Skandal um Sam

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Auf Sam Lockharts exquisitem Ball scheint alles perfekt! Doch Rosie will sich am Gastgeber rächen - und Fran soll ihr helfen. Dabei ist sie doch selbst von Sam ganz hingerissen! Was soll sie bloß tun?


  • Erscheinungstag 15.11.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743758
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Fran, ich weiß mir keinen Rat mehr! Sie steckt offenbar in der Midlife-Crisis!“

„Aber sie ist doch erst sechsundzwanzig!“

„Genau darum geht es doch!“

Fran erinnerte sich deutlich an diesen dramatischen Anruf.

„Besuche sie, Fran!“, hatte Rosies Mutter gefleht. „Über irgendetwas hat sie sich schrecklich aufgeregt, aber ich bekomme nichts aus ihr heraus. Ihr Mädchen erzählt vermutlich euren Müttern nicht alles.“

„Hast du denn eine Ahnung, was los ist?“, hatte Fran nachgehakt und es ziemlich schmeichelhaft gefunden, im reifen Alter von sechsundzwanzig Jahren ein Mädchen genannt zu werden.

„Ich glaube, dass es mit einem Mann zu tun hat, der …“

„Ach, die übliche Geschichte“, warf Fran trocken ein.

„Sie findet das Leben nicht mehr lebenswert.“

„Das hat sie gesagt?“ Fran hatte sofort den nächsten Flug von Dublin nach London gebucht. Zwar glaubte sie keinen Moment, dass Rosie wirklich eine Dummheit begehen würde, aber sie war sonst stets so unbekümmert, dass Fran alarmiert war. Und wenn Rosies Mutter sich solche Sorgen machte, musste es wirklich schlimm sein.

Und nun konnte Fran sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es sogar noch schlimmer war.

Sie hatte Rosie in deren kalter Wohnung auf dem Sofa wie ein Baby zusammengerollt vorgefunden. Und sie kam bei ihrer Freundin nicht voran. Rosie hatte bisher nur immer wieder „Oh, Fran, Fran, Fran!“, gerufen und war jedes Mal erneut in Tränen ausgebrochen.

„Ganz ruhig, es ist ja gut.“ Fran legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter. „Du holst jetzt tief Atem, beruhigst dich und erzählst mir, was passiert ist.“

Rosie schluckte schwer. „Das … kann … ich … nicht!“, stieß sie hervor.

„Vermutlich geht es um einen Mann“, bemerkte Fran und hielt es für besser, den Anruf nicht zu erwähnen.

Rosie nickte.

„Erzähle mir etwas über ihn.“

„Er ist … er ist … oh!“

„Er ist was?“, drängte Fran behutsam.

„Er ist ein Mistkerl, aber ich liebe ihn trotzdem noch immer!“

Fran nickte. Genau, wie sie vermutet hatte. Es war die übliche Geschichte. Wie oft hatte sie das alles schon von Frauen gehört, und je gemeiner ein Mann war, desto mehr liebten sie ihn. Mangelte es manchen Frauen wirklich dermaßen an Selbstachtung, dass sie sich alles gefallen ließen? Bei Rosie hätte sie das jedenfalls nie vermutet. „Ich verstehe“, behauptete sie.

„Nein, Fran, du verstehst nichts!“, wehrte Rosie frustriert ab. „Das sagst du nur, aber du verstehst es nicht. Niemand versteht das. Du sitzt da und machst ein Gesicht, als hättest du das alles schon mal erlebt …“

„Ich habe dich noch nie so erlebt“, fiel Fran ihr ins Wort. „Und ich kenne dich endlos lange. Ach ja, bevor du mich noch weiter beschimpfst, Rosie Nichols, muss ich dir erklären, dass ich blitzartig von Dublin kam, weil deine Mutter unbedingt wollte, dass ich mich um dich kümmere.“

„Meine Mutter hat dich gebeten, zu mir zu kommen?“

„Sie hat sich nicht eingemischt, falls du das denkst. Sie macht sich bloß Sorgen. Darum sollte ich nach dir sehen und herausfinden, was los ist.“

„Jetzt weißt du Bescheid“, entgegnete Rosie abweisend.

„Nein“, widersprach Fran entschieden.„Ich weiß gar nichts. Deine Wohnung sieht wie ein Kriegsschauplatz aus. Du bist ein heulendes Häufchen Elend. Und du weinst dir die Augen wegen eines Mannes aus, dessen Namen du nicht einmal über die Lippen bringst.“

„Sam.“ Rosie schniefte. „Er heißt Sam.“

„Sam“, wiederholte Fran und lächelte schwach. „Hat dieser Sam auch einen Familiennamen?“

„Lockhart.“ Rosie sah sie erwartungsvoll an. „Sam Lockhart.“

„Sam Lockhart. Klingt irgendwie niedlich“, meinte Fran.

„Du hast noch nichts von ihm gehört?“

„Nein. Sollte ich?“

„Wahrscheinlich nicht, aber er ist reich und einfach hinreißend.“

„Erzähle mir mehr von ihm.“

„Er ist Literatur-Agent“, berichtete Rosie niedergeschlagen. „Sogar der Beste. Es heißt, dass einem der Erfolg so gut wie sicher ist, wenn Sam sich um einen kümmert. Er besitzt einen Riecher für Bestseller.“

„Vermutlich ist er verheiratet“, bemerkte Fran.

„Verheiratet? Das ist nicht dein Ernst.“ Rosie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihr die zerzausten Locken ins Gesicht fielen. „Wofür hältst du mich?“

Fran atmete erleichtert auf. „Dann ist er also nicht ganz schlecht“, stellte sie fest. „Verheiratete Männer, die fremdgehen, sind die Schlimmsten. Das weiß ich nur zu genau. War er jemals verheiratet?“

„Nein, er ist noch immer Single“, versicherte Rosie, betrachtete ihre abgebissenen Fingernägel und weinte hemmungslos.

„Willst du mir nicht doch alles erzählen?“, fragte Fran mitfühlend.

„Ja, schon“, erwiderte ihre Freundin lustlos.

„Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?“

„Ich habe zum Frühstück nur Kaffee getrunken, aber ich habe nicht viel da.“

Fran vermutete aufgrund des allgemeinen Zustandes der Wohnung, dass alle Lebensmittel ohnedies bereits abgelaufen waren. „Ich führe dich zum Essen aus“, bot sie an.

Das heiterte Rosie auf, bis sie einen Blick in den Spiegel warf. „So kann ich nicht aus dem Haus gehen!“

„Das stimmt allerdings“, bestätigte Fran. „Du machst jetzt etwas mit deinem Haar, legst Kriegsbemalung auf und ziehst vor allem diese scheußlich unförmige Hose aus!“

Eine Stunde später saßen Fran und Rosie an einem Tisch im „Jacko’s“, einem neu eröffneten Restaurant mit angeschlossener Bar an einer nicht sonderlich eleganten Stelle des Londoner Themse-Ufers. Es herrschte reger Betrieb. Fran lächelte der Kellnerin in einem extrem kurzen Rock zu und bestellte zwei fremdartig klingende Cocktails.

Rosie saß ihr am Tisch gegenüber. Sie kannten einander, seit sie als pummelige Dreijährige gleichzeitig in den Kindergarten kamen. Rosie hatte damals schon ihre Fähigkeit, Ärger anzuziehen, unter Beweis gestellt. Ihr Teddybär rutschte in den Spalt zwischen einem Bücherregal und der Wand, und Fran holte ihn wieder hervor.

So ging es von da an weiter. Rosie brachte sich in Schwierigkeiten, und Fran rettete sie. Seit Fran vor fünf Jahren nach Dublin gezogen war, sahen sie einander nur noch selten, aber schon so kurz nach dem Wiedersehen kam es Fran vor, als wären sie nie getrennt gewesen.

Nun ja, vielleicht stimmte das nicht ganz.

Rosie wirkte schrecklich zerstreut und sogar fahrig, was unter den gegebenen Umständen verständlich war. Das Gesicht war auch härter geworden. Fran sagte sich allerdings, dass Menschen sich eben verändern. Das galt auch für sie. Es war nötig und gehörte eben zum Leben.

„Und jetzt erzählst du mir alles“, verlangte sie entschlossen. „Ich will wissen, wer Sam Lockhart ist und wieso du dich in ihn verliebt hast.“

„Ach, alle verlieben sich in ihn“, erwiderte Rosie düster. „Dagegen ist man machtlos.“

„Dann ist es sehr schade, dass ich ihn nicht treffen werde“, bemerkte Fran. „Dieser Herausforderung würde ich liebend gern widerstehen.“

„Das würde ich wiederum gern sehen!“

Fran löste eine Haarsträhne, die sich in der Perlenkette verfangen hatte. „In meinem früheren Leben als Kummerkastentante bei einem bekannten Radiosender in Dublin fand ich schnell heraus, wie man einen Mann am leichtesten vergisst. Man sieht ihn als normalen Sterblichen und nicht als Gott. Man muss ihm den Glorienschein rauben.“

„Was soll das denn heißen?“, fragte Rosie.

„Man hört auf, alles an ihm wundervoll und außergewöhnlich zu …“

„Aber so ist er!“

„Falsche Betrachtungsweise“, widersprach Fran. „Du musst dich stattdessen auf seine schlechten Seiten konzentrieren.“

„Welche denn?“

„Nun, ich kenne ihn nicht und kann dir darum in dieser Hinsicht nicht helfen. Aber anstatt ihn als unerreichbar zu betrachten, solltest du dir sagen, dass er arrogant und überheblich ist und keine klar denkende Frau etwas mit ihm zu tun haben möchte. Kapiert?“

„Ja, kapiert“, erwiderte Rosie wenig überzeugt.

Fran verzog das Gesicht, als die Kellnerin einen Becher vor sie hinstellte, dessen Inhalt nach Hustensaft roch. Sie kostete vorsichtig durch den Strohhalm und wäre beinahe an die Decke gesprungen, bevor sie von sanftem Wohlbehagen erfüllt wurde. Ein leichtes Betäubungsmittel konnte Rosie nicht schaden.

„Trink“, verlangte sie von ihrer Freundin. „Und erzähle mir, was geschehen ist. Wie hast du ihn kennengelernt?“

Rosie nahm einen Schluck. „Erinnerst du dich, dass ich für Gordon-Browne, die Literatur-Agentur, als Sekretärin arbeitete? Sam war dort der einsame Star, und wir … Es hat zwischen uns eben irgendwie gefunkt.“

„Und wie lange hat es gedauert?“, erkundigte sich Fran.

„Nicht so lange, wie ich gewollt hätte.“

„Und wann war es zu Ende?“

„Ach, das ist schon länger her“, erwiderte Rosie ungenau. „Vor Monaten. Länger sogar. Vor zwei Jahren“, räumte sie schließlich ein.

„Vor zwei Jahren?“, fragte Fran verblüfft. „Dann solltest du längst darüber hinweg sein.“

„Wieso?“, fragte Rosie weinerlich. „Wie lange hast du gebraucht, um über das Scheitern deiner Ehe mit Sholto hinwegzukommen?“

„Oh nein“, wehrte Fran ab, „wir sprechen jetzt über dich und nicht über mich. Du bist doch nicht seit dem Ende eurer Beziehung in diesem Zustand!“

„Nein, natürlich nicht“, bestätigte Rosie. „Aber seit Sam ist mein Leben nicht mehr wie früher. Er hat mir Pech gebracht. Ich habe keine neue Arbeit und auch keine neue Beziehung gefunden. Und jetzt habe ich gehört …“ Sie verstummte.

Fran hoffte, dass dieser Sam nicht seine Verlobung bekannt gegeben hatte. Das wäre hart gewesen. Andererseits half es Rosie vielleicht, wenn er deutlich zeigte, dass er eine andere liebte. „Was hast du gehört?“

„Er will einen Ball veranstalten, was ihm gar nicht ähnlich sieht.“

Offenbar war der Mann reich und besaß gute Beziehungen. „Und weiter?“

„Der Ball findet am Valentinstag statt“, berichtete Rosie. „Und ich möchte eingeladen werden.“

„Na ja, vielleicht bekommst du ja eine Einladung, meinst du nicht?“

„Nein, aber es wäre etwas anderes, wenn du den Ball organisierst. Du könntest mich einladen“, erklärte Rosie hoffnungsvoll. „Oh nein“, wehrte Fran sofort ab.

„Fran, das ist doch dein Beruf. Du organisierst Partys für andere Leute.“

„Das stimmt, Rosie, aber ich lebe davon, und darum muss ich an meinen Ruf denken. Große Ballereignisse der Gesellschaft sind nicht meine Spezialität. Und ich benutze solche Veranstaltungen nicht, um Freundinnen zu helfen, ihren Groll abzureagieren. Da spielt es keine Rolle, wie sehr ich sie mag. Rache am Valentinstag! Das willst du doch. Oder bist du nur hinter einer Einladung her? Willst du dich toll herausputzen und diesen Sam völlig aus dem Gleichgewicht bringen?“

„Kann schon sein.“

Fran lächelte bedauernd. „Das klappt nicht. Niemals. Wenn Sam dich nicht mehr liebt, bringt ihn nichts zu dir zurück. Gar nichts!“, betonte sie. „So ist das Leben leider nun mal.“

Rosie kaute auf der Unterlippe. „Aber er war nie in mich verliebt.“

„Ach, verstehe“, meinte Fran eine Spur sanfter. „Nun, in dem Fall tut es mir sehr leid.“

Rosie trank einen Schluck von dem Cocktail. „Ich war für Sam nichts weiter als wieder eine Jungfrau, die er verführte“, erklärte sie niedergeschlagen. „Eine, die er einfach wegwarf, nachdem er bekommen hatte, was er wollte.“

Fran erinnerte sich an ihre gemeinsamen Schulmädchenträume von Männern und weißen Hochzeitskleidern. Eigentlich hätte sie von Rosies Worten nicht geschockt sein sollen. „Er hat dir die Jungfräulichkeit geraubt?“, fragte sie leise. „Wusste er denn Bescheid?“

„Natürlich.“ Rosie lachte bitter. „Fran, ich habe meine Jungfräulichkeit für den Mann, den ich liebe, aufbewahrt.“

„Er hat dich nicht geliebt und nahm trotzdem das Kostbarste, was du ihm zu bieten hattest?“

„Richtig.“ Rosie kämpfte erneut gegen Tränen. „Und ich war nicht die Einzige.“

„Soll das heißen, es gab auch noch andere?“

„Hunderte!“

„Hunderte?“

„Na ja, mindestens zehn“, flüsterte Rosie. „Frauen, die ihn anhimmelten. Frauen, die für ihn völlig unwichtig waren. Frauen, die sich viel zu leicht in sein Bett locken ließen.“

„Das ist doch nicht dein Ernst!“

„Leider schon.“

Fran stellte sich vor, wie der reiche Sam Lockhart anständige, hart arbeitende Mädchen wie Rosie in sein Bett lockte. Ein mächtiger Mann missbrauchte seine Stellung, um unschuldige junge Frauen zu verführen. „Was soll ich machen?“, fragte sie schließlich ernst.

Rosie musste nicht lange überlegen. „Nur eine Kleinigkeit. Du sollst meinetwegen nichts Verbotenes tun.“

„Was dann?“

„Zahl es ihm einfach heim!“

2. KAPITEL

Es ist die reinste Ironie, dachte Fran und betrachtete ihre Finger. Sie zitterte! Sie, die vor nichts und niemandem Angst hatte, zitterte bei dem Gedanken, Sam Lockhart anzurufen, wie ein Schuldmädchen.

Schon vor fünf Minuten hatte sie die Nummer ins Telefon getippt und panikartig wieder aufgelegt. Doch das war albern. Vielleicht besaß er eines jener modernen Telefone, die genau festhielten, wer angerufen hatte. Wahrscheinlich war er daran gewöhnt, dass liebeskranke Frauen seine Nummer wählten, es sich anders überlegten und aufhängten. Wollte sie sein Misstrauen wecken, indem sie sich genauso verhielt?

Also tippte sie die Nummer erneut ein, hörte das Rufzeichen und war überzeugt, dass sich gleich ein Angestellter melden würde.

„Hallo“, sagte eine unwiderstehlich klingende tiefe Stimme. Das musste er sein. Angestellte hatten keine Stimme wie Sexgötter.

„Sam Lockhart?“, fragte Fran und hatte Mühe, ruhig zu klingen.

„Am Apparat.“

Sie holte tief Atem. „Mr Lockhart, Sie kennen mich nicht, aber …“

„Wenn Sie mir Ihren Namen nicht verraten, kenne ich Sie tatsächlich nicht“, bestätigte er.

Fehler Nummer eins. Wie konnte sie jemanden anrufen, um mit ihm Geschäfte zu machen, und sich dann so wenig geschäftsmäßig verhalten! „Fran, Fran Fisher“, sagte sie hastig.

Sie hörte förmlich, wie er in Gedanken seine Kartei mit Frauennamen durchging und nichts fand. Aber er war entweder zu höflich oder zu vorsichtig, um das auszusprechen. Vielleicht hielt er sie für eine jener bereitwilligen Jungfrauen, die sich ihm zum lustvollen Opfer anboten.

„Sind Sie eine Autorin?“, fragte er vorsichtig.

„Nein.“

Er seufzte erleichtert. „Was kann ich für Sie tun, Fran Fisher?“

„Es geht mehr darum, was ich für Sie tun kann, Mr Lockhart.“

„Ach ja?“

Das klang so frustriert, als wappnete er sich gegen einen plumpen Annäherungsversuch. Rosie hatte behauptet, Sam Lockhart würde das ziemlich oft passieren. Also brachte es nichts, auf Zeit zu spielen. Damit hätte sie diesen Mann nur verärgert. Daher bemühte sie sich um einen möglichst geschäftsmäßigen Ton. „Mr Lockhart, ich habe erfahren, dass Sie am Valentinstag einen Ball planen und …“

„Sind Sie Journalistin?“, fragte er gereizt.

„Nein.“

„Wer sind Sie dann?“

„Wie ich schon sagte …“

„Sie brauchen Ihren Namen nicht zu wiederholen. Wir kennen uns nicht, oder?“

Um zu diesem Schluss zu kommen, hatte er ziemlich lange gebraucht, und sogar jetzt klang er nicht hundertprozentig sicher. Wie hätte er wohl reagiert, hätte sie in einem schwülen Ton „Sind Sie da so sicher?“ gefragt? „Nein, wir kennen uns nicht.“

„Trotzdem haben Sie die Nummer meines Handys?“

Beinahe hätte sie bemerkt, dass dies ja wohl klar war, doch sie verzichtete darauf. „Ja.“

„Und woher?“

„Die … die Agentur hat mir Ihre Nummer gegeben.“

„Das hätten sie nicht tun dürfen, jedenfalls nicht bei einer Fremden“, erklärte er verärgert. „Also, wir kennen uns nicht, und Sie sind keine Autorin. Worum dreht es sich dann, Fran Fisher?“

Wäre es nicht um Rosie gegangen, hätte sie wahrscheinlich aufgelegt. Es war schlichtweg lächerlich, wie er sie verhörte, als wäre sie eine zweitklassige Spionin und er ihr Opfer. „Es geht darum, dass ich einen Party-Service betreibe.“

„Ohne Erfolg?“, warf er ein.

„Im Gegenteil“, wehrte sie ab, „sogar mit sehr viel Erfolg.“

„Mit so viel Erfolg“, sagte er, „dass Sie Ihre Zeit mit Anrufen bei Fremden vergeuden, um an ein Geschäft heranzukommen? Ich dachte, in Ihrer Branche würde es einzig und allein auf persönliche Empfehlungen ankommen.“

„Ja, natürlich. Normalerweise.“ Um Rosies willen wollte sie diesen Mann nicht mögen, und wie es aussah, würde ihr das leichtfallen. Allerdings durfte sie ihn auch nicht zu sehr ablehnen, sonst zeigte sich das in ihrem Verhalten. Und dann bekam sie von ihm nie den Auftrag. „Ich muss allerdings etwas nachhelfen. Wissen Sie, bisher habe ich in Irland gearbeitet.“

„Und jetzt wollen Sie hier in den Markt einbrechen?“, fragte er zurückhaltend.

„Ich … ja“, entgegnete sie hastig. Er brauchte nicht zu wissen, dass es sich nur um eine einmalige Angelegenheit handelte. „Ja, richtig. In Dublin bin ich gut bekannt. Sie können dort jedermann fragen. Ich habe bereits zahlreiche wohltätige Veranstaltungen organisiert.“

„In der Tat?“, fragte er und glaubte offenbar kein einziges Wort.

„Auch Ihnen, Mr Lockhart, wären sicher die Namen meiner Kunden bekannt“, entgegnete sie steif.

„Zum Beispiel?“

„Vor zwei Jahren arbeitete ich für das Irish Film Festival. Danach wurde ich mit etlichen privaten Festen beauftragt. Cormack Casey, der Drehbuchautor, empfahl mich …“

„Cormack?“, unterbrach er sie überrascht. „Sie kennen ihn?“

„Nun, nicht näher“, erklärte sie. „Ich sorgte bei der Taufe seines ersten Kindes für das Büffet.“

„Tatsächlich?“, fragte Sam, „Cormack würde es bestätigen, sollte ich ihn anrufen?“

„Das will ich doch hoffen. Triss – das ist seine Frau …“

„Ich weiß, wer Triss ist. Ich kenne Cormack seit Jahren.“

„Ach so. Nun, sie meinte, sie würde mich gern weiterempfehlen.“ Fran vermutete, dass der attraktive irische Autor und seine nette Frau Mitleid mit ihr gehabt hatten. Zu dem Zeitpunkt hatte sie über eine Scheidung von Sholto nachgedacht, und die Ausrichtung der Taufe war das einzige erfreuliche Ereignis in ihrem Leben gewesen. Sie hatte sich in die Arbeit gestürzt, und dabei war es seither auch geblieben.

„Das sagte sie?“ Sam Lockhart klang beeindruckt.

Fran hielt den richtigen Zeitpunkt für gekommen. „Sollten Sie mich engagieren, Mr Lockhart, garantiere ich, dass Sie auf dem Ball mehr Spenden einnehmen, als Sie sich erträumen.“

„Sie rühren lediglich für sich die Werbetrommel“, erwiderte Sam trocken. „Wer hat Ihnen eigentlich davon erzählt?“

„Sie meinen den Ball?“

„Nein, die erste Mondlandung“, erwiderte er ironisch. „Natürlich den Ball.“

Mit dieser Frage hatte sie schon gerechnet. „Ach, niemand speziell“, antwortete sie ausweichend. „Sie wissen doch, wie gern die Leute reden. Und wenn sie über ein besonders interessantes Fest Bescheid wissen, steigen sie im Ansehen der anderen.“ Ohne die geringsten Gewissensbisse fügte sie hinzu: „Und glauben Sie mir, Mr Lockhart – das wird das tollste Fest werden.“

„Das hoffe ich“, meinte er nachdenklich. „Ich habe da allerdings schon an jemanden gedacht. Etliche Frauen haben angeboten …“

Das hätte sie sich denken können! „Amateure oder Profis?“

„Alle haben schon ähnliche Feste organisiert und …“

„Bei einem Profi wissen Sie genau, woran Sie sind“, warf Fran ein.

„Tatsächlich?“, fragte er nicht ganz überzeugt.

Jetzt musste sie erproben, ob sie nicht mit weiblicher Überredungskunst bei einem Mann vorankam, den Rosie als „maskulinen Roboter“ beschrieben hatte. „Wollen Sie mich denn nicht wenigstens empfangen, Mr Lockhart?“

„Ich bin sehr beschäftigt.“

„Aber sicher“, sagte sie im beschwichtigenden Ton eines Kindermädchens und fügte sicherheitshalber eine kleine Schmeichelei hinzu. „Das ist immer so bei erfolgreichen Männern. Aber wäre es nicht schade, würde der Ball Ihre Erwartungen nicht erfüllen, nur weil Ihr voller Terminkalender ein Treffen mit mir verhindert hat?“

Sein Lachen klang so herzlich und gleichzeitig erotisch, dass Fran den Hörer festhielt, als könnte er sich selbstständig machen.

„Zielstrebigkeit schätze ich fast so sehr wie Selbstvertrauen“, erklärte er. „Sofern Ihr Können mithält …“

„Ach, das tut es!“

„Also gut, Miss Fisher, ich gestehe Ihnen genau zehn Minuten zu, um mich zu überzeugen, dass es dumm von mir wäre, Sie nicht zu engagieren.“

Dem Himmel sei Dank! „Sie werden es nicht bereuen, Mr Lockhart“, beteuerte sie. „Sagen Sie mir, wann und wo.“

„Also gut. Wie wäre es heute Nachmittag? Ich fliege am Abend mit einem meiner Autoren auf den Kontinent. Vorher habe ich kurz für Sie Zeit. Bei mir daheim.“

Autor

Sharon Kendrick
<p>Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
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