Sind diese Küsse nur gespielt?

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Erika und Amos sind das neue Traumpaar der New Yorker High Society. Kein Wunder, so zärtlich wie Amos seine Braut in der Öffentlichkeit küsst. Und die verliebten Blicke, die er ihr zuwirft - da könnte jede Frau neidisch werden! Was niemand weiß: Die beiden führen eine Scheinehe, ihre Gefühle sind natürlich nur gespielt! Oder etwa nicht?


  • Erscheinungstag 21.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778569
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Reise war diesmal noch hektischer gewesen als sonst. Was normalerweise mindestens drei Wochen Arbeit bedeutet hätte, hatte Erika in nur zehn Tagen erledigt. Selbst eine geruhsame Nacht in ihrem eigenen Bett hatte ihr nicht gereicht, um sich von dem Stress und dem Jetlag zu erholen. Jetzt war es erst zehn Uhr morgens, wenn sie den Zeigern ihrer kleinen goldenen Uhr glauben konnte. Aber ihr Körper sagte etwas ganz anderes. Kein Wunder, dass sie gähnen musste, als der Fahrstuhl endlich die Lobby erreichte.

So schaffe ich das doch nie, dachte Erika verzagt. An diesem Tag war ihr Terminkalender schon bis zum Platzen voll mit geschäftlichen Verabredungen, und bestimmt quoll ihr Schreibtisch über vor Arbeit. Daher konnte sie sich auf gar keinen Fall erlauben, müde zu sein. Wenigstens nicht heute.

Es kam ihr so vor, als wäre sie einen ganzen Monat lang fort gewesen. Während ihrer Abwesenheit hatte sich der Winter unvermittelt aus New York verzogen. Der letzte schmutzige Schnee war verschwunden, und obwohl die Dämmerung bereits eingebrochen war, hatte Erika auf dem Weg vom Flughafen nach Hause den Eindruck gehabt, als würde sie im Central Park das erste frische Grün erblicken. Selbst die Lobby des Gebäudes, in dem sie wohnte, hatte anders ausgesehen als bei ihrer Abreise. An diesem Morgen fiel die Sonne durch die verspiegelten Türen der Eingangshalle und warf funkelnde kleine Lichtkegel auf den frisch gereinigten Teppich.

Aber manche Dinge ändern sich eben nie, dachte Erika erfreut, als sie auf das kleine Büro direkt neben den Fahrstühlen zuging.

Im Büro stand ein Mann, der ihr den Rücken zugewandt hatte. Er war in die Betrachtung eines schwarzen Bretts mit vielen Zetteln vertieft. In Erikas Augen war dies der größte Pluspunkt, den der frisch renovierte Apartmentkomplex zu bieten hatte. Laut Namensschild an der Tür war dies Stephen, der Manager. Er kümmerte sich um die Mieteinnahmen, den Safe, die anfallenden Reparaturen und um alle Beschwerden der Mieter. Tatsächlich hatte er sich in den letzten acht Monaten zum Concierge eines Luxushotels entwickelt. ‚Brauchen Sie vielleicht Karten für die Symphoniker? Dann reden Sie einfach mit Stephen, er verfügt über beste Kontakte.‘ – ‚Muss Ihr Hund ausgeführt werden? Wenden Sie sich an Stephen, er kennt genau den richtigen Mann für den Job.‘ – ‚Bekommen Sie eine neue Couch geliefert, können aber zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause sein? Sprechen Sie einfach mit Stephen, er wird nicht nur den Lieferschein unterzeichnen, sondern sich auch noch darum kümmern, dass die Couch an den richtigen Platz gestellt wird.‘

Ganz klar, das ist das Beste an diesem Haus, dachte Erika. „Stephen, Darling …“

Der Mann richtete sich auf und drehte sich langsam zu ihr um.

Im selben Moment wurde Erika klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Während Stephen in seinen Bewegungen immer etwas fahrig war, wirkte dieser Mann ruhig und gelassen, wie ein Panter auf dem Streifzug. Er war auch ein paar Zentimeter größer als Stephen, und sein Haar war etwas dunkler.

Sie hätte den Unterschied eigentlich sofort bemerken müssen. Erika war es gewohnt, Stephen stets in seinem Büro vorzufinden, und sie hatte ihn selten von hinten gesehen. Kein Wunder, dass sie den Mann mit ihm verwechselt hatte.

Er hatte sich inzwischen ganz umgedreht, so dass sie sein Gesicht in aller Ruhe studieren konnte. Jetzt wurde ihr klar, dass er überhaupt keine Ähnlichkeit mit Stephen hatte. Sein Haar war nicht nur dunkler, fast schon schwarz, es war auch viel dichter, lockiger und ungebändigter als Stephens. Seine Augen waren himmelblau, was Erika an einen Sommertag auf Long Island erinnerte. Er war nicht klassisch schön, sondern eher ein Mann für den zweiten Blick. Sein Gesicht hatte eine gesunde Farbe, aber er war nicht so braun wie Stephen, der selbst im tiefsten Winter seine Sonnenbräune behielt.

Obwohl er wie Stephen einen dunklen Anzug und eine Krawatte trug, wirkte das bei ihm irgendwie anders. Er machte den Eindruck, als würde er sich darin nicht recht wohl fühlen.

„Ich bin nicht Stephen“, sagte er.

Darauf wäre sie auch von allein gekommen.

Dann fügte er noch hinzu: „ … Darling.“

Erika wollte ihn schon zurechtweisen, unterließ es dann aber. So jemanden konnte man nur ignorieren.

„Das sehe ich“, erwiderte sie daher zuckersüß. „Wo ist Stephen denn?“

„Ich kann ihn gern anrufen, Miss Forrester.“

Erika hatte keine Ahnung, woher er ihren Namen kannte.

„Soweit ich weiß, hilft er Mr. Richards aus dem dritten Stock gerade, seine flüchtige Schlange wieder einzufangen.“

Sie schauderte. „Oh, dann möchte ich ihn auf gar keinen Fall stören. Und wer sind Sie?“

„Ich bin Stephens neuer Assistent.“

„Das habe ich mir fast schon gedacht.“ Sie zeigte auf seine Krawatte. „Stephen kann bestimmt Hilfe gebrauchen. Oder vielleicht sollte ich sagen, wir könnten gut zwei von seiner Sorte gebrauchen.“

Er blickte zweifelnd an sich hinunter, als wäre ihm der Anzug selbst nicht ganz geheuer. „Ja, er hat wirklich eine Menge zu tun.“

„Und wie heißen Sie?“ Er antwortete nicht gleich, daher setzte Erika noch hinzu: „Nur für den Fall, dass Stephen nicht da ist. Es ist immer gut zu wissen, mit wem man es zu tun hat.“

„Wenn Stephen nicht hier ist, müssen Sie eben mit mir vorlieb nehmen. Nennen Sie mich am besten Amos … Ich werde Stephen sagen, dass Sie hier waren. Bestimmt ist er untröstlich, Sie verpasst zu haben“, meinte Amos und wandte sich wieder dem schwarzen Brett zu, das er bei ihrem Eintreten studiert hatte.

Wofür hält sich dieser Typ eigentlich, dachte Erika ärgerlich. „Ich möchte Sie gern über den Ablauf informieren. Heute ist Reinigungstag, daher …“

„Meinen Sie den Putzservice für Ihr Apartment oder die chemische Reinigung?“, unterbrach er sie höflich. „Heute ist Dienstag. Ihre Putzfrau wird in Kürze erscheinen. Außerdem hat Stephen mir eine Notiz hinterlassen, dass wir Ihre gebrauchte Wäsche in die Reinigung bringen sollen, da Sie gerade erst von einer Geschäftsreise zurückgekehrt sind. Sie sehen also, es ist alles geregelt.“

Erika sah ihn sprachlos an. Entweder sie schaffte es, ihn in seine Schranken zu weisen, oder sie musste das Büro verlassen – und zwar so schnell wie möglich.

„Ich möchte Ihnen einen guten Rat geben“, begann sie langsam, „wenn Sie hier Erfolg haben wollen, sollten Sie bei Stephen ein paar Unterrichtsstunden in Sachen Mieterbetreuung nehmen.“

Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich wollte Ihnen nur helfen, Zeit zu sparen, Miss Forrester“, sagte er, und seine Stimme klang dienstbeflissen.

Erika glaubte ihm kein Wort.

„Ich nehme an, Sie möchten lieber, dass Stephen sich um Ihre Belange kümmert, weil Sie an ihn gewöhnt sind“, fuhr er fort. „Aber wenn es irgendetwas gibt, was ich für Sie tun kann, zögern Sie bitte nicht, sich an mich zu wenden.“

Erika schulterte energisch ihre schwarze Einkaufstasche. „Danke, ich werde daran denken“, erwiderte sie. „Es wäre wirklich schade, wenn Sie hier untätig herumsitzen würden, während Stephen die ganze Arbeit macht.“

Der kurze Spaziergang von ihrem Apartmentkomplex nach Midtown Manhattan, wo sich die Büroräume der Firma Ladylove befanden, erfrischte Erika. Als sie in ihrem Büro eintraf, hatte sie den kleinen Zwischenfall mit Amos, Darling fast schon wieder vergessen. Dieser Mann verdient es überhaupt nicht, dass man über ihn nachdenkt, entschied sie. Aber eines war klar, wenn er sich weiterhin so arrogant verhielt, würden seine Tage als Assistent des Managers gezählt sein.

Der Fahrstuhl brachte sie blitzschnell in die oberste Etage. Und als sie wenig später ihr Büro betrat, stellte ihre persönliche Assistentin gerade eine Tasse mit Cappuccino neben den Stapel Post auf den Schreibtisch.

Erika blieb auf der Schwelle stehen. „Wie machst du das nur, Kelly? Du hast den Kaffee immer schon fertig, wenn ich komme.“

Kelly, eine kleine rothaarige Person, lächelte sie vergnügt an. „Die Buschtrommel funktioniert immer ganz ausgezeichnet, wussten Sie das nicht?“ Sie nahm Erika den Trenchcoat ab und hängte ihn an die Garderobe. „Übrigens kommt Ihre Schneiderin später vorbei. Sie bringt Ihnen einige Kleider mit, damit Sie sich etwas Passendes für das Bankett am Samstag aussuchen können.“

„Vielleicht erwischst du sie ja noch, bevor sie ihren Laden verlässt“, meinte Erika. „Ich brauche auf jeden Fall eine weiße Seidenbluse, weil ich mir über meine in Rom Wein geschüttet habe.“ Sie runzelte nun die Stirn. „Was für ein Bankett denn? Davon steht ja gar nichts in meinem Terminkalender.“

„Die Einladung kam während Ihrer Abwesenheit. Da im Sentinel, dem örtlichen Klatschblatt, am Freitag angekündigt worden ist, dass Sie daran teilnehmen werden, habe ich mir erlaubt, die Initiative zu ergreifen, zwei Karten für Sie reservieren zu lassen und Ihrer Schneiderin Bescheid zu sagen.“

„Manchmal würde ich am liebsten das Gegenteil von dem tun, was man von mir erwartet“, sagte Erika bitter. „Sei es auch nur, um der Boulevardpresse eins auszuwischen.“

Kelly schüttelte den Kopf. „Eine solche Provokation würde nur das Gegenteil bewirken. Dann würden die Leute wahrscheinlich jeden Tag über Sie berichten statt nur drei oder vier Mal in der Woche. Außerdem geht es um einen guten Zweck.“

„Das ist ja nichts Neues.“ Erika setzte sich an ihren geschmackvollen antiken Schreibtisch. „Ist im Sentinel denn schon bekannt gegeben worden, wo ich meinen nächsten Sommerurlaub verbringen werde? Ich kann mich nämlich nicht entscheiden. Aber wahrscheinlich wissen die Leute dort bereits mehr.“ Sie trank genüsslich ihren Cappuccino und sah dabei die Post durch.

„Ist es nicht ein bisschen zu früh am Morgen, um so zynisch zu sein?“, fragte Kelly. „Übrigens sollten Sie unbedingt die heutige Ausgabe lesen. Sie werden sich wundern!“

Seufzend griff Erika nach der Zeitung, die unter dem Stapel Post begraben war. Kellys Stimme hatte so merkwürdig geklungen, als hätte sie sie warnen wollen. Welch grässliche Geschichte hatte das Klatschblatt mit der höchsten Auflage weit und breit denn jetzt wieder über sie verbreitet?

Oder hatten sie wieder nur ein schreckliches Foto von ihr veröffentlicht? Mit Schaudern dachte Erika an eine der letzten Ausgaben vor einigen Wochen. Der Paparazzo hatte sie dabei erwischt, wie sie gerade in ein Stück bittere Artischocke gebissen hatte, und auf den Auslöser gedrückt. Mit dem Ergebnis, dass sie aussah wie eine Massenmörderin, die Zahnschmerzen hatte.

Aber diesmal sprang ihr nicht ihr verzerrtes Konterfei ins Gesicht. Schnell blätterte Erika um, bis sie schließlich die gesuchte Seite fand. Kein Wunder, dass sie sie zuerst übersehen hatte, denn in dem Artikel ging es gar nicht um sie, jedenfalls nicht direkt. Es handelte sich um die Ankündigung einer Verlobung. Auf dem Foto waren eine kleine, kindliche Frau mit Grübchen in den Wangen und ein Mann zu sehen, den Erika beinahe nicht wieder erkannt hätte. Außerdem stand die eigentliche Sensation erst am Ende, dass der Mann nämlich bereits verlobt gewesen sei, und zwar mit Erika.

Denby Miles war vorher mit Erika Forrester verlobt, dem Gesicht von Ladylove Cosmetics, deren Vorstandsvorsitzende sie jetzt ist. Die Verbindung wurde wieder aufgelöst, kurz nachdem Erikas Vater, Stanford Forrester III, die Lizenz für Mr. Miles’ kosmetische Formeln erwarb. Der Zeitpunkt der Trennung löste damals viele Spekulationen aus.

„Was sie ihm angetan hat, stinkt mehr zum Himmel als alle Parfüms von Denby zusammen genommen“, sagte eine Dame aus der feinen Gesellschaft, die anonym bleiben möchte, zu unserem Blatt. „Sich an ihn heranzumachen, nur um in den Besitz der Formeln zu gelangen, war total unmoralisch. Danach hat sie ihn fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel und ihm das Herz gebrochen. Ich bin froh, dass der arme Junge endlich über die Sache hinweg ist.“

Wütend schleuderte Erika die Zeitung auf den Boden. In diesem Moment steckte Kelly vorsichtig den Kopf zur Tür herein.

„Sie möchten also nicht, dass ich den Artikel für Ihre Sammlung aufbewahre?“, fragte sie scheinheilig.

Erika schüttelte den Kopf. „Erinnere mich bitte daran, dass ich dem Chefredakteur zu Weihnachten einen Vorschlaghammer schenke. Den wird er nämlich brauchen, wenn er weiter so herumklotzt.“

„Die Stelle über Denbys Parfüms fand ich auch ziemlich geschmacklos“, erwiderte Kelly. Sie hob die Zeitung auf und glättete sie. „Außerdem tun sie ihm meiner Meinung nach unrecht. Ein paar seiner Düfte sind nämlich gar nicht so schlecht.“

Erika beruhigte sich langsam wieder. „Kein Wunder, dass diese Dame anonym bleiben wollte. Wahrscheinlich handelte es sich um Denbys Mutter. Nein, im Ernst, was habe ich nur getan, um die Boulevardblätter so gegen mich aufzubringen?“

„Wissen Sie das wirklich nicht?“ Kelly ließ sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder. „Ein angeblich strohdummes blondes Model übernimmt den Kosmetikkonzern seines Vaters und ist damit – statt auf die Nase zu fallen, wie alle angenommen haben – sogar noch erfolgreicher als er. Das ist einfach zu viel für sie. Sie passen nicht in ihre Schublade.“

„Gut, aber ich hatte gehofft, sie würden sich irgendwann beruhigen. Es ist schließlich schon zwei Jahre her, dass mein Vater gestorben ist und ich mich von Denby getrennt habe.“

„Ja, aber immer wenn eine neue Anzeige von Ladylove erscheint, werden sie daran erinnert, wie falsch sie Sie eingeschätzt haben. Sie sollten es genießen, Erika. Es beweist, wie erfolgreich Sie sind.“

„Herzlichen Dank! Das erinnert mich daran, wie die Leute von der Handelskammer mich zum erfolgreichsten Unternehmer, zum Mann des Jahres, gekürt haben. Eine zweifelhafte Ehre, die ich nie vergessen werde.“ Erika griff nach ihrem Kuli. „Ach übrigens, was dieses Bankett angeht, hast du dir eigentlich schon mal Gedanken darüber gemacht, wer mich dorthin begleiten soll?“

Kelly schüttelte den Kopf. „Nein, ich dachte, das überlasse ich Ihnen.“

„Herzlichen Dank! Um welchen guten Zweck geht es denn diesmal, wenn ich fragen darf?“

„Um zeitgenössische Literatur, glaube ich.“

Erika stieß einen tiefen Seufzer aus. „Auch das noch! Das wird bestimmt furchtbar langweilig. Kannst du mir einen einzigen Grund nennen, warum ich nicht lieber zu Hause bleiben und lesen soll?“

Als Erika vor ihrem Gebäude aus dem Taxi stieg und gerade den Fahrer bezahlen wollte, eilte Stephen auf sie zu.

„Wie schön, Sie zu sehen“, sagte sie warmherzig und übergab ihm ihren silberblauen Kleidersack.

„Herzlich willkommen zu Hause, Miss Forrester“, erwiderte Stephen strahlend und geleitete sie in die Lobby. „Schade, dass wir uns gestern Abend verpasst haben. Hätten Sie vielleicht Lust auf einen Espresso?“

„Sie können wirklich Gedanken lesen, Stephen.“ Dankbar sank Erika in den bequemen Sessel, der immer für Besucher in seinem Büro bereitstand. Zufrieden beobachtete sie, wie er ihren Kleidersack auf den Garderobenständer hängte. „Ich weiß wirklich nicht, was wir ohne Sie machen würden. Ach, dabei fällt mir ein – was ist eigentlich aus Ihrem Assistenten geworden? Haben Sie ihn wieder nach Hause geschickt, oder hat er von sich aus gekündigt?“

Stephen sah sie verblüfft an. „Warum sollte er gekündigt haben?“

Erika zuckte die Schultern. „Ich hatte heute Morgen den Eindruck, als wären ihm unsere exzentrischen Wünsche ein bisschen zu viel.“

Stephen zögerte kurz mit der Antwort. „Ich fürchte, Sie werden sich an ihn gewöhnen müssen, Miss Forrester. Er hat eine etwas andere Auffassung von diesem Job als ich, das ist alles.“

Das muss die Untertreibung des Jahres sein, dachte Erika.

„Was kann ich für Sie tun?“

„Ich brauche Ihren Rat. Seien Sie so gut, holen Sie Ihr kleines Notizbuch hervor, und sagen Sie mir, welcher Ihrer Freunde mich zu einem Bankett am Samstag begleiten kann. Es wird bestimmt furchtbar spannend, die Rednerliste verspricht …“

Bedauernd schüttelte Stephen den Kopf. „Ich fürchte, für solche Anlässe gehen mir langsam die Freunde aus.“

„Aber es gibt da gewisse Vorteile“, begann Erika.

In diesem Moment erklang hinter ihr plötzlich eine amüsierte männliche Stimme. „Eine Frau wie Sie braucht einen Begleitservice?“

Um ein Haar hätte Erika ihre Tasse fallen gelassen. Sie drehte sich abrupt um und erblickte Amos, der lächelnd im Türrahmen stand.

Stephen stieß einen tiefen Seufzer aus. „Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst zu unseren Mietern nicht so …“

„Ich bin nicht mehr im Dienst“, entgegnete Amos seelenruhig.

Das sieht man, dachte Erika. Der dunkle Anzug und die Krawatte waren verschwunden. Stattdessen trug Amos verblichene Jeans und einen sportlichen Pullover mit hochgerollten Ärmeln. Der Pullover ließ seine Schultern noch breiter erscheinen, und seine Augen kamen ihr blauer vor denn je.

„Ich habe versucht, dir zu erklären“, sagte Stephen, „dass man in diesem Job immer im Dienst ist.“

„Das gilt vielleicht für dich“, erwiderte Amos gleichmütig. „Kein Wunder, dass du immer so müde bist. Ich bin gespannt, warum Miss Forrester einen Begleiter sucht. Außerdem würde mich sehr interessieren, was sie unter Vorteilen versteht.“

Es war offensichtlich zu spät, um zu behaupten, dass es sich nur um einen Scherz gehandelt hatte. Aber warum soll es mir etwas ausmachen, wenn dieser Mann erfährt, dass ich Hilfe brauche, dachte Erika und sah ihm ins Gesicht.

„Wenn Sie sich den anderen Mietern gegenüber auch so verhalten, haben Sie bestimmt in der Zukunft nicht viel zu tun. Ich bezweifle allerdings, dass es Ihnen vergönnt sein wird, lange bei uns zu bleiben. Und jetzt würde ich Sie bitten, uns allein zu lassen, damit ich mich in Ruhe mit Stephen unterhalten kann.“

Aber er rührte sich nicht vom Fleck. „Wenn Sie das nächste Mal mit Stephen unter vier Augen sprechen wollen, sollten Sie besser die Tür schließen. Alle im Haus können Sie hören, und warum stellen Sie sich überhaupt so an?“

Stephen räusperte sich nervös. „Also, noch einmal von vorn. Worum geht es bei diesem Bankett, und wer wird da sein?“

„Es geht um zeitgenössische Literatur. Mein Begleiter bekommt die Chance, Autoren, Verleger und Agenten kennen zu lernen und …“

Stephen lächelte breit.

„Ist Ihnen schon jemand eingefallen? Sie sind wirklich ein Engel!“

Amos wandte sich zum Gehen. „Nun, da Sie mich offensichtlich nicht mehr brauchen, werde ich …“

„Ich kenne den perfekten Begleiter für Sie“, sagte Stephen triumphierend: „Amos.“

Erika blickte ihn fassungslos an. „Das soll wohl ein Witz sein!“

„Oh nein, ich meine es durchaus ernst. Er schreibt nämlich gerade ein Buch. Deshalb ist er auch hier.“

Über diese Wendung der Dinge schien Amos nicht gerade erfreut zu sein, und auch Erika fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut.

„Deshalb ist er hier?“, fragte sie verblüfft. „Was wollen Sie damit sagen?“

Amos selbst lieferte die Antwort. „Es hat Vorteile, wenn man hier arbeiten kann. Ich bekomme eine Wohnung gestellt, muss nirgendwo hinfahren, habe flexible Arbeitszeiten. Solange ich mich um die Wünsche der Mieter kümmere, kann ich mir den Rest meiner Zeit selbst einteilen. In meinem Fall heißt das, ich habe Zeit für mein Buch.“

„Und wenn Sie es schaffen, die Mieter davon zu überzeugen, dass diese Sie nicht brauchen, haben Sie noch mehr Zeit.“ Erika schüttelte den Kopf. „Nein, Stephen, es tut mir wirklich sehr Leid, aber ich fürchte, daraus wird nichts. Wie könnte ich es verantworten, einen der zukünftigen Stars am Literaturhimmel von seiner Arbeit abzuhalten, nur um ihn zu einem langweiligen Bankett zu schleppen? Wer weiß, vielleicht entwirft er ja gerade den großen amerikanischen Roman! Ich bin sicher, unser Genie hier sieht das nicht anders.“

„Moment, Moment, nicht so schnell!“ Amos schien sich mit dem Gedanken langsam anzufreunden. „Von welchen Vorteilen haben Sie vorhin gesprochen?“

Erika dachte nicht daran, noch länger darüber ein Wort zu verlieren. Sie stand auf und zeigte auf den zweiten Kleidersack, der an dem Garderobenständer hing. „Welcher von beiden ist denn nun meiner, Stephen? Ich würde nämlich jetzt gern nach oben fahren.“

„Lassen Sie mich raten“, sagte Amos anzüglich. „Kann es sein, dass Sie eine weiße Seidenbluse gekauft haben?“

Erika blickte ihn verblüfft an. „Ja, das ist richtig. Woher wussten Sie …?“

„Ganz einfach. In der Reinigung konnte man den Fleck auf Ihrer alten Bluse leider nicht entfernen. Deshalb hat Stephen mich durch die halbe Stadt gejagt, um Ihnen eine neue zu besorgen.“

„Dann habe ich jetzt also zwei neue weiße Blusen? Das ist ja toll!“

„Ja, sehr toll“, erwiderte Amos trocken. „Ich nehme an, Sie erwarten von mir, dass ich die andere Bluse morgen wieder zurückbringe.“

„Gute Idee! Mir wäre allerdings lieber, wenn Sie sie umtauschen könnten. Ich denke da an eine in einer anderen Farbe, vielleicht in Mauve oder in einem dunklen Grün …“

„Wie wäre es denn mit Weinrot?“, schlug er vor. „Dann fällt es vielleicht nicht mehr so auf, wenn Sie das nächste Mal etwas verschütten.“

Erika schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe es mir anders überlegt. Am besten, Sie bringen die Bluse wieder zurück. Ich glaube, man kann Ihrem Farbgefühl nicht recht trauen. Am Ende bringen Sie mir noch etwas in Flammenrot oder Giftgrün.“ Sie griff nach dem Kleidersack. „Vielen Dank für Ihr Engagement, Stephen. Sie denken wirklich immer mit.“ Dann verließ sie das Büro und ging auf den Fahrstuhl zu.

„Stimmt nicht, was du gesagt hast“, hörte sie noch Amos zu Stephen sagen und zuckte zusammen. „Diese Frau braucht keinen Manager. Sie braucht jemand, der sie rund um die Uhr betreut.“

Normalerweise war die Lounge im Civic Club, die für die Mitglieder reserviert war, nie besonders voll. Aber als Erika an diesem Mittwoch um die Mittagszeit auf ihren Gast wartete, war der Raum zum Platzen voll. Während sie ihren Sherry trank, merkte sie, wie nervös sie war.

Du hast keine Ahnung, worauf du dich da einlässt, sagte ihr eine innere Stimme, die sie sehr an ihren Vater erinnerte. Doch Erika versuchte, sie zu ignorieren.

Du verstehst doch überhaupt nichts von Übernahmen oder Buy-Outs. Bis jetzt hast du Glück gehabt, aber das wird nicht ewig dauern. Irgendwann werden sie herausfinden, wie wenig Ahnung du von geschäftlichen Dingen hast. Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?

Erika griff nach der Zeitung, die auf dem kleinen Tischchen neben ihr lag, und blätterte ziellos darin herum. Aber es gelang ihr nicht, die negativen Gedanken zu verscheuchen.

Kelly hatte mit ihrer Bemerkung über den Verlauf ihrer Karriere Recht gehabt. Nicht nur die Boulevardpresse betrachtete ihren kometenhaften Aufstieg mit Häme. Auch innerhalb des Konzerns hatte es einen Aufstand gegeben, als Erika nach dem Tod ihres Vaters verkündet hatte, dass sie dessen Posten übernehmen und die Geschicke der Firma von nun an selbst leiten wolle.

Aber der Vorstand hatte sich schließlich fügen müssen, denn Erika besaß die absolute Aktienmehrheit. Im Grunde war sie selbst erstaunt über ihren Mut gewesen. Sie war auch davon überzeugt, dass ihr Vater wahrscheinlich sein Testament geändert hätte, wenn er rechtzeitig von ihren Plänen erfahren hätte.

„Zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf, Liebling“, hatte er immer zu ihr gesagt. „Dein Job besteht darin, in die Kamera zu lächeln.

Aber sie hatte es ihm und allen anderen gezeigt. Seit sie vor zwei Jahren den Vorsitz im Aufsichtsrat übernommen hatte, hatte sich der Umsatz von Ladylove verdoppelt. Und nun ging es darum, ihre Machtposition auszubauen. Daher wollte sie auch das Unternehmen von Felix La Croix übernehmen. Mit seiner Produktlinie würden sie auf dem Markt unschlagbar sein.

Jetzt musste sie eigentlich nur noch Felix davon überzeugen, dass dies auch für ihn von Vorteil sein würde. Dann stand ihrem weiteren Aufstieg nichts mehr im Wege.

Unruhig sah sie sich um, doch von Felix war keine Spur zu erblicken. Erika hätte gern noch einen Sherry bestellt, aber die Ober schienen alle beschäftigt zu sein.

In diesem Moment fiel ein Schatten auf sie, und sie sah erleichtert auf.

„Oh, Felix, wie schön, dass Sie da sind …“

Aber nicht Felix stand vor ihr, sondern ihr Exverlobter Denby Miles.

Natürlich waren sie sich in den letzten zwei Jahren öfters über den Weg gelaufen. Das ließ sich in Manhattan gar nicht vermeiden. Schließlich bewegten sie sich beide in denselben gesellschaftlichen Kreisen. Aber nach einer kurzen, höflichen Begrüßung war jeder immer seiner Wege gegangen. Erika war insgeheim froh darüber gewesen. Sie hatte sich bemüht, die Erinnerung an den schrecklichen Tag, als sie ihm seinen Ring zurückgegeben hatte, möglichst zu verdrängen.

Er schien ihr ein bisschen dicker geworden zu sein, war aber ansonsten unverändert. Ihr fiel auf, dass er nicht lächelte.

„Denby! Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen! Ich habe gelesen, dass du beabsichtigst, die Tochter deines Chefs zu heiraten. Herzlichen Glückwunsch!“

Denby sah sie wütend an. „Danke für die Blumen! Du kannst sie behalten. Mir war klar, dass du den Artikel lesen würdest. Aber musstest du dich unbedingt einmischen? Das hat Jeanette schwer getroffen.“

Erika sah ihn verblüfft an. „Wie kommst du … ich meine, wieso glaubst du, ich hätte etwas mit diesem Artikel zu tun?“

„Weil das typisch für dich wäre!“

Erika stand auf. „Das ist doch lächerlich“, sagte sie sehr ruhig. „Ich bin ein Teil deiner Vergangenheit, nicht mehr und nicht weniger. Wenn du Jeanette wirklich liebst, sollte dich alles andere absolut ganz und gar nicht kümmern.“

„Du machst es dir wieder einmal sehr einfach“, entgegnete Denby wütend. „Aber du denkst ja immer nur an dich. Sieh dich doch an! Es hat dir nicht genügt, das Gesicht von Ladylove zu sein, oh nein, du musstest unbedingt auch noch Vorstandsvorsitzende werden. Und …“

„Denby, zum letzten Mal, ich habe gar nichts mit diesem Artikel im Sentinel zu tun. Und jetzt entschuldige mich bitte.“

Aber er war nicht so leicht zu beruhigen. „Ich glaube, ich habe mich geirrt“, sagte er langsam.

„Womit?“

„Als wir uns damals getrennt haben, dachte ich, dein Vater sei an allem schuld gewesen. Aber vielleicht war es in Wirklichkeit ja dein Plan, und jetzt versuchst du es wieder.“

Erika merkte plötzlich, wie ruhig es in der Lobby geworden war, und räusperte sich nervös.

„Was versuche ich wieder?“

„Wahrscheinlich ist Felix La Croix dein zweites Opfer. Du machst dich an ihn heran, aber tatsächlich geht es dir nur darum, seine Firma zu schlucken.“

„Das ist eine unverschämte Unterstellung!“ Sie zitterte am ganzen Leib.

„Ich glaube, ich sollte ihn vor dir warnen“, fuhr Denby fort. „Oder besser noch, ich sollte den Leuten vom Sentinel die ganze Geschichte erzählen. Bestimmt drucken sie sie mit Vergnügen.“

Aus den Augenwinkeln bemerkte Erika, wie sich in ihrer Nähe etwas bewegte. Plötzlich wurde ihr klar, was hier ablief, und sie duckte sich. Aber es war schon zu spät. Im nächsten Moment traf sie das Blitzlicht eines Fotografen und blendete sie. Der Mann hielt die Kamera hoch und schwenkte sie triumphierend. Dann lief er an den verblüfften Obern vorbei und verließ schnell den Raum, bevor jemand reagieren konnte.

Denby sah ihm verblüfft nach. „Was war das denn?“

„Ein Paparazzo“, erwiderte Erika wütend. „Gut gemacht, Denby. Mir hier eine Szene zu machen, ist ein gefundenes Fressen für die Presse!“

Autor

Leigh Michaels
Leigh Michaels ist die Autorin von über 70 Romanen für Harlequin. Mehr als 27 Millionen Kopien ihrer Bücher sind weltweit gedruckt und in 20 Sprachen übersetzt worden. Fünf ihrer Bücher waren Finalisten bei den RITA® - Verleihungen. Sie hat den “Reviewers Choice award” für Family Secrets, den Robert Bliss Award...
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