Sinnliche Nächte mit dem französischen Verführer

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Der atemberaubende Duft von Lavendel, der blaue Himmel, ein romantisches Schlosshotel: Jennas Urlaub in der Provence ist ein Fest für die Sinne! Dass der charmante Philippe D’Usay heiß mit ihr flirtet und ihr sogar eine Affäre vorschlägt, findet sie zuerst etwas frivol. Aber wenn in diesem Urlaub alle Wünsche erfüllt werden - warum nicht auch der nach l’amour? Zehn sinnliche Nächte später muss Jenna wieder zurück in die USA fliegen. Doch ihr geflüstertes adieu ist nicht für immer! Denn sie nimmt ein kleines süßes Geschenk mit …


  • Erscheinungstag 24.03.2020
  • Bandnummer 062020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714031
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Anfang August …

Ist es dort tatsächlich so wunderschön, wie es die Broschüre verspricht? Warte, ich will es nicht wissen! Sag mir lieber, dass alles ganz schrecklich ist …

Strahlender Sonnenschein wärmte Jennas Gesicht, während sie die Textnachricht ihrer Freundin las. Sie stellte ihren Champagner ab und schoss rasch ein Foto, obwohl die Handykamera dem sogenannten Provenzalischen Meer aus Gold und Lavendel niemals gerecht werden konnte. Die Retourkutsche kam postwendend:

Ich hasse dich!

Jenna kicherte, obwohl das wirklich gemein war. Sie sollte nicht lachen, während die arme Shirley in Nantucket festsaß, anstatt mit ihr den Sonnenschein zu genießen. Rasch tippte sie eine Antwort.

Würde es dir besser gehen, wenn ich dir verrate, dass ich hier zwischen den sonnengebräunten Bademodenmodels der einzige blasse Alien bin?

Das stimmte zwar nicht ganz, aber eine kleine Notlüge war schließlich kein Verbrechen. Schon gar nicht, wenn es Shirley bei dem Gedanken, dass ihre beste Freundin sich fehl am Platz fühlte, gleich besser gehen würde. Jenna schickte schnell noch einen Satz hinterher:

Ohne dich macht das Ganze hier sowieso nur halb so viel Spaß …

Das meinte sie absolut aufrichtig. Shirley war so etwas wie ihre zweite Hälfte, sowohl als Kollegin im Pflegeheim wie nach Dienstschluss. Tatsächlich war es auch Shirley gewesen, die zufällig von der Merchant Charity-Auktion erfahren hatte und sie überredet hatte, auf diesen fantastischen Urlaub zu bieten. Ohne ihre Freundin würde sie jetzt nicht auf der Terrasse eines jahrhundertealten französischen Châteaus sitzen und Champagner zum Frühstück trinken.

Unsinn! Sieh zu, dass du dich amüsierst! Sonst kommt Beatrice noch zurück, um dir den Kopf zu waschen. Vergiss nicht, sie wollte, dass du so viel Spaß wie möglich hast.

Ich werde deinen und Beatrices Rat beherzigen …

Auf keinen Fall wollte sich Jenna den posthumen Zorn ihrer Lieblingspatientin zuziehen. Dann schon lieber abenteuerlustig werden!

Leider liegt mein Französisch-Wörterbuch noch in Nantucket … und du weißt ja, wie schnell man in die Bredouille gerät, wenn man sich nicht richtig ausdrücken kann.

Die Antwort kam postwendend.

Dann such dir einen sexy Franzosen als Ersatz. Mit dem kannst du dann in Schwierigkeiten ganz anderer Art geraten …

Jenna lachte so laut, dass ein Paar am Nebentisch sie erstaunt musterte. Sie winkte mit dem Handy, um zu demonstrieren, dass nicht sie der Grund für ihre Heiterkeit waren. Dann tippte sie rasch:

Machst du Witze? Bei meinem Glück gerate ich unter Garantie an irgendeinen selbstverliebten Poser!

Unterstellst du das nicht ohnehin allen Männern?

Aus gutem Grund!

Jenna schnaubte leise. Nantucket zog Männer dieser Sorte an wie ein Magnet. Shirley und sie hatten diese Spezies den Möchtegern-Milliardärs-Club getauft. Typen mit gemieteten Booten und leeren Bankkonten, die ihre Sommerwochenenden damit verbrachten vorzugeben, sie wären die maskuline Elite. Und das alles nur, um bei flirtwilligen Ladies bestmöglich punkten zu können.

Südfrankreich ist nicht die White Whale Tavern …

Shirleys Anspielung auf den bevorzugten Jagdgrund der Möchtegern-Don-Juans in ihrer Heimat entlockte Jenna erneut ein Lachen.

Dafür möglicherweise noch weitaus schlimmer! Dann lass ich mich schon lieber von Beatrices Geist heimsuchen.

Darauf reagierte Shirley mit dem Cartoon eines tanzenden Gespenstes und einer eindringlichen Forderung:

Solltest du tatsächlich einen heißen Franzosen finden, gib mir umgehend Bescheid! Während ich mir hier meine Wunden lecke, brauche ich dringend eine Art stellvertretenden Nervenkitzel.

Erwarte nicht zu viel …

Tu ich doch nie.

Nach diesem semi-depressiven Statement legte Shirley ihr Handy zur Seite und rollte sich noch einmal in ihrem Bett zusammen, da es in Neuengland, USA, sehr früh am Morgen war. In Frankreich winkte Jenna dem Kellner und bestellte sich ein zweites Glas Champagner.

Vor der weitläufigen Terrasse präsentierte sich ihr die Provence als Farbsymphonie in satten Violett-, Grün- und Gelbtönen. Eine zum Leben erweckte Postkarte, nur noch viel spektakulärer.

Zehn Tage in einem französischen Château, inmitten der Lavendelblüte … so deklarierte Merchant Hotels das Traumangebot, auf das Jenna bei der Versteigerung geboten hatte. Das dazugehörige Prospektmaterial weckte die Vorstellung von einem geradezu magischen Erlebnis, das man unmöglich versäumen durfte.

Hier vor Ort wartete Jenna immer noch auf den magischen Kick.

Nach einem kleinen Stoßseufzer hob sie ihr Glas im Gedenken an die Frau, die ihr diese Traumreise ermöglicht hatte. „Danke für dieses Abenteuer, Beatrice. Ich werde versuchen, das Beste daraus zu machen.“

Jenna hob ihr Glas noch etwas höher, machte ein Foto und schickte es postwendend an Shirley. Dann stellte sie den Champagner auf dem Tisch ab, brachte sich vor der Traumlandschaft in Position und schoss das nächste Foto … und dann noch eins. Nach mehreren fruchtlosen Bemühungen gab sie auf. Wahrscheinlich war sie die einzige Person auf Erden, die kein gelungenes Selfie zustande brachte. Entweder lag ihr Gesicht im Schatten, oder es war nur halb drauf, im schlimmsten Fall mit zweifachem Doppelkinn. Frustriert legte sie ihr Handy beiseite.

Als ein Schatten über ihren Tisch fiel, schaute sie blinzelnd auf.

„Excusez-moi, Mademoiselle“, sagte eine tiefe Stimme. „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“

Lieber Himmel! Wäre sie Shirley, würde sie jetzt an ihrem Champagner ersticken. Vor ihr stand der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte! Sein schicker Zweireiher erinnerte an die elegante Uniform des anderen Hotelmanagers, mit dem sie bisher zu tun gehabt hatte.

Das Château de Beauchamp sollte diesen Prachtkerl unbedingt im Prospekt abbilden! schoss es ihr durch den Kopf. Damit würde sich die Reservierungsrate unter Garantie verdreifachen.

Jenna schluckte trocken. Wer hätte gedacht, dass Unterkiefer, die wie gemeißelt wirkten, tatsächlich im echten Leben existierten? Zugegeben, die dazugehörigen Muskelberge mochten diesem Traumtyp fehlen, aber wer brauchte die schon, wenn er einen Maßanzug derart lässig und mit Stil trug? Dazu kam noch die Augenfarbe eines Lavendelfeldes …

Reiß dich zusammen! ermahnte Jenna sich. Du starrst ihn an wie ein alberner Teenager, nur weil der Typ gerade mal passabel aussieht.

Nicht passabel, sondern umwerfend, atemberaubend – und das wusste er auch. Sie erkannte es an dem Lächeln, mit dem er ihr seine strahlend weißen Zähne präsentierte.

„Ihr Handy …“, forderte er in stark akzentuiertem Englisch und streckte die Hand danach aus. „Ihre Frustration war nicht zu übersehen. Wenn Sie möchten, nehme ich Sie gern vor dem Hintergrund des Lavendelfeldes auf.“

Er gab wirklich überzeugend vor, nichts Wichtigeres zu tun zu haben, als ihr bei den Urlaubsfotos zu helfen. Jenna spürte, wie ihr Magen nervös flatterte, und sie erinnerte sich selbst eindringlich daran, dass dies Frankreichs – oder die Merchant Seafarer-Hotelketten – Version von 5-Sterne-Niveau war.

„Danke, ich fürchte, ich habe den Selfie-Kniff einfach nicht drauf.“

„Was absolut positiv zu bewerten ist“, erwiderte er galant. „Es beweist doch, dass Sie es gewohnt sind, Ihr Augenmerk auf andere Dinge zu lenken als auf sich selbst.“

Nicht schlecht gekontert! verbuchte Jenna heimlich für sich. Laut sagte sie: „Auf dieser Tour versuche ich es trotzdem, für meine Freundin. Da Shirley mich nicht begleiten konnte, möchte ich alle Reiseeindrücke festhalten.“

„Nun, Sie werden in der gesamten Provence kein authentischeres Lokalkolorit finden als hier. Warum stellen Sie sich nicht hier ans Verandageländer? Die Aussicht an dem Punkt ist absolut atemberaubend.“

Darin musste sie ihm recht geben. Vielleicht trug der Champagner auch seinen Teil dazu bei, aber Jenna war sicher, noch nie zuvor derart intensive, lebhafte Farben in freier Natur erlebt zu haben.

„Sie sind Amerikanerin.“ Das war eine Feststellung. „Und? Ist dies Ihr erster Besuch im Château de Beauchamp?“

„Ja, es ist überhaupt mein erster Besuch in Frankreich. Ich konnte dem Gedanken, in einem echten, tausend Jahre alten Schloss zu wohnen, einfach nicht widerstehen.“

„Ich hasse es, Sie enttäuschen zu müssen, Mademoiselle, aber ein paar Jahrhunderte müssen Sie streichen.“

„Wie meinen Sie das?“

Er lehnte sich neben sie ans Terrassengeländer. „Dies ist nicht das ursprüngliche Château.“

„Aber in der Broschüre steht, das Château de Beauchamp wache seit dem elften Jahrhundert über das Tal. Hat man sich das nur publikumswirksam ausgedacht?“ Falls dem so war, würde es sie wirklich ärgern.

„Leider ist das Original im 16. Jahrhundert verfallen. Wenn Sie hinter die Baumgruppe auf der rechten Seite schauen, erkennen Sie noch die Überreste des Turms.“

Am kleinen Finger seiner rechten Hand funkelte ein goldener Siegelring in der Sonne. Jenna kniff die Augen zusammen und erkannte die Umrisse des eingefallenen Turms.

„Die Familie d’Usay hat dieses Gebäude als Ersatz gebaut und es Château Neuf genannt.“

„Also wohne ich in einem Schloss, das erst fünfhundert Jahre auf dem Buckel hat anstatt tausend.“

„Ich hoffe, Sie sind nicht allzu enttäuscht.“

„Ich werde es überleben.“

„Gut so.“ Sein Lächeln raubte ihr den Atem. „Es würde mir nicht gefallen, Sie unbefriedigt zu sehen.“

Jenna erstarrte. Doch sein offener Blick und ihr Pragmatismus ließen sie die letzte Bemerkung unter fremdsprachlichem Missverständnis und ihrem vermutlich noch nicht überwundenen Jetlag verbuchen.

„Haben Sie die Sightseeingtour schon gemacht?“

„Nein, noch nicht.“ Die Besichtigung des Châteaus war ein Angebot in der Informationsbroschüre, doch Jenna hatte noch nichts fest gebucht, weil sie endlich einmal spontan sein wollte, wie sie Shirley erklärt hatte. „Ich wollte mir zunächst einen Eingewöhnungstag gönnen, um die Atmosphäre und die neuen Eindrücke zu verarbeiten.“

„Eine gute Entscheidung, schon um erste Informationen zu sammeln. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Weinkeller während des sogenannten Weißen Terrors als Treffpunkt für die Compagnies du Soleil diente?“

„Weißer Terror?“, echote Jenna verständnislos.

„Eine Rebellion der Bewohner dieser Provinz gegen die Unterstützer der französischen Revolution … sozusagen unsere eigene Revolution“, fügte er mit einem spitzbübischen Lächeln hinzu.

„Sie meinen, sie haben gegen die Rebellen rebelliert?“

„Nennen wir es den Versuch, alte Traditionen zu bewahren – und den eigenen Kopf.“

„Na, wer verliert den schon gern!“, stieg Jenna auf seinen leichten Ton ein und fragte sich, wie viele Frauen wohl seinetwegen schon ihren Kopf verloren haben mochten.

Sie hatte Männer wie ihn schon getroffen, smarte Spielertypen, allerdings weniger höflich und nicht ganz so attraktiv, wie sie zugeben musste. Die meisten gaben sich übertrieben charmant, sodass man schnell gewarnt war, sie nicht allzu ernst zu nehmen.

Dieses Exemplar war tatsächlich etwas Besonderes angesichts der Leichtigkeit, mit der er ihr vorspielte, nicht an schnellem Sex, sondern an ihr als Person interessiert zu sein – nur um sie dann wie eine Marionette nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Bestimmt konnte er auf eine beachtliche Karriere als Puppenspieler zurückschauen.

Jetzt neigte er sich zu ihr und suchte ihren Blick. „Aber manchmal kann es auch Spaß machen, den Kopf zu verlieren, Mademoiselle …“

„Nicht nach meiner Erfahrung.“

„Vielleicht war es der falsche Zeitpunkt?“

Wäre sie zu Hause in Nantucket gewesen, hätte sie ihm an diesem Punkt geraten, sich zu verziehen. Ob es nun am Jetlag, am Champagner auf nüchternen Magen oder an dem berauschenden Lavendelduft lag … plötzlich stand sie ernsthaft in Gefahr, sich in der Tiefe seiner blauvioletten Augen zu verlieren.

Jenna räusperte sich. „Wie ist es damals mit Ihren Rebellen ausgegangen? Haben sie ihre Köpfe behalten?“

Das herausfordernde Lächeln wurde breiter. „Sie werden wohl die Tour buchen müssen, um das zu erfahren. Es sei denn, Sie bevorzugen eine persönliche Führung.“

Obwohl sie es besser wusste, kribbelte es gefährlich in Jennas Magengegend.

„Französische Geschichte ist zufällig eine persönliche Leidenschaft von mir“, verriet er ihr. „Besonders die der Familie d’Usay.“

„Werden Sie keine Probleme bekommen? Ich meine mit der Hotelleitung?“, fügte sie angesichts seiner gefurchten Stirn hinzu. „Ich möchte Sie den anderen Gästen nicht wegnehmen.“

Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig. „Ich bin sicher, sie überleben das.“

Jenna überlegte kurz, machte ihr Handy aus und steckte es ein. Was soll’s! dachte sie trotzig. Hier ging es um eine kleine Sightseeingtour, nicht etwa um ein unsittliches Angebot. Außerdem war der smarte Fremde wirklich unterhaltsam. Sollte er anfangen zu nerven, konnte sie immer noch ihren Jetlag vorschieben und sich verabschieden.

„In dem Fall nehme ich Ihr Angebot gern an.“

Magnifique, ich heiße übrigens Philippe.“

„Jenna Brown.“

Enchanté, Jenna Brown.“

Erstaunlich, wie ein fremder Akzent einen platten New England-Namen plötzlich exotisch und sinnlich klingen lassen konnte. Jenna schauderte wohlig.

Philippe deutete auf eine Tür. „Wollen wir?“

Hastig leerte sie ihr Champagnerglas mit einem großen Schluck. Auf ins Abenteuer!

„Eine Auktion? Wirklich?“, fragte Philippe überrascht.

Jenna nickte. „Eine Spendenauktion“, erklärte sie ihrem Begleiter. „Man bietet auf verschiedene Angebotspakete, alle in Merchant-Hotels. Der Gewinn fließt zu hundert Prozent in wohltätige Aktionen, wie zum Beispiel den Bau einer Reha-Klinik für Drogenabhängige auf Cape Cod.“

Nachdem sie feststellen mussten, dass die Tür zum Westturm verschlossen war, stiegen sie hintereinander eine gewundene Steintreppe hinunter. Zu ihrer Überraschung versuchte Philippe nicht mit ihr zu flirten, sondern nahm seine Aufgabe als Reiseleiter ziemlich ernst, indem er Jenna einen interessanten Einblick in die regionale Geschichte und die farbenfrohen Rolle der Familie d’Usay dabei gewährte.

Irgendwann hatte er das Gespräch auf sie gelenkt, und nach kurzem Zögern verriet sie ihm, was sie nach Frankreich geführt hatte.

„Klingt wie eine gute Sache“, meinte er zu der Versteigerungsaktion.

„Auf jeden Fall. Obwohl ich zugeben muss, dass es mir nicht in erster Linie ums Spenden ging, als ich mich von meiner Freundin Shirley dazu habe überreden lassen. Ehrlich gesagt war ich auf Abenteuer aus.“

Philippe blieb abrupt stehen. „Est-ce vrai? Ist das so?“

Erst jetzt wurde Jenna bewusst, wie sich das für ihn anhören musste. Sein funkelnder Blick jagte ihr heiße Schauer über den Rücken. Trotzdem, sosehr es sie reizte, im Urlaub mal eine andere Rolle zu spielen, beschloss sie, ihm lieber gleich sämtliche Illusionen zu nehmen. Womöglich hielt er sie sonst noch für eine reiche, gelangweilte Amerikanerin und damit für leichte Beute.

„Ich bin Krankenschwester in einem Pflegeheim in Massachusetts. Eine meiner Patientinnen hinterließ mir eine kleine Erbschaft mit der Auflage, das Geld für ein Abenteuer zu verwenden.“

„Was für eine ungewöhnliche Bedingung.“

Sollte er von ihrem Mangel an Dollars enttäuscht sein, verriet er es mit keinem Wimpernzucken. „Nicht, wenn man Beatrice gekannt hat. Sie war bis zum letzten Atemzug ein heißer Feger, wie man so schön sagt, inklusive kirschrotem Lippenstift und Seidenkimono. Und das ist absolut nicht respektlos gemeint.“ Sie lächelte bei der Erinnerung. „Wir haben uns leidenschaftlich gern Reisedokumentationen zusammen angesehen. Dabei hat sie mich immer liebevoll als Stubenhocker verspottet und gesagt, ich müsse reisen, sonst würde ich später nur alt und langweilig sein.“

„Hört sich für mich nicht besonders nett an.“

Jenna lachte und schüttelte wehmütig den Kopf. „Als ich ihr irgendwann verriet, dass ich noch nie weiter als bis Mexiko gekommen bin, bestand sie darauf, das Pflegeheim ein letztes Mal zu verlassen, um mit mir ein Abenteuer zu erleben. Leider kam es nicht mehr dazu. Aber sie hat mit ihrer Erbschaft dafür gesorgt, dass wenigstens eine von uns beiden …“ Ihre Stimme brach ab.

„Was für ein Glück, dass Sie Ihr Abenteuer hier erleben wollen.“

Jenna blinzelte. „Meine Freundin Shirley sollte mich eigentlich begleiten, ist aber in letzter Sekunde krank geworden“, plapperte sie nervös drauflos.

„Nun, wenn es Ihnen an Gesellschaft mangelt, Mademoiselle …“

So locker, wie ihm das über die Zunge ging, war sie ganz sicher nicht die Erste, die er mit seinem Charme einzuwickeln versuchte. „Schon in Ordnung“, wehrte Jenna burschikos ab. „Ich komme bestens allein zurecht.“ Sie deutete auf ein riesiges Porträt, das an der Wand am Ende der Treppe hing. „Was können Sie mir über dieses Gemälde erzählen?“

Das abgebildete Paar mittleren Alters schien den Turm zu bewachen. Die beiden wirkten ziemlich einschüchternd, allerdings auf königliche Weise. Man fühlte sich von ihrem strengen Blick regelrecht verfolgt.

„Das sind Antoinette und Simon d’Usay.“ Philippe lehnte sich gegen das gewundene Treppengeländer. „Sie waren die letzten dieses Namens, die noch im Schloss lebten. Nach dem Ersten Weltkrieg bauten sie das Château d’Usay.“

„Auf der anderen Seite der Lavendelfelder.“ Das wusste Jenna aus ihrem Reiseführer. Auch, dass dieses kleinere Schloss immer noch dreimal so groß war wie alles, was sie bisher gesehen hatte. Es zu besichtigen, betrachtete Jenna als ein Highlight, auf das sie sich ganz besonders gefreut hatte.

„Sie werden nicht enttäuscht sein“, versprach Philippe, als sie es ihm verriet. „Das Château ist nebenbei auch noch der größte Lavendelproduzent in der Region. Die besten Parfums des Landes werden aus d’Usay-Blüten hergestellt.“

Ein gewisser Stolz in der dunklen Stimme war nicht zu verkennen. Ob alle Einheimischen so fühlten, oder empfand er eine besondere Affinität zu den d’Usays? Sie dachte an ihre eigene Familiengeschichte, die geprägt war von Co-Abhängigkeiten und schlechten Entscheidungen. In Sommerville Nantucket gab es definitiv niemanden, der stolz auf den gesellschaftlichen Beitrag der Browns war.

„Was für ein Batzen an Geschichte für eine einzige Familie …“, überlegte Jenna laut. „Eigentlich schade, dass sie das Schloss verkauft haben.“

„Die Instandhaltung alter Gebäude ist sehr kostspielig“, erklärte Philippe ihr. „Schimmel, Fäulnis, Wasserschäden, alles fordert seinen Tribut. Es ist allemal besser, wenn ein Unternehmen dafür Sorge trägt, die alte Bausubstanz zu erhalten, als das Château wie andere Relikte französischer Geschichte verfallen zu lassen.“

Das stimmte natürlich. Selbst wenn das Schloss nicht so alt wäre, würde es allein durch seine Größe Unsummen an Renovierung und Unterhaltung verschlingen. Nachdenklich studierte Jenna das eindrucksvolle Porträt und fragte sich, warum ihr das Paar bekannt vorkam. Hatte sie ihr Bild vielleicht in einem der zahlreichen Prospekte gesehen, die sie über Wochen studiert hatte?

„Lebt die Familie noch in dieser Gegend?“, erkundigte sie sich.

„Es gibt nur noch einen direkten Nachkommen.“

Jenna krauste die Stirn. „Wirklich?“ Irgendwie hatte sie erwartet, er würde sagen, die halbe Region wäre auf die eine oder andere Weise mit ihnen verwandt.

„Das Schicksal hat es in den letzten zehn Jahren nicht gut mit den d’Usays gemeint. Nur zwei Kinder von Simon und Antoinette wurden erwachsen, und nur eines von ihnen hatte selbst Nachwuchs. Einen Sohn, Marcel. Er starb Ende des 20. Jahrhunderts.“

„Wie traurig für eine so alte Familiendynastie …“

„Ein Schicksal, das irgendwann jedem droht“, kam es lakonisch zurück. „Reden wir doch über angenehmere Themen. Zum Beispiel übers Abendessen. Möchten Sie sich mir heute dabei anschließen?“

Wow! So smart und so ausgekocht …

Keine Frage, dass dieser gewiefte Franzose alle Register ziehen und ein schlichtes Abendessen zu einem romantischen, verführerischen Erlebnis machen könnte.

„Gibt es in Frankreich keine Regeln, was private Kontakte zu Gästen betrifft?“, fragte sie mit erhobenen Brauen. Auch wenn sie ziemlich sicher war, dass es ihn kaum interessieren würde. Sein amüsiertes Lächeln bestätigte sie in ihrem Verdacht.

„Wenn es Ihnen lieber ist, werde ich nichts verraten“, bot er an.

Sie schluckte, als sich ihre Blicke trafen. Lieber Himmel! Mit diesen Augen konnte er jeder Frau weismachen, dass sie die einzige war … allerdings nur, bis die nächste seinen Pfad kreuzte.

„Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber …“ Shirley würde sie umbringen, wenn sie das hören könnte! „Ich werde heute Abend in meinem Zimmer bleiben, den Room Service bemühen und früh schlafen gehen … allein.“

Er akzeptierte den Korb wie ein Profi. „Dann ein anderes Mal“, entgegnete er leichthin. „Wir können uns ja auf einen Rain-Check einigen, wie ihr Amerikaner sagt – einen Gutschein für das ausgefallene Dinner.“

„Sicher.“ Er war wirklich gut. „Danke für die Sightseeing-Tour.“

„Es war mir ein Vergnügen.“ Philippe umfasste ihre Hand und zog sie an die Lippen. „Au revoir, Jenna Brown. Ich freue mich schon auf das nächste Mal, wenn sich unsere Wege kreuzen.“

„Au revoir“, antwortete Jenna und sah ihm nach, wie er auf die Suche nach einer anderen Blüte ging, die sich leichter pflücken ließ. Der erste und wahrscheinlich einzige sexy Franzose auf ihrer Abenteuerreise …

Philippe ging zur Rezeption. Die zierliche, sehr junge Rezeptionistin wandte sich ihm zu. „Kann ich etwas für Sie tun?“

Ihm entging weder der funkelnde Blick noch die Geste, mit der sie die kastanienbraune Lockenfülle über eine Schulter nach hinten warf. „Oui, Sie können tatsächlich etwas für mich tun“, erwiderte er. „Diese Amerikanerin, Mademoiselle Brown …“

„Was auch immer er will, Nicole, die Antwort lautet Nein.“

Yves St. Dumond, ein stämmiger Mann mit markanten Gesichtszügen und silbernem Haar, war unverhofft in der Bürotür hinterm Tresen aufgetaucht. Der Hotelmanager legte eine kräftige Hand auf Nicoles Schulter. „Dieses Hotel ist nicht dein persönlicher Spielplatz, Philippe. Wenn du Frauen abschleppen willst, dann tu das woanders.“

Der Angesprochene legte in dramatischer Geste eine Hand auf die Brust. „Mon Dieu, ich bin zutiefst verletzt. Du kennst mich lange genug, um zu wissen, dass ich keinen deiner Mitarbeiter belästigen müsste, um einen weiblichen Gast zu verführen.“

Dabei zwinkerte er Nicole zu, die prompt rot wurde.

„Und was brauchst du tatsächlich?“, wollte Yves wissen.

Ablenkung … irgendetwas, das mich davon abhält, in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen … Aber das sagte er nicht laut.

Laut sagte er: „Es ist August.“

Augenblicklich veränderte sich der Gesichtsausdruck des Hotelmanagers. „Je suis desolé, mon ami“, sagte er reuig. „Ich habe nicht nachgedacht und das Datum aus den Augen verloren.“

„Ging mir genauso … zumindest fast“, gab Philippe zu, aber am Ende erinnerte ihn dann doch der Kalender, wie immer.

Jedes Jahr schwor er sich aufs Neue, dass er diesmal endlich das alte Muster durchbrechen würde. Doch offenkundig besaß er einen ausgeprägten Selbstzerstörungstrieb, der ihn regelmäßig zur Erntezeit hierhertrieb, um eine Tradition aufrechtzuerhalten. Schließlich war es das Mindeste, was er für seine Familie tun konnte, quasi als Buße dafür, der letzte d’Usay zu sein.

Philippe zwang sich zu einem Lächeln. „Keine Sorge, nicht lange und ich bin wieder raus aus dem Tief.“ Er musste nur die nächsten Wochen überleben. Und eine Art Büßerleben führen. Sobald der September nahte, hätte er Schmerz und Sehnsucht – wonach auch immer – überwunden und konnte in sein Domizil in Arles zurückkehren.

„Und in der Zwischenzeit bist du ausgerechnet an Mademoiselle Brown interessiert?“, vergewisserte sich Yves mit skeptisch erhobenen Brauen. „Sie entspricht nun wirklich nicht deinem gewohnten Beuteschema.“

„Nein, wahrlich nicht.“ Für gewöhnlich bevorzugte er oberflächliche Schönheiten mit ausgezeichnetem Geschmack und geringer Aufmerksamkeitsspanne, eben Frauen seines eigenen Genres. Jenna Brown mit ihrem kupferroten Haar und den kurzen Shorts, auf denen sich kleine Wale tummelten, war davon so weit entfernt, wie man nur sein konnte.

Vielleicht war sie ihm genau deshalb ins Auge gefallen, sobald er die Terrasse betreten hatte: zu bunt und sichtlich frustriert, weil sie nicht in der Lage war, ein vorteilhaftes Selfie zu produzieren. Genau diese Unfähigkeit erschien ihm äußerst attraktiv.

Autor

Barbara Wallace
Babara Wallace entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als eines Tages ihre beste Freundin Kim ihr einen Roman lieh, der von Katzen handelte. Einmal gelesen und sie war gefesselt. Sie ging nach Hause und schrieb ihre eigene Geschichte. Sinnlos zu erwähnen, dass es der Roman „Ginger the Cat“ (ihre eigene Katze)...
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