Schicksalsnächte in Kalifornien

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Hotelmanagerin Aine ist fassungslos: Der neue Besitzer will ihr ehrwürdiges irisches Schloss in ein Erlebnishotel verwandeln! Um ihn davon abzubringen, fliegt sie zu ihm ins sonnige Kalifornien. Doch Milliardär Brady Finn erweist sich als Traummann, der ihr gehörig den Kopf verdreht …


  • Erscheinungstag 20.02.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729981
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Brady Finn war sehr zufrieden mit seinem Leben. Das jüngste Projekt seiner Firma Celtic Knot Games bereitete ihm jedoch Bauchgrimmen. Seine Partner, zwei Brüder, hatten sich verbündet und ihn überstimmt, während sie in anderen wichtigen Fragen nur selten einer Meinung waren.

Er akzeptierte die Entscheidung in dem Bewusstsein, dass er sein angenehmes Leben der Freundschaft mit den Ryans zu verdanken hatte. Er hatte die beiden auf dem College kennengelernt, gemeinsam hatten sie eine Firma gegründet und ihr erstes Computerspiel entwickelt, voller Idealismus, Träume und jugendlicher Arroganz. Fate Castle basierte auf einer alten irischen Legende und hatte sich so gut verkauft, dass sie das nächste Spiel davon finanzieren konnten. Mittlerweile war Celtic Knot einer der führenden Computerspielproduzenten, obendrein gaben sie Comics und Brettspiele heraus.

Mit dem Erwerb eines Hotels betraten die drei Männer gänzlich unbekanntes Terrain. Was sie übers Gastgewerbe wussten, passte auf eine Briefmarke.

Per Los hatten sie bestimmt, wer das heruntergekommene Hotel in eine Fantasiewelt verwandeln sollte. Brady hatte das Los gezogen. Er war fest entschlossen, der Herausforderung gerecht zu werden. Nichts anderes kam für ihn infrage.

Celtic Knot war aus dem Nichts entstanden, heute residierte die Firma in einem viktorianischen Herrenhaus am Ocean Boulevard in Long Beach, Kalifornien. Hier ließ es sich gut arbeiten. Es herrschte eine entspannte Atmosphäre, die Mitarbeiter waren motiviert und effizient. Ein modernes Bürogebäude aus Glas und Stahl hätte weder Brady noch den Ryans behagt. Lieber hatten sie die alte Villa, die ausreichend Platz bot, ihren Bedürfnissen entsprechend umgebaut, sodass ihre Arbeitsumgebung alles andere als steril wirkte.

Von der Hausfront aus sah man den Strand, ihre Pause verbrachten die Angestellten gerne im Garten hinter dem Haus. Sie empfanden ihren Arbeitsplatz als eine Art zweites Zuhause. Für Brady hingegen war die Villa das erste Zuhause, und er teilte sie mit der einzigen Familie, die er jemals gehabt hatte.

„Die Designs für das neue Spiel sind gut“, sagte Mike Ryan.

„Findest du?“ Sein jüngerer Bruder Sean griff nach einer der Zeichnungen, die auf dem Konferenztisch ausgebreitet lagen. „Peter hatte drei Monate Zeit für das neue Szenenbuch, und was hat er uns geschickt? Macht dir diese Todesfee etwa Angst? Sie sieht aus wie ein halb verhungerter Surfer, nicht wie eine Dienerin des Todes.“

Mike blätterte durch die Bilder, bis er fand, was er suchte. Er deutete auf einen mittelalterlich anmutenden Jäger. „Dafür ist der umso besser. Die Todesfee bekommt Peter auch noch hin, wie immer auf die letzte Minute.“

„Genau das ist das Problem“, mischte sich Brady ein. „Bei ihm läuft es jedes Mal auf die letzte Minute hinaus. Seit er bei uns angefangen hat, hat er keinen einzigen Abgabetermin eingehalten.“ Kopfschüttelnd griff er nach seiner Kaffeetasse und trank einen Schluck von dem lauwarmen Gebräu.

„So ist es“, pflichtete Sean ihm bei. „Wir haben ihm zahlreiche Chancen gegeben, uns zu beweisen, dass er sein Geld wert ist. Er hat keine genutzt. Daher würde ich es gerne mit Jenny Marshall versuchen. Vertrauen wir ihr das Storyboard an.“

„Marshall?“ Mike tat, als wüsste er nicht, von wem sie sprachen.

„Du kennst sie“, sagte Brady. „Sie ist seit sechs Monaten als Grafikerin bei uns tätig und hat die Hintergründe für Forest Run gemacht. Sie hat Talent und verdient eine Chance.“

„Ist sie schon bereit für eine leitende Position?“

Sean wollte etwas sagen, doch Brady gebot ihm mit einer Geste Einhalt, um eine der endlosen Debatten zwischen den Brüdern zu verhindern. „Davon bin ich überzeugt. Bevor wir jedoch eine endgültige Entscheidung fällen, spreche ich mit Peter. Sein letzter Abgabetermin ist morgen. Hält er ihn nicht ein, war’s das. Okay?“

„Absolut.“ Sean nickte und warf seinem Bruder einen finsteren Blick zu.

„Einverstanden.“ Mike lehnte sich bequem im Stuhl zurück und legte die Füße auf die Ecke des Konferenztisches. „Nächstes Thema: Wann trifft der Gast aus Irland ein?“

Die Brüder sahen Brady an. Sie ähnelten ihm, obwohl sie nicht verwandt mit ihm waren. Genau wie er hatten sie schwarzes Haar, blaue Augen und waren hochgewachsen. Er liebte sie, auch wenn sie ihn häufig bis zur Weißglut reizten. „Sie landet in einer Stunde.“

„Wärst du nicht besser nach Irland geflogen und hättest das Schloss persönlich erkundet?“

„Für einen Trip nach Europa habe ich zu viel zu tun. Außerdem haben wir die 360-Grad-Videos vom Schloss gesehen.“

„Stimmt.“ Mike grinste zufrieden. „Es eignet sich perfekt als Fate Castle.“

Das irische Schloss sollte zu einer luxuriösen, modernen Fantasiewelt umgebaut werden, dem Spiel Fate Castle nachempfunden. Die Gäste sollten sich als Teil der Handlung fühlen. Brady erkannte zwar das Potenzial der Idee, dennoch war er nicht überzeugt von der Entscheidung, ins Hotelbusiness einzusteigen. Die Reaktion der Fans auf der letzten Comic-Messe, bei der sie ihr jüngstes Projekt präsentiert hatten, war jedoch eindeutig ausgefallen: Sie waren außer Rand und Band geraten, als sie hörten, dass sie die finsteren, gefährlichen Fantasiewelten, die sie so liebten, bald auch in der Realität aufsuchen konnten.

„Wie heißt die Irin?“, fragte Sean.

„Ms. Donovan“, sagte Brady. „Ihr Vorname schreibt sich A-I-N-E. Keine Ahnung, wie man das ausspricht.“

„Das ist sicher ein gälischer Name.“ Sean stand auf und sammelte die Zeichnungen ein, die er zur Besprechung mitgebracht hatte.

„Hm.“ Brady schlug die Hotelakte auf. „Sie ist seit drei Jahren dort Managerin und offensichtlich gut in ihrem Job, obwohl das Haus in den vergangenen Jahren Verluste eingefahren hat. Sie hat einen Abschluss an einer Hotelfachschule gemacht, ist achtundzwanzig und lebt mit ihrer Mutter und einem jüngeren Bruder in einem Gästehaus auf dem Anwesen.“

„Sie ist fast dreißig und lebt noch bei der Mutter?“ Sean schüttelte den Kopf. „Gibt es ein Foto von ihr?“

„Ja.“ Brady zog es aus dem Ordner und reichte es weiter. Die Irin wirkte unscheinbar, was ihm gerade recht war. Brady liebte Frauen, wollte aber nichts mit einer Angestellten anfangen. Niemals. Außerdem zog er es vor, sich voll auf die Arbeit zu konzentrieren. Sich mit den Unwägbarkeiten zu beschäftigen, die die Leitung der Firma mit sich brachte, erschien ihm befriedigender, als sich mit einer Frau zu befassen. Frauen erwarteten doch immer mehr von ihm, als er zu geben bereit war.

„Sie sieht … sympathisch aus“, sagte Sean.

Der beklagenswerte Versuch, nett zu sein, entlockte Brady ein abfälliges Schnauben. Auf dem Foto hatte die Irin das Haar straff aus dem Gesicht gekämmt. Eine große Brille mit dunklem Rand ließ ihre grünen Augen riesig erscheinen, über der prüde hochgeschlossenen schwarzen Bluse wirkte ihr Teint fahl. Aus einem unerfindlichen Grund empfand er jedoch das Bedürfnis, sie zu verteidigen. „Sie ist Hotelmanagerin, kein Model.“

„Lass mich mal sehen“, sagte Mike. Er nahm das Foto zur Hand, betrachtete es und sah Brady an. „Sie wirkt … tüchtig.“

Kopfschüttelnd nahm Brady ihm das Foto ab und steckte es zurück in den Ordner. „Hauptsache, sie macht ihren Job gut. Und das tut sie, den Berichten nach zu schließen.“

„Hast du ihr schon erzählt, was wir uns vorgenommen haben?“

„Das wäre auf die Distanz zu kompliziert gewesen, zudem sind die Pläne ja gerade erst fertig geworden.“

In gerade einmal einem Monat wollten sie mit umfangreichen Umbauarbeiten beginnen. Es wurde höchste Zeit, Aine Donovan auf den aktuellen Stand zu bringen.

„Ist das Thema Irland damit abgehandelt? Dann hätte ich nämlich noch etwas“, sagte Sean. „Eine Spielwarenfabrik hat Interesse bekundet, unsere Charaktere zu vermarkten.“

„Spielwaren?“ Mike schnaubte abfällig. „Das passt nicht zu uns.“

„Das stimmt. Unsere Zielgruppe geht vom Teenager aufwärts“, pflichtete Brady ihm bei.

„Denkt in Richtung Sammlerstücke.“ Sean grinste, als Brady und Mike ihn verblüfft ansahen und dann nickten.

„Das klingt schon besser“, meinte Brady. „Es könnte sogar unseren Absatz steigern.“

„Besorg uns doch Zahlen“, schlug Mike vor. „Sobald wir eine genauere Vorstellung von dem Lizenzvertrag haben, reden wir darüber.“

„Wird gemacht.“ Sean stand auf und sah Brady an. „Holst du die Irin vom Flughafen ab?“

Brady stand ebenfalls auf und klemmte sich den Ordner unter einen Arm. „Ich habe einen Wagen geschickt, der sie direkt ins Hotel bringt.“

„Wie persönlich“, stichelte Sean.

„Das ist kein Date“, fuhr Brady ihn an. „Sie ist zum Arbeiten hier.“

„Bringst du sie im Seaview unter?“, wollte Mike wissen.

„Ja.“ Celtic Knot unterhielt in dem fußläufig entfernten Hotel, in dessen Penthouse Brady lebte, eine Suite für Gäste. „Ich treffe sie heute Nachmittag dort. Morgen zeige ich ihr dann, wie wir uns den Umbau vorstellen.“

„Hallo Mom, ich bin angekommen. Hier ist es wunderschön!“

„Aine?“

Beim Klang der schlaftrunkenen Stimme zuckte Aine schuldbewusst zusammen. Sie stand auf dem Balkon ihrer Suite, hoch über dem strahlend blauen Pazifik, und hatte die Zeitverschiebung zwischen Kalifornien und ihrer Heimat völlig vergessen. Um vier Uhr nachmittags war es in Long Beach warm und taghell, im County Mayo war es … Mitternacht.

Eigentlich hätte Aine todmüde sein müssen, doch die vielen neuen Eindrücke und die Angst vor der Begegnung mit Brady Finn hielten sie hellwach. Was mochte er wohl mit ihrem Hotel vorhaben? Er war zwar seit einigen Monaten der neue Besitzer von Castle Butler, doch was wusste er schon von dessen Geschichte und Tradition? Von seiner Bedeutung für das nahegelegene Dorf, in dem ihre Freunde lebten? Nichts. Das würde sie ändern, bevor Brady Finn irgendwelche Änderungen vornahm.

Was wollte ein Computerspielexperte mit einem jahrhundertealten Schloss in einem winzigen Dorf im ländlichen Irland anfangen? Castle Butler war kein Touristenmagnet, in Irland gab es zahlreiche interessantere, leichter zugängliche Burgen und Schlösser.

„Bist du gut angekommen, Aine?“

„Ja. Tut mir leid, Mom. Ich habe völlig vergessen, dass …“

„Macht nichts.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung wurde immer klarer. „Ich bin froh, dass du dich meldest. War der Flug gut?“

„Mehr als das.“ Aine war nie zuvor in einem Privatjet geflogen. „Ich dachte, ich sitze in einem luxuriösen Wohnzimmer mit Sofa und Tischen. Überall standen Blumen, sogar auf dem Klo. Es gab eine richtige warme Mahlzeit, Champagner und frisch gebackene Kekse. Ich hätte ewig weiterfliegen können.“

Das war nicht gelogen, zumal sie genau gewusst hatte, dass ihr nach der Landung die Begegnung mit dem Mann bevorstand, der die Macht hatte, ihr Leben und das so vieler anderer zu ruinieren.

Warum sollte er das tun?, sprach sie sich Mut zu. Das Hotel zu schließen wäre nicht sinnvoll, wenngleich die Zahlen seit Jahren nicht mehr den Erwartungen entsprachen. Aine hatte zahlreiche Ideen, wie sich das ändern ließe, der bisherige Besitzer hatte davon jedoch nichts hören wollen. Hoffentlich dachte der neue anders.

Bislang verstand sie ihn jedoch nicht. Einerseits ließ er sie im Privatjet einfliegen, andererseits holte er sie nicht vom Flughafen ab, sondern schickte lediglich eine Limousine mit Chauffeur. Er brachte sie in einer Suite unter, die größer war als das Erdgeschoss des Hauses, in dem sie mit ihrer Familie lebte, hieß sie aber nicht persönlich willkommen. Ob sich alle Superreichen so widersprüchlich verhielten?

„Das hört sich gut an. Und jetzt?“, fragte ihre Mutter. „Bist du schon im Hotel?“

„Bin ich.“ Aine atmete genüsslich die würzige Seeluft ein. „Ich stehe auf meinem Balkon mit Meerblick, die Sonne scheint, es ist wunderbar warm. So gar nicht wie zu Hause.“

„Aye, hier regnet es den ganzen Tag und die halbe Nacht. Wirst du den neuen Schlossherrn bald treffen?“

„Ja.“ Ihr Magen verkrampfte sich, und sie presste eine Hand darauf, in dem vergeblichen Versuch, sich zu beruhigen. „Er wird um fünf herkommen.“ Unwillig schüttelte sie den Kopf. Er hatte sich also weder die Mühe gemacht, sie vom Flughafen abzuholen, noch sie im Hotel zu begrüßen. Wollte er ihr auf diese Weise zu verstehen geben, wer der Chef war? Dass er künftig sämtliche Entscheidungen traf? Wie auch immer, sie würde sich zumindest Gehör verschaffen.

„Du musst Geduld mit ihm haben und ihn nicht gleich mit deinen Ideen überfallen“, mahnte ihre Mutter besorgt.

Geduld war nicht gerade Aines Stärke. Warten fiel ihr schwer, auf wen oder was auch immer. Dass sie nach der Nachricht vom Verkauf des Schlosses monatelang keinerlei Informationen erhalten hatte, wie es weitergehen sollte, hatte sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. Sie brauchte Antworten, musste wissen, was der neue Besitzer mit Castle Butler plante. Und zwar schnell.

„Ich lasse ihn ausreden.“ Selbst dieses Versprechen würde sie nur schwer einhalten können. Dabei war es so wichtig, den neuen Besitzer bei Laune zu halten. Ihre Familie, das gesamte Dorf lebte vom Hotel und seinen Gästen. Alle sorgten sich darum, wie es weiterging.

Aine managte das Hotel bereits seit drei Jahren und hatte den vorherigen Besitzer um jeden Nagel, jeden Eimer Farbe anbetteln müssen. Wie würde der neue sich verhalten?

Die Reise nach Kalifornien hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Wäre Brady Finn nach Irland gekommen, hätte sie sich der Situation gewachsen gefühlt. In der fremden Umgebung glaubte sie, auf Zehenspitzen gehen und den neuen Besitzer von seiner Verantwortung für sein neues Eigentum überzeugen zu müssen.

„Du wirst tun, was am besten ist“, hörte sie ihre Mutter sagen.

Alle, die sie kannten und liebten, bauten auf sie. Ihre Mutter, ihr Bruder, das ganze Dorf. Sie durfte sie nicht im Stich lassen.

„Das tue ich. Geh wieder schlafen, Mom. Ich melde mich morgen wieder, zu einer günstigeren Uhrzeit.“

Aine kehrte in die Suite zurück, um sich frisch zu machen. Als ihr neuer Chef jedoch nicht wie versprochen um fünf Uhr eintraf, wurde sie sauer. War sie so unbedeutend, dass er es nicht für nötig hielt, sie über seine Verspätung zu informieren?

Minuten später klingelte das Telefon. „Ms. Donovan, der Fahrer ist eingetroffen, der Sie zu Celtic Knot bringen soll.“

„Der Fahrer?“

„Mr. Finn wurde aufgehalten und hat ihn geschickt, um Sie ins Büro zu bringen.“

Dass er sie zu sich beorderte wie ein Edelmann seine Magd, ließ Aine rotsehen. Vermutlich hat er eine samtene Kordel im Büro, die er nur zu ziehen braucht, damit Diener herbeieilen und ihm sämtliche Wünsche von den Augen ablesen, dachte sie zornig.

„Ms. Donovan?“

„Verzeihung. Richten Sie dem Fahrer bitte aus, dass ich sofort bei ihm bin.“

Sie legte auf und warf einen Blick in den Spiegel. Vor Zorn waren ihre Wangen gerötet, ansonsten empfand sie ihren Anblick als zufriedenstellend. Oder sollte sie sich umkleiden? Sie entschied sich dagegen, um ihren neuen Boss nicht warten zu lassen.

Aine atmete tief durch, dann machte sie sich auf dem Weg zu dem Treffen mit dem Mann, der seine Untergebenen nach Gutdünken springen ließ. Dennoch war sie fest entschlossen, ihr aufbrausendes Temperament zu zügeln. Es würde ihr allerdings sehr, sehr schwerfallen.

2. KAPITEL

„Wir brauchen die neuen Storyboards bis spätestens morgen Nachmittag“, bellte Brady ins Telefon. Nach zwei Stunden fast ununterbrochenen Telefonierens war seine Geduld am Ende. „Keine Ausreden mehr, Peter. Entweder du hältst den Termin ein oder du bist raus.“

Künstler waren generell schwierig, Peter Singer gehörte zu den besonders komplizierten Exemplaren. Ohne jeglichen Ehrgeiz und Gefühl für Zeitmanagement akzeptierte er Termine, hielt sie wegen der Unfähigkeit, sich zu organisieren, jedoch nie ein.

Sein Talent stand außer Frage. Er war so gut, dass Brady ihm die Abgabefrist bislang immer verlängert hatte. Damit war es nun aber vorbei.

„Du bekommst sie Ende der Woche“, versprach Peter. „Ich habe gerade eine Eingebung. Bis morgen schaffe ich es unmöglich. Das Warten lohnt sich, das kannst du mir glauben.“

„Morgen, Peter.“ Brady drehte den Bürostuhl zum Fenster und sah nach draußen. „Sind sie nicht bis fünf Uhr hier, musst du dich nach einem neuen Job umsehen.“

„Kunst lässt sich nicht herbeizwingen.“

„Solange ich dafür bezahle, schon. Erinnere dich, wir haben die Abgabefrist bereits um drei Monate verlängert. Du kannst dich wirklich nicht beklagen. Liefere oder lass es. Es liegt in deiner Hand.“ Er legte auf, ehe Peter den nächsten dramatischen Appell starten konnte.

Den Großteil des Tages hatte Brady sich mit Marketingfragen beschäftigen müssen – nicht gerade sein Lieblingsthema. Daher brachte er weniger Geduld als sonst für Peter auf. Außerdem musste er ebenfalls Zeitpläne einhalten. Vielleicht wurde es wirklich Zeit, einem neuen Grafiker wie Jenny Marshall eine Chance zu geben.

Jetzt käme mir ein Bier gerade recht, dachte Brady, doch ihm stand ein weiteres Treffen bevor. In diesem Moment klopfte es auch schon.

„Herein“, rief er.

Die Tür ging auf, und eine Frau mit kastanienbraunem Haar und grünen Augen trat ein. Damit endete die Ähnlichkeit mit der Irin von dem Foto jedoch. Statt wie eine altjüngferliche Bibliothekarin sah Aine Donovan in Realität total heiß aus.

Zu ihrer schwarzen Hose trug sie eine knallrote Bluse, darüber eine kurze schwarze Jacke. Ihr langes Haar fiel in dichten Wellen auf ihre Schultern, die Augen waren nicht hinter einer Brille versteckt, sondern mit Make-up so geschickt betont, dass sie geradezu strahlten. Sie war hochgewachsen, ihre atemberaubende Figur ließ ihm den Atem stocken. Ihr fester Blick ließ auf einen starken Charakter schließen, und Brady liebte selbstbewusste Frauen. Plötzlich überfiel ihn eine Woge heftigen Verlangens, intensiver als jemals zuvor.

Verwirrt kämpfte er dagegen an. Sie arbeitet für dich, sagte er sich. Schwärmereien für Angestellte führten nur zu Problemen. Dieser Gedanke dämpfte sein Verlangen jedoch nicht, und als er Aines melodischen irischen Akzent vernahm, überlief es ihn siedend heiß.

„Brady Finn?“

„Der bin ich. Ms. Donovan?“ Er stand auf und genoss den Anblick, wie sie den Raum mit anmutigen Schritten durchquerte. Unwillkürlich musste er an seidene Bettlaken, Vollmondnächte und sanfte Berührungen von Haut auf Haut denken. Verdammt!

„Bitte nennen Sie mich Aine.“ Es klang so ähnlich wie Anja.

„Ehrlich gesagt, habe ich mich schon gefragt, wie man Ihren Vornamen ausspricht.“„Es ist ein gälischer Name.“

Brady reichte ihr die Hand. Bei der Berührung schoss ein Stromschlag durch seinen Arm. Erschrocken ließ er ihre Rechte los und hätte sich beinahe die brennende Hand gerieben. „Das dachte ich mir schon. Bitte, nehmen Sie Platz.“

Aine setzte sich auf einen der Stühle an der Stirnseite seines Schreibtischs und schlug langsam die Beine übereinander, was er wahnsinnig sexy fand.

„Wie war der Flug? Gefällt Ihnen das Hotel?“, platzte er heraus, um sich abzulenken.

„Beides bestens, vielen Dank.“ Angriffslustig reckte sie das Kinn. „Geht es bei diesem Treffen darum: den Flug, das Hotel? Ich fände es sinnvoller zu klären, weshalb Sie mich zweimal versetzt haben.“

Verblüfft, weil sie es wagte, ihren neuen Boss herauszufordern, starrte Brady sie an. „Zweimal?“

„Sie haben mich vom Flughafen abholen lassen, statt persönlich dort zu erscheinen, und dann noch einmal vom Hotel.“ Gelassen schlang sie die Hände um ein Knie. Falls sie nervös war, ließ sie es sich nicht anmerken.

Brady betrachtete sie schweigend. „Gab es Probleme mit dem Fahrdienst?“

„Oh, nein. Ich wundere mich lediglich, weshalb Sie Ihre Hotelmanagerin um die halbe Welt einfliegen lassen und sich dann nicht einmal die Mühe machen, einen Block weit zu gehen, um sie persönlich zu begrüßen.“

Auf dem Foto hatte sie tüchtig, gelassen und leidenschaftslos gewirkt, jetzt sah sie aus wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Ihre Augen sprühten Funken und die Luft um sie herum knisterte vor Spannung. Das gefiel Brady. Er respektierte ihre forsche Art, begehrte sie jedoch im gleichen Augenblick. Das bedeutete, dass er in großen Schwierigkeiten steckte.

Aine hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Trotz ihres guten Vorsatzes, ihr Temperament zu zügeln, hatte sie ihren neuen Boss bei der ersten Gelegenheit angegriffen. Sie musste sich entschuldigen, wusste aber, dass es ihr extrem schwerfallen würde. Schließlich hatte sie nichts als die Wahrheit gesagt. Es war ein Fehler gewesen, mit Wut im Bauch zu ihm zu gehen. Ihr Zorn war übergekocht, nun herrschte zwischen ihnen eine Spannung, die sie irgendwie wieder abbauen musste.

Nachdenklich betrachtete sie ihn. Dass er so umwerfend attraktiv war, hatte sie nicht erwartet. Auf der kurzen Fahrt zu seinem Büro hatte sie versucht, die Beherrschung über sich wiederzuerlangen. Der erste Blick auf dieses Prachtexemplar von einem Mann hatte ihr jedoch die Fassung geraubt. Ihre guten Vorsätze waren mit einem Schlag verpufft.

Schwarzes Haar fiel ihm tief in die Stirn, am liebsten hätte sie es zurückgestrichen. Ein festes Kinn, durchdringende blaue Augen und der abendliche Bartschatten ließen ihn eher wie einen Piraten oder Straßenräuber aussehen, als wie einen Geschäftsmann, der ein Vermögen mit dem Erfinden von Computerspielen gemacht hatte. Wie den romantischen Helden aus den Liebesromanen, die sie mit Begeisterung verschlang. Unangemessene Gedanken gingen ihr durch den Sinn, ein köstliches Prickeln durchzog ihren Körper. Und so sehr sie auch dagegen ankämpfte, ihr wurde ganz heiß, ihr Puls begann zu rasen.

Am liebsten hätte sie die Hand, die er ihr reichte, festgehalten. Entsprechend dankbar war sie, als er sie abrupt losließ. Gleichzeitig war sie enttäuscht. Ich widerspreche mir selbst, stellte sie fest. Das war kein gutes Zeichen!

Um auf andere Gedanken zu kommen, sah sie sich um. Das Bürogebäude war eine ebenso große Überraschung wie der Mann selbst. Sie hatte einen modernen Glas- und Chrompalast erwartet. Die charmante alte Villa gab ihr Hoffnung für ihr Schloss. Wenn Celtic Knot ein altes Gebäude wie dieses modernisieren und dabei seinen Charakter erhalten konnte, gelang der Firma dasselbe vielleicht auch mit Castle Butler.

Diesen Gedanken im Hinterkopf, richtete Aine sich auf und schluckte ihren Stolz wie eine bittere Pille: „Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich Ihnen zur Begrüßung gleich solche Vorwürfe gemacht habe.“ Als er lediglich fragend die Augenbrauen hob, fuhr sie hastig fort: „Bestimmt ist der Jetlag daran schuld.“ Das klang wenigstens logisch.

„Selbstverständlich“, sagte Brady. Er schien ihr nicht wirklich zu glauben. „Es tut mir leid, dass ich Sie nicht persönlich abgeholt habe. Derzeit haben wir viel um die Ohren. Diese Woche kommt ein neues Spiel auf den Markt, das nächste folgt im Dezember.“

Spiele! Innerlich schüttelte Aine den Kopf. Ihr Bruder Robbie war ein Fan der Spiele dieses Mannes, die auf alten irischen Legenden basierten. Die Spieler bekämpften in der Rolle keltischer Krieger das uralte Böse. Was eine Firma, die Computerspiele produzierte, mit einem Hotel in Irland anfangen würde, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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