Sinnlich und verboten süß

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Was für ein Po! Lizzie entdeckt neue Seiten an ihrem Boss, seit sie gekündigt hat, um sich den Traum von der eigenen Konditorei zu erfüllen. Der Ölbaron tut alles, um sie zu halten – und flirtet plötzlich heiß mit ihr. Nur sein Singledasein aufgeben, das will er nicht …


  • Erscheinungstag 14.11.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536196
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Tu mir das nicht an. Du weißt, dass ich ohne dich nicht leben kann.“

Wie macht er das nur? fragte sich Lizzie Landry, deren Entschluss sofort ins Wanken geriet. Gleichzeitig dachte sie, dass er ohne sie wirklich verloren wäre. Sie rief sich zur Ordnung. Was war ihr Problem? Nach fünf Jahren, die sie mit Ethan Traub verbracht hatte, sollte sie immun sein gegen seinen überwältigenden Charme und seine schamlosen Schmeicheleien. Und das war sie auch. Meistens. Es war nur so, dass sie es hasste, ihn allein zu lassen, wenn er sie brauchte. Was er ständig tat. Aber sie musste stark sein. Die Trennung war unausweichlich.

Sie hielt dem samtweichen Ausdruck in seinen dunklen Augen stand und sah ihn sehr streng und entschieden an. „Du hältst mich seit Monaten hin. Diesmal funktioniert das nicht. Wir müssen darüber reden.“

Seine Miene verfinsterte sich. „Es gibt nichts zu bereden. Du kommst mit mir nach Montana. Wenn du immer noch unglücklich mit …“

„Ich bin nicht unglücklich“, unterbrach Lizzie ihn. „Es ist nach wie vor wundervoll, für dich zu arbeiten. Wenn ich noch immer für jemanden arbeiten müsste, dann für dich.“

„Großartig. Dann haben wir kein Problem. Du kannst weiterhin für mich arbeiten.“

„Nein. Ich will zukünftig mein eigener Chef sein. Das war schon lange mein Ziel. Und du weißt, dass ich mich selbstständig machen möchte, weil ich es dir immer wieder gesagt habe. Zwei Wochen Kündigungsfrist. Das halte ich für fair.“

„Zwei Wochen!“ Aufgebracht stand Ethan auf und stützte sich mit den Händen auf seinen Schreibtisch. Er war ein eins sechsundachtzig großer und imposanter Texaner, der umwerfend gut aussah. „Das kommt nicht infrage. Du brauchst länger als zwei Wochen, um einen Ersatz für dich zu finden. Und da wir am Donnerstag abreisen, kannst du dich nicht auf die Suche machen.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht mit nach …“

„Oh, doch“, schnitt er ihr das Wort ab. „Du kommst mit. Aus vielen Gründen.“

Lizzie unterdrückte ein Stöhnen. „Bitte, zähle sie nicht auf. Ich habe sie alle gehört.“

„Und jetzt hörst du sie dir noch einmal an.“

Erneut erklärte Ethan ihr, dass er ohne sie nicht zurechtkäme und sie zu diesem Zeitpunkt unmöglich kündigen konnte. „Du weißt, dass ich Zeit brauche. Es wird nicht einfach sein, eine neue Assistentin zu finden, die so gut ist wie du. Jemand, der rundum flexibel, gescheit und tüchtig ist. Jemand, der Ruhe ausstrahlt, mit dem man aber auch Spaß haben kann. Jemand, der in der Lage ist, das Büro zu managen und das Haus …“

Und so weiter. Ja, Lizzie war geschmeichelt gewesen, als er ihr all das zum ersten Mal gesagt hatte. Doch nachdem sie monatelang vergeblich versucht hatte, ihm klarzumachen, dass sie sich neu orientieren wollte, langweilte sie seine Lobeshymne. Dennoch ließ sie ihn ausreden. „Montana ist nichts für mich“, erinnerte sie ihn dann erneut. „Ich bin in Midland geboren, eine waschechte Texanerin. Und ich bleibe hier und eröffne wie geplant meine Patisserie. Du musst dich an diese Vorstellung gewöhnen. Denn du änderst meine Meinung nicht. Diesmal nicht.“

„Traub Oil Industries braucht dich.“

„TOI konnte über dreißig Jahre lang sehr gut auf mich verzichten.“

„In Ordnung.“ Ethan richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Ich brauche dich.“

Sie saß noch immer auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs und erwog aufzustehen. Schließlich war sie nur acht Zentimeter kleiner als er. Dann müsste sie nicht länger zu ihm aufschauen. Aber sie konzentrierte sich darauf, ruhig und entschlossen zu wirken. „Du brauchst mich nicht. Nicht wirklich. Du wirst gut zurechtkommen.“

Er schüttelte den Kopf. „Lizzie, Lizzie, Lizzie …“ Mit einem schweren Seufzer setzte er sich wieder. „Wie wäre es mit einer Bonuszahlung? Bleib ein bisschen länger. Dann hast du mehr Geld in der Tasche, wenn du gehst.“

Frage nicht nach der Summe, sagte sie sich streng. Aber sie war schon mal völlig pleite gewesen – eine Erfahrung, die sie unter keinen Umständen wiederholen wollte. „Wie hoch ist der Bonus?“

Ethan nannte ihr einen unglaublich hohen Betrag.

Sie schnappte nach Luft. „Das ist ein Scherz.“

„Nein, mein voller Ernst.“

Jetzt geriet ihr Entschluss tatsächlich ins Wanken. Zudem hatte sie ein schlechtes Gewissen. Er hatte große Pläne, die er in Montana umsetzen wollte. Vielleicht sollte sie zumindest noch so lange bei ihm bleiben. Sie bemerkte das Glitzern in seinen Augen. Offenbar war ihm bewusst, dass er sie geködert hatte.

„Überleg es dir, Lizzie. Du weißt, dass die Anlaufkosten für ein Unternehmen fast unweigerlich höher ausfallen, als man kalkuliert hat. Du könntest ein dickeres Finanzpolster brauchen.“

Da hatte er zweifellos recht. „Wie lange müsste ich bleiben?“

Ethan zuckte die Schultern. „Oh, ein paar Monate länger sollten reichen.“

„Ein paar Monate? Drei Monate, meinst du?“ Jetzt machte sie ein finsteres Gesicht.

„Überleg es dir einfach. Um mehr bitte ich dich nicht. Wir reden später weiter.“

„Aber ich …“

Er sah demonstrativ auf seine Rolex. „Mann, wie die Zeit verfliegt …“

„Ethan …“

„Ich habe in fünf Minuten ein Meeting mit Jamison. Du hättest mich daran erinnern sollen.“

„Nur noch einen Moment“, wandte Lizzie verzweifelt ein. „Lass uns nur das noch klären.“

„Ich kann jetzt nicht. Tut mir leid.“

„Ethan …“

Er stand bereits auf. „Denk über mein Angebot nach.“

„Aber ich habe darüber nachgedacht und …“

„Ich muss jetzt wirklich los.“ Eilig verließ er das Büro.

Lizzie sank in sich zusammen. Aber nur für einen Moment – dann straffte sie die Schultern und strich sich die dunkelblonden Haare glatt, die selbst in der relativ niedrigen Luftfeuchtigkeit im Westen Texas’ dazu neigten, sich zu kräuseln. Nein, sie würde nicht aufgeben. Ethan würde heute ihre Kündigung bekommen, so oder so. Am besten schriftlich. Dann bliebe ihm keine andere Wahl, als das Unvermeidliche zu akzeptieren.

Doch das brachte sie einfach nicht übers Herz. Ethan war nicht nur ihr Chef, sondern auch ein echter Freund. Er war für sie da gewesen, als sie am meisten auf Hilfe und Unterstützung angewiesen gewesen war. Sie würde ihn schon noch zu fassen bekommen. Schließlich wohnte sie bei ihm. Er musste irgendwann nach Hause kommen – ganz egal, wie sehr er versuchte, ihr aus dem Weg zu gehen.

Das Meeting mit Roger Jamison verlief zu Ethans Zufriedenheit. Roger hielte in Midland die Stellung, während er in Montana war. Später, wenn alles wie geplant liefe, würde er ihn offiziell zu seinem Nachfolger als Leiter der Finanzabteilung bei TOI ernennen.

Danach hätte er in sein Büro zurückkehren können. Aber da ihm klar war, dass Lizzie an ihrem Schreibtisch vor seiner Tür auf ihn wartete, um weiter mit ihm über ihre Kündigung zu reden, ging er stattdessen eine Stunde früher zum Golfklub. Dort war er mit seinem Stiefvater Pete Wexler zum Mittagessen verabredet. Er setzte sich auf der Terrasse vor dem Klubhaus in die Sonne und genoss das schöne Wetter Ende Mai.

Pete tauchte einige Minuten früher auf und umarmte Ethan. „Ich freue mich, dass wir einmal ungestört miteinander reden können. Gehen wir nach drinnen?“ Nachdem sie sich etwas zu essen bestellt hatten, meinte er: „Donnerstag fährst du also.“

„Richtig.“

„Deine Mutter und ich versuchen, uns am Freitag auf den Weg zu machen. Es ist uns beiden wichtig, bei der Hochzeit deines Bruders dabei zu sein.“ Corey, der Drittälteste der sechs Geschwister, heiratete am Samstag. Zusammen mit seiner Braut Erin ließ er sich in Thunder Canyon nieder, einer tollen kleinen Stadt in den Bergen nahe Bozeman. Einige Cousins der Brüder lebten bereits in dieser Gegend, und auch Dillon, der Erstgeborene und Arzt in der Familie, war dorthin gezogen. „Deine jüngeren Geschwister Jackson, Jason und Rose kommen auch zur Hochzeit“, fuhr Pete fort. „Die ganze Familie wird da sein.“

Ethan dachte daran, dass er mindestens zwanzig Jahre gebraucht hatte, um diesen Mann als Stiefvater zu akzeptieren. Obwohl Pete ein freundlicher, großherziger Mensch und seiner Mom jetzt seit sechsundzwanzig Jahren ein guter Ehemann war. Doch er hatte es Pete lange verübelt, nicht Charles Traub zu sein. Sein Dad war schon in jungen Jahren Millionär gewesen, ein echter Selfmademan. Vor achtundzwanzig Jahren hatte er auf einer Bohrinsel den Tod gefunden; Ethan war damals neun Jahre alt gewesen.

Als Pete im letzten Jahr einen Herzinfarkt erlitten hatte, war Ethan und seinen Geschwistern noch deutlicher bewusst geworden, wie viel ihnen ihr Stiefvater bedeutete. Glücklicherweise hatte er sich inzwischen wieder völlig erholt und achtete mehr auf seine Gesundheit. Obwohl er und Ethans Mom daran gedacht hatten, sich zur Ruhe zu setzen, ging es ihm wieder so gut, dass er weiterhin gemeinsam mit seiner Frau Claudia TOI leitete: Pete als Vorstandsvorsitzender und Claudia als Geschäftsführerin.

Ethan wusste, dass die beiden auf ihn angewiesen waren. Aber er hatte es satt, darauf zu warten, der Chef zu sein. Und er war viel risikofreudiger und abenteuerlustiger als seine Mutter und Pete. Er hatte sein Leben TOI gewidmet, sich von Grund auf in das Unternehmen eingearbeitet und war jetzt seit sechs Jahren Leiter der Finanzabteilung. Das reichte. Er brauchte eine neue Herausforderung. Um ein neues Geschäftsfeld zu erschließen, machte er die Geschäftsreise nach Montana.

Beim Essen kam Pete dann auf das Resort zu sprechen. Dillon und Corey hatten TOI dazu gedrängt, Kapital in die Ferienanlage in Thunder Canyon zu investieren. „Was das Thunder Canyon Resort angeht, haben deine Mom und ich uns alle Unterlagen angesehen, die deine Brüder zusammengestellt haben. Wollen wir wirklich Geld in eine Ferienanlage stecken, die rote Zahlen schreibt?“

„Nun komm schon. Tatsächlich haben sich die Umsatzzahlen im letzten Jahr verbessert. Und sie haben McFarlane House Hotels dazu gebracht, Geld zu investieren. Ich bin in Kontakt mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Connor McFarlane. Ihm liegt viel am Erfolg des Resorts. Nächste Woche treffen wir uns in Thunder Canyon zu einem ausführlichen Gespräch.“

„Gut.“

„Die Besitzer des Resorts haben einige Umstellungen vorgenommen und unternehmen alle nötigen Schritte, um die Ferienanlage einem breiteren Kreis von Gästen zugänglich zu machen, ohne dabei den Ruf als Luxusresort zu opfern“, argumentierte Ethan.

„Ich sehe nur keinen Grund dazu, sich übereilt auf irgendetwas einzulassen.“

„Das tun wir nicht. Entspann dich. Ich sehe mir noch einmal gründlich die Bücher an, treffe mich mit dem Generalmanager und nehme jeden Quadratmeter der gesamten Anlage persönlich in Augenschein, bevor wir eine Entscheidung fällen.“

Pete nickte. „Das weiß ich.“ Dann fing er an, über Ethans Plan zu sprechen, in Montana Schieferöl zu gewinnen, was sehr kostenintensiv war.

Ethan kannte die Bedenken seines Stiefvaters inzwischen auswendig und wies ihn geduldig auf die ständig steigenden Ölpreise und die wenigen Ölreserven auf der Welt hin. Zudem wurde die Technologie zur Ölgewinnung fortlaufend verbessert. TOI würde einen Fehler machen, wenn es hinter diesen Entwicklungen zurückbliebe.

Schließlich gingen Pete die Einwände aus. Nach dem Essen verabschiedeten sie sich auf dem Parkplatz vor dem Klubhaus, wo er Ethan erneut umarmte. „Ich – und deine Mutter natürlich – lieben dich und wünschen uns, dich für immer hier in Midland halten zu können. Aber uns ist auch bewusst, dass du zu neuen Ufern aufbrechen musst. Und dafür bewundern wir dich sehr.“

Er lächelte seinen Stiefvater liebevoll an. „Danke, Pete. Wir sehen uns bei der Aufsichtsratssitzung.“ Er kehrte zu seinem Büro zurück.

Im Vorzimmer wartete Lizzie bereits auf ihn. Sie stand auf, als er näher kam, und versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erringen. „Ethan, ich …“

„Nicht jetzt, bitte. Ich muss einige dringende Anrufe erledigen.“

„Aber …“

„Später. Bald.“ Er betrat sein Büro und machte schnell die Tür hinter sich zu. Die nächsten Stunden verbrachte er damit, Telefonnachrichten und E-Mails durchzugehen und zu beantworten und so weit wie möglich Ordnung auf seinem Schreibtisch zu schaffen, weil er – und Lizzie, auch wenn sie jetzt noch nicht bereit war, es zuzugeben – sich am frühen Donnerstagmorgen auf den Weg nach Thunder Canyon machen würden.

Die Aufsichtsratssitzung fand im Konferenzraum statt. Also musste er erneut das Vorzimmer passieren. Er wartete, bis Lizzie ihn telefonisch an den Termin erinnern musste, und lief dann hastig an ihrem Schreibtisch vorbei. „Notiere die Anrufe, die noch hereinkommen. Ich kümmere mich dann morgen darum“, rief er ihr noch zu.

Sie sah nicht einmal auf. Denn sie wusste, dass es an diesem Tag keine Gelegenheit mehr gäbe, das unangenehme Thema zu besprechen.

Mit dem Dinner dauerte die Sitzung bis kurz nach acht Uhr abends. Da Lizzie sowohl seine persönliche Assistentin als auch seine Haushälterin war, wohnte sie bei ihm. Ethan war sicher, dass sie jetzt dort auf ihn wartete. Er rief ein paar Freunde an, um sich mit ihnen auf ein Bier zu verabreden. Anschließend lud einer seiner Kumpel die anderen noch auf einen Absacker zu sich nach Hause ein. Um kurz nach zwei bog Ethan schließlich in die Einfahrt zu seinem Haus ein. Alles wirkte ruhig. Nur die Außenbeleuchtung war eingeschaltet. Offensichtlich hatte Lizzie es aufgegeben, ihm aufzulauern, und war ins Bett gegangen. Fantastisch.

Von der Garage aus betrat er möglichst leise den Hauswirtschaftsraum. Denn Lizzies Zimmer lagen nicht weit entfernt im hinteren Teil des Hauses. Im dunklen, ruhigen Haus duftete es nach Muffins. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Vielleicht waren es Blaubeermuffins. Er liebte Lizzies Blaubeermuffins. Auf Zehenspitzen schlich er zur Küche. Kurz bevor er den Raum betrat, ging darin das Licht an. Irritiert blinzelte er. „Lizzie, was zum Teufel soll das?“

„Ethan, hier bist du.“ Sie trug einen altmodischen, schlabberigen Frotteebademantel und machte ein sehr geduldiges Gesicht. „Ich hatte mich schon gefragt, ob du jemals wieder nach Hause kommst. Du machst dich allmählich lächerlich. Das ist dir klar, oder?“

Hinter ihr auf der Theke entdeckte er die verführerisch aussehenden Muffins. „Sind das Blaubeermuffins?“

Sie nickte, trat aber nicht zur Seite, damit er sich einen Muffin nehmen konnte. „Wir müssen reden. Willst du einen Kaffee?“

Er wusste, dass sie entschlossen war, ihn zu verlassen. Sie hatte einen Traum, den sie unbedingt verwirklichen wollte. Und ihm gingen die Ideen aus, wie er sie daran hindern konnte. „Ich hätte dich nicht so gut bezahlen sollen. Du hast zu schnell zu viel Geld gespart.“

Lizzie zuckte die Schultern. „Du konntest nicht anders. Du bist ein großzügiger Mann.“ Sie sah auf ihre Füße. Ihre Pantoffel waren aus demselben dunkelblauen Frotteestoff wie der Bademantel. „Du warst so gut zu mir. Als mein Vater gestorben ist … Ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte.“ Langsam hob sie den Kopf, und sie sahen sich an.

Ethan gab nach. „In Ordnung. Kaffee.“

Sie brühte koffeinfreien Kaffee auf, obwohl er kein Fan davon war. Denn sie wusste, dass er sonst nicht schlafen konnte.

Das war es, was Lizzie so besonders machte. Sie wusste, was er wollte – und was er brauchte –, ohne dass er es ihr sagen musste. Er nahm sich einen Muffin und setzte sich an den Tisch. Sie brachte ihm eine Tasse Kaffee und stellte sie vor ihn auf den Tisch. Er wartete, bis sie sich ihm gegenüber gesetzt hatte, bevor er in den goldgelb gebackenen Muffin biss. Es schmeckte köstlich. Die Muffins sorgten genau wie ihre selbstgebackenen Kekse, Kuchen, Torten und Brote immer dafür, dass er sich gut fühlte. Zufrieden und glücklich mit sich und der Welt. Zu Hause. Ja, das war es. Sie vermittelte ihm das Gefühl, zu Hause zu sein.

„Ich habe über den Bonus nachgedacht, den du mir angeboten hast.“

„Bleib noch drei Monate bei mir, dann gehört er dir.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das ist einfach zu lange.“

„Dann zwei Monate.“ Ethan sah sie fast flehentlich an. „Zwei Monate, Lizzie. Du musst mir ein wenig Zeit geben.“ Ein wenig Zeit. Wem wollte er etwas vormachen? Es gab nur eine Lizzie. Sie ermöglichte es ihm, das Leben zu führen, das ihm gefiel. Ein Leben ohne Verpflichtungen und Bedingungen. Er arbeitete und feierte viel, und wenn er nach Hause kam, war niemand da, der an ihm herumnörgelte. Ihn erwartete nur der süße Duft von irgendeinem Gebäck im Ofen. Und Lizzie, die ihm einen Schlummertrunk oder eine Tasse koffeinfreien Kaffee und einen köstlichen Blaubeermuffin anbot.

Er musste sie nicht nur von der Kündigung abhalten, sondern auch einen Weg finden, ihr den Traum von der eigenen Konditorei ein für allemal auszureden. Er wollte, dass sie weiterhin für ihn arbeitete und als beste Freundin bei ihm im Haus wohnte.

Lizzie entging nicht viel. Sie betrachtete ihn mit großem Argwohn. „Was heckst du aus?“

Ethan setzte ein völlig harmloses Gesicht auf. „Es wird Spaß machen, in Montana zu sein. Eine Ortsveränderung tut gut.“

„Ach, ja?“, meinte sie skeptisch. „Wie wahrscheinlich ist es denn, dass du dein Büro dorthin verlegst?“

„Sehr wahrscheinlich.“ Das hoffte er jedenfalls. „Ich habe Familie dort. Zwei Brüder. Cousins. Und meine Schwester und meine anderen Brüder haben angedeutet, dass sie vielleicht auch dorthin ziehen. Und ich habe in Thunder Canyon ein Haus gefunden“, erinnerte er sie.

„Du meinst, du hast mich beauftragt, dort ein Haus für dich zu finden.“

„Richtig. Und du hast einen tollen Job gemacht.“ Zumindest den Fotos im Internet nach zu urteilen, die sie ihm gezeigt hatte. Denn weder er noch sie waren bisher tatsächlich dort gewesen.

Lizzie warf ihm diesen Blick zu, mit dem sie ihn wissen ließ, dass sie nicht auf seine Schmeicheleien hereinfiel. „Ich mache dir einen Vorschlag: Du gehst nach Montana. Ich bleibe hier. Während du weg bist, engagiere ich meine Nachfolgerin und arbeite sie ein.“

„Vergiss es.“ Er biss erneut in den sagenhaft guten Muffin. „Ich habe meine Meinung geändert. Ich will, dass du zwei Monate in Montana bleibst. Danach suche ich mir selbst eine Assistentin.“

„Montana.“ Sie rümpfte die Nase.

„Sieh es dir doch erst einmal an. Viele träumen davon, Thunder Canyon in den Bergen zu ihrer Heimatstadt zu machen. Und die Landschaft ist spektakulär.“ Als sie ihn nur traurig ansah, erinnerte Ethan sie: „Ich zahle dir einen gigantischen Bonus für nur zwei Monate mehr.“

„Zwei Monate und keinen Tag länger. Dann ist endgültig Schluss. Akzeptierst du das?“

„Absolut“, log er.

„Gut“, stimmte Lizzie schließlich zu.

„Abgemacht.“ Er steckte sich den Rest des Muffins in den Mund und streckte ihr die Hand hin. Während sie sich die Hände schüttelten, bemühte er sich, sein inneres Grinsen zu verbergen. Sie würde ihn auf keinen Fall verlassen. Er brauchte nur mehr Zeit, um sie zum Bleiben zu bewegen. Zwei Monate in Thunder Canyon sollten dafür reichen.

Am Donnerstagnachmittag parkte Ethan seinen Leihwagen, einen SUV, am Rand der Main Street in Thunder Canyon. Die Sonne schien. Die Luft war klar und frisch. In der Entfernung ragten schneebedeckte Berggipfel in den blauen Himmel Montanas. Er hatte vor, die paar Minuten bis zum „Hitching Post“, einer Institution in Thunder Canyon, zu laufen. Das Lokal, das eine Mischung aus Kneipe und Restaurant war, gab es seit über hundert Jahren.

Aber nur einige Meter weiter entdeckte er seine Schwägerin Erika, die in das Schaufenster eines der Geschäfte starrte. Neben ihr stand Erin. Die zukünftige Braut seines Bruders Corey ließ den Kopf hängen. Als er näher kam, hörte er ihrer Stimme an, dass sie nur mühsam die Tränen unterdrückte.

„Ich kann es nicht glauben. Ich habe gestern mit ihm geredet …“

Erika starrte noch angestrengter durch das Schaufenster in das Geschäft. „Das tut mir so leid für dich. Offensichtlich ist niemand da. Und alle Glasvitrinen sind leer.“

Erin stöhnte. „Was soll ich jetzt nur machen? Die Hochzeit ist am Samstag.“

„Ich kann nicht glauben, dass er einfach so verschwindet.“ Erika drehte sich um und bemerkte, dass Ethan nur zwei Meter entfernt von ihnen stand und darauf wartete, entdeckt zu werden. „He, ich wusste nicht, dass du schon in der Stadt bist.“

Er nickte. „Seit einer Stunde. Meine Assistentin hat mich aus dem Haus gescheucht. Sie mag es nicht, wenn ich ihr beim Auspacken im Weg herumstehe. Aber was ist mit euch? Ist etwas schiefgegangen?“

Mit dem Daumen deutete Erin auf das Schild an der verglasten Tür der Bäckerei „La Boulangerie“, auf dem stand: „Auf unbestimmte Zeit geschlossen“. Die zukünftige Braut war fassungslos. „Ich bin hergekommen, um das restliche Geld für meine Hochzeitstorte zu bezahlen. Und jetzt ist der Bäcker offenbar über alle Berge.“

„Sie hat zwei Drittel des Betrags als Anzahlung geleistet“, erklärte Erika. „Das ist Betrug.“

„Es ist ein totales Desaster. Das Geld ist mir im Moment egal. Aber es ist Donnerstag! Bis zur Hochzeit sind es noch achtundvierzig Stunden.“ Erin stiegen Tränen in die Augen. „Die ganze Stadt kommt, und ich habe keine Hochzeitstorte.“

Ethan konnte es nicht ertragen, wenn eine Frau weinte. Außerdem hatte er die Lösung für das Problem parat. „Kommt mit, ihr beiden. Der Wagen steht dort drüben.“

Erin schniefte. „Wir freuen uns, dich zu sehen. Aber im Moment müssen wir wirklich jemanden finden, der bis Samstag eine sechsstöckige Hochzeitstorte liefern kann.“

„Zufällig kenne ich die beste Bäckerin von Texas, und sie ist glücklicherweise derzeit in der Stadt.“

„Und wer ist sie?“

Er führte die beiden Frauen zum Auto. „Sie heißt Lizzie und wohnt in meinem Haus. Und dorthin fahren wir jetzt.“

Lizzie stand im Wohnzimmer des Hauses, das sie für Ethan gemietet hatte. Seine und ihre Sachen hatte sie bereits ausgepackt. Und da sie im Vorfeld eine Serviceagentur damit beauftragt hatte, das Haus auf Hochglanz zu bringen und Lebensmittel einzukaufen, waren die Speisekammer und der Kühlschrank gut gefüllt. Sie musste nur noch ein Abendessen zubereiten, das sie vorkochen und im Kühlschrank aufbewahren konnte, falls Ethan später am Abend mit leerem Magen nach Hause käme. Und über Kekse freute er sich. Er konnte nie genug von den Butterkeksen mit Pekannüssen bekommen, die sie nach dem Rezept ihrer Mutter backte.

Ja, sie wusste, dass sie ihn verwöhnte. Aber wenn sie backte, verwöhnte sie auch sich. Es ging nichts über den Duft von frisch gebackenen Keksen. Oder von frisch gebackenem Sauerteigbrot, Obstkuchen oder einer Schokoladentorte. Dann war die Welt für sie in Ordnung. Der köstliche Duft brachte die Erinnerungen an ihre Kindheit zurück. Daran, dass sie an ihrem Kindertisch hinten in der Patisserie der Familie, der „Texas Bluebell Bakery“, gesessen und ihrer Maman beim Dekorieren einer prachtvollen Hochzeits­torte zugesehen hatte.

Wenn Lizzie backte, hatte sie immer das strahlende Lächeln ihrer Maman und ihren Dad als jungen, glücklichen Mann vor Augen. Er war als Soldat in Frankreich stationiert gewesen, als er ihre Maman getroffen hatte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Also hatte er die hübsche Französin nach Texas mitgenommen, wo fortan die Patisserie, die er von seinen Eltern geerbt hatte, ihr Reich gewesen war. Ihr Dad hatte für ihre Maman gelebt. Und als sie gestorben war …

Sie blinzelte und schüttelte den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. Gerade als sie in die Küche gehen wollte, hörte sie, wie die Haustür geöffnet wurde.

Ethan kam mit einer auffallend hübschen Blondine und einer Brünetten mit großen Augen und einer sehr weiblichen Figur ins Foyer und hielt nach Lizzie Ausschau. „Hier bist du.“

Sie lachte. „Was hast du denn jetzt vor?“

Er legte der Blondine den Arm um die Schultern. „Lizzie, darf ich dir Coreys schöne Braut Erin Castro vorstellen.“ Er schlang den anderen Arm um die Brünette. „Und diese tolle Frau ist Dillons Ehefrau Erika. Meine Brüder können sich wirklich glücklich schätzen.“

Sie kannte die beiden Frauen von Familienfotos, die er ihr gezeigt hatte. „Hallo, ich freue mich, euch beide endlich kennenzulernen.“ Die beiden Frauen begrüßten sie, wobei besonders Erin einen besorgten, ja fast unglücklichen Eindruck machte. Lizzie deutete auf das Wohnzimmer. „Macht es euch bequem. Ich koche Kaffee und sehe nach, ob wir ein paar Kekse im Haus haben.“

„Kaffee wäre toll“, sagte Ethan. „Und wir sind wegen dir hier.“

Sie blieb stehen. „Wegen mir?“

Die beiden Frauen wechselten einen Blick. „Ethan glaubt, dass du uns vielleicht vor einem Desaster bewahren kannst“, meinte Erin. „Ich wollte heute die restliche Anzahlung für meine Hochzeitstorte leisten und musste feststellen, dass der Bäcker die Stadt verlassen hat.“

Voller Mitgefühl sah Lizzie sie an. „Und die Hochzeit findet am Samstag statt, richtig?“

„Genau.“ Erin seufzte.

„Ich habe ihnen gesagt, dass du in der Küche unschlagbar bist“, erklärte Ethan. „Und dass du vorhast, mir zu kündigen, um eine Konditorei zu eröffnen.“

Lizzie grinste erfreut. „Du willst, dass ich die Hochzeitstorte backe.“

„Oh, das ist viel zu viel verlangt“, rief Erin mit geröteten Wangen. „Entschuldige, dass wir dich belästigt haben.“ Sie wandte sich an Erika. „Wir müssen jetzt wirklich los. Ich muss mich um dieses Problem kümmern und …“

„He, habe ich Nein gesagt?“

Erin blinzelte. „Aber ich … Würdest du das wirklich tun?“

„Ja, es ist mir eine Ehre. Und du kannst dich entspannen. Die Hochzeitstorte selbst ist kein Problem. Ich muss nur rechtzeitig das notwendige Zubehör dafür zusammenbekommen.“

„Kein Problem?“ Erin schüttelte ungläubig den Kopf. „Die Torte ist für dreihundert Leute gedacht.“

Lizzie ging zu Coreys Braut und nahm deren Hände in ihre. „Diese Sorge nehme ich dir gern ab. Eine Hochzeit zu planen, ist auch so schon stressig genug. Ich verspreche dir, dich nicht zu enttäuschen. Bevor ich aufs College gegangen bin, habe ich einige mehrstöckige Hochzeitstorten in der Patisserie meiner Familie gebacken. Und seitdem vier weitere für Freunde in Texas.“

Als der hübschen blonden Frau vor Erleichterung eine Träne über die Wange lief, trat Erika zu ihr und legte ihr den Arm um die Schulter. „Alles wird gut. Lizzie ist unsere Rettung.“

„Ja, das bin ich. Und jetzt kommt alle in die Küche. Erin kann mir bei einer Tasse Kaffee sagen, wie sie sich ihre Hochzeitstorte vorstellt.“

Über Erins Schulter hinweg grinste Ethan Lizzie zufrieden an. Er freute sich darüber, dass er einen Weg gefunden hatte, das Problem zu lösen. Und er wusste, dass Lizzie es liebte, wenn er sie vor eine Herausforderung stellte.

In der Küche ging er direkt zum Tisch und rückte der Braut und Erika die Stühle zurecht, während Lizzie Kaffee kochte und gekaufte Kekse auf einem Teller anrichtete. Nachdem sich alle gestärkt hatten, holte sie ihr Notizbuch heraus. „In Ordnung. Jetzt erzähl mir alles über deine perfekte Hochzeitstorte.“

„Sie soll weiß, rund, sechsstöckig und mit richtigen Blumen in verschiedenen Farben dekoriert sein.“

„Jede der Brautjungfern und die Trauzeugin trägt ein Kleid in einer anderen Farbe“, fügte Erika hinzu.

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