Sexy Nanny gesucht

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DIE NANNY UND IHR PLAYBOY-BOSS

Die schönsten Frauen in Hollywood liegen Dex Hunter zu Füßen. Aber sie interessieren den attraktiven Filmboss nicht! Denn er denkt nur noch an Shelby Scott, die neue Nanny seines kleinen Halbbruders. Auf unschuldige Weise ist sie einfach umwerfend sexy. Gegen sie verblassen alle Glamour-Girls. Dumm bloß, dass Shelby einmal an den Falschen geraten ist, der ihr jeden Glauben an die Männer genommen hat. Egal, wie zärtlich Dex sie umwirbt, sie sagt ihm glasklar, was sie bestimmt nie wieder will: einen Playboy wie ihn! Was für eine Herausforderung für den erfolgsverwöhnten Dex …

DER BOSS UND DIE NANNY

Eine Luxuslimousine fährt vor, ein attraktiver Mann steigt aus - und Bella fühlt sich auf einmal ganz schwach. Es ist der Milliardär Blake Ford! Vor zwei Jahren hat ein gewagter Geschäftsdeal sie zusammengebracht, und dabei hat Bella sich heiß in ihn verliebt. Ohne Aussicht auf Erfolg, denn Blake war verheiratet. Was er ihr jetzt zu sagen hat, lässt ihren Puls rasen: Seine Ehe ist gescheitert, und er bittet Bella, die Nanny seines Sohnes zu werden. Ein riskantes Angebot! Denn wie soll sie Tag und Nacht mit Blake zusammen sein, ohne erneut ihr Herz zu verlieren?

DER MILLIARDÄR UND DIE SINGLEMOM

Ein Milliardär in Nöten: Pierce Hollisters Jetset-Welt steht Kopf, als seine Exaffäre überraschend ein Baby bei ihm absetzt. Sofort engagiert er eine Nanny, um wieder ungestört zu sein. Doch Anna, die einzige Kandidatin für den Job, bringt noch ein eigenes Kind mit. Plötzlich hallt fröhliches Kinderlachen durch die Luxusvilla des überzeugten Junggesellen! Und nicht nur das: Auch Annas erotische Anziehungskraft lässt Pierce bald keine Ruhe mehr. Warum nur begehrt er ausgerechnet diese sexy Singlemom, die so gar nicht in sein Glamourleben passt?

DIE NANNY UND DER TRAUMMANN

Wilde Junggesellenpartys, zum Schlafzimmer eine Drehtür und im Hintergrund ein leises Weinen: Diese Schreckensvision hat Sierra, als sie erfährt, dass die Adoptiveltern ihrer Zwillingstöchter verunglückt sind. Um die Babys kümmert sich nun deren Onkel, der stadtbekannte Playboy Coop Landon. Als Undercover-Nanny könnte Sierra vielleicht das Schlimmste verhindern! Doch zu ihrer Überraschung ist Coop sehr verantwortungsvoll, ein sexy Traummann, in den sie sich Hals über Kopf verliebt - und den sie jeden Tag aufs Neue belügt. Denn er ahnt nicht, wer sie wirklich ist …

DER MILLIONÄR UND DIE NANNY

Schon bei der Vorstellung, dass Annalise die dunklen Locken ungebändigt auf den nackten Rücken fallen, steigt sein Puls. Hinter ihrer kühlen Fassade steckt bestimmt ein starkes Temperament … Während des Vorstellungsgesprächs schweifen Jacks Gedanken ständig ab! Dabei soll Annalise in erster Linie gut mit seiner Nichte zurechtkommen. Dass er die neue Nanny heiraten will, um das Sorgerecht zu bekommen, behält Jack erst einmal für sich. Aber Annalise wird sicher Ja sagen, wenn er ihr ein großzügiges Angebot macht … Davon ist der Millionär jedenfalls überzeugt!


  • Erscheinungstag 08.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778415
  • Seitenanzahl 768
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Robyn Grady, Cat Schield, Emilie Rose, Michelle Celmer, Day Leclaire

Sexy Nanny gesucht

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2013 by Robyn Grady
Originaltitel: „Temptation On His Terms“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1893 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Constanze Suhr

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733721459

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Shelby Scott beobachtete das Schauspiel vor der Tür des weltberühmten Hotels mit gerunzelter Stirn. Passanten registrierten die Szene amüsiert im Vorbeigehen. Dex Hunter legte sich gerade mächtig ins Zeug, während er eine äußerst eifrige Lady küsste – oder besser gesagt, sich von ihr abschlecken ließ. Das Strasskleid der Frau glitzerte in der Sonne und hätte zweifellos jedes im Sturm verirrte Schiff wieder in den heimischen Hafen leiten können. Ein Möchtegern-Starlet, vermutete Shelby. Schließlich besaß Mr Hunter hier in Los Angeles sein eigenes Filmstudio.

Sie hatte Dex Hunter erst heute kennengelernt – als sie ihn im Café angerempelt und er sich daraufhin mit heißem Kaffee bekleckert hatte. Nicht zum ersten Mal hatte sie sich daraufhin geschworen, dass sie den Job als Kellnerin wirklich nur zur Überbrückung machen würde. Denn eigentlich war sie mit dem festen Vorsatz nach Kalifornien gezogen, sich eine gute Stelle als Kindermädchen zu suchen. Darin besaß sie Erfahrung, und jeder zu Hause in Mountain Ridge konnte bestätigen, wie sehr Shelby Scott Kinder liebte. Wie das Glück es wollte, war Mr Hunter gerade auf der Suche nach jemandem.

Als Junggeselle und viel beschäftigter Chef der Hunter Productions brauchte Dex ein Kindermädchen für seinen kleinen Halbbruder, der ihn für eine Weile besuchen würde. So viel hatte sie bei ihrem ersten kurzen Zusammentreffen mit ihm bereits erfahren. Sie hatte Dex sofort von ihrem Wunsch erzählt, als Nanny zu arbeiten, und damit sein Interesse geweckt. Als er dann erfuhr, dass sie alle Bücher aus der Lieblingsserie des kleinen Jungen gelesen hatte und einen Stegosaurus von einem T-Rex unterscheiden konnte, hatte er schon nahezu überzeugt gewirkt. Sein kleiner Bruder sei ganz verrückt nach Dinosauriern, hatte Dex ihr erzählt.

Weil er es eilig gehabt hatte, waren sie übereingekommen, sich heute Abend zu treffen, um beim Dinner über den Job zu reden. Shelby hatte gehofft, vielleicht sogar schon eine Zusage zu erhalten.

Aber dieses billige Schmierentheater, das ihr jetzt geboten wurde, ließ bei ihr alle Hoffnung auf eine seriöse Zusammenarbeit platzen. Dex Hunter konnte sich eine andere Nanny suchen, wenn sein fünfjähriger Bruder aus Australien eintraf. Ich habe jedenfalls von diesen Aufreißer-Typen die Nase voll, dachte Shelby. Ob sie nun in Hollywood lebten oder in Mountain Ridge, Oklahoma …

Verdammt, sie waren doch alle gleich.

Schließlich löste sich Dex Hunter aus der Umklammerung der Frau. Er drehte sich um, als hätte er Shelbys Anwesenheit gespürt, und kam zu ihr herüber. Mit seinen breiten Schultern wirkte er sehr maskulin, und ihn umgab eine Aura von starkem männlichem Selbstbewusstsein. Sie selbst war eins siebenundsiebzig groß, aber er überragte sie deutlich, stellte Shelby fest.

Was sie kurzzeitig aus dem Konzept brachte, war allerdings der intensive Blick seiner faszinierenden gelbbraunen Augen. Im Licht der Straßenlaterne wirkten sie fast wie die Augen einer intelligenten, gefährlichen Raubkatze.

„Sie sind früh dran“, sagte er und rückte seinen Hemdkragen zurecht.

„Ich bin wohl gerade rechtzeitig gekommen“, erwiderte sie schneidend. „Produzieren Sie sich immer so in der Öffentlichkeit, Mr Hunter?“ Sie konnte sich die Frage einfach nicht verkneifen.

Dex Hunter sah sie verwundert an, bis er verstand, was sie meinte. Er warf einen Blick über die Schulter zurück und verzog das Gesicht. „Das war vielleicht nicht die beste Einleitung für unser Vorstellungsgespräch.“

„Es gibt kein Vorstellungsgespräch“, zischte Shelby, drehte sich auf dem Absatz um und steuerte auf die nächste Bushaltestelle zu.

Sie war jetzt seit zwei Wochen in Los Angeles. Kalifornien hatte sie sich nur ausgesucht, weil die Heldin in einem ihrer Lieblingsfilme hier gelandet war, um ein neues Leben anzufangen. Doch plötzlich fühlte sich Shelby allein und total naiv. Bis auf ein paar Tage in Oklahoma City hatte sie ihre Heimatstadt bisher noch nie verlassen. Ihr ganzes Leben hatte sie in Mountain Ridge verbracht – und sie hatte wunderbare Erinnerungen daran.

Bis auf diese eine …

Dex Hunter war ihr gefolgt und versperrte ihr jetzt den Weg. „Sie wollten mit mir beim Dinner über mein Jobangebot sprechen.“

„Wenn Sie sich immer so auf ein Geschäftsgespräch vorbereiten wie eben, möchte ich mir gar nicht vorstellen, was sie so bei sich zu Hause in Gegenwart eines kleinen Jungen treiben. Damit möchte ich nichts zu tun haben.“

„Diese Frau ist eine gute Freundin von mir, wir haben uns nur verabschiedet.“

„Ich komme vielleicht vom Land“, sagte Shelby, „aber von gestern bin ich nicht. Das sah eben nicht nach einer freundschaftlichen Verabschiedung aus.“

„Bernice hat zu viel getrunken. Außerdem hätte sie ja auch meine Verlobte sein können.“

Bei dem Wort Verlobte drehte sich Shelby der Magen um. „Die Vorführung hat mir trotzdem nicht gefallen.“ Wie sie selbst darauf reagiert hatte, auch nicht. Sie fühlte sich unwohl. Verletzlich. „Rufen Sie eine Agentur an, die wird Ihnen jemanden vermitteln.“

„Ich habe heute Nachmittag Ihre Referenzen überprüft und ein paar Leute angerufen“, sagte Dex unbeeindruckt.

Shelby sah ihn erschrocken an und spürte einen Kloß im Hals.

„Im Café erwähnten Sie ein paar Arbeitsstellen in Oklahoma. Ihre Fähigkeiten wurden in den höchsten Tönen gelobt. Vor allem Mrs Fallon von Hatchlings Kindergarten war von Ihnen begeistert.“

Es machte ihr nichts aus, dass er sie überprüft hatte, aber unwillkürlich fragte sich Shelby, mit wem Dex Hunter wohl noch gesprochen hatte. Was wusste er über sie? Nicht dass ihn dieser hässliche Vorfall vom vergangenen Monat interessieren würde. Das Ereignis, über das ganz Mountain Ridge wohl noch jahrelang tratschen würde …

„Ich habe meinen kleinen Bruder schon ein halbes Jahr nicht mehr gesehen …“, fuhr Dex fort und riss sie damit aus ihren Gedanken, „… aber er ist bestimmt noch der gleiche kleine Teufel. Energiegeladen und unwiderstehlich. Sie werden ihn sicher mögen.“ Er lächelte. „Alle lieben ihn.“

Shelby holte tief Luft und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie werden jemand anders finden.“

„Ich will aber Sie.“

„Lassen Sie es einfach sein, und gehen Sie wieder zu …“ Shelby drehte sich zu der Frau um, mit der Dex eben noch so hingebungsvoll geknutscht hatte, und sah, wie diese gerade schluchzend zusammenbrach, von zwei Freundinnen in die Arme genommen wurde und sich mit ihnen entfernte.

„Letzte Woche hat Bernices Freund ihre Verlobung platzen lassen“, sagte Dex, der die Szene ebenfalls verfolgte. „Ich kenne den Mann schon seit Jahren. Nicht gerade der Typ zum Heiraten.“

Shelby zuckte zusammen. Jetzt tat ihr die Frau leid.

„Die Stadt ist für jemanden wie Bernice ein zu hartes Pflaster“, sagte Dex. „Wie auch immer Sie sich wegen des Jobs entscheiden, ich würde trotzdem gern mit Ihnen essen gehen. Sie haben den ganzen Tag gearbeitet und Leute bedient. Ich könnte wetten, Sie sind genauso hungrig wie ich.“

Shelby verzog das Gesicht. „Das klingt fast, als hätte Mrs Fallon aus dem Kindergarten Ihnen etwas über meinen gesunden Appetit verraten.“

Er lachte, und der weiche, tiefe Ton umschmeichelte sie sanft wie warmes Wasser. Aber sie wollte sich doch nicht einlullen lassen!

„Tate hat auch einen guten Appetit“, sprach Dex weiter. „Vor allem Cheeseburger haben es ihm angetan. Allerdings werde ich da wohl ein bisschen einschreiten müssen.“

Shelby lächelte und entspannte sich etwas. Dex Hunter war zweifellos charmant. Und sehr überzeugend …

„Ein Dinner wird sicher nicht wehtun“, sagte sie schließlich. „Aber ich bezahle meinen Anteil selbst.“

Normalerweise hätte sich Dex Hunter für die Vermittlung einer Nanny an eine seriöse Agentur gewandt. Aber sein Gefühl sagte ihm, dass Shelby Scott genau die Richtige für seinen kleinen Bruder Tate war, der gerade seinen besonderen Schutz benötigte.

Jemand hatte auf seinen und Tates Vater, den Medienmogul Guthrie Hunter, mehrere Anschläge verübt. Bevor diese Attentate nicht aufgeklärt und die Schuldigen vor Gericht gebracht waren, brauchte Tate einen sicheren Ort, wo er unterkommen konnte. Niemand aus der Hunter-Familie wollte den Fünfjährigen in Gefahr wissen. Erst vor Kurzem waren Guthrie Hunter und Tate nur knapp einer Entführung entkommen.

Während Dex kurz nachdachte, welches Restaurant am besten geeignet war – ruhig und gemütlich, aber nicht zu intim –, klingelte sein Handy. Er achtete nicht darauf.

„Es könnte doch wichtig sein“, sagte Shelby erstaunt.

„Wir wollen jetzt essen gehen.“

„Da, wo ich herkomme, würde man es als unhöflich betrachten, wenn jemand einen Anruf nicht beantwortet. Genauso, wie die Tür nicht zu öffnen, wenn jemand klingelt.“

Der Blick aus ihren großen grünen Augen wirkte so offen und aufrichtig. Jetzt war wohl der falsche Moment, um ihr zu erklären, dass es in Los Angeles völlig normal war, das Klingeln seines Handys zu ignorieren.

Dex nahm den Anruf an.

Am anderen Ende der Leitung meldete sich sein Drehbuchautor Rance Loggins. „Es funktioniert nicht, Dex“, sprudelte Rance los. „Du meinst, Jada sollte Pete auf der Hochzeitsfeier zur Rede stellen, aber ich halte das für keine gute Idee. Es ist zu vorhersehbar.“

„Du wirst dir schon etwas einfallen lassen. Schlaf eine Nacht drüber.“

„Ich dachte, du wolltest das Drehbuch so schnell wie möglich auf dem Tisch haben.“

Dex warf Shelby einen Blick zu. Sie sah in ihrem korallenfarbenen Kleid und mit dem glänzenden dunkelroten Haar, das in der warmen Brise flatterte, wie eine Mischung aus Engel und Verführerin aus.

„Dex? Bist du noch dran?“, rief Rance. „Ich bin ab morgen für eine Woche weg. Diese Szene ist die Einzige, die uns noch aufhält.“

Vergangenes Wochenende hatte Hunter Productions einen großen Erfolg mit der Uraufführung des neuesten Films verbuchen können. „Easy Prey“ war ein Action-Thriller, in dem einer der aktuell angesagtesten Kinostars mitspielte. Dex hatte noch weitere Filme in den Startlöchern, aber von dem, über den Rance gerade sprach, versprach er sich besonders viel. Er roch einen weiteren Kassenknüller.

Wieder warf er Shelby einen Blick zu, dann sah er auf seine Uhr und überlegte. „Ich komme nach zehn Uhr vorbei“, sagte er schließlich zu Rance.

Stille am anderen Ende.

„Du wimmelst mich ab wegen einer Frau“, bemerkte Rance dann.

„Nein, tu ich nicht.“

Jedenfalls nicht im üblichen Sinn.

„Ich dachte, du hättest vor, Hunter Productions wieder auf die Beine zu bringen.“

Dex kannte Rance schon lange. Er war für ihn nicht nur ein Mitarbeiter, sondern auch ein Freund. Aber das ging zu weit. „Du vergisst wohl, wer hier die Rechnungen bezahlt“, knurrte er.

„Aber dazu musst du das Geld erst mal verdienen“, konterte sein Freund.

Dex beendete das Telefonat.

„Sie müssen das Essen absagen, oder?“, bemerkte Shelby, die gerade mit ihrem Handy ein paar Fotos von den berühmten Modeläden auf dem Rodeo Drive gegenüber knipste. „Das ist schon okay. Eigentlich ist es auch besser so.“

Dex schob die Hände in die Hosentaschen und sah sie an. Er wollte sie nicht so einfach davonkommen lassen. Wenn sie morgen aus irgendeinem Grund ihren Job im Café kündigen würde, wie sollte er sie dann jemals wiederfinden? Aber Rance hatte recht.

Bis zu seinem jüngsten Erfolg hatte Hunter Productions lange keinen großen Kinohit mehr gelandet. Doch wenn er sich heute Abend schon um sein Geschäft kümmern musste, wollte er auch ein bisschen Spaß dabei haben. „Kommen Sie einfach mit“, schlug er Shelby darum vor. „Wir essen anschließend etwas zusammen.“

„Das gefällt mir nicht.“

„Warum nicht?“

„Ich kenne Sie doch gar nicht.“

„Shelby, ich werde nicht über Sie herfallen und Sie in meine Höhle schleifen.“

Sie sah ihn aus schmalen Augen an, und ihr Blick verriet, dass sie sich da nicht so sicher war. Sie war also vorsichtig, und in einer Stadt wie Los Angeles war das auch gut so. Noch ein Pluspunkt für sie.

„Mein Drehbuchautor kommt mit dem Script nicht weiter“, erklärte Dex. „Er schreibt an einer Liebeskomödie mit ernstem Hintergrund. Wir arbeiten gerade an einer Schlüsselszene. Der Mann, in den die weibliche Hauptfigur einmal verliebt war, hat sie betrogen und heiratet nun ihre Freundin. Sie wird zur Hochzeitsfeier eingeladen. Ihr Begleiter für diesen Abend musste absagen, sodass sie allein dort erscheint.“

Shelby hörte mit gerunzelter Stirn zu und schien offensichtlich interessiert zu sein. Also redete Dex weiter. „Unsere Heldin sitzt mit Verwandten der Braut zusammen am Tisch, die ihr ständig vorschwärmen, wie wunderschön die Braut in ihrem Hochzeitskleid aussieht. Dann verschüttet ein tollpatschiger Kellner Suppe über das Kleid der Heldin.“

Als Shelby blinzelte, fiel Dex wieder ein, wie sie im Café gegen ihn gestolpert war. „Die Heldin geht in ihrem beschmutzten Kleid Richtung Damentoilette, um den Fleck auszuwaschen. Während sie sich auf dem Weg dorthin fragt, warum sie sich das alles antut, läuft ihr der Bräutigam über den Weg.“

Shelby sah ihn an. „Und dann?“

„Wir sind uns nicht sicher, was dann passiert.“

Shelby atmete tief durch und sah sich abwesend um. Als sie ihr Handy in den Schulterbeutel schob, fiel ein Stück Papier aus dem Beutel und wurde von einer Böe weggefegt. Shelby versuchte, es in der Luft zu fangen, doch es flatterte davon. Als das Papier vom Wind auf die Straße geweht wurde, rannte Shelby ohne nachzudenken hinterher.

Im gleichen Moment rauschte eine Limousine heran.

2. KAPITEL

Dex stürzte ihr sofort nach. Er riss sie zurück, Shelby verlor das Gleichgewicht und fiel gegen ihn. Während Dex sie mit beiden Händen festhielt, betrachtete er ihr Gesicht. Ihre vor Schreck aufgerissenen Augen hatten eine ganz außergewöhnliche mintgrüne Farbe, gesprenkelt mit blauen Flecken. Aus der Nähe sahen ihre Lippen noch voller aus.

Diese Lippen bewegten sich jetzt leicht zittrig.

„Sieht so aus, als hätte ich mich immer noch nicht an den Autoverkehr gewöhnt“, brachte Shelby heiser heraus. Fast wäre sie im Krankenhaus gelandet. Es hätte sogar noch schlimmer kommen können! Sie erschauerte. Stattdessen lag sie nun in filmreifer Pose in den Armen eines fremden Mannes mit Raubkatzenaugen, der eine solche Hitze verströmte, dass sie das Gefühl hatte, gleich zu zerschmelzen.

Dex stellte sie vorsichtig auf die Füße. Nach und nach drangen die Geräusche der Straße und die vorbeieilenden Menschen auf dem belebten Bürgersteig wieder in ihr Bewusstsein. Shelby zupfte ihr Kleid zurecht. Dabei versuchte sie, eine möglichst ausdruckslose Miene aufzusetzen und ihren rasenden Puls zu beruhigen.

„Alles okay?“, erkundigte sich Dex.

„Alles okay, bis auf meinen verletzten Stolz“, gestand sie. „Ich komme mir so albern vor.“ Nach den neugierigen Blicken der Passanten zu urteilen, war ihr Auftritt um einiges interessanter gewesen als Bernices Show vorhin.

„Dieses Stück Papier muss wohl sehr wichtig sein.“

Sie seufzte. „Nur eine sentimentale Erinnerung.“

Dex sah sich suchend um. Er ging ein paar Schritte auf eine der Palmen zu, die die Straße säumten, bückte sich und kam mit dem besagten Stück Papier – einem Foto – wieder zurück.

Erleichtert nahm Shelby es entgegen und presste es kurz an ihre Brust. Dann schob sie es wieder in ihren Beutel, diesmal in eine verschließbare Seitentasche.

„Jemand, den ich sehr respektiere, sagte mal, dass man Gefühle nie unterschätzen sollte“, bemerkte Dex.

Jetzt war wohl nicht der richtige Moment, um ihn zu fragen, wer diese Person gewesen war, obwohl es Shelby schon sehr interessierte. „Gilt die Einladung noch, zu Ihrem Drehbuchautor mitzukommen?“, erkundigte sie sich.

Dex lächelte erfreut. „Rance und mir wäre es eine Ehre.“

Wenige Minuten später öffnete er ihr die Beifahrertür eines schnittigen italienischen Sportwagens. Während sie in den weichen Ledersitz glitt und sich anschnallte, rutschte Dex hinter das Steuer, ließ den Motor an und fädelte sich in den Verkehr ein.

„Passiert so ein Drehbuch-Notfall öfter?“, fragte Shelby und versuchte, nicht über ihre spontane Entscheidung nachzudenken. Der Tag war zu verrückt gewesen. Sie würde sich nicht wundern, wenn sie plötzlich aufwachte und feststellte, dass alles nur ein Traum gewesen war.

Dex schaltete in den nächsten Gang. „Einen Film zu drehen ist immer eine Herausforderung.“

„Ich stelle mir einen verrauchten Raum vor, in dem der Drehbuchschreiber an einem Tisch vor der Schreibmaschine sitzt und wild in die Tasten haut, während der Produzent nervös im Zimmer auf und ab läuft, den Kopf gesenkt, die Hände auf dem Rücken verschränkt …“

Dex warf ihr kurz einen Blick zu. „Vor der Schreibmaschine?“

„Na gut, ich nehme an, das gehört eher ins vorige Jahrhundert.“

„Da, wo Sie herkommen, hat man doch sicher schon von Computern und Internet gehört, oder?“, scherzte er.

„Oh, sicher. Aber um den Strom zu erzeugen, stellen wir einen Ochsen in die Tretmühle.“

Dex lachte, und dieser dunkle Klang ließ sie sofort wieder an warmes Wasser denken, das sie umfing, sie umschmeichelte …

„Als geborenen Technikfreak würde ich mich allerdings auch nicht bezeichnen“, gestand er. „Ich bin in Australien aufgewachsen.“

„Daher also der Akzent. Ich dachte, Sie wären vielleicht Engländer.“

„Wir Aussies sind aber nicht so käsig weiß.“

Sie musterte ihn von der Seite, seine Hände, den Hals. Soweit sie erkennen konnte, besaß seine Haut einen schönen Bronzeton. „Australien ist ziemlich weit entfernt“, bemerkte sie und musste sich regelrecht von seinem Anblick losreißen. „Wieso sind Sie hierhergezogen? Glück und Ruhm?“

„Meiner Familie gehört Hunter Enterprises.“

„Und dazu gehört Hunter Productions, nehme ich an.“

Er schaltete vor der nächsten Kurve einen Gang zurück. „Meine Mutter kam aus Ihrer Gegend.“

„Aus Oklahoma?“

„Georgia.“

„Also, tut mir leid, das zu sagen, aber Georgia ist ziemlich weit von Oklahoma entfernt.“

„Oje, ich bin wohl etwas schwach in Geografie, was?“

Shelby grinste und lehnte sich zurück. „Um auf Ihre Geschichte zurückzukommen …“

„Meine Mutter und mein Vater haben sich im Kino kennengelernt, im Fox Theatre, diesem riesigen alten Kinopalast in Atlanta, Georgia. Dad war von ihrem Südstaatenakzent und Charme hingerissen. Nach vier Wochen hat er ihr einen Antrag gemacht.“

Shelby lächelte. „Ihr Vater ist also ein Romantiker.“

„Er hat meine Mutter wirklich geliebt.“ Dex wurde plötzlich ernst. „Nachdem sie vor ein paar Jahren gestorben ist, hat er noch einmal geheiratet.“

„Eine nette Frau?“

„Der Meinung ist jedenfalls mein Vater.“

Als sie eine weniger belebte Straße erreichten, trat er aufs Gaspedal. Der Motor heulte auf, und sie rasten förmlich an Häusern und Villen vorbei. Shelby wartete, dass Dex noch mehr von seiner Stiefmutter erzählte, aber er schwieg. Was ja auch einiges aussagte.

Bald fuhren sie durch eine exklusive Wohngegend und schließlich eine breite private Auffahrt hinauf. Ein dunkelhaariger Mann öffnete ihnen die Tür. Sie wurden einander vorgestellt, und Rance Loggins bat sie beide herein.

Rance führte sie durch einen verglasten Korridor, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den tropischen Garten hatte, in ein Wohnzimmer mit Parkettboden und Möbeln aus glänzendem Stahl und grauem Leder. Shelby setzte sich auf die Couch, während Dex als Erstes sein Jackett auszog und es über eine Stuhllehne legte.

Er begann mit Rance über die problematische Filmszene zu debattieren und setzte sich dann neben sie. Viel zu dicht, wie Shelby fand. Andererseits fühlte sie sich in seiner Nähe irgendwie sicherer. Das ist merkwürdig, dachte sie. Nur zu deutlich nahm sie seinen Duft wahr und spürte die Hitze, die er ausstrahlte.

Er war ihr so nah … Verstohlen musterte sie seinen Körper, seine langen, offensichtlich muskulösen Beine. Dann fiel ihr Blick auf seine blank polierten schwarzen Schuhe. Sie stellte ihn sich in Cowboystiefeln vor …

„Was meinen Sie denn dazu?“

Aufgeschreckt sah Shelby hoch. Die beiden Männer blickten sie erwartungsvoll an. „Was soll ich wozu meinen?“

Rance wiederholte die Beschreibung der Szene. „Die Heldin hatte mit dem Bräutigam eine Beziehung, bis er sie betrog. Sie war am Boden zerstört. Später verlobte er sich dann mit ihrer Freundin. Sie ist auf der Hochzeitsparty, und sie treffen plötzlich aufeinander und stehen sich gegenüber.“

Dex verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte seine langen Beine aus. „Sie muss ihm eine Ohrfeige verpassen. Ihm auf die Füße treten. Ihm einen Drink ins Gesicht schleudern. Irgendwas.“

„Wie ich schon sagte, wäre das keine große Überraschung“, meinte Rance. „Das Publikum würde so etwas erwarten.“

Shelby fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und holte Luft. Sie sah alles genau vor sich. „Sie muss vor der ganzen Gesellschaft etwas sagen.“

Dex richtete sich auf und beugte sich zu ihr vor. „Sie meinen, sie soll ihn vor der ganzen Partymeute zur Rede stellen, weil er sie betrogen hat?“

„Nein, so plump ist sie nicht“, entgegnete Shelby. „Sie wird sich zusammenreißen, obwohl sie sich in ihrem befleckten Kleid fürchterlich fühlt, allein und in der Gewissheit, dass alle von ihrer gescheiterten Beziehung gehört haben und sie bemitleiden. Sie bittet um das Mikrofon und erklärt den Gästen, was für ein wunderbares Paar die beiden sind. Dass sie Braut und Bräutigam alles erdenkliche Glück wünscht. Wenn sie dann mit Tränen in den Augen das Mikro zurückgibt, applaudiert niemand im Saal. Alles ist still, während sie den Empfang verlässt, sich an den Tischen vorbeischlängelt, bis zur breiten Flügeltür, die sie weit öffnet und dann in den Sonnenschein hinausgeht. Die Gäste haben die Gerüchte gehört. Im Grunde denken alle das Gleiche: Die Ehe von Reese und Kurt wird nicht halten.“

„Sie meinen Jada und Pete.“

Shelby blinzelte und blickte Rance mit einem gequälten Lächeln an. „Ja, klar, Jada und Pete natürlich.“

Dex musterte Shelby perplex. Was war da gerade passiert? Shelby hatte keine Erfahrung mit Drehbüchern oder als Autorin, soweit er wusste. Trotzdem hatte sie gerade eine perfekte Lösung für den Ausgang dieser Schlüsselszene aus dem Ärmel geschüttelt.

Aber wer waren Reese und Kurt? Und eine noch wichtigere Frage: Wer war diese Shelby Scott wirklich, die sich hinter der Fassade einer jungen Frau aus der Provinz verbarg?

Rance fuhr sich mit den Fingern durch sein dunkles Haar und sprang auf. „Lasst uns das aufschreiben.“ Er setzte sich an seinen Schreibtisch, schaltete den Laptop ein und schob die über den Tisch verteilten Ausdrucke des Drehbuchentwurfs beiseite.

Nach drei Stunden, unzähligen Tassen Kaffee und einem Imbiss vom Chinesen war die Szene perfekt. Rance lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah Shelby an.

„Shelby, schreiben Sie auch?“, fragte er.

„Das ist nicht meine Stärke“, gestand sie und schüttelte den Kopf, sodass ihr das mahagonifarbene Haar über die Schultern fiel. „Aber ich sehe mir viele Filme an.“

Dex schob seine fast leere Pappschachtel mit Chow Mein beiseite. „Haben Sie einen Lieblingsfilm?“

„Sie werden mich auslachen.“

„Nein, bestimmt nicht.“

„Ich liebe Stummfilme“, gestand sie. „Rudolph Valentino mag ich besonders.“

„Viele Frauen in Los Angeles mögen Valentino.“ Rance stand auf und streckte sich. „Vor allem die von der Haute-Couture-Fraktion.“

Shelby lachte, und Dex bemerkte, dass sich Rances Miene auf eine Art aufhellte, wie er es noch nie gesehen hatte. Nach einer unangenehmen Trennung hatte sich sein Freund schon seit über einem Jahr mit keiner Frau mehr verabredet. Dex nahm an, dass Rance gerade beschlossen hatte, etwas gegen diesen Zustand zu unternehmen.

„Die große Mode interessiert mich nicht“, entgegnete Shelby.

„Das sollte sie aber.“ Rance ging zu ihr hinüber. „Ich bin sicher, dass die große Mode Sie mag. Und die Leinwand. Ich staune, dass Dex Ihnen noch keine Probeaufnahmen angeboten hat.“

„Für eine Filmrolle?“ Shelby legte ihre Essstäbchen beiseite. „Das ist nicht mein Ding.“

Sie erzählte von ihrem Beruf als Nanny und wie ihr Treffen mit Dex heute zustande gekommen war. Dann warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und erklärte: „Jetzt muss ich aber nach Hause gehen. Meine Schicht fängt morgen früh um sieben an.“

„Wo Shelby arbeitet, werden die besten Cheeseburger der Stadt serviert“, sagte Dex. „Und der beste Kaffee – wenn er nicht gerade vorher verschüttet wird.“ Er tauschte einen amüsierten Blick mit Shelby. Dann begann sie, die leeren Fast-Food-Schachteln einzusammeln.

„Ich räume das hier noch schnell weg.“

„Sie sind mein Gast“, widersprach Rance.

„Sie haben beide nicht zugelassen, dass ich meinen Anteil bezahle, deshalb werde ich zumindest das beitragen.“

„Sie haben genug getan, indem Sie uns mit dem Script geholfen haben“, betonte Dex.

„Mehr als genug“, pflichtete ihm Rance bei.

Aber Shelby war nicht zu bremsen und hatte einen Moment später alles eingesammelt.

Als sie in der Küche und außer Hörweite war, rückte Rance seine Brille zurecht. „Sie ist nicht dein üblicher Typ. Zuerst dachte ich, sie wäre wieder so eine Möchtegernschauspielerin, die sich bei dir zum Star hocharbeiten will.“

„Und jetzt?“

Rance legte die Hand aufs Herz. „Jetzt bin ich total verliebt.“

Das wäre sein Stichwort für ein Lachen, zumindest ein Lächeln, aber Dex verzog keine Miene. Stattdessen warf er seinem Freund einen warnenden Blick zu. „Sie ist tabu.“

„Ich dachte, du wolltest sie als Nanny engagieren?“

„Und ich möchte nicht, dass jemand sie von ihrem Job ablenkt.“

„Sie wird mit deinem kleinen Bruder Bilder malen und Sandburgen bauen, mehr nicht.“ Rance tippte auf seine Kopien. „Vielleicht hat sie ja zwischendurch Lust, etwas anderes zu machen.“

„Vielleicht, dir bei den Drehbüchern zu helfen?“

„Warum nicht?“

Er würde Rance erklären, warum nicht. „Sie ist noch jung. Ein nettes Mädchen aus der Kleinstadt. Sie braucht keinen Mann, der ihr Leben durcheinanderbringt.“

„Und ich nehme an, du hast natürlich auch nicht vor, da irgendetwas durcheinanderzubringen.“

Dex hätte Rance am liebsten mit deutlichen Worten den Kopf zurechtgerückt. Shelby war zweifellos eine Schönheit, aber er würde sich nicht mit ihr einlassen. Er hatte keinesfalls vor, sie zu verführen, egal wie sehr sie ihn reizte.

Da kehrte Shelby aus der Küche zurück.

„Sind wir jetzt fertig hier?“, fragte sie.

Rance grinste. „Fürs Erste schon.“

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, machten sich Shelby und Dex wieder auf den Weg. Dex gab ihre Adresse ins Navi ein, während ihm Rances Kommentare durch den Kopf gingen. Shelby war kaum in der Stadt, da zog sie bereits mit ihrem Aussehen, ihrer Klugheit und ihrer charmanten Bescheidenheit die Aufmerksamkeit auf sich. Er lenkte den Wagen aus der Einfahrt und die Straße hinunter.

Irgendwie musste er Shelby davon überzeugen, dass sie sein Jobangebot annahm – bevor jemand sie ihm wegschnappte. Er tippte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. „Rance findet, dass Sie ein Naturtalent sind.“

„Anfängerglück.“

„Oder wirkliches Talent.“

„Sie müssen mir keinen Honig ums Maul schmieren, Mr Hunter.“

„Mein Name ist Dex.“

„Wie auch immer. Ich habe meine Meinung wegen des Jobs nicht geändert.“

Er sah stirnrunzelnd zu ihr hin. „Doch nicht wegen der Begegnung mit Bernice, oder?“

Shelby blickte nur geradeaus und schüttelte den Kopf.

„Weshalb dann? Hat Ihnen das chinesische Essen nicht geschmeckt?“, scherzte er.

Sie schwieg immer noch.

„Habe ich erwähnt, dass Sie eine eigene Suite mit Blick aufs Meer bekommen?“

Sie wandte den Kopf ab.

Er versuchte, seine Ungeduld nicht zu zeigen. „Sie geben mir und Tate keine Chance.“

Shelby blickte einfach weiter aus dem Fenster, während die Straßen von Los Angeles vorbeizogen. Dex umfasste das Lenkrad fester. Mann, sie war wirklich dickköpfig. Er wünschte nur, dass sie nicht auch so verdammt attraktiv wäre.

Sie erreichten Shelbys Apartmenthaus, ein schlichtes Gebäude in einer akzeptablen Gegend. Trotzdem stellte er den Motor aus und öffnete seine Tür, um sie ins Haus zu begleiten. Shelby war schon ausgestiegen.

„Sie müssen mich nicht zur Tür bringen“, sagte sie, als er neben sie trat.

Aber seine Mutter hatte ihm und seinen Brüdern beigebracht, eine Frau richtig nach Hause zu begleiten. Und das galt auch für Madam Unabhängig. An der Haustür blieb sie stehen und sah ihn entschlossen an.

„Vielen Dank für den Abend heute. Es war … anders.“

„Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.“

Shelby wollte gerade den Sicherheitscode in das Tastenfeld an der Haustür eingeben, als sie nachdenklich die Hand sinken ließ. „Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen mit Ihrem kleinen Bruder helfen kann. Es ist einfach so … Sie brauchen wahrscheinlich ein Kindermädchen, die sich in Ihren Kreisen besser zurechtfindet.“

„Shelby, wenn Sie zu diesen Kreisen gehören würden, wären Sie meiner Meinung nach für den Job nicht geeignet. Ich brauche eine verantwortungsvolle Person, die auf einen fünfjährigen Jungen aufpassen kann, wenn sein großer Bruder gerade nicht da ist. Ich suche keine Partylöwin.“

Als er eine leichte Unentschlossenheit in ihrem Blick bemerkte, kam ihm eine Idee. Er zog sein Smartphone heraus und tippte auf die Videowiedergabe. „Das habe ich bei meinem letzten Besuch in Australien aufgenommen.“

Shelby strich sich ihr volles Haar zurück und beugte sich vor. „Das ist Tate?“, fragte sie.

„Wie er am Strand von Sydney herumalbert.“

Tate stand schwankend in der Brandung, die Sommersonne im Rücken, während die Wellen seine dünnen Beinchen umspülten und ihn hin und her rissen. Schließlich wurde er vom Sog des Wassers umgeworfen und landete auf seinem Hinterteil. Mit beiden Händen schlug er auf den nassen Sand ein und lachte quietschend in die Kamera.

Shelby musste ebenfalls lachen. Als der Film zu Ende war, senkte sie den Blick. Dann hob sie den Kopf und sah Dex mit ihren unglaublichen grünen Augen an.

„Er ist wirklich süß“, sagte sie.

„Und klug. Und sehr liebevoll. Für einen kleinen Jungen kann er ziemlich große Umarmungen verteilen.“

Shelby lächelte bei seinen Worten, dann wurde sie wieder ernst. „Ich will kein Filmstar werden und habe auch kein Interesse an den Berühmten und Reichen. Hier leben weit mehr durchschnittliche Leute als Prominente, und ich hatte mir eigentlich vorgestellt, für eine Durchschnittsfamilie mit Kindern zu arbeiten. Sie, Mr Hunter, sind alles andere als durchschnittlich. Bei Ihnen weiß ich nie, was ich als Nächstes zu erwarten habe. Ich bin nicht gerade ein Fan von Überraschungen.“

„Überraschungen sind aber manchmal gut.“

Sie wirkte nicht überzeugt. „Werden Sie jemanden mitbringen, wenn der Junge im Haus ist?“

„Falls Sie Frauen meinen, ich habe keine Beziehung. Und selbst wenn, ich werde meine Zeit nur Tate widmen, wenn er da ist.“ Er ging noch einen Schritt weiter und nannte ihr das angedachte Honorar.

Shelby machte große Augen. „Aber vielleicht mag Tate mich noch nicht einmal.“

„Ich glaube nicht, dass wir uns darüber Sorgen machen müssen.“

Wieder wurde sie nachdenklich.

„Wie wäre es mit einem Halbjahresvertrag?“

Shelby runzelte die Stirn. „Seine Eltern lassen ihn so lange wegbleiben?“

Dex zögerte. Shelby hatte sowieso schon den Eindruck, dass er ein wildes Leben führte. Es bestand kein Anlass, ihr jetzt etwas über den Grund von Tates Besuch zu verraten. „Ich möchte einfach, dass es sich für Sie lohnt“, erwiderte er, was auch stimmte.

Sie knabberte an ihrer Unterlippe, offenbar hin- und hergerissen.

„Kommen Sie, Shelby. Sagen Sie Ja, Tate zuliebe.“

Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte sie. „Sagen Sie mir, wann ich anfangen soll“, erklärte sie lächelnd.

Er hätte sie am liebsten stürmisch umarmt. Keine gute Idee. „Sagen wir Freitag.“

„So bald schon?“

„Tate kommt in einer Woche. Wir müssen alles vorbereiten und das Notwendige besorgen.“

„Oh, natürlich.“ Sie straffte die Schultern. „Das kann ich tun.“

„Sollen wir unsere Abmachung mit einem Handschlag besiegeln?“

Sie griff nach seiner ausgestreckten Hand, und wieder spürte er dieses prickelnde Gefühl. Genauso wie vorher, als er sie an der Straße in den Armen gehalten hatte. Sehr angenehm. Sein Herz schlug schneller. Das ist äußerst unpassend, ermahnte er sich selbst. Er hatte erreicht, was er wollte, nun sollte er sich freuen und gehen.

Shelby genoss die angenehme Wärme, die sie durchströmte, dann riss sie sich zusammen und zog ihre Hand zurück. Ihre Kehle fühlte sich plötzlich trocken an. „Wir sehen uns dann“, brachte sie schließlich hervor.

„Ich freue mich schon darauf.“

Plötzlich hörte sie den Verkehrslärm von der Straße und die lauten Geräusche eines Fernsehers aus der Nachbarschaft nicht mehr. Sie konnte sich nur noch auf Dex’ warme, tiefe Stimme konzentrieren. Hatte er ihre Berührung ebenfalls als so elektrisierend empfunden? Diese Wärme war so beängstigend. So anziehend …

Am liebsten hätte sie ihn auf eine Tasse Kaffee zu sich eingeladen. Oder sollte sie sich besser wünschen, ihm nie begegnet zu sein?

Sie wollte sich im Moment auf keinen Mann einlassen, besonders nicht auf einen Mann wie Dex Hunter. Offensichtlich war er kein Frauenverächter. Und die Frauen waren zweifellos verrückt nach ihm. Sie hatte jedenfalls für eine Weile genug von irgendwelchen Verwicklungen. Ihre letzte schmerzhafte Erfahrung war noch zu frisch in ihr Gedächtnis eingebrannt.

Einen kurzen Moment lang blickte er sie mit seinen Raubkatzenaugen an, als hoffte er auf eine Einladung. Als sie entschlossen das Kinn hob und den Code eingab, nickte er ihr zum Abschied zu, und als sie durch die Tür trat, ging er zurück zu seinem Wagen.

Minuten später, in ihrem möblierten Apartment, setzte sich Shelby aufs Bett und zog das alte Foto aus der Seitentasche ihres Beutels. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie es wütend zerrissen. Dann, bevor sie aus Mountain Ridge aufgebrochen war, hatte sie die Fetzen sorgfältig wieder zusammengeklebt.

Die beiden Mädchen auf dem Foto erschienen Shelby inzwischen wie Geister aus der Vergangenheit. Die eine mit blondem Haar, die andere mit wilden dunkelroten Locken. Freundinnen seit der Grundschule, die sich vorbehaltlos geliebt hatten. Die alles geteilt hatten.

Aber selbst für beste Freundinnen gab es Tabus.

3. KAPITEL

Auf der Fahrt nach Hause wurde Dex durch das Klingeln seines Handys aus den Gedanken an Shelby Scott gerissen. Er nahm den Anruf an, und die Stimme seines jüngeren Bruders Wynn drang aus dem Lautsprecher. Stirnrunzelnd sah Dex auf die Uhr am Armaturenbrett.

„Wynn, es ist zwei Uhr morgens in New York. Was ist denn bei dir los?“

„In Australien ist es später Nachmittag, aber Cole geht nicht ans Telefon. Ich mache mir Sorgen. Gibt’s irgendwelche Neuigkeiten in Bezug auf Dad?“

„Nun, du weißt, dass es noch einen Anschlag auf ihn gegeben hat, nachdem er mit seinem Wagen von der Fahrbahn abgedrängt wurde. Der Schuss hat ihn um Zentimeter verfehlt. Glücklicherweise war sein Bodyguard dabei, als der Verrückte zum dritten Mal auftauchte und Dad und Tate fast entführt worden wären.“

„Ich habe gehört, Dad war bei Onkel Talbot.“

„Ich nehme an, dass Dad nach so vielen Jahren versucht, die Unstimmigkeiten mit seinem Bruder beizulegen.“

Vor Jahrzehnten hatte Guthrie Hunter den Vorsitz im damals noch viel kleineren Familienunternehmen übernommen. Zu der Zeit hatte der Geschäftsbereich nur Printmedien umfasst. Sein Bruder Talbot hatte sich benachteiligt und bevormundet gefühlt, obwohl er eine verantwortungsvolle Position bekommen hatte. Irgendwann hatte er sich aus dem Unternehmen zurückgezogen. Aus seinem Groll gegen Guthrie war eine jahrelange Fehde geworden.

Dex glaubte, dass dieser Bruch einer der Gründe dafür gewesen war, dass Guthrie Hunter nach seiner Herzoperation vor ein paar Jahren sein inzwischen weltweit agierendes Medienimperium Hunter Enterprises zu gleichen Teilen auf Dex und seine Brüder aufgeteilt hatte. Wynn war die Leitung des Printsektors übertragen worden.

Soweit Dex es beurteilen konnte, hatte Wynn dabei den Kürzeren gezogen. Diesen Geschäftszweig durch das digitale Zeitalter zu steuern, erforderte nicht nur einen klugen Kopf, sondern auch eiserne Nerven.

„Nach der Schießerei hat der Privatdetektiv den Täter verfolgt, oder?“, fragte Wynn gerade. „Ich kann es kaum glauben, dass der Idiot sich mitten in den Verkehr gestürzt hat und sich überfahren ließ.“

„Offensichtlich hatte er vorher irgendwelchen Ärger mit unserer Nachrichtenredaktion“, sagte Dex, während er auf den Freeway einbog, über den er in fünf Minuten zu Hause sein würde. „Nachdem er den Unfall nicht überlebt hat, hätte die Sache eigentlich erledigt sein sollen.“

Aber das war ein Irrtum gewesen, wusste Dex jetzt. Nicht lange nach dem Vorfall bei Onkel Talbot hatte man seinen Vater am helllichten Tag überfallen. Dex drehte sich der Magen um, als er daran dachte, dass sein Vater und Tate fast in einem schwarzen Lieferwagen entführt worden wären. Er würde alles dafür geben, um endlich zu erfahren, wer hinter diesen Anschlägen steckte.

„Tate kommt mich eine Weile besuchen“, sagte er zu Wynn. „Dad möchte, dass er in Sicherheit ist, falls noch einmal etwas passieren sollte. Er wollte auch, dass Eloise Sydney verlässt, aber sie bleibt da, weil sie inzwischen ja schon hochschwanger ist.“

„Wahrscheinlich will sie Dad auch nicht allein lassen.“

Dex schnaubte. „Du und deine rosarote Brille.“

„Wir sind vielleicht nicht unbedingt von seiner Heirat mit Eloise begeistert, aber wir sollten Dad Rückhalt geben.“

Dex fragte sich, ob Wynn wirklich keinen Verdacht schöpfte. Bei der vergangenen Weihnachtsfeier, als die ganze Familie zusammengekommen war, hatte Dex seine liebe Stiefmutter Eloise dabei überrascht, wie sie sich gerade an den genervten Cole herangemacht hatte. Sein älterer Bruder war aus dem Zimmer geflohen, und Eloise hatte sich prompt auf ihn konzentriert. Sie verlor wirklich keine Zeit.

Eine Zeit lang hatte er es nicht wahrhaben wollen, genau wie Cole. Sie wollten beide nicht glauben, dass ihr Vater bei der Wahl seiner zweiten Frau dermaßen falsch gelegen hatte – und dass Eloise ihren Mann zum Narren hielt. Anderseits wollten sie keinen Unfrieden in der Ehe ihres Vaters stiften.

Dann begannen die Anschläge auf Guthrie Hunter. Cole hatte gleich Eloise verdächtigt. Doch Recherchen hatten ergeben, dass sie unschuldig war – zumindest, was die Anschläge betraf.

Dex verabredete mit Wynn, dass sie sich weiterhin gegenseitig auf dem Laufenden halten würden. Er beendete das Gespräch, als er in seine Garage fuhr.

Im Wohnzimmer angekommen, hob Dex alarmiert den Kopf. War das Rauch? Ein merkwürdiges Licht draußen hinter dem Fenster erregte seine Aufmerksamkeit. Auf dem Rasen hinter dem Haus brannte etwas. Er öffnete die Terrassentür und lief eilig in den Garten.

Vor seinem von Palmen umstandenen Swimmingpool kokelte eine kleine Holzkiste vor sich hin. Bei näherer Betrachtung sah sie aus wie ein Miniatursarg. Funken stoben in alle Richtungen, als sich ein glühendes Stück Holz löste und auf den Rasen fiel. Ein paar Funken flogen bis auf sein Hosenbein. Aber Dex rührte sich nicht, er spürte nur einen kalten Schauer, der ihm über den Rücken lief. Die Botschaft war eindeutig.

Vor Kurzem hatte er einen Drohbrief erhalten. Wenn er nicht zahlte, würde ein unglücklicher Vorfall, der vor einigen Jahren passiert war, ans Licht kommen. Dex konnte sich denken, worum es ging. Besagter Vorfall hatte mit seinem Freund Joel und dem Brand in einer Fabrik zu tun. Glücklicherweise hatte sich damals niemand in dem Gebäude aufgehalten. Was die Tat nicht entschuldigte. Brandstiftung war eine kriminelle Handlung. Genauso wie das Zurückhalten von Beweisen.

Er hatte zwar mit Cole über diesen Drohbrief gesprochen, trotzdem hatte Dex die Sache nicht wirklich ernst genommen. Jetzt war er sich jedoch nicht mehr sicher. Konnte diese alte Geschichte vielleicht mit den Überfällen auf seinen Vater zusammenhängen? Wollte derjenige, der hinter den Anschlägen steckte, auf einmal seine ganze Familie bedrohen?

Doch die wichtigste Frage war: Durfte er unter diesen Umständen Tate bei sich aufnehmen?

4. KAPITEL

„Kannst du mich nicht bitte mitnehmen, wenn du hier aufhörst?“

Shelby, die gerade dabei war, die Tische abzuwischen, schaute auf. Ihre Kollegin und Freundin Lila Sommers sah sie flehend an.

Shelby lächelte aufmunternd. „Du wirst bestimmt bald eine Antwort auf deine Collegebewerbung bekommen.“ Sie seufzte. „Ich kann nicht fassen, dass du gleich zwei Hauptfächer auf einmal studieren willst. Du bist eine echte Intelligenzbestie.“

„Aber offensichtlich bin ich nicht clever genug, um einen Job beim schärfsten Junggesellen der Stadt zu ergattern. Dex Hunter kommt schon seit Ewigkeiten zum Essen hierher.“

„Ich bin mir nicht sicher, was du mit scharf meinst.“ Shelby setzte eine strenge Miene auf. „Nur weil er Single ist, muss er noch lange nicht das große Los sein.“

„Na gut …“ Lila begann, an den Fingern abzuzählen. „Er ist charismatisch. Unglaublich gut aussehend. Stinkreich. Charmant …“

„Hat dir deine Mutter nie beigebracht, dass du dich gerade vor den Charmeuren in Acht nehmen sollst?“

„Meine Mutter war eine absolute Männerhasserin. Ihr Rat war, mich von allen Männern fernzuhalten. Punkt.“

„Dann hat sie wohl schlechte Erfahrungen gemacht.“

„Allerdings – mit meinem Erzeuger.“

„Oh, Lila, das tut mir leid.“

„Das geht nur die beiden etwas an.“ Lila zuckte die Achseln. „Dad und ich kommen gut klar. Als er erfahren hat, dass ich unbedingt studieren will, hat er versprochen, die Unigebühren für mich zu bezahlen.“ Sie wischte den nächsten Tisch ab. „Wenn ich einen Platz bekomme.“

Shelby dachte an ihren eigenen Vater, ihren verlässlichen Fels in der Brandung. „Ich bin keine Männerhasserin“, sagte sie. „Aber ich werde mich vorläufig auf keinen einlassen.“

„Das kann ich nicht glauben, so wie du Dex Hunter gestern angesehen hast. Es ist ja nichts, was dir peinlich sein müsste. Wenn sich ein Typ wie er für mich interessieren sollte, würde ich schmelzen wie Schokolade auf dem Grill.“

„Du weißt genau, das ist nicht der Grund, warum ich den Job angenommen habe.“

„Du willst bestimmt später auch mal Kinder haben, oder?“, fragte Lila, während sie die Salz- und Pfeffer-Streuer zurechtrückte und die Stühle an ihren Platz schob.

Eigene Kinder? Die wünschte sich Shelby mehr als alles andere. „Aber zuerst müsste ich den richtigen Mann finden“, wandte sie ein.

Und derzeit war sie definitiv nicht auf der Suche.

„Man kann ja nie wissen.“ Lila lächelte frech. „Es könnte Dex Hunter sein.“

Shelby stieg bei der Bemerkung die Hitze ins Gesicht. Schnell schob sie den letzten Stuhl zurecht. „Wir müssen weiterarbeiten. Die Mittagsgäste werden bald hier einfallen.“

„Wäre das nicht ein Traum, wenn ihr beide euch ineinander verlieben würdet und …“

Shelby schlug spielerisch mit ihrem Lappen nach Lila. „Hier wird nicht geträumt.“ Nachdem sie ihrer Freundin von dem peinlichen Vorfall zu Hause in Mountain Ridge berichtet hatte, sollte Lila wissen, dass sie alle Männer für unbestimmte Zeit aus ihren Gedanken gestrichen hatte. Oder zumindest sollte sie das. „Ich werde als Nanny für Dex Hunter arbeiten, mehr ist da nicht.“

„Na, da bin ich ja froh, dass wir das klargestellt haben“, sagte hinter ihr jemand amüsiert.

Shelby stockte der Atem, als sie die Stimme hörte und dazu den verblüfften Ausdruck auf Lilas Gesicht sah. Sie drehte sich langsam um, und da stand Dex vor ihr, lässig gekleidet in Jeans und Oberhemd und mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen. Er wirkte so entspannt. Aber sein Blick war beunruhigend intensiv … wie der einer hungrigen Raubkatze. Der gleiche Blick, der ihr gestern Abend beim Abschied die Knie hatte schlottern lassen.

Aber das änderte nichts an dem, was sie gerade gesagt hatte. Sie war nicht an einer Affäre interessiert. Und diese breiten Schultern, der muskulöse Oberkörper, sein wahnsinniger Sex-Appeal, dieses umwerfende Lächeln …

Das alles interessierte sie überhaupt nicht.

Shelby riss sich zusammen. Was wollte er hier überhaupt? „Stimmt etwas nicht?“, erkundigte sie sich.

„Ich wollte nur Bescheid sagen, dass es eine kleine Planänderung gibt. Tate wird schon morgen Nachmittag eintreffen.“ Dex setzte sich auf einen der Stühle. „Ich habe heute Morgen in Sydney angerufen, um … einige Details zu klären. Mein Bruder Cole, der in Australien wohnt, will Urlaub machen, und er will sichergehen, dass Tate vor seiner Abreise gut bei mir ankommt.“

„Sie scheinen nicht sehr glücklich darüber zu sein.“

„Es hat sich gestern noch etwas anderes ergeben“, sagte Dex, als Lila ihm einen Kaffee servierte und den bereits blitzsauberen Nebentisch noch einmal abwischte, um in der Nähe zu bleiben. „Ich muss eine neue Unterkunft für uns finden, bis ein paar kleine Probleme in meinem Haus beseitigt sind.“

„Probleme wie eine Überschwemmung im Bad oder ein Loch im Dach?“

„Eher so etwas wie Nagetiere im Keller.“ Er blickte nachdenklich in seinen Kaffeebecher. „Ich habe eine Suite in der Stadt angemietet. Es wäre gut, wenn Sie mir helfen könnten, sie entsprechend vorzubereiten.“

Das ging jetzt alles sehr schnell. Shelby setzte sich verblüfft zu ihm. Da ertönte hinter ihnen die wütende Stimme ihres Chefs.

„Diese Stühle sind nur für Gäste gedacht!“

Shelby sprang wieder auf.

Mr Connor hatte die Hände in die Hüften gestämmt und sah sie giftig an. Dann wandte er sich an Dex. „Shelby ist hier angestellt, um unseren Gästen das Essen zu servieren. Sie sind ein guter Kunde, aber ich muss an mein Geschäft denken.“

Dex stand ebenfalls auf. „Ich habe Shelby einen Job angeboten. Sie hat doch sicher bereits bei Ihnen gekündigt.“

„Also Sie waren das.“ Connor machte schmale Augen. „Sicher. Sie hat die Kündigung eingereicht. Aber bis zum Wochenende muss sie noch arbeiten.“

„Ich hatte gehofft, dass Sie Shelby früher aus dem Vertrag entlassen könnten“, entgegnete Dex.

„Wann zum Beispiel?“

„Zum Beispiel jetzt gleich.“

Mr Connor zuckte die Schultern. „Wie ich schon sagte, ich muss an mein Geschäft denken.“

Dex zog seine Brieftasche heraus. „Ich bin sicher, wir können uns irgendwie einigen …“

„Ich will Ihr Geld nicht.“

Dex ließ sich nicht beirren. „Wir müssen die Sache regeln.“ Er zog ein paar große Scheine aus seinem Portemonnaie.

Connor rümpfte die Nase, zögerte, dann hielt er die Hand auf. „Na gut. Aber ich warne Sie. Das ist sie nicht wert.“

Shelby wich einen Schritt zurück, als sie Dex’ wütenden Blick sah. Sie hätte Connor am liebsten eine Ohrfeige verpasst, und sie war sicher, dass Dex den gleichen Impuls verspürte. Doch er verzog nur die Lippen zu einem Grinsen und stopfte Connor die Scheine in den Ausschnitt seines Hawaiihemdes.

„Das sollte reichen, um jegliche Verluste für Ihr Etablissement auszugleichen. Ich denke doch, dass wir alle daran interessiert sind, diesen Abschied friedlich über die Bühne zu bringen.“ Dann zog er noch ein paar Scheine heraus und reichte sie Lila. „Vielen Dank für den tadellosen Service in all der Zeit. Das Essen habe ich genossen, auch wenn Ihr Chef ziemlich unangenehm ist.“

Shelby brauchte keine Minute, um ihre Sachen zu holen. Als sie zurückkam, nahm Dex ihre Hand und zog sie mit sich nach draußen auf die belebte Straße.

„Mr Connor hatte schon rote Flecken im Gesicht, so hat er sich aufgeregt“, sagte sie.

„Mr Connor ist ein Esel.“

„Füttern Sie Esel immer mit einer Menge Scheinen, damit sie Ruhe geben?“

„Nein, eigentlich nicht. Aber wenn ich die Sache nicht auf diese Weise erledigt hätte, wäre ich auf eine andere Idee gekommen.“ Am liebsten hätte Dex diesem Kerl einen ordentlichen Kinnhaken verpasst. Er fuhr sich mit der Hand über seinen knurrenden Magen. „Himmel noch mal, ich habe richtigen Hunger.“

„Bekommen Sie immer Hunger, wenn Sie sich ärgern?“

Normalerweise ärgerte er sich nicht. „Das muss wohl so ein primitiver Instinkt sein, vor oder nach einem Kampf Energie zu tanken.“

„Wenn ich wütend war und Dampf ablassen musste, bin ich immer auf mein Pferd gesprungen und wie eine Wilde losgeritten“, sagte Shelby, während sie sich einen Weg durch die Fußgängermassen bahnten.

„Das ist nicht so gut, wie einen Haufen Pfannkuchen zu verdrücken.“

„Aber besser für die Figur.“

Er blieb stehen und musterte sie. Bisher hatte er gar nicht bemerkt, wie scharf sie in dieser Kellnerinnenschürze aussah. Um ihre Figur brauchte sie sich jedenfalls keine Sorgen zu machen. Sie gingen langsam weiter. Plötzlich fiel ihm auf, dass er immer noch ihre Hand hielt. Er räusperte sich und ließ sie los.

„Haben Sie einen Kammerjäger wegen der Nagetiere bestellt?“, wollte sie wissen.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, für welche Methode ich mich entscheiden soll. Gift oder Fallen.“

„Klingt ja schlimm.“

„Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Lassen Sie uns lieber planen. Wir brauchen eine Liste. Lebensmittel können wir in die Suite liefern lassen.“

„Ich würde lieber selbst einkaufen gehen.“

Er blickte sie verständnislos an. „Warum das?“

„Wenn ich alles sehe, weiß ich besser, was ich brauche.“

Das klang für ihn ziemlich umständlich, aber sie schien fest entschlossen zu sein. Also gingen sie auf einem Markt einkaufen – Brot, Eier, Fleisch und frisches Gemüse, inklusive Spinat. Shelby bestand darauf und meinte, dieses Grünzeug wäre für Kinder sehr wichtig. Dex runzelte die Stirn. Solange sie nicht von ihm erwartete, dass er sich auch von diesem Popeye-Zeug ernährte …

Schließlich trafen sie im Beverly Hills Hotel ein. Nachdem die Gepäckträger ihre Einkäufe an sich genommen hatten, parkte ein anderer Hotelangestellter den Wagen, und Dex checkte am Empfang ein. Sie erreichten ihre Suite im selben Moment wie die Pagen mit den Einkäufen. In der Küche warf Dex einen Blick in eine der Einkaufstüten. Er wandte sich rasch wieder ab und zog eine Grimasse.

Shelby reckte den Hals, um in die Tüte zu blicken, dann grinste sie. „Sie stellen sich beim Anblick von Spinat ja an wie ein kleiner Junge. Dabei sind in Spinat unheimlich viele Vitamine drin.“

„Sie klingen wie ein Werbespot.“

Shelby zog den Bund Karotten aus der Tüte. „Die hier enthalten Ballaststoffe und vor allem Vitamin A.“

Dex grinste. „Ich bin mehr der Typ für Kartoffeln. Mit guten Pommes kann man bei mir nichts falsch machen.“

Mit ein paar Dosen in der Hand drehte sich Shelby suchend um, entdeckte die Tür zur Vorratskammer und öffnete sie. „Ich mache die Pommes frites selbst. Und es ist nicht die Sorte, mit der sie heimlich den Hund unter dem Tisch füttern müssen.“

„Ich habe keinen Hund, und Sie brauchen nicht zu kochen.“

„Nicht mal meine Spezialität? Leckeres gebratenes Steak?“

Dex stöhnte gespielt auf. „Sie wagen es, über so etwas zu sprechen, wo ich vor Hunger fast umkomme?“ Er reihte einige Becher Sahne auf dem Küchentresen auf. „Was halten Sie denn von Desserts?“

„Ich bin der Meinung, man sollte jeden Tag mit etwas Süßem beenden.“

Sein Blick fiel auf ihren gerundeten Po. Okay, der Meinung bin ich auch, dachte er und wandte sich zum Kühlschrank, gerade als sich Shelby von der Vorratskammer wegdrehte. Prompt stießen sie zusammen. Schnell legte er den Arm um sie, als sie rückwärts stolperte.

Es war nur eine harmlose Berührung, und sie lachte sogar, als er sagte: „Mit diesen Zusammenstößen müssen wir endlich mal aufhören.“ Aber sein Puls hatte sich sofort erhöht, als er nur allzu deutlich ihre Brüste an seinem Oberkörper spürte.

Schnell lösten sie sich wieder voneinander und räumten weiter die Lebensmittel ein.

„Ich habe vergessen zu erwähnen, dass Ihr Freund mich heute Morgen im Café besucht hat“, sagte Shelby. „Er war auf dem Weg, die Stadt zu verlassen.“

Dex sah zu ihr hin und überlegte stirnrunzelnd, wo er die geräucherte Salami verstauen sollte. „Sie meinen Rance?“

„Er hat mich gefragt, ob ich als Assistentin für ihn arbeiten möchte.“ Shelby griff nach einer Packung Butter. „Ich fühlte mich sehr geschmeichelt.“

„Aber Sie haben den Job nicht angenommen.“

„Ich könnte mich ja irren, aber ich glaube, Mr Loggins erwartet mehr von einer Assistentin, als ich zu geben bereit wäre. Das habe ich ihm auch gesagt. Er hat nichts darauf geantwortet, nur gelächelt.“

Dex grinste in sich hinein. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass Rance von ihr hingerissen war. Shelby hatte ja auch wirklich Talent als Drehbuchretterin.

Sie verstaute die Butter im Kühlschrank und wandte sich wieder zu ihm um. „Wenn ich Sie etwas frage, antworten Sie mir dann ehrlich?“

„Klar doch.“

„Sie haben nicht wirklich Ratten im Keller, oder?“ Als er zögerte, sagte sie: „Ich meine diese Tierchen mit den nackten Schwänzen und dem graubraunen Fell. Kleine spitze Zähne …“

Dex lehnte sich gegen den Küchentresen und verschränkte die Arme vor der Brust. Gestern Abend hatte er sich gefragt, ob die Drohungen, die er bekommen hatte, mit den Anschlägen auf seinen Vater zusammenhingen. Aber er hatte diesen Gedanken wieder verworfen. Die Vorfälle hatten nichts miteinander zu tun. Wer auch immer hinter den Erpressungsversuchen steckte, war ein Feigling. Ein Mistkerl, der nicht den Mumm besaß, ihm direkt gegenüberzutreten.

Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen. Einige Dinge ändern.

Vor drei Jahren hatte sich ihm sein Freund Joel Chase zerknirscht anvertraut. Er hatte geschworen, dass er das Fabrikgebäude zwar mit Rachegedanken betreten, aber dann seine Meinung wieder geändert hatte. Unglücklicherweise hatte er das angezündete Streichholz nicht gleich gelöscht, sondern damit herumgespielt. Der Brandbeschleuniger hatte den Rest erledigt.

Dex hatte sich in seinem Leben noch nie so hin- und hergerissen gefühlt. Da niemand verletzt worden und Joel voller Reue gewesen war, hatte er den Mund gehalten. Damals wie heute hatte Joel viel mehr zu verlieren als er, sollte die Wahrheit je herauskommen.

Aber Dex wollte sich darüber jetzt keine Sorgen machen. Auch dieser Sturm wird vorüberziehen, sagte er sich. Das musste er sogar, denn er würde eher in einem pinkfarbenen Tutu auf offener Straße Pirouetten drehen, als einem Erpresser – wofür auch immer – Geld aushändigen. Wenn er Tate nicht erwartet hätte, wäre er in seinem Haus geblieben. Er hätte sich diesen Feigling geschnappt und zur Rede gestellt. Nun musste er sich mit der Installation von Überwachungskameras in seinem Haus und auf dem Grundstück begnügen.

Er begegnete Shelbys fragendem Blick. „Sagen wir mal so, ich musste das Haus für eine Weile verlassen.“

„Wenn es etwas gibt, das ich wissen muss, dann sagen Sie es mir bitte“, drängte sie.

„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“

„Ich spüre dieses komische Prickeln in meinem Nacken, und aus Erfahrung weiß ich, dass ich es nicht ignorieren sollte.“

„Dann haben Sie es schon einmal ignoriert?“

Sie blinzelte irritiert, fing sich aber schnell wieder und griff nach einer Packung Kaffee. „Hier geht es nicht um mich.“

Dex rieb sich den Nacken. Er wollte ihr keine Angst einjagen, aber er hoffte, dass sie nicht weiter nachhakte. Obwohl er auch gern ein paar Informationen über ihre Vergangenheit gehabt hätte. Hatte dieses Prickeln im Nacken, von dem sie gerade gesprochen hatte, etwas mit Reese und Kurt zu tun?

Sie legte die letzte Einkaufstüte zusammen. „So, alles fertig.“

Dex stieß sich vom Küchentresen ab. „Dann sehen wir uns mal die Suite genauer an.“

Das Wohnzimmer wirkte sehr geräumig. Die weißen Wände und der weiße Teppich waren aber wahrscheinlich nicht sehr praktisch, wenn ein kleiner Junge hier herumtobte. Gegenüber vom
u-förmigen dunklen Ledersofa stand ein ausladender Plasmafernseher. Durch die Fensterfront fiel der Blick auf den Swimmingpool, der von Palmen und einigen Umkleidekabinen gesäumt war.

Er beobachtete, wie Shelby sich prüfend umsah, dann drehte sie sich wieder zu ihm. Mit der Nachmittagssonne im Rücken leuchtete ihr Haar wie glänzendes Kupfer.

„Warum haben Sie sich für eine Hotelsuite statt für ein Haus entschieden?“, wollte sie wissen.

Er riss sich von ihrem Anblick los. „Tate wird hier alles haben, was er braucht. Einen Pool, einen riesigen Spielplatz und ein großes Kinderzimmer.“

Und ein erstklassiges Sicherheitssystem.

5. KAPITEL

Zwei Tage später beobachtete Shelby auf dem Los Angeles International Airport gerührt, wie Dex seinen zum Knuddeln süßen Halbbruder in die Arme schloss und ihn in der Luft herumwirbelte.

„Wie war der Flug?“, erkundigte er sich bei dem vollkommen aufgedrehten Tate, der von einem Ohr zum anderen grinste. „War die Flugbesatzung nett zu dir?“

„Ich habe die ganze Zeit neben einem supernetten Mädchen gesessen!“ Tate wedelte mit der Hand in Richtung der anderen Passagiere, die in die Ankunftshalle strömten. „Da ist sie!“

Eine junge Frau steuerte auf sie zu. Sie war mittelgroß, aber ansonsten alles andere als unauffällig. Das dichte blonde Haar hatte sie zu einem seitlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, der über ihre Schulter bis hinunter zur Taille floss. Ihre großen Augen hatten eine unglaubliche eisblaue Farbe. Aus ihrem federnden Gang und den gut modellierten Armen schloss Shelby, dass die Fremde sich offensichtlich gern fit hielt. Doch am eindrucksvollsten war ihre selbstbewusste Ausstrahlung. Sie wirkte stolz und gelassen, als wüsste sie, dass sie die ganze Welt erobern, aber genauso gut auch darauf verzichten konnte.

Dex sah sie verblüfft an. „Das hat mir niemand gesagt …“

Die Frau breitete lachend die Arme aus. „Wir wollten dich überraschen, großer Bruder!“

Tate hielt sich vor Lachen den Bauch. „Wie du gerade geguckt hast!“, rief er kichernd, dann stellte er sich hin, verzog das Gesicht und streckte schielend die Zunge heraus.

Dex umarmte die Fremde. „Was machst du hier?“

„Ich bin nach Sydney geflogen, um zu sehen, wie es Dad geht“, sagte die Frau, bei der es sich offensichtlich um Dex’ Schwester handelte. „Dad hat gedrängelt, weil er Tate so schnell wie möglich hierherschicken wollte. Also haben wir alles in Windeseile erledigt. Ich habe mich freiwillig als Begleitung gemeldet, und hier sind wir.“

Shelby versuchte, sich einen Reim daraus zu machen. Warum hatte es Guthrie Hunter so eilig, seinen Jüngsten nach Los Angeles zu schicken? Es war doch nur eine Ferienreise, oder?

Dex setzte sich den Kleinen auf die Hüfte, als ihm offenbar auffiel, dass er sie den anderen noch nicht vorgestellt hatte. „Teagan, das ist Shelby.“

Shelby lächelte. „Shelby Scott.“

„Shelby ist noch nicht lange in der Stadt“, sagte Dex. „Sie hat mir versprochen, sich um diesen kleinen Kerl hier zu kümmern, wenn ich nicht da bin.“ Er verstrubbelte Tates Haar, als Shelby ihn begrüßte. Tates Augen hatten die gleiche außergewöhnliche gelbbraune Farbe wie die von Dex, nur mit ein paar blauen Einsprengseln.

„Dein Bruder hat mir ein Video von dir gezeigt, wie du am Strand in den Wellen spielst“, sagte Shelby.

„Ich liebe das Meer!“, rief Tate. „Und jetzt bin ich ein Nipper!“

„Du bist ein Junior-Rettungsschwimmer?“ Dex hielt Tate eine Hand zum Abklatschen hin. „Gratuliere!“

„Wie lange seid ihr beide denn schon zusammen?“, erkundigte sich Teagan in diesem Moment.

„Oh, nein!“, sagte Shelby, während Dex gleichzeitig versicherte: „Ich habe Shelby als Nanny für Tate eingestellt.“

„Ach so. Ich hatte gerade gedacht …“ Teagan musterte sie verwirrt, dann lächelte sie. „Es freut mich, Sie kennenzulernen.“

Sie holten das Gepäck und machten sich auf den Weg nach draußen zum Parkplatz. Tate plapperte die ganze Zeit von Dinosauriern und Flugzeugen. Da Dex jetzt mehr Platz im Auto brauchte, als sein Sportwagen bot, hatte er eine luxuriöse Limousine gemietet. Während er Tate anschnallte und dann das Gepäck im Kofferraum verstaute, wollte Shelby gerade einsteigen, als sich Dex’ Schwester zu ihr beugte.

„Tut mir leid, dass ich voreilige Schlüsse gezogen habe“, sagte Teagan leise. „Aber es ist ja wirklich nicht weit hergeholt, dass Sie und mein Bruder ein Paar sein könnten. So glamourös und schön, wie Sie aussehen …“

„Ich? Glamourös?“ Shelby lachte auf. In ihrem einfachen Sommerkleid und ohne Make-up?

„Nun, Sie arbeiten zurzeit vielleicht als Kindermädchen, aber ich könnte wetten, dass Sie bald von einem glücklichen Talent-scout weggeschnappt werden, wenn Sie länger in Los Angeles bleiben.“ Teagan streifte sich ihren Rucksack von den Schultern. „Mein Rat wäre, dass Sie sich so schnell wie möglich einen guten Agenten suchen.“

„Ich will aber nicht weggeschnappt werden.“

„Sie sehnen sich nicht nach Ruhm und Billionen von Dollars? Wollen Sie sich nicht von den Massen anhimmeln lassen?“

Shelby erschauerte. „Ich hab’s nicht so mit den Massen.“

Teagan sah sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung an.

„Hey, ihr beiden, steigt ein. Ihr könnt euch im Auto weiter unterhalten“, sagte Dex, nachdem er das Gepäck verstaut hatte. „Wir müssen den Jungen nach Hause schaffen. Er wird sicher einen Bärenhunger haben.“

„Cheeseburger, Cheeseburger!“, rief Tate vom Rücksitz.

Teagan setzte sich nach vorn auf den Beifahrersitz, während Shelby hinten neben Tate Platz nahm. „Dex und ich waren gestern einkaufen“, erklärte sie Tate, während sie sich anschnallte. „Wir haben ganz viele leckere Sachen zum Essen und viele Spiele zu Hause.“

„Ich freue mich auf dein Haus am Meer“, sagte Teagan und schnallte sich ebenfalls an.

„Wir wohnen allerdings im Hotel.“

Dex nannte den Namen, und seine Schwester pfiff durch die Zähne. „Für dich musste es schon immer nur das Beste sein. Aber du willst doch das Haus nicht verkaufen, oder? Nachdem du allen, ob sie es hören wollten oder nicht, von dem wunderbaren Ausblick vorgeschwärmt hast.“

„Es ist nur vorübergehend.“ Dex ließ den Motor an. „Seid ihr alle angeschnallt? Dann nichts wie los.“

Shelby sah an Teagans verwundertem Blick, dass auch sie sich über den plötzlichen Umzug ins Hotel Gedanken machte. Aber sie fragte nicht weiter nach. „Ich nehme an, du möchtest wissen, wie es Dad geht“, sagte Dex’ Schwester stattdessen.

„Die Beule an seinem Kopf ist schon viel besser!“, rief Tate.

„Das freut mich wirklich, Kleiner“, entgegnete Dex, dann wandte er sich an Shelby: „Teagan führt ein eigenes Fitnessstudio in Seattle.“

Shelby dachte an den federnden Gang der Frau. „Sie arbeiten nicht im Familienbetrieb, Teagan?“

Dex nahm eine Hand vom Steuer, um seiner Schwester kurz die Schulter zu tätscheln. „Sie ist unsere Familienrebellin, nicht wahr?“

„Übersetzt heißt das …“, sagte Teagan und schlug spielerisch die Hand ihres Bruders weg, „… ich wollte mir selbst etwas aufbauen.“

„Sehr bewundernswert“, kommentierte Shelby.

„Und wichtig für meinen Seelenfrieden“, meinte Teagan.

„Wenn du gerade aus Sydney kommst, weißt du sicher schon das Neueste von Cole“, sagte Dex.

„Ich war angenehm überrascht.“ Teagan drehte sich zu Shelby um. „Sie müssten unseren älteren Bruder Cole kennen, um zu verstehen, was ich meine, wenn ich ihn einen absoluten Kontrollfreak nenne. Inzwischen scheint er festgestellt zu haben, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt, als anderen Leuten Befehle zu erteilen.“

„Das klingt ja fast, als könntest du dir vorstellen, doch noch mal bei Hunter Enterprises einzusteigen“, bemerkte Dex.

Teagan tat so, als hätte sie ihn nicht gehört. „Coles Verlobte Taryn Quinn ist ein Goldstück. Sie hat einen starken Willen und ist ein kluger Kopf. Sie kann Cole in jeder Beziehung das Wasser reichen. Ich hätte nie gedacht, dass ich so was mal sagen würde, aber Cole kann ein richtiger Schmusekater sein.“

„Ich freue mich schon auf die Hochzeitsfeier“, sagte Dex mit einem süffisanten Grinsen.

„Sie sind nicht verheiratet, Shelby?“, erkundigte sich Teagan.

„Nein.“ Shelby ballte kurz die Hände zu Fäusten. „Nicht verheiratet.“

„Was ist das für ein Akzent? Stammen Sie aus Texas?“

Dex antwortete für sie. „Shelby kommt aus einem kleinen Ort namens Mountain Ridge in Oklahoma.“

„Das klingt nach einem friedlichen Leben“, sagte Teagan. „Nach Pferdeflüstererland.“

Das war ihrer Meinung nach eher Montana, aber Shelby zuckte nur die Schultern. „Meine Familie besitzt eine Ranch.“

„Lieben Sie dieses Landleben?“

„Ja, sehr.“

Teagan sah wieder über die Schulter zu ihr hin. „Wenn Sie also nicht das Rampenlicht suchen, warum sind Sie dann ausgerechnet nach Los Angeles gezogen?“

Shelby spürte, dass Dex ebenfalls neugierig auf ihre Antwort wartete. Während ihr Herz wild klopfte, machte sie ein möglichst unbeteiligtes Gesicht. „Na ja, wissen Sie …“ Sie wischte sich ihre plötzlich feuchten Handflächen am Rock ab. „Es war einfach Zeit, dass ich mal etwas mehr von der Welt sehe.“

„Das klingt ja, als wäre Kalifornien erst der Anfang.“ Jetzt drehte sich Teagan ganz in ihrem Sitz um und sah Shelby an. „Eine Freundin von mir ist Lehrerin. Sie ist vor zwei Jahren nach Europa gereist. In Frankreich hat sie einen Job als Erzieherin bekommen. Sie lebt jetzt in einem Schloss. Das müssen Sie sich mal vorstellen!“

„Setze ihr bloß keine Flausen in den Kopf“, knurrte Dex, während er den Wagen auf den Highway lenkte. „Ich hoffe, dass Shelby eine Weile bei mir bleibt.“

Shelby schaute in den Rückspiegel, sah, dass Dex ihr zulächelte, und entspannte sich. Er klang so entschlossen. So aufrichtig. Und jetzt, wo Tate hier war, wirkte er so glücklich und zufrieden …

Zum ersten Mal, seitdem sie Dex mit dieser bedauernswerten Frau im Arm gesehen hatte, verspürte Shelby das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

„Kann ich noch einen Cupcake haben, bevor ich ins Bett gehe?“

Dex, Shelby, Teagan und Tate saßen zusammen im Wohnzimmer der Hotelsuite. Obwohl Dex ihr gesagt hatte, sie brauche nicht zu kochen, hatte Shelby zum Dinner einen köstlichen Schmorbraten zubereitet. Dazu gab es selbst gebackene Cupcakes.

„Süßer, du hast dir doch schon die Zähne geputzt“, sagte Shelby zu Tate, während sie die Kinderbücher auf dem Couchtisch aufreihte.

„Und diese Kuchen waren wirklich ziemlich groß.“ Teagan stellte ihre leere Tasse ab und warf Dex, der offensichtlich etwas einwerfen wollte, einen kritischen Blick zu. „Bevor du irgendetwas sagst, lieber großer Bruder, du hattest bereits vier Stück.“

Dex lehnte sich wieder zurück. „Stimmt nicht.“ Es waren drei gewesen. „Ich wollte Tate nur sagen …“ Er brach ab. „Wo ist er denn?“

Teagan sprang auf, als sie sah, wie Tate sich in die Küche oder besser gesagt in das magische Cupcake-Land schleichen wollte. „Falsche Richtung, mein Kleiner.“ Sie nahm ihn bei der Hand. „Ich glaube, hier muss jemand ins Bett.“ Sie führte den gähnenden Tate, der bereits seinen Pyjama trug, von der Küche weg.

„Nach dem langen Flug bist du bestimmt müde“, stimmte Shelby zu.

Tate zog sich mit Daumen und Zeigefinger die Augenlider auseinander. „Bin ich nicht.“

Dex lachte. „Hey, Kleiner, wir haben noch ganz viel Zeit zusammen.“

„Ja, ein paar Wochen“, bestätigte Teagan und warf Dex einen bedeutungsvollen Blick zu.

Dex sah beunruhigt zu Shelby, die das Gespräch stirnrunzelnd verfolgte. Er hatte vorgehabt, Teagan beiseitezunehmen und ihr zu sagen, dass sie in Shelbys Gegenwart die Anschläge auf seinen Vater in Australien nicht erwähnen sollte. Aber es konnte schnell passieren, dass Tate von dem Vorfall erzählte, bei dem er vor Kurzem selbst dabei gewesen war. Und Tate hatte auch mitbekommen, dass in letzter Zeit regelmäßig Polizeibeamte bei ihm zu Hause gewesen waren. Früher oder später muss ich Shelby die Wahrheit sagen, dachte Dex.

„Was hältst du davon, wenn ich dich ins Bett bringe, Tate?“ Shelby beugte sich über die Bücher auf dem Couchtisch. „Sieh dir doch mal diese spannenden Geschichten hier an. Ein paar davon gehören zu deiner Lieblingsserie. Wir könnten eine davon zusammen lesen.“

Tate klammerte sich an das Bein seiner Schwester. „Ich will, dass Tea mich ins Bett bringt.“

Shelby begegnete dem Blick der anderen Frau und sah, dass Teagan sie ohne Worte fragte, ob es für sie okay wäre. Shelby lächelte ihr zu.

Kein Problem.

Teagan hockte sich auf die Knie, um auf Augenhöhe mit Tate zu sein. „In deinem Kinderzimmer gibt es zwei Betten – und eins davon ist für mich.“

„Wirklich? Wow! Das will ich sehen.“

„Gib deinem Bruder und Shelby vorher einen Gutenacht-Kuss.“

Tate stolperte zu Dex hinüber und umarmte ihn fest. Dann stellte er sich unschlüssig vor Shelby hin und biss sich auf die Unterlippe.

„Ist schon okay“, sagte Shelby. „Ich bin auch lieber vorsichtig mit dieser Küsserei. Wir sehen uns morgen.“

Tate nahm die Hand seiner Schwester, und zusammen verschwanden sie im Kinderzimmer. Shelby blickte ihnen lange hinterher, dann seufzte sie leise. „Ich kümmere mich um den Abwasch.“

„Das kann bis morgen warten.“

„Ich erledige es lieber gleich.“

„Morgen reicht.“

„Nein, jetzt.“

Dex runzelte die Stirn. „Sie sind aber störrisch.“

„Bin ich nicht.“

Dex musste sofort an Tate denken, als er behauptet hatte, nicht müde zu sein. Shelby schien sich ebenfalls daran zu erinnern, denn sie lächelte und setzte sich wieder aufs Sofa, während Dex eins der Bücher vom Tisch nahm.

Kuddles macht einen Besuch.

Shelby rückte näher zu ihm, um sich das Bild von dem Koalabären auf seinem Gummibaum anzusehen. „Ich dachte, das könnte Tate gefallen, weil es in Australien spielt.“

„Tate wird es morgen bestimmt auch noch gefallen.“

„Es ist ganz natürlich, dass er lieber mit seiner Schwester zusammen sein möchte. Ich mag Teagan auch.“

Dex legte das Buch zurück auf den Couchtisch. „Ich kann kaum glauben, dass es schon vier Jahre her ist, seit sie von zu Hause ausgezogen ist.“

„Versteht sich Teagan mit der neuen Frau Ihres Vaters?“

„Sie kommt mit ihr besser klar als Cole und ich, was allerdings nicht sehr viel heißt.“

„Jetzt stelle ich mir vor, dass Eloise Hunter eine große Hakennase mit Warze hat.“ Shelby lachte. „Verführt sie kleine Kinder dazu, vergiftete Äpfel zu essen?“

Dex blieb ernst. „Keine Warzennase. Und in dieser Geschichte sind die Kinder erwachsene Männer.“

„Wollen Sie damit sagen, dass sie Ihnen und Cole etwas antun wollte?“

„Eloise ist nicht viel älter als Cole. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Cole beim anderen Geschlecht sehr gut ankommt.“

„Und?“

„Und ich will Ihnen keinen falschen Eindruck von dem Zuhause geben, in dem Tate aufwächst.“

„Oh. Jetzt mache ich mir Sorgen.“

Dex rieb sich die Schläfe. Normalerweise war er nicht um Worte verlegen, aber das hier war eine sensible Angelegenheit. „Eloise fühlt sich von jungen Männern angezogen“, sagte er. „Skrupel spielen dabei keine Rolle.“

Als Shelby verstand, trat ein Ausdruck von Abscheu in ihr Gesicht. „Sie hat sich an Cole herangemacht? An ihren Stiefsohn?“

„Sie ist ziemlich verwöhnt und langweilt sich …“

„Und dann versucht sie, den Sohn ihres Mannes zu verführen? Ich kann es kaum glauben …“ Shelby erschauerte. „Was ist denn nun mit Ihrem Vater passiert? Weshalb haben Sie und Teagan diese geheimnisvollen Blicke ausgetauscht?“

Dex berichtete ihr von den Anschlägen auf seinen Vater, und dass Tate und Guthrie Hunter fast entführt worden wären. „Ein Passant ist ihnen zu Hilfe gekommen, glücklicherweise. Sonst hätte man die beiden in den Lieferwagen verfrachtet und …“ Er stöhnte auf. „Wir wissen nicht, was als Nächstes passieren kann. Deshalb ist Tate erst mal für unbestimmte Zeit hier bei mir.“

„Damit er außer Gefahr ist. Aber warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?“

„Ich habe auf den richtigen Moment gewartet.“

„So etwas Wichtiges können Sie doch nicht hinausschieben.“

„Wir sind hier nicht in Gefahr.“

„Das hoffen Sie!“

„Das alles ist in Australien passiert“, stellte Dex klar. „Und es betrifft meinen Vater, nicht Tate. Er war nur unglücklicherweise zur falschen Zeit am falschen Ort.“

Shelby sah ihn prüfend an. „Und diese Sache hat auch nichts mit den Ratten in Ihrem Keller zu tun?“

„Ganz bestimmt nicht.“

Sie musterte ihn eingehend, dann schien sie zu einem Entschluss gekommen zu sein. Irgendwie musste seine Miene sie davon überzeugt haben, dass er die Wahrheit sagte. Denn so war es ja auch: Die Erpressungsversuche waren ärgerlich und kamen zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, aber sie hatten nichts mit den Anschlägen auf seinen Vater zu tun.

Während Shelby offenbar weiter darüber nachdachte, ging Dex ins Kinderzimmer, um sich zu vergewissern, dass dort alles in Ordnung war.

„Beide schlafen tief und fest“, sagte er, als er sich kurz darauf wieder auf die Couch setzte. „Teagan schnarcht. Als sie vierzehn war, habe ich mal eine Aufnahme davon gemacht. Es klang wie ein Zug im Tunnel. Am nächsten Morgen habe ich die Aufnahme am Frühstückstisch abgespielt.“

„Ich hoffe, sie hat Ihnen gehörig die Meinung gesagt.“ Shelby lächelte erwartungsvoll.

„Sie hat mir ihre kalte Milch in den Schoß geschüttet. Meine Mutter meinte nur, ich solle alles aufwischen und mich dann bei ihr entschuldigen.“ Er runzelte die Stirn. „Ihr Frauen haltet doch immer zusammen.“

Shelby schenkte ihm ein breites Grinsen. „Aber Sie haben Ihre Schwester danach in Ruhe gelassen.“

„Sie mich aber nicht. Sie hat sich den Scherz erlaubt und Frösche in meinen Fußballschuhen versteckt.“

„Nein!“ Shelby schlug sich die Hand vor den Mund, um ihr schadenfrohes Grinsen zu verbergen. „Frösche?“

„Glücklicherweise habe ich keinen zerquetscht.“

Früher hatte er die Streiche seiner Schwester nicht lustig gefunden. Aber jetzt, wo Shelby so offen darüber lachte, wünschte er sich, all diese unschuldigen Momente noch einmal erleben zu können. Seine drei Geschwister und er waren sich immer sehr nahe gewesen. Dann hatte sich alles verändert.

So wie jetzt. Dex sah, dass Shelby wieder ernst geworden war und ihn betrachtete.

Sie hatte wunderschöne Augen.

Er war ein bisschen näher an sie herangerückt, sodass sie sich fast berührten.

„Ich sollte besser auch ins Bett gehen“, sagte Shelby nervös.

„Es war für uns alle ein langer Tag.“

Die Versuchung war einfach zu groß. Er lehnte sich noch weiter zu ihr hinüber. Als er mit dem Mund ihre Lippen berührte, durchzuckte es ihn wie ein leichter elektrischer Schlag. Sie erschauerte. Dann schloss sie die Augen, und der Impuls, sie an sich zu ziehen, war überwältigend.

Doch im nächsten Moment öffnete sie die Augen und legte eine Hand auf seine Brust. Leider nicht, weil sie ihn berühren wollte.

Sie rutschte ein Stückchen von ihm weg. „Wir haben eine reine Arbeitsbeziehung. Und was wäre, wenn Tate jetzt ins Zimmer geplatzt wäre?“ Sie strich sich das Haar zurück und warf einen Blick in den Flur. „Er hat doch gerade erst ein fürchterliches Erlebnis überstanden.“

„Das hier würde ich nicht als fürchterliches Erlebnis bezeichnen …“, versuchte Dex zu scherzen.

„Wenn du gemerkt hast, dass Tates Mutter sich an Cole heranmacht, könnte Tate es auch mitbekommen haben. Er muss nicht noch dabei zusehen, wie zwei Personen, denen er vertrauen sollte, auf dem Sofa miteinander herummachen.“

Obwohl Shelby ihn plötzlich duzte – weil sie sich geküsst hatten? –, fühlte sich Dex von ihrer Bemerkung ernüchtert. Er hatte nicht vorgehabt, es so weit kommen zu lassen. Aber er hatte der Versuchung nicht widerstehen können. Himmel, er hätte ihr am liebsten die Kleider vom Leib gerissen und sie bis zum nächsten Morgen wild geliebt. Sie war so klug und amüsant, und ihr Lächeln machte ihn verrückt.

Aber Shelby war tabu. Sie war seine Angestellte. Nicht im Traum hatte er jemals daran gedacht, mit einer Assistentin oder einem weiblichen Mitglied eines Filmteams ernsthaft zu flirten. Er war ein gesunder Mann mit normalen Bedürfnissen, aber es gab Grenzen. Und eine hatte er soeben überschritten.

Außerdem hatte Shelby ihn auf etwas noch viel Wichtigeres hingewiesen. Tate hatte zu Hause in Australien gerade eine versuchte Entführung überstanden. Er sollte jetzt nicht mit einer Situation konfrontiert werden, die ihn womöglich verwirren oder beunruhigen könnte.

Was habe ich mir bloß dabei gedacht?

„Du hast recht“, sagte er. In jeder Beziehung. Er stand auf. „Ich werde mich lieber unter die kalte Dusche stellen, und dann gehe ich schlafen.“ Allein. „Und keine Angst, Shelby. Ich gebe dir mein Wort. Solange du meine Angestellte bist, werde ich dich nicht mehr anrühren, das schwöre ich dir.“

6. KAPITEL

Zwei Tage später unternahmen sie zu viert einen Ausflug nach Disneyland. Die aufregenden Attraktionen, das Essen und das viele Herumspazieren schienen Tate, im Gegensatz zu den drei Erwachsenen, überhaupt nichts auszumachen. Er lief die ganze Zeit auf Hochtouren. Dex hatte seinen kleinen Bruder noch nie so aufgekratzt erlebt. Während er Tate beobachtete, der mit großen Augen aufgeregt herumsprang, musste er an eine eigene Familie denken. An eigene Kinder.

Aber er war noch jung. Erst dreißig. Es blieb ihm noch genug Zeit, um Verantwortung zu übernehmen und Kinder in die Welt zu setzen. Ob sie wohl genauso anbetungswürdig wären wie der kleine Junge, der ihm gerade so sorglos und glücklich vorkam?

Das änderte sich jedoch schlagartig.

„Du willst weggehen, Tea?“, rief Tate laut, um das Kreischen aus der Geisterbahn zu übertönen.

„Das haben wir dir doch schon erklärt, Süßer. Ich kann nicht ewig bleiben.“ Teagan hatte sich vor ihn hingekniet. Kurz zuvor hatte sie einen Anruf auf ihrem Handy erhalten, und Tate hatte mitgehört. „Wir können uns doch später in Ruhe darüber unterhalten.“

„Später, später“, sagte Tate. „Dann bist du weg.“

In Sydney verbrachte Cole Zeit mit seinem kleinen Bruder, wann immer er konnte. Doch Tates andere Geschwister waren für den Kleinen nicht ständig erreichbar. In den vergangenen Tagen hatte Tate allerdings viel Zeit mit Teagan verbracht. Mit ihren 26 Jahren hätte sie seine Mutter sein können, und sie hatte sich rund um die Uhr um ihn gekümmert. Eloise Hunter überließ ihren Sohn dagegen oft dem Personal. Egal, wie unbeschwert der kleine Junge war, es schien nur natürlich, dass er seine große Schwester nicht gehen lassen wollte. Auch wenn Shelby sich schon bereithielt und gern für sie einspringen wollte.

„Süßer, ich habe doch Arbeit in Seattle und Leute, die dort auf mich warten.“ Teagan versuchte offenbar, ihr aufkommendes Schuldbewusstsein zu verbergen.

„Ich will nicht, dass du gehst!“

„Was hältst du davon, wenn du nach deinem Besuch bei Dex für eine Weile zu mir kommst? Eine Freundin von mir hat einen Jungen in deinem Alter. Sie leitet die Kinderbetreuung in meinem Fitnessstudio.“

Tate lächelte hoffnungsvoll. „Kann ich nicht jetzt gleich mitkommen?“

„Ich habe morgen Abend etwas vor“, versuchte Teagan zu erklären. „Die Verabredung habe ich schon vor langer Zeit getroffen. Es wäre unhöflich von mir, wenn ich jetzt absage.“

Tates Augen füllten sich mit Tränen.

Dex war schon kurz davor, den Kleinen in den Arm zu nehmen und ihm zu versprechen, dass sie eine ganze Woche lang in Disneyland bleiben würden, als Teagan plötzlich einen Rückzieher machte.

„Na gut, ich werde die Verabredung morgen Abend absagen und noch zwei Tage hierbleiben“, erklärte sie. Dann warf sie ihrem älteren Bruder einen Blick zu. „Wenn Dex und Shelby nichts dagegen haben.“

Dex zuckte die Schultern. „Bleib, solange du willst.“

Doch es war nicht zu übersehen, dass Teagan nicht wohl dabei war, ihre Verabredung abzublasen. Ging es um ihren Freund? Aber sie hatte niemand Besonderen erwähnt. Vielleicht handelt es sich um eine Freundin – oder um eine geschäftliche Angelegenheit, überlegte Dex. Gestern hatte sie kurz erwähnt, dass es ein paar Probleme in ihrem Gesundheits- und Fitnesszentrum geben würde. Womöglich streckte sie die Fühler nach einem Geschäftspartner aus, nach jemandem, mit dem sie die Arbeit, die Verantwortung und die Kosten teilen konnte.

„Nein Tea“, sagte Tate tapfer und blinzelte die Tränen fort. „Geh ruhig.“

„Na, na.“ Teagan strich dem kleinen Kerl über den Kopf. „Es ist sowieso nur so ein blödes Spiel.“

„Ein Baseballspiel?“, erkundigte sich Tate, und Teagan nickte. „Die Mariders?“, fragte Tate aufgeregt. „Die sind aus Seattle, das weiß ich.“

„Magst du die Mariners, Tate?“, fragte Dex lächelnd.

„Das ist unser Team“, erwiderte Tate. „Meins und Coles. Wir haben ein Spiel gesehen, bevor ich losgefahren bin.“ Tate legte den Kopf schief. „Cole verreist mit einer Frau. Sie meint, das nächste Mal kann ich vielleicht mitfahren.“

Dex wurde das Herz schwer. Das arme Kind. Es musste ja so aussehen, als würden ihn alle im Stich lassen. Himmel, er wünschte, alles wäre einfacher. In diesem Fall konnte er nicht viel tun – nur vom Thema ablenken.

„Wer möchte Cheeseburger?“, rief er in die Runde.

„Ich habe eine bessere Idee“, sagte Teagan.

Dex presste die Lippen zusammen. Er kannte diesen Blick – den setzte seine Schwester immer auf, wenn sie eine Entscheidung gefällt hatte, an der niemand auf dieser Welt mehr etwas ändern konnte.

„Was hältst du davon, wenn wir versuchen, noch ein Ticket für das Baseballspiel zu bekommen?“, fragte sie Tate. „Aber ich kann nichts versprechen, ich muss dafür erst mal telefonieren. Es sind Spezialtickets.“ Sie griff nach Dex’ Hand und drückte sie. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich Tate eine Woche mitnehme?“

„Natürlich nicht.“

Dex wollte nur, dass der kleine Kerl glücklich war … und sicher. Auch wenn Tate wohl in den sauren Apfel beißen und eine Weile von Sojaburgern leben musste, wenn er bei Teagan blieb.

Tate streckte die Arme aus, und Dex nahm ihn hoch. „Ich hab dich lieb“, flüsterte der Junge ihm ins Ohr.

„Ich habe dich auch lieb, Kleiner.“

In Spielfilmen waren Kinder und Hunde schon unwiderstehlich. Im wahren Leben war es noch schlimmer, stellte Dex fest. Er setzte Tate wieder ab und wandte sich um, weil er den Kloß in der Kehle herunterschlucken musste. Dann drehte er sich wieder zu Tate. „Aber du musst aufpassen, dass du nicht zu viel Tofu bekommst. Deine Schwester ist wirklich nett und alles, aber was ihre Essgewohnheiten angeht …“

„Mach ich.“ Tate lächelte schon wieder. „Kann ich noch einmal Geisterbahn fahren?“

„Zuerst machen wir aber ein Foto von uns allen.“ Auch Shelbys Augen glitzerten verräterisch, als sie auf das Display ihres Smartphones blickte, um zu fotografieren. „Erst mal eins von euch beiden.“

Sie knipste Dex und Tate, dann die drei Hunter-Geschwister, dann machte sie Aufnahmen von Tate und Teagan zusammen. Danach griff Teagan nach dem Handy.

„Ihr beide“, sagte sie zu Dex und Shelby. „Stellt euch mal zusammen hin und umarmt euch, bitte.“

Seitdem sie sich an jenem Abend kurz nähergekommen waren, hatte Dex sich vorbildlich benommen. Auch wenn es ihn ziemliche Willenskraft gekostet hatte. Shelby stellte sich neben ihn, und er hätte sie am liebsten eng an sich gezogen, genau, wie Teagan gesagt hatte.

Doch Shelby lächelte unsicher, als hätte sie Angst, jemand könne ihre Gedanken lesen und etwas über den heimlichen Kuss herausfinden. Dabei ahnte Teagan sicher nichts von ihrem Kuss oder davon, dass er den unwiderstehlichen Drang verspürte, es noch einmal zu tun. Diesmal aber richtig.

Sie lächelten, Teagan schoss ihr Foto, und Dex atmete erleichtert aus. Dann jedoch machte er den Fehler, sich zu Shelby umzudrehen, als sie ihn gerade ebenfalls ansah.

Ihre Blicke trafen sich, und er merkte, wie ihm das aufgesetzte Lächeln aus dem Gesicht rutschte. Wieder verspürte er dieses prickelnde Gefühl im Bauch, genauso wie an jenem Abend auf der Couch. Nur fühlte er die Anziehungskraft diesmal noch stärker – und Shelby schien es genauso zu gehen. Die Welt um sie herum versank, und Dex konnte nur noch daran denken, wie er ihren Mund mit seinen Lippen berührt und sie den Kuss für einen kurzen Moment erwidert hatte.

Dann durchbrach ein merkwürdiges Geräusch den Nebel, und Dex sah sich verwirrt um.

Tate gab einen Jubelschrei von sich, schwenkte die Arme und hüpfte auf und ab wie ein Gummiball. „Ich hab’s gewusst, ich hab’s gewusst!“, rief er. „Du willst Shelby küssen, und sie will dich küssen!“ Tate schlug beide Hände vor den Mund und machte schmatzende Geräusche.

Shelby beobachtete den Jungen lächelnd und versuchte, ihre Verlegenheit zu verbergen. Dex konnte es nicht fassen. Tate war ein kluges Kind, aber er war erst fünf Jahre alt, um Himmels willen. Wenn der Kleine schon bemerkte, wie sehr er sich von Shelby angezogen fühlte, dann stand es wirklich schlecht um ihn.

Oder gut? Denn morgen würde Tate nach Seattle reisen – und sein kleiner Bruder war der Hauptgrund, warum er und Shelby sich zurückgehalten hatten.

„In der Zeit, in der Tate weg ist, ziehe ich wieder in mein Apartment“, verkündete Shelby.

Es war der Tag nach ihrem Disneyland-Ausflug. Dex war gerade zur Tür hereingekommen, nachdem er seine Schwester und Tate zum Flughafen gebracht hatte. Shelby stand im Wohnzimmer, die gepackten Taschen zu ihren Füßen. Nachdem sie ihre Entscheidung laut ausgesprochen hatte, fühlte sie sich besser – und stärker.

Dex legte seine Schlüsselkarte auf die Anrichte. „Tate wird bald wieder zurück sein. Du hast doch schon dein ganzes Zeug hier.“

„Eine Reisetasche. Ich habe meine Wohnung ja genau aus diesem Grund behalten.“

„Aus welchem Grund? Falls wir allein sind?“

Shelby hielt den Atem an. Aber wenn er direkt sein konnte, konnte sie es auch. „Du hast mich angestellt, damit ich mich um deinen kleinen Bruder kümmere. Jetzt, wo er nicht da ist, weiß ich nicht, warum ich hier bin.“

Er schlenderte auf sie zu. „Ist das alles?“

Sie hob das Kinn. „Ich weiß genau, was du vorhast. Du hast mir neulich Abend versprochen, es nicht mehr zu tun.“

„Habe ich das?“

Shelby bemerkte das gefährliche Funkeln in seinen Raubkatzenaugen und stemmte die Hände in die Taille. „Aber jetzt, wo Tate weg ist und wir allein sind …“ Er kam noch näher, und sie wich zurück. „Du willst mich wieder küssen. Und … also …“

Sag es, sei ehrlich!

„Also ich fürchte, ich hätte nichts dagegen.“

Wenn die Dinge jetzt aus dem Ruder laufen und alles wieder unglücklich endet, kann ich jedenfalls niemand anderem als mir selbst die Schuld dafür geben, dachte Shelby resigniert. An jenem Abend, als sie und Dex sich geküsst hatten, hatte sie sich von ihren Gefühlen überwältigen lassen. Eigentlich war es nur ein harmloser, nicht einmal ein richtiger Kuss gewesen. Trotzdem hatte sie nie zuvor ein solches Verlangen verspürt.

Vielleicht hatte sie so extrem reagiert, weil sie – unbewusst – auf diese Weise die leidige Situation in Mountain Ridge verarbeiten wollte. Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, musste sie jedoch zugeben, dass sie sich vom ersten Augenblick an von Dex angezogen gefühlt hatte. Offensichtlich war die Anziehungskraft stärker, als sie vermutet hatte.

Sie bückte sich und hob die Reisetasche auf. „Ich will nicht, dass die Situation zu kompliziert wird.“

Dex stellte sich vor sie hin und versperrte ihr den Weg. Sofort spürte sie wieder dieses wundervolle, beängstigende Prickeln am ganzen Körper. Aber egal wie sexy, charmant und überzeugend Dex Hunter auch sein mochte – er war ihr Boss!

Als ihr sein frischer, männlicher Duft in die Nase stieg, ging sie schnell um ihn herum zur Tür. „Ich komme zurück, wenn Tate wieder da ist.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie an. „Wirklich?“

„Ich habe einen Vertrag unterschrieben.“

„Als wenn ich dich verklagen würde, wenn du den nicht einhältst.“

„Das ist nicht meine Art.“

„Immer korrekt, was?“

„Genau.“ Sie war immer ehrlich. Manchmal zu ehrlich.

„Und wenn ich verspreche, die Situation nicht auszunutzen?“

Aber das würde heißen, dass sie dasselbe versprechen müsste. Und so, wie ihr Körper auf ihn reagierte, mit dieser merkwürdigen Hitze, die sie benebelte, sie verzehrte, konnte sie solch ein Versprechen nicht geben. Sie betrachtete Dex – sein zerzaustes Haar, sein umwerfendes Lächeln, die breite muskulöse Brust …

Wenn sie ihn noch einen Moment länger ansah, würde sie schwach werden. Rasch öffnete sie die Tür. „Wie ich schon sagte … Zu kompliziert.“

Er folgte ihr. „Ich muss deine Standhaftigkeit wirklich bewundern. Vielleicht sollte ich mir ja ein Beispiel an dir nehmen und mich in Abstinenz üben.“

Diese Bemerkung machte sie wütend. Wirkte sie wie eine eiserne Jungfrau? Nicht dass Keuschheit irgendwie falsch wäre. „Es ist nicht so, dass ich noch nie Sex hatte“, platzte sie heraus.

Er rieb sich den Nacken, als würde ihm warm unter seinem Hemdkragen. „Ich wünschte, du würdest in meiner Gegenwart nicht von solchen Dingen reden.“

„Na gut.“ Mit der Reisetasche in der Hand marschierte sie in die Diele zurück. „Wenn du mich nach Hause fährst, werde ich unterwegs kein schmutziges Wort gebrauchen.“

Sie hatte einen Scherz machen wollen. Doch das hätte sie nicht tun sollen. Denn Dex blieb ernst. Dafür weiteten sich seine Pupillen, sodass die Raubkatzenaugen einen Augenblick fast schwarz wirkten. Wenn er sie jetzt in seine Arme zog, wenn er sie küsste – würde sie dann die Kraft finden, um ihn wegzustoßen? Prinzipien hin oder her, wenn seine Lippen ihren Mund berührten, gerieten Grundsätze schon mal in Vergessenheit.

Als er sich abwandte und nach seinem Autoschlüssel griff, atmete sie erleichtert aus.

Sie fuhren schweigend zu ihrem Apartmenthaus. Dex brachte sie bis zur Haustür.

„Du hast eine Schlüsselkarte für die Suite, wenn du sie brauchst“, sagte er und schob die Hände in die Hosentaschen. „Dein Gehalt wird wöchentlich auf dein Konto überwiesen.“

„Ich habe es aber nicht verdient.“

„Der Vertrag geht über ein halbes Jahr, so oder so. Und vergiss nicht, du bist auf Abruf.“

Bis Tate zurückkam.

„Und du vergiss nicht, dein Gemüse zu essen“, scherzte sie. „Denk dran, was ich gesagt habe. Es ist gesund.“

Er grinste und ging zu seinem Wagen zurück. Doch er stieg erst ein, als sie hinter der Sicherheitstür verschwunden war.

In ihrem Apartment war alles noch genauso, wie sie es zurückgelassen hatte. Shelby betrachtete das Sofa mit dem abgewetzten Baumwollbezug und die Plastiksessel, den billigen Küchentresen und den Holztisch, in den jemand die Initialen BL eingeritzt hatte. Im Schlafzimmer zuckte sie beim Anblick der schäbigen Vorhänge fast zusammen. In einer Hotelsuite in Beverly Hills zu wohnen, konnte eine Frau ganz schön verderben.

Sie stellte die Reisetasche auf dem fadenscheinigen Läufer ab und zögerte zuerst, bevor sie ihren Schulterbeutel ablegte. Schließlich öffnete sie den Reißverschluss der Innentasche und zog das Foto heraus, das sie an jenem ersten Tag mit Dex fast verloren hätte. Andächtig strich sie über die unschuldig lächelnden Gesichter und dachte an die Zeit zurück, als ihr das Leben noch so einfach vorgekommen war. Als ihre Mutter noch gelebt hatte. Als sie noch Träume vom Prinzen auf einem weißen Pferd gehabt hatte.

Die beiden Mädchen auf dem Foto waren keine Freundinnen mehr. Sie würden es wohl auch nie wieder sein. Aber das änderte nichts an der Vergangenheit, an ihrer Geschichte. Dieses Bild hatte Jahrzehnte auf ihrer Kommode gestanden. Und der zweite Abzug des Fotos?

Sicher hatte ihre ehemalige beste Freundin das Bild schon längst weggeworfen. Zumindest würde sie es außer Sichtweite aufbewahren. Reese wollte bestimmt nicht, dass Kurt das Foto sah. Und wahrscheinlich wollte auch Reese selbst sich nicht an die Vergangenheit erinnern.

Ob Reese sich für das schämte, was sie getan hatte? Shelby wäre an ihrer Stelle nicht mehr in der Lage gewesen, sich im Spiegel anzusehen. Sie hätte so etwas gar nicht erst getan.

Shelby seufzte und legte das Foto auf die Kommode. Sie sollte einkaufen gehen, den Kühlschrank füllen. Aber so wenig Lust sie auch hatte, in der Wohnung zu bleiben, so sehr widerstrebte es ihr, rauszugehen. Im Wohnzimmer schaltete sie den Fernseher an und zappte durch die Kanäle. Schließlich blieb sie bei einem alten Film hängen. Einem Liebesfilm.

Als der Abspann lief, wischte sich Shelby eine Träne von der Wange und sah sich blinzelnd im Zimmer um. Für einen Moment hatte sie alles um sich herum vergessen. Sie befand sich hier in ihrem billigen Apartment, weil sie ihr Verhältnis zu Dex rein beruflich halten musste – für Tate. Nur war der kleine Junge mit Teagan in Seattle. Reese war bei Kurt. Und sie hockte hier. Allein.

Weil sie ihre Prinzipien hatte.

7. KAPITEL

Als Dex zwei Tage später von der Arbeit nach Hause kam, merkte er gleich beim Hereinkommen, dass er nicht allein in der Suite war.

Im Wohnzimmer entdeckte er den unverwechselbaren Schulterbeutel, und er musste lächeln. Shelby war zurück, und irgendetwas Köstliches brutzelte auf dem Herd. Glücklicherweise hatte er sich nicht schon unterwegs einen Imbiss genehmigt. Shelbys Kochkünste übertrafen alles, was er bisher gegessen hatte.

Er hörte, wie sie vor sich hinsummte, dann öffnete sich die Küchentür, sie kam heraus und steuerte den polierten Esstisch an. In der einen Hand trug sie das Besteck, in der anderen die Leinenservietten. Als sie ihn sah, blieb sie lächelnd stehen.

„Ich wusste nicht, wann du zurückkommst“, sagte sie.

„Ich rieche Steak.“

„Mit Pilzsoße.“

„Ich liebe Pilze. Und ich habe auch den perfekten Wein dazu.“ Er ging zur Bar hinüber. „Du trinkst doch Wein, oder?“

„Sicher. Ein bisschen.“

Nachdem er sich die Hände gewaschen hatte, entkorkte er einen guten Rotwein und brachte die Flasche mit zwei Gläsern zum Esstisch. Shelby kam mit zwei Tellern zurück, auf denen riesige Steaks lagen. Auf dem Tisch standen bereits Schüsseln mit Salat und Kartoffelpüree. Dex lief das Wasser im Mund zusammen – und das nicht nur wegen des Essens, sondern auch bei Shelbys Anblick in dem mandarinenfarbenen Kleid. Formvollendet zog er einen Stuhl für sie hervor.

„Darf ich fragen, warum du deine Meinung geändert hast?“, erkundigte er sich, nachdem er sich gesetzt und den Wein eingeschenkt hatte.

„Ich hoffe, du bist nicht beleidigt, aber ich habe mich gelangweilt.“

„Machen Frauen dann nicht eine Therapie, die sich Shopping nennt?“ Er schnitt ein Stück vom Steak ab, steckte es in den Mund und seufzte genüsslich.

„Shopping ist nicht so mein Ding.“

„Soll das heißen, du hast beschlossen hierzubleiben?“

Während sie das Dressing auf dem Salat verteilte, nickte sie, und er hob sein Glas. „Darauf lass uns anstoßen.“

„Wir müssen uns aber auf einige Grundregeln einigen“, sagte Shelby, nachdem sie einen Schluck getrunken und das Glas wieder abgesetzt hatte.

„Das klingt sehr formell.“

„Ich werde das Essen zubereiten und mich um die Wäsche kümmern. Nur um das klar auszudrücken, dieses Arrangement beinhaltet nicht, dass ich mit dir ins Bett hüpfe.“

„Ich werde nicht einmal daran denken.“

Ihre Lippen zuckten. „Also abgemacht.“ Erleichtert, dass sie das geklärt hatte, deutete sie auf seinen Teller. „Wie ist das Steak?“

„Gar nicht so übel“, scherzte er.

„Dafür musst du den Abwasch machen.“

„Gibt es da nicht eine Maschine, die so etwas erledigt?“

„Ich bevorzuge das Abwaschen und Trocknen von Hand.“

Es klang ziemlich mühsam. Doch schon beim zweiten Bissen fühlte sich Dex so von Glückshormonen überschwemmt, dass er wusste, für dieses köstliche Essen und Shelbys Gesellschaft würde er jeden Preis zahlen.

Nach dem Dinner half Dex tatsächlich beim Abwaschen, und es machte ihm sogar Spaß. Er hätte noch einen Kaffee und Nachtisch vorgeschlagen, aber Shelby schien entschlossen, sich zurückzuziehen. Oder wollte sie flüchten?

Nicht dass er vorgehabt hätte, sie zu bedrängen. Sie war zu ihm zurückgekommen. Himmel, er hatte sie so vermisst. Aber in Shelbys Welt bedeutete das keine Einladung für den nächsten Schritt. Er würde es langsam angehen lassen. Auf keinen Fall wollte er sie wieder vertreiben.

Er ging also allein ins Bett und beschloss, nicht lange darüber zu grübeln, was der nächste Tag mit Shelby bringen würde. Am folgenden Morgen, als er, geduscht und für die Arbeit angezogen, gerade seine Krawatte umband, stieg ihm der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase. Er fand Shelby in der Küche, wo sie den Teig für Pfannkuchen zubereitete. Das Haar hatte sie hochgesteckt, aber eine einzelne vorwitzige Strähne fiel ihr in die Stirn. Mit einem schwachen Kissenabdruck auf der Wange sah sie zum Anbeißen aus.

Sie blickte auf und blies sich die Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hungrig?“, erkundigte sie sich.

Ja, aber nach etwas anderem als Pfannkuchen, dachte er.

Er ging zur Kaffeemaschine und goss sich eine Tasse ein. „Darauf komme ich später noch mal zurück. Ich habe gleich ein Meeting“, erklärte er.

Shelby leckte sich genüsslich etwas Teig vom Daumen. Dex’ Puls begann bei dem Anblick zu rasen. Er musste sich auf die bevorstehende Besprechung mit Rance Loggins konzentrieren. Auf seinem Schreibtisch war ein weiteres vielversprechendes Manuskript gelandet. Rance war wieder zurück in der Stadt, und Dex hätte gern seine Meinung gehört.

Er trank hastig seine Tasse leer. Dabei tropfte etwas Kaffee auf sein weißes Hemd. Schnell ging er zum Waschbecken, befeuchtete ein Geschirrtuch und rieb an dem Fleck.

„Das muss richtig eingeweicht werden“, erklärte Shelby.

Er stellte sich vor sie hin. „Sieht man den Fleck?“

Sie nickte. „Aber gestern, bevor du nach Hause gekommen bist, wurde die Wäsche geliefert. Da sollten … saubere … Hemden …“

Er hatte die Krawatte abgenommen und war dabei, sein Hemd aufzuknöpfen, als er bemerkte, dass Shelby ihn anstarrte und nicht weiterredete. Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet. Schnell griff sie nach der Milchtüte, um sie wegzustellen.

Sie blieb einen Moment vor dem geöffneten Kühlschrank stehen und tat so, als müsse sie den Inhalt überprüfen. Dann drehte sie sich wieder um, und in ihren Augen lag immer noch dieser halb verzauberte, halb schuldbewusste Blick. Ihre Stimme klang heiser.

„Bist du heute Abend zum Dinner zu Hause?“

„Ich muss zu einer Veranstaltung.“

„Du bist ein viel beschäftigter Mann.“

„Es ist eine Benefiz-Dinnerparty, also für einen wohltätigen Zweck.“

Sie blinzelte. „Oh, tut mir leid. Ich dachte, es geht um eine Premiere oder eine Preisverleihung oder irgendwas weniger … Bescheidenes.“

„Die Kosten für das Ticket waren nicht bescheiden.“ Er lächelte. „Ich könnte noch eine zweite Karte besorgen, wenn du mich begleiten und einen guten Zweck unterstützen möchtest.“

Sie warf ihm einen gequälten Blick zu. „Ich passe nicht auf so eine Party.“

Er stellte sie sich in einem fließenden Abendkleid vor, das ihre Kurven vorteilhaft zur Geltung brachte, und grinste. „Doch, das tust du.“

„Du hast gesagt, du erwartest nicht von mir, dass ich dich zu solchen Veranstaltungen begleite.“

„Ich bitte dich nicht als dein Boss, Shelby.“ Er musste sich beherrschen, um nicht diese lose Strähne zurückzustreichen und ihren Nacken zu streicheln. „Es könnte doch Spaß machen.“

Sie ging wieder zum Tisch und beschäftigte sich mit ihrem Teig. „Nein.“

„Nein, es würde keinen Spaß machen?“

„Nein, ich komme nicht mit.“ Sie schaltete den Herd an. „Ich bin sicher, du hast genug Tanzpartnerinnen zur Auswahl.“

„Ich habe kein Interesse an Tanzpartnerinnen.“

„Warum nicht?“

„Weil ich nicht tanze.“

Sie lachte.

„Es stimmt. Ich habe zwei linke Füße, wenn es ums Tanzen geht.“

„Das glaube ich dir nicht.“ Sie blickte von der Pfanne auf, in die sie gerade etwas Teig gegeben hatte, und sah ihn prüfend an. „Wann hast du es zum letzten Mal probiert?“

„Auf meiner Abschlussfeier. Meine Partnerin war nicht glücklich mit mir.“

Shelby lächelte, dann wurde sie wieder ernst. „Die Grundschritte sind nicht so schwierig zu lernen.“

„Ich komme ganz gut ohne klar.“

„Aber es gibt Anlässe, zu denen man tanzen muss.“

„Ich bin der lebende Beweis, dass es auch ohne geht.“

„Was ist mit einem Hochzeitswalzer?“

Daran hatte er noch nie gedacht. Warum sollte er auch?

Viel lieber beobachtete er Shelby und atmete das aufsteigende Aroma des Pfannkuchens ein. Aber noch mehr genoss er den Duft ihrer Haare. Nach Wildblumen und Minze. Er musste sich zusammenreißen, um nicht noch näher an sie heranzutreten. Er konnte von ihrem Duft einfach nicht genug bekommen.

Shelby drehte sich zum Herd um. „Ich dachte, du musst zu einem Meeting.“

Er atmete tief durch. „Ja, muss ich.“

„Und du wolltest vorher noch dein Hemd wechseln.“ Sie sah ihn an und zeigte mit dem Finger auf seine Lippen. „Außerdem hast du Zahnpasta im Mundwinkel.“

Er rieb sich über den Mund.

„Nicht da“, sagte sie. „Hier.“

Als er sich wieder über den Mund wischte, zog sie sich ihren Ärmel über die Hand und betupfte seinen Mundwinkel. Ihr Gesicht war seinem plötzlich ganz nah. Die Haarsträhne war ihr wieder über die Wange gefallen, ihre Haut wirkte makellos, und ihre großen hellen Augen glänzten im Licht der Morgensonne, die durchs Fenster strömte.

Als sie seinen Blick bemerkte, ließ sie die Hand langsam sinken. Während sie auf seinen Mund starrte, schien die Luft zwischen ihnen auf einmal zu knistern.

Er sollte sie nicht küssen. Zumindest nicht jetzt. Aber warum neigte er dann den Kopf? Und warum trat sie nicht zurück?

Seine Lippen waren nur noch einen Hauch von ihren entfernt. Er wollte den Arm um sie legen und stieß dabei gegen die Schüssel mit dem Teig.

Shelby erstarrte. Sie wich zurück, dann bemerkte sie, dass der Teig in der Pfanne anbrannte. Schnell riss sie die Pfanne von der Herdplatte und kratzte hektisch den Teig heraus. Dex stöhnte im Stillen auf. Kaffeeflecken, verschmierte Zahnpasta und verbrannter Pfannkuchenteig. Normalerweise war er nicht so ungeschickt, aber heute Morgen schien er das Unheil geradezu anzuziehen.

„Du willst sicher nicht zu spät kommen“, sagte Shelby so ruhig, als wäre nichts geschehen, und füllte neuen Teig in die Pfanne.

Sie hatte recht. Wenn er noch länger hierblieb, würde er womöglich noch etwas kaputt machen – im schlimmsten Fall ihr Vertrauen.

Er war schon an der Tür, als sie ihn mit einer Frage zurückhielt. „Was machen eigentlich die Ratten in deinem Keller?“

Seiner Meinung nach machte man ein Problem nur noch schlimmer, wenn man ständig darin herumstocherte. Er hatte von dem feigen Möchtegernerpresser nichts mehr gehört. Aber er war froh, dass die Überwachungskameras installiert worden waren. Wenn der Erpresser glaubte, er könnte sein Spiel weiterspielen, würde er merken, dass Dex Hunter nicht auf solche Forderungen einging.

„Die Ratten sind unter Kontrolle“, versicherte er Shelby, dann verließ er die Küche und hatte die Angelegenheit im nächsten Moment schon wieder aus seinem Kopf verbannt.

Gegen Mittag erhielt Shelby einen Anruf.

„Für Sie ist etwas an der Rezeption hinterlegt worden, Miss Scott“, sagte Mr Lipou, der Hotelmanager.

Shelby warf einen Blick in den Spiegel, der neben ihr an der Wand hing, und betrachtete ihre zerzausten Haare. Seit Dex heute Morgen die Suite verlassen hatte, versuchte sie mit einem Backmarathon die Spannung abzubauen, die sie immer noch verspürte. Zu Hause in Mountain Ridge wäre sie auf ihr Pferd gestiegen und durch die weite, offene Landschaft galoppiert, so lange, bis sie völlig erschöpft gewesen wäre.

Warum war sie zu ihm zurückgekehrt? Sie wusste es selbst nicht. Wollte sie eine ernste Beziehung mit ihm anfangen? Eine intime Beziehung? Oder wollte sie schlicht und einfach umwerfenden Sex? Die Luft knisterte förmlich, sobald sie und Dex zusammen waren, und der Gedanke erschien ihr immer unwiderstehlicher.

Je mehr Kekse sie gebacken hatte, desto besser gefiel ihr die Vorstellung. Wenn ihr eine heiße Affäre mit Dex Hunter nicht half, das unsägliche Erlebnis in Mountain Ridge zu vergessen, dann würde gar nichts helfen. Sie musste sich nur immer vor Augen halten, dass es nur eine kurzfristige Affäre sein würde …

Gefühle hatten dabei nichts zu suchen.

Am anderen Ende der Leitung erkundigte sich der Manager, wann sie die Sendung abholen könne.

„Kann das nicht jemand bringen?“, fragte sie.

„Ich fürchte, das ist nicht möglich“, entgegnete Mr Lipou. „Sie müssten es selbst abholen, und zwar innerhalb der nächsten Stunde.“

Bevor sie ihn daran erinnern konnte, dass dies ein Fünfsternehotel war und es deshalb ganz sicher möglich sein sollte, eine Sendung in die Gästesuite zu bringen, hatte Mr Lipou schon aufgelegt.

Kurz darauf stand Shelby an der Rezeption und fragte sich, was wohl so eilig sein konnte. In ihren Jeansshorts und dem T-Shirt fühlte sie sich in der vornehmen Lobby fehl am Platz. Nachdem sie ihren Namen genannt hatte, öffnete die Rezeptionistin eine Schublade und zog einen Umschlag mit dem Siegel des Hotels heraus. Shelby zog sich in eine ruhige Ecke des Foyers zurück und riss das Kuvert auf.

Darin fand sie einen Gutschein mit dem Hotelemblem über einen Einkauf in der hauseigenen Boutique, einen Friseurbesuch und eine Kosmetikbehandlung im Hotel, einzulösen an diesem Nachmittag – mit besten Wünschen von Dex Hunter. Im Anhang stand der Hinweis, dass sie um sieben Uhr abends mit einer Limousine abgeholt werden würde.

Sie sank in einen gepolsterten Schalensessel. Dex hatte also ein zweites Ticket für diese Wohltätigkeitsveranstaltung organisiert. Dabei hatte sie sich doch klar ausgedrückt! Sie war kein Partytyp. Nun, sie würde einfach nicht hingehen. Die Limousine konnte warten, aber sie würde nicht kommen.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl fiel ihr eine Boutique auf – „Let’s Pretend“, das war auch der Name, der auf dem Gutschein stand. Neugierig warf sie einen Blick auf die Abendkleider im Schaufenster – ein schwarzes Cocktailkleid, eine feuerrote Galarobe und ein Kleid, das einfach geschnitten war, aber umwerfend feminin wirkte …

Shelby trat einen Schritt zurück. Das Kleid war viel zu teuer für jemanden wie sie.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Eine Verkäuferin war an die Tür gekommen.

„Nein, danke“, murmelte Shelby und wollte sich schon umdrehen, als die Frau den Gutschein in ihrer Hand entdeckte.

„Sind Sie Miss Scott? Mr Lipou hat Sie schon angekündigt. Kommen Sie doch herein! Mein Name ist Celeste.“ Sie begutachtete das Kleid im Schaufenster und sah dann Shelby an. „Das würde Ihnen hervorragend stehen.“

Shelby warf noch einen Blick auf das Kleid. „So etwas habe ich noch nie getragen.“

Celeste nahm sie beim Arm und führte sie in die Boutique. „Während Sie es anprobieren, verabrede ich schon mal einen Termin für den Friseur und im Kosmetiksalon.“ Sie drückte Shelbys Hand. „Sie werden heute Abend einfach umwerfend aussehen.“

8. KAPITEL

Nachdem er für heute Schluss gemacht hatte, duschte Dex und zog sich um. Einen Smoking und seine Büffellederschuhe bewahrte er für solche Anlässe immer im Büro auf. Während er seine Fliege umband, summte er vor sich hin. Er verspürte eine freudige Erregung bei dem Gedanken an den bevorstehenden Abend. Das zweite Ticket zu bekommen, war kein Problem gewesen.

Die Frage war, ob Shelby sich aus ihrem Schneckenhaus herauslocken ließ und die Einladung annahm. Vielleicht war sie etwas zurückhaltend, aber sie würde zweifellos alle mit ihrem Charme bezaubern. Sie hatte das, was im Filmgeschäft allgemein Starpotenzial genannt wurde. Schwierig zu beschreiben. Und fast unmöglich, es zu erzwingen. Seiner Meinung nach besaß eine Person Charisma oder nicht. Shelby hatte es.

Rance hatte es auch gemerkt.

Vielleicht würde er Shelby an die Filmleute verlieren, wenn er sie heute überall vorstellte. Er gönnte ihr jeden Erfolg, obwohl er zugeben musste, dass er in Bezug auf sie selbstsüchtig war. Er wollte sie am liebsten ganz für sich allein behalten.

Aber sie hatten nur ein vorübergehendes Arrangement getroffen. Er und seine Familie wollten seinem Vater in der momentanen schwierigen Situation helfen. Mit etwas Glück würden die Attentäter bald verhaftet werden, dann konnte Tate nach Hause zurückkehren. Und das hieße, dass Shelby ebenfalls gehen würde.

Als Dex am Veranstaltungsort ankam, wimmelte es schon von schönen Menschen, die sich im Blitzlichtgewitter der Fotografen sonnten – der übliche Rummel. Er blieb in sicherem Abstand zum roten Teppich an der Seite stehen und sah auf seine Uhr. Der Hotelmanager hatte ihn bereits angerufen: Shelby habe sich ein Kleid und Accessoires ausgesucht. Mike, der Fahrer seines Studios, hatte sich nicht gemeldet, also hatte Shelby die Fahrt offenbar nicht abgesagt. Von Shelby selbst hatte er keine Nachricht erhalten.

Dex betrachtete seine Manschettenknöpfe und warf dann einen Blick die Straße hinunter. Sie müsste bald eintreffen.

Nach einer halben Stunde ließ der Strom der ankommenden Gäste nach. Da die Veranstaltung bald beginnen würde, sollte er langsam hineingehen. Er wollte gerade bei Mike anrufen, um sicherzugehen, dass Shelby unterwegs war, da klingelte sein Handy.

„Ich wollte mich nur mal melden“, sagte Teagan.

„Geht es Tate gut?“

„Er amüsiert sich prächtig. Ach, Dex, er ist so entzückend. Ich möchte ihn am liebsten gar nicht mehr weggeben.“

„Teilen war noch nie dein Ding.“

Als einziges Mädchen im Hunter-Haushalt hatte Teagan immer große Aufmerksamkeit und einige Privilegien genossen. Andererseits hatte sie nach einem Unfall als Kind zahlreiche Operationen und lange Krankenhausaufenthalte über sich ergehen lassen müssen. Es war kein Geheimnis, dass diese Erfahrung zu ihrem Entschluss beigetragen hatte, sich in der Gesundheits- und Fitnessbranche zu etablieren. Wer käme jetzt auf die Idee, dass sie als Kind so lange bettlägerig gewesen war?

„Also bitte“, entgegnete Teagan. „Ich kann mich erinnern, dass sich früher alle ein Bein ausrissen, um dem wundervollen Dexy alles zu geben, was er sich wünschte.“ Dann wurde sie plötzlich ernst. „Dex, ich habe heute einen Anruf von einer Versicherungsfirma bekommen. Der Mann meinte, du hättest ihn angewiesen, Kontakt zu mir aufzunehmen.“

Dex stellte sich auf die Zehenspitzen. Kam da gerade eine Limousine langsam die Straße herunter?

„Der Mann meinte, es hätte bei dir zu Hause ein Feuer gegeben und du wärst froh, dass es sich nicht ausgebreitet hat“, fuhr Teagan fort.

Dex erstarrte. „Was hast du geantwortet?“

„Ich habe aufgelegt. Mir ist klar, dass du Mr Cool bist, aber du hättest doch sicher etwas von einem Feuer gesagt, besonders, nachdem Tate dich besuchen wollte.“

Dex suchte nach einer halbwegs glaubhaften Erklärung, als er Mikes Limousine mit Shelby darin erkannte. „Ich muss jetzt Schluss machen.“

„Bist du auf einer Veranstaltung? Ich höre den Lärm im Hintergrund. Mit wem bist du da? Shelby?“

„Wie kommst du darauf?“

„Tate ist nicht der Einzige, dem aufgefallen ist, wie scharf ihr aufeinander seid.“

„Jetzt muss ich leider tschüss sagen.“

Teagan lachte. „Viel Spaß. Aber den hast du ja sowieso immer.“

Während Dex auf den glänzenden Wagen zuging, der am Straßenrand hielt, war ihm überhaupt nicht nach Spaß zumute. Immer wieder gingen ihm Teagans Worte durch den Kopf. Diese Ratte spielte also noch immer ihr Spielchen. Jetzt versuchte der Kerl, über seine Schwester an ihn heranzukommen. Er musste Teagan warnen.

Und Tate?

Nach Australien konnte er noch nicht zurückkehren. Wynn würde den Kleinen sofort bei sich in New York aufnehmen. Aber wenn der Möchtegern-Erpresser bei Teagan angerufen hatte, könnte er die anderen Familienmitglieder ebenfalls aufspüren, auch Wynn.

Dex hatte keine andere Möglichkeit.

Sein kleiner Bruder musste bei ihm bleiben, und er selbst musste für seine Sicherheit sorgen. Er würde alle Hebel in Bewegung setzen, um diesen Drohungen ein Ende zu machen. Morgen würde er einen Privatdetektiv anheuern und einen Sicherheitsdienst für sich und Tate sowie für Teagan in Seattle beauftragen. Aber vorerst … würde er das Beste aus diesem Abend mit Shelby machen.

Shelby glitt förmlich aus der Limousine. Es sah aus, als stiege sie geradewegs aus einem Filmplakat. Ihr glänzendes Haar floss ihr offen über die Schultern und den Rücken. Was auch immer die Kosmetikerin benutzt hatte, um ihre Augen zu betonen, das Ergebnis war umwerfend. Und dieses Kleid …

Der purpurrote Satinstoff schmiegte sich weich um ihre Kurven und um ihre langen Beine. Er reichte ihr lächelnd die Hand, und sie erwiderte sein Lächeln. Er schob die Gedanken an seine Probleme beiseite und führte sie zum Eingang.

„Dir ist wohl klar, dass du hier jede andere Frau in den Schatten stellst“, sagte er. „Die Gäste werden sich alle nach dieser neuen Hollywoodschönheit erkundigen.“

„Nur damit du es weißt“, sagte sie, während sie sich einen Weg zum Ballsaal bahnten. „Zuerst war ich sauer, weil du das Ticket, das Kleid und alles andere organisiert hast.“

„Immer noch sauer?“

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Um ehrlich zu sein, im Moment fühle ich mich wie eine Prinzessin.“

„So wirkst du auch. Vielleicht hat man dich ja als Baby aus einer europäischen Königsfamilie entführt.“

Sie verdrehte die Augen. „Eine Fantasie hast du!“

Shelby schien gar nicht zu ahnen, wie umwerfend sie aussah. Dex musterte sie noch einmal bewundernd. Aber sie hatte auch heute Morgen mit dem Teig an den Händen und ohne Make-up wunderbar ausgesehen.

Als sie beim Eintreten in den Saal die glitzernden Kronleuchter und die festlich gedeckten Tische sah, machte Shelby große Augen. Begleitet vom Gemurmel der Gäste, dem leisen Klingen der Champagnergläser und der Musik der zwölfköpfigen Band wurden sie an einen Extratisch in der Nähe der Bühne geführt. Fünf andere Paare, die bereits am Tisch saßen, nickten ihnen zu, und sie wurden einander vorgestellt.

Als sie beide schließlich saßen und Dex Shelby gerade fragen wollte, wie ihr Tag gewesen war, tippte ihm jemand auf die Schulter. Er drehte sich um.

Rance Loggins stand im Smoking und mit einer knalligen orangefarbenen Fliege um den Hals hinter ihm und strahlte ihn an – oder vielmehr Shelby.

„Ich hätte wissen müssen, dass ich euch hier treffe“, sagte er zu Dex.

„Wenn du heute Morgen zum Meeting erschienen wärst, hätte ich es sicher erwähnt“, entgegnete Dex.

Rance beugte sich vor. „Shelby, Sie sehen einfach unglaublich aus.“

Shelby lächelte zurückhaltend. „Vielen Dank.“

„Hattest du das Meeting vergessen?“, sagte Dex. Es gefiel ihm nicht, wie Rance seine Begleiterin anstarrte – wie ein Bär ein Glas Honig.

„Du hast doch auch schon öfter Meetings verschoben“, erwiderte Rance. „Wir haben noch genug Zeit, um an diesem neuen Projekt zu arbeiten.“

Dex lehnte sich zurück. Mit Schaudern dachte er daran, was wohl passiert wäre, wenn Shelby sein Job-Angebot tatsächlich angenommen hätte.

Rance wandte sich wieder an Shelby. „Wenn die Reden und das Essen vorbei sind, würden Sie dann mit mir tanzen?“

Dex unterdrückte ein Knurren und stand auf. „Das Programm beginnt gleich, du solltest zu deiner Begleitung zurückgehen.“

Rance richtete sich ebenfalls auf, wobei er mit der Nase auf Höhe von Dex’ Kinn blieb. „Ich frage nur, weil ich genau weiß, dass du dir lieber eine Grippe einfängst, als Foxtrott zu tanzen. Und so wie Shelby heute Abend aussieht, muss sie sich wenigstens einmal auf der Tanzfläche zeigen.“

„Meinst du vielleicht, sie wird sonst von niemandem aufgefordert?“

Rance grinste. „Mein lieber Freund, alle Männer werden sich um sie reißen.“

„Es ist gerade jemand auf das Podium getreten“, mischte sich Shelby ein. „Wir reden später noch, Rance, okay?“

Rance sah sie an. „Ich freue mich schon.“

Dex ließ sich auf seinen Stuhl fallen.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Shelby.

Dex verzog die Lippen zu einem grimmigen Lächeln. Ja, er war wütend. Was für ein Spielchen trieb Rance eigentlich? Wollte er weiter für Hunter Productions arbeiten oder nicht? Denn egal, wie hingerissen er von ihr war, Shelby war heute mit ihm hier. Manche Typen wussten einfach nicht, wie weit sie gehen durften.

So wie dieser verrückte Möchtegern-Erpresser, der Teagan angerufen und sich als Versicherungsvertreter ausgegeben hatte. Dex konnte es nicht erwarten, sich morgen gleich darum zu kümmern und diese Sache ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

„Dex, Darling, wie schön, dich zu sehen. Ich glaube, diese junge Dame kenne ich noch nicht.“

Dex erzählte der Frau, die an ihren Tisch gekommen war, von ihrem Babysitter-Arrangement, und sie lauschte interessiert.

Trotz ihrer anfänglichen Vorbehalte – und Dex’ düsterer Miene, als Rance angekündigt hatte, mit ihr zu tanzen – war Shelby überrascht und erfreut darüber, wie sich der Abend entwickelte. Alle an ihrem Tisch und die, die vorbeikamen, um Hallo zu sagen, interessierten sich eingehend für sie. Minerva Vine, mit der Dex gerade redete, war mit einer ganzen Reihe von Saphiren behängt. Ihr Kleid hätte ein Modell aus der Vogue sein können.

„Und Sie haben noch nie als Model gearbeitet?“, erkundigte sich Minerva bei Shelby. „Dabei war ich wie hypnotisiert, als Sie hereinkamen. Sie bewegen sich, als wären Sie für den Laufsteg geboren!“

Shelby brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Das kann ich mir kaum vorstellen, nachdem ich all die Jahre praktisch im Pferdesattel verbracht habe.“

„Ich dachte mehr an Badeanzüge als an Cowboyhüte.“ Minerva öffnete ihre paillettenbesetzte Handtasche. „Ich führe eine Mo-
delagentur hier in Los Angeles. Vielleicht möchten Sie mal vorbeikommen, und wir sprechen über einen Auftrag.“

Dex strich die Serviette auf seinem Schoß glatt. „Ich fürchte, Shelby hat kein Interesse am Modeln.“

Und ganz bestimmt nicht für Bademoden, dachte Shelby. „Vielen Dank“, sagte sie daher. „Aber ich glaube, mein Vater wäre schockiert, wenn ich vor aller Augen halb nackt posiere.“

„Aber meine Liebe, falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, Ihr Kleid lässt auch nicht allzu viel Raum für Fantasie“, entgegnete Minerva. „Jeder Mann hier im Saal würde über Glasscherben kriechen, um mehr zu sehen.“

Shelby errötete bis in ihren tiefen Ausschnitt hinein. Wahrscheinlich war sie sogar bis zu den Knien rot angelaufen. Sicher, das Kleid war sehr figurbetont. Und wegen des weichen Stoffs und des Schnitts hatte ihr die Verkäuferin in der Boutique empfohlen, einfach den BH wegzulassen. Zuerst hatte sie zwar das Gefühl gehabt, als würde sie tatsächlich halb nackt herumlaufen. Aber sie hatte nie beabsichtigt, sich zu produzieren.

Minerva tippte ihr auf die nackte Schulter. „Denken Sie an mein Angebot. Nehmen Sie sich ruhig so viel Zeit, wie Sie brauchen.“

Als Shelby nach der Karte griff, die Minerva neben ihr Glas gelegt hatte, bedeckte Dex ihre Hand mit seiner. Er lehnte sich zu ihr hinüber, und sein warmer Atem streifte ihr Ohr. „Wie gut, dass wir einen Vertrag gemacht haben.“

„Ich möchte gar nicht modeln“, sagte sie, als er ihr kurz mit dem Daumen über die Hand strich.

„Trotzdem hat Minerva recht“, sagte Dex. „Die Kamera würde dich lieben.“

Shelby sah sich in dem prachtvollen Saal um, in dem sich die High Society amüsierte, und staunte über die Selbstverständlichkeit, mit der sie heute Abend hier akzeptiert wurde. Es war so ganz anders als an jenem letzten schrecklichen Abend in Mountain Ridge. Sie hatte sich so gedemütigt gefühlt. Wie eine Ausgestoßene. Wenn ihr Vater nicht dort leben würde, würde sie nie wieder dorthin zurückgehen.

Aber hatte sie hier wirklich ein neues Zuhause gefunden? Einen Ort, an dem sie Unterstützung und Zuspruch fand statt böses Gerede hinter ihrem Rücken? Sie hätte ihr ganzes Leben in Mountain Ridge verbringen können. Sie hatte Freunde dort gehabt. Doch Klatschgeschichten wie die, die nun über sie erzählt wurden, blieben den Leuten im Gedächtnis. Und ihr blieb die Scham.

Das Dinner ging weiter, und zwischen den einzelnen Gängen wurden Reden gehalten. Die Redner auf dem Podium sprachen über Familien von Militärangehörigen, die zu ihren Angehörigen hielten, wenn diese verletzt oder krank aus dem Kriegseinsatz zurückkehrten. Kurze Vorträge über Marathonläufe, Galas, Auktionen, Stipendien und Fundraising-Programme zugunsten ehemaliger Soldaten wurden gehalten. Während all der Reden hörte Dex ernst zu. Shelby hatte ihn noch nie so in sich gekehrt erlebt. Er hatte aber auch noch nie besser ausgesehen.

Dex Hunter hätte selbst ein Filmstar sein können.

„Was hast du eigentlich mit dieser Veranstaltung zu tun?“, fragte sie ihn, als der letzte Applaus verklungen und der formelle Teil des Abends beendet war.

„Wir alle kennen jemanden, der auf die eine oder andere Art Opfer gebracht hat. Deshalb sind wir auch alle betroffen.“

Er klang so ernst, so engagiert. Am liebsten hätte sie ihn umarmt. „Und wann bist du deinen letzten Wohltätigkeitsmarathon gelaufen?“, scherzte sie.

„Oh, du solltest mich auf dem Laufband sehen!“

Er lachte, aber sie ließ sich nicht täuschen. „Das machst du automatisch.“

Er griff nach seinem Glas. „Was?“

„Dein wahres Ich verbergen.“

„Ich schwöre, ich laufe keinen Marathon.“

Das hatte sie natürlich nicht gemeint. „Hinter deinem strahlenden Lächeln und der Hollywood-Fassade bist du ein sehr sensibler Mann“, sagte sie.

Er war verantwortungsbewusst und setzte sich für das ein, was wichtig war – für seine Familie und für Menschen, denen es nicht so gut ging wie ihm selbst.

Die Musiker spielten wieder, der Saal wurde verdunkelt, und eine Discokugel warf bunte Lichtblitze durch den Raum. Shelby beobachtete, wie die Tanzfläche sich langsam füllte, und dachte an Rance Loggins. Sie tanzte sehr gern, aber sie war mit Dex hier.

Dex blickte ebenfalls zur Tanzfläche hinüber. Sein Gesicht blieb unbewegt. Dachte er vielleicht daran, dass Rance jeden Moment auftauchen konnte? Shelby wollte nicht, dass es wegen ihr Ärger zwischen den beiden Freunden gab.

„Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir schon gehen?“, fragte sie. „Ich habe zu viel Wein getrunken, in meinem Kopf dreht sich alles.“

Im gleichen Moment erschien jemand an ihrem Tisch.

„Darf ich diese wunderbare Lady für ein Tänzchen entführen?“, fragte ein Mann mit texanischem Akzent. „Ich verspreche auch, sie wieder zurückzubringen.“ Er grinste. „Jedenfalls verspreche ich, es zu versuchen.“

„Tut mir leid, wir wollten gerade gehen“, sagte Shelby, bevor Dex antworten konnte.

Der Mann, den sie schon mehrmals auf der Kinoleinwand gesehen hatte, zuckte lässig die Schultern. „Dann freue ich mich auf die nächste Gelegenheit.“

Als der Schauspieler davonschlenderte, wandte sich Dex ihr zu. „Ich verderbe dir die Party.“

„Überhaupt nicht.“

„Geh ruhig tanzen. Ich hole Owen zurück.“

Autor

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