Rubine - rot wie die Liebe

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Die Juwelen auf ihrer Haut, die Rubine an ihrer Hand - Leo Makarios kann kaum entscheiden, was aufregender ist: Der Schmuck oder die umwerfende Frau, die ihn trägt. Aber Anna ist so schön wie unnahbar. Doch der griechische Milliardär will sie - ganz und gar …


  • Erscheinungstag 13.03.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773304
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Im Schatten der großen Treppe, die in den weitläufigen Eingangsbereich von Schloss Herzogstein führte, blieb Leo Makarios stehen. Zufrieden blickte er auf die von Scheinwerfern erhellte Szene unter ihm.

Justin hatte eine gute Wahl getroffen. Die vier Frauen waren von exquisiter Schönheit.

Die Blonde erregte seine Aufmerksamkeit zuerst. Doch trotz ihrer Schönheit war sie für seinen Geschmack viel zu dünn, ihre Haltung zu angespannt. Mit neurotischen Frauen hatte er keine Geduld. Die Brünette neben ihr war zwar nicht zu dünn, aber dafür war ihr Gesichtsausdruck absolut leer. Stumpfsinnige Frauen machten ihn wütend.

Gespannt ließ Leo seinen Blick weiterwandern. Die Kurven der Rothaarigen waren atemberaubend, allerdings hatte sein Cousin Markos zurzeit eine Affäre mit ihr.

Er betrachtete die vierte Frau.

Ihr Haar war schwarz. Schwarz wie die Nacht.

Die Haut weiß. Weiß wie Elfenbein.

Und ihre Augen grün.

Grün wie die Smaragde, die sie trug.

Allerdings strahlte sie eine so offensichtliche Langeweile aus, dass ihn eine ohnmächtige Wut überkam. Wie konnte eine Frau es wagen, gelangweilt auszusehen, wenn sie eine Kette aus der Levantsky-Kollektion vorführen durfte? Wusste sie denn nicht, welches Wunder an Kunstfertigkeit für diese Kette nötig gewesen war? Ebenso wie für die Ohrringe, Armreifen und Ringe, die sie trug?

Augenscheinlich nicht. Denn genau in diesem Moment seufzte sie tief, stemmte eine Hand in die Hüfte und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere.

Leos Zorn verschwand. Durch den tiefen Atemzug hatten sich ihre Brüste merklich gehoben. Ein ihm nur allzu bekanntes angenehmes Gefühl durchströmte seinen Körper. Die schwarzhaarige Schönheit mit den grünen Augen langweilte sich also?

Nun, es würde ihm ein Vergnügen sein, das zu ändern.

Mit grimmiger Entschlossenheit ging er die Treppe hinunter.

Von Minute zu Minute sank Annas Laune. Warum gab es denn nun schon wieder eine Verzögerung? Tonio Embrutti und seine Assistenten hatten die Köpfe zusammengesteckt und stritten leise auf Italienisch. Sie seufzte noch einmal. Die tief dekolletierte Korsage schnitt schmerzhaft in ihre Haut. Wie sehr sie solche Kleidung hasste, die viel zu viel entblößte und die lüsternen Blicke der Männer auf sie zog.

Die Lippen fest aufeinandergepresst, zwang sie sich, im Kopf einen ihrer Karategriffe zu wiederholen. Das Wissen, sich gegen körperliche Zudringlichkeiten zur Wehr setzen zu können, entspannte und beruhigte sie zugleich – auch wenn sie gegen Blicke nichts ausrichten konnte.

Wieder verlagerte sie ihr Gewicht. Modeln war nicht annähernd so einfach, wie die Leute glaubten. Vor allem die beiden Amateure neben ihr – Kate und Vanessa – strengte das Shooting extrem an. Anna sah zu den beiden hinüber. Ohne ihre Kontaktlinsen blieb der Blick der brünetten Kate seltsam ausdruckslos. Aber zumindest bekam sie so die lüsternen Blicke nicht mit. Die rothaarige Vanessa hingegen genoss einen anderen Schutz. Ihr Freund war der Cousin des Mannes, der die ganze Show in Auftrag gegeben hatte und dem diese mittelalterliche Burg gehörte. Warum allerdings ein Grieche ein Schloss in den österreichischen Alpen kaufte, ergab für sie keinen Sinn. Vielleicht wollte er einfach in der Nähe seines Schweizer Bankkontos sein.

Plötzlich verengten sich Annas Augen besorgt zu schmalen Schlitzen.

Ihre Freundin Jenny, die Blonde in ihrem Quartett, sah gar nicht gut aus. Sie war schon immer dünn gewesen – welches Model war das nicht? –, aber jetzt wirkte sie fast ausgezehrt. Zumindest wusste Anna, dass Jenny keine Drogen nahm. Hoffentlich hatte ihr nicht irgendein Trottel von Fotograf geraten, eine strikte Diät einzulegen. War ihre Freundin vielleicht krank? Bei dem Gedanken durchlief Anna ein Schauer. Das Leben war unsicher genug, und man konnte durchaus mit Mitte zwanzig sterben. Schließlich war ihre eigene Mutter nur fünfundzwanzig Jahre geworden, und sie musste vaterlos bei ihrer verwitweten Großmutter aufwachsen.

Was auch immer Jennys Problem war, Anna nahm sich vor, nach dem Shooting ein bisschen Zeit mit ihr zu verbringen. Falls es jemals vorbei wäre. Zumindest löste der Kreis um Tonio Embrutti sich endlich auf, und der Fotograf wandte seine Aufmerksamkeit den Models zu. Kleine Augen funkelten in seinem fleischigen Gesicht.

„Du!“ Er deutete in einer dramatischen Geste auf Jenny. „Runter!“

„Runter?“, wiederholte sie dumpf.

Gereizt fuchtelte Tonio mit den Händen. „Das Kleid. Runter damit. Zieh es aus. Dann verschränkst du die Arme vor den Brüsten. Ich will die Armbänder fotografieren. Beeil dich!“ Ungeduldig schnippte er nach dem Stylisten und streckte die Hand nach der Kamera aus.

Doch Jenny blieb unbeweglich stehen. „Ich kann nicht.“

Der Fotograf starrte sie an. „Bist du taub?“, fragte er. „Du sollst das Kleid ausziehen. Sofort!“

Währenddessen löste der Stylist bereits gehorsam den Verschluss des Kleides.

„Ich werde mein Kleid nicht ausziehen.“ Nun klang Jennys Stimme schrill.

Anna sah, wie sich Embruttis Miene verdüsterte. Sie trat einen Schritt vor, um ihrer Freundin zu helfen. „Keine Nacktaufnahmen“, verkündete sie. „Das steht in unserem Vertrag.“

Der Fotograf fuhr zu ihr herum. „Halt den Mund!“ Dann wandte er sich wieder Jenny zu.

Anna ging zu ihrer Freundin und hob abwehrend die Hand, um dem Stylisten Einhalt zu gebieten.

In dem Moment ertönte eine andere Stimme. Eine unbekannte Stimme. Tief und mit deutlichem Akzent.

„Gibt es ein Problem?“

Ein Mann trat aus dem Schatten, der sich überall außerhalb der von Scheinwerfern erhellten Fläche in der Mitte der Eingangshalle erstreckte.

Anna stockte der Atem. Der Unbekannte war wie ein Leopard. Geschmeidig, mächtig, anmutig – und gefährlich.

Gefährlich? Wie kam sie denn darauf? Doch genau dieses Wort hatte sich in ihrem Kopf geformt, und noch während sie darüber nachdachte, wurde es von einem anderen ersetzt.

Bedrohlich.

Jetzt, wo ihr Interesse geweckt war, betrachtete sie den Fremden genauer. Er war groß, größer als sie, hatte dunkle Haare und eine olivfarbene Haut. Sein Gesicht erinnerte sie an antike Heldenstatuen und war unglaublich sexy.

Es liegt an den Augen, dachte sie. Dunklen Augen, die von schweren Lidern sehr sinnlich überschattet wurden.

„Und Sie sind …“, erkundigte sich Tonio Embrutti aggressiv.

Einen Moment sah ihn der Fremde schweigend an. „Leo Makarios“, antwortete er schließlich.

„Ja, es gibt ein Problem“, erklärte Anna, bevor der Fotograf etwas erwidern konnte.

Nun war sie es, auf der Leo Makarios’ Blick ruhte.

Wie war es möglich, dass sein gleichgültiger Blick jeden Muskel in ihrem Körper dazu brachte, sich anzuspannen? Sie fühlte sich wie eine Antilope – inmitten einer verlassenen afrikanischen Steppe kurv vor Sonnenuntergang.

Wenn die großen Raubkatzen auf die Jagd gingen.

Aber sie war keine Antilope – und Leo Makarios kein Leopard. Sondern nur ein reicher Kerl, der seine Juwelen an extra dafür engagierten Models fotografieren ließ.

Aber man hatte sie nicht engagiert, um sich auszuziehen.

„Unser Fotograf will“, fuhr Anna mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit fort, „dass wir gegen unseren Vertrag verstoßen.“ Ihre Stimme veränderte sich, wurde härter. „Keine Nacktaufnahmen. So steht es im Vertrag. Ich selbst habe sichergestellt, dass diese Klausel aufgenommen wird. Sie können es gern nachprüfen.“

Noch immer sah Leo Makarios sie an.

Irgendetwas passierte tief in ihrem Innern.

Etwas, das ihr nicht gefiel.

Leo Makarios’ Blick zielte auf ganz andere Regionen als die üblichen anzüglichen Fleischbeschauungen. Sie spürte ihren Herzschlag, fühlte, wie das Blut in ihren Adern pulsierte.

So intensiv, als bemerkte sie es zum ersten Mal in ihrem Leben.

Oh, nein, dachte sie in der seltsamen Zeitlupe, die mit einem großen Schock einherging. Nicht das.

Nicht er.

Aber es war so.

Intensiv und eindringlich ruhte Leos Blick auf der angespannt wirkenden Schwarzhaarigen.

Jetzt sah sie nicht mehr gelangweilt aus.

Eine Welle der Befriedigung durchströmte ihn. Mochte sie sich auch schnell wieder gefangen haben, er hatte es doch gesehen – das verräterische Weiten ihrer Pupillen, als ihre Blicke sich begegnet waren.

Darum würde er sich später kümmern, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war. Im Moment musste er sich mit anderen Dingen beschäftigen.

„Nur damit ich es richtig verstehe“, sagte er zu dem blonden Model. „Sie möchten dieses Foto nicht machen? Das, was Signor Embrutti will?“

Zitternd vor Anspannung schüttelte Jenny den Kopf.

Was bei Tonio Embrutti einen empörten Schwall abgehackter italienischer Beschimpfungen auslöste. Leo brachte ihn mit einer einzigen Geste zum Schweigen.

„Keine Nacktaufnahmen. Keines der Mädchen wird sich ausziehen. Die Kleider bleiben an – alle“, befahl er betont langsam.

Als er alle vier Frauen nacheinander betrachtete, blieb sein Blick für einen Moment an der Rothaarigen hängen. Beinahe hätte er gelächelt, weil er sich Markos’ Reaktion auf Nacktaufnahmen seiner Geliebten bildlich vorstellen konnte. Mochte es bei dem Fotoshooting auch noch so sehr um den Auftakt zur Vermarktung der wieder entdeckten Levantsky-Kollektion gehen. Lange Zeit hatten diese kostbaren Schmuckstücke in einem Geheimversteck der russischen Zaren in Sibirien gelegen. Nur dank eines geschickten Schachzugs der Makarios Corporation durften sie ihren Glanz jetzt wieder im Licht der Öffentlichkeit verstrahlen.

Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der Schwarzhaarigen. Ob sie noch zu haben war? Nur weil sie auf ihn reagierte, hieß das noch lange nicht, dass es keinen Mann in ihrem Leben gab. Sie wäre nicht die erste Frau, die glaubte, ihren Status zu verbessern, indem sie sich einen Makarios angelte.

An denen, die so dachten, verlor er sofort jedes Interesse. Denn solche Frauen waren schlechte Geliebte. Ihre Gedanken kreisten nur um Geld – nicht um ihn.

Aber wenn er mit einer Frau ins Bett ging, wollte er, dass ihre Aufmerksamkeit allein ihm galt.

Anschließend schlenderte Leo zu einer Seite der großen Halle, nickte dem Chef des Wachdienstes zu, der zum Schutz der Juwelen engagiert worden war, und lehnte sich an einen mächtigen Eichentisch. Von dort aus beobachtete er mit vor der Brust verschränkten Armen den Fortgang des Shootings. Denn er wollte mehr von der Frau sehen, für die er sich entschieden hatte.

Tonio Embrutti hatte es von nun an auf sie abgesehen und ließ den Zorn über seine Niederlage an ihr aus. Nichts, was sie tat, passte ihm.

Dieses Verhalten löste in Leo den überwältigenden Wunsch aus, zu dem Fotografen zu gehen und ihn an seinem dünnen Hals zu packen. Gleichzeitig empfand er widerwillig Bewunderung für das Model.

Mochte es sie auch langweilen, die Kollektion vorzuführen, mochte sie auch eine Rebellin sein, die kämpferisch ihren Vertrag hochhielt – wenn es um ihre Arbeit ging, hatte sie die Geduld einer Heiligen.

Und das ist wirklich seltsam, dachte Leo, weil sie überhaupt nicht wie eine Heilige aussieht.

Natürlich war sie sexy, aber nicht in einem aufreizenden Sinn. Nein, ihre sexuelle Anziehungskraft entstand durch etwas ganz anderes.

Außerdem schien sie selbst ihren Reizen gegenüber völlig gleichgültig zu sein.

Begehrlich glitt sein Blick über ihren Körper. Über die nachtschwarzen Haare, die weißen Schultern, die durch das Korsett betonten Brüste, die schmale Taille, die weiblichen Hüften, die schlanken Arme und über ihr Gesicht. Ein Gesicht mit einem ausgeprägten Kinn, hohen Wangenknochen, einer geraden Nase, einem ausgesprochen sinnlichen Mund und smaragdgrünen Augen.

Wieder spannten sich sämtliche Muskeln in seinem Körper an, und er zwang sich, einfach nur das gebotene Schauspiel zu genießen und sich auf die Vergnügung der bevorstehenden Nacht zu freuen.

Dabei fragte er sich eher desinteressiert, wie sie wohl hieß …

Erschöpft stieg Anna in das heiße, wohlriechende Wasser. Es fühlte sich himmlisch an. Und sie war so müde. Das Shooting war eine Qual gewesen. Nicht nur wegen des Trottels Embrutti – obwohl es sie viel Kraft gekostet hatte, ihm gegenüber ruhig zu bleiben –, sondern einfach, weil es so lange gedauert hatte.

Jedes Model war mit allen der unterschiedlichen Edelsteine fotografiert worden, in dazu passenden und kontrastierenden Kleidern. Heute Abend sollten sie den Schmuck noch einmal tragen: auf dem großen Empfang, den Leo Makarios gab, um die Levantsky-Kollektion der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vanessa die Smaragde, Kate die Rubine, sie selbst die Diamanten und Jenny die Saphire.

Bei dem Gedanken an Jenny verfinsterte sich ihre Miene. Nach dem Shooting war sie ihrer Freundin ins Zimmer gefolgt, hatte sich neben sie auf das Bett gesetzt und das längst überfällige Gespräch geführt.

„Ich bin schwanger“, platzte Jenny heraus.

Daraufhin hatte Anna sie nur entsetzt anstarren können. Schließlich musste sie nicht fragen, von wem oder warum Jenny so besorgt darüber war.

Immer wieder hatte sie die Freundin davor gewarnt, sich mit jemandem aus einem komplett anderen Kulturkreis einzulassen. Solche Beziehungen endeten meistens in einer Katastrophe.

Und genau das war passiert.

„Khalil hat es mir gesagt!“ Wie ein kleines Kind schaukelte Jenny auf dem Bett vor und zurück und umklammerte ihren Bauch. „Er hat gesagt, wenn ich je schwanger werden sollte, gäbe es nur zwei Möglichkeiten. Ihn zu heiraten und als seine Frau das Kind aufzuziehen. Oder ihn heiraten, ihm nach der Geburt das Kind übergeben und mich dann von ihm scheiden lassen. Aber ich kann das nicht. Weder das eine noch das andere. Ich kann nicht!“

Sie weinte, und Anna nahm sie tröstend in die Arme.

„Ich kann ihn nicht heiraten“, schluchzte Jenny. „Und ich kann ihm mein Baby nicht überlassen …“

„Ich nehme an“, sagte Anna, als das Weinen langsam verebbte, „er weiß nichts von deiner Schwangerschaft?“

„Nein! Und er darf es auch nie erfahren! Sonst wird er kommen und mich holen. Oh, Gott, Anna, er darf es nicht herausfinden. Ich muss mich verstecken.“ Angst verzerrte Jennys schöne Gesichtszüge. „Ich muss weit, weit fort von hier – und dort bleiben. Irgendwohin, wo er mich nicht vermutet.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Ich habe an Australien gedacht. An einen der winzigen Orte im Nordwesten. Dort wird er mich nicht suchen.“

„Kannst du dir das überhaupt leisten, Jenny? Ich kann dir Geld leihen …“, setzte Anna an, doch die Freundin schüttelte den Kopf.

„Nein. Du brauchst dein Geld selbst. Ich weiß, wie kostspielig das Pflegeheim für deine Großmutter ist. Und ich werde nicht zulassen, dass du deine Wohnung verkaufst. In unserem Alter müssen wir jederzeit mit dem Ende unserer Karriere rechnen. Du brauchst deine Ersparnisse für die Zeit danach. Ich werde schon zurechtkommen. Irgendwie.“

Da in Jennys momentanem hysterischem Zustand jede Diskussion sinnlos war, bestand Anna nicht auf ihrem Angebot. Dennoch würde sie sich darum kümmern, dass Jenny genug Geld für ihre Flucht bekam – auch wenn das bedeutete, eine Hypothek auf ihr Apartment aufzunehmen.

Jetzt, während sie in der Badewanne lag und das heiße Wasser die Müdigkeit aus ihrem Körper schwemmte, musste sie wieder an Jennys schreckliche Geschichte denken. Schwanger von einem Mann, der nur ihren Körper begehrte, und der sie, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, von ihrem Baby trennen würde. Keine seiner großzügigen Möglichkeiten war akzeptabel. Nein, Jenny musste fliehen. Sobald der Auftrag im Schloss vorbei war.

Aber noch war es nicht so weit. Die ersten Gäste für den Empfang waren bereits angekommen. Die Reichen, die Berühmten, die Mächtigen – sie alle hatte Leo Makarios eingeladen.

Leo Makarios.

Auch über ihn würde sie nachdenken müssen.

Bis jetzt hatte sie jeden Gedanken an ihn verdrängt. Nun erlaubte sie sich vorsichtig, ihre Begegnung Revue passieren zu lassen.

Zum ersten Mal seit vier sicheren Jahren war sie heute einem Mann über den Weg gelaufen, der ihr gefährlich werden konnte.

Und das machte ihr Angst.

Weil Männer ihr nie gefährlich wurden. Nicht mehr. Nicht seit Rupert Vane ihr mitgeteilt hatte, er würde eine andere Frau heiraten – eine Frau, die aus seiner Schicht stammte.

Die Erinnerung an diese Demütigung tat immer noch weh.

Zumal Rupert der erste – und einzige – Mann gewesen war, den sie nahe an sich herangelassen hatte.

„Das mit uns war doch nur Spaß, Anna“, hatte er milde erklärt, nachdem er ihr seine Hochzeitspläne verkündet hatte.

Seit damals hielt sie eine gesunde Distanz zu Männern, und zwar zu allen. Glücklicherweise interessierten die meisten Männer sie sowieso nicht.

Ich muss wissen, warum Leo Makarios mir gefährlich werden kann, dachte sie. Um mich vor ihm zu schützen.

Ein Mann hatte sie angesehen, und in ihr hatte sich etwas geregt.

Das hatte nichts damit zu tun, dass er gut aussah – ihre Welt war bevölkert von fantastisch aussehenden Männern, und nicht alle waren homosexuell. Auch mit seinem Reichtum hing es nicht zusammen – denn Geld war für sie immer das größte Abschreckungsmittel gewesen. Fast alle reichen Männer nahmen an, dass Models ihnen uneingeschränkt zur Verfügung standen.

Also, was zur Hölle ging hier vor?

Sie wusste nur zwei Dinge.

Wenn es um Leo Makarios ging, musste sie sehr, sehr vorsichtig sein.

Und sie wollte ihn wiedersehen.

2. KAPITEL

Problemlos wechselte Leo vom Italienischen ins Französische, dann zu Deutsch und Englisch, während er seine Gäste begrüßte. Längst waren alle Arbeitsmittel des Fotoshootings aus der Eingangshalle verschwunden, in der jetzt Frauen in Abendkleidern und Männer in exklusiven Anzügen von Kellnern mit Champagner bewirtet wurden.

„Markos!“ Als er seinen Cousin erblickte, wechselte Leo ins Griechische. Während die beiden sich unterhielten, bedachte Leo das rothaarige Model an Markos’ Seite mit einem höflichen Lächeln.

Aber sie reagierte nicht. Sie sah ihn noch nicht einmal. Ihre gesamte Aufmerksamkeit galt Markos, in ihren Augen lag ein ergebenes Funkeln, als glaubte sie fest daran, dass Markos der einzige Mensch im Universum wäre.

Ein merkwürdiges Gefühl durchfuhr Leo.

Noch nie hatte eine Frau ihn so angesehen …

Möchtest du das denn?

Die Antwort kam sofort: Nein, definitiv nicht. Eine Frau, die ihn so ansähe, wäre ihm lästig.

Oder sie würde diesen Blick nur vortäuschen.

In der Vergangenheit hatten ihm Frauen oft ihre unsterbliche Liebe gestanden, doch er hatte ihnen nie geglaubt. Immer hatten sie nicht ihn, sondern seinen Reichtum geliebt.

Nach links und rechts grüßend, bahnte Leo sich seinen Weg durch die Gäste. Insgeheim hielt er nach den Models Ausschau, die die Levantsky-Juwelen präsentierten.

Wo war die Schwarzhaarige?

Endlich entdeckte er sie. Sie sah absolut und unglaublich atemberaubend aus.

Eng umschloss das schwarze Kleid ihre Brüste, um dann in einer geraden Linie bis zu ihren Knöcheln zu fallen. Dazu trug sie schwarze Handschuhe, die bis zu den Ellenbogen reichten. Anders als während des Shootings trug sie die Haare nun hochgesteckt, lediglich einige einzelne Strähnen umrahmten ihr Gesicht. Bis auf etwas Lipgloss und Mascara hatte sie kein Make-up benutzt. Ihre Haut schimmerte wie Elfenbein.

Die mit Diamanten besetzte Halskette funkelte im Licht und betonte ihre Schönheit noch zusätzlich.

Einen langen Augenblick sah Leo sie nur an.

Plötzlich runzelte er die Stirn und hob kurz die Augenbrauen, bevor er auf sie zuging.

Allein, ein Glas Champagner in der Hand, stand sie in einer Ecke und sah mit tadelnder Miene zu der Jagdtrophäe eines Eberkopfs an der Wand.

„Warum tragen Sie nicht auch die anderen Stücke der Kollektion?“, fragte er, als er sie erreicht hatte.

Wieder weiteten sich ihre Pupillen, er konnte es genau erkennen. Aber daran hatte er im Moment kein Interesse. Was ihn interessierte, war, warum sie nicht das Diadem, die Ohrringe und die Armbänder trug – wie er es angeordnet hatte.

„Also?“, setzte er nach.

Sie schien ihre Fassung wiedererlangt zu haben. „Sie wollen doch nicht wirklich, dass ich wie ein strahlender Weihnachtsbaum durch die Gegend laufe?“

„Und da haben Sie einfach eine Entscheidung getroffen?“

Sein Tonfall war milde, aber die Härchen an Annas Nacken richteten sich trotzdem auf.

Ich werde nicht nachgeben, dachte sie. Auf ihrem Zimmer hatte sie die gesamte Kollektion angelegt und daraufhin im Spiegel wie eine Christbaumkugel geglitzert.

„Jeder“, entgegnete sie spitz, „mit einem Hauch Geschmack hätte so entschieden.“

„Meine Anweisungen waren sehr eindeutig.“

„Aber Sie hatten unrecht“, entgegnete sie standhaft. „Mehr als die einzelne Kette zu tragen würde vulgär wirken.“

Seine Gesichtszüge erstarrten, und in seinen dunklen Augen veränderte sich etwas.

Lange sah er sie einfach nur an. Unter seinem durchdringenden Blick spannte sich Annas ganzer Körper an. Dann erkannte sie, was er tat. Er versuchte, sie einzuschätzen.

„Mr Makarios“, meinte sie, „sicherlich möchte ein Mann wie Sie nicht vulgär erscheinen.“

Verwundert stellte sie fest, dass sie auf etwas hoffte, aber nicht genau wusste, worauf. Dennoch bekam sie es.

Um einen seiner Mundwinkel spielte ein winziges Lächeln – fast unsichtbar.

„Sie leben gefährlich“, sagte er leise. „Fordern Sie mich nicht heraus. Und jetzt gehen Sie und legen Sie die Juwelen an.“

Damit wandte er sich um.

Anna brauchte ihre ganze Kraft, um nicht hinter ihm herzulaufen und die Hand gegen ihn zu erheben. Warum in aller Welt löste ein Mann wie Leo Makarios solche Gefühle in ihr aus? Er war doch nur ein weiterer reicher Kerl, der die Welt dafür bezahlte, so zu sein, wie es ihm gefiel. Und im Moment bezahlte er vier Models, damit sie seine Juwelen präsentierten.

Autor

Julia James
Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills & Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen.

Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen...
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