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Als Parker ins Spielerparadies Las Vegas reist, um sein Erbe anzutreten, ist er erst mal ratlos: Was soll ein überzeugter Junggeselle wie er mit einer Hochzeitskapelle? Doch Daisy Lockett, die hübsche Betreiberin, zeigt es ihm: unerwartet und sehr romantisch …


  • Erscheinungstag 14.11.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536172
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Das war eigentlich nicht das, was ich mir unter ein bisschen Abstand von Boston vorgestellt hatte“, brummte Parker Sutcliffe vor sich hin, als er aus seiner schwarzen Edellimousine stieg.

Er hatte vor einem großen, alten weißen Holzgebäude in einer billigen Gegend von Las Vegas gehalten, wo es keine Casinos oder Touristenattraktionen gab. Die Worte ‚Hochzeitskapelle Für Immer Und Ewig‘ standen in grellem Neonrosa quer über dem Eingang. Das Haus daneben trug zwar keinen Namen, sah ansonsten jedoch genauso aus und schien mit der Kapelle verbunden zu sein. An der Tür war keine Hausnummer zu sehen.

Egal, dachte er. Das ist es. Die Eigentümerin dieser Gebäude war eine Verwandte gewesen, von der er nie zuvor gehört hatte. Aber man hatte ihm die Schlüssel ausgehändigt und ihm gesagt, dass er die beiden leer stehenden Häuser in Besitz nehmen könne. Die ganze Sache hatte ihn sehr überrascht, und Parker mochte normalerweise keine Überraschungen. Aber nach allem, was im vergangenen Jahr passiert war, kam ihm der Zeitpunkt gerade recht.

Mit einem Seufzer dachte er an Sutcliffe’s. Die Firma war sein Rettungsanker gewesen, solange wie er sich überhaupt erinnern konnte. Im Augenblick hatte deren Erfolg jedoch erheblich nachgelassen, und er wollte sie auf keinen Fall bankrott gehen lassen. Vielleicht brauchte er mal eine Auszeit. Herzukommen, um sein Erbe anzutreten, gab ihm die Gelegenheit, Abstand zu gewinnen, nachzudenken und eine Idee zu entwickeln, mit der Sutcliffe’s gerettet werden konnte. Außerdem war es ein willkommener Vorwand, um vor den unablässigen Forderungen des Firmenvorstands zu flüchten, Parker solle heiraten, um ein paar positive Schlagzeilen zu machen. Diese wären nach dem Tod seines Vaters jetzt dringend notwendig.

Ihre Anspielungen, dass er kein guter Ersatz als dynamischer Repräsentant der Firma war, sie aber durch eine Heirat retten könne, hatten in letzter Zeit für große Spannungen gesorgt. Die Reise nach Las Vegas bot ihm einen guten Grund für seine Abwesenheit, denn er brauchte unbedingt etwas Ruhe und Zeit für sich.

Er drehte den Türknopf der verlassenen Kapelle, doch die Tür war nicht verschlossen. Das Gebäude war auch nicht verlassen oder still.

Parker wurde von einer Geräuschkulisse voller falscher Töne empfangen. Während er hinten stehen blieb, fand vorne eine Hochzeit statt. Auf einer erhöhten Bühne schmetterte ein Elvis-Darsteller, der aussah, als wäre er mindestens zehn Jahre zu alt, das Ende von ‚It’s Now or Never‘. Eine Braut und ein Bräutigam, die offensichtlich nichts von der Musik mitbekamen, lächelten einander an.

Flüchtig glaubte Parker, in einer Reality Show gelandet zu sein. Oder vielleicht erlaubte sich jemand einen Spaß mit ihm. Aber wenn seine Teilhaber aus Boston meinten, sie könnten ihn zu einer Hochzeit überreden, indem sie ihn mitten in eine hineinwarfen, hatten sie sich auf jeden Fall die falsche Hochzeit ausgesucht.

Als die letzten Töne verklangen, eilte jemand ganz in Rosa aus dem Seitengang auf ihn zu. „Es tut mir so leid. Jetzt haben Sie den größten Teil verpasst.“

Parker blickte hinunter auf eine zierliche junge Frau mit langen, kupferfarbenen Locken und einem grauenvollen quietschrosa Kleid.

Sie musterte seinen dunklen Anzug. „Sie müssen ein Freund oder Verwandter des Brautpaars sein. Aber keine Sorge. Meistens sind sie so aufgeregt, dass ihnen ein verspäteter Gast gar nicht auffällt. Es sei denn, Sie gehören zur Familie?“

„Nein, gar nicht. Ich …“

„Dann ist es ja gut. Da kommen die beiden schon. Nehmen Sie das.“ Sie drückte ihm etwas in die Hand. „Der Empfang findet draußen statt. Den Flur entlang und durch die Tür.“

Parker zog die Brauen zusammen. „Empfang? Sie irren sich. Ich bin nicht …“

„Schnell“, meinte sie. „Sie kommen, und bei diesen kleinen Hochzeiten brauchen wir so viel jubelndes Publikum, wie wir kriegen können.“ Sie griff nach seiner Hand und versuchte, ihn hinter sich herzuziehen.

Er rührte sich nicht. „Hören Sie, Ms … Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber wir müssen miteinander reden.“

„Mr … Ich weiß auch nicht, wer Sie sind, aber das hier ist eine Hochzeit. Die Leute haben bezahlt. Es ist der wichtigste Tag in ihrem Leben, und reden können wir später immer noch.“ Die junge Frau wandte sich zum Gehen. Dann fuhr sie plötzlich wieder herum, einen ängstlichen Ausdruck in ihren großen braunen Augen. „Sie sind doch kein Geldeintreiber oder so was?“

Parkers Miene verfinsterte sich. „Nein, aber …“

„Von der Polizei?“

„Sehe ich etwa aus wie ein Polizeibeamter?“

Sie warf einen Blick auf seinen Anzug. „Richtig. Es sei denn, Polizisten tragen inzwischen italienische Designermode. Okay, dann los. Wir reden nachher. Und bringen Sie Ihre Seifenblasen mit.“

„Seifenblasen?“, murmelte er verständnislos. Doch da die Hochzeitsgesellschaft dicht hinter ihm war, folgte er der hübschen, wenn auch leicht verrückten Rothaarigen.

Kaum hatten sie eine winzige Rasenfläche von der Größe einer Briefmarke hinter den weißen Zwillingsgebäuden erreicht, da erschien auch schon das Brautpaar.

„Herzlichen Glückwunsch!“ Die hübsche Frau in Rosa öffnete ihr kleines weißes Röhrchen mit Seifenblasen und blies eifrig los, die Lippen auf eine Weise gespitzt, die manche Männer vermutlich sexy genannt hätten.

Parker war jedoch verärgert. Diese Frau brachte seinen sorgfältig geplanten Tag durcheinander, und besonders seine Flucht vor allem, was mit Hochzeiten zu tun hatte. Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick, der noch einmal deutlich machte, was für erstaunlich ausdrucksvolle Augen sie besaß. Sofort unterdrückte Parker diesen Gedanken. Er war nicht auf der Suche nach einer Frau. Schon gar nicht nach einer zierlichen Piratin, die seine Gebäude geentert und übernommen hatte.

Verdammt, das Letzte, was er momentan gebrauchen konnte, war eine florierende Hochzeitskapelle. Oder sonstige Ablenkungen von den Problemen, die er dringend lösen musste. Ganz sicher wollte er sich nicht mit einem hübschen Eindringling mit vollen roten Lippen und Seifenblasen herumschlagen.

Die Brauen zusammengezogen, wartete Parker darauf, dass dieses Hochzeitsfiasko endlich vorbei war, damit er herausfinden konnte, was hier überhaupt vor sich ging. Der Elvis-Imitator, der Mann, der die Trauung vollzogen hatte und die Frau, die Klavier gespielt hatte, kamen nun auch nach draußen. Die rosafarbene Schönheit verteilte ebenfalls Plastikröhrchen an alle, sodass ein Regenbogen aus Seifenblasen über dem Brautpaar schwebte, die langsam zerplatzten, während Braut und Bräutigam sich küssten.

Unterstützt von einer älteren Frau mit einem Gehstock, schaltete die junge Frau sanfte Musik an und enthüllte eine kleine Hochzeitstorte. Dann holte sie eine Kamera und machte Fotos, während das Brautpaar Torte aß und tanzte. Irgendwann wurden die Dokumente unterschrieben, das Brautpaar ging, und Parker fand sich neben der rosafarbenen Märchenfee wieder.

„Also.“ Sie schaute zu ihm auf, und ihr Lächeln schwand. „Wenn Sie niemanden von der Hochzeitsgesellschaft kennen und weder Geldeintreiber noch Polizist sind, wer sind Sie dann?“ Plötzlich hellte sich ihre Miene wieder auf. „Ach, ich weiß, Sie sind wohl ein zukünftiger Bräutigam. Sie möchten, dass wir Ihre Hochzeit ausrichten. Entschuldigen Sie, dass ich nicht gleich daran gedacht habe. Es war nur … Ihr Anzug. Eine solche Qualität sehen wir hier nicht oft. Aber keine Sorge, wir wissen, wie man eine elegante Hochzeit durchführt. Ich garantiere Ihnen, Sie werden es nicht bereuen, zur ‚Hochzeitskapelle Für Immer Und Ewig‘ gekommen zu sein.“

„Zu spät“, erklärte er. „Ich bereue es jetzt schon.“ Parker blickte auf seinen Ärmelaufschlag, wo etwas Seifenblasenflüssigkeit hingetropft war.

„Ups, das tut mir schrecklich leid.“ Die Frau begann, den Fleck abzureiben. Dabei berührten ihre schlanken Finger seinen Handrücken. Als sie näher kam, um den Schaden zu beheben, nahm er einen zarten Lavendelduft wahr. Den Duft einer Frau. Sein ganzer Körper war plötzlich angespannt. Wie albern. Schließlich kannte er sie ja überhaupt nicht. Außerdem hatte er schon viel zu viele Fehler bei Frauen gemacht. Schwere Fehler, die ihm beinahe den Boden unter den Füßen weggezogen hatten. Also nein. Definitiv nein.

Der schönen Frau ging es offenbar ähnlich, denn sie zog schnell ihre Hand zurück. Ein Fleck aus rosa Zuckerguss war auf Parkers Ärmel zu sehen.

Sie erschrak und wurde rot. „Ich bin zu neunundneunzig Prozent sicher, dass das wieder rausgeht“, meinte sie sofort. „Sie könnten mir das Jackett geben, dann bringe ich es in Ordnung.“

Parker war plötzlich zum Lächeln zumute, er hielt sich jedoch zurück. „Ich glaube nicht. Wir sind hier fertig.“

Verblüfft sah sie ihn an. „Wie bitte? Soll das heißen, dass Sie Ihre Hochzeit nicht hier feiern wollen?“

„Falls ich in diesem Leben jemals heiraten sollte, und das habe ich nicht vor, dann nicht hier. Nein.“

„Weil wir nicht Ihrem Stil entsprechen?“

„Weil ich das Gebäude verkaufen werde und bezweifle, dass es unter dem nächsten Besitzer so erhalten bleibt, wie es ist.“

In ihren großen braunen Augen lag ein Ausdruck der Bestürzung. „Das Gebäude verkaufen?“, flüsterte sie. „Aber es ist doch Tillies Haus.“

Seine Lippen wurden schmal. „Ich nehme an, Sie sprechen von meiner Tante Mathilda, und sie ist …“

„Gestorben“, sagte die Frau leise. „Sie sind Ihr Erbe? Sie hatte einen Erben, einen echten Erben?“

„Ich bin Parker Sutcliffe“, erwiderte er. „Ich habe meine Tante nie kennengelernt. Und Sie sind?“

„Ich … Äh … Na ja, ich bin …“

An ihrem Gesicht erkannte Parker, dass sie überlegte, was für eine Geschichte sie ihm am besten auftischen sollte. Daher bedachte er sie mit einem eisigen, aristokratischen Blick, der besagte: ‚Versuch nicht mal, mich anzulügen.‘ Ein Blick, den er schon von klein auf bei Bediensteten angewendet hatte, noch bevor er überhaupt sprechen konnte.

Sie stieß den Atem aus, sodass sich ihr hübscher, kupferfarbener Pony hob, holte tief Luft und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, mit der sie kaum bis zu seiner Schulter reichte. „Ich bin Daisy Lockett. Ich wohne hier.“ Herausfordernd hob sie das Kinn. „Wir alle wohnen hier.“ Damit wies sie auf die Frau mit dem Gehstock, den Standesbeamten und die Klavierspielerin, die mit besorgten Mienen auf der anderen Seite des Raumes standen.

„Sie wohnen hier?“, wiederholte Parker erstaunt. Er hatte ein leeres Gebäude erwartet, und als es nicht leer gewesen war, hatte er angenommen, jemand würde es einfach benutzen. Aber Mieter? Nicht nur irgendwelche, sondern eine viel zu attraktive junge Frau mit Augen wie geschmolzene Schokolade und drei gebrechliche alte Leute?

Seine Augen wurden schmal. Diese Wendung der Dinge gefiel ihm ganz und gar nicht. Für unvorhersehbare und womöglich chaotische Situationen hatte er absolut nichts übrig. Nach all den dramatischen Ereignissen des letzten Jahres und seinen katastrophalen Beziehungen mit Frauen wollte er lieber etwas Langweiliges.

Allerdings war ihm das anscheinend nicht vergönnt. Parker schaute hinunter in diese beunruhigten dunklen Augen. Daisy Locketts Haar sah weich und zerzaust aus, wie bei einer Frau im Bett. Sie hatte den Zeigefinger zwischen den Lippen, entweder weil sie nervös daran knabberte oder weil sie sich Zuckerguss von den Fingerspitzen leckte.

Parker ertappte sich dabei, dass er überlegte, was von beidem sie wohl tat. So ein Unsinn. Das spielte keine Rolle. Hier ging es darum, dass sie unter seinem Dach lebte. Ein Dach, von dem er zugegebenermaßen bis letzte Woche nichts gewusst hatte, was ihm aber jetzt gehörte. Das bedeutete, dass alles, was in diesem Gebäude stattfand, mit ihm in Verbindung gebracht werden könnte. Und im Moment konnte er es wirklich nicht gebrauchen, dass irgendwelche seltsamen oder fragwürdigen Geschichten über ihn in der Presse auftauchten.

„Meine Tante ist bereits vor zwei Monaten verstorben“, stellte er fest. „Warum sind Sie dann noch hier? Und wieso wussten weder die Behörden noch die Immobilienmaklerin, dass jemand in dem Gebäude wohnt? Könnten Sie mir das alles vielleicht erklären, Ms Lockett?“

Mit vor der Brust verschränkten Armen und zusammengezogenen Augenbrauen sah er Daisy Lockett an. Dieser Blick hatte schon viele Leute eingeschüchtert. Zu seiner Überraschung hielt sie ihm jedoch stand. Sie richtete sich noch höher auf und verschränkte ebenfalls die Arme. Vermutlich, um entschlossener zu wirken. Wegen der üppigen Rundungen ihrer Brüste sah sie dadurch allerdings nur besonders erotisch und reizvoll aus.

Schluss damit, Sutcliffe, rief er sich zur Vernunft. Der Erotikfaktor dieser Frau war das Letzte, woran er jetzt denken sollte. Immerhin würde ihre flüchtige Bekanntschaft sehr schnell wieder beendet sein. Sobald er sie hier verscheucht hatte, wäre sie aus seinem Leben verschwunden. Dann würde er nach Boston und zu seiner Firma zurückkehren. Eine Firma, auf die er sich trotz der gegenwärtigen Probleme verlassen und die er kontrollieren konnte.

Daisy Lockett hingegen war offensichtlich komplett außer Kontrolle. Er musste sie loswerden, nicht etwa näher kennenlernen.

„Nun, Ms Lockett, was ist Ihre Erklärung hierfür?“ Parker deutete auf die traurigen Überreste der Hochzeitstorte mit dem umgestürzten Plastik-Brautpaar oben drauf, mehrere halb leere Seifenblasen-Röhrchen, eine Pfütze Seifenblasen-Flüssigkeit auf dem billigen Papiertischtuch sowie einen MP3-Player, der dringend neue Batterien benötigte.

„Sie mögen keine Hochzeiten, stimmt’s, Mr Sutcliffe?“, fragte Daisy unvermittelt. „Solche Männer sind mir schon öfters begegnet.“

Er zog die Brauen hoch. „Sie haben recht. Ich bin kein Anhänger der Ehe, aber das ist völlig nebensächlich. Der springende Punkt ist: Sie leben in meinem Haus, und zwar unbefugterweise. Was dachten Sie denn, was passieren würde, wenn jemand Sie hier antrifft?“

Sie hob das Kinn. „Ich habe einfach gehofft, dass es nicht passiert.“

Parker war verblüfft. „Aber ich bin da. Das heißt, es ist passiert“, entgegnete er. „Und jetzt, da sich trotz Ihrer Hoffnungen unsere Wege gekreuzt haben, stellt sich die Frage: Was soll ich mit Ihnen machen?“

Es würde noch einige Monate dauern, bis Daisys Geburtsvorbereitungskurs beginnen sollte. Aber sie wusste, dass es dabei vor allem um das richtige Atmen ging, was ihr im Moment ausgesprochen schwerfiel.

Daher griff sie nach dem erstbesten Strohhalm. „Tillie hat Sie nie erwähnt.“ Tillie, die ihr Mutter und Freundin zugleich gewesen war, hätte ihr bestimmt erzählt, dass sie einen Neffen hatte.

Ein Neffe, der geradezu verboten attraktiv war. Mit seinen breiten Schultern und einer tiefen Stimme, die … Energisch schob sie den Gedanken beiseite. Was war bloß los mit ihr? Dieser Mann war noch nicht mal nett.

„Ich meine nur, sicher hätte Tillie mal von ihrem Neffen gesprochen, wenn Sie ihr Erbe sind“, fügte sie hinzu.

„Meine Tante und ich sind uns nie begegnet“, antwortete der große, dunkelhaarige Unbekannte. „Aber ihrem Anwalt zufolge ist sie gestorben, ohne ein Testament zu hinterlassen, und ich bin der einzige lebende Verwandte.“

Oh nein, das kann doch nicht wahr sein, dachte sie. Andererseits, der markante Kiefer, die geschwungenen Augenbrauen sahen denen von Tillie durchaus ähnlich. Dennoch brauchte Daisy dringend Zeit zum Nachdenken.

„Tut mir leid, aber dafür müsste ich schon einen besseren Beweis haben als bloß Ihre Aussage.“ Sie war schon so oft von Männern angelogen und verletzt worden. Kampflos würde sie sich jedenfalls nicht auf die Straße setzen lassen. Der Ausdruck in Parker Sutcliffes grünen Augen zeigte ihr, wie überzeugt er davon war, dass er gewinnen würde.

Sie unterdrückte den Impuls, schützend die Hand auf ihren Bauch zu legen. Die aufsteigende Panik machte ihr das Atmen noch schwerer, und ihre Hände fühlten sich kalt und feucht an. Obwohl der Mann entschieden gereizt wirkte, sah er trotzdem umwerfend gut aus. Das Leben war manchmal wirklich sehr unfair.

„Ich trage solche Dokumente normalerweise nicht mit mir herum“, erklärte er in gebieterischem Ton.

Ein winziger Hoffnungsfunke stieg in ihr auf. Vielleicht konnten sie ja doch alle noch ein Weilchen länger hier in Sicherheit bleiben.

„Tillie war meine allerbeste Freundin“, antwortete Daisy. „Sie wollte mich hier haben. Das kann ich beweisen. Es gibt Nachbarn, die für mich bürgen.“ Mit all dem Mut, den sie noch aufbringen konnte, reckte sie das Kinn.

Parker Sutcliffe fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dessen Schnitt offensichtlich einem teuren Stylisten zu verdanken war. Der Blick seiner dunkelgrünen Augen wirkte kalt. „Okay, da haben Sie mich erwischt. Ich bin meiner Tante nie begegnet, und in Las Vegas kenne ich niemanden. Ich bin nicht von hier, aber ich versichere Ihnen, Ms Lockett, das Gesetz ist auf meiner Seite. Ich beabsichtige, wiederzukommen und die Vermögenswerte meiner Tante zu verkaufen. Irgendetwas wird mit dem Gebäude geschehen, und ich fürchte, Sie werden nicht bleiben können. Es sei denn, Sie legen Unterlagen vor, die meine ausstechen. Und zwar solche, die real existieren. Morgen komme ich zurück mit dem Beweis, dass ich der neue Eigentümer bin. Und wenn ich Sie dann immer noch antreffe, erwarte ich einen rechtlich gültigen Grund dafür.“

Als Daisy ihm in die Augen schaute, fand sie dort nichts, was ihr Hoffnung machte. Tillie war ein Schatz gewesen, eine Ersatzmutter und Freundin, aber sie hatte auch dazu geneigt, Dinge auf die lange Bank zu schieben. Sie hatte eine Antipathie gegen Rechtsanwälte und Autoritäten gehabt.

Wie so viele Menschen hatte sie geglaubt, sie würde ewig leben, und deshalb vermutlich niemals auch nur darüber nachgedacht, ein Testament zu verfassen. Wahrscheinlich hatte sie nichts hinterlassen, was ihre Freunde jetzt retten könnte. Und Daisy war nicht die Einzige, die das betraf. Die anderen waren zu alt und zu gebrechlich, um sich mit solchen Angelegenheiten auseinanderzusetzen. Also musste Daisy nun die Starke, die Anführerin sein.

Sie schloss die Augen, biss sich auf die Lippen und schickte ein rasches Stoßgebet zum Himmel, ehe sie Parker am Ärmel fasste. „Bitte setzen Sie uns nicht auf die Straße. Wir wissen nicht, wo wir unterkommen sollen.“

Obwohl sie seine Haut gar nicht berührte, kam es ihr vor, als wäre sie von einem Blitz durchzuckt worden, der lauter elektrische Funken in der Luft um sie herum verursachte. So als wäre sie auf eine seltsame Weise mit diesem Mann verbunden, der sie anblickte, als hätte sie gerade erklärt, dass sie gleich ihr Kind direkt vor ihm zur Welt bringen würde. In etwa sieben Monaten wäre das sogar durchaus denkbar. Daisy wurde unwillkürlich blass, blieb jedoch beharrlich.

„Bitte“, wiederholte sie. „Irgendwie werde ich einen Beweis über Tillie und uns alle auftreiben.“

„Sie alle?“, fragte Parker erstaunt. „Gibt es etwa noch mehr von Ihnen?“

„Bloß uns vier.“ Sie beschloss, den Hund lieber erst mal nicht zu erwähnen. Genauso wenig wie ihre Schwangerschaft. „Wir brauchen nur ein bisschen Zeit.“

„In diesem Gebäude leben vier Leute?“

„Ja. Es tut mir leid, dass Sie das nicht wussten, bevor Sie gekommen sind. Wir haben nicht versucht, es zu verheimlichen.“ Natürlich hatten sie gewusst, dass das Haus nicht ihnen gehörte und es nicht immer so weitergehen konnte. Sie hatten auch einen Brief mit einer Räumungsaufforderung bekommen, waren aber einfach nicht gegangen. Doch das wollte Daisy dem Mann nicht auf die Nase binden. Womöglich würde er sie festnehmen und abführen lassen, und was sollte dann aus den anderen werden? Schon allein ihretwegen musste sie unbedingt etwas Zeit gewinnen.

Sie wagte ein hoffnungsvolles Lächeln. „Ich denke, dann sind Sie jetzt wohl unser neuer Hausbesitzer, Mr Sutcliffe. Wir könnten Ihnen ja Miete zahlen.“ Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie gemeinsam genug Geld dafür zusammenkratzen sollten.

Einen Moment lang spielte ein flüchtiges Lächeln um seine Mundwinkel. „Das hört sich an, als wäre es eine ganz neue Idee. Haben Sie meiner Tante Miete gezahlt?“

„Wir haben für Tillie gearbeitet. Jeder hat seinen Teil beigetragen. Wir sind eine Art Wohngemeinschaft gewesen.“

„Eine Wohngemeinschaft? Verstehe.“ Die Vorstellung schien ihm nicht zu gefallen.

„Wir könnten uns nützlich machen, indem wir die Hochzeitskapelle weiter betreiben“, meinte Daisy. „Wir machen Menschen glücklich. Wir lassen sozusagen ihre Träume wahr werden, und es wirft ein bisschen Geld ab.“

Parker wirkte noch beunruhigter als zuvor. „Ich glaube nicht an Träume, und ich habe kein Interesse daran, ins Hochzeitsgeschäft einzusteigen“, antwortete er. „Aber ich bin auch nicht vollkommen herzlos. Ich werde mir heute Abend die Dinge durch den Kopf gehen lassen. Und ab morgen fangen wir an, eine geeignete Wohnung für Sie zu finden, damit Sie nicht alle obdachlos werden.“

Damit wandte er sich zum Gehen. Da Daisy noch immer seinen Ärmel festhielt, hörte sie ein leises Reißgeräusch. Hastig ließ sie los und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Oh, das tut mir schrecklich leid. Aber ich könnte es wieder für Sie in Ordnung bringen.“

„Sie wissen sich immer irgendwie zu helfen, nicht wahr?“

Das klang zwar nicht gerade wie ein Kompliment, doch Daisy hatte schon viel Kritik in ihrem Leben einstecken müssen. Mehr als einmal war sie von Männern im Stich gelassen worden. Männer, denen sie eigentlich hätte vertrauen sollen. Mit erhobenem Kinn sah sie Parker an. „Sie haben ja keine Ahnung, Mr Sutcliffe.“

„Richtig“, stimmte er ihr zu. „Ich weiß nicht das Geringste über Sie, aber ich weiß alles, was ich wissen muss.“

Sie öffnete den Mund.

„Morgen, Daisy.“ Er schnitt ihr das Wort ab, und das war im Grunde sogar ganz gut. Sonst wäre ihr vielleicht etwas herausgerutscht, was die Situation noch verschlimmert hätte. Falls das überhaupt möglich war.

Während er davonging, dachte Daisy bei sich, dass die meisten Frauen sich über die Aussicht, Besuch von einem Mann wie Parker Sutcliffe zu bekommen, freuen würden.

Unter anderen Umständen wäre das bei ihr wohl auch der Fall gewesen, oder zumindest hätte sie ihn sich gerne angeschaut. Doch das nächste Treffen mit Parker würde ihr Leben noch mehr durcheinanderbringen als das von eben. Deshalb sollte sie sich gut vorbereiten. Hatte sie diesem reichen Kerl tatsächlich vorhin ein Seifenblasen-Röhrchen in die Hand gedrückt und ihm Zuckerguss auf seinen superteuren Anzug geschmiert?

Daisy stöhnte. Trotz der schwierigen Lage musste sie dann aber doch lächeln, als sie an Parkers entsetzten Gesichtsausdruck dachte.

„Der Mann hat in seinem ganzen Leben wahrscheinlich noch keine einzige Seifenblase in die Luft gepustet“, murmelte sie vor sich hin. „Ich könnte ihm so einiges darüber beibringen, wie man ein bisschen Spaß hat.“

Schlagartig wurde sie wieder ernst. Eine Aussage der Nachbarn, dass Tillie für ihre Mitbewohner kein solches Schicksal gewollt hätte, würde ihn bestimmt nicht erweichen, das war klar.

Während Daisy überlegte, was Tillie an ihrer Stelle getan hätte, fielen ihr nur Dinge ein, die entweder absurd oder illegal waren.

Aber vielleicht geschah ja noch ein Wunder, und sie hatte einen Geistesblitz, wie sie Parker Sutcliffe austricksen konnte.

Um ihre kleine Wahlfamilie zu retten, brauchte sie einen Plan, und zwar schnell.

2. KAPITEL

Parker rief seine Sekretärin an, um sie darüber zu informieren, dass sein Aufenthalt in Las Vegas sich noch etwas länger hinziehen würde. Fran, die schon seit vielen Jahren für seine Familie arbeitete, tadelte ihn.

„Sie könnten doch einfach jemanden engagieren, der sich um diese Mathilda-Sache kümmert.“

Obwohl die Rettung von Sutcliffe’s höchste Priorität hatte, musste er den Nachlass seiner Tante regeln. Irgendetwas stimmte hier nicht, und das hatte nichts mit der attraktiven, unerschrockenen Daisy Lockett zu tun.

„Nein, das ist meine Sache“, erwiderte er. „Denn ganz offensichtlich hat sich irgendjemand anders vor Jahren um Mathildas Situation gekümmert. Sonst hätte ich nämlich von der Existenz meiner Tante gewusst, bevor sie gestorben ist.“

„Parker, ich bin sicher, Ihre Eltern hatten gute Gründe dafür“, begann sie.

„Vermutlich.“ Er konnte sich auch gut vorstellen, was für Gründe das waren. „Aber sie sind jetzt beide tot, und ich werde hier nicht weggehen, ohne mir das zu holen, weshalb ich ursprünglich hergekommen bin. Mir hat diese Überraschung nicht gefallen, und ich werde dafür sorgen, dass es keine weiteren gibt. Wenn ich aus Las Vegas abreise, will ich alles über meine Tante Mathilda wissen. Vor allem, warum meine Familie ihre Existenz ignoriert hat.“

Er holte tief Luft. „Und ich werde mich selbst darum kümmern. Falls ich jemanden engagiere, könnten möglicherweise wichtige persönliche Informationen verloren gehen. Sollte etwas Verfängliches dabei herauskommen, wovon ich ausgehe, könnte es womöglich an die Öffentlichkeit gelangen. Und ich möchte nicht riskieren, dass irgendwelche Gerüchte da draußen herumschwirren, die Sutcliffe Industries schaden könnten.“ Nur ein kleiner Schubs würde genügen, um die Firma in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen.

Der Gedanke, dass Daisy vielleicht Dinge über seine Tante wusste, die er nicht kannte, war ihm unangenehm. Gewisse Informationen in den falschen Händen konnten sich fatal auswirken.

Daisy hatte etwas Faszinierendes und Verführerisches an sich, aber das machte sie umso gefährlicher. Parker wollte weder fasziniert noch verführt werden. Er hatte sein ganzes Leben der Firma gewidmet, die ihn bis jetzt niemals im Stich gelassen hatte. So sollte es sein. Er musste nur eine Lösung für die Probleme von Sutcliffe’s finden. Dann würde seine Welt wieder ihren ereignislosen, aber befriedigenden Gang gehen.

„Wissen Sie“, unterbrach Fran seine Gedankengänge. „Jarrod glaubt, Ihre Reise ist bloß ein Vorwand, und Sie wären nur deshalb geflüchtet, weil er und die übrigen Vorstandsmitglieder angefangen haben, potenzielle Ehefrauen für Sie zu suchen.“

Fran kam immer direkt auf den Punkt. Zu dumm, dass sie Parkers finstere Miene nicht sehen konnte, denn natürlich hatte sie zum Teil durchaus recht. Erst letzte Woche hatte Jarrod ihm eine Verwaltungsassistentin empfohlen, die zum Bostoner Adel gehörte und eindeutig keinen blassen Schimmer von ihrem Job hatte.

„Jarrod und der Vorstand mögen ja glauben, dass sie wissen, was gut für mich und Sutcliffe’s ist“, meinte Parker. „Aber sie liegen vollkommen falsch. Eine Hochzeit wäre gar keine gute Idee.“

„Da bin ich nicht so sicher. Denken Sie nur dran, wie die Aktien von Ensign Corporated in die Höhe geschossen sind, als Lloyd Ensign und seine Verlobte auf ihrer Website die Leute dazu eingeladen haben, sich an der Hochzeitsplanung zu beteiligen. Die Firma war über Nacht in jedem Haushalt bekannt.“

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