Schicksalhafte Nacht in Rom

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Wenn Lark nur wüsste, wer der Vater ihrer kleinen Tochter ist! Doch nach einem Unfall hat die hübsche Engländerin jegliche Erinnerung an jene schicksalhafte Liebesnacht in Rom verloren. Bis sie jetzt beruflich noch einmal dorthin reist, weil sie die Antiquitäten des arroganten Milliardärs Cesare Donati begutachten soll. Vom ersten Moment an gerät sie ungewollt in seinen sinnlichen Bann – schlagartig begreift sie: Cesare war ihr geheimnisvoller Verführer! Was jetzt? Obwohl er der Liebe abgeschworen hat, verlangt er, dass sie ihn heiratet!


  • Erscheinungstag 26.11.2024
  • Bandnummer 2677
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525145
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zum wiederholten Mal vibrierte ihr Telefon. Doch Lark Edwards sah nicht hin.

Bestimmt war nichts passiert. Maya hatte eine kleine Erkältung, mehr nicht. Nichts Lebensbedrohliches. Ein Kindermädchen, Emily, gut ausgebildet, kümmerte sich um sie. Ein fünfzehn Monate altes Kind mit Schnupfen konnte sie mit Sicherheit versorgen.

Emily sollte Lark umgehend kontaktieren, wenn doch etwas Unerwartetes passierte. So hatten sie das abgemacht.

Lark umklammerte das Telefon.

Sie bemühte sich immer, die Dinge positiv zu sehen und optimistisch zu bleiben. Aber vielleicht war wirklich etwas passiert. Vielleicht vibrierte deshalb ihr Telefon. Vielleicht hatte Mayas Zustand sich plötzlich verschlechtert und Emily versuchte gerade, sie zu informieren.

Lark holte Luft und hoffte, dass ihr rasendes Herz sich beruhigte.

Nein. Alles in Ordnung. Sie war einfach nur verunsichert, weil sie zum ersten Mal länger als einen Tag von Maya getrennt war. Ihr Chef Mr. Ravenswood war krank und hatte Lark gebeten, an seiner Stelle nach Italien zu reisen.

Ein sehr wichtiger Auftrag. Ravenswood Antiquitäten war eines der exklusivsten Antiquariate Londons. Als Mr. Ravenswoods Assistentin reichten Larks Kenntnisse zwar nicht an die ihres Chefs heran, und außerdem war sie erst seit einem Jahr für ihn tätig, aber wenigstens war sie schon einmal in Italien gewesen.

Lark sollte einige Antiquitäten begutachten, die die Familie Donati verkaufen wollte. Sie sollte sich vergewissern, dass die Stücke echt waren. Mr. Ravenwood hatte ihr genau erklärt, wonach sie suchen musste. Außerdem sollte sie möglichst viele Fotos machen.

Natürlich wäre es einfacher, die Donatis würden die Bilder einfach schicken. Aber Mr. Ravenswood bestand darauf, dass jemand die Gegenstände persönlich in Augenschein nahm und mit Signor Donati sprach. Ravenswood Antiquitäten war sehr stolz auf den persönlichen Kundenkontakt.

Umso mehr beunruhigte Mr. Ravenswood, dass er nicht selbst nach Rom fliegen konnte. Allerdings konnte er einen so wichtigen und viel beschäftigten Mann wie Signor Donati schlecht bitten, seine Termine für ein Treffen mit seinem Antiquitätenhändler zu verschieben.

Die Donati-Stücke waren etwas ganz Besonderes und würden dem Geschäft viel Geld einbringen. Auf keinen Fall wollte Mr. Ravenswood den Verkauf gefährden.

Lark fühlte sich Jasper Ravenswood sehr verbunden. Er hatte sie kurz nach Mayas Geburt eingestellt, als sie beinahe verzweifelte, weil niemand ihr als Mutter eines Kleinkindes Arbeit geben wollte. Bei Ravenswood Antiquitäten durfte sie ihre Tochter sogar mit ins Büro bringen.

Deshalb mochte sie ihrem Chef die Bitte nicht abschlagen. Sie musste an seiner Stelle nach Rom fliegen, die Antiquitäten begutachten und mit Signor Donati sprechen.

Jasper war ihr so dankbar, dass er sogar für das sehr teure Kindermädchen für Larks Tochter aufkam.

Lark holte noch einmal tief Luft.

Es war nur eine Nacht und Maya kein Säugling mehr. Außerdem war Emily wirklich sehr nett. Sie musste einfach Vertrauen haben.

Wie um sie auf die Probe zu stellen, vibrierte ihr Telefon schon wieder. Dieses Mal konnte Lark nicht wegsehen. Sie warf einen kurzen Blick auf das Display. Eine SMS von Mr. Ravenswood, der ihr viel Glück wünschte.

Sie lächelte und tippte ein kurzes Dankeschön. Dann legte sie das Handy auf den üppig vergoldeten Tisch und ermahnte sich, zu entspannen.

War sie so nervös, weil sie wieder in Italien war? Oder vielleicht weil sie in dem herrlichen Salon des jahrhundertealten Donati-Palazzos bei Rom auf diesem wunderschönen Samtsofa, zweifellos eine Antiquität im Wert von mehreren Tausend Euro, saß?

Nein, auf keinen Fall lag es daran, dass sie wieder in Italien war! Seit dieser Nacht waren inzwischen zwei Jahre vergangen, und sie dachte nie daran zurück. Jedenfalls nicht, wenn sie es verhindern konnte.

Sie wollte doch immer positiv denken.

Lark lehnte sich an die steife Rückenlehne des Sofas und schaute sich in dem riesigen Salon um. Die mit rostroter Seide bespannten Wände sahen aus wie handbemalt. In vergoldeten Rahmen hingen riesige Gemälde mit Kampfszenen. Auch auf den verzierten Stucksimsen und der aufwendig bemalten Decke prunkte eine Menge Gold.

Die alten Eichendielen bedeckten handgeknüpfte Seidenteppiche. Die Sessel und das Sofa waren mit golddurchwirktem Samt bezogen. Von der Decke hingen Kronleuchter, und über dem riesigen vergoldeten Kamin sah Lark ein imposantes Porträt eines Ehepaares.

Das Paar war modern gekleidet und wirkte in dem pompösen Raum fehl am Platz. Ein gut aussehender Mann mit kalten blauen Augen stand neben einer sitzenden Frau mit wunderschönen rotgoldenen Locken.

Die beide sahen nicht besonders glücklich aus, und irgendwie machte das die Atmosphäre noch drückender. Das lag vielleicht aber auch an den schweren dunkelblauen Seidenvorhängen vor den Fenstern.

In diesen Salon setzte man sich bestimmt nicht mit einem Becher Eiscreme und einem Glas Wein aufs Sofa und schaute einen Film, dachte Lark. Genau das würde sie im Hotel tun, sobald sie ihre Arbeit hier erledigt und mit der Donati-Familie gesprochen hatte.

Morgen flog sie dann zurück nach London zu ihrer Tochter.

Es war nur eine Nacht, keine große Sache.

Sie strich ihren neuen rosa Rock glatt und vergewisserte sich, dass er keinen Fleck hatte. Das Rosenmuster passte perfekt zu der fuchsiafarbenen Bluse. Sie liebte diesen Rock und überhaupt leuchtende Farben.

Zum Glück sah sie keinen Fleck. Als Mutter eines Kleinkindes war ihre Kleidung selten fleckenfrei.

Aber heute durfte sie auf keinen Fall unordentlich wirken, schließlich war sie im Auftrag von Ravenswood Antiquitäten hier. Mr. Ravenswood hatte ihr erklärt, dass die Donatis keine gewöhnliche italienische Familie waren. Sie hatten die Donati-Bank, eine Privatbank, vor rund sechshundert Jahren gegründet. Die Donatis waren eine der ältesten und bedeutendsten Familien Italiens. Dank ihrer Geschichte und ihres Reichtums verkehrten sie sogar in den europäischen Königshäusern.

Die Familiengeschichte der Donatis war allerdings eher finster.

Auf dem Flug nach Rom hatte Lark Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass die Familie Donati in der Renaissance für allerhand Messerstechereien berüchtigt war. Offenbar hatten die Donatis ein Faible für Waffen und ermordeten jeden, der die Familie bedrohte.

Heute brachten sie natürlich niemanden mehr um, aber ihren zweifelhaften Ruf als skrupellose Bankiers genossen sie immer noch in der Geschäftswelt. Das lag vor allem an Cesare Donati, dem letzten Donati-Erben, der das Unternehmen wie ein Rennfahrer auf der Zielgeraden führte. Schnell und hart preschte er dem Gewinn entgegen.

Er war beeindruckend, fast mythisch. Seine Macht erstreckte sich über den gesamten Erdball, denn die Donati-Bank hatte Niederlassungen in allen wichtigen Finanzzentren der Welt. Er beriet Regierungen, verwaltete die Konten vieler internationaler Konzerne sowie die persönlichen Konten der Superreichen. Er hatte den Ruf, genauso ruchlos zu handeln wie die Donatis vor Generationen.

Hoffentlich hatte seine Sekretärin ihm mitgeteilt, dass sie Mr. Ravenswood bei dem Termin vertrat. Aber vielleicht war er auch zu beschäftigt, um sich persönlich mit ihr zu treffen, was ihr nur recht wäre. Sie hatte keine Lust, sich mit einem Mann wie ihm auseinanderzusetzen.

Auch ihr Vater war reich und mächtig gewesen, und sie und ihre Mutter hatten Jahre damit verbracht, vor ihm zu fliehen.

Wiederum konnte sie ganz gut mit Menschen umgehen. Außerdem hoffte sie, dass das Gespräch mit Signor Donati nicht lange dauerte. Mit etwas Glück könnte sie vielleicht früher fliegen und Rom noch heute Abend verlassen. Dann wäre sie morgen früh zu Hause, wenn Maya aufwachte.

Sie atmete auf und fühlte sich sofort viel besser, bis ihr Telefon auf dem Tisch wieder vibrierte. Gerade als sie danach griff, öffneten sich die verzierten Doppeltüren, und ein Mann betrat den Salon.

Lark stockte der Atem.

Der Mann war muskulös und sehr groß – mit ihren bescheidenen eins zweiundsechzig reichte sie ihm gerade bis zur Brust. Seine breiten Schultern und seine imposante Brust saßen in einem perfekt geschnittenen dunklen Anzug.

Er war atemberaubend attraktiv. Sein Gesicht war ein Kunstwerk. Wangenknochen, Nase und Stirn wirkten wie gemeißelt. Sein kurzes Haar schimmerte genauso schwarz wie seine Augenbrauen und Wimpern. Umso erstaunlicher waren seine durchdringenden tiefblauen Augen.

Die gleichen Augen und das gleiche Blau wie auf dem Gemälde über dem Kamin. Doch anders als der Mann auf dem Bild strahlte dieser Mann eine Energie und Kraft aus, als ziehe mit ihm ein Sturm in den Salon.

Eine Sekunde lang saß Lark völlig gebannt da. Ihr Telefon war vergessen. Sie hatte sein Gesicht in zahllosen Zeitschriften und im Internet gesehen. Aber seine sprühende Energie und seine Anziehungskraft waren überwältigend.

Cesare Donati, Leiter der Donati-Bank.

Mit trockenem Mund und klopfendem Herzen richtete sich Lark auf und widerstand kaum dem Drang, ihre verschwitzten Handflächen an ihrem Rock abzuwischen. Plötzlich war sie sich nur zu bewusst, wie wenig sie sich mit Antiquitäten auskannte. In den letzten sechs Monaten hatte sie viel gelernt, aber das Wissen ersetzte keine Erfahrung.

Gut, das konnte sie jetzt nicht ändern. Sie musste einfach mit ihrem fröhlichen Wesen punkten, das reichte hoffentlich. Er war auch nur ein Mensch, und die meisten Menschen mochten sie.

Ihr Lächeln konnte die Welt heilen. Das jedenfalls hatte ihre Mutter immer gesagt.

Signor Donatis ganze Aufmerksamkeit galt seinem Handy. In der Nähe des Sofas blieb er stehen und tippte eine Nachricht. Dann steckte er das Telefon in die Tasche seiner tadellos geschnittenen Anzughose und sah sie an.

Seine leuchtend blauen Augen weiteten sich. Ein Ausdruck des Schocks huschte über sein attraktives Gesicht. Er starrte sie an, als sehe er einen Geist.

Ihr Herz schlug viel zu schnell. Sie hatte keine Ahnung, warum er sie so ansah. Hatte man ihn nicht darüber informiert, dass Mr. Ravenswood verhindert war?

Aber mit ihrer Freundlichkeit gewann sie die Leute immer, also machte sie einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand. „Buongiorno, Signor Donati“, sagte sie in ihrem holprigen Italienisch. Dann wechselte sie ins Englische und fuhr fort: „Ich hoffe, man hat Ihnen ausgerichtet, dass ich Mr. Ravenswood vertrete. Leider kann er nicht persönlich kommen. Mein Name ist Lark Edwards, und es ist mir eine große Freude, Sie kennenzulernen.“

Cesare Donati machte keine Anstalten, ihre Hand zu nehmen. Er bewegte sich überhaupt nicht. Er starrte sie nur an.

„Du“, murmelte er schließlich. Seine tiefe Stimme verriet sein Erstaunen. „Was machst du hier?“

Lark blinzelte. Er schien sie zu kennen, was seltsam war, denn sie hatte ihn nie getroffen. Daran würde sie sich bestimmt erinnern.

„Wie bitte?“, fragte sie unsicher. „Wie gesagt ist Mr. Ravenswood krank, deshalb …“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich keinen Kontakt will“, unterbrach er sie und machte abrupt einen Schritt auf sie zu. Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Ich habe dir gesagt, du sollst nicht nach mir suchen.“

Lark blinzelte noch einmal. Aus ihrer Überraschung wurde Verwirrung. „Es tut mir leid“, sagte sie vorsichtig. „Kennen wir uns? Oder verwechseln Sie mich vielleicht mit jemand anderem?“

Er schwieg. Seine Miene war angespannt, der schöne Mund hart, und der intensive Blick seiner erstaunlich blauen Augen ließ ihre Haut prickeln und ihren Atem stocken.

Er zog sie magisch an, die körperliche Anziehung erkannte sie sofort. Einen unpassenderen Mann hätte es dafür allerdings nicht geben können. Nie im Leben würde er sich für sie interessieren. Er wiederum verkörperte alles, was sie an Männern verabscheute: Er war reich, arrogant, anmaßend und privilegiert. Selbst wenn er an ihr interessiert wäre, würde sie ihn meiden wie die Pest.

Einmal hat dir ein Mann gefallen, erinnerst du dich?

Ja. Mayas Vater. Nur leider erinnerte sie sich nicht an ihn.

Sie erinnerte sich an den Krebstod ihrer Mutter und den traurigen, nicht enden wollenden Winter danach in London. Auch an die schicksalhafte Reise nach Italien erinnerte sie sich, die sie unternahm, um sich aufzuheitern. Sie wusste auch noch, wie ihr in Rom die Handtasche gestohlen worden war. Aber das Nächste, was sie dann erinnerte, war das Krankenhaus, in dem sie aufwachte.

Offenbar war sie auf der Straße von einem Auto angefahren worden und hatte sich den Kopf verletzt. Doch an den Unfall konnte sie sich nicht erinnern. Auch nicht an die Nacht davor.

Sie musste die Nacht mit einem Mann verbracht haben, denn neun Monate später wurde Maya geboren.

Über die Schwangerschaft war sie zunächst entsetzt gewesen. Sie hatte sich zwar immer Kinder gewünscht, aber nicht so bald, und vor allem nicht ohne zu wissen, wer der Vater war.

Die Unsicherheit über die Umständen ihrer Schwangerschaft ließ sie nicht los. Sie hatte sich nie viel aus Männern gemacht und fürchtete, die Schwangerschaft könne das Ergebnis einer Vergewaltigung sein.

Schließlich hatte sie bei einer Psychologin Hilfe gesucht. Nach einigen Sitzungen hatte sie bewusst entschieden, nicht mehr an diese Nacht zurückzudenken.

Ihre Schwangerschaft war nichts Beängstigendes, sondern vielmehr ein letztes Geschenk ihrer Mutter, ein Segen. Wie sie schwanger geworden war, war nicht so wichtig. Was zählte, war das Ergebnis: Maya.

Aber dieser Mann hier war unmöglich der Mann, mit dem sie damals die Nacht verbracht hatte. An den Mann würde sie sich doch bestimmt erinnern. Vollkommen ausgeschlossen, dass sie sich nicht an jene Nacht und jenen Mann erinnerte.

Lark ließ ihre ausgestreckte Hand fallen und schenkte ihm stattdessen ihr strahlendstes Lächeln. „Wie dem auch sei“, sagte sie. „Ich möchte nur einen Blick auf die vereinbarten Stücke werfen und ein paar Fotos machen, dann lasse ich Sie sofort wieder in Ruhe.“

Das war sie. Es gab keinen Zweifel. Nicht den geringsten.

Cesare stand in der Mitte seines Salons, als ihn der Schock wie ein Erdbeben traf. Es war fast zwei Jahre her, aber er erinnerte sich noch immer an diese Nacht, als sei es gestern.

Seine Tante, die ihn nach dem Tod seiner Eltern großgezogen hatte, war damals gerade an einem Herzinfarkt gestorben. Damit war er jetzt der letzte Donati. Er hatte sich nach Einsamkeit gesehnt und seine Leibwächter weggeschickt. Obwohl sie nicht einverstanden waren, taten sie, was er ihnen sagte.

Stundenlang war er durch die Stadt gelaufen und hatte verzweifelt versucht, seine Gefühle, die wie Feuer loderten, zu verdrängen und die Mischung aus Trauer und Wut in seinem Bauch nicht zu spüren.

Als er gerade eine Bar betreten wollte, war er einer Touristin begegnete, der kurz vorher die Handtasche gestohlen worden war.

Sie sprach kein Italienisch und war sehr aufgebracht. Normalerweise kümmerte ihn das Schicksal anderer nicht – er hatte den Egoismus seiner Eltern geerbt und machte sich nicht die Mühe, das zu ändern. Aber als die Touristin erwähnte, dass sie gerade ihre Mutter verloren hatte, wollte er ihr helfen.

Also bat er seine Mitarbeiter um Unterstützung. Während sie sich bei der britischen Botschaft um einen Ersatzpass kümmerten, lud Cesare die Frau zum Essen ein. Sie hatte Hunger und kein Geld, und er brauchte Ablenkung.

Und was für eine Ablenkung sie war! Mit ihrem vollen, honiggoldenen Haar und den wunderschönen meergrünen Augen war sie zwar keine Frau, für die er sich normalerweise interessiert hätte, trotzdem fühlte er sich zu ihr hingezogen.

Sie war so offen und lächelte trotz ihrer Trauer. Das erstaunlichste Lächeln, das er in seinem ganzen Leben gesehen hatte! Warm und großzügig und aufrichtig. So hatte ihn noch niemand angelächelt. Er fühlte sich beschenkt, das wertvollste Geschenk, das er je bekommen hatte.

Lark, hatte sie gesagt, sei ihr Name. Lerche. Wie der Vogel.

Da sie weder Bargeld noch eine Bankkarte hatte, bot er ihr ein Gästezimmer in seiner Villa an. Bis Mitternacht saßen sie in der Bibliothek und redeten. Dann wurde die Chemie, die er den ganzen Abend gespürt, aber nicht wahrhaben wollte, zu einem Buschfeuer.

Im Bett war sie genauso warm und intensiv und aufrichtig wie vorher, als sie zusammen gegessen und miteinander geredet hatten. Sie war auch mindestens genauso leidenschaftlich. Sie gab sich ihm mit einer Hingabe hin, die von tiefem Vertrauen zeugte. Ein weiteres kostbares Geschenk.

Sie kannte ihn nicht, aber sie vertraute ihm, ohne zu zögern, ihren Körper an.

Noch nie hatte er eine Nacht mit einer Frau verbracht, zu der er eine solche Verbindung spürte.

Natürlich führte das nirgendwohin. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits beschlossen, dass mit ihm das Geschlecht der Donati enden würde. Er denke nur an sich selbst, hatten seine Eltern ihm vorgeworfen, und ja, das stimmte.

Kleinlich und selbstsüchtig war er. Das war seine Rache für eine Kindheit, in der er kein Kind, sondern Eigentum war, das umkämpft und benutzt wurde. Eine Waffe, die seine Eltern gegeneinander richteten.

Das hatte Narben hinterlassen. Und das Vermächtnis seiner Familie, das seinen Eltern so wichtig war … Da war er genauso kleinlich und selbstsüchtig wie sie.

Er wollte das kostbare Erbe der Donatis auflösen und Stück für Stück verkaufen. Sogar die Donati-Bank sollte verschwinden. Heiraten wollte er nicht, auch keine Kinder haben. Niemand sollte den Namen tragen, niemand die Last dieser vergifteten Geschichte auf sich nehmen, niemand sollte diese bittere Abstammung fortführen.

Wenn er eines Tages starb, starben auch die Donatis.

Aus diesem Grund hatte er damals dafür gesorgt, dass es nur diese eine Nacht gab und dass sie das wusste. Am nächsten Morgen hatte er sie in seinem Bett schlafen lassen. Als er abends nach Hause kam, war sie verschwunden. Er hatte nie wieder etwas von ihr gehört.

Bis heute.

Jetzt stand sie da, mitten im Salon, in einer rosa Bluse und einem engen Rock mit Rosen darauf, unverschämt hübsch und farbenfroh in seinem überladenen Palazzo. Sie schenkte ihm dieses wunderschöne Lächeln, an das er sich so gut erinnerte, und sah ihn an, als habe sie keine Ahnung, wer er war.

Als habe sie nicht eine ganze Nacht lang in seinen Armen gelegen und sich vor Lust gewunden. Er verstand das nicht. Wie konnte sie das vergessen?

„Weißt du wirklich nicht, wer ich bin?“, fragte er unwillkürlich. Das hatte er noch nie fragen müssen. Alle wussten, wer er war.

Ihre großen grünen Augen weiteten sich, und eine kleine Falte erschien zwischen ihren Brauen. „Natürlich weiß ich das. Sie sind Signor Donati, der Chef der Donati-Bank.“

Er erwartete, dass sie noch etwas hinzufügte, etwa: Ja, natürlich erinnere ich mich an unsere Nacht. Wie könnte ich das vergessen?

Aber das tat sie nicht.

Vielleicht erkannte sie ihn wirklich nicht? Aber das war unmöglich. Sie hatten mehrere Stunden miteinander verbracht und geredet. Und noch mehr Stunden, in denen sie nicht geredet, sondern sich berührt und geküsst hatten. Sie hatten sich gegenseitig Freude geschenkt und empfangen. Hatte sie das wirklich vergessen?

Außerdem war er der Chef der größten und ältesten Privatbank Europas, wenn nicht weltweit. Überall, wo er auch hinging, wurde er von den Paparazzi fotografiert. Regierungen fragten ihn in Finanzangelegenheiten um Rat.

Er wurde überall erkannt.

Kaum vorstellbar, dass sich diese eine Frau nicht an ihn erinnerte. Es sei denn, sie war nicht diejenige, mit der er die Nacht verbracht hatte … Aber nein, er war sicher, dass sie es war. Sie hatte gesagt, ihr Name sei Lark, und das war kein sehr häufiger Name.

Trotzdem sah sie ihn an, als sei er ein völlig Fremder.

Ärger durchfuhr ihn. Kein verletzter Stolz, nein, lediglich Verärgerung. Er hatte Ravenswood erwartet, nicht diese Frau, und nun wollte der Zufall, dass er ausgerechnet mit dieser Frau vor langer Zeit geschlafen hatte. Aber das spielte keine Rolle. Wenn sie sich nicht an ihn erinnerte, würde er es ihr bestimmt nicht auf die Nase binden.

Er hatte damals schließlich klar gesagt, dass es bei nur einer Nacht bleiben würde und er keinen weiteren Kontakt wollte. Sie war einverstanden gewesen. Und bis zu diesem Moment hatte sie ihr Wort gehalten.

War sie hier, weil sie ihn sehen wollte? Vielleicht tat sie nur so, als erkenne sie ihn nicht? Aber wozu?

Cesare schnaubte. Er musste seine Gefühle in den Griff bekommen. Von ihrem unerwarteten Auftauchen durfte er sich nicht unterkriegen lassen. Er war der Chef der Donati-Bank und kein verknallter Teenager.

Er warf ihr einen kühlen Blick zu. „Ja“, sagte er. „Genau der bin ich. Und ich habe Mr. Ravenswood persönlich erwartet, nicht seine Assistentin.“

Ihr Lächeln war unerschütterlich. „Mr. Ravenswood hat leider eine schwere Grippe. Er wollte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten und den Termin verschieben, darum bat er mich, ihn zu vertreten.“

Ihr Blick war voller Wärme, und die Überraschung saß ihm immer noch in den Knochen. Doch ein sehr männlicher Teil von ihm reagierte auf ihre tief ausgeschnittene Bluse und ihre cremefarbene Haut.

Haut, die er gestreichelt und geküsst hatte. Ausgiebig hatte er sie mit seiner Zunge erkundet, jeden Zentimeter ihres kurvigen Körpers hatte er mit seinen Händen und seinem Mund erforscht und jeden Lustschrei genossen, den er ihr entlockte. An den Duft nach Vanille erinnerte er sich, sie roch wie süßes Konfekt …

Energisch schob er die erotischen Erinnerungen beiseite. Trotzdem stieg sein Blutdruck. Nein, er wollte nicht an diese Nacht denken. Es war vorbei, und egal, wie hübsch diese Frau war, und egal, dass sie ihn nicht erkannte – er ließ sich davon nicht beeinflussen.

Es war nur körperliche Anziehung, mehr nicht. Nie und nimmer würde er sich von etwas so Banalem wie Lust beherrschen lassen. Er hatte sich wie immer vollkommen unter Kontrolle. Obwohl er diese eine Nacht sehr genossen hatte, wollte er keine weitere. Er hatte es nicht nötig, einer Frau hinterherzulaufen, und das sollte so bleiben.

„Und wer genau sind Sie?“, fragte er mit fester Stimme.

Sie schenkte ihm wieder dieses strahlende, sonnige Lächeln. „Ich bin Mr. Ravenswoods Assistentin.“

„Kennen Sie sich mit Antiquitäten aus?“

„Nicht so gut wie er.“ Diesmal war ihr Lächeln selbstironisch. „Aber er hat mir gesagt, worauf ich achten soll. Außerdem soll ich Fotos für ihn machen.“

Sein Ärger wuchs. Die Stücke stammten aus der Renaissance und waren eine Menge Geld wert.

Er wollte sie verkaufen – er wollte alles im Palazzo verkaufen – und den Erlös spenden, darum wollte er den bestmöglichen Preis erzielen. Er hatte bereits eine Liste von Wohltätigkeitsorganisationen aufgestellt, die sein Vater alle missbilligt hätte. Was ihm sehr gefiel.

Was ihm nicht gefiel, war die Frau, die hier in seinem Palazzo auftauchte und sich offenbar nicht an ihr flüchtiges Abenteuer in jener Nacht erinnerte. Eigentlich sollte es ihm egal sein, aber aus unerfindlichen Gründen war es das nicht.

„Ein paar Fotos hätte ich auch selbst machen können“, blaffte er.

Wenn er diesen Tonfall anschlug, taten die Leute in der Regel sofort, was er wollte. Doch Lark schenkte ihm immer noch ein hübsches, sonniges Lächeln, als hätte sie den Ärger in seiner Stimme nicht gehört.

„Oh, nicht nötig“, sagte sie beschwichtigend. „Mr. Ravenswood möchte, dass ich sie mir persönlich ansehe. Es tut mir leid, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Sie brauchen mir nur zu zeigen, wo die Stücke sind, und den Rest erledige ich alleine.“

Sie war wirklich sehr hübsch, ihre zarte Nase, das feine Kinn und der perfekte kleine Rosenknospenmund. Sie strahlte Wärme und Offenheit aus. Ihre meergrünen Augen funkelten, als hätte die Sommersonne den Salon erhellt, sodass der Palazzo plötzlich lichter und freundlicher wirkte. Nicht mehr so kalt und bedrückend und dunkel. 

Sie weckte die Erinnerung an jene Nacht, an ihre Wärme, ihre offenen Arme, in denen sie ihn mit solcher Leidenschaft empfangen hatte. Und egal, was er sich einredete, er hatte sie nicht vergessen …

Das gefiel ihm nicht. Er wollte es nicht.

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