Sexy, süß, frech, sucht …

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4 Romane in einem Band

Der Liebesbeweis
Der attraktive Jess Harkins will Katie beweisen, dass er ein guter Liebhaber ist! Und sie ist zu jeder Schandtat bereit. Unter einer Bedingung: Sie will die Kontrolle behalten!

Der Cowboy
Kontrolle? Nicht so wichtig, findet Jo. Viel wichtiger ist ihr erst einmal ein Mann für ihre Ranch! Wie gut, dass es so sexy Cowboys wie Quinn gibt. Selbst wenn der aus New York ist ….

Der beste Freund
Auf nach New York! denkt sich Tess. Sie will endlich die große weite Welt sehen. Aber vorher hat sie noch etwas Dringendes zu erledigen: ihren besten Freund Mac verführen …

Die Wette
Sie soll Sam verführen? Bloß wegen einer Wette? Da fallen Kasey doch noch tausend bessere Gründe ein. Wie zum Beispiel, dass sie unsterblich in ihn verliebt ist …


  • Erscheinungstag 01.06.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783955763428
  • Seitenanzahl 544
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sexy, süß, frech, sucht …

Vicki Lewis Thompson

Der Liebesbeweis

Aus dem Amerikanischen von Christian Trautmann

Vicki Lewis Thompson

Der Cowboy

Aus dem Amerikanischen von Sarah Heidelberger

Vicki Lewis Thompson

Der beste Freund

Aus dem Amerikanischen von Jana Jaeger

Vicki Lewis Thompson

Die Wette

Aus dem Amerikanischen von Brigitte Marliani-Hörnlein

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Talking About Sex …

Copyright © 2005 by Vicki Lewis Thompson

With A Stetson And A Smile

Copyright © 1999 by Vicki Lewis Thompson

Pure Temptation

Copyright © 1999 by Vicki Lewis Thompson

Old Enough to Know Better

Copyright © 2004 by Vicki Lewis Thompson

erschienen bei: Harlequin Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Maja Gause

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München

ISBN eBook 978-3-95576-342-8

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Vicki Lewis Thompson

Der Liebesbeweis

Aus dem Amerikanischen von Christian Trautmann

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1. KAPITEL

Jess Harkins war zu alt für Verkupplungsversuche. Doch das hatte er in einem Moment der Schwäche vergessen, weshalb jetzt diese Frau neben ihm in seinem Jaguar saß – Suzanne Dougherty, eine Bekannte seines Freundes Gabe und von diesem angekündigt als “witzig und genau dein Typ”.

Sie hatten bei einem sehr teuren Abendessen bei “Anthony’s” angestrengt versucht, eine Unterhaltung in Gang zu halten, und waren jetzt auf dem Weg ins “Flying V” zum Tanzen, weil es unhöflich wäre, sie um neun Uhr an einem Freitagabend nach Hause zu bringen. Wieso hatte er sich überhaupt darauf eingelassen?

Gabe, seit fünf Jahren Vorarbeiter in seiner Baufirma, hätte wissen müssen, dass es keinen Sinn hatte, ihn mit jemandem wie Suzanne zusammenzubringen. Gabe und er besuchten oft gemeinsam Sportveranstaltungen und machten Bergwanderungen. Inzwischen sollte sein Freund eigentlich wissen, was für Frauen ihm gefielen. Doch entweder besaß Gabe keine allzu gute Menschenkenntnis, oder seine Bekannte hatte ihn dazu gedrängt, dieses Blind Date zu arrangieren. Wie dem auch sei, es funktionierte nicht.

Suzanne stellte das Radio an. “Lass uns Musik hören.”

“Gute Idee.” Hauptsache, kein peinliches Schweigen, dachte Jess.

Kaum hatte sie den Knopf gedrückt, fiel ihm ein, auf welchen Sender das Radio eingestellt war und was von montags bis freitags nach den Neun-Uhr-Nachrichten kam.

“Hallo, Leute! Hier ist Crazy Katie vom Sender KRZE in Tucson, Arizona. Heute ist Freitag, der siebzehnte Oktober, und dies ist Sex Talk!”

Suzanne lachte schrill. “Ich habe ganz vergessen, dass es neun Uhr ist.”

“Vielleicht sollten wir lieber Musik hören.”

“Nein, lass es an.” Suzanne hielt seine Hand fest. “Ich mag ihre Sendung. Ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gehört.”

Jess hatte die Sendung früher auch gemocht und hatte sie regelmäßig gehört, egal, ob daheim oder wenn er mit seinem Wagen unterwegs war. Katies freche Stimme weckte Erinnerungen, und die Themen, die sie behandelte, interessierten ihn sehr.

Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, beim Sender vorbeizufahren und sie um der alten Zeiten willen zu bitten, mit ihm auszugehen. Jetzt, wo er neben dem KRZE-Studio, das in einem kleinen Lehmziegelbau aus den vierziger Jahren untergebracht war, ein Hochhaus baute, lag es sogar auf dem Weg.

Er hatte überlegt, ihr auf dem Heimweg eine Nachricht zu hinterlassen. Würde sie nicht überrascht sein, plötzlich wieder von ihm zu hören? Auch wenn sie vielleicht mit jemandem zusammen war, war es einen Versuch wert.

Aber der Gedanke daran, dass sie seit einigen Wochen sein Projekt attackierte und damit die Demonstranten anfeuerte, mit denen er sich herumärgern musste, hatte ihn von dieser Idee abgebracht. Das Projekt hatte von Beginn an Gegner mobilisiert, doch nachdem das Bauamt das Projekt genehmigt hatte, waren die meisten Proteste verstummt. Nur Katie ließ sich nicht beirren.

Na schön, die Baustelle bedeutete für einige Angestellte des Senders ein Hindernis. Aber das würde sich schon bald erledigt haben, da der Sender umziehen musste. Die Livingston Development Corporation verhandelte mit den Eigentümern des Senders über den Verkauf des Grundstücks.

Das Gebäude von KRZE stand auf einem Grundstück, das schlicht und einfach besser genutzt werden konnte. Die übrigen Grundstücke in der Straße waren für die Errichtung eines mehrstöckigen Einkaufszentrums freigegeben worden. Jess rechnete damit, auch dafür den Bauauftrag zu bekommen. Wie auch immer, sein jetztiges Bauprojekt war das prestigeträchtigste, das er je erhalten hatte. Wenn es fertig war, würde Harkins Construction die angesagte Baufirma in Tucson sein. Und Jess wollte diese Art von Jobsicherheit.

Außerdem machte ihm die Arbeit daran Spaß. Die neuen Gebäude würden das Geschäft in der Innenstadt beleben und der Skyline eine interessante neue Silhouette hinzufügen. Sie würden kein “Schandfleck” sein, wie Katie sie Mittwochabend genannt hatte, oder ein “Zeugnis menschlicher Gier und Ausschweifung”, ihre Bezeichnung von gestern Abend.

Er hätte Katies Sendung schon nach ihrem ersten Angriff nicht mehr hören sollen, doch die Neugier trieb ihn dazu. Es passte ihm gar nicht, vor Suzanne beleidigt zu werden. Aber jetzt konnte er nichts mehr tun. Wenn er darauf bestand, den Sender zu wechseln, würde er sich nur in die Defensive begeben.

“In dieser Sendung dreht sich alles um Sex”, kündigte Katie an. “Und hier ist unser allabendlicher Tipp aus dem Kamasutra. Seid ihr der üblichen, ewig gleichen Stellungen überdrüssig? Dann probiert das, Ladies – setzt euch auf ihn, presst die Beine zusammen und vollführt eine Drehbewegung. Lasst mich wissen, ob es bei euch funktioniert, ja?”

Jess hustete, um seine Bestürzung zu verbergen. Suzanne hatte ihm den ganzen Abend sexuelle Signale gesandt. Dieser Beitrag würde sie nur anspornen.

“Eine interessante Vorstellung”, bemerkte sie prompt. “Hat eine Frau das je mit dir probiert?”

“Nicht direkt.”

“Ich finde, es hört sich nach viel …”

“… Arbeit an”, meinte Jess.

“Nein, das wollte ich nicht sagen. Ich finde …”

“Heute Abend begrüßen wir Dr. Janice Astorbrooke im Studio.” Katies Stimme übertönte, was Suzanne sagen wollte. “Dr. Astorbrooke ist die Autorin von ‘Himmelwärts streben – Sexualsymbolik in der Architektur’.”

Jess fuhr weiter, obwohl die Ampel Gelb zeigte. Als hätte der Kamasutra-Tipp noch nicht genug Ärger verursacht, musste er sich jetzt auch noch eine Diskussion über Hochhäuser als Phallussymbole anhören.

“Kommen wir gleich zum Thema, Dr. Astorbrooke. Auf Ihrem Weg hierher haben Sie sicher bemerkt, was mit unserem netten kleinen Studio passiert. Eine so tiefe Baugrube bedeutet, dass das Fundament für ein sehr hohes Gebäude entsteht. Vierzig Stockwerke hoch, um genau zu sein.”

Dr. Astorbrooke besaß die tiefe Stimme einer starken Raucherin. “Katie, solange wir Männern erlauben, Gebäude zu entwerfen, werden wir immer höhere Häuser sehen. Mit vierzig Stockwerken ist dieses noch bescheiden.”

“Aber wir sind in Tucson, nicht in Manhattan”, gab Katie, Leidenschaft in der Stimme, zu bedenken.

“Mir ist aufgefallen, dass es sehr wenige Hochhäuser gibt. Die Motivation ist jedenfalls dieselbe, egal, wie hoch sie sind.”

Jess wappnete sich innerlich.

“Und welche Motivation soll das sein, Dr. Astorbrooke?”, fragte Katie.

“Kompensation für sexuelle Unzulänglichkeit.”

“Vorsicht!”, schrie Suzanne.

Jess trat auf die Bremse und verfehlte nur knapp den Wagen vor ihm. “Tut mir leid”, sagte er automatisch, in Gedanken jedoch noch ganz bei dem, was er gerade gehört hatte. Sexuelle Unzulänglichkeit? Blödsinn. Er verdiente gutes Geld mit dem Bau des Bürokomplexes und kompensierte überhaupt nichts.

“Faszinierend”, bemerkte Katie. “Es ist also so ähnlich wie die Vorliebe für PS-starke Autos?”

Katie konnte nicht wissen, dass er einen Jaguar fuhr. Trotzdem zuckte er zusammen.

“Genau so, nur noch auffälliger”, bestätigte Dr. Astorbrooke.

Suzanne lachte erneut schrill. “Mir ist gerade etwas klar geworden. Die Frau redet von deinem Hochhaus, stimmt’s?”

“Meine Firma baut es, aber ich habe es nicht entworfen.” Ja, ja, dachte er, gib ruhig dem Architekten die Schuld. “Aber mir gefällt der Entwurf”, zwang er sich hinzuzufügen.

Während Dr. Astorbrooke ihre Theorie detailliert erklärte, registrierte Jess, dass Suzanne auf seine Hose starrte.

Endlich machte Katie eine Werbepause. Noch nie war Jess so froh gewesen, Werbung für Autoreifen zu hören.

“Du hast mehrere Hochhäuser in der Stadt gebaut, nicht wahr?”, fragte Suzanne.

“Darauf sind wir spezialisiert.” Ja, er arbeitete gern an hohen Gebäuden, doch hatte es für ihn keinerlei sexuelle Bedeutung. Er mochte Sex. Und er war wahrhaftig kein schlechter Liebhaber. Sex war eine Sache, Arbeit eine andere. Für ihn hatte das eine nichts mit dem anderen zu tun.

“Und wieso bist du darauf spezialisiert?”

“Ich mag die Herausforderung, die mehrstöckige Gebäude darstellen.” Er hatte nicht vor, von seiner Faszination für Stahlträger oder seine Liebe zu Baukästen als Kind zu erzählen. Das würde bloß falsch interpretiert werden. Wenn er sagen musste, weshalb er gerne an Hochhäusern arbeitete, würde er möglicherweise zugeben, dass er die Macht und das Ansehen bewunderte, das sie repräsentierten. Als Sohn einer Kassiererin und eines Vaters, der ständig auf der Flucht vor dem Gesetz war, waren Macht und Ansehen etwas, das Jess während seiner Kindheit und Jugend nie kennengelernt hatte.

“Was hältst du von dieser Theorie?”

“Gar nichts. Sie ist Unsinn.” Jess hielt an einer roten Ampel.

“Natürlich ist sie Unsinn.” Suzannes Ton war plötzlich anzüglich. “Du bist ganz offensichtlich ein sehr männlicher Typ.”

Verdammt. Was sollte er tun, wenn sie der Ansicht war, er solle seine Männlichkeit beweisen? Er sah sie an, und tatsächlich, sie schien äußerst interessiert zu sein.

Seufzend fuhr er über die Kreuzung und wendete, damit er sie nach Hause fahren konnte. “Suzanne, du bist wirklich eine erstaunliche Person, aber …”

“Das hört sich an wie aus einer dieser Reality-Shows.”

Ertappt. Er hatte diesen Spruch in einer Sendung für männliche Singles aufgeschnappt, die eine Partnerin suchten, und sich für alle Fälle gemerkt. Offenbar funktionierte diese Masche aber nur in solchen Shows. “Na gut, das war ein blöder Spruch.” Er wartete auf eine Lücke im Verkehr und versuchte, sich etwas Besseres einfallen zu lassen.

“Du fährst mich nach Hause, nicht wahr?”

Er seufzte erneut. “Ich glaube nicht, dass wir beide füreinander bestimmt sind.” Das klang genauso lahm. Jess war nicht besonders gut darin, jemandem einen Korb zu geben, denn er verletzte die Gefühle einer Frau nur ungern.

“Du warst entspannt, bis das Thema Sex aufkam.”

Er war nicht entspannt gewesen, sondern hatte nur so getan. Anscheinend hatte Suzanne es ihm abgekauft, und er wollte es nicht noch schlimmer machen, indem er ihr das gestand.

Suzanne warf den Kopf zurück. “Vielleicht ist an der Theorie dieser Dr. Astorbrooke doch etwas dran.”

Er musste diesen Schlag gegen seinen männlichen Stolz einstecken, denn andernfalls hätte er etwas Verletzendes erwidern müssen. Es war nicht Suzannes Schuld, dass es zwischen ihnen nicht gefunkt hatte. “Schon möglich.”

“Dann ist es wohl besser, du fährst mich nach Hause. Für jemanden, der unzulänglich ist, bin ich nicht zu haben.”

Erleichtert fädelte Jess sich in den Verkehr ein. “Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat.”

“Du könntest eine Therapie machen.”

“Ja, vielleicht sollte ich das.” Er erwischte ein paar grüne Ampeln und setzte Suzanne im Nu vor ihrer Haustür ab.

Indirekt hatte Katie ihm heute Abend einen Gefallen getan. Bedanken würde er sich dafür jedoch nicht. Sie hatte sich auf ihn eingeschossen, und er wollte, dass das aufhörte.

Für den Kampf gerüstet, fuhr er zum Sender.

Katie Peterson begleitete Janice Astorbrooke während einer Werbepause aus dem Studio. Anschließend kehrte sie zurück, um das Studio für Jared Williams aufzuräumen, dessen Sendung Sport total! um zehn begann. Zufrieden mit sich packte sie ihre Notizen ein.

Die Wände des kleinen Lehmziegelgebäudes, das sie so liebte, mochten zwar tagsüber vibrieren, wenn das schwere Gerät der Baufirma im Einsatz war, aber heute Abend hatte sie ganz schön zurückgeschlagen. Sie fühlte sich wie eine Kriegerin, die ihren Grund und Boden verteidigte. Dies war ihr Haus, auch wenn es ihr nicht gehörte.

Sie hatte verstanden, weshalb ihr vom Kummer geplagter Großvater es nach dem Tod ihrer Großmutter verkauft hatte. Damals war Katie noch zur High School gegangen. Sie hatte Verständnis dafür gehabt, dass ihre Eltern, die in einer Vorortsiedlung lebten, es nicht wollten, obwohl es sehr hart war, im selben Jahr die Großmutter und das Haus zu verlieren. Katie hasste es, keine Kontrolle über wichtige Dinge in ihrem Leben zu haben. Als der Bauantrag gestellt und das Haus bedroht wurde, schwor sie sich, alles zu seiner Rettung Nötige zu tun.

Dr. Astorbrooke war ein echter Gewinn für ihre Kampagne gewesen. Der Zahl der Anrufer während der ersten Hälfte der Sendung nach zu urteilen, hatte das Thema heftige Diskussionen ausgelöst. Und davon lebte Katie. Die Einschaltquoten zu steigern und dabei gleichzeitig Harkins Construction anzugreifen, das war gute Arbeit.

Punkt zehn kam Jared ins Studio geschlendert. Er war ein großer schlaksiger Kerl mit Brille, der seine Frau Ruth und Sportstatistiken liebte, und zwar in dieser Reihenfolge.

Katie stand auf und drehte das Mikrofon zu ihm. “Hast du etwas von meiner Sendung mitbekommen?”

“Und ob.” Jared setzte sich grinsend und griff nach dem Kopfhörer. “Nur damit das klar ist, ich habe kein Bedürfnis, Hochhäuser zu bauen.”

Katie lachte. “Das habe ich auch nicht angenommen. Ruth scheint mir eine sehr zufriedene Frau zu sein.”

“Ja, ihr hat deine Sendung auch gefallen. Sie saß noch am Radio, als ich losfuhr.”

“Richte ihr aus, dass ich ihre Unterstützung zu schätzen weiß. Jeder Hörer zählt.”

“Wird gemacht.” Jared setzte sich die Kopfhörer auf. “Schönes Wochenende.”

“Danke.” Katie winkte ihm zu und ging hinunter in die bescheidene Lobby des Senders.

“Tolle Sendung”, sagte Ava Dinsmore, die Praktikantin vom Pima College. Praktikanten wurden wegen des knappen Budgets gern genommen.

Ava kannte sich mit knappen Budgets aus. An ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag hatte sie beschlossen, ihren schlecht bezahlten Job aufzugeben und zu studieren. Sie mochte Piercings und wechselte gern die Haarfarbe, weshalb sie eher zum Radio passte als zum Fernsehen. Abgesehen davon, dass sie als Mädchen für alles fungierte, nahm sie morgens und abends die Anrufe entgegen.

“Du hattest jede Menge Anrufer”, berichtete sie.

“Ich weiß! War die Reaktion nicht klasse? Wir mussten sogar ein paar Ausdrücke rauspiepen. Es war herrlich.”

“Es gab auch persönliche Anrufe für dich.” Ava nahm mehrere Notizzettel.

Katie machte keine Anstalten, sich die Zettel zu schnappen. Ava liebte dramatische Augenblicke, und dazu gehörte, dass sie die Mitteilungen laut vorlas, statt sie einfach weiterzureichen. Von Anfang an hatte Katie es bewundert, dass Ava trotz ihres Zungenpiercings eine sehr deutliche Aussprache hatte.

“Ganz oben auf der Prioritätenliste: ein Anruf von Edgecomb. Die Eigentümer sind stocksauer wegen der Sendung heute Abend. Sie befürchten, die Verhandlungen mit Livingston Development könnten scheitern.”

“Sehr gut! Dann kann Livingston sein kostbares Hochhaus woanders bauen.”

“Ja, zum Beispiel auf der anderen Seite von uns, sodass der Sender eingequetscht ist. Unser Signal wird jedenfalls nicht mehr zu empfangen sein.”

“Deshalb müssen wir sämtliche Bauarbeiten stoppen! Ich gebe mich noch nicht geschlagen.”

“Edgecomb will aber, dass du aufgibst. Er will, dass du zum ursprünglichen Sendeformat zurückkehrst – Sexspielzeuge, Vorspieltechniken, solche Sachen.”

“Gestern Abend habe ich zwei Sexfilme besprochen und eine Stripteasetänzerin interviewt.”

“Ich weiß.” Avas stachelige Haare bewegten sich nicht, als sie nickte. “Aber zwischendurch attackierst du die Baustelle. Und heute Abend drehte sich die ganze Sendung darum. Edgecomb will, dass du damit aufhörst.”

“Das werden wir noch sehen.” Für den Montagabend hatte Katie einen Gast eingeladen, der über die sexuelle Bedeutung von Eisenwaren wie Bolzen, Schrauben und Muttern sprechen sollte, was ihr die Gelegenheit zu weiteren Attacken gegen den Bau geben würde. Sie freute sich schon auf die Sendung.

“Edgecomb meint, du kannst dich so viel du willst über das Projekt auslassen – in deiner Freizeit.” Avas rot geschminkte Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. “Eins muss ich dir ja zugute halten – ich hätte nie für möglich gehalten, dass es dir gelingt, Sex mit einer Baustelle in Verbindung zu bringen.”

“Für mich liegt das auf der Hand.” Die Verbindung war leicht herzustellen gewesen, da Jess Harkins und Sex für sie untrennbar miteinander verbunden waren. Allerdings würde sie niemals jemandem im Sender verraten, dass sie einen persönlichen Groll gegen den Bauunternehmer hegte, den man mit dem Projekt beauftragt hatte.

“Ich würde zu gern Mäuschen spielen, wenn man dem Bauunternehmer erzählt, dass er in der Sendung heute Abend als Schlappschwanz bezeichnet worden ist.”

“Ich habe ihn nicht Schlappschwanz genannt.” Katie lächelte verstohlen. “Das war Dr. Astorbrookes Theorie, nicht meine.” Sie hoffte inständig, dass Jess von der Sendung erfuhr. Das geschah ihm ganz recht.

“Ja, mir ist aufgefallen, dass du dich geschickt davor gehütet hast.” Avas Grinsen vertiefte sich. “Wirst du nun mit den Angriffen aufhören?”

Niemals, dachte Katie. “Ich werde mit Edgecomb reden.” Sie schaute zur Uhr an der Wand. “Wie lauten die anderen Nachrichten?”

“Eine stammt von Cheryl.” Ava las sie vor: “‘Gib’s ihnen, Katie! Lass uns morgen am üblichen Treffpunkt um sechs Margaritas trinken gehen.’” Ava sah auf. “Sie sagte noch mehr, aber das war es im Wesentlichen.”

“Gut. Danke.”

“Kann ich mitkommen?”

“Klar, warum nicht?” Katie vermutete, dass Ava allmählich ihrer alten Clique entwuchs und sich nach neuen Freunden umschaute. Katie und ihre beste Freundin Cheryl, eine erfolgreiche Anwältin, erschienen Ava wohl interessanter.

“Toll! Danke.”

“Das wird lustig. Sonst noch irgendwelche Nachrichten?”

“Ah, ja. Deine Mutter will wissen, wieso du auf dem netten Harkins-Jungen herumhackst.”

“Oh.” Offenbar hatte Ava sich diese Nachricht bewusst bis zum Schluss aufgespart, weil sie dahinter eine spannende Geschichte vermutete. Sie hatte einen sicheren Instinkt für so etwas.

Cheryl hinterließ vorsichtshalber keine allzu vertraulichen Nachrichten bei Ava, aber Katies Mutter schon. Sie hatte Jess immer gemocht und war außer sich gewesen, als Katie mit ihm Schluss gemacht hatte. Möglicherweise wollte sie sogar, dass die Leute im Sender erfuhren, dass er ein Exfreund war.

Ava musterte Katie neugierig. “Ich nehme an, sie meint den Typen, dem Harkins Construction gehört.”

“Hm, ja.”

“Deine Mom kennt ihn?”

Katie versuchte sich etwas einfallen zu lassen. Sie hatte verhindern wollen, dass jemand vom Sender von ihrer Verbindung zu Jess erfuhr, doch dank ihrer Mutter ahnte Ava etwas. Wenn Katie nichts sagte, würde Ava anfangen zu spekulieren, und das konnte noch schlimmer sein, als wenn sie die Wahrheit wusste.

Sie trat näher an den Schreibtisch und senkte die Stimme. “Hör zu, ich will nicht, dass es jeder weiß.”

“Du kannst dich auf mich verlassen.” Avas dunkle Augen leuchteten.

“Ich meine es ernst. Wenn sich das herumspricht, könnte es ziemlich übel für mich werden.”

“Es wird sich nicht herumsprechen.”

“Gut.” Sie musste darauf hoffen, dass Ava etwas an der Freundschaft und weiteren Einladungen zu Happy Hours mit Cheryl lag. “In meinem letzten Jahr auf der High School bin ich mit Jess Harkins gegangen.”

Ava stutzte. “Echt? Wow! Aber dann habt ihr euch wieder getrennt, oder?”

“Ja.”

“Und jetzt willst du dich rächen?”

“Nein.” Katie redete sich ständig ein, dass es keine Rache war. Es ging eher um Gerechtigkeit und darum, etwas zu schützen, woran ihr Herz hing. “Es ist einer dieser verrückten Zufälle, die einem im Leben passieren.”

“Aber du hast gesagt, er würde seine sexuelle Unzulänglichkeit kompensieren, indem er dieses Hochhaus baut. Das klingt, als hättest du ein persönliches Interesse daran, ihm eins auszuwischen.”

“Nicht ich habe das behauptet, sondern Dr. Astorbrooke …”

“Ich weiß, ich weiß. Aber du hast sie in deine Sendung eingeladen. War er so schlecht im Bett?”

“Ava, darauf werde ich nicht antworten.” Katie war es bewusst, dass sie durch ihren Versuch, Klatsch zu vermeiden, alles nur schlimmer gemacht hatte.

Ava lehnte sich zurück. “Du wirst mir also nicht verraten, weshalb eure Beziehung auseinanderging?”

“Nein. Tut mir leid.”

“Deine Mutter weiß es wohl auch nicht, sonst hätte sie nicht gesagt, er sei ein netter Junge.”

Da war Katie nicht so sicher. Sehr viele Mütter wären überglücklich gewesen über Jesses Verhalten auf dem Abschlussball. Katie war jedoch zutiefst verletzt gewesen.

Sie hatte geglaubt, darüber hinweg zu sein, aber dann war das Harkins-Construction-Schild nebenan aufgetaucht. Die langfristigen Pläne von Livingston Development, den ganzen Straßenzug einschließlich des Hauses ihrer Großmutter abzureißen, waren übel genug. Dass Jess daran beteiligt war, setzte dem Ganzen jedoch die Krone auf. Sie fragte sich, ob er sich überhaupt noch daran erinnerte, dass das Haus ihren Großeltern gehört hatte.

Möglicherweise hatte sie es ihm nicht erzählt. Sie waren viel zu sehr mit Petting in seinem alten Ford beschäftigt gewesen, um sich über ihre Familien zu unterhalten. Katie erinnerte sich daran, dass sie das Gefühl gehabt hatte, ihr Leben endlich wieder im Griff zu haben, nachdem sie den Verlust ihrer Großmutter und des geliebten Hauses hatte verschmerzen müssen. Sie war überzeugt gewesen, dass sie alles schaffen konnte – Discjockey zu werden wie ihr Großvater, in Tucson zu bleiben, wo ihre Freunde waren, und ihre Jungfräulichkeit an Jess in jener Nacht des Abschlussballs zu verlieren.

Doch Jess, ihre erste Liebe, der Junge, von dem sie geglaubt hatte, er sei ebenso verrückt nach ihr wie ihr Großvater nach ihrer Großmutter verrückt gewesen war, hatte es abgelehnt, mit ihr zu schlafen. Erneut hatte sie dieses schreckliche Gefühl, die Kontrolle über etwas zu verlieren, was ihr wichtig war. Nie wieder wollte sie sich so verletzlich vorkommen.

“Ich kann verstehen, weshalb niemand wissen soll, dass er dein Freund war”, sagte Ava. “Keine Sorge. Ich werde dichthalten.”

“Dafür bin ich dir unendlich dankbar.”

“Kein Problem.”

Katie blieb keine andere Wahl, als Ava zu vertrauen. “Ich gehe dann. Wir sehen uns morgen um sechs bei ‘Jose’s’. Du weißt, wo das ist, oder?”

“Natürlich.”

“Vielleicht können wir draußen auf der Terrasse sitzen.”

“Wenn ich zuerst da sein sollte, halte ich uns einen Tisch frei.” Ava klang überglücklich, eingeladen zu sein, also würde sie der Versuchung, zu tratschen, vielleicht widerstehen.

“Das klingt gut.” Katie ging zur Tür, einem antiken handgeschnitzten Stück aus Mexiko. Ihr Großvater hatte sie mit seinem Pick-up aus Nogales mitgebracht, zusammen mit mehreren Innentüren, die ebenfalls mit Schnitzereien verziert waren. Es sollte ein besonderes Geschenk für ihre Großmutter sein. Er machte ständig solche Sachen, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Und sie war genauso gewesen – sie bereitete ihm sein Lieblingsdessert zu und suchte auf Flohmärkten nach alten LPs, die er sammelte. Die beiden hatten eine ganz besondere Beziehung gehabt.

Bevor Katie die Hand um den Türknopf legen konnte, wurde er mit einem leisen Klicken gedreht. Eine dunkle Vorahnung jagte ihr einen Schauer über den Rücken, als die Tür aufging. Sekunden später blickte Katie in vertraute braune Augen, die vor Wut blitzten, und ihr Herz raste genauso wie damals auf der High School.

Jess Harkins hatte die Sendung heute Abend gehört.

2. KAPITEL

Jess hatte Katie seit dreizehn Jahren nicht persönlich gesehen. Aber an Fotos von ihr war er bei seinen Fahrten durch die Stadt unzählige Male vorbeigekommen. Schon mehrmals hatte er erotische Träume von der Katie auf den Reklametafeln gehabt, und wahrscheinlich war er nicht der einzige Mann, dem es so erging.

Die Katie auf der Reklametafel räkelte sich in einer engen schwarzen Hose und einer schwarzen Bluse mit tiefem Ausschnitt auf einer roten Samtcouch. Ihre blonden Haare umrahmten ein Gesicht, dessen Ausdruck heißen Sex verhieß. Wenn sie ihn auf diese Weise beim Abschlussball angesehen hätte, wäre er nicht in der Lage gewesen, ihr zu widerstehen. Mit achtzehn jedoch hatte auch sie die für diesen Blick nötige Erfahrung noch nicht besessen.

Die Katie aus der Realität trug einen eleganten grauen Hosenanzug und hatte die Haare hochgesteckt. Ihre Miene hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem sinnlichen Gesichtsausdruck auf den Reklametafeln. Sie wirkte eher alarmiert. Und das sollte sie auch sein.

Allerdings fiel es ihm jetzt, wo er vor ihr stand, sehr schwer, die richtigen Worte zu finden. Damit hätte er rechnen müssen, denn Reden war nie seine Stärke gewesen. Katie dagegen hatte sich immer sehr gut ausdrücken können – sie war Klassensprecherin und Leiterin des Debattierclubs gewesen.

“Wir …” Er räusperte sich. “Wir müssen miteinander reden.”

“Dann redet”, meldete sich eine Frau mit stacheliger Frisur am Empfang zu Wort. “Kümmert euch nicht weiter um mich.”

Jess hatte vollkommen vergessen, dass noch jemand anderes da war. Anscheinend hatte Katie noch immer diese Wirkung auf ihn, dass er außer ihr nichts mehr wahrnahm. Das war eine unwillkommene Entdeckung. Er wollte die Oberhand behalten, und dass Katie ihn aus dem Konzept brachte, war nicht besonders hilfreich.

Katie sah zur Rezeptionistin. “Ava, das ist Jess Harkins, ein alter Freund von der High School. Jess, das ist Ava Dinsmore, unsere Praktikantin vom Pima College.”

“Freut mich, Sie kennenzulernen”, sagte Jess.

“Gleichfalls.” Ava musterte ihn interessiert.

“Ich glaube, ich habe einige Unterlagen im Konferenzraum liegen lassen”, wandte Katie sich an Ava. “Würdest du bitte nachsehen, ob sie dort sind?”

“Das würde ich gern, aber ich bleibe lieber beim Telefon. Wir bekommen wegen Jareds Sendung freitagabends immer viele Anrufe.”

“Dann werde ich selbst nachsehen. Jess, komm doch mit, wir können uns unterwegs unterhalten.”

“Es wird nicht lange dauern.” Er sah Katie in die Augen und fühlte sich um dreizehn Jahre zurückversetzt. Ehe er noch etwas sagen konnte, hatte sie sich umgedreht und eilte den Flur entlang. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.

Katie blieb vor einer offenen Tür stehen und wartete auf ihn. Er zögerte, ehe er an ihr vorbei in den Raum ging. So, wie sie das Kommando übernahm, hätte jeder Außenstehende meinen können, dass sie diese Begegnung herbeigeführt hatte. Er musste dringend das Kräfteverhältnis wieder umkehren, doch kaum atmete er ihr Parfüm ein – es war der gleiche zarte Duft mit Citrusnote, den sie früher benutzt hatte –, da hörte sein Verstand auf zu arbeiten.

Statt die beste Angriffstaktik zu planen, fragte Jess sich, ob Katie mit jemandem zusammen war. Sie trug keinen Ring, das war ihm gleich aufgefallen, obwohl es dumm war, darauf zu achten. Ihre Bemerkungen während der Sendung hatten deutlich gemacht, wie sehr sie ihn verachtete.

Konzentriere dich, befahl er sich. Das konnte er. Harkins Construction, in sieben Jahren aus dem Nichts aufgebaut, war der beste Beweis für seine Konzentrationsfähigkeit und Überzeugungskraft. Obwohl er kein großer Redner war, war es ihm irgendwie gelungen, die Kreditabteilung zu überzeugen, auf ihn zu setzen. Dabei hatte er außer seinem Willen zum Erfolg keine Sicherheiten anzubieten gehabt.

Der Konferenzraum hatte zwei Fenster, die mit Fensterläden verschlossen waren. Die eine Wand schmückte ein Wüstengemälde, und der große Eichentisch in der Mitte sah aus, als käme er von einer Hacienda. Jess konnte sich gut vorstellen, dass Katie gern in dem alten Lehmziegelhaus arbeitete. Sie liebte den Südwesten Amerikas.

Als sich die Tür schloss, drehte er sich um. Zum ersten Mal seit dem Abschlussball waren Katie und er allein. Und genau wie in jener Nacht wusste er nicht, was er sagen sollte.

Während sie sich so nah gegenüberstanden, pochte Katies Herz heftig. Sie war schon immer von Jesses Mund fasziniert gewesen. Es war früher so wundervoll gewesen, an seiner Unterlippe zu knabbern, und als er ihre Brüste geküsst hatte, hatte sie sich wie im Himmel gefühlt.

Sie wandte den Blick ab von seinem verlockenden Mund. Dies war nicht der geeignete Zeitpunkt, um daran zu denken, wie gern sie mit Jess herumgemacht hatte. Mit ihm auf dem Rücksitz eines Autos hatte sie alles andere vergessen. Seinetwegen war sie oft genug zu spät nach Hause gekommen.

“Ich nehme an, du bist wegen meiner Bemerkungen im Radio sauer”, sagte sie.

“Ja, besonders wegen der heute Abend. Du machst eine persönliche Angelegenheit daraus, und das gefällt mir nicht.”

Sie hielt seinem Blick stand, doch innerlich zitterte sie. Da sie nicht wollte, dass er es merkte, hielt sie sich an einer Stuhllehne fest. “Zu schade. Ich sag halt, wie es ist.”

“Ich kompensiere mit meinen Hochhäusern nichts, Katie.”

“Die Experten sehen das anders.”

Er seufzte. “Bitte verrate mir, warum du das tust.”

Sein Seufzen ließ sie fast wieder schwach werden. Als sie zusammen gewesen waren, hatte dieses tiefe Seufzen stets den Wunsch in ihr geweckt, ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten. Manchmal hatte Jess den Eindruck gemacht, als trüge er die Last der Welt auf seinen Schultern, und Katie hatte seine Sorgen vertreiben wollen. Doch Seufzer hin oder her, er blieb der Mann, der ihr Erbe zerstörte.

“Ich will dieses wunderschöne alte Lehmziegelhaus vor der Abrissbirne retten”, erklärte sie.

“Mir scheint mehr dahinterzustecken.” Er räusperte sich erneut. “Ich glaube, du bist immer noch wütend auf mich wegen des Abschlussballs.”

“Das bin ich nicht”, log sie. “Das ist doch schon Ewigkeiten her.” Und noch immer konnte sie sich nur allzu gut daran erinnern, wie sie mit Jess im Auto gesessen hatte.

Aber deine Angriffe heute Abend richteten sich direkt gegen mich, nicht gegen das Bauprojekt. Sag nicht, du glaubst tatsächlich, dass ich das Hochhaus baue, weil ich sexuelle Probleme habe.”

Sie fühlte sich in die Enge getrieben, daher sagte sie das Erstbeste, was ihr in den Sinn kam: “Das ist doch durchaus möglich, oder? Nicht, dass es mich noch interessiert, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass du nicht zu Ende bringst, was du anfängst.”

Er kam einen Schritt näher. “Du hast keine Ahnung, wovon du redest.”

“Oh, doch.” Sie wich nicht zurück, um ihm nicht zu zeigen, dass er sie einschüchterte.

Angesichts seiner erotischen Ausstrahlung bezweifelte sie stark, dass er mit dem Bau des Hochhauses irgendetwas kompensierte. Um ehrlich zu sein, es war durchaus möglich, dass sie unbewusst darauf gehofft hatte, ihre Sticheleien würden ihn dazu bringen, bei ihr im Sender aufzutauchen.

Er kam noch näher. “Im Gegensatz zu dem, was du denkst, und trotz allem, was vor dreizehn Jahren geschehen ist, habe ich keine Probleme mit Sex.”

“Das kann ich nicht bestätigen.” Sie nahm sein Aftershave wahr und erinnerte sich daran, wie sehr sie seinen Duft immer gemocht hatte.

“Was genau willst du von mir, Katie?”

Sie wollte, dass er sie küsste, was völlig unsinnig war, denn was wäre damit erreicht? “Ich will, dass du den Bau stoppst.”

“Das wird nicht passieren, und das weißt du. Du und die Demonstranten, ihr habt den Kampf verloren. Das Haus wird gebaut, auch wenn du mich noch so sehr verspottest.”

“Die öffentliche Meinung kann eine starke Macht sein. Ich arbeite daran, sie auf meine Seite zu bekommen.”

“Viel Glück. Ich beabsichtige, dieses Gebäude hochzubringen.”

Katie sah ihn an und dachte daran, wie seidig sich seine braunen Haare angefühlt hatten, wenn sie mit den Fingern hindurchgefahren war. Sie musste die Stuhllehne umklammern, um nicht die Hand nach ihm auszustrecken. “Du müsstest dich mal hören. Du beabsichtigst, dieses Gebäude hochzubringen – wenn das keine Sexualsymbolik ist!”

“Es ist nur ein Gebäude.” Etwas flackerte in seinen Augen auf. “Das hier ist Sex.” Er packte ihre Schultern und küsste Katie leidenschaftlich. Dann ließ er sie so abrupt wieder los, dass sie schwankte.

Unfähig, irgendetwas herauszubringen – ein ungewöhnlicher Zustand für sie –, starrte sie ihn an und rang nach Atem. Einen langen Moment sahen sie einander nur an.

“Verdammt, Katie.” Seine Stimme war sanft wie eine Liebkosung.

“Verdammter Kerl”, erwiderte sie ebenso sanft.

“Du hast mich früher um den Verstand gebracht.”

Sie schluckte. “Aber nicht genug.”

“Aha, es geht also doch um den Abschlussball.”

Jetzt konnte sie es nicht mehr gut abstreiten, schon gar nicht, wenn sie sich nach einem weiteren Kuss sehnte. Und nicht nur danach. Nein, sie war kein bisschen über ihn hinweg.

“Es war nicht der richtige Ort, Katie. Und dieser ist es auch nicht, wenn ich es mir genau überlege.” Er wich zurück und griff nach dem Türknopf.

Katie lehnte sich gegen den Tisch, um Halt zu finden. “Du gehst?”

“Du liebe Zeit, wir befinden uns im Konferenzzimmer von KRZE.”

“Und die Tür kann man abschließen.”

Er zögerte, als denke er darüber nach. Dann schüttelte er den Kopf. “Aber ich würde dich gern wiedersehen. Ich glaube …”

“Damit du mir erst Hoffnungen machen und mich anschließend zurückweisen kannst? Von wegen!”

“Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht küssen.”

“Keine Sorge, es wird nicht wieder passieren.” Sie schlang schützend die Arme um sich. “Ich hätte wissen müssen, dass sich nichts geändert hat.”

“Unsinn, alles hat sich geändert.”

“Nicht, was dich und mich angeht. Aus irgendeinem Grund macht es dir Spaß, Hoffnungen in mir zu wecken, nur um dann zu verschwinden.”

“Damals waren wir fast noch Kinder! Heute ist das anders.”

“Ach ja?”

Er sah sie lange an. “Ja, das ist es. Und ich werde einen Weg finden, es dir zu beweisen.” Damit öffnete er die Tür, ging hinaus und schloss sie leise wieder hinter sich.

Benommen blickte Katie auf die kunstvollen Verzierungen der Tür, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Du lieber Himmel, wenn Jess bereit gewesen wäre, hätte sie ihn ein weiteres Mal geküsst. Womöglich hätte sie auch noch mehr getan. Wie dumm sie doch war!

Der Raum war nicht schallisoliert, und Ava lauschte bestimmt neugierig. Aber vermutlich hätte sie nichts gehört. Die Tür war schwer, die Wände waren dick. Doch wenn Katie und Jess miteinander geschlafen hätten, hätte sie es wahrscheinlich irgendwie mitbekommen.

Nur Jesses Zurückweisung hatte Katie davor bewahrt, ihren Job zu riskieren. Edgecomb würde sofort ihre Sendung absetzen, wenn er herausfände, was in seinem Konferenzzimmer vor sich gegangen war, noch dazu mit dem Besitzer von Harkins Construction. Und sie hätte es nicht anders verdient.

Jess hatte also die richtige Entscheidung getroffen, nur bedeutete das nicht, dass er kein Mistkerl war. Er hätte wenigstens versuchen müssen, sie zu verführen, damit sie die Chance hatte, die Sache abzubrechen. Was sie höchstwahrscheinlich nicht getan hätte, aber darum ging es nicht. Sie war fertig mit ihm.

Er mochte zwar der Mann sein, der ihr Verlangen mit einer einzigen leichten Berührung weckte. Er mochte noch besser aussehen als in seiner Jugend – muskulöser und mit einer tiefen, sexy Stimme, die ihr sinnliche Schauer über den Rücken jagte. Doch all das spielte keine Rolle, denn er begehrte sie nicht so, wie ihr Großvater ihre Großmutter begehrt hatte.

Männer sollten die Opfer ihrer Hormone sein, nicht vom Verstand geleitet. Wieso musste ausgerechnet Jess die Ausnahme bilden?

3. KAPITEL

Gegen sechs am Samstagabend lag die Temperatur auf der Terrasse von Katies mexikanischem Lieblingsrestaurant um die fünfundzwanzig Grad – genau richtig, um Margaritas zu schlürfen. In der Wüste gab es kein buntes Herbstlaub, dafür aber warme Oktoberabende und Tequila.

Ava saß an einem Tisch beim Springbrunnen. Für diesen Anlass trug sie ein schwarzes T-Shirt mit rundem Ausschnitt, dazu einen langen schwarzen Rock und Springerstiefel.

“Dieser Tisch ist eine gute Wahl.” Katie setzte sich ihr gegenüber. “Dies ist mein Lieblingsplatz. Man kann das Wasser plätschern hören.”

“Plätscherndes Wasser erzeugt negative Ionen”, entgegnete Ava. “Und negative Ionen heben die Stimmung.”

“Das kann ich brauchen.” Katie winkte den Kellner heran. “Und eine Margarita.”

Ava nickte. “Ich habe gemerkt, wie genervt du gestern Abend warst, als du gegangen bist.”

“Ja, tut mir leid, dass ich so kurz angebunden war.”

“Ist schon gut, das verstehe ich.”

“Es war eine heikle Situation. Ich …” Katie hielt inne, da der Kellner an ihren Tisch kam.

Er stutzte. “Sind Sie nicht Crazy Katie?”

“Ja.” Katie war es gewohnt, gelegentlich erkannt zu werden, aber heute passierte es ziemlich oft. Jeder wollte ihr etwas zu ihrer Sendung von Freitagabend sagen. Immerhin hatte sie das von ihren Gedanken an Jess abgelenkt.

“Meine Freunde und ich finden das Gebäude auch blöd.” Er zwinkerte. “Wir gehören nicht zu den Kerlen, die sich beweisen müssen, wenn Sie verstehen, was ich meine.”

“Das höre ich gern. Je mehr Unterstützung ich finde, umso besser.”

“Ich kenne viele Leute, die hinter Ihnen stehen”, sagte der Kellner. “Also, was wünschen die Ladies zu trinken?”

“Zwei Margaritas”, antwortete Katie. “Ich lade dich ein, Ava.”

“Oh, das musst du nicht.”

“Aber du studierst nebenbei. Ich weiß, wie es ist, wenig Geld zu haben. Wenn du richtig verdienst, kannst du dich gern revanchieren.”

“Einverstanden.” Ava schien sich sehr über die Aussicht auf eine dauerhafte Freundschaft mit Katie zu freuen. Nachdem der Kellner gegangen war, beugte sie sich über den Tisch. “Wirst du oft erkannt?”

“Nur gelegentlich. Heute sind mehr Leute als sonst zu mir gekommen und haben etwas zu meiner Sendung gesagt. Das ist gut, denn ich brauche Munition gegen Edgecomb.”

“Allerdings. Und wie ist die Situation mit deinem Ex? Findest du immer noch, dass er ein Mistkerl ist?”

“Ja.” Katie hatte damit gerechnet, dass dieses Thema zur Sprache kommen würde, und war vorbereitet. “Er war über Dr. Astorbrookes Theorien nicht besonders erfreut, um es milde auszudrücken.”

“Das wären die wenigstens Männer.”

“Was ist mit unserem Kellner? Er ist auf meiner Seite.”

“Er ist jung und noch in der Protestphase.”

“Jared hatte auch kein Problem damit.”

Ava winkte ab. “Jared ist ein netter Mensch. Den bringt nichts so leicht auf die Palme. Aber dein Typ …”

“Er ist nicht mein Typ”, unterbrach Katie sie.

“Das ist doch nur so eine Redewendung. Wie dem auch sei, du hast Harkins ganz schön zugesetzt, und mir kam er nicht sehr umgänglich vor.”

“Er ist ziemlich temperamentvoll.” Und er küsst himmlisch, fügte sie im Stillen hinzu.

“Ich weiß, das Aussehen ist nicht alles, aber er sieht gut aus. Er ist ein bisschen der Jude-Law-Typ.”

“Kann sein.” Jess sah nicht einfach nur gut aus. In seiner Nähe schmolz Katie dahin. Das war damals auf der High School so gewesen, und heute, neunzehn Stunden und sechsundvierzig Minuten nach dem letzten Kuss, hatte sich nichts dran geändert. Nicht, dass sie die Minuten zählte.

Sie hatte schon das halbe Wochenende von Jess geträumt und wollte nicht auch noch die zweite Hälfte des Wochenendes ständig an ihn denken. Das Treffen mit Cheryl und Ava war daher eine willkommene Ablenkung.

Wie auf Befehl tauchte gerade in diesem Augenblick Cheryl auf, strahlend und mit gelocktem rotem Haar.

“Hi.” Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich. “Entschuldigt, dass ich zu spät komme. Ich habe heute Nachmittag mit diesem attraktiven neuen Typen von der Anwaltskanzlei Tennis gespielt und dabei ganz die Zeit vergessen.” Wie immer redete sie ohne Punkt und Komma. “Ich hätte ja angerufen, aber mein Handy benimmt sich komisch. Ich muss es gegen ein neues eintauschen, aber ich hasse diese Prozedur. All diese neuen Knöpfe, die es zu bedienen gibt …” Sie hielt inne und sah Katie an. “Wieso grinst du? Was ist denn hier so komisch?”

“Du.” Katie war froh, dass sie sich mit Cheryl zur Happy Hour verabredet hatte. Niemand konnte in ihrer Gegenwart deprimiert sein. “Du hast mehr Energie als ein vier Monate alter Chihuahua. Das ist übrigens Ava, die Frau, die du immer am Telefon hast, wenn du im Sender anrufst.”

“Hallo, Ava! Freut mich, dich endlich kennenzulernen! Und bitte sag nicht, ich sehe aus wie ein Chihuahua.” Cheryl fuhr sich durch die kurzen Haare. “Den Vergleich mit einem Lhasa Apso würde ich ja noch akzeptieren. Aber ein Chihuahua sieht so nackt aus. Was in gewisser Hinsicht ja ganz süß ist, aber ich finde doch, ich habe mehr … Oh, da kommen eure Drinks!” Sie wandte sich an den Kellner und klimperte mit den Wimpern. “Ich möchte bitte genau das Gleiche. Sind Sie Student? Ich frage, weil viele Studenten hier kellnern.”

Während Cheryl eine angeregte Unterhaltung mit dem Kellner begann, beugte Ava sich zu Katie über den Tisch. “Ist das normal?”

“Völlig normal.”

“Ich hatte schon Angst, sie nimmt irgendwas.”

“Nein, sie ist nur sie selbst. Sie hat den Ruf, Prozesse zu gewinnen, indem sie die Jury vollquatscht.”

Cheryl drehte sich wieder zu ihnen um. “Gewöhn dich besser an mein freches Mundwerk, Ava. Ich bin schon seit meinem vierzehnten Lebensjahr so, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich mich jetzt noch ändere. Katie und ich sind in der ersten Klasse Freundinnen geworden und stecken seither in einem Diskussionsmarathon.”

“Oh, diesen Wettkampf hast du längst gewonnen”, sagte Katie.

“He, du behauptest dich aber ganz gut. Die Sache ist die, Ava, dass Katie an meine Art gewöhnt ist, du jedoch nicht. Falls du also etwas zu sagen hast, schrei einfach, dass ich die Klappe halten soll. Dann versuche ich es.”

Katie lachte. “Ich möchte nur gern wissen, ob du dir Drinks und ein Essen mit dem attraktiven Anwalt hast entgehen lassen, um dich mit uns zur Happy Hour zu treffen.”

“Habe ich, aber das ist gut. Es gefiel mir, ihm sagen zu können, dass ich andere Pläne habe. Man muss die Kerle immer glauben lassen, man habe einen vollen Terminkalender. Ich hätte unser Treffen niemals seinetwegen abgesagt. Männer kommen und gehen, aber Freundinnen hat man für immer. Habe ich recht?”

Katie und Ava nickten.

“Natürlich habe ich recht.” Cheryl machte nicht einmal eine Pause, als ihre Margarita kam. “Deine Sendung gestern Abend war der Hammer, Katie. Ich werde die Männer, mit denen ich ausgehe, in Zukunft fragen, was sie von Hochhäusern halten. Das ist ein großartiger Test. Ich hoffe, dass Jess … ich meine, jemand von Harkins Construction die Sendung gehört hat. Sämtliche Bauarbeiter sollten die Sendung hören. Die halten sich alle für die Größten mit ihren Schutzhelmen und Werkzeuggürteln …”

“Ist schon gut, Cheryl”, unterbrach Katie sie. “Ava weiß von Jess. Er war gestern Abend nach der Sendung bei mir im Sender.”

Cheryl starrte sie an. “Ehrlich? Was hat er gesagt? Was hast du gesagt? Wie sah er aus? Ist er noch so sexy wie früher? Ist er verheiratet? War er …”

“Halt die Klappe, Cheryl!”, meinte Katie lächelnd.

“Gut. Schieß los. Erzähl mir alles.”

Das hatte Katie nicht vor, doch sie gab ihr eine Zusammenfassung der Begegnung, wobei sie den Kuss ausließ. Sie erklärte, sie seien sich einig gewesen, sich nicht einigen zu können. Seine Ankündigung, ihr zu beweisen, dass sich die Dinge geändert hatten, verschwieg sie ebenfalls.

Cheryl war offenbar nicht entgangen, dass Katie nicht alles erzählt hatte, denn als Ava um sieben verschwand, weil sie mit ihrer alten Clique noch ins Kino wollte, meinte sie: “Zuerst bestellen wir das Essen und eine neue Runde Margaritas. Und dann erzählst du mir, was wirklich passiert ist.”

“Das habe ich doch!”

“Na klar. Erst bestellen wir, dann rückst du raus mit der Sprache.” Cheryl winkte den Kellner heran.

“Also, du kannst loslegen”, forderte Cheryl sie auf, nachdem der Kellner wieder fort war. Diesmal plapperte sie nicht weiter, sondern wartete.

“Ich …” Katie leerte ihr Glas und stellte es entschlossen auf die Glasplatte. “Ich bin immer noch nicht über Jess hinweg”, gestand sie.

“Ich weiß.”

Katie seufzte. “Als er vor mir stand, war ich wieder so nervös wie damals auf der High School. Ich wollte nicht, dass Ava unser Gespräch mithört, deshalb bin ich mit ihm ins Konferenzzimmer gegangen und habe die Tür zugemacht.” Bei der Erinnerung daran wurde ihr erneut heiß.

“Wer hat den ersten Schritt gemacht?”

“Er. Er hat mich geküsst.”

“Ich nehme an, du bist nicht schreiend aus dem Raum gerannt. Nein, du brauchst mir deine Reaktion nicht zu schildern. Ich lese es in deinen Augen.”

Katie stöhnte. “Ich bin sicher, er konnte es auch sehen.” Sie hob den Kopf und sah Cheryl an. “Und dann hat er das Gleiche gemacht wie auf dem Abschlussball! Erst machte er mich heiß, und dann marschierte er zur Tür hinaus, mit der Begründung, es sei nicht der richtige Ort!”

“Womit er ja wohl recht hatte. Für eine solche Eskapade könntest du gefeuert werden!”

“Ich weiß. Ich wünschte nur, ich wäre diejenige gewesen, die es beendete. Es ist schrecklich, dass ich ihn mehr begehre als er mich.”

Cheryl fuhr mit den Fingern über den Stiel ihres Glases. “Solltest du dich zu einem zweiten Versuch durchringen, könntest du den Spieß sicher umdrehen. Du bist schließlich keine schüchterne Jungfrau mehr, oder? Du hast einige Erfahrung und …”

“Das hört sich an, als wüsste ich alles über Sex. Das ist nicht der Fall. Ich recherchiere für die Sendung, aber das heißt nicht, dass ich über massenhafte praktische Erfahrung verfüge. Ich habe diese Kamasutra-Tipps schließlich nicht selbst ausprobiert.”

“Ich sagte ja auch nur ‘einige’ Erfahrung. Wir sind beide nicht mehr unerfahren, und es gefällt mir, dass wir inzwischen ein paar Tricks im Ärmel haben, die den Durchschnittsmann in einen winselnden Trottel verwandeln können, der alles tun würde, um uns glücklich zu machen. Du musst bei Jess in die Offensive gehen, wenn du die Kontrolle haben willst. Wann seht ihr euch wieder?”

“Gar nicht!” Katie fand, dass das Gespräch aus dem Ruder lief. “Ich werde nicht fertig mit ihm. Wenn ich mit ihm zusammen bin, verliere ich den Verstand. Außerdem baut er dieses lächerliche Hochhaus neben meinem Sender. Wie könnte ich mich unter diesen Umständen mit ihm einlassen? Ich werde ihn einfach vergessen.”

“Wenn du meinst”, entgegnete Cheryl. “Nur frage ich mich, wie du das anstellen willst. Durch dieses Hochhaus wirst du in den nächsten Monaten ständig an ihn erinnert werden. Du bist dreizehn Jahre lang nicht über ihn hinweggekommen. Wieso glaubst du, du könntest es jetzt?”

“Ich werde es einfach, basta.”

“Ich habe einen Vorschlag. Sei ein böses Mädchen und mach ihn scharf, bis er dir aus der Hand frisst.”

“Ich will nicht …”

“Erstens würdest du dich im Hinblick auf die Vergangenheit besser fühlen”, fuhr Cheryl unbeirrt fort, “und zweitens kannst du dich wenigstens rächen, wenn du dieses Hochhaus schon akzeptieren musst. Ich finde, das hört sich gut an. Jess ist attraktiv und wird sich wahrscheinlich als ausgezeichneter Liebhaber erweisen. Seine intensive Ausstrahlung sagt mir, dass er einer Frau geben kann …”

“Halt den Mund, Cheryl.” Doch Katie fragte sich insgeheim, ob sie den Mut hätte, sich auf ein solches Risiko einzulassen.

Jess bekam Katies Adresse von ihrer Mutter, die sich freute, etwas von ihm zu hören, und bedauerte, dass ihre Tochter das Bauprojekt so scharf kritisierte. Jess erwiderte, sie solle sich deswegen keine Gedanken machen, Katie und er wären dabei, die Sache zu klären. Dann fuhr er zu Katies Wohnung in der Nähe der Universität.

Jess hatte nur sehr wenigen Leuten erzählt, dass er ein Schloss innerhalb von fünf Sekunden aufbekam. Er hatte diesen Trick von seinem Vater gelernt. Es war eines der wenigen Dinge, die sein Vater ihm bei einem seiner seltenen Besuche zu Hause beigebracht hatte. Als Jess in die Pubertät kam und herausfand, was sein Vater machte, hatte Mel Harkins seine Besuche schon längst eingestellt.

Das war wohl auch besser so. Da Jesses Mutter nie über ihren Exmann sprach, tat Jess es auch nicht. Wenn jemand fragte, antwortete Jess, seine Eltern seien geschieden und sein Dad sei fort. Doch schwor er sich, das Gegenteil seines Vaters zu werden – ehrlich und zuverlässig. Daher fühlte er sich auch unbehaglich, jetzt das Türschloss zu Katies Wohnung zu knacken. Aber eine andere Möglichkeit, ganz sicher ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, fiel ihm nicht ein.

Als Katie ihre Wohnungstür aufschloss, hörte sie Musik und fragte sich, ob sie den CD-Player angelassen hatte. Sie trat ein, und ihr Adrenalinspiegel stieg sprunghaft. Etwa ein Dutzend dicker Kerzen brannten in ihrem Wohnzimmer.

Und auf dem Sofa lag Jess. Sie hatte so oft an ihn gedacht, dass sie sich prompt fragte, ob sie unter Halluzinationen litt.

“Hallo”, begrüßte er sie mit sanfter Stimme.

“Wie bist du hier hereingekommen?”

“Deine Mutter gab mir deine Adresse und …”

“Wenn meine Mutter dir meinen Wohnungsschlüssel gegeben hat, werde ich ein ernstes Wort mit ihr reden müssen. Dass sie dir verrät, wo ich wohne, kann ich mir ja noch vorstellen. Sie mochte dich immer, aber dir einen Schlüssel zu geben …”

“Sie hat mir keinen gegeben. Um so etwas würde ich sie nie bitten, und ich bin sicher, sie würde mir keinen Schlüssel geben. Das wäre doch zu merkwürdig.”

“Und dein Auftauchen hier in meiner Wohnung ohne Schlüssel ist es nicht?”

“Mein Vater brachte mir als Kind bei, wie man Schlösser knackt.”

“Na toll.” Nie hätte sie gedacht, dass Jess so etwas konnte. Als ihre Augen sich an das gedämpfte Licht gewöhnten, bemerkte sie eine Flasche Rotwein und zwei Kristallgläser auf ihrem Couchtisch. “Hat er dir auch beigebracht, dass Einbruch strafbar ist?”

“Nein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Dad ein Dieb war. Wahrscheinlich ist er noch immer einer.”

Diese Information verblüffte sie. Auf der High School hatte Jess erklärt, seinen Vater hielte es nie lange an einem Ort, aber dass er ein Dieb war, hatte er nie erwähnt. Vermutlich sprach er nicht gern darüber.

“Ich sollte die Polizei rufen.”

“Tu es nicht.”

“Du hast kein Recht, in meine Wohnung einzubrechen und Kerzen anzuzünden.”

“Das stimmt.”

“Mal abgesehen davon, dass es unverfroren ist. Ich hätte ja auch jemanden mit nach Hause bringen können.”

“Ich bin sicher, du hast Dates, aber ich …”

“Allerdings. Ich habe so viele Verehrer, dass ich einen elektronischen Terminkalender brauche, um den Überblick über meine Dates zu behalten. Wäre es nicht ziemlich peinlich gewesen, wenn ich mit jemandem heimgekommen wäre und dich hier auf dem Sofa vorgefunden hätte, inmitten all der Kerzen?”

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. “Ich nehme an, Kerzen sind ebenfalls Phallussymbole.”

“Diese da ganz sicher. Schau sie dir doch mal an. Nicht nur die Größe stimmt, sie sind sogar fleischfarben!”

“Als ich sie entdeckte, wusste ich sofort, dass du das sagen würdest. Deshalb habe ich sie ja auch gekauft.”

Ihr wurde klar, dass er nicht nur die Kerzen, die nicht in gewöhnliche Kerzenhalter passten, gekauft hatte. Er hatte außerdem drei schmiedeeiserne Kerzenleuchter kaufen müssen. Dann war da noch der Wein, der nicht billig aussah. Und die Gläser gehörten auch nicht ihr.

“Du hast dir so viel Mühe gemacht und dich in Unkosten gestürzt. Nur leider umsonst, fürchte ich. Denn ich muss dich bitten, zu gehen.”

Er stand auf, und für einen Moment glaubte sie, er würde wirklich zur Tür gehen. Das hätte sie sehr erleichtert. Wie sie Cheryl bereits gesagt hatte, war er viel zu sexy für sie. Sie würde sich an ihm nur die Finger verbrennen.

Doch statt zu verschwinden, ging er um den Couchtisch, bis er nur noch knapp einen Meter von ihr entfernt war. Seine markanten Gesichtszüge waren in flackerndes Kerzenlicht getaucht, und sie fand ihn attraktiver als je zuvor.

Vor dreizehn Jahren hatte sie sich nur vage ausgemalt, wie Sex mit ihm sein würde. Jetzt befeuerte die Erfahrung ihre Fantasie. Es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, mit Jess zu schlafen. Allein der Gedanke erregte sie. Also musste sie aufhören, daran zu denken. Sofort.

“Ich meine es ernst”, sagte sie. “Was immer du für ein Spiel spielst, ich werde nicht mitmachen.”

“Willst du, dass ich bettle?”

Seine Worte weckten heißes Verlangen in ihr. Vielleicht hatte sie sich verschätzt, und Jess begehrte sie ebenfalls. Das war eine faszinierende Vorstellung. Sollte sie es wagen, das herauszufinden? Hatte Cheryl etwa recht? Konnte sie ihn tatsächlich dazu bringen, dass er ihr aus der Hand fraß? Das wäre einfach zu schön. “Ja.” Ihr Herz pochte heftig bei dieser Aussicht. “Ich glaube, ich werde dich dazu bringen, dass du bettelst.”

4. KAPITEL

Jess verkniff sich ein triumphierendes Lächeln. Es war ihm egal, warum oder zu welchen Bedingungen Katie ihn bleiben ließ. Hauptsache, er konnte bleiben, und die dreizehn Jahre Sehnsucht und Verlangen würden enden.

“Wollen wir etwas von dem Wein trinken, den du mitgebracht hast?”, schlug sie vor.

“Großartige Idee.” Er ging zum Tisch und nahm die Flasche, die er bereits vorher entkorkt und mit einem silbernen Stöpsel wieder verschlossen hatte, den er ihr zusammen mit den Weingläsern schenken wollte. Vielleicht war das protzig, aber sie sollte wissen, dass er nicht mehr der arme Teenager war, der nach der Schule im Baumarkt jobbte, um seine Mutter finanziell zu unterstützen und sich Reifen und Benzin für seinen alten Ford leisten zu können.

“Während du den Wein einschenkst, ziehe ich mir etwas Bequemeres an.”

Fast hätte er die Flasche fallen lassen. Nicht im Traum hätte er damit gerechnet, dass Kate so bereitwillig mitspielen würde. “Oh, das wäre toll.” Das hier entwickelte sich zur besten Idee, die er je gehabt hatte.

Nachdem sie verschwunden war, schenkte er Wein ein und setzte sich auf das Sofa, wobei er sich fragte, was “etwas Bequemeres” bedeutete. Bilder von aufreizenden Dessous tauchten vor seinem geistigen Auge auf, und er schob die Hand in die Hosentasche, um sicherzugehen, dass die Kondome noch dort waren.

Und dann kam Katie zurück, in etwas hauchdünnes Schwarzes gekleidet. Er stand auf Schwarz, besonders bei einer blonden Frau wie Katie. Ihr Outfit bestand aus einer Pluderhose, die so tief auf ihren Hüften saß, dass ihr schwarzer Stringtanga hervorblitzte, und einem knappen schwarzen BH. Darüber trug sie ein Jäckchen, das kaum etwas verhüllte.

Jess brach der Schweiß aus. Er begehrte Katie so heftig, dass es eine Qual sein würde, hier nur mit ihr zu sitzen und Wein zu trinken. Aber vielleicht war ja genau das Sinn der Sache. Sie hatte gesagt, sie wolle ihn dazu bringen, dass er bettelte. Er war bereit, sofort mit dem Betteln anzufangen.

Katie setzte sich ans andere Ende des türkisfarbenen Sofas.

Jess nahm die beiden Weingläser und reichte ihr eines. “Auf die Erneuerung alter Bekanntschaften.”

Sie hob das Glas in seine Richtung. “Auf die Begleichung alter Rechnungen.”

Er stutzte. Möglicherweise würde sie doch nicht ganz so bereitwillig mitspielen. “Du bist noch immer wütend wegen des Abschlussballs, nicht wahr?”

“Du solltest mein erster Liebhaber sein. Ich war neugierig und erregt, aber du wolltest nicht. Was glaubst du, wie ich mich da gefühlt habe?”

“Nicht besonders gut, aber ich hatte meine Gründe. Ich wollte nicht …”

“Gründe, die du einem Mädchen mit gebrochenem Herzen leider nicht auseinandersetzen konntest. Du wirst sicher gern hören, dass ich schließlich einen anderen Kandidaten fand.”

Das war kein willkommenes Gesprächsthema. “Darüber würde ich lieber nichts erfahren, wenn es dir nichts ausmacht.” Er rutschte ein Stück näher. Ein Gespräch über ihre anderen Liebhaber würde bei seinem Verführungsversuch nicht gerade hilfreich sein.

“Ich glaube dir gern, dass du davon nichts hören willst.” Sie trank einen Schluck Wein. “Aber ich fürchte, ich muss davon erzählen.”

“Wieso?”

“Du bist der einzige Mensch auf der Welt, dem ich es je hätte erzählen wollen, und jetzt bist du hier. Natürlich musst du nicht bleiben und zuhören. Du kannst jederzeit gehen.” Sie hob die Brauen.

“Ich gehe nicht.” Wenn sie ihn ein wenig leiden lassen wollte, würde er eben leiden. Die Belohnung wäre es allemal wert.

“Es war in meinem ersten Semester an der Universität von Arizona. Er war Sportler, nett, aber ein wenig unbeholfen. Ich wollte einfach wissen, wie es ist, mit einem Mann zu schlafen.” Sie machte eine Pause, ehe sie leise hinzufügte: “Lieber hätte ich diese Erfahrung allerdings mit dir gemacht.”

“Das weiß ich, Katie. Aber ich wollte nicht, dass es auf dem Rücksitz eines Wagens passierte. Du hattest etwas Besseres verdient.”

“Ein Schlafzimmer im ersten Stock im Studentenwohnheim, während unten eine Party im Gange war? Wie findest du das?”

Jess schloss die Augen. Das wollte er sich lieber nicht vorstellen. “Na schön, ich habe es vermasselt, und es tut mir leid. Ich hätte einen Weg finden müssen, um ein hübsches Hotelzimmer bezahlen zu können.”

“Warst du damals auch noch unerfahren?”

“Ja. Glaub mir, es wäre nicht gut für dich geworden.”

Sie umfasste ihr Weinglas mit beiden Händen. “Ich nehme an, jetzt hast du mehr Erfahrung.”

“Ja.” Er dachte an sein erstes Mal, das nicht besonders erinnerungswürdig gewesen war. Seitdem hatte er mit mehreren Frauen geschlafen und sich jedes Mal eingeredet, er würde sich verlieben. Es war nie passiert.

“Das freut mich. Ich würde dich ungern schockieren.”

Er fühlte sich zusehends unbehaglich. Gestern Abend war sie ihm wie die Frau vorgekommen, die er kannte, sanft und seinen Kuss herbeisehnend. Doch heute Abend schien sie sich in jemanden mit weit mehr Erfahrung und Selbstbewusstsein verwandelt zu haben – in die Katie auf den Reklametafeln.

“Hast du deine Meinung geändert, Jess?” Sie blickte ihn herausfordernd an.

“Nein.”

“Das ist gut.” Sie leerte ihr Glas und hielt es ihm hin, damit er nachschenkte. “Denn ich freue mich schon auf alles Weitere.”

Seine Hand zitterte leicht, doch er schaffte es, ihr Glas zu füllen, ohne das türkisfarbene Sofa zu bekleckern. “Ich auch.”

“Sag mir doch mal, wie es dazu gekommen ist, dass du meine Sendung gestern Abend gehört hast?”

Er hatte nicht vor, ihr zu gestehen, dass er die Sendung fast jeden Abend hörte. “Ich war unterwegs und hatte das Autoradio an.”

“Warst du allein unterwegs?”

“Nein, mit einer Frau.”

Katie stellte ihr Weinglas ab. “Bitte sag jetzt nicht, dass dein Date draußen im Wagen wartete, als du im Sender warst. Falls doch, habe ich mich sehr in dir getäuscht, und der Abend ist beendet.”

“Im Wagen wartete niemand. Ich habe sie vorher nach Hause gefahren.”

“Ist es etwas Ernstes?”

“Nein.” Zufrieden registrierte er, dass sie offenbar nicht wollte, dass er eine feste Partnerin hatte.

“Da bin ich aber froh”, erwiderte sie. “Ich möchte keiner anderen Frau in die Quere kommen.”

“Und ich hoffe, ich komme keinem anderen Mann in die Quere.”

“Oh, keine Sorge, das wirst du nicht.”

“Na schön.” Er rutschte noch ein Stück näher. “Weißt du was? Du bist viel zu weit weg.”

“Bleib, wo du bist, Jess.”

Er runzelte die Stirn. “Wie bitte?”

“Es ist dreizehn Jahre her, und ich möchte, dass wir uns erst besser kennenlernen, bevor wir mit solchen Sachen anfangen.”

“Wie meinst du das?”, fragte er perplex. “Dass wir zuerst ausgehen?”

“Ich finde, wir sollten uns unterhalten.”

“Meinetwegen, aber im Sender gestern Abend hatte ich den Eindruck …”

“Das war nur ein sentimentaler Ausrutscher. Ich habe automatisch so reagiert wie damals auf der High School. Aber wie du selbst gesagt hast, wir fangen neu an. Damals haben wir nicht sehr viel miteinander geredet.”

“Das stimmt.”

“Dann lass uns reden.”

“Worüber?”

“Ich bin neugierig, wie viel du über Sex gelernt hast.”

Er schluckte. “Ich bin nicht sicher, wie du das meinst. Außerdem bin ich eher ein Mann der Tat.” Die neue selbstbewusste Katie verunsicherte ihn immer mehr. “Wenn du willst, dass ich Techniken aufzähle, würde ich sie dir lieber zeigen.”

“Vielleicht hilft es, wenn ich ein paar Fragen stelle. Zum Beispiel, auf welche Weise bringst du eine Frau am liebsten zum Höhepunkt?”

Jess hatte den Verdacht, dass sie auf etwas Bestimmtes hinauswollte, nur hatte er keine Ahnung, was das sein könnte. “Das hängt ganz von der Frau ab.”

“Gute Antwort. Du gehst auf die jeweiligen Bedürfnisse ein. Das gefällt mir.”

“Das hatte ich gehofft.” Vielleicht war das eine Art Test?

“Hm.” Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Unterlippe. “Ich komme wirklich gern zum Höhepunkt. Bedauerlicherweise kann man sich als Frau nicht immer darauf verlassen, dass der Mann die nötige Geduld aufbringt.”

“Ich würde es tun.” Seine Erregung wuchs, was vermutlich genau das war, was sie mit dieser Unterhaltung bezweckt hatte. “Du würdest so viel Zeit haben, wie du willst.” Und er würde gern sofort anfangen.

“Magst du Oralsex?”

“Ja.” Wenn sie ihm innerhalb der nächsten fünf Minuten erlaubte, sie auf diese Weise zu lieben, würde er endlich wieder ihr lustvolles Stöhnen hören, das ihn so antörnte. “Ich habe eine Idee. Verlegen wir diese Diskussion doch in dein Schlafzimmer.”

“Noch nicht. Zuerst muss ich mich davon überzeugen, dass ich mit dir zum Höhepunkt gelangen werde.”

“Glaub mir, das wirst du. Zu so vielen, wie du aushalten kannst. Dafür würde ich liebend gern sorgen.”

“Ich gehe gern auf Nummer sicher.” Katie stellte ihr leeres Weinglas auf den Tisch.

Jesses Puls beschleunigte sich. “Entweder bringe ich dich zum Gipfel, oder ich sterbe bei dem Versuch.”

“Das klingt mir zu extrem.” Sie nahm eine der Kerzen aus dem Halter hinter ihr. “Einem solchen Druck würde ich dich nicht aussetzen wollen.”

“Das macht mir nichts.” Er betrachtete die Kerze in ihren Händen. “Wenn du im Schlafzimmer Kerzenlicht möchtest, nimm lieber den Kerzenständer mit. Diese Kerzen haben eine Extragröße und passen nicht in jeden Halter.”

“Ich weiß.” Sie blies die Flamme aus. “Aber für Kerzen gibt es viele Verwendungsmöglichkeiten.”

Eine Möglichkeit kam ihm in den Sinn. Aber das würde sie nicht tun. Oder?

“Diese Kerzen haben wirklich eine interessante Form.” Sie drehte sie um und untersuchte das andere Ende.

Jess starrte sie an. Sie schien die Kerze beinah zu liebkosen. Und dann schob sie sich das untere Ende in den Mund, ohne den Blick von ihm abzuwenden.

Heißes Verlangen packte ihn, als sie an der Kerze saugte. “Na schön, das habe ich wohl verdient. Ich habe sie schließlich gekauft.” Seine Stimme klang plötzlich heiser und rau. “Falls du es noch nicht gemerkt hast, du machst mich ziemlich scharf.”

Katie nahm die Kerze, die jetzt feucht war und glänzte, aus dem Mund. “Das habe ich meinetwegen getan, nicht deinetwegen.”

“Ich …” Er verstummte, da sie sich zurücklehnte und die Beine spreizte. Ihm war ein wichtiges Detail an ihrer Pluderhose entgangen – sie war im Schritt offen. Jetzt begriff er Katies teuflischen Plan, der ihn ganz sicher um den Verstand bringen würde. Aber er hatte die Kerzen selbst mitgebracht. “Katie, bitte …”

“Entspann dich und genieß die Show.”

Die zwei Gläser Wein, die sie getrunken hatte, halfen, trotzdem konnte Katie kaum glauben, was sie da tat. Eine kleine Stimme schien ihr zuzuflüstern, sie solle ein böses Mädchen sein, damit Jess ihr aus der Hand fraß, so wie Cheryl es gesagt hatte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er bald so weit.

Dabei wurde sie selbst unglaublich erregt. Noch nie hatte sie bei einem Mann etwas so Provozierendes versucht. “Ich bin nicht mehr die naive Jungfrau, an die du dich erinnerst, Jess.”

“Nein.” Er klang heiser und klammerte sich mit beiden Händen am Sofa fest. “Soll ich hier einfach so sitzen bleiben?”

“Genau. Es sei denn, du möchtest gehen.”

Langsam schüttelte er den Kopf.

“Dann lass uns mit der Party beginnen.” Katie schob ihren Slip zur Seite, so wie sie es beim Umziehen geplant hatte. Dieses Harems-Outfit, das sie letztes Jahr aus einer Laune heraus gekauft hatte, war bisher nie zum Einsatz gekommen, doch es war genau das Richtige für das, was sie mit Jess vorhatte.

“Katie, ich wünschte, du würdest mich …”

“Ich lasse dich zusehen.” Sie erkannte ihre eigene Stimme kaum wieder. Sie war tief und sinnlich – passend für eine Frau, die sich mit einer Kerze stimulierte.

Jess stöhnte.

“Betrachte es als kleines Übungsseminar.” Katie atmete schneller. “Pass gut auf.” Sie sah ihm in die Augen, während sie fortfuhr, sich mit der Kerze zu liebkosen. “Möglicherweise lernst du noch das ein oder andere.” Sie jedenfalls lernte gerade, dass es viel aufregender war, ein schlimmes Mädchen zu sein, als sie es sich je hätte erträumen lassen. Lange würde sie es nicht mehr aushalten.

“Na gut, ich bettle”, sagte er.

“Um was?”, flüsterte sie und streichelte sich weiter. Sie wollte den Moment auskosten, in dem Jess ihr zu Füßen lag.

“Bring dich nicht auf diese Weise zum Höhepunkt. Lass mich dich berühren … bitte.” Er rutschte näher.

“Nein, bleib, wo du bist.”

“Ich möchte dich so gern streicheln”, drängte er.

“Aber auf diese Weise gelange ich garantiert zum Höhepunkt.”

“Aber wenn ich dich streichle, wirst du auch kommen.”

“Da bin ich mir nicht sicher.” Sie bewegte die Kerze schneller.

“Katie …”

“Ich komme, Jess.” Sie stöhnte, als es begann. “Und es ist gut … so gut …” Sie umfasste die Kerze mit beiden Händen, und sank heftig erschauernd auf die Sofakissen.

Als sie verstohlen zu Jess blickte, sah sie, dass er völlig verzweifelt wirkte. Er tat ihr fast ein bisschen leid. Aber ein echtes schlimmes Mädchen ließ die Männer nun mal zappeln, oder? Sie atmete tief durch und legte die Kerze auf den Couchtisch.

“Und jetzt?”, fragte Jess leise.

“Verabreden wir uns für morgen Abend.”

“Du schickst mich nach Hause?”

“Es ist viele Jahre her, Jess. Ich finde, wir sollten uns erst wieder besser kennenlernen.”

“Indem du mich zusehen lässt, wie du dich selbst befriedigst? Was soll das?”

“Wenn du nicht möchtest, brauchst du morgen Abend nicht wiederzukommen.”

Ein Muskel zuckte in seiner Wange. “Vielleicht werde ich das auch nicht.”

“Wie du willst. Aber falls du kommst, sei bitte gegen sechs hier. Ich mache uns etwas Leckeres zu essen.”

“Ich tippe auf Gurken und Bananen”, erwiderte er frustriert.

“Mir fällt bestimmt etwas Interessanteres ein.”

“Ohne Zweifel. Aber du solltest lieber jetzt schon wissen, dass ich diesmal mitmachen werde. Sex ist kein Zuschauersport.”

“Findest du?” Ihre Recherchen für die Sendung waren ihr jetzt sehr nützlich. “Hast du es jemals vor dem Spiegel getan?”

“Nein.”

“Das solltest du mal probieren. Spiegel verleihen dem Ganzen eine völlig neue Dimension.” Das wusste sie zwar nicht aus erster Hand, doch konnte sie es sich gut vorstellen.

Jess musterte sie mit zusammengepressten Lippen. “Ich weiß nicht, was ich von dir halten soll, Katie. Ich dachte, wir könnten einfach miteinander schlafen.”

“So einfach ist das nicht.”

“Das habe ich gemerkt.”

Dies war der beste Zeitpunkt, um ihm den Köder vor die Nase zu halten. “Wenn du morgen Abend kommst, verspreche ich dir etwas.”

“Und was?”

Sie lächelte. “Dass du nicht bloß Zuschauer sein wirst.”

5. KAPITEL

Jess und Gabe Sanchez verbrachten den größten Teil des Sonntags in den Santa Catalina Mountains auf einem Wanderpfad. Sie beide liebten diese anstrengenden Touren, bei denen sie nur wenig miteinander sprachen.

Jess hoffte, dass es auch diesmal so sein würde, denn er hatte keine Lust, über das Treffen mit sSuzanne zu reden. Aber so viel Glück hatte er nicht. Gleich bei der ersten Rast brachte Gabe das Thema zur Sprache. “Du hast nichts gesagt, also nehme ich an, dein Date am Freitagabend war ein Reinfall.”

“So ziemlich.” Bis auf das, was hinterher passierte.

“Ich verstehe das nicht. Suzanne ist klug und hat eine tolle Figur.” Gabe trank einen Schluck Wasser. “Hätte ich nicht Tanya, würde ich mit Suzanne ausgehen. Hat sie etwas getan, was dich abgetörnt hat?”

“Nein.” Jess verschwieg, dass ihr Lachen ihm auf die Nerven gegangen war. Jemand anderen würde es vermutlich gar nicht stören. “Es hat einfach nicht zwischen uns gefunkt.”

“Schade. Bei dem Ärger, den du momentan hast, könntest du gut einen Ausgleich gebrauchen. Erst die Demonstranten und jetzt auch noch Crazy Katie – ganz schön stressig das alles.”

“Ja.” Jess wandte sich ab, aus Furcht, sich irgendwie zu verraten, als Katies Name fiel. “Die ist wirklich verrückt.”

“Hast du zufällig am Freitagabend ihre Sendung gehört?”

“Ja.” Jess trank einen Schluck Wasser und versuchte ruhig zu bleiben. Er dachte an den bevorstehenden Abend, und sein Herz schlug schneller.

“Tanya und ich haben die Sendung auch gehört. Tanya mag sie wegen der Sextipps, aber ich habe ihr gesagt, wir können sie uns nicht mehr anhören nach dem, wie Katie dich Freitagabend beleidigt hat. Das war einfach nicht richtig.”

“Vielleicht wollte sie nur den Architekten beleidigen.”

“Kann sein.” Gabe setzte seine Baseballkappe wieder auf. “Offenbar glaubt Katie, jeder Mann, der mit dem Bau von Hochhäusern zu tun hat, hat Potenzprobleme.” Er grinste. “Zum Glück meint Tanya, ich hätte nichts zu kompensieren.”

Jess lachte. “Du bist bestimmt gut im Bett.”

“Das sagt Tanya jedenfalls. Wie auch immer, ich finde, die Sendung war gemein.”

“Man sollte diesen Unsinn nicht ernst nehmen.”

“Da hast du wohl recht.” Gabe verstaute die Wasserflasche wieder in seinem Rucksack. “Aber es wäre doch klasse, wenn du die Chance hättest, Crazy Katie zu beweisen, dass ihre Theorie falsch ist.” Er hievte sich den Rucksack auf eine Schulter. “Wenn du verstehst, was ich meine.”

“Ja.” Genau das hatte Jess heute Abend vor.

Katie hatte noch nie so viel Zeit mit dem Einkaufen von Lebensmitteln verbracht wie an diesem Tag. Schließlich kam sie mit zwei Fonduetöpfen, Käse, Baguette, Blockschokolade, Schlagsahne und Erdbeeren nach Hause. Außerdem hatte sie eine neue Flasche von dem Wein gekauft, den Jess gestern Abend mitgebracht hatte. Dabei hatte sie festgestellt, dass der Wein wie vermutet teuer war.

Um halb sechs war sie geduscht und angezogen und fing an, das Baguette für das Fondue in Würfel zu schneiden. Dann zündete sie die Brenner unter den Fonduetöpfen auf dem Wohnzimmertisch an. Der schmelzende Käse in dem einen und die Schokolade in dem anderen Topf verströmten herrliche Düfte.

Falls Jess auftauchte, war sie vorbereitet. Sie trug einen kurzen geblümten Rock mit einem Stringtanga darunter und ein weißes Trägertop. Auf den BH hatte sie verzichtet. Sie trug auch keine Schuhe. Sinnliche Musik erfüllte die Wohnung. Die Jalousien waren geschlossen, die Kerzen angezündet. Eine leichte Nervosität breitete sich in Katie aus, während die Minuten verstrichen.

Außer Lebensmitteln hatte sie heute auch noch zwei braune Sitzsäcke gekauft, die neben dem Couchtisch standen. Deren Vinylbezug müsste genau richtig sein für … na ja, für alles.

Um Punkt sechs klingelte es an der Tür. Katie atmete tief durch, ehe sie aufmachte.

Jess trug Jeans und ein weißes, am Kragen offenes Hemd. In der Hand hielt er eine einzelne gelbe Rose. Katie schmolz dahin, weil er sich nach dreizehn Jahren noch immer daran erinnerte.

Zu ihrem ersten Date hatte er ihr eine gelbe Rose mitgebracht und sich fünf Minuten lang dafür entschuldigt, dass die roten alle ausverkauft waren. Katie hatte sich so sehr über die gelbe Rose gefreut, dass es zu einem privaten Scherz zwischen ihnen geworden war. Danach hatte er ihr immer nur gelbe Rosen gekauft. Selbst heute noch musste sie jedes Mal an Jess denken, wenn sie eine gelbe Rose sah.

“Danke.” Sie trat zur Seite, um ihn hereinzulassen, und machte die Tür hinter ihm zu. “Die ist wunderschön.”

“Deshalb fand ich auch, dass sie zu dir passt.”

“Wo hast du denn am Sonntag eine so wundervolle Rose herbekommen?”

Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans. “Aus einem Garten, woher sonst?”

“Hast du sie etwa gestohlen?”

“Glaub mir, dem Besitzer war es egal.”

“Na, mir ist es nicht egal”, protestierte sie. “Das ist eine reizende Geste, Jess, aber wenn ich mir vorstelle, dass du dafür den Garten von jemandem verwüstet hast …”

“Soll ich sie zurückbringen?”

“Das würde auch nichts mehr nützen. Du kannst sie schließlich nicht wieder ankleben.”

Er lachte. “Schon gut. Sie kommt aus meinem eigenen Garten.”

“Oh. Hast du den Rosenbusch selbst angepflanzt?”

“Ja.”

Katie versuchte nicht zu viel hineinzudeuten, doch sie musste die nächste Frage einfach stellen. “Aus einem bestimmten Grund?”

Er zuckte die Schultern. “Ich habe eine Schwäche für gelbe Rosen.” Er schnupperte. “Hier duftet es gut.”

“Fondue.” Katie deutete zum Couchtisch. “Setz dich auf einen der Sitzsäcke, während ich eine Vase für die Rose hole. Du kannst uns schon Wein einschenken, wenn du möchtest.”

Er schaute auf die Sitzsäcke. “Die waren doch gestern Abend noch nicht hier.”

“Gut aufgepasst. Ich habe sie heute Nachmittag erst gekauft.”

“Extra für heute Abend?” Er wirkte ein wenig verunsichert.

Sie hob die Rosenblüte an ihre Nase, um ihr Lächeln zu verbergen. “Ja. Sie sind genau richtig, um am Couchtisch zu essen, und sie haben eine strapazierfähige Oberfläche.”

Er schluckte. “Du meinst, falls wir kleckern oder so.”

“Genau.” Sie ging in die Küche, aus Angst, sie würde noch laut loslachen, weil sie Jess schon wieder völlig aus dem Konzept gebracht hatte. Und es war ganz leicht gewesen.

Jess hatte gedacht, er sei darauf vorbereitet, welche erotische Wirkung es haben würde, wieder in Katies Wohnung zu sein. Aber er hatte sich geirrt.

Er schenkte Wein ein und schlenderte ein wenig herum, um seine Nervosität zu vertreiben. In einem Regal entdeckte er ein Foto von Katies Familie. Trotz des gedämpften Lichts im Zimmer erkannte er Don und Joanne Peterson. Nette Leute. Daneben stand eine Aufnahme von Katies Bruder Dennis, die ihn mit einer hübschen Brünetten und einem Baby zeigte.

Dann war Katie jetzt also Tante. Er fragte sich, ob sie je daran gedacht hatte, selbst eine Familie zu gründen.

“Dennis hat eine Frau aus New York geheiratet, deshalb wohnen sie jetzt dort”, erklärte Katie, als sie ins Zimmer zurückkam und die Vase auf den Tisch stellte. Sie trat neben Jess. “Das sind Dennis und Julie mit meiner Nichte Emma.”

“Ein süßes Kind.”

“Hinreißend.” Katie legte beide Fotografien umgedreht ins Regal.

“Warum hast du das getan?”

“Dann sind weniger Leute im Zimmer, findest du nicht? Lass uns Fondue essen.”

Nachdem sie sich auf den weichen Sitzsäcken niedergelassen hatten, erhob Katie ihr Glas.

“Auf alte Freundschaften … und neue Erfahrungen.”

“Klingt gut.” Er stieß mit ihr an und trank einen Schluck. “Ich habe noch nie Fondue gegessen.” Er glaubte zwar nicht, dass sie das mit “neue Erfahrungen” gemeint hatte, aber er gab sich ahnungslos.

“Nicht mal als Kind?” Sie reichte ihm eine lange Gabel und den Brotkorb.

“Ich glaube nicht.” Er war sich ziemlich sicher. Seine Mutter hatte weder die Zeit noch das Geld für aufwendige Mahlzeiten gehabt. Aber falls er je wieder Fondue essen sollte, würde er Katie damit in Verbindung bringen, wie sie auf einem Sitzsack saß, ihr Rock bei jeder Bewegung höher rutschte und sich ihre Brustspitzen unter dem Trägertop abzeichneten.

Moment mal … es war nicht kühl im Zimmer. Und wenn er ihre Brustspitzen trotz des gedämpften Lichts so deutlich erkennen konnte, bedeutete das, dass Katie erregt sein musste. Er fühlte sich gleich ein wenig besser. Er nahm seine Gabel und spießte ein Brotstück auf.

“Meine Eltern hatten einen Fonduetopf, als ich ein kleines Kind war.” Sie tauchte ihr Brot in den geschmolzenen Käse. “Aber dann endete diese Mode, und sie verkauften den Topf auf dem Flohmarkt. Jetzt ist Fondue wieder in. Ich fand, wir sollten es mal probieren.”

Jess bekam nicht alles mit, weil er gebannt auf Katies Ausschnitt starrte, während sie sich vorbeugte. Am liebsten hätte er auf das Fondue verzichtet und sich mit ganz anderen Dingen beschäftigt.

“Entscheidend ist, wie man das Brot in den Käse tunkt.” Katie fuhr mit ihrer Gabel durch die cremige Masse und schob sich das mit Käse vollgesogene Brotstück in den Mund. “Hm, nicht schlecht. Probier mal.”

Jess hätte sie ewig beobachten können. Ihre Brüste bewegten sich leicht unter dem Top, und ihr sinnlicher Mund erinnerte ihn unwillkürlich an das, was sie gestern Abend getan hatte, auch wenn sie jetzt nur ganz harmlos aß. Er war nicht der Typ, der sich auf eine Frau stürzte und ihr die Kleider vom Leib riss, aber die erotisch aufgeladene Atmosphäre setzte ihm zu. Doch er nahm sich zusammen. Er war immer stolz gewesen auf seine Selbstbeherrschung.

Er tauchte ebenfalls ein Stück Brot in den Käse und kostete. “Ja, gar nicht schlecht. Ein Teller Chips dazu wäre nicht schlecht, aber so geht es auch.”

“Typisch Mann. Ich hätte wohl auch lieber Bier statt Wein kaufen sollen, was?”

“Genau, dann könnten wir deinen Fernseher einschalten und uns ein Footballspiel ansehen.”

Sie wirkte geknickt. “Willst du das?”

“Ich denke nicht im Traum daran.” Ich will dich ausziehen und jeden Zentimeter deines Körpers küssen – eine Fantasie, die mich schon seit Jahren verfolgt.

“Gut.” Ihre Miene hellte sich auf.

“Ich bin kein großer Sportfan. Vielleicht, weil ich nie Zeit zum Spielen hatte.”

“Trotzdem bist du auf der High School zu den meisten Spielen erschienen.”

“Wenn mein Job es zuließ. Und nur weil du Cheerleader warst.” Er sah sie noch deutlich vor sich in dem kurzen Rock, der etwa die gleiche Länge hatte wie der, den sie jetzt trug. Er fragte sich, ob sie die Hüften noch immer so sexy kreisen lassen konnte wie damals. Er beabsichtigte, es herauszufinden, bevor die Nacht vorbei war.

Sie hielt beim Umrühren mit dem nächsten Stück Brot inne. “Du bist nur meinetwegen zu den Spielen gekommen?”

“Ja.” Er trank noch einen Schluck Wein. “Wusstest du das nicht?”

“Ich dachte, du wärst an Sport interessiert, und mich zu sehen wäre eine Zugabe gewesen.”

“Nein, ich war an dir interessiert, und der Sport war eine Zugabe.” In Wahrheit war er total in sie verknallt gewesen.

“Ich war auch an dir interessiert”, gestand sie leise.

Einen Moment lang glaubte er, Bedauern in ihrem Blick zu erkennen. Nun, dann erging es ihr wie ihm. Er hätte ihr erster Liebhaber sein sollen. Er hätte es so einrichten müssen, dass es passierte.

Doch dann lächelte sie, und das Bedauern verschwand. “Los, Jess, iss noch mehr Fondue.”

Katie fand, dass es an der Zeit war, die Dinge ein wenig zu beschleunigen. “Wechseln wir zu Schokolade”, schlug sie vor. “Da kommen die Erdbeeren ins Spiel.” Sie stand auf. “Ich habe auch Schlagsahne gekauft. Ich hole sie schnell.”

“Gern.” Der wachsame Ausdruck war auf Jesses Gesicht zurückgekehrt.

Sehr gut. Cheryl würde zufrieden sein, wie sie, Katie, ihn verunsichert hatte. Gestern Abend hatte sie ihn dazu gebracht, zu betteln. Heute Abend war sie davon noch weit entfernt. Bis jetzt war sie viel zu nett zu ihm gewesen. Mit dem nächsten Schritt würde sie das Feuer anfachen und sehen, wie Mr Selbstbeherrschung darauf reagierte.

In der Küche nahm sie die Dose mit der Sprühsahne und eine Schüssel aus dem Kühlschrank und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wobei sie die Dose heftig schüttelte. Sie wusste, dass ihre Brüste dabei wippten, und sie wollte, dass Jess es sah. Männer nahmen so etwas bekanntlich wahr, und genau deshalb hatte sie dieses Trägertop angezogen.

Wie erwartet, wurden Jesses Augen größer, je länger sie die Dose schüttelte. Er schluckte und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Ausgezeichnet. Er war reif für den nächsten Schritt.

Sie stellte die Schüssel auf den Tisch und stand dabei so vor Jess, dass er ihr mühelos unter den Rock schauen konnte. “Bist du bereit dafür?”

Er schluckte erneut. “Ich … ich glaube schon.”

“Es geht los.” Sie bückte sich ein wenig, damit der Rock noch höher rutschte, und sprühte einen Klecks Sahne in die Schüssel. Dann ließ sie sich wieder auf ihrem Sitzsack nieder.

Jess wirkte wie hypnotisiert. Am liebsten hätte Katie mit den Fingern vor seinem Gesicht geschnippt. Aber sie hatte eine bessere Idee, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.

“Diese Sprühsahne ist besonders gut.” Sie sah ihn an und fuhr mit der Zunge über die Düse. “Sie ist so lecker, dass ich sie manchmal direkt aus der Dose sauge.”

Sofort war sein Blick wieder auf sie gerichtet.

“Es bleibt immer ein kleiner Rest drin, nachdem die Sahne herausgespritzt ist.” Sie legte die Lippen um die Düse und saugte sanft, während die süße Sahne auf ihre Zunge traf.

Jess beobachtete sie gebannt.

“Wenn ich noch mehr will, was oft der Fall ist, drücke ich einfach auf die Düse, und die Sahne kommt direkt in meinen Mund.” Es zischte leise, und ihr Mund füllte sich mit Schlagsahne. “Hm.” Sie ließ ein wenig Sahne vorbeitropfen und fing sie mit der Zunge auf.

“Katie.” Jess klang heiser.

Sie tat unschuldig. “Was ist denn?”

“Das weißt du genau.”

Sie hielt ihm die Dose hin. “Möchtest du auch mal dran saugen? Das macht Spaß.”

Er ignorierte die Dose.

“Wollen wir jeder eine Erdbeere essen?” Sie stellte die Sahnedose hin und spießte mit ihrer Gabel die dickste Erdbeere aus der Schüssel auf. Sie tauchte sie in die geschmolzene Schokolade und warf Jess einen Blick zu.

Er hatte sich noch immer nicht gerührt, doch seine Augen funkelten begehrlich.

Sie tat, als merke sie das nicht. “Was ist los? Hast du deine Gabel verloren?”

“Nein, nur den Verstand, als du das gerade getan hast.”

“Wovon redest du?”

“Du weißt sehr genau, was du mit der Sprühsahne gemacht hast.”

Sie drehte die aufgespießte Erdbeere, bis sie nicht mehr tropfte. “Natürlich. Ich habe die Sahne genossen.” Sie tauchte die mit Schokolade überzogene Erdbeere in den Schlagsahneklecks.

“Du hast etwas anderes imitiert.”

“Habe ich?” Sie leckte die Sahne und die Schokolade von der Erdbeere.

“Du wolltest, dass ich mir in allen Farben ausmale, du würdest das mit mir machen.”

“Was machen?” Sie saugte an der Spitze der Erdbeere.

“Das.” Sein Blick verriet heißes Verlangen. “Aber du wirst es nicht tun, oder? Du willst mich damit verrückt machen, dass ich es mir vorstelle, aber du wirst es nicht wirklich …”

“Vielleicht doch.” Sie knabberte an der Erdbeere.

Er stöhnte.

“Wenn du mich nett darum bittest.”

“Du meinst, wenn ich darum bettle.”

Katie aß die Erdbeere auf und tauchte den Zeigefinger in die Sahne. “So ähnlich.” Ohne den Blick von ihm abzuwenden, leckte sie ihren Finger ab.

“Nun, ich werde nicht betteln.”

“Nein?” Erneut tauchte sie den Zeigefinger in die Sahne und leckte ihn ab. “Zu schade. Du siehst aus, als könntest du ein wenig Erleichterung brauchen. Aber wenn du nicht interessiert bist, esse ich einfach eine weitere Erdbeere.” Sie nahm eine aus der Schüssel. “Du solltest sie probieren. Sie sind köstlich.”

“Verdammt, Katie, können wir nicht einfach Sex haben?”

“Weißt du was?” Sie tunkte die Erdbeere erst in die Schokolade und dann in die Sahne. “Du solltest dich entspannen und einfach abwarten, was passiert.”

Jess war es gewohnt, bei einer Frau die Initiative zu ergreifen. Natürlich war er schon verführt worden, aber nicht so, nicht ohne den geringsten Körperkontakt.

Sein Verlangen war fast unerträglich. Er leerte sein Weinglas, während er beobachtete, wie Katies Lippen auf äußerst erotische Weise eine Erdbeere liebkosten. Schließlich stellte er das Weinglas ab und atmete tief durch.

“Katie, bitte komm her zu mir.”

Sie legte ihre Fonduegabel hin. “Brauchst du etwas?”

“Ja.” Der Gedanke an das, was sie möglicherweise gleich tun würde, ließ ihn erschauern. “Ja, bitte.”

Sie rutschte von ihrem Sitzsack und kniete sich vor Jess. “Es kann sehr befreiend sein, um das zu bitten, was man möchte.”

Er schloss die Augen. “Dann befreie mich. Bitte befreie mich, Katie.”

“Wie denn?”

Er machte die Augen wieder auf und sah ihr ins Gesicht. “Willst du, dass ich es ausspreche?”

“Ich will Klarheit zwischen uns.”

“Ich …” Seine Begierde ließ keinen Rückzieher zu. “Ich will …” Jess räusperte sich. “Ich will, dass du den Reißverschluss meiner Jeans öffnest.”

“Dann lehn dich zurück.”

“Ich will, dass du mich küsst.”

Sie schaute auf. “Auf den Mund?”

“Verdammt, ja, auf den Mund. Was dachtest du denn?”

“Na schön. Auf den Mund.” Sie richtete sich auf und umfasste sein Gesicht mit ihren warmen Händen. “Ein Kuss, kommt sofort.”

Er legte seine Hände auf ihre und beugte sich vor, um ihre aufregenden Lippen zu küssen.

Katie wich zurück. “Ich sollte dich küssen, Jess, nicht umgekehrt.”

Er stöhnte frustriert. “Musst du unbedingt das Kommando haben?”

“Wäre das zur Abwechslung nicht mal ganz witzig?” Sie sah ihm in die Augen.

Er dachte, dass er sich in der blauen Tiefe ihrer Augen leicht verlieren könnte. “Wieso können wir den Dingen nicht einfach ihren Lauf lassen?”

“Damals hattest du das Kommando”, erinnerte sie ihn.

“Ich habe doch nur versucht …”

“Es spielt keine Rolle, ob deine Absichten ehrenvoll waren oder nicht. Das Ergebnis war dasselbe. Ich war damals in der passiven Rolle. Wenn du jetzt mit mir Sex haben willst, will ich, dass du die passive Rolle übernimmst. Das ist meine Bedingung.”

“Du machst eine einfache Sache kompliziert.”

“Das sagst du.” Katie lächelte. “Ich sage, ich vereinfache eine komplizierte Angelegenheit … zumindest für dich. Du brauchst nichts zu denken oder zu tun. Genieß es einfach.”

“Und wenn ich es mehr genießen würde, die aktive Rolle zu übernehmen?”

Ihr Lächeln vertiefte sich. “Oh, ich bin sicher, du wirst lieber selbst aktiv, als dass du die Dinge auf dich zukommen lässt. Aber so funktioniert das nicht.”

“Nie?” Kaum hatte er es ausgesprochen, wurde ihm die Bedeutung dieses kleinen Wortes klar. Bis jetzt waren er und Katie ganz auf den Augenblick konzentriert gewesen. Keiner von beiden hatte länger als ein paar Stunden in die Zukunft geblickt. Aber genau das hatte er gerade getan.

“Ich weiß nicht”, sagte sie schließlich. “Wir werden abwarten müssen, wie sich das Ganze entwickelt.”

Jetzt verstand er. Sie wollte herausfinden, ob er ihr die Initiative überlassen konnte. Wenn ja, würden sie weitersehen. Konnte er es nicht, würde die Geschichte enden. Das hatte er sich ein wenig anders vorgestellt, als er heute Abend hierhergekommen war.

“Kannst du das akzeptieren?” Sie hielt sein Gesicht weiterhin mit beiden Händen umfasst und schaute ihm in die Augen. “Noch kannst du einen Rückzieher machen.”

“Das kommt nicht infrage. Nicht mehr.”

“Dann halt still. Ich werde dich küssen.”

Er schloss erneut die Augen und genoss das Gefühl ihrer weichen Lippen auf seinen und ihr zärtliches Zungenspiel. Wie er es dreizehn Jahre lang ausgehalten hatte, Katie nicht zu küssen, war ihm ein Rätsel.

Viel zu früh für seinen Geschmack beendete sie den Kuss.

“Und jetzt lehn dich zurück”, flüsterte sie.

Er gehorchte und fand es ungewohnt aufregend, sich einmal ganz hinzugeben, während Katie den Reißverschluss seiner Hose öffnete.

“Was jetzt?”, hauchte sie.

Er hielt sich nicht länger zurück. Er wollte alles, was sie ihm anbot. “Zieh meinen Slip herunter.”

Zarte Hände machten sich am Elastikbund seines Slips zu schaffen. Kühle Luft traf auf seine Erektion.

Katie sog scharf die Luft ein. “Und jetzt?”

“Ich will, dass du mich berührst.”

Ihre Finger fühlten sich kühl auf seiner erhitzten Haut an, als sie ihn zu streicheln begann. “So?”

“Ja”, stieß er hervor.

“Was möchtest du noch, Jess?”

“Ich … ich möchte, dass du deinen Mund benutzt.”

“Ich dachte schon, du würdest mich nie darum bitten. Aber zuerst werde ich mit dir spielen.”

Er hatte keine Ahnung, was sie meinte, bis er etwas Warmes, Flüssiges auf seinem Glied spürte. Er machte die Augen auf und sah, wie Katie ihn mit der geschmolzenen Schokolade bemalte.

“Wie fühlt sich das an?”

Er war viel zu erregt, um zu antworten.

“Ist es zu warm?”

Er schüttelte den Kopf.

“Zu kalt?”

Er schüttelte wieder den Kopf.

“Genau richtig?”

Er nickte.

Und Katie begann, langsam und genüsslich die Schokolade abzuschlecken.

Gütiger Himmel! Jess atmete schwer. Ein lustvoller Schauer durchlief ihn. Er bezweifelte ernsthaft, dass er diese sinnliche Tortur noch lange aushalten würde. Doch er würde sich zusammenreißen, bis …

Katies Lippen schlossen sich um seine Erektion, ohne dass sie ihre raffinierten Liebkosungen unterbrach.

“Mehr”, brachte er mühsam hervor. “Tiefer.”

Langsam ließ sie ihn tiefer in ihren Mund gleiten. Es war so schön, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. Dann zog sie sich zurück, und er flüsterte in flehendem Ton: “Bitte!”

Sie erfüllte ihm den Wunsch und begann von Neuem, ihn mit dem Mund zu verwöhnen. Jess krallte die Finger in den Sitzsack. Es dauerte nicht lange, bis er zum Höhepunkt gelangte. Kurz vorher hörte er Katie zufrieden seufzen, und dann übertönte sein Schrei die leise Hintergrundmusik.

Schließlich löste Katie sich von ihm. Erschöpft lag er auf dem Sitzsack, unfähig zu sprechen oder sich zu bewegen.

Vage registrierte er, dass sie seinen Slip wieder hochzog und den Reißverschluss seiner Jeans zuzog. Dann küsste sie ihn auf die Wange. “Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst”, sagte sie. “Und schließ die Tür hinter dir, wenn du gehst.”

Abrupt hob er den Kopf. “Was?”

Sie blies die Kerzen und die Brenner unter den Fonduetöpfen aus. “Das war’s.”

“Das ist nicht dein Ernst!”

“Und ob. Ich mache hier die Regeln.” Sie lächelte ihm zu. “Außerdem siehst du vollkommen geschafft aus.”

“Das bin ich nicht.” Er rappelte sich hoch, wobei er sich am Couchtisch abstützen musste. “Gib mir ein paar Minuten, dann bin ich wieder bereit. Wir haben doch gerade erst angefangen. Ich habe dich nicht einmal angefasst.”

“Ich dich aber.”

“Das weiß ich. Und es war wundervoll. Ich habe jede Sekunde genossen.” Er ging auf sie zu. “Aber jetzt ist es Zeit, mich zu revanchieren.”

“Wie schnell wir doch vergessen.”

“Was vergessen?”

“Dass ich die Regeln mache.”

“Meinetwegen. Wir werden in dein Schlafzimmer gehen, wo du mir ganz genau erklären kannst, was ich tun soll.”

“Ich habe dich nicht in mein Schlafzimmer eingeladen, oder?”

Er rieb sich das Gesicht. Das alles war völlig neu für ihn. “Na schön, vergiss das Schlafzimmer. Such du den Ort aus und sag mir genau, was du von mir willst. Du hast das Kommando, das verspreche ich.”

“Dafür bin ich noch nicht bereit”, erklärte sie. Im flackernden Schein der letzten Kerze wirkte sie gar nicht so abweisend. Dennoch schickte sie ihn nach Hause. Das ergab überhaupt keinen Sinn.

“Ist das nicht frustrierend, Katie? Du musst doch auch erregt sein.”

“Jetzt, wo du es erwähnst … aber darum kann ich mich selbst kümmern. Also fahr heim, und falls du morgen Abend noch interessiert sein solltest, kannst du wiederkommen.”

“Morgen Abend haben wir nicht viel Zeit. Deine Sendung geht bis zehn.”

“Musst du dann schon im Bett sein?”, neckte sie ihn.

“Nicht, wenn ich mit dir ins Bett gehen kann.”

“Ich werde darüber nachdenken. Komm gegen halb elf, dann unterhalten wir uns darüber.”

“Unterhalten?”, wiederholte Jess ungläubig. “Ich will mich nicht mehr nur unterhalten! Zwischen uns ist noch eine Rechnung offen.”

“Das ist nicht nur meine Schuld, oder?”

Er biss die Zähne zusammen. “Werde ich denn nie aufhören, für diese Entscheidung zu bezahlen?”

“Du kannst jederzeit aufhören, zu bezahlen. Niemand zwingt dich, zu mir in meine Wohnung zu kommen. Das liegt allein bei dir.”

“Du bist eine frustrierende Frau, weißt du das?”

Sie lächelte unbeeindruckt. “Du brauchst nicht wieder aufzutauchen, wenn es so schlimm für dich ist.”

“Vielleicht werde ich das auch nicht.”

“Das ist deine Entscheidung. Ich werde hier sein.” Damit blies sie die letzte Kerze aus. Wäre das Licht aus der Küche nicht gewesen, hätten sie in völliger Dunkelheit dagestanden. “Gute Nacht. Schlaf gut.”

Jess fluchte leise. Er war zurückgewiesen worden. Katie hatte sich über ihn hergemacht, und jetzt schickte sie ihn fort. Doch nie zuvor hatte eine Frau ihn auf diese ganz spezielle Weise verwöhnt. Er wäre ein Narr, wenn er auf dieses Vergnügen verzichten würde. Er würde morgen Abend wiederkommen, das wussten sie beide.

Jess nach Hause zu schicken war Katie sehr schwer gefallen, doch sie wusste, dass es die richtige Entscheidung war. Sie fühlte sich immer besser in ihrer neuen Rolle. Das Ganze war eine Frage der Macht. Vor dreizehn Jahren hatte sie keine Macht gehabt und sich Jess ausgeliefert. Aber das würde sie nicht mehr tun.

Jetzt hatte sie ihre Macht zurückgewonnen. Dabei hatte sie ihm höchste Lust bereitet, das hatte sie sehen können. Wie schön und wie erregend!

Als sie ihm sagte, sie sei noch nicht so weit, mit ihm zu schlafen, hatte sie nicht gelogen. Das würde sie ihm erst gestatten, wenn sie sich selbstbewusst fühlte und keine Angst haben musste, dass sich das Kräfteverhältnis wieder verschob.

Während sie die Fonduetöpfe abwusch, klingelte ihr Handy. Sie ließ die Mailbox anspringen und hörte sie hinterher ab. Es war Jess, der eine Nachricht hinterlassen hatte.

“Ich ahne, was du gerade tust”, sagte er. “Deshalb rufe ich an, um dich daran zu erinnern, dass ich dich zu diesem Höhepunkt hätte bringen können, wenn du mich nicht weggeschickt hättest. Du bist nicht die Einzige, die Oralsex gut beherrscht, Katie Peterson.”

Das war eine ziemlich lange Rede für Jesses Verhältnisse. Er klang gereizt. Wunderbar, dachte sie. Wenn sie ihn endlich von der Leine ließ, durfte er ruhig ein bisschen wild und ausgehungert sein.

“Der andere Grund, weshalb ich anrufe, ist, dass ich dich morgen zum Lunch einlade. Ich finde, wir sollten uns bei Tageslicht treffen. Ich kann dich um halb eins am Sender abholen. Bitte sag mir Bescheid.”

Katie ließ fünfzehn Minuten verstreichen, in denen sie rasch ein paar Kniebeugen machte, um außer Atem zu sein. Dann rief sie ihn an.

“Hallo!” Sie schnappte dramatisch nach Luft. “Ich habe deine Nachricht erhalten.”

Er stöhnte. “Rufst du mich dabei oder danach an?”

“Wobei?” Zufrieden registrierte sie, dass er auf ihren Trick hereinfiel.

“Das weißt du sehr genau. Dein Atem verrät, was du tust. Davon kannst du blind werden, weißt du das?”

“Glaubst du wirklich noch an diese alten Märchen?”

“Nein. Ich habe nur Spaß gemacht.”

“Vielleicht glaubst du doch daran und schämst dich nur, es zuzugeben. Das würde jedenfalls erklären, weshalb du heute Abend so verzweifelt warst.”

“Ich war nicht verzweifelt!”, protestierte Jess.

“Und ob du verzweifelt warst. Aber das macht nichts. Ich hatte meinen Spaß. Den habe ich immer noch”, fügte sie hinzu und dachte: Indem ich dich an der Nase herumführe, Süßer.

“Du machst es jetzt gerade? Während du mit mir redest?”

“Wieso nicht? Gibt es ein Gesetz dagegen?”

“Nicht zu fassen. Andererseits passt das gut zu deinem Plan, mich in den Wahnsinn zu treiben.”

“Und wie komme ich damit voran?”

“Viel zu gut.”

“Bist du schon wieder erregt?”

“Vergiss es.” Sein heiserer Ton verriet ihn. “Wenigstens weiß ich, dass du keinen Vibrator benutzt, denn ich höre kein Summen.”

“Rate mal, was ich benutze.”

“Nein.”

“Keine Kerze. Das hatte ich schon. Ich mag Abwechslung. Na los, rate.”

“Katie, ich lege jetzt auf.”

“Aber ich habe dir noch gar nicht gesagt, ob ich mich mit dir zum Lunch treffe. Ich dachte, du wolltest eine Antwort.”

“Wollte ich auch, aber mittlerweile frage ich mich, ob das mit dem Lunch eine so gute Idee ist. Wer weiß, was du da wieder ausprobierst.”

Sie lächelte triumphierend. Offenbar hatte sie es geschafft, ihn zu überzeugen. “Wenn wir uns nicht zum Lunch treffen, wirst du es nie erfahren.”

“Dann kommst du also?”

“Interessante Wortwahl”, bemerkte sie. “Ja, ich werde kommen.”

“Ich meinte zum Lunch.”

“Das auch.”

“Ich lege jetzt wirklich auf”, versicherte er ihr. “Ich werde nicht zuhören, wie du zum Höhepunkt gelangst.”

“Gut, ich wollte nämlich selbst gerade auflegen. Ich brauche zwei Hände.”

“Katie!”

“Wiederhören, Jess. Denk an mich.” Sie legte auf und amüsierte sich köstlich.

6. KAPITEL

Als Jess am Montagmorgen seinen Pick-up um die Absperrungen herumlenkte und am Gebäude des Senders KRZE vorbeilenkte, war er voller Vorfreude, obwohl Katie neuerdings eine echte Herausforderung darstellte. Früher war sie nicht so gewesen. Aber er sollte nicht allzu überrascht sein, dass sie sich in dreizehn Jahren verändert hatte. Eine Radiomoderatorin musste frech sein, oder sie konnte ihren Job aufgeben.

Er parkte und bemerkte, dass die Zahl der Demonstranten, die mit Schildern vor dem hohen Stacheldrahtzaun auf und ab marschierten, gestiegen war. Auch die Schilder waren neu. Auf einem stand neben einem mit wenigen Strichen angedeuteten Hochhaus in leuchtendem Rot: Du kriegst ihn nicht hoch!

Offenbar hatten die Demonstranten Katies Theorie übernommen. Jess setzte seinen gelben Schutzhelm auf, nahm seine Baupläne und stieg aus dem Wagen.

“He, Harkins!”, rief einer der Demonstranten. “Such dir eine Freundin, Mann!”

Jess ignorierte ihn und ging auf den Bauwagen zu. Gabe kam ihm entgegen. “Einige unserer Jungs sind sauer wegen der Schilder. Du solltest sie beruhigen, sonst kommt es womöglich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.”

“Wir sollten über den Dingen stehen. Wenn unsere Männer diesen Unsinn ernst nehmen, liefert das den Demonstranten nur neue Munition.”

“Ich habe Gerüchte gehört, dass Livingston Development auch nicht gerade glücklich ist.” Gabe trat in den Schatten des Bauwagens und nahm seine Sonnenbrille ab. “Sie setzen den Chef von KRZE unter Druck, damit er Katie die Flügel stutzt. Ich hoffe nur, es ist noch nicht zu spät. Sag mal, hast du schon die Heliumballons der Demonstranten gesehen?”

“Ballons?”

“Es ist so eine Art Performance-Kunst. Schau mal zum anderen Ende des Zauns, nicht weit von KRZE.”

Jess drehte sich um. “Ich sehe sie nicht … oh, Moment. Sie lassen gerade einen aufsteigen.” Er beobachtete, wie ein großer röhrenförmiger Ballon in grellem Pink bis zu einer Höhe von drei Metern aufstieg und dann Luft verlor. Während der erste Ballon schlaff wurde, stieg ein zweiter pinkfarbener Ballon auf.

Jess seufzte. “Wie originell.”

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