Schlaflos vor Verlangen

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Dieser Mann ist pures Dynamit! Obwohl die Investmentberaterin Caitlin ansonsten äußerst rational reagiert, versagt bei Jed Bishop jede vernünftige Überlegung. Ihre Hormone spielen verrückt - er muss einfach ihre Lust stillen! Was dann kommt, interessiert Caitlin im Moment gar nicht, denn jetzt will sie nur seine Liebe …


  • Erscheinungstag 07.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756413
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Oh, nein. Nicht schon wieder!“

Caitlin Beck versuchte ungeduldig den Schlüssel zu ihrer Wohnungstür umzudrehen und rüttelte dabei heftig am Türknauf. Aber das Schloss wollte nicht nachgeben.

„Ich habe doch Mr. Mellin gebeten, das zu reparieren“, murmelte sie gereizt und versuchte es erneut. Schließlich hämmerte sie wütend mit der Faust gegen die Tür. Ausgerechnet heute musste es wieder passieren. Typisch.

Caitlin stellte ihre Aktentasche neben die durchgeweichten Einkaufstüten, die sie gerade die zwei Treppen zu ihrer Wohnung hochgeschleppt hatte. Ihre Post, die unten im Briefkasten gewesen war, legte sie oben drauf. Dann bückte sie sich, um das Schloss zu untersuchen. Es gab nur eine Möglichkeit, sie musste den Hausmeister rufen. Aber der war immer ziemlich schwierig zu erreichen.

Natürlich könnte sie auch ihren Nachbarn auf der anderen Seite des Flurs um Hilfe bitten, aber der würde ihr mehr zur Hand gehen, als ihr lieb war. Da zog sie es doch vor, in die Innenstadt zu fahren und die Kneipen nach Barney Mellin abzusuchen. Sie hatte den Handwerker beauftragt, nach dem Rechten zu sehen, bis sie das Haus endgültig erworben hatte.

Es handelte sich um ein wunderschönes altes Gebäude im viktorianischen Stil, das irgendwann einmal in vier Wohnungen aufgeteilt worden war. Sie wollte daraus wieder ein Einfamilienhaus machen und es dann vermieten. In Crystal Cove gab es jede Menge gut verdienende junge Leute auf Wohnungssuche. Aber sie konnte mit dem Umbau nicht beginnen, bevor sie den Mieter von gegenüber nicht losgeworden war.

In den beiden Erdgeschosswohnungen standen bereits Fliesen und Bauholz gestapelt, daneben Tapetenrollen und Farbeimer. Jedes Mal, wenn sie daran vorbeiging, ärgerte sie sich über die vergeudete Zeit. Aber es konnte noch eine Weile dauern, bis die rechtlichen Probleme gelöst waren.

Caitlin warf einen finsteren Blick auf die verschlossene Tür und versuchte noch einmal vergeblich, das Schloss zu öffnen.

Sie wusste, dass ihr Faible für dieses Gebäude völlig irrational war. Es hatte keinen allzu großen Wert und war auch nicht besonders luxuriös ausgestattet. Aber sie hatte sich sofort in das Haus verliebt, als sie es auf dem Hügel über Crystal Cove stehen sah, mit dieser weißen Säulenfront, in der sich die Strahlen der untergehenden Sonne fingen.

Wie konnte sie ahnen, dass die Treppen knarrten, als ob sie jeden Moment durchbrechen würden, das Dach undicht war und das heiße Wasser nur tropfenweise aus der Dusche kam?

Doch selbst wenn sie es gewusst hätte, wäre ihre Reaktion wohl dieselbe gewesen. Sie seufzte.

„Stimmt was nicht, Caitlin?“

Sie drehte sich um, blieb aber in der Hocke sitzen, während sie fieberhaft nach einer passenden Antwort suchte. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Wenn sie nur diese ungestüme körperliche Reaktion in den Griff bekäme, die Jed Bishops Stimme jedes Mal bei ihr auslöste. Und warum tauchte er immer im unpassendsten Moment auf?

Sie legte die Hände auf den Rücken und wippte auf den Fußspitzen hin und her. „Nein, Jed. Alles in bester Ordnung.“

„Es sieht aber gar nicht danach aus.“

Sie warf ihm ein unterkühltes Lächeln zu. „Ich komme schon zurecht.“

Er musterte sie von oben bis unten. „Du bist ja ganz nass.“

Mit übertrieben weit aufgerissenen Augen sah sie an sich herunter. „Oh, tatsächlich.“

Er ignorierte ihren Spott. „Ist das Schloss mal wieder verklemmt?“

„Wie kommst du denn darauf?“ Sie strich sich mit einer lässigen Geste das feuchte Haar aus dem Gesicht. Wie sie es hasste, in solchen Momenten überrascht zu werden. Als sie das Büro verlassen hatte, war sie vom Regen völlig durchnässt worden. Danach war sie zum Supermarkt gefahren und auf dem kurzen Weg zum Auto noch einmal in einen Regenguss gekommen. Und als ihr Auto nicht ansprang, stand sie wieder im Regen, während der Passant, den sie um Hilfe gebeten hatte, vergeblich versuchte, es wieder in Gang zu bringen.

Ihre neue Frisur, für die sie vor einer Woche ein kleines Vermögen bezahlt hatte, sah jetzt gar nicht mehr flott und füllig aus. Stattdessen klebte ihr das kastanienbraune Haar am Kopf. Ihr cremefarbenes Kostüm mit dem weiten, glockigen Rock war reif für die Reinigung, genau wie ihre pinkfarbene Seidenbluse. Sie hätte verzweifeln können.

Verstohlen betrachtete sie Jed. Er sah immer gut aus, selbst in abgetragenen Jeans und grauem T-Shirt. Sein schwarzes Haar war zerzaust, als habe er gerade die Hemden gewechselt, ohne sich danach zu kämmen.

Sie wusste genau, wie er das immer machte. Statt wie andere Menschen mit überkreuzten Armen nach dem Bund zu greifen und sich dann das T-Shirt über den Kopf zu ziehen, zerrte er hinten am Halsausschnitt. Was zur Folge hatte, dass seine Hemden an der Stelle alle ausgeleiert waren, und … Verflixt! Sie wandte sich von ihm ab. Das musste aufhören!

Er hatte die ganze Zeit mit verschränkten Armen am Türrahmen zu seiner Wohnung gelehnt. Jetzt stieß er sich davon ab und kam auf sie zu. Ein vielsagendes Grinsen umspielte seinen Mund, und in seinen grauen Augen blitzte der Schalk. „Ich weiß auch nicht, wie ich darauf komme, aber vielleicht ist es der Anblick deiner Sachen, die überall auf dem Boden verstreut sind. Außerdem meine ich einige sehr bildhafte Ausdrücke aus deinem rubinroten Mund vernommen zu haben.“

„Aber nur weil du hier aufgetaucht bist“, erwiderte sie mit honigsüßem Lächeln. „Wenn du drinnen geblieben wärst, hättest du gar nichts gehört.“

Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Ich merke schon, wir müssen noch ein bisschen an unserer nachbarschaftlichen Beziehung arbeiten.“

„Wenn du der Meinung bist, dass ich keine gute Nachbarin bin, steht es dir frei auszuziehen. Ich wäre nicht sehr traurig darüber, glaub mir.“

„Aber du wärst allein“, sagte er mit vor Mitleid triefender Stimme. „Und das würde mich sehr betrüben.“

„Alleinsein ist nicht unbedingt eine schlechte Alternative zu der Nachbarschaft mit dir, Jed.“

Wieder erschien dieses spöttische Aufflackern in seinen Augen, und seine Stimme bekam einen einschmeichelnden Ton. „Es gibt eine dritte Alternative. Du könntest bei mir einziehen. Meine Wohnung ist größer als deine, großes Schlafzimmer, großes Bett …“

„Tolle Idee. Aber danke vielmals. Von mir aus kannst du alleine in deinem großen Bett schlafen.“

Er zog die Augenbrauen hoch.

„Zumindest ohne mich“, fügte sie hinzu.

Warum war ihr jetzt erst der Geistesblitz gekommen und nicht schon vor drei Wochen? Sie hätte besser vorher diskrete Erkundigungen über ihn einziehen und auf die vielen Frauenbesuche achten sollen. So etwas hatte sie noch nicht erlebt. Maria Rossi kam mit frischen Brötchen aus der Bäckerei ihres Vaters. Sandra Hudson brachte ihm Vorhänge, die sie für ihn genäht hatte. Raeann Forbes schrieb einen Roman, in dem Jed die Hauptfigur darstellte. Zwei ältere Damen, die Carlton-Zwillinge, mühten sich die Treppe hoch, um ihm selbst gemachte Marmelade und selbst gestrickte Socken zu bringen. Unglaublich.

Jed begrüßte immer jede Besucherin überschwänglich und bat sie in seine Wohnung. Caitlin versuchte, nicht darauf zu achten, wie lange die jungen, attraktiven Frauen wie Maria, Sandra und Raeann blieben. Aber eigentlich war es zu kurz für ein amouröses Stelldichein.

Schließlich wusste sie, dass Jed sich dafür gern Zeit nahm. Oh verflixt! Es ging sie doch überhaupt nichts an – selbst wenn er mit drei Frauen gleichzeitig ins Bett ginge.

Heute durfte sie nicht mehr daran denken, wie es in seinem Schlafzimmer und in seinem Bett gewesen war. Zehnmal pro Tag hatte sie sich zugestanden, und dieses Kontingent hatte sie schon ausgeschöpft. Nächste Woche würde sie es mit fünfmal probieren.

Caitlin war eine sehr pragmatische und entschlossene Person und deshalb auch so erfolgreich in ihrem Beruf als Anlageberaterin, seit sie vor vier Jahren das College beendet hatte. Leider hatte ihre Intelligenz sie vor ein paar Wochen völlig im Stich gelassen, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als sie Jed Bishop kennen lernte. Doch jetzt war sie fest entschlossen, ihre fünf Sinne beisammenzuhalten.

Jed warf ihr einen vielsagenden Blick zu und wechselte das Thema.

„Ich bin schon seit einer Stunde zu Hause. Wo warst du denn?“

„Bei der Arbeit, Jed. Ein Zeitvertreib, dem eine Menge Leute täglich nachgehen.“

„Und geht es ihnen deswegen besser?“, fragte er spöttisch.

„Die meisten glauben das. Es ist ihnen lieber, als hungrig und obdachlos zu sein.“

Caitlin versuchte das in möglichst leichtem, spöttischem Ton zu sagen, aber er warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. „Ich arbeite auch, Caitlin. Nur nicht regelmäßig. Ich liebe die Abwechslung.“

Das konnte sie nicht leugnen. Manchmal war er wegen Baulanderschließungen unterwegs oder sah bei seinen diversen Immobilien, die er in der Stadt besaß, nach dem Rechten. Ein andermal fuhr er einen Lastwagen für die Spedition seines Bruders, oder er trainierte die Basketballmannschaft im örtlichen Jugendclub. Aber die meiste Zeit schien er damit beschäftigt, sein Leben zu genießen.

Deshalb waren wohl auch alle Frauen so wild auf ihn. Er tat immer das, wonach ihm gerade der Sinn stand, und gab ihnen das Gefühl, als sei er jederzeit zu allen Schandtaten bereit.

Jetzt nahm er ihr den Schlüssel aus der Hand und steckte ihn ins Schloss. Natürlich ging die Tür sofort auf, und er winkte sie mit einer tiefen Verbeugung in ihre Wohnung.

Caitlin verdrehte die Augen, nahm ihre Aktentasche und ging ins Wohnzimmer, während Jed die Einkaufstüten und die Post hinter ihr hertrug. Sie mochte dieses Zimmer. Es sah hell und freundlich aus mit den weiß getünchten Wänden, dem bequemen Sofa, den Sesseln mit den weichen, geblümten Kissen und den vielen Pflanzen. In der Mitte des Raums lag ein schöner Teppich, den sie auf einer Kunsthandwerksmesse gekauft hatte, und überall standen alte Stücke vom Flohmarkt.

Sie liebte es, abgelegten Dingen eine neue Funktion zu geben. So hatte sie auf einem Stück alten Gartenzaun einen Spiegel angebracht, ihre Vorhänge hingen an alten Kabelrollen, und ihre Küchenutensilien steckten in einer Dose, in der früher italienische Flaschentomaten gewesen waren. Diese fantasievollen Anwandlungen standen in krassem Gegensatz zu ihrer ernsthaften Arbeitsauffassung. Hier konnte sie sich entspannen, denn es war ihr Zuhause. Bis jetzt jedenfalls.

Erleichtert, wieder in ihrer Wohnung zu sein, wandte sie sich an Jed. „Danke für deine Hilfe. Wir sehen uns später.“

Er grinste. „Das hört sich an, als wolltest du mich gleich wieder loswerden. Bekomme ich keine Belohnung?“

„Anscheinend hatte ich das Schloss schon gelockert, bevor du es probiert hast“, sagte sie und ließ ihre Aktentasche auf den antiken Tisch fallen, den sie selbst restauriert hatte.

„Oh, sicher“, stimmte Jed zu und unterdrückte nur mühsam ein Grinsen.

Während Caitlin ihre Post durchsah, trug er die Einkaufstüten in die Küche.

„Fühl dich ganz wie zu Hause, Jed Bishop.“ Sie fragte sich, wo die ganzen Werbebriefe und Preisausschreiben herkamen, wo sie doch erst seit ein paar Monaten in Crystal Cove lebte.

„Was Interessantes in der Post?“, fragte er beiläufig.

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Keine Liebesbriefe von einem sehnsüchtigen Liebhaber aus San Francisco?“

Sie gab keine Antwort.

„Nach deinem Arbeitspensum zu urteilen, wirst du nicht sehr viele Männer mit gebrochenem Herzen zurückgelassen haben.“

„Jed, ich habe keine Lust, mit dir über meine Bekanntschaften in San Francisco zu diskutieren“, bemerkte Caitlin spitz.

Zu ihrer Überraschung lachte er. „Na gut. Dann reden wir eben über dich.“

„Nein.“

„Caitlin, ich kenne dich jetzt schon fast zwei Monate …“

„Viel zu lange für meinen Geschmack.“

„… und ich habe bemerkt, dass du keine Frau bist, die gerne ein Risiko eingeht.“

Das stimmte, und so widersprach sie nicht.

Jed stellte die Dosen mit Pastasaucen in den Schrank. „Warum machst du nicht mal bei einem Preisausschreiben mit? Vielleicht bringt es dir Glück.“

„Ich glaube an harte Arbeit, nicht an Glück.“ Caitlin zuckte von dem Klang ihrer eigenen Stimme zusammen. Lieber Himmel, seit wann redete sie so steif? Diese Frage war leicht zu beantworten. Seit sie sich gegen Jeds Ansichten verteidigen musste. Und um ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren.

„Dann entgeht dir sehr viel im Leben.“

„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du die unangenehme Angewohnheit besitzt, dich in das Leben anderer Leute einzumischen?“

Jed presste die Lippen zusammen und blickte zur Decke. „Ja leider. Bob Bailey sagte das vor einem Jahr zu mir, als ich ihm riet, seinen Job in der Autowerkstatt seines Vaters hinzuschmeißen und auf die Cayman Islands zu ziehen.“

Gegen ihren Willen war Caitlin fasziniert. „Und was ist passiert?“

„Nachdem er mir zu verstehen gegeben hatte, mich lieber um meinen eigenen Kram zu kümmern, hat er es getan. Kaufte dort eine Bar und heiratete eine der Kellnerinnen …“ Jed brach ab und sah sie verstohlen an.

„Und dann?“, fragte sie neugierig.

„Dann kam ein Hurrikan und fegte die Bar weg.“

„Oh.“ Caitlin legte bekümmert die Hand ans Kinn.

„Und trotzdem war es richtig, dass er es getan hat“, beharrte Jed. „Er hasste es, für seinen Vater zu arbeiten.“ Er nahm eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, die er bei seinem letzten ungebetenen Besuch hier gelassen hatte, und öffnete sie. Dabei betrachtete er skeptisch die Cola-Light-Dosen im Kühlschrank. „Willst du auch etwas?“

„Was hast du mir denn anzubieten?“, fragte sie kokett.

Er warf die Kühlschranktür zu und grinste sie an. „Wenn ich nicht so selbstsicher wäre, könnte ich fast glauben, du wolltest mich los sein.“

„Ich will dich los sein.“

Sie unterdrückte die innere Stimme, die sie eine Lügnerin nannte, und dachte, er würde das wegstecken. Aber als sie in seine Augen sah, bekam sie das Gefühl, ihn verletzt zu haben.

Er antwortete nicht, sondern nahm einen großen Schluck aus der Flasche. Dann betrachtete er sie eingehend. Sie versuchte seine Gedanken zu ergründen. Sie selbst redete sich jedenfalls lieber ein, dass es ein Fehler gewesen war, mit ihm zu schlafen, ohne ihn wirklich zu kennen, statt deshalb zu verzweifeln.

Aber ob sie es wollte oder nicht, sie war ihm zu Dank verpflichtet. Er hatte seine Tante Geneva dazu gebracht, sie als Finanzberaterin zu engagieren. Und obwohl Geneva die meiste Zeit in Los Angeles lebte, hatte sie zugestimmt und rief Caitlin häufig an, um ihren Rat einzuholen, wofür sie dann jeweils prompt bezahlte.

Es stellte für sie nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen persönlichen Gewinn dar, denn die Gespräche verliefen immer sehr anregend. Geneva war so, wie Caitlin selbst im Alter einmal sein wollte. Unabhängig und voller Energie.

Sie räusperte sich. „Ich habe es nicht so gemeint.“

Er kniff die Augen zusammen. „Doch, das hast du. Du willst, dass ich ausziehe. Aber du erwähnst nie die Alternative. Du könntest mir ja auch deine Hälfte verkaufen und selbst ausziehen.“

„Und wenn du mir das Zehnfache anbietest, ich würde es nicht tun. Niemals.“

Jed zuckte die Achseln und schlenderte ins Wohnzimmer. „Dann haben wir uns ganz schön festgefahren, was?“

Er setzte sich aufs Sofa und streckte seine langen Beine aus. „Ich liebe deine Art zu sprechen, Caitlin. Damit hast du sicher bei deiner Arbeit Erfolg. Du weist die Männer in ihre Schranken.“

„Bei dir funktioniert das offenbar nicht.“

Er nahm wieder einen großen Schluck aus der Flasche. „Mal im Ernst, Caitlin. Wir wollen doch beide dasselbe mit dem Haus. Es gibt keinen Grund, unsere Partnerschaft aufzulösen.“

„Es gibt alle möglichen Gründe.“

Jed biss die Zähne zusammen. „Wenn du diesen Tonfall anschlägst, ist es Zeit, das Thema zu wechseln.“ Er schwieg einen Augenblick, dann fragte er: „Wie war dein Tag?“

„Gut, danke.“

Es war wirklich ein erfolgreicher Tag gewesen. Sie hatte Mrs. Harbel davon überzeugt, ihr Geld in einem der von ihr betreuten Fonds anzulegen, und sie hätte dieses Erfolgserlebnis gern mit jemand geteilt. Mit Jed. Aber sie wusste, dass er daraus falsche Schlüsse ziehen würde.

„Also, wenn du es unbedingt wissen willst. Mein Auto wollte vor dem Supermarkt nicht anspringen. Es steht immer noch dort. Einer der Kassierer hat mich mit nach Hause genommen.“

Jed sprang auf. „Warum hast du das nicht gleich gesagt? Zieh dir trockene Sachen an, und wir holen es.“

„Das ist nicht nötig, Jed. Bestimmt ist nur die Batterie leer. Sie ist schon fünf Jahre alt. Ich rufe morgen früh in der Werkstatt an und …“

„Es kann über Nacht gestohlen werden.“

Caitlin lachte lauthals. „Mein Auto? Da müsste ein Dieb schon sehr verzweifelt sein.“

Jed grinste. „Ich habe dir ja angeboten, dir Geld für einen neuen Wagen zu leihen. Stell dir nur mal vor, wie erfolgreich du sein könntest, wenn du mit einem Mercedes in der Stadt herumfahren würdest.“

Caitlin hob abwehrend die Hand. „Damit meine Kunden denken, ich hätte es von ihrem Geld gekauft. Nein danke. Ich weiß, dass es zum Geschäft gehört, erfolgreich auszusehen und ein teures Auto zu fahren. Aber das ist nichts für mich.“

„Trotzdem werden wir dein Auto jetzt holen“, beharrte Jed.

Caitlin sah ihn gereizt an, ging dann aber ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Hinter der Tür blieb sie einen Moment stehen, aber diesmal wollte sich der aufheiternde Effekt dieses Raums nicht einstellen. Sie liebte dieses Zimmer. Das große Messingbett mit der weißen Steppdecke und dem flauschigen weißen Teppich auf dem gold-marmorierten Boden. Und besonders den Blick aufs Meer. Aber heute waren Himmel und Meer grau – passend zu ihrer Stimmung.

Langsam zog sie die feuchten Sachen aus. Es hatte alles so einfach ausgesehen. Schon während der Collegezeit und auch danach hatte sie gejobbt und jeden Penny gespart, um sich eines Tages selbstständig machen zu können. Dann hatte sie die Küste von Nordkalifornien abgeklappert auf der Suche nach einem Ort, an dem sie sich wohl fühlen und für den Rest ihres Lebens niederlassen konnte.

Crystal Cove schien dafür wie geschaffen. Es lag nur eine Autostunde nördlich von San Francisco, war groß genug, um gute Geschäfte zu machen, und klein genug, um sich heimisch zu fühlen.

Wer hätte geahnt, dass Jed Bishop in ihr Büro spaziert käme, kaum dass sie es eröffnet hatte, und sie mit seinem siegessicheren Grinsen und seinem einschmeichelnden Blick im Sturm eroberte.

Wer hätte geahnt, dass auf die einfache Frage nach einer Information ein Abendessen folgte, danach viele Abendessen, Kinobesuche und schließlich der gemeinsame Hauskauf. Und den hatten sie mit einer Flasche Champagner begossen und waren danach im Bett gelandet.

Wie konnte sie, die sonst immer sorgfältig jede Entscheidung abwog, sich so schnell auf jemand einlassen? Sie hatte das alles nicht gewollt. Sie wollte … sie wusste es nicht.

All die Frauen, die ihn besuchten, schienen ganz verrückt nach ihm zu sein. Und er begrüßte sie alle mit einer warmherzigen Umarmung und Wangenküssen. Genauso, wie er sie begrüßte. Sie war nur eine von vielen.

Caitlin riss die Schranktür auf und zog eine Jeans und einen blauen Pullover heraus, denn die Septemberabende waren schon kühl. Dann kämmte sie ihr Haar, stopfte es unter eine Schirmmütze und nahm ihren Regenmantel.

Jed sah sie bewundernd und leicht kritisch an. „Wenn du dein Haar nicht abgeschnitten hättest, brauchtest du es jetzt nicht unter der Mütze zu verstecken.“

„Danke, Jed. Du findest doch immer die richtigen Worte, um einer Frau zu schmeicheln.“

Er zog eine Grimasse, dann nahm er ihren Arm, und sie gingen zusammen die holprige Einfahrt hinunter zu seinem goldgelben Mustang, der am Straßenrand parkte. Die Garage vor dem Haus war so baufällig, dass niemand sie benutzte.

Es hatte aufgehört zu regnen, aber immer noch hingen schwere Wolken am Horizont.

Caitlin kannte Jeds Fahrstil bereits und hielt sich vorsichtshalber am Türgriff fest. Trotzdem wurde sie unsanft hin und her geschüttelt. „Kannst du nicht ein bisschen langsamer fahren?“

Er warf ihr einen Blick zu und grinste. „Wozu ist ein Sportwagen gut, wenn man nicht seine Kraft und Schnelligkeit ausnutzt?“

„Vielleicht lebt man länger.“ Wieder wurde sie zur Seite gedrückt, als er um die Kurve fuhr. „Jed, du bist ein schrecklicher Autofahrer.“

Als sie am Parkplatz des Supermarkts ankamen, löste Caitlin ihre um das Armaturenbrett verkrampften Finger. „Danke für den Flug.“

„Keine Ursache.“

Caitlin gab ihm ihre Autoschlüssel, und Jed versuchte den Wagen zu starten. Ohne Erfolg. „Scheint wirklich die Batterie zu sein. Ich hole mal eben mein Startkabel.“

Da er offenbar keinen Wert auf ihre Hilfe legte, stellte sie sich abseits und beobachtete die Leute, die kurz vor Ladenschluss noch schnell etwas im Supermarkt einkaufen wollten. Sie hielt einer kleinen alten Frau, die ein Einkaufswägelchen hinter sich her zog, die Tür auf.

Die Frau sah sie mit ihren klaren blauen Augen freimütig an. „Danke, mein Kind.“

Caitlin wollte etwas erwidern, aber es lag ein bestimmter Ausdruck im Gesicht der Frau, der sie davon abhielt. Sie hatte ein kleines herzförmiges, nahezu faltenloses Gesicht, obwohl sie schon recht betagt war. Ihr schneeweißes Haar umrahmte in fülligen Locken ihr Gesicht. Sie betrachtete Caitlin eine Weile prüfend, dann sagte sie: „Hallo, ich habe mich schon gefragt, wann ich Sie wohl treffen würde.“

Caitlin sah die Frau überrascht an. Sie konnte sich überhaupt nicht an sie erinnern. Vielleicht war sie verwirrt, deshalb erwiderte Caitlin freundlich: „Ja, ich freue mich auch, Sie zu wiederzusehen.“

Jetzt war es an der alten Frau, überrascht zu sein. „Was meinen Sie mit ‚wieder‘? Wir haben uns noch nie zuvor gesehen.“ Kopfschüttelnd ging sie durch die Tür.

Verdutzt ließ Caitlin die Tür hinter ihr zufallen. Merkwürdig. Sie sah der alten Frau nach, wie sie über den holprigen Gehsteig zur Straße ging. Die Tasche auf ihrem Wägelchen war etwas verrutscht, und sie blieb stehen, um sie gerade zu rücken. Dabei schien sie etwas im Rinnstein entdeckt zu haben und bückte sich, um es aufzuheben.

Caitlin blickte alarmiert auf, als sich ein Wagen mit quietschenden Reifen näherte, der auf dem nassen Pflaster ganz offensichtlich zu schnell fuhr. „Warten Sie!“, rief sie und rannte auf die alte Frau zu, um sie zu warnen. Jed ließ das Startkabel fallen und drehte sich überrascht um.

Automatisch streckte er die Hand aus, um Caitlin zurückzuhalten, aber sie rannte an ihm vorbei, schob den Einkaufswagen schnell beiseite und zog die alte Frau zurück auf den Gehweg. Einen Moment später spürte sie Jeds Arme, als er sie beide weiter von der Straße wegzog, während das Auto an ihnen vorbeisauste und alle drei von oben bis unten vollspritzte.

2. KAPITEL

„Dieser verrückte Kerl“, schimpfte Jed und wischte sich übers Gesicht. Caitlin lockerte ihre Umarmung, hielt die Frau aber immer noch am Arm fest. „Ist alles in Ordnung?“

Die Frau sah an sich herunter. „Nun ja, ich bin zwar nass wie eine Katze, aber ich lebe noch.“ Ihre Stimme klang etwas zittrig. „Ich hoffe nur, meine Einkäufe sind nicht ruiniert.“

Jed warf einen Blick in den Einkaufswagen. „Es ist alles unversehrt, Madam. Gut, dass die Tasche aus Kunststoff ist.“

„Ja, erstaunlich, was die heute alles machen, nicht wahr?“ Dann sah sie Jed mit leuchtenden Augen an. „So ein höflicher junger Mann. Wie ist Ihr Name?“

Autor

Patricia Knoll
Wussten Sie, dass Patricia Knoll Lehrerin, Bibliothekarin und Heimleiterin war, bevor sie nach der Geburt ihres vierten Kindes eine neue Herausforderung suchte und anfing, Romances zu schreiben?
Mehr erfahren