Sinnliche Versuchung

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Cassie und Dalton sind ein verliebtes Paar - in der Öffentlichkeit! So sind die beiden Ermittler perfekt getarnt, um einen betrügerischen Eheberater in die Falle zu locken. Doch Cassie hat nicht damit gerechnet, dass sie an Daltons Seite schnell sinnliche Versuchung pur verspürt…


  • Erscheinungstag 05.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778934
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Ich dachte, du wolltest solche Aufträge nicht mehr übernehmen.“ Cassie York machte es sich vor dem Schreibtisch ihrer neuen Chefin Jennifer Rodriguez Madison bequem.

Das Telefon klingelte, bevor Jennifer antworten konnte. Sie lächelte Cassie entschuldigend an und nahm den Hörer. „Madison Investigations.“ Sie lauschte. „Heute?“ Sie brauchte gar nicht erst auf ihren vollen Terminkalender zu sehen. „Wie wäre es mit morgen Nachmittag, so gegen drei?“ Sie rieb sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen. „Tut mir Leid, das ist der früheste Termin, den ich Ihnen anbieten kann, Mr. Rice. Ich schiebe Sie sowieso schon dazwischen.“

Während Jennifer sich einige Notizen über den potenziellen Kunden machte, stand Cassie auf und sah nach Annie, die in ihrem Reisebett schlief. Mit dem pausbäckigen Gesicht sah die Kleine wie ein Engel aus. Aber ein Engel war sie nur, wenn sie schlief. Sobald sie wach war, konnte sie schreien, dass man sie in ganz Dallas hörte.

Jennifer hatte mit ihrer neuen Agentur, ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter alle Hände voll zu tun. In gewisser Weise beneidete Cassie sie. Jennifer hatte nicht nur alles, sondern schaffte es auch, Job und Familie unter einen Hut zu bringen.

Irgendwann würde Cassie auch dahin kommen, aber zunächst einmal musste sie sich selbst beweisen. Und Jennifer bot ihr die ideale Gelegenheit.

„Entschuldige.“ Jennifer legte den Hörer auf. „Wo waren wir stehen geblieben?“

„Du wolltest mir gerade mehr über den Auftrag von Marianne Cummings erzählen.“ Cassie setzte sich wieder.

„Ja, richtig.“ Jennifer zog eine Schublade auf, lehnte sich zurück und legte die Beine auf die geöffnete Schublade. „Ich muss meine Beine hochlegen, damit sie nicht so anschwellen.“ Sie rieb sich den dicken Bauch. „Das Baby will schon kommen.“

„Hast du nicht noch zwei Monate vor dir?“

Jennifer nickte und zog eine Grimasse.

Cassie lachte. „Es ist wohl eher die Mutter, die möchte, dass das Baby endlich kommt.“

„Stimmt.“ Jennifer verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. „Okay, der Cummings-Fall. Der Auftrag ist sehr wichtig für mich, Cassie. Marianne ist eine gute Freundin, und ich persönlich glaube, das dieser Dreckskerl, den sie geheiratet hat, nur hinter ihrem Geld her ist. Und wenn er es erst einmal hat, dann hasta la vista.“

„Aha, deshalb übernimmst du den Fall.“

Jennifer zuckte mit den Schultern. „Ich habe kein Problem mit der Lockvogeltaktik. Wenn ein Mann glücklich verheiratet ist, wird er sich auch nicht für andere Frauen interessieren und nicht anbeißen. Ich habe den letzten Auftrag nur abgelehnt, weil ich nicht genügend Personal hatte.“

Zumindest sagt Jennifer nicht, dass sie jetzt eine dumme Blondine beschäftigt, die sich bestens als Lockvogel eignet, dachte Cassie. Nie im Leben würde sie so etwas aussprechen. Sie kannten sich seit drei Jahren, und Jennifer respektierte ihre Fähigkeiten, die weit über die einer Sekretärin hinausgingen, als die sie bei der Konkurrenz gearbeitet hatte. Cassie reagierte einfach etwas empfindlich. Seit ihrer Erfahrung mit Chet war es mit ihrem Selbstbewusstsein nicht mehr weit her.

Jennifer lächelte. „Ich weiß, dass du enttäuscht bist, als ersten Fall ausgerechnet so etwas übernehmen zu müssen. Du hast dir wahrscheinlich etwas Aufregenderes gewünscht. Aber ich bin dir sehr dankbar, dass du einspringst. Wie ich schon sagte, glaube ich, dass Marianne hereingelegt wurde. Ich bin nur froh, dass sie bei Robert langsam misstrauisch wird.“

„Warum?“

„Er kommt fast nie nach Hause. Sagt, dass er geschäftlich unterwegs ist, kann aber kein Einkommen vorweisen. Hinzu kommen geheimnisvolle Telefonate. Allerdings bittet er sie nie um Geld, was etwas verwirrend ist.“

„Wenn ich dich richtig verstehe, ist sie sehr wohlhabend.“

„Sie hat mehr Geld, als sie je in ihrem Leben ausgeben kann. Ihr erster Mann starb vor zwei Jahren und hat ihr drei Häuser und ein dickes Bankkonto hinterlassen. Sie hatte viel zu viel freie Zeit, in der sie sich selbst bemitleiden konnte. Und dann erschien Robert Bask auf der Bildfläche, zwanzig Jahre jünger als sie und aalglatt.“

Cassie schüttelte den Kopf. Der Altersunterschied allein war ihrer Meinung nach kaum ausschlaggebend, aber alles in allem klang die Angelegenheit schon verdächtig. „Ich werde sehen, was ich tun kann. Wahrscheinlich hast du schon einige Informationen über seinen Tagesablauf und seine Angewohnheiten.“

„Natürlich.“ Jennifer griff nach einem Schnellhefter und reichte ihn Cassie. „Es ist nicht besonders viel, aber Marianne weiß mit Sicherheit, dass er eine Vorliebe für eine bestimmte Bar außerhalb der Stadt hat.“

„Ich lese die Akte und fange gleich morgen an.“ Cassie stand auf. „Danke, dass du mir die Chance gibst, in deinem Team mitzuarbeiten.“

„Soll das ein Witz sein? Ich müsste diejenige sein, die dir auf Knien dankt. Aber du wirst mir hoffentlich verzeihen, dass ich jetzt nicht aufstehe“, sagte sie schief lächelnd und legte sich eine Hand auf den Bauch.

Genau in diesem Moment wachte Annie auf und begann, laut zu schreien. Jennifer schloss kurz die Augen und stöhnte. „Wenn ich es mir jedoch recht überlege …“, murmelte sie und stand schwerfällig auf.

„Ich nehme sie“, bot Cassie an.

„Das ist lieb von dir, aber sie hat Hunger, und da kann nur ich ihr helfen. Und du gehst jetzt am besten an die Arbeit.“

„Okay.“

„Cassie, ich bin froh, dass du zu uns gekommen bist.“

Cassie blieb stolz an der Tür stehen. Sie wollte sich die größte Mühe geben. Jennifer würde nicht bedauern, eine Anfängerin wie sie genommen zu haben. Und alle Männer aus ihrem Leben – Chet, ihr Vater, und ihr Bruder – würden erkennen, dass sie nicht nur ein hübsches Gesicht hatte.

1. KAPITEL

Dieser neue Auftrag stank J. Dalton Styles ganz gewaltig, vor allem, da er ihn in dieses kleine Kaff außerhalb von Midland, Texas, geführt hatte. Strafversetzung. Anders konnte man es nicht bezeichnen. Dafür gab es mehrere Gründe. Erstens: weil er seine Fälle manchmal auf sehr unkonventionelle Weise löste. Und zweitens: aus firmenpolitischen Gründen. Sein Boss wollte unbedingt befördert werden, und Dalton stand ihm im Weg.

Dalton nahm einen Schluck von dem warmen Bier. Er hatte es nur bestellt, weil alle Cowboys in dieser Bar zu trinken schienen. Normalerweise trank er im Dienst keinen Alkohol. Eine der wenigen Regeln, die er befolgte. Er hatte genug Ermittler erlebt, deren Karriere durch Drogen oder Alkohol beendet wurde.

Und Frauen. Unglückliche Ehen. Ihm würde dies nicht passieren. Er hatte seine Ehe rechtzeitig beendet.

Verdammt. Wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Tatsache war, dass Linda ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hatte. Weil er zu viel arbeitete. Zum Teufel, es war ihm egal. Er war sie los. Eine Frau und Kinder belasteten nur. Er war verrückt gewesen zu glauben, er könnte es schaffen. Die Ehe war nicht sein Ding.

Und dieser Auftrag auch nicht.

Dalton trommelte mit den Fingern auf die Bar und sah auf seine Uhr. Seit einer Stunde hielt er sich hier auf, trug diesen lächerlichen Stetson und versuchte, sich der Umgebung anzupassen.

Seit seiner ersten großen Festnahme waren acht Jahre vergangen.

Acht sehr erfolgreiche Jahre. Und jetzt übertrug man ihm diesen anspruchslosen Fall. Ausgerechnet er sollte einen Heiratsschwindler überführen, der sich an wohlhabende Damen heranmachte. Dalton war der Meinung, dass eine Frau, die dumm genug war, auf einen Schwätzer wie Robert Bask hereinzufallen, selbst schuld war, wenn sie wie eine Weihnachtsgans ausgenommen wurde.

Sollten diese reichen Ladys doch für ihren Lebensunterhalt arbeiten und lernen, wie schwer es war, genug Geld zu verdienen, um eine Familie gründen zu können.

Linda hatte es nicht verstanden. Sie gehörte zu den Menschen, die nahmen, aber nicht gaben. Tatsächlich hatte sie alles außer der Kaffeemaschine mitgenommen, als sie Dalton verlassen hatte. Und die hatte sie nur zurückgelassen, weil sie nicht funktionierte.

Die Tür wurde geöffnet, und er warf einen verstohlenen Blick auf den neuen Gast. Anfang dreißig und gut betucht – seinen siebenhundert Dollar teuren Schlangenlederstiefeln und der goldenen Rolex am Handgelenk nach zu urteilen. Ein Yuppietyp wie Bask, doch der war es nicht. Bask hatte blonde Haare und war zehn Zentimeter kleiner.

Dalton rieb sich den Nacken. Aus zuverlässiger Quelle hatte er erfahren, dass Bask fast jeden Abend hierher kam, um einen Tequila zu trinken. Hoffentlich auch heute.

„Wie lange wollen Sie sich noch an dem Bier festhalten?“ Der bärtige Barkeeper warf ein Handtuch über die Schulter, stützte sich mit beiden Händen auf der Bar ab, beugte sich vor und starrte Dalton an.

„Geben Sie mir etwas anderes.“ Dalton tat, als studierte er die Flaschen, die vor dem Spiegel aufgereiht waren. „Vielleicht einen Tequila?“

„Bekommen Sie.“ Der Barkeeper nahm ein Glas und schenkte eine ordentliche Portion von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit ein. „Ich habe Sie hier noch nie gesehen.“

„Nein.“

„Warten Sie auf jemanden?“

„Schreiben Sie ein Buch?“

Der Mann hob beide Hände und trat zurück. „Ich versuche nur, Konversation zu betreiben, Mister.“

„Entschuldigung. Ich bin heute nicht besonders gut gelaunt.“ Dalton wollte den Mann nicht vergrätzen. Barkeeper galten als gute Informationsquellen.

Der Barkeeper lachte. „Muss mit einer Frau zusammenhängen.“

Dalton zuckte mit den Schultern. „Könnte man sagen.“

„Ich habe ein Gespür für Krisen.“ Er lächelte selbstgefällig, als hätte er gerade das Verbrechen des Jahrhunderts gelöst. „Mein Name ist Jerry. Ich habe für jeden Gast ein offenes Ohr.“

Konnte der Kerl nicht endlich den Mund halten? Andererseits wusste er vielleicht einiges. „Schenken Sie mir noch einen ein.“

Jerry sah auf das Glas, das Dalton nicht einmal berührt hatte, zuckte jedoch nur mit den Schultern und holte die Flasche Tequila. Kaum hatte er Dalton den Rücken zugedreht, kippte dieser den Schnaps in das Bierglas.

„Wow! Das ging schnell.“ Jerry schenkte nach. „Sie müssen ziemliche Probleme mit einer Frau haben.“

Er lächelte und warf einen Blick auf den Billardtisch in der Ecke des Lokals. Die beiden Männer, die spielten, waren ziemlich betrunken, obwohl der eine, ein schlaksiger Rothaariger, zu jung wirkte, um überhaupt schon trinken zu dürfen. „Dieser Ort ist irgendwie merkwürdig.“

„Die Bar oder die Stadt?“

„Beides.“

„Stimmt.“ Jerry schob den Tequila zur Seite und stützte sich mit beiden Ellenbogen auf den Tresen. Dann beugte er sich vor, als wollte er Dalton ein großes Geheimnis anvertrauen. „Diese Stadt ist für die Superreichen und die armen Trottel, die sie dazu gemacht haben. Dazwischen gibt es nichts.“

„Merkwürdig für so eine kleine Stadt.“

„Eigentlich nicht. Es gibt viele große Rinderfarmen und Öl. Wer das richtige Stück Land besaß, wurde praktisch über Nacht zum Millionär. Die meisten von ihnen haben sich überhaupt nicht verändert. Sie fahren zwar teure Schlitten und leisten sich elegante Stiefel, aber sie kommen immer noch hierher und lassen ihr Bier anschreiben.“ Jerrys Blick fiel auf den Gast, der zuletzt gekommen war und mit der vollbusigen Kellnerin flirtete. Er senkte die Stimme. „Aber einige von ihnen tragen die Nase so hoch, dass es ein Wunder ist, dass es nicht hineinregnet.“

Viel Geld. Reiche Witwen. Wohlhabende geschiedene Frauen. Der ideale Tummelplatz für Bask. Dalton trank einen kleinen Schluck. „Ich nehme an, es verirren sich nicht viele Fremde hierher.“

„Einige protzige Typen aus Dallas, die Öl oder Rinder kaufen wollen.“

Oder Heiratsschwindler. Verdammt, er wünschte, ihm würde etwas einfallen, wie er die Unterhaltung auf Bask lenken konnte, ohne dass Jerry gleich misstrauisch wurde.

Jerry runzelte plötzlich die Stirn. „Was, haben Sie gesagt, machen Sie beruflich?“

Dalton wollte ihm gerade seine Geschichte auftischen, als die Tür geöffnet wurde. Der Barkeeper drehte sich kurz um. Dalton machte innerlich einen Freudensprung. Es war Bask. Er musste es sein. Instinkt oder kriminalistisches Gespür oder was auch immer, Dalton wusste es einfach.

„Wow! Die habe ich noch nie hier gesehen.“ Jerry richtete sich auf. „Was für ein Anblick.“

Dalton drehte sich um. Eine Blondine stand in der Tür und sah sich in der Bar um. Sie trug enge schwarze Jeans und ein tief ausgeschnittenes schwarzes T-Shirt.

„Mist“, murmelte er. Er war so sicher gewesen, dass es Bask war.

Jerry sah Dalton aus zusammengekniffenen Augen an, dann wanderte sein Blick wieder zu der Frau. „Sie kennen sie?“

„Wie bitte?“ Geistesabwesend trank Dalton einen Schluck. Er hatte langsam die Nase voll. Wie lange sollte er noch hier herumsitzen?

„Entschuldigen Sie bitte.“ Die sanfte weibliche Stimme drang vom anderen Ende der Bar an sein linkes Ohr. Aus den Augenwinkeln heraus betrachtete er sie und wollte sich gerade zu ihr umdrehen, als sie zu Jerry sagte: „Ich suche einen gewissen Robert Bask.“

Dalton erstarrte. Er zog seinen Stetson tiefer ins Gesicht und drehte sich in die andere Richtung. Wer zum Teufel war diese Frau? Basks nächstes Opfer? Eine Komplizin?

„Nun, Ma’am, ich kenne zwar einen Robert, aber sein Nachname ist mir unbekannt. Wahrscheinlich wird er jeden Moment kommen.“ Jerry sprühte vor Charme. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, während Sie warten?“

„Nein, danke. Oder doch … vielleicht eine Cola light.“

„Gern, Ma’am.“

„Mit einem Spritzer Zitrone. Und einer Kirsche, wenn Sie haben.“

Dalton stieg von seinem Barhocker herunter, während die Frau ihre Bestellung noch zweimal änderte. Er machte sich auf die Suche nach einer Hintertür oder einem Fenster. Wer war die Frau? Er musste es unbedingt herausfinden, bevor Bask hier auftauchte. Auf keinen Fall durfte er riskieren, dass sie seine Ermittlungen störte. Besser, er wusste von vornherein, welche Rolle sie in Basks Plänen spielte.

Gegenüber der Herrentoilette befand sich ein Ausgang, der auf einen schmalen Weg führte. Geräuschlos verließ Dalton die Bar und ging zum Parkplatz. Ein halbes Dutzend Autos erkannte er wieder. Sie hatten schon dort geparkt, als er kam. Der schwarze Lexus und der rote Toyota mussten dem Yuppie und der Blondine gehören.

Dalton sah sich um und legte dann die Hand auf die Motorhaube des Lexus. Sie war nur lauwarm. Der Toyota stand glücklicherweise am anderen Ende des Parkplatzes, weit entfernt von der Bar und der Straße. Wie er vermutet hatte, war der Motor gerade abgestellt worden. Der Wagen musste der blonden jungen Frau gehören. Er warf einen Blick über die Schulter, vergewisserte sich, dass die Luft rein war, und brach den Wagen in weniger als zwei Minuten auf.

Getönte Scheiben, keine Alarmanlage. Mann, heute war doch sein Glückstag. Er setzte sich auf den Fahrersitz und fluchte, als er sich das Knie stieß. Der Sitz war für seine langen Beine viel zu weit vorn. Die Frau musste etwa einssechzig groß sein, während er mehr als einsachtzig maß.

Er suchte hinter der Sonnenblende und im Handschuhfach nach ihren Papieren. Nach kurzer Zeit fand er diese zwischen der Betriebsanleitung und einigen Karten.

„Cassie York, Midland, Texas“, murmelte er. Die Information half ihm nicht weiter. Noch einmal durchwühlte er das Handschuhfach, dann öffnete er die Mittelkonsole.

Das kleine Fach enthielt eine Überlebensausrüstung: Eine Tafel Schokolade, Müsliriegel, eine Haarbürste, zwei Lippenstifte, eine Zahnbürste in einer Plastikhülle und ein schmales Lederetui für Visitenkarten. Er nahm es und betrachtete die erste Karte.

„Verdammt!“

Eine Privatdetektivin! Er blickte durch die getönte Scheibe zur Bar, als könnte er die Blondine sehen. Cassie York, Privatdetektivin.

„Mist!“

Sie würde ihm alles vermasseln. Bask würde merken, dass sein neuestes Opfer ein Reinfall war, und verschwinden. Und Dalton wäre dazu verdammt, diesen Kerl für den Rest seiner traurigen Karriere zu verfolgen.

Das kam überhaupt nicht infrage! Er sprang aus dem Wagen und sprintete zurück zur Hintertür. Ein dunkelblauer Mercedes fuhr in dem Moment auf den Parkplatz, als Dalton wieder die Bar betrat. Bei dem Pech, das er heute hatte, war es Bask. Nur, dass er ihn sich jetzt weit fort wünschte.

Dalton fluchte, als er sich in der Eile auch noch den Finger in der Tür einklemmte. Er musste so schnell wie möglich zu Cassie York und sie aufhalten. Egal, was sie vorhatte.

Cassie hasste es, die einfältige Blondine zu spielen. Aber es funktionierte. Jedes Mal. Männer konnten so dumm sein. Sie lächelte den Barkeeper an und trank dann ihre Cola light mit dem Strohhalm, den er ihr gegeben hatte. Eigentlich war es mehr ein Obstsalat als ein Erfrischungsgetränk. Der Barkeeper hatte Kirschen und Apfelsinenspalten und sogar ein paar Weintrauben hineingegeben.

Aber sie beschwerte sich nicht. Schließlich hatte sie ihr Mittagessen ausgelassen, um rechtzeitig hier zu sein. Ein Schokoriegel war alles, was sie seit dem kargen Frühstück zu sich genommen hatte.

Was soll’s! Sie hätte eine ganze Woche gehungert, um diesen Auftrag zu bekommen. Ihren ersten großen Fall. Okay, es war ihr erster Fall überhaupt. Aber sie hatte lange genug als Chets Assistentin gearbeitet, um zu wissen, was sie tat.

Auch Jennifer Madison vertraute ihr und hatte sie, ohne zu zögern, eingestellt. Hatte erklärt, warum sie ein persönliches Interesse an der Lösung hatte. Cassie würde sie nicht enttäuschen. Und wenn sie den Fall erst einmal gelöst hatte und Robert Bask hinter Gittern saß, würde sie Chet ihren Erfolg unter die Nase reiben.

Sie wand sich innerlich, als sie an das eine Mal dachte, als sie mit ihm geschlafen hatte. Offensichtlich musste sie einen Blackout gehabt haben. Sicher, er sah gut aus, aber er war schrecklich arrogant. Zu ihrer Entschuldigung brachte sie hervor, dass sie gerade zweiundzwanzig gewesen war, frisch vom College und außerordentlich beeindruckt von dem gut gekleideten, draufgängerischen Romeo. Jetzt, mit vierundzwanzig, war sie klüger.

„Darf es noch etwas sein, Darling?“ Der Barkeeper lächelte sie strahlend an.

Darling? Wie sie dieses Kosewort hasste. Vor allem von fremden Männern. Sie biss jedoch die Zähne zusammen und schluckte die schnippische Antwort hinunter, die ihr auf den Lippen lag. Stattdessen beugte sie sich vor und lächelte.

Es war keine Absicht, aber sie gewährte ihm einen Blick in ihr tief ausgeschnittenes T-Shirt. „Würden Sie mir einen Gefallen tun, Süßer?“

Er beugte sich weiter vor und genoss sichtlich den Anblick. „Sicher.“

Sie berührte seinen dunklen Bart mit der Spitze ihres rot lackierten Zeigefingers. „Sagen Sie Robert nicht, dass ich nach ihm gefragt habe.“

„Kein Wort kommt über meine Lippen.“

Niemand sonst hatte ihre Frage nach Bask gehört. Außer vielleicht dem Mann mit dem Stetson, der an der Bar gesessen hatte, als sie gekommen war. Offenbar war er zur Toilette gegangen und interessierte sich nicht dafür, warum sie hier war. Gut so.

Zu spät war ihr der Gedanke gekommen, dass sie überhaupt nicht nach Bask hätte fragen müssen. Sie hätte einfach auf ihn warten und dann schüchtern einen ersten Schritt tun sollen. Laut Auskunft seiner Frau war Cassie genau sein Typ. Er hatte ein Faible für junge Frauen mit langen blonden Haaren, die weder groß noch dünn waren.

Trotzdem hatte er Jennifers Freundin Marianne geheiratet, die in zwei Monaten fünfundfünfzig wurde und nie in ihrem Leben blond gewesen war. Allerdings hatte sie Geld.

Cassies Aufgabe war es, ihn auf seine Treue zu testen. Wenn sich herausstellte, dass der Kerl nur hinter dem Geld seiner Frau her war, würde Cassie ihn überführen. Mit Vergnügen.

Sie trank noch einen Schluck von ihrer Cola und fischte eine Kirsche heraus. Dann leckte sie sich über die Lippen. Mit einer weißen Papierserviette tupfte sie den Rest der klebrigen Flüssigkeit ab. Und ihren pinkfarbenen Lippenstift.

Seufzend glitt sie vom Barhocker. Einen schönen Lockvogel gab sie ab. Verschmierter Lippenstift und zerzauste Haare.

Sie hoffte, die Damentoilette dort zu finden, wo der Mann mit dem Stetson verschwunden war. Hinter ihr ging die Lokaltür auf, und genau in diesem Moment erschien der Mann wieder auf der Bildfläche. Er kam auf sie zu, und das Sonnenlicht fiel auf sein Gesicht. Dunkle Haare, dunkle Augen, markante Gesichtszüge.

Er sah an ihr vorbei zur Tür, und dann starrte er sie an.

Cassie wollte sich an ihm vorbeidrücken, aber er griff grob nach ihren Ellenbogen und zog sie an sich. Seine breite Schulter verschluckte ihren Aufschrei.

„Baby, ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen“, sagte er ziemlich laut.

Sie wollte ihn von sich stoßen, aber er ließ ihre Arme nicht los. „Was soll das?“

„Es tut mir so Leid, dass ich dich gestern Abend habe sitzen lassen. Kein Wunder, dass du wütend bist.“

Dass er sie offensichtlich mit jemandem verwechselte, tröstete sie etwas. Doch als er plötzlich rückwärts gehen und sie mit sich ziehen wollte, geriet sie in Panik.

Sie trat ihm gegen das Schienbein.

„Aua!“ Warnend sah er sie an und zog sie so eng an sich, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, damit sie mit der Nase nicht gegen sein Kinn stieß. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. „Schätzchen, ich versuche gerade, dir zu sagen, wie Leid es mir tut.“

Warum half ihr denn niemand? Sie öffnete den Mund, um zu schreien, doch der Mann senkte den Kopf und bedeckte ihre Lippen mit seinen.

Sein Atem war warm und süß, und sein Kuss überraschend zart. Einen Moment lang vergaß sie, dass er über sie hergefallen war. Als sie ihre fünf Sinne endlich wieder so weit beisammen hatte, dass sie sich wehren konnte, wich er geschickt und schnell aus.

Sein Rückzug gab ihr die Gelegenheit, nach dem Barkeeper zu rufen. Sie holte Luft, aber bevor sie schreien konnte, flüsterte er: „Warten Sie, ich kann es erklären.“

Ihre Blicke trafen sich. Er hatte so unglaublich überzeugende braune Augen. „Lassen Sie mich los“, forderte Cassie.

Er zögerte und zog die Augenbrauen leicht zusammen. „Tut mir Leid, aber das geht nicht“, erwiderte er und überraschte sie damit, dass er sie hochhob. „Ich zahle später, Jerry. Meine Frau und ich müssen draußen miteinander reden.“

„Zum Teufel …“

Mit einem Zungenkuss brachte er sie zum Schweigen und trug sie zur Tür hinaus. Der Barkeeper zwinkerte ihm zu. Sie gingen an dem Mann vorbei, der einen Moment zuvor in die Bar gekommen war. Er beobachtete sie mit schwachem Interesse, aber ohne sich einzumischen. Er sah genauso aus wie der Mann auf dem Foto, das sie von Robert Bask hatte.

Die Erkenntnis lähmte sie einen Moment lang, dann überschlugen sich ihre Gedanken. Dieser Neandertaler mit dem Stetson hatte gerade ihre Tarnung auffliegen lassen. Bask musste jetzt glauben, dass sie verheiratet sei. Aber vielleicht spielte das für einen Mann wie ihn keine Rolle …

Als sie draußen waren, drehte und wand sie sich, bis er sie schließlich auf den Boden stellte. Sie stolperte, aber er hielt sie fest.

„Lassen Sie mich los.“

Er hob die Arme hoch. „Es ist nicht so, wie Sie glauben. Ich bin Ermittlungsbeamter.“

„Was sind Sie?“ Ungläubig starrte sie ihn an.

„Ich arbeite für die Staatsanwaltschaft.“ Er griff in seine Jackentasche.

Sie trat noch einen Schritt zurück. „Keine Bewegung, oder ich schreie so laut, dass mir der halbe Bezirk zu Hilfe kommt.“

Amüsiert zog er die Augenbrauen hoch. „Ich hoffe, Sie rechnen nicht mit der Hälfte von denen dort drinnen.“

„Wenn ich zu schreien anfange, können Sie sicher sein, dass die auch kommen.“

„Ich wollte nur meine Erkennungsmarke aus der Tasche holen“, sagte er.

Sie atmete tief ein und aus. „Sie haben zwei Sekunden Zeit.“

Er zog ein Lederetui aus der Tasche und öffnete es. Auf der einen Seite steckte die goldene Marke, auf der anderen ein Ausweis mit Foto.

„Warum interessieren Sie sich für Robert Bask?“

Cassie starrte auf die Erkennungsmarke. Sie schien echt zu sein, und das Foto auf dem Ausweis passte. Sein Name war J. Dalton Styles. Sie blickte in seine dunklen Augen. „Es ist mir egal, wer Sie sind oder für wen Sie arbeiten. Sie haben kein Recht, mich so zu misshandeln.“

Er grinste. „Misshandeln?“

„Ja“, erwiderte sie und schlug ihm so kräftig ins Gesicht, dass ihre Handfläche brannte. „Jetzt sind wir quitt.“

„Was sollte das denn?“ Dalton rieb sich die schmerzende Wange. Die Frau war verrückt.

„Das fragen Sie noch?“

„Offensichtlich.“

„Das Einzige, was für mich offensichtlich ist, ist die Tatsache, dass unser Staat Benimmregeln in seine Trainingsprogramme aufnehmen sollte.“

Er zog eine Grimasse. Sie hatte eine tolle Figur, ein hübsches Gesicht und einen leichten Südstaatenakzent, der normalerweise Gedanken an seidene Bettwäsche und eine gute Flasche Wein heraufbeschwor. „Was hat der Staat damit zu tun?“

„Für den arbeiten Sie doch, oder?“

„He …“ Er hielt sie am Arm fest, als sie gehen wollte. „Dies ist eine ernste Angelegenheit. Ich muss wissen, warum Sie sich für Bask interessieren.“

„Ich bin Privatdetektivin.“

„Ich weiß, aber warum sind Sie hinter Bask her?“

„Was soll das heißen, Sie wissen es?“

„Ich habe Sie überprüft. Sie heißen Cassie York und arbeiten für Madison Investigations.“

Sie riss die Augen auf. „Das können Sie nicht wissen.“

Er zuckte mit den Schultern. „Okay, ich weiß es nicht. Erzählen Sie mir von Bask.“

„Ich meine, so schnell. Sie können mich nicht so schnell überprüft haben. Sie …“ Sie starrte ihn wütend an, ihre Wangen röteten sich. „Haben Sie mich verfolgt?“

„Ich habe Sie heute Abend das erste Mal gesehen.“ Verdammt, er wollte nicht zugeben, dass er in ihren Wagen eingedrungen war. Wer weiß, was sie dann tun würde. „Hören Sie, wir haben nicht viel Zeit.“

Sie verschränkte die Arme unter ihren runden Brüsten und erzielte damit ein verführerisches Dekollete. „Ihr Pech.“

Er unterdrückte einen Fluch. „Glauben Sie mir denn wenigstens, dass ich für den Staat arbeite?“

Unsicherheit flackerte in ihren Augen auf. „Nun, ich habe es geglaubt, aber vielleicht sollte ich es besser nicht tun.“

„Sie haben meine Marke gesehen. Sie müssen mir vertrauen.“

„Warum?“

„Weil Bask ein Verbrecher ist und Sie ihm offensichtlich genau wie ich das Handwerk legen wollen.“

„Warum sagen Sie, er ist ein Verbrecher? Was hat er getan, dass Sie sich für ihn interessieren?“

„Können wir uns später darüber unterhalten?“ Er schaute zur Tür. „Bevor Sie diese Sache auffliegen lassen?“

Wütend sah sie ihn an. „Ich? Wer hat hier denn wen geküsst?“

„Halten Sie den Mund!“

„Was soll das?“

„Irgendjemand kommt aus der Bar.“ Dalton atmete erleichtert auf. Es war einer der Männer, die Billard gespielt hatten. „Es ist nicht Bask. Aber es könnte sein, dass wir beobachtet werden.“

Sie warf einen Blick über die Schulter. Dalton nutzte die Gelegenheit, einen Blick auf ihre herrlichen Brüste zu riskieren.

Sie erwischte ihn dabei und zog ihren Ausschnitt etwas höher. „Ich arbeite Undercover.“

„Ach so.“

Indigniert sah sie ihn an. „Ich bin eine Art Lockvogel.“

Er nickte, wütend auf sich selbst. „Klar, Sie arbeiten für die Frau. Das hätte ich mir denken können.“

„Das habe ich nicht gesagt. Ich kann Ihnen nicht verraten, für wen ich arbeite.“

„Hören Sie, Cassie, wäre es nicht sinnvoll, wenn wir zusammenarbeiten würden?“, fragte er verzweifelt. Er war so dicht dran. In einigen Tagen hätte er den Kerl überführt. Und jetzt musste er mit dieser verrückten Blondine verhandeln.

Sie leckte sich über die Lippen und zog die Augenbrauen zusammen. „Zusammenarbeit? Wie stellen Sie sich das vor?“

Verrückt, aber verdammt hübsch. Vielleicht war es gar keine schlechte Idee, sie zu benutzen. Bask würde anbeißen. „Ich weiß nicht. Darüber müsste ich mir noch Gedanken machen.“

Cassie befürchtete das Schlimmste. Sie rieb sich die Arme und kaute auf der Unterlippe.

Wenn Dalton es nicht besser wüsste, könnte er auf die Idee kommen, dass sie versuchte, ihn scharf zu machen. Ihre Lippen waren voll und sinnlich, und auch wenn sie keinen Kuss erwiderten …

Hastig lenkte er seine Gedanken in eine andere Richtung. Im Moment konnte er es überhaupt nicht gebrauchen, dass sich seine Jeans über seinem empfindlichsten Körperteil spannten. Außerdem brauchte er schnell eine rettende Idee, und das bedeutete, dass sein Blut ins Gehirn und nicht in die Lenden fließen musste.

„Hören Sie“, sagte er mit schmeichelnder Stimme. „Im Augenblick sind unsere Chancen einfach besser, wenn wir gemeinsame Sache machen.“

Die Unentschlossenheit verschwand aus ihrem Gesicht. „Mit ‚im Augenblick‘ meinen Sie wahrscheinlich den Schlamassel, den Sie in der Bar angerichtet haben.“

Er biss die Zähne zusammen und zwang sich zu einem Lächeln. „Stimmt.“

Sie verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. Dann sagte sie: „Okay, ich arbeite mit Ihnen zusammen, solange Sie nicht irgendetwas Verrücktes verlangen.“

„Okay“, fuhr er fort. „Wir sind ein verheiratetes Paar. Und ein Paar, das sich gerade wieder vertragen hat …“, er zuckte mit den Schultern und versuchte, ernst zu bleiben, „… küsst sich normalerweise.“

Sie lächelte ihn unerwartet süß an. „Vielleicht haben wir uns gar nicht vertragen. Vielleicht bin ich immer noch wütend. Ich könnte Ihnen eine zweite Ohrfeige geben.“

Instinktiv griff er an seine Wange. Sie schmerzte noch immer. „Bitte nicht.“

Sie lächelte. „Was sollen wir jetzt tun? Wieder hineingehen? Warten, bis er herauskommt?“

Die Entscheidung wurde ihnen abgenommen. Bask kam aus der Bar, blieb stehen, um seine Sonnenbrille aufzusetzen, und blickte dann in ihre Richtung.

„Showtime.“

„Wie bitte?“ Cassie wollte sich umdrehen.

Autor

Debbi Rawlins
Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...
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