Sehnsucht unter südlicher Sonne

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Genevieve ist überwältigt von der rauen Schönheit der australischen Landschaft - und von der unwiderstehlichen Anziehungskraft des muskulösen Rinderzüchters Bret Trevelyan. Unter einem Vorwand ist sie auf seine Ranch gekommen, um endlich das Geheimnis ihrer Familie aufzuklären. Aber sie hat die Rechnung ohne Bret gemacht: Er scheint zu ahnen, was sie vorhat, und tut alles, um sie daran zu hindern, die Vergangenheit ans Licht zu bringen. Nun muss Genevieve sich konzentrieren — um überhaupt noch an etwas anderes als an Brets leidenschaftliche Küsse zu denken…


  • Erscheinungstag 11.08.2012
  • Bandnummer 1961
  • ISBN / Artikelnummer 9783864946110
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es war Frühling. Neues Leben kündigte sich an. In den Parks und Gärten von Brisbane prangten Azaleen und Rhododendren in fantastischer Fülle. Überraschend viele Blumen öffneten schon ihre Knospen: wunderschöne orientalische Lilien, Iris, Hyazinthen, wohlriechende Freesien und gelbe Narzissen. Verführerische Düfte schwebten wie ein zarter Brautschleier über der Stadt. Der Himmel hatte die Farbe eines tiefblauen Opals. Hoch oben zogen kleine weiße Puffwölkchen schnell vorüber.

Genevieve Grenville fühlte sich genauso beschwingt wie die Natur, seit ihr Leben wieder freundlicher aussah. Der Tiefpunkt, der noch gar nicht so lange zurücklag, war überwunden. Positiv denken und dem Glück vertrauen, lautete jetzt ihr Wahlspruch. Bald würde sie ihm ungehindert folgen können.

Ihr beruflicher Erfolg trug viel dazu bei. Sie gehörte jetzt zu den Autorinnen, deren Werke veröffentlicht wurden. Ein erster Bestseller war bereits auf dem Markt. Die Endfassung ihres neuen Buchs, Verführer und Versager, hatte Maggie McGuire – Literaturagentin, Lektorin und gute Freundin in einer Person – bestimmt ebenso gefallen.

Genevieve hatte Maggie für ihre Ermutigung und ihre kompetenten Ratschläge sehr zu danken. Sie war von Anfang an eine treue Begleiterin gewesen. Das schloss auch die Katastrophe in Genevieves Privatleben ein, die ihr fast alles Selbstvertrauen genommen hatte.

Ihr Debütroman, Rätsel der Vergangenheit, war ihre Rettung gewesen. Durch ihn hatte sie das Tief überwunden. Die gebundene Ausgabe, die sie in ihrer Tasche bei sich trug, war der endgültige Beweis dafür. Nichts hätte sie mehr beflügeln können als das Bewusstsein, sich mit siebenundzwanzig Jahren in der literaririschen Welt einen Namen gemacht zu haben. Wenn man das geschafft hatte, musste man den Erfolg ausnutzen. Deshalb sollte Verführer und Versager möglichst schnell gedruckt werden.

Die Kritiken über Rätsel der Vergangenheit waren erstaunlich gut ausgefallen. „Ein erstklassiges literarisches Debüt …“

„Ein strahlender neuer Stern am Horizont …“ Das war kaum zu überbieten. Noch mehr beglückten sie die Zuschriften ihrer Leserinnen. Jede erfolgreiche Autorin brauchte ihr Publikum. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass die meisten Menschen ihre Begeisterung ausdrücken wollten. Es freute sie besonders – und beschämte sie auch ein bisschen –, wenn eine Leserin gestand, dass die Lektüre des Buchs ihr über eine kleine Krise oder sogar über eine schwere Enttäuschung hinweggeholfen habe.

Genevieve wusste alles über Enttäuschungen.

Rätsel der Vergangenheit hatte so nachhaltig überzeugt, dass jetzt der goldene Aufkleber einer namhaften Zeitschrift jedes Exemplar zierte: Beste Unterhaltung. Konnte sie sich eine wirksamere Werbung wünschen? Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können.

Ihr Exverlobter Mark Reed, dem sie all ihr Vertrauen geschenkt hatte, war schwach geworden und hatte mit der einzigen Frau geschlafen, die für ihn hätte tabu sein müssen: mit ihrer Stiefschwester Carrie-Anne. Dabei hätte diese ihre erste Brautjungfer sein sollen! Hatten Mark und sie nicht schon fast vor dem Altar gestanden? Wahrscheinlich würde sie diesen Verrat niemals vergessen. Das Wissen um den ungeheuerlichen Betrug lag ihr noch immer schwer auf der Seele. Mark und Carrie-Anne nackt im Bett – würde sie das Bild jemals loswerden? Sie hatten ihr etwas genommen, was sie nie wiederbekommen würde: Vertrauen.

Doch das Schlimmste war inzwischen überwunden. Ihr Stolz und mehr noch das Schreiben hatten ihr dabei geholfen. Genevieve war inzwischen klar geworden, dass Kummer, Rückschläge und Enttäuschungen zum Leben dazugehörten. Wäre sie nicht so gutgläubig gewesen, hätte sie die zerstörerische Kraft, die in ihrer zierlichen blonden Halbschwester steckte, viel früher erkannt. Carrie-Anne war immer ein hinterhältiges Biest gewesen.

Marks Entschuldigung hatte noch allem die Krone aufgesetzt. „Es geschah in einem schwachen Moment, Gena. Ich liebe nur dich, aber Carrie-Anne will dich immer ausstechen. In gewisser Weise bist du selbst schuld daran. Du hattest nie ein offenes Ohr für mich. Immer ging es um das dämliche Buch.“

Was für eine Ausrede! Genevieve hatte sich immer Zeit für ihn genommen und am Ende einsehen müssen, dass ihr verwöhnter Verlobter in Wirklichkeit eine Frau suchte, die seiner Mum glich, die sich für Ehemann und Sohn aufopferte. Mrs Reed hatte das einmal ein „nobles“ Opfer genannt.

„Die dummen Hormone, Gena.“ Carrie-Annes hübsches Gesicht hatte bei dieser Entschuldigung beinahe zerknirscht gewirkt. „Sie sind so gefährlich!“

„Versuch es mit Fallschirmspringen“, hatte Genevieve ihr höhnisch vorgeschlagen. „Am besten ohne Fallschirm. Oder noch besser … heirate Mark.“

Niedertracht ließ sich einfach nicht entschuldigen.

Genevieve war um drei Uhr nachmittags mit Maggie verabredet, und sie war dafür bekannt, immer pünktlich zu sein. Als sie die Agentur betrat, warteten bereits zwei hoffnungsvolle Autoren darauf, von Maggie vorgelassen zu werden. Man ging zu ihr wie zu einem Arzt und musste Zeit mitbringen.

Rhoda, die Empfangsdame, empfing sie mit einem missbilligenden Blick, als sei sie mindestens eine halbe Stunde zu spät oder, noch schlimmer, unangemeldet erschienen.

„Guten Tag, Rhoda.“ Genevieve lächelte die Angestellte trotzdem an.

Doch die junge Frau antwortete nicht, was Genevieve nicht überraschte. Immerhin war sie gnädig genug, auf einen Stuhl zu zeigen. Zur „Sekretärin des Jahres“ hätte sie wohl niemand gewählt.

Genevieve nickte den beiden wartenden Kollegen zu und setzte sich so hin, dass sie Rätsel der Vergangenheit noch einmal unbemerkt hervorholen und betrachten konnte. Der Umschlag gefiel ihr gut. Er zeigte eine hübsche junge Frau, die mit leicht geneigtem Kopf Genevieves Pseudonym betrachtete: Michelle Laurent. Das war der Name ihrer französischen Großmutter väterlicherseits. Er stand über dem Titel, was natürlich mehr hergab, als wenn er darunter gedruckt gewesen wäre. Ein so wirkungsvoll gestalteter Einband musste Aufmerksamkeit erregen. Auf dem Weg zu Maggie war Genevieve an einem Buchladen vorbeigekommen, in dessen Schaufenster der Titel werbewirksam ausgestellt war.

Rätsel der Vergangenheit war nachts entstanden, denn sie hatte damals noch als Lehrerin gearbeitet und Englisch und Französisch unterrichtet. Der Job an dem namhaften Mädchencollege hatte ihr Freude gemacht, aber mit wachsendem Erfolg hatte sie sich ganz dem Schreiben widmen können. Ohne das Legat ihrer geliebten Großmutter wäre das freilich nicht möglich gewesen.

Grandmère Michelle hatte ihr bereits im frühen Kindesalter Französisch beigebracht. Ihre Liebe, Unterstützung und ständige Ermutigung waren Genevieve unvergesslich. Zu ihrem großen Kummer war Michelle ganz plötzlich an den Folgen einer schweren Grippe gestorben – kurz vor Abschluss des Manuskripts von Rätsel der Vergangenheit. Es war tröstlich, dass sie die ersten Fahnenabzüge noch gelesen und wertvolle Hinweise gegeben hatte, auf die Genevieve klugerweise eingegangen war. Maggie sagte heute noch, dass Michelle eine bessere Lektorin geworden wäre als sie selbst – und sie war eine der Besten.

Genevieve hatte die Absicht gehabt, Rätsel der Vergangenheit unter ihrem eigenen Namen zu veröffentlichen, aber mit dem Tod ihrer Großmutter war das hinfällig geworden. Ihre Leserinnen kannten sie jetzt unter dem Namen Michelle Laurent.

Nach dem Tod ihrer Mutter – fünf Autos waren auf dem Highway ineinander gerast – hatte ihr Dad sie in Michelles Obhut gegeben. Damals war sie zehn Jahre alt gewesen. Ihr verzweifelter Vater hatte die Einsamkeit nicht lange ertragen und nach wenigen Jahren Sable Carville geheiratet, ein Partygirl aus der Schickeria. Sable hatte eine kleine Tochter mit in die Ehe gebracht – die an Shirley Temple erinnernde Carrie-Anne, die bald ebenfalls den Namen ihres Stiefvaters annahm.

Seitdem gab es zwei Grenville-Mädchen: Genevieve und Carrie-Anne. Die eine groß und etwas schlaksig, mit üppigem rotem Haar und Sommersprossen, die andere klein und zierlich und von ihrer modebewussten Mutter immer sorgfältig herausgeputzt. Ihre Stieftochter hatte Sable weniger beachtet. Welchen Sinn hätte das bei einem Mädchen gehabt, das man nicht einmal hübsch nennen konnte? Nur ihr Vater, ein stadtbekannter Staranwalt, hatte vorausgesehen, dass aus dem hässlichen jungen Entlein einmal ein stolzer Schwan werden würde.

Genevieves Großeltern mütterlicherseits kamen nur noch selten nach Australien. Nach dem Tod ihrer einzigen Tochter waren sie Weltenbummler geworden, die es nirgendwo länger aushielten. Das war ihre Art, den Verlust ihrer Tochter und die Erinnerung an andere Familientragödien, die bereits Jahrzehnte zurücklagen, zu ertragen.

Maggie öffnete die Tür zu ihrem Büro, nickte den beiden wartenden Hoffnungsträgern zu und winkte Genevieve herein. „Kommen Sie, Gena.“

Das Büro der Lektorin war ihrem beruflichen Erfolg entsprechend sehr geräumig. Der Fußboden war in dezentem Beige ausgelegt, mit einem kostbaren orientalischen Teppich in der Mitte. Der imposante Mahagonischreibtisch hatte geschwungene Beine. Davor standen zwei helle Ledersessel. Außerdem gab es eine Sitzecke mit einem Sofa und zwei weiteren Sesseln, die um einen niedrigen Glastisch gruppiert waren.

Über dem Schreibtisch hing das große Porträt eines ungewöhnlich gut aussehenden Mannes, der Maggie praktisch über die Schulter sah. Sie ließ die meisten Besucher in dem Glauben, dass es sich um das Abbild eines Verwandten handelte. Nur Genevieve hatte sie nach zwei Drinks einmal anvertraut, dass sie das Gemälde gekauft habe, weil es sie an Sir Richard Hadlee, den berühmten neuseeländischen Kricketspieler, in seiner Blütezeit erinnere. Genevieve hatte versprechen müssen, das Geheimnis für sich zu behalten.

Mit einer großartigen Geste, die alles bedeuten konnte, setzte sich Maggie an ihren Schreibtisch, auf dem sich die Manuskripte häuften. Genevieve war es ein Rätsel, wie Maggie in dieser Unordnung arbeiten konnte. Sie nahm in einem der beiden Ledersessel Platz und stellte ihre Tasche neben sich auf den Boden.

Maggie griff nach ihrer Brille, die sie aus Eitelkeit nie in der Öffentlichkeit trug. „Das wird eine Sensation“, sagte sie und schlug mit der Hand leicht auf das Manuskript, das vor ihr lag. „Ich habe es genossen, und das werden Ihre Leserinnen auch tun. Es ist eine aufregende Geschichte, sehr romantisch und manchmal zu Herzen gehend. Dazu Ihr erstaunlicher Scharfblick, die raffinierten Wendungen …“

Genevieve fiel ein Stein vom Herzen. „Ich freue mich, dass es Ihnen gefällt, Maggie. Vieles verdanke ich Ihnen.“

„Vielleicht ein bisschen“, gab Maggie zu, „aber Sie haben wirklich großes Talent und sind zum Schreiben geboren.“

„Ich erinnere mich, dass ich schon als Kind den Hang dazu hatte.“

„Bestimmt, meine Liebe … das ist die Voraussetzung.“ Maggie sah auf und lächelte. Sie lächelte häufig im Gegensatz zu Rhoda. „Wie geht es jetzt weiter?“

Genevieve lehnte sich zurück. „Ich werde erst einmal eine Pause machen, Maggie … vielleicht ein halbes Jahr. Ich habe sehr konzentriert gearbeitet, wie Sie wissen, und muss Abstand gewinnen. Der Verlust meiner Großmutter hat mich schwer getroffen … ganz abgesehen von meiner geplatzten Hochzeit.“

„Seien Sie froh, dass Sie ihn los sind“, empörte sich Maggie, die immer ihre ehrliche Meinung sagte. „Er mag ein gut aussehender Charmeur gewesen sein, aber am Ende war er ein mieser Kerl. Und dieses hinterhältige Miststück Carrie-Anne!“ Sie hob beide Arme in einer vielsagenden Geste.

„Ich bin darüber hinweg“, beteuerte Genevieve und fügte insgeheim hinzu: nun, vielleicht nicht ganz.

„Wie ich schon einmal sagte, meine Liebe … der Bruch kam gerade noch rechtzeitig. Stellen Sie sich vor, es wäre nach der Heirat passiert. Seine Betrügereien hätten zur Gewohnheit werden und Ihr ganzes Leben überschatten können. Bei der Vorstellung kommen mir direkt die Tränen. Erfolg wirkt abschreckend auf Männer.“ Diese Meinung hatte sie schon oft vertreten. „Davon kann ich ein Lied singen.“

Maggie hatte zwei Ehen hinter sich. Sie betrachtete Genevieve nachdenklich.

„Was halten Sie denn von einer Pause im Outback?“, fragte sie auf gut Glück, ohne mit einer positiven Antwort zu rechnen. „Sie würden auf einer berühmten Ranch zu Gast sein. Sie liegt im Channel Country und gehört einer unserer prominentesten Familien. Dort könnten Sie neue Energie tanken und Einfälle sammeln …“

Es überkam Genevieve wie eine plötzliche Erleuchtung. Sie kannte diese hellsichtigen Momente, ohne zu wissen, wodurch sie ausgelöst wurden. Sie versuchte sie sich damit zu erklären, dass sie sie mit dem Öffnen eines geistigen Fensters verglich.

„Meinen Sie so etwas wie einen Arbeitsurlaub?“ Ihre Stimme klang ruhig, obwohl sie plötzlich sehr angespannt war, was Maggie nicht entging.

„Genau das“, bestätigte diese. „Natürlich nur, wenn Sie interessiert sind. Das Ganze wäre ein Kinderspiel für Sie … mit einem Aufenthalt im Outback als Zugabe.“

„Wollen Sie mir nicht mehr verraten?“, fragte Genevieve, obwohl sie genau wusste, was Maggie ihr antworten würde. Ihrer Großmutter Michelle war nachgesagt worden, dass sie einen sechsten Sinn gehabt habe, und man war sich in der Familie einig, dass sie ihn geerbt hatte.

„Selbstverständlich, Liebes.“ Maggie ließ Genevieve etwas Zeit, ihre Verwirrung zu überwinden. „Ein älteres Mitglied der Familie, Miss Hester Trevelyan, sucht eine Ghostwriterin für die Familiengeschichte. Sie reicht bis in die Kolonialzeit zurück, aber die alte Dame möchte wahrscheinlich auch den englischen Hintergrund erfassen. Richard Trevelyan verließ Cornwall um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts und wanderte nach Südaustralien aus. Damals kamen sehr viele Menschen aus Cornwall hierher, und die Tendenz setzte sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fort. Ich glaube, dass sie von unserer Regierung begünstigt wurde.“

Genevieve bemühte sich, ihre Erregung zu unterdrücken. „Die Leute hatten ihre heimischen Zinn- und Kupferminen verkauft und wurden wegen ihrer Erfahrung im Bergbau als Fachleute geschätzt. Nennt man die Yorke-Halbinsel vor Adelaide nicht bis heute ‚Little Cornwall‘?“

„Natürlich!“, bestätigte Maggie. „Die Trevelyans haben sogar ein eigenes Wappen.“

„Fantastisch!“

„Soviel ich weiß, besaß die kornische Linie der Familie tatsächlich Zinn- und Kupferminen, aber Richard Trevelyan war der jüngste Sohn und wollte seinen eigenen Weg gehen. Offenbar interessierte er sich mehr für Schaf- und Rinderzucht als für Bergbau, was nicht heißen soll, dass die Trevelyans heute nicht maßgeblich am australischen Bergbau beteiligt sind. Hinzu kommen Immobilien, Hotels und Frachtverkehr per Flugzeug, Bahn und Lastwagen. Sie haben ihre Hände fast überall mit im Spiel.

„Der jetzige Boss ist Miss Hesters Großneffe, Bretton Trevelyan. Er ist dreißig Jahre alt und einer der begehrtesten Junggesellen des Landes. Sonst weiß man wenig über ihn. Er war mal mit Liane Rawleigh, der Tochter einer ebenfalls begüterten Nachbarfamilie, verlobt. Offenbar ist die Verbindung der beiden Dynastien aus Mangel an Romantik nicht zustande gekommen. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er zehn Jahre alt war. Das muss sehr bitter für ihn gewesen sein. Die Mutter war mit einem Mann aus dem Bekanntenkreis durchgebrannt, und der Vater hat nicht wieder geheiratet. Er wurde bei einem nie geklärten Unfall auf der Ranch erschossen. Bei dem Gewehr eines Gastes soll sich ein Schuss gelöst haben, als Brettons Vater gerade über einen Zaun stieg. Mehr weiß ich nicht darüber.

Bretton Trevelyan hat noch einen jüngeren Bruder Derryl und eine Schwester. Romayne hat vor zwei Jahren den Erben der Ormond-Reederei geheiratet … erinnern Sie sich noch? Die Hochzeit war ein großes gesellschaftliches Ereignis, über das viel berichtet wurde.“

„Ja, stimmt.“ Genevieve saß reglos da. Sie wusste alles über die Familie Trevelyan.

„Die Ranch ist riesig und liegt am Rand der Simpson Desert“, fuhr Maggie fort. „Sie heißt Djangala. Das Wort stammt aus der Sprache der Aborigines. Ich habe allerdings keine Ahnung, was es bedeutet. Natürlich gibt es Außenstationen, nicht nur in Queensland, sondern auch in New South Wales, im Northern Territory und im Kimberley-Gebiet.“

Maggie lehnte sich zurück. Sie fragte sich immer noch, warum Genevieve sich plötzlich so anders verhielt, als erschiene ihr alles in einem neuen Licht. „Miss Hester ist weit über siebzig Jahre alt“, beendete sie ihren Bericht, „aber anscheinend immer noch bei guter Gesundheit.“

Genevieve bemühte sich, ruhig zu atmen und nicht allzu verwirrt zu erscheinen. Sie hatte den Namen Trevelyan zum ersten Mal gehört, als sie zwölf Jahre alt war – während eines Gesprächs ihrer Großeltern mütterlicherseits. Sie waren von einer ihrer Reisen zurückgekehrt, um Genevieves dreizehnten Geburtstag zu feiern.

Genevieve wollte sie gerade zum Essen rufen, als die Stimme ihrer Großmutter durch die angelehnte Tür drang. Sie klang so schmerzerfüllt, dass Genevieve trotz ihrer Jugend den tiefen seelischen Schmerz spürte, der darin zum Ausdruck kam – als hätte das Ereignis Nans ganzes Leben überschattet und ihr unendliche Qualen bereitet.

Nan hatte von einem tragischen Ereignis aus ihrer Jugend gesprochen. Genevieve wollte eigentlich nicht lauschen, aber irgendetwas hielt sie zurück. Durch den Türspalt konnte sie erkennen, dass Tränen über Nans Gesicht liefen, und plötzlich war ihr, als fühlte sie einen genauso tiefen Schmerz, der dem von Nan irgendwie ähnlich war.

Damals hatte sie nicht gewagt, nach den Trevelyans zu fragen, und später alles selbst herausfinden müssen. Davon brauchte Maggie nichts zu wissen, aber eins stand für Genevieve fest: Sie würde sich Miss Hester Trevelyan als Ghostwriterin zur Verfügung stellen. Es war die einzige Gelegenheit, die ihr das Schicksal bot.

2. KAPITEL

Zwei Wochen später

Nachts kamen die Albträume, aber sie verschwanden nicht beim Erwachen. Sie verfolgten Genevieve weiter, und sie wusste auch, weshalb: Es lag an der plötzlichen Konfrontation mit dem Namen Trevelyan, die einen Schock in ihr ausgelöst hatte.

Nans Cousine ersten Grades, Catherine Lytton, war gegen Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts unter tragischen Umständen auf der Djangala – Ranch ums Leben gekommen.

Genevieve hatte darauf bestanden, dass die Trevelyans nichts von ihrem literarischen Erfolg erfahren durften. Auch ihr Pseudonym sollte verschwiegen werden. Maggie hatte sich sehr dagegen gesträubt, aber Genevieve war hartnäckig geblieben. Sie wollte unbedingt inkognito auf der Ranch erscheinen. Keine Verbindung zu ihrer Familie oder ihrem Beruf durfte erkennbar sein.

Einen Skandal hatten die Trevelyans damals vermeiden können. Catherines Tod war als tragischer Unfall deklariert worden. Sie hatte sich als unerfahrene Städterin zu dicht an den Rand einer Klippe vorgewagt, um die grandiose Aussicht besser genießen zu können, und war abgestürzt. Der Boden, so war das Geschehen geschildert worden, hatte plötzlich unter ihr nachgegeben und sie mit in die Tiefe gerissen.

Die Trevelyans und der untersuchende Polizeiinspektor waren zu dem gleichen Schluss gekommen, dass es ein tragisches, aber von niemandem verschuldetes Unglück gewesen war. Das Leben einer schönen jungen Frau hatte abrupt geendet.

Der Heiratsantrag, den Geraint Trevelyan ihr gemacht hatte, war mit keinem Wort erwähnt worden. Nur ihre Lieblingscousine hatte in einem begeisterten Brief davon erfahren.

Geraint hatte später Patricia Newell geheiratet, die lange seine Favoritin gewesen war. Catherine hatte ihre gute Freundin aus Internatstagen auf Djangala besucht, und während dieses Aufenthalts war es zu dem tödlichen Drama gekommen. Die Räder des Schicksals hatten sich in Bewegung gesetzt und drehten sich immer noch. Geraint Trevelyan war Hesters Bruder und Brettons Großvater!

Bei den Grenvilles hatte man nie von Nans Geheimnis erfahren, aber Genevieve war entschlossen, die einmalige Gelegenheit zu nutzen und die Wahrheit über Catherines Tod herauszufinden. Diesen Wunsch hegte sie seit ihrem zwölften Lebensjahr – einmal, weil Catherine zur Familie gehört hatte, und zum anderen, weil sie sich als aufstrebende Autorin für Geheimnisse interessierte. Geheimnisse waren dazu da, aufgedeckt zu werden.

War Catherines Tod wirklich ein Unfall gewesen oder steckte mehr dahinter? Hatten die Trevelyans die Wahrheit verschwiegen, als sie Catherines Leichnam ihrer trauernden Familie übergaben? Gut möglich, dass eine klassische Dreiecksgeschichte dahintersteckte. Aus Liebe waren schon viele schreckliche Dinge geschehen.

Alte Fotos ließen erkennen, wie verschieden die Freundinnen gewesen waren: Catherine war groß, sehr schlank und hellblond gewesen und hatte blaue Augen gehabt – Patricia klein, etwas pummelig, hatte dagegen dunkle Augen und üppiges schwarzes Haar besessen. Die Fotos von den beiden waren im Alter zwischen sechzehn und zweiundzwanzig aufgenommen worden und zeigten zwei unschuldige, unerfahrene Mädchen.

Derryl Trevelyan war in die Stadt gekommen, um Genevieve von ihrer Wohnung abzuholen. Er sollte sie zum Flugplatz bringen, wo die King Air der Trevelyans bereitstand.

Inzwischen war es Zeit zum Aufbruch, und Genevieve trat ein letztes Mal vor den großen Spiegel. Die junge Frau, die ihr entgegenblickte, wirkte ziemlich brav und keineswegs so, als wollte sie sich einen Millionär angeln.

Maggie hatte ihr Miss Hesters kurzen Brief zu lesen gegeben. Darin stand:

Bitte schicken Sie mir kein Glamourgirl. Diese Mädchen ärgern mich. Ich brauche jemanden, der sich hingebungsvoll der Arbeit widmet. Der Stundenplan wird vermutlich unregelmäßig sein … das hängt von meiner Gesundheit ab. Natürlich ist auch Freizeit vorgesehen, aber an erster Stelle geht es um einen Job und nicht um einen Urlaub im Outback. Ich erwarte auch, dass die betreffende Person nicht gleich wegläuft, wenn sie merkt, wie einsam es hier ist. Eine ganz normale junge Frau wäre am besten, wenn sie Verstand besitzt und weiß, worum es geht.

Angesichts dieser Richtlinien hatte Genevieve ihr äußeres Erscheinungsbild verändert. Das volle rote Haar hatte sie streng zurückgekämmt und im Nacken in einem Knoten zusammengefasst. Auf Make-up hatte sie fast ganz verzichtet. Zu einer schlichten braunen Seidenbluse trug sie nicht die üblichen engen Jeans, sondern eine weite beigefarbene Hose und hellbraune Stiefel und ein hässliches Brillengestell, in das sie Fensterglas hatte einsetzen lassen. Sie hätte über sich selbst lachen mögen, wenn ihr nur leichter ums Herz gewesen wäre. Immerhin wagte sie sich bei den Trevelyans in die Höhle des Löwen, die Catherine nicht mehr lebend verlassen hatte.

Als Genevieve das Haus verließ, sah sie draußen einen jungen Mann an der Tür eines modernen Mietautos lehnen. Er war lässig angezogen, aber jedes einzelne Kleidungsstück schien für ihn angefertigt worden zu sein.

„Miss Grenville?“ Er musterte Genevieve von oben bis unten, ohne zu lächeln. Offenbar war er von ihrem Erscheinungsbild bitter enttäuscht.

„Ganz recht“, erwiderte sie freundlich. „Würden Sie mir netterweise bei dem Gepäck helfen?“

Er zögerte kurz, als wäre so etwas eigentlich unter seiner Würde. „Selbstverständlich, Miss.“

Genevieve ergriff den kleineren Koffer und deutete auf den großen.

„Ist das alles?“, fragte er, als hätte er mehr erwartet.

„Ja.“ Sie schaute ihn zum ersten Mal richtig an. Er sah gut aus. Er hatte dichtes dunkles Haar, eine glatte gebräunte Haut und braune Augen. Oder waren sie grün? „Falls ich mehr brauche, kann es mir nachgeschickt werden.“

„Sie wohnen ja sehr schön.“ Er betrachtete das einstöckige Gebäude, das sie seit drei Jahren bewohnte und ganz nach ihrem persönlichen Geschmack eingerichtet hatte. Ihr Vater hatte es vorfinanziert. Am liebsten hätte er es ihr geschenkt, aber sie wollte es auf jeden Fall in Raten abzahlen. „Gehört das Haus Ihnen?“

„Ja, wenn ich es abbezahlt habe.“

Während der nun folgenden Fahrt zum Flugplatz versuchte Derryl Trevelyan kein Gespräch anzuknüpfen. Immerhin ließ er sich dazu herab, nach Genevieves Beruf zu fragen.

„Ich bin Lehrerin“, antwortete sie.

„Lehrerin?“, wiederholte er. Anscheinend konnte er sich keine ödere Beschäftigung vorstellen.

„Jedenfalls war ich es bis vor Kurzem. Ich habe gern unterrichtet, aber jetzt möchte ich mich ganz dem Schreiben widmen.“

„Das wird Sie nicht reich machen“, stellte er verächtlich fest.

„Vielleicht nicht.“ Seine Überheblichkeit erstaunte sie. „Und Sie? Arbeiten Sie als Rancher?“ Er sah keineswegs so aus. Eher hätte sie ihn für einen Dressman gehalten. Für einen Menschen vom Land schien ihm die nötige Härte zu fehlen.

„Bret ist der Rancher“, fuhr er fort. „Ich nenne meinen Bruder nie Bretton. Es klingt so förmlich. Ich bin der jüngere von uns beiden … der Mann im Abseits.“

Es klang, als fühlte er sich benachteiligt. „Stört Sie das?“

Er warf ihr rasch einen Seitenblick zu. „Ich habe keine Lust, mein Leben zu ändern. Die Arbeit ist mir zu schwer und mit zu viel Verantwortung und kaum Freizeit verbunden. Ohne ein bisschen Spaß versauert der Mensch. Ich hätte auch wenig Lust, in den geschäftlichen Bereich einzusteigen. Bret ist sowieso klüger.“

„Haben Sie nicht auch noch eine Schwester … Romayne?“ Genevieve wechselte schnell das heikle Thema. „Was für ein schöner Name. Man hört ihn äußerst selten.“

„Ich merke, Sie haben sich über uns informiert.“

Autor

Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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