.“

„Sehr gut.“

„Ja, das hätte die Dinge wirklich in einer Weise verkompliziert, die wir gegenwärtig gar nicht brauchen können.“

„Welche Dinge? Ich weiß immer noch nicht, warum du gekommen bist, Maks.“

„Wirklich nicht?“

Sie hätte ja gern geglaubt, dass der Prinz nicht ohne sie leben konnte – aber leider wusste sie nur zu gut, dass Märchen nicht Wirklichkeit wurden. „Nein.“

„Wir stehen vor einer äußerst delikaten Situation, die uns um die Ohren fliegt, wenn wir nicht äußerst vorsichtig und korrekt damit umgehen.“

„Von was für einer delikaten Situation sprichst du?“

„Du kannst dir sparen, mir etwas vorzuspielen. Ich weiß es.“

„Du weißt was?“

Sein Blick schweifte zu ihrem Bauch und dann wieder zurück zu ihrem Gesicht. Gillian schluckte. Aber woher sollte Maks wissen, dass sie schwanger war? „Entweder du sagst mir jetzt endlich, warum du hier bist, oder du trinkst deinen Drink aus und gehst.“

„Das Baby.“

„Woher?“, flüsterte sie nur, denn wieder einmal hatte sie vergeblich gehofft. Maks war nicht gekommen, weil er sie so sehr vermisst hatte. Er war überhaupt nicht ihretwegen gekommen.

„Demyan.“

„Demyan was? Hat dein Cousin meine Ärztin bestochen, um Informationen zu erhalten? Aber warum sollte er das tun?“ Das alles ergab keinen Sinn.

„Er hat eine routinemäßige Überwachung veranlasst, wie sie nach jeder meiner Beziehungen üblich ist.“

„Du hast mich bespitzeln lassen?“, fragte sie, entsetzt über die Vorstellung, von irgendwelchen Fremden beobachtet worden zu sein. An so etwas hatte sie wirklich nicht gedacht, als sie sich mit einem Prinzen eingelassen hatte. Vor allem, da sie beide so sorgsam darauf bedacht gewesen waren, ihre Beziehung aus dem Medien herauszuhalten. Dass Maks’ Leute in ihrem Privatleben herumschnüffeln könnten, wäre ihr nie in den Sinn gekommen.

Was natürlich naiv gewesen war. Aber die Liebe hatte sie ja in vieler Hinsicht blind gemacht, was Maks betraf.

„Tatsächlich nein, obwohl ich es wohl besser getan hätte“, antwortete er nun. „Wann wolltest du es mir sagen? Oder sollte es deine persönliche Rache sein, es mir nicht zu sagen?“

„Was für eine dumme Frage! Habe ich während unserer Beziehung je den Eindruck vermittelt, dass ich es für richtig halten könnte, Kinder für die Fehler ihrer Eltern zahlen zu lassen?“

Die Frage lag wie ein Fehdehandschuh zwischen ihnen, und Maks wusste genau, dass er keine Handhabe hatte, ihn aufzugreifen. Gillian hatte natürlich Recht. Wenn es einen Menschen gab, der nicht aus Rache oder anderen negativen Gefühlen he­raus handelte, dann sie. Allein die Tatsache, dass sie mit ihren Eltern, die sie als Kind so schändlich vernachlässigt hatten, überhaupt eine nennenswerte Beziehung pflegte, war Beweis genug, dass sie versöhnlicher und toleranter war als die meisten Menschen.

„Tut mir leid. Das war unangebracht“, gestand er sofort ein, obwohl Entschuldigungen nicht gerade seine Stärke waren. „Aber wann wolltest du es mir denn sagen?“

„Sobald ich die ersten drei Monate der Schwangerschaft hinter mir gehabt hätte.“

„Dir ist doch bewusst, dass ich es besser so früh wie möglich erfahren sollte, um die erforderlichen Maßnahmen so schnell wie möglich in die Wege zu leiten.“

„Welche erforderlichen Maßnahmen?“, erkundigte sie sich ausdruckslos.

„Na, unsere Heirat natürlich.“

„Ich verstehe.“

Die Aussicht schien Gillian überhaupt nicht zu begeistern, obwohl sich Maks sicher war, dass sie sich noch vor acht Wochen nichts so sehr gewünscht hatte wie seinen Heiratsantrag.

Wie er inzwischen wusste, war ihr damals nicht klar gewesen, dass es ihre letzte gemeinsame Nacht sein würde, weshalb er rückblickend die Ereignisse jener Nacht und des folgenden Morgens mit anderen Augen sah. Er war zu Schlussfolgerungen gelangt, die sein Handeln in ein etwas anderes, nicht sehr angenehmes Licht rückten. Zumindest aus Gillians Sicht, sodass er fast schon Verständnis dafür aufbrachte, dass sie den Sicherheitsdienst gerufen und ihn zu einer reichlich überstürzten Flucht aus ihrer Wohnung gezwungen hatte. Fast. Selbstverständlich würde ein so impulsives Handeln in Zukunft nicht mehr akzeptabel sein. Doch das würde seine Mutter Gillian schon verständlich machen, wenn sie sie unter ihre Fittiche nahm, um sie auf ihre zukünftige Rolle als Königin von Volyarus vorzubreiten.

Augenblicklich gab es Wichtigeres zu besprechen.

„Nimmst du nicht etwas zu selbstverständlich an, dass ich in eine Heirat einwillige?“, fragte Gillian, ehe Maks etwas auf ihr unverbindliches „Ich verstehe“ erwidern konnte.

„Mein Kind wird einmal Thronerbe von Volyarus sein.“ Die Tragweite dessen musste sie doch begreifen!

Ihre klaren blauen Augen blitzten herausfordernd. „Auch wenn es ein Mädchen wird?“

„Ja. Die Königswürde geht auf das älteste Kind des Monarchen über, gleichgültig ob es männlich oder weiblich ist.“

„Wie fortschrittlich.“

„Eigentlich nicht. In vielen Monarchien ist die Weitergabe des Titels nicht an das männliche Geschlecht geknüpft.“

„Wirklich? Das wusste ich nicht.“ Gillian ließ das Popcorn, das sie in der Hand hielt, in die Schüssel zurückfallen und beugte sich interessiert vor.

„Mein Vater war in diesen Dingen sogar nicht so fortschrittlich, wie man es sich hätte wünschen können. Normalerweise werden die geschäftlichen und politischen Ämter unter den Geschwistern innerhalb der königlichen Familie aufgeteilt. Aber mein Vater hat sich nie dazu überwinden können, seiner Schwester etwa die Leitung von Yurkovich Tanner zu übertragen. Und auch wenn es darum geht, für einen Thronerben zu sorgen, ist seine Haltung archaisch.“ So hatte sein Vater seine Mutter nur geheiratet, um mit ihr den verlangten Thronfolger zu zeugen, weil die Frau, die er liebte, keine Kinder bekommen konnte.

„Das kommt mir auch so vor.“

Obwohl er die Kritik selbst geäußert hatte, kränkte es doch seinen Stolz und seine Familienloyalität, dass Gillian ihm sofort zustimmte, aber er verkniff es sich, Entschuldigungen für seinen Vater vorzubringen.

„Du siehst müde aus“, sagte er stattdessen besorgt,

„Ich bin müde. Anscheinend ist das in einer Schwangerschaft normal.“

Ihre Antwort gefiel ihm gar nicht. Er brauchte ganz dringend mehr Informationen von einem Frauenarzt oder einer Frauenärztin zum Thema Schwangerschaft.

„Es besteht ein Risiko von zwanzig Prozent, dass diese Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt endet.“ Sie sagte das so ausdruckslos, dass Maks den Sinn ihrer Worte im ersten Moment gar nicht begriff. „Nach den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft reduziert sich dieses Risiko auf drei Prozent.“

Maks’ Bedürfnis, mit einem Experten zu sprechen, wuchs. „Was sagst du da? Warum ist das Risiko so hoch?“

„Anscheinend sind Fehlgeburten viel häufiger, als man meint.“ Gillians angespannte Haltung strafte ihren beiläufigen Ton Lügen.

„Mein Kind wird nicht einer Fehlgeburt zum Opfer fallen!“

Gillian schüttelte spöttisch den Kopf. „Darauf hast du wohl keinen großen Einfluss.“

„Es muss doch etwas geben, was wir tun können!“

„Ich tue alles, was möglich und nötig ist. Ich nehme die empfohlenen Vitamine, habe mein Training auf Übungen für Schwangere umgestellt, trinke keinen Kaffee und keinen Alkohol mehr. Ich tue alles, um meine Schwangerschaft nicht zu gefährden.“.

„Du willst dieses Kind.“ Maks war klar, dass die Entscheidung noch nicht gefallen war, ob Gillian ihn noch wollte, aber er zweifelte keinen Moment, dass sie ihr Kind bekommen wollte.

„Mehr, als du wahrscheinlich begreifen kannst. Ich habe fest vor, eine vorbildliche Mutter zu sein.“

„Deine Großmutter hat hohe Maßstäbe gesetzt.“ Und Gillians Mutter konnte als absolutes Negativbeispiel gelten.

Ein liebesvolles Lächeln huschte über Gillians Gesicht. „Ja, Nana ist wirklich unübertrefflich.“

„Bestimmt freut sie sich schon sehr auf dein Baby.“ Auch wenn es geradezu kindisch war, aber die Vorstellung, dass ein anderer schon vor ihm von seinem Kind erfahren hatte, versetzte ihm einen eifersüchtigen Stich.

„Ich habe es ihr noch nicht erzählt.“

Das gab ihm zu denken. Denn eigentlich erzählte Gillian ihrer Großmutter alles. So hatte sie ihre Beziehung zwar gern aus der Öffentlichkeit herausgehalten, aber nicht vor ihrer eigenen Familie verschwiegen. Maks hatte ihre Großeltern sogar persönlich kennengelernt und erinnerte sich amüsiert an das gnadenlose Kreuzverhör durch Mr und Mrs Harris senior. Die beiden hatten ihn keinesfalls mit Samthandschuhen angefasst, weil er eine königliche Hoheit war, was Maks besonders gefallen hatte.

Umgekehrt war Gillian auch bereits bei einigen wenigen Anlässen seiner Mutter, Königin Oxana, begegnet. Ihre Beziehung war also in beiden Familien kein Geheimnis gewesen.

Umso weniger verstand Maks, warum Gillian jetzt sogar ihrer Großmutter ihre Schwangerschaft verschwiegen hatte. Vielleicht, weil sie nicht verheiratet war? „Ich glaube nicht, dass deine Großmutter dich verurteilen würde, weil du vor der Ehe schwanger geworden bist“, meinte er vorsichtig.

„Sie ist altmodischer, als du ahnst. Wer, glaubst du denn, hat meine Eltern dazu gedrängt, zu heiraten, damit ich ehelich zur Welt komme?“

Maks registrierte diese Information mit großem Interesse. Gut möglich also, dass Gillians Großmutter in dieser Sache seine stärkste Verbündete sein könnte.

„Ich werde niemandem von dem Baby erzählen, bis ich die zwölfte Woche überstanden habe“, fügte Gillian erklärend hinzu.

Anscheinend nahm sie das Risiko einer Fehlgeburt sehr ernst. „Du musst aufhören, so negativ zu denken“, erwiderte Maks.

„Ich denke nicht negativ, sondern bin nur realistisch.“

„Realistisch ist, dass du schwanger bist und wir entscheiden müssen, wie wir am besten auf diese Tatsache reagieren.“

„Ich reagiere genau richtig.“

Obwohl Maks in den acht Monaten ihrer Beziehung Gillian vor allem als vernünftiges, praktisches Wesen kennengelernt hatte, ahnte er zumindest seit jener letzten Nacht mit ihr, dass sie auch eine zutiefst romantische Seite besaß. Schließlich verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt vornehmlich mit den Umschlagsfotos für Liebesromane und war viel zu gut und erfolgreich darin, um nicht wenigstens eine heimliche Romantikerin zu sein, auch wenn sie es zu verbergen versuchte.

Maks war ein brillanter Diplomat auf internationalem Parkett, und auch bei geschäftlichen Verhandlungen konnten ihm nur wenige das Wasser reichen, aber in der Handhabung privater Beziehungen vor allem mit Frauen war er weniger geschickt. So war es ihm zum Beispiel in keinem Fall gelungen, mit seinen Exgeliebten „freundschaftlichen“ Kontakt zu wahren, was Demyan in höchstem Maß amüsierte.

Dennoch hatte er die ebenso unerwartete wie unstrittige Eingebung gehabt, dass es in der gegebenen Situation nur eine akzeptable Vorgehensweise gab. Dazu war vor seinem Besuch bei Gillian ein Umweg über Tiffany’s unerlässlich gewesen.

Jetzt zog er ein blassblaues Schmuckkästchen aus der Tasche und fiel vor der überraschten Gillian auf die Knie. „Gillian Harris, willst du mich heiraten?“

5. KAPITEL

Gillian saß im Pyjama auf dem Sofa und blickte mit großen Augen auf die kleine Schmuckbox in Maks’ Hand, als würden sich darin zornige Wespen verbergen und nicht ein kostbarer Verlobungsring, der nicht nur irgendeiner Prinzessin, sondern der zukünftigen Königin von Volyarus würdig war.

„Du hast einen Ring gekauft.“ Es klang eher verblüfft als glücklich.

„Natürlich hättest du einen Heiratsantrag mit allem Drum und Dran verdient, aber ich dachte, nach unserer Trennung würdest du es vielleicht doch nicht so gut finden.“ Es war ihm irgendwie peinlich, so vor ihr zu knien. Ein Glück, dass er so bald nicht mehr in diese Lage kommen würde!

„Da hast du recht. Nach deiner unmissverständlichen Ehrlichkeit vor zehn Wochen wäre das ganze Drum und Dran die reine Verschwendung gewesen.“

Was sollte er darauf erwidern? Maks klappte einfach das Schmuckkästchen auf. Auf einem blauen Samtbett funkelte ein großer, quadratisch geschliffener, makelloser Diamant, eingerahmt von ebenfalls lupenreinen gelben Brillanten. Alles war in Platin gefasst. „Heirate mich, Gillian.“

„Ein wunderschöner Ring.“ Doch sie schaute nur flüchtig hin, als könne sie den Anblick nicht ertragen.

Maks konnte nicht verstehen, warum. Liebten nicht alle Frauen schönen Schmuck? Von seiner Mutter wusste er es ganz bestimmt. Sie erwartete jedes Jahr zu ihrem Hochzeitstag ein kostbares, funkelndes Geschenk von seinem Vater.

„Du bist ja auch eine wunderschöne Frau.“

Ihr hübscher Mund verzog sich geringschätzig. „Wenn ich zu den berühmten Schönheiten im Jetset gehören würde, hättest du dich doch gar nicht für mich interessiert.“

Das stimmte. Wenn Gillian eine der Frauen gewesen wäre, die allein durch ihr Aussehen die Aufmerksamkeit der Medien anzogen, hätte er vielleicht eine flüchtige Affäre, aber niemals eine richtige Beziehung mit ihr angefangen. Was aber nicht bedeutete, dass sie nicht auch schön war.

„Nach unserer Trennung hat mich keine andere Frau gereizt.“ Sie verdiente dieses Eingeständnis, auch wenn es ihm schwerfiel.

„Na, du hast ja auch vor mir nicht allzu viele Beziehungen gehabt.“

Richtig, aber zwei halbwegs ernsthafte waren doch darunter gewesen, die aber beide kein gutes Ende genommen hatten. Maks hatten sie vor allem in der Ansicht bestärkt, dass Liebe nur schwerlich mit Pflicht vereinbar war.

„Ich habe dich vermisst“, sagte er ganz deutlich, für den Fall, dass sie es noch nicht verstanden hatte.

Gillian schmiegte sich in die Ecke des Sofas, zog die Knie unters Kinn und hielt die Beine mit den Armen fest. „Soll mich das beeindrucken? Du hast mir doch den Laufpass gegeben.“

Was zu dem Zeitpunkt die einzig sinnvolle Handlungsweise gewesen war. Allerdings würde es ihm wohl kaum Punkte bei Gillian einbringen, wenn er sie daran erinnerte. „Ich habe diese Entscheidung seitdem bereut.“

„Als du herausgefunden hast, dass ich schwanger bin.“

Das konnte er nicht leugnen, weshalb er lieber schwieg. Zwar war er schon vorher unglücklich über die Entscheidung gewesen, aber er hatte sich nicht gestattet, sie zu bereuen.

Gillian seufzte, warf erneut einen Blick auf den Ring und wandte sich wieder ab. „Ich verpflichte mich zu gar nichts, bevor ich nicht die ersten zwölf Wochen hinter mir habe.“

„Das kann ich nicht akzeptieren.“

„Vor acht Wochen hast du sehr deutlich gesagt, dass du mich nicht heiraten wolltest, weil dir das Risiko zu groß war, dass ich dir keinen Thronerben liefern könnte. Wenn ich eine Fehlgeburt habe, sind wir wieder genau in der gleichen Situation mit derselben geringen Chance, dass ich erneut schwanger werde.“ Obwohl sie keine Miene verzog, war ihr anzuhören, wie sehr sie dieses Wissen belastete.

Maks hatte keine Möglichkeit festzustellen, ob es sie schmerzte, dass sie womöglich nicht noch einmal Mutter werden konnte – oder dass es in dem Fall für sie und ihn keine gemeinsame Zukunft geben konnte. Dennoch drängte es ihn, ihr zu widersprechen.

Er erhob sich und setzte sich zu ihr auf das Sofa, wobei ihm nicht entging, dass sie von ihm wegrückte. „Jeden Tag, den wir damit warten, unsere bevorstehende Heirat offiziell bekannt zu geben, wächst die Chance, dass die Presse von deinem Zustand Wind bekommt, und dann wird ein Mediensturm über uns hereinbrechen.“

„Wenn es bei der Presse nicht auch üblich ist, Ärzte zu bestechen, um streng vertrauliche Informationen zu erhalten, wird niemand von meinem Zustand erfahren.“

„Demyan hat nicht deine Ärztin bestochen.“

„Und wie hat er es dann herausgefunden?“

„Ich glaube, das willst du gar nicht wissen.“

„Doch.“

„Durch einen Hacker.“

„Du hast jemand veranlasst, sich in meine Patientenakte zu hacken?“, fragte sie empört.

„Demyan …“

„Richtig, das war ja dein Cousin. Nicht du.“

„Wie auch immer, es wäre dumm von uns, wenn wir darauf vertrauen würden, dass es niemand herausfindet. Du hast Arzttermine …“

„Der nächste ist erst nach Abschluss der zwölften Woche“, fiel sie ihm erneut ins Wort.

Er sah sie nur schweigend an. Gillian wusste doch genauso gut wie er, wie leicht die Presse an die scheinbar geheimsten Informationen gelangte.

„Du gibst dir sehr viel Mühe, dich aus dem Rampenlicht fernzuhalten, stimmt’s?“

„Volyarus ist am besten gedient, wenn sein Königshaus nicht allzu sehr im Zentrum des Medieninteresses steht.“

„Warum?“

„Wenn sich vermehrt das Interesse der Welt auf uns richten würde, brächte das nur Unruhe und Probleme. Mit seiner strategisch günstigen Lage und seinen bemerkenswerten Bodenschätzen vor allem im Bereich der Seltenen Erden ist Volyarus sehr gut damit gefahren, von der Weltöffentlichkeit eher weniger wahrgenommen zu werden.“

Maks hatte in seinem Leben vier Sprachen gelernt, die er nun fließend sprach, drei weitere so gut, dass er ohne Dolmetscher zurechtkam. Umso erstaunlicher, wie schwer es ihm fiel, sich mit dieser Frau zu verständigen!

„Dein ganzes Leben dreht sich um Volyarus, richtig?“, bemerkte sie jetzt.

„Ja.“ Maks würde sich weder dafür entschuldigen noch jemals etwas daran ändern. Er war in eine Verantwortung hineingeboren worden, die nur wenige ermessen konnten, doch er hatte diese Bürde nie abgelehnt. Sein Platz in der Welt war unveränderbar, aber er wollte auch gar nichts daran ändern.

„Erst recht ein Grund, dein Land nicht negativ ins Rampenlicht zu rücken mit einer gescheiterten Verlobung in der Folge einer Fehlgeburt“, meinte Gillian betont sachlich.

„Ich würde unsere Verlobung nicht lösen, wenn du eine Fehlgeburt hättest!“ Obwohl es natürlich die einzig vernünftige Handlungsweise gewesen wäre. Andererseits ließ sich aber auch nicht verleugnen, dass Gillian gleich beim ersten Mal, als sie ohne Kondom miteinander geschlafen hatten, schwanger geworden war, was Hoffnung auf weitere Schwangerschaften weckte, sollte sie dieses Baby verlieren. Was ganz gewiss nicht passieren würde.

Außerdem ging es gar nicht erst um eine Verlobung, sondern gleich um die Heirat. Denn unter den gegebenen Umständen war es politisch ratsam, gleich heimlich zu heiraten und dann im Nachhinein eine königliche Hochzeit mit allem nötigen Pomp auszurichten. Seine Mutter würde begeistert das offizielle Fest planen. Sie mochte Gillian und hatte von Anfang an ihre Zustimmung zu seiner Wahl signalisiert. Die vorzeitige Schwangerschaft wäre natürlich ein kleiner Wermutstropfen, aber seine Mutter war keine Frau, die über Dinge jammerte, die sich nicht mehr ändern ließen.

Die Königin von Volyarus würde allerdings erwarten, dass die heimliche Hochzeit sobald wie möglich stattfand. Worüber Maks noch kein Wort verlieren wollte. Erst einmal musste er Gillian dazu bringen, ihn überhaupt zu heiraten, bevor er sie überreden konnte, ihn sofort zu heiraten.

„Du gehst davon aus, dass ich deinen Antrag annehme“, sagte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen.

Maks ließ den Ring in ihren Schoß fallen und stand auf. „Was haben wir denn für eine Wahl?“

„Wie reizend.“

Er überging ihren Sarkasmus, denn schließlich hatte er nur die Wahrheit ausgesprochen, auch wenn sie ihnen nicht gefiel. „Ich würde dich auch heiraten, wenn ich es nicht wollte.“ Noch während er die Worte sagte, war er froh, dass ihm der Gedanke, seine hübsche kleine Blondine zu heiraten, tatsächlich ganz gut gefiel.

„Das wird ja immer besser.“

Er verwünschte seine Ungeschicklichkeit. Wie konnte ein so brillanter Diplomat in seinen persönlichen Beziehungen derart ins Fettnäpfchen treten? Irritiert ging er im Zimmer auf und ab, blieb schließlich unschlüssig vor der kleinen Bar stehen. Doch es war wohl kaum sinnvoll, sich noch einen Drink einzuschenken, nachdem er den ersten kaum angerührt hatte. Er wandte sich ab. Wie sehr Gillian sich auch sträubte, es blieb die Tatsache, dass sie mit dem zukünftigen Thronerben von Volyarus schwanger war. Also musste sie ihn einfach heiraten!

„Aber ohne die Schwangerschaft würdest du es nicht in Erwägung ziehen.“ Ihre Worte klangen nicht verbittert, sondern nach resignierter Akzeptanz. Maks war klar, dass sie nicht glücklich darüber war.

Beschwörend drehte er sich wieder zu ihr um. „Ist das wirklich so wichtig? Das Baby in dir ist doch wirklich ein Wunder. Unser Wunder.“

„Ja.“

„Also wirst du mich heiraten?“

„Ja, das Baby ist ein Wunder – aber ebenfalls ja, es ist für mich sehr wichtig“, stellte Gillian unbeirrt klar. „Die nächsten zwei Wochen werde ich mich noch zu nichts verpflichten. Du kannst dir den Mund fusselig reden, aber in dem Punkt bin ich fest entschlossen.“

Auch wenn er sie bislang noch nie von dieser harten Seite kennengelernt hatte, so verriet der Blick ihrer klaren blauen Augen jetzt unmissverständlich, wie ernst sie es meinte. Maks begriff, dass er keine Chance hatte, sie umzustimmen.

„Dann heiraten wir in zwei Wochen.“

„Ich verspreche gar nichts.“

„Bis die zwölf Wochen vorbei sind. Das habe ich schon verstanden.“

„Dann versuch nicht, mir ein Versprechen abzuringen, das ich dir jetzt nicht geben will.“

„Aber in zwei Wochen wirst du es mir geben.“

„Ich weiß es nicht.“

„Doch.“ Sie musste einfach einwilligen. „Denn du hast dich ja längst entschieden.“

„Wie meinst du das?“

„Du hast von Anfang an gewusst, dass eine Beziehung mit mir an andere Erwartungen geknüpft sein würde als eine Beziehung mit anderen Männern.“

„Ich habe dir doch nicht mein Leben verschrieben, als ich eingewilligt habe, mich nur noch mit dir zu treffen.“

Sie hatten nie ausdrücklich darüber gesprochen, aber Maks hielt es für richtig, sie auf etwas Entscheidendes hinzuweisen: „Als du zugelassen hast, dass wir ohne Kondom miteinander geschlafen haben, wusstest du noch nichts von deiner möglichen Unfruchtbarkeit.“

Autor

Lucy Monroe
Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
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Therese Beharrie
Autorin zu sein war immer Therese Beharries Traum. Doch erst während ihres letzten Studienjahres, als der Arbeitsalltag in einem Unternehmen bereits auf sie wartete, wurde ihr klar, dass sie diesen Traum bald zur Wirklichkeit machen wollte. Also machte sie sich ernsthaft ans Schreiben. Inzwischen verdient sie tatsächlich ihren Lebensunterhalt mit...
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