Skandalöse Affäre am Comer See

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It-Girl Jensen Davis treibt den italienischen Modeunternehmer Cristiano Vitale noch zur Verzweiflung! Seit er das amerikanische Supermodel als Markenbotschafterin engagiert hat, droht sie ihn mit ihren Eskapaden zu ruinieren. Die einzige Lösung: Er entführt sie auf sein Luxusanwesen am Comer See, um dort ungestört die neue Kollektion zu fotografieren. Doch gemeinsam mit Jensen unter einem Dach, gerät er gegen jede Vernunft selbst in ihren unwiderstehlich verführerischen Bann. Was jetzt? Mit einer heimlichen Affäre riskiert er einen weiteren Skandal …


  • Erscheinungstag 19.03.2024
  • Bandnummer 2641
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524605
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cristiano Vitale hatte gerade einen kräftigen Schluck von seinem starken, pechschwarzen Espresso getrunken, als sein Marketingchef Antonio in seinem Büro erschien.

Der Mann sah weitaus nervöser aus, als es der Inhaber einer solchen Position sein sollte, nur wenige Wochen vor der Einführung der wichtigsten Kollektion in der Geschichte von Francesco Vitale. Das legendäre italienische Modehaus, das vor über einem halben Jahrhundert von Cristianos verstorbenem Großvater Francesco Vitale gegründet worden war, stand gerade kurz vor einem gewaltigen Comeback – nach zehn Jahren des Wiederaufbaus. Es war ein Moment, in dem es für das Unternehmen um alles oder nichts ging.

Die enorme Anspannung hatte dazu geführt, dass Cristiano heute schon um vier Uhr morgens aufgestanden war. Jetzt versuchte er, die Müdigkeit zu bekämpfen, die in ihm aufstieg, um sich konzentriert den Nachrichten in seinem E-Mail-Postfach zu widmen. Doch daraus würde wohl nichts werden, das war ihm beim ersten Blick in das gestresste Gesicht von Antonio Braga klar. Er seufzte. Ein weiteres Feuer zu löschen war das Letzte, was er gerade gebrauchen konnte …

Er winkte ihn zu sich heran, deutete auf einen Stuhl und lehnte sich in seinem eigenen zurück, in den Händen die kleine Kaffeetasse.

„Du hast fünf Minuten Zeit, dann habe ich eine Besprechung mit den Anwälten. Mach es kurz!“

Antonio ignorierte den angebotenen Stuhl und ging zum Fenster, das eine herrliche Aussicht auf Mailand bot. Jeder Muskel seines Körpers schien angespannt, und er hatte die Schultern etwas hochgezogen. „Du musst mir einen Gefallen tun.“

Cristiano hob eine Braue. Auch wenn sie Freunde waren: Es war eine seltsame Art, ein Gespräch zu beginnen, wenn man das Machtgefälle zwischen den beiden Männern bedachte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es momentan genug andere Dinge zu tun gab! Aber da er Antonio noch nie so verstimmt gesehen hatte, beschloss er, erst einmal mitzuspielen. „Und das wäre?“

Antonio drehte sich zu ihm um und lehnte sich gegen die Fensterbank. Sein attraktives Gesicht war gezeichnet von der Last, die er mit sich herumtrug. „Du bist heute Abend in London, oder?“

„Si.“ Eine Geschäftsreise, die er lieber nicht antreten würde, aber sie war leider wichtig. „Warum? Willst du mitkommen?“

„Nein.“ Antonio fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes dunkles Haar und sah aus, als ob ihn diese Vorstellung eher entsetzte. „Ich muss eine Werbekampagne zu Ende bringen und einen Fernsehspot drehen, also habe ich keine Zeit.“ Nach kurzem Schweigen richtete er seinen Blick wieder auf Cristiano. „Es geht um Jensen Davis.“

Cristiano bekam sofort ein ungutes Gefühl. Das amerikanische Supermodel war die Markenbotschafterin von FV, der renommierten Marke von Francesco Vitale. Seit Wochen machte sie ihm mit ihrem wilden Treiben das Leben schwer und sorgte für unliebsame Schlagzeilen. Und das, obwohl er ihr Millionen zahlte! Die skandalösen, meist anzüglichen Geschichten in der Presse hatten die Macht, das Vermächtnis seines Großvaters in den Schmutz zu ziehen – und das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Frustration baute sich in ihm auf. „Was hat sie jetzt wieder angestellt?“, knurrte er.

Antonio legte ihm eine Londoner Tageszeitung auf den Schreibtisch, und Cristiano zog sie zu sich heran. Auf der Titelseite war ein Foto der sechsundzwanzigjährigen Jensen zu sehen, wie sie augenscheinlich in den frühen Morgenstunden aus einem Club stolperte, und zwar in einem umwerfenden roten Kleid. Ihr üppiges, kastanienbraunes Haar fiel ihr in seidenen Wellen über die Schulter, und ihre atemberaubenden dunklen Augen wurden durch ein starkes Make-up betont, das ihr einen verwegenen Look verlieh. Ihre sensationelle Figur kam auf dem Bild bestens zur Geltung.

Sie war vermutlich die schönste Frau, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Das perfekte Model für seine Marke FV.

Er überflog den Text unter dem Foto, und seine Beklemmung wuchs.

Erst Catwalk, dann Catfight!

Jensen Davis, das heißeste Model auf dem Laufsteg, sorgt in letzter Zeit immer wieder für Schlagzeilen. Gestern Abend lieferte sie sich nun im Zoro eine öffentliche Auseinandersetzung mit Prinzessin Juliana Margues. Gerüchten zufolge handelte es sich um eine Meinungsverschiedenheit über DavisNacktbade-Spektakel in einem italienischen Springbrunnen mit Prinz Alexandre von Santeval, dem On-Off-Verehrer der Prinzessin.

Und das ist passiert: Nach einem heftigen Wortgefecht soll die Prinzessin Davis mit einem Getränk beworfen haben. Anschließend verließ das Supermodel mit ihrem Gefolge schnell das Haus.

Man fragt sich, wie weit die Sache noch eskalieren wird, bevor der Palast einschreitet. Bestimmt nicht mehr lange!

In der Zwischenzeit wird Davis heute Abend bei der Charity-Veranstaltung Designer Extravaganza zugunsten der Londoner Krankenhaus-Stiftung auftreten, der begehrtesten Veranstaltung der Metropole.

Cristianos Blut begann in seinen Adern zu kochen. Der Vorfall mit dem Trevi-Brunnen in Rom und der darauf folgende Skandal waren schon schlimm genug gewesen, nicht zuletzt wegen der engen persönlichen Beziehungen seiner Familie zum Papst. Und jetzt begann Davis einen öffentlichen Konflikt mit der Königsfamilie?

Es gab Grenzen, die nicht einmal diese Frau überschreiten durfte. Und trotzdem hatte sie es in den letzten Wochen zwei Mal getan. Das machte ihn rasend – auch, weil man ihm versichert hatte, sie habe ihre Neigung zu Eskapaden inzwischen in Griff und sie sei jetzt ein Profi …

Er holte tief Luft und zügelte die Welle dunkler Wut, die ihn durchströmte. „Ich habe dir gesagt, du sollst dich darum kümmern, Antonio. Es ist einfach zu viel Drama mit Jensen!“

„Ich habe es versucht“, verteidigte sich sein Freund, und in seinem Gesicht bildeten sich hektische Flecken um die aristokratisch hohen Wangenknochen. „Aber es ist unmöglich, sie zu erreichen. Und ihre Agentin war auch keine Hilfe.“

„Weil Davis außer Kontrolle ist“, donnerte Cristiano und tippte mit seinem Zeigefinger auf das Foto. „Sie hat in Monaco in einer wilden Partynacht dreißigtausend Euro auf den Kopf gehauen, einen heiligen Brunnen in Rom geschändet und sich vor ihren Verpflichtungen uns gegenüber gedrückt. Pascal ist kurz davor, den Verstand zu verlieren.“ Sein neuer Stardesigner sollte den Platz seines Großvaters als kreativer Kopf des Unternehmens einnehmen. „Ohne sie kann er die Kollektion nicht fertigstellen. Aber sie ist wie ein Phantom und taucht nur auf, wenn sie will.“

Antonio wischte sich mit der Handfläche über die Stirn. „Normalerweise ist sie ein absoluter Profi, wenn es um ihre Arbeit geht. Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist. Oder wie wir damit umgehen sollen.“

Ärgerlich schob Cristiano die Zeitung beiseite. Er hatte sich zuletzt dazu entschlossen, einige von Davis’ aufsehenerregenden Fehltritten einfach zu ignorieren, auch, weil sie ihre Popularität und damit die der Marke FV nur noch steigerten. Aber diese jüngsten Skandale? Sie hatten das Potenzial, sowohl ihrer eigenen Marke als auch dem Unternehmen Francesco Vitale zu schaden. Ganz zu schweigen davon, dass Jensen Davis wichtigen Terminen fernblieb, was er niemals tolerieren würde.

„Muss ich dich daran erinnern, dass wir alles auf sie gesetzt haben, Antonio? Dass sie das Herzstück von allem ist, was wir in den vergangenen Jahren geschaffen haben? Dass ich mich aufgrund deiner Empfehlung für diese Frau entschieden habe?“

„Dazu stehe ich auch“, erwiderte der andere Mann. „Jensen Davis ist eine der wichtigsten Influencerinnen auf diesem Planeten, und wir müssen nun mal die Millennials für unsere Marke gewinnen, wenn die Firma überleben soll. Alle jungen Frauen wollen so sein wie sie, Cristiano. Sie macht unsere Kleider wieder begehrenswert. Unsere Marktwerte haben sich verdoppelt, seit sie an Bord ist.“

„Und sie werden ins Bodenlose fallen, wenn sie so weitermacht“, gab Cristiano gereizt zurück.

„Das werde ich nicht zulassen“, versicherte Antonio und rieb sich sein glatt rasiertes, kantiges Kinn. „Zugegeben, es waren ein paar harte Wochen. Aber sie wird es schaffen und sich wieder einkriegen. Das tut sie immer.“

Cristiano atmete tief ein und wieder aus. Er hatte Davis eingestellt, obwohl sein Großvater diesen Schritt nicht gutgeheißen hatte. Sie war das It-Girl ihrer Generation, das bekannteste Gesicht Amerikas seit ihrer Zeit als modebesessener Teenager in der Reality-Show ihrer Hollywood-Familie. Und sie besaß die Macht, FV wieder relevant zu machen.

Es war keine Entscheidung, die er leichtfertig getroffen hatte. Als sein Marketingteam ihren Namen zum ersten Mal vorschlug, hatte er sich gesträubt, Davis einzustellen. Schon damals war er sicher gewesen, dass sie mit ihrer Vergangenheit als Wildfang mehr Ärger machen würde, als sie wert war. Aber er konnte den Einfluss, den sie in der Modewelt hatte, nicht leugnen.

Also hatte er zugestimmt, sich wenigstens eines ihrer Shootings anzusehen. Vorher war er sich sicher gewesen, dass er danach genau wissen würde, dass sie die Falsche für den Job war. Doch wider Erwarten war er wie alle anderen Anwesenden von ihrer Schönheit betört gewesen. Fasziniert von dem ungezähmten Freigeist, der sie war, und von dem frischen Wind, mit dem sie seine Marke neu belebte, die ihre besten Jahre hinter sich zu haben schien. Von der Magie, die sie vor der Kamera entfacht hatte.

Also hatte er seinem Bauchgefühl vertraut und bei seinem Großvater, der ein traditionelles italienisches Model bevorzugte, um sie gekämpft. Bis der alte Mann endlich eingewilligt hatte.

Angesichts von Davis’ unberechenbarem Verhalten zweifelte er nun, dass seine Entscheidung richtig gewesen war. Ausgerechnet jetzt, wo ihm keine Zeit mehr blieb, sein ehrgeiziges Vorhaben noch abzuändern. Er dachte daran, dass man ihm immer wieder versichert hatte, dass Jensen keine Schwierigkeiten mehr machen würde.

Er warf Antonio einen finsteren Blick zu. „Was hast du vor? Ich nehme an, du hast einen Plan.“

„Si.“ Nervös lockerte Antonio seine Krawatte – eine untypische Geste für den sonst so selbstbewussten, brillanten Marketing-Guru. „Ich dachte, du könntest heute Abend an der Designer Extravaganza teilnehmen. Sprich mit Jensen. Vermittle ihr, wie wichtig die kommenden Wochen für das Unternehmen sind. Ich glaube, wenn du persönlich kommst und ihr die Leviten liest, wird das Wirkung zeigen. Es sei denn, du bestehst darauf, dass ich mitkomme und es selbst mache“, fügte er zögernd hinzu.

Cristiano fuhr sich über die Stoppeln an seinem Kinn. Zu einer gründlichen Rasur war er heute Morgen nicht mehr gekommen. Er hatte drei große Krisen auf zwei verschiedenen Kontinenten zu regeln, und darüber hinaus gab es einen Investment-Deal, den er unbedingt an Land ziehen musste. Ganz zu schweigen von einem Dutzend anderer kleinerer Brände, die es zu löschen galt.

Er hatte keine Zeit zum Durchatmen. Doch jetzt hing alles von der ersten FV-Kollektion von Pascal Ferraris ab, dem hochbegabten Nachfolger seines Großvaters. Und Jensen Davis stand im Mittelpunkt dieser Kampagne. Also blieb Cristiano keine Wahl: Er musste diese Sache persönlich regeln. Ein Scheitern des geplanten Comebacks von Francesco Vitale war keine Option. Das musste er um jeden Preis verhindern.

„Konzentrier du dich auf das Marketing! Ich kümmere mich um Davis.“

Jensen Davis nahm die hektische Backstage-Atmosphäre in der historischen, glamourösen Guildhall in London wie durch einen Schleier wahr. Sie war unendlich müde.

Normalerweise feuerten diese letzten Momente vor einer Show ihre Vorfreude auf die adrenalingeladene Bühnenperformance nur noch mehr an. Sie verliehen Jensen dann die nötige Energie, für die sie bekannt war und die sie zu einem weltberühmten Topmodel gemacht hatte.

Aber in der vergangenen Nacht hatte sie nur vier Stunden geschlafen – etwa die Hälfte dessen, was sie brauchte, um sich menschlich zu fühlen. Und sie war ausgelaugt von dem unerbittlichen Zeitplan des vergangenen Monats. Sie wusste kaum, in welcher Stadt sie sich gerade befand.

Zu allem Überfluss hatte sie sich beim Verlassen ihres Hotels durch eine Schar von Paparazzi kämpfen müssen, die sie mit Fragen über den Streit mit Prinzessin Juliana überhäuften – die hässliche Szene vom Vorabend, die sie lieber vergessen würde.

„Jensen, was sagen Sie zu Prinzessin Julianas Behauptung, Sie hätten ihr den Verlobten ausgespannt?“

„Wie fühlt es sich an, eine Beziehung zu ruinieren?“

„Haben Sie eine Affäre mit Prinz Alex?“

„Was hält der Palast von alldem?“

Mit Baseballkappe auf dem Kopf und einer Sonnenbrille, die ihre Augen vor dem grellen Blitzlichtgewitter schützte, ignorierte Jensen alles und jeden um sich herum. Aber sie war nicht so dumm zu glauben, dass es dabei bleiben würde. Es würde monatelang Schlagzeilen in den Medien hageln. Endlose Spekulationen um ein lächerliches Drama, das eine sensationsgierige Presse inszeniert hatte, die von dieser Art Geschichten nie genug bekommen konnte – vor allem, wenn es um blaublütige Promis ging, die aus der Reihe tanzten.

Und das alles war nur passiert, weil sie der verzweifelten Bitte ihrer Mutter um einen letzten Gefallen nachgegeben hatte, bevor deren Show Hollywood Divas in die Pause ging. Jensens Mutter war so etwas wie eine ehemalige Leinwandlegende, eine Diva, deren Glanz nach und nach verblasste. Ihre On- und Off-Screen-Aktivitäten waren berüchtigt, und sie boten perfektes Futter für die beliebte Reality-Show, in der sie jede Woche zusammen mit einer Reihe ehemaliger Promis auftrat.

Die Einschaltquoten waren stark gesunken, seit Jensen und ihre Schwestern nach fast zehn Jahren die Show verlassen hatten, weil sie sich weigerten, die Eskapaden ihrer Mutter weiter mitzumachen. Nun aber drohten die Produzenten damit, die Serie abzusetzen, wenn nicht ein aufsehenerregendes Ereignis zum Staffelfinale die Aufmerksamkeit der Zuschauer fesseln würde.

Jensen hatte sich zuerst geweigert und die Inszenierung eines Skandals nicht einmal in Erwägung gezogen. Doch dann war ihre Mutter in Tränen ausgebrochen und hatte ihr schluchzend erklärt, dass ihr außer dieser Fernsehkarriere nichts mehr blieb. Sie war praktisch pleite.

Jensens Schwestern Ava und Scarlett, die in Manhattan ein junges Designunternehmen und eine Boutique gegründet hatten, konnten nicht aushelfen: Ihnen fehlten die finanziellen Mittel. Daher blieb alles an Jensen hängen. Schon seit eineinhalb Jahren unterstützte sie ihre Mutter nun.

Außerdem hatte sie mit den Nachwehen des Springbrunnen-Vorfalls zu kämpfen. Auch das war eine Idee ihrer Mutter gewesen. Sie hatte zugestimmt, weil die Inszenierung eher harmlos klang. Doch was als unschuldiger Streich in Rom – ein mitternächtliches Bad im berühmten Trevi-Brunnen mit ihrem guten Freund Alex – begonnen hatte, war vollkommen eskaliert. Das war Alex’ Schuld: Er hatte das gigantische Medienecho kurzerhand als Taktik benutzt, um seine Ex-Verlobte zurückzugewinnen. Mit Erfolg, nach dem Verhalten der Prinzessin am Vorabend zu urteilen.

„Ich habe dir einen Gefallen getan“, hatte Alex erklärt, als Jensen ihn bat, die Gerüchte zu zerstreuen, sie hätten eine Affäre. „Immerhin habe ich eure Show gerettet.“

Was tatsächlich stimmte: Die Einschaltquoten beim Staffelfinale waren die höchsten bisher gewesen. Nun würde die Show ihrer Mutter ein weiteres Jahr fortgesetzt werden.

Aber was war mit Jensen? Mit ihrem Ruf? Der Professionalität, die sie sich so hart erarbeitet hatte? Alles zerstört in einem Feuersturm der Boulevardpresse.

Jacob, ihr Friseur, brachte die letzte große Locke ihrer Hollywood-inspirierten Frisur in Form und nebelte Jensen in eine Wolke von Haarspray ein. Sie schloss die Augen und gönnte sich eine kurze Pause, um in Ruhe über ihre Situation nachzudenken.

Sie hätte es besser wissen müssen. Die Medien verdrehten die Geschichten immer so, wie es ihnen gerade in den Kram passte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es von jeher ein Fehler gewesen war, ihrer Mutter nachzugeben. Immer schuf das mehr Probleme, als es lösen konnte.

So musste Jensen sich eingestehen, dass sie selbst schuld an ihrem Elend war.

„Aber jetzt mal wirklich“, hörte sie in diesem Moment Lucy Parker neben sich, ein britisches Model mit boshaftem Temperament.

Ein Mitarbeiter gab ihnen ein Zeichen, dass es in zehn Minuten losgehen würde.

„Was läuft da zwischen dir und Alexandre? Du kannst es mir ruhig anvertrauen, ich werde nichts weitersagen. Ihr könnt doch nicht nur Freunde sein.“

„Sind wir aber“, antwortete Jensen müde. „Warum ist das so schwer zu begreifen?“

„Weil er absolut umwerfend ist. Und obendrein der Erbe eines Vermögens. Außerdem wart ihr zusammen nackt in diesem Brunnen.“

„Wir waren nicht ganz nackt. Ich hatte Unterwäsche an.“ Dieses Detail war in der Presse nicht erwähnt worden. „Das Ganze war ein Scherz“, ergänzte sie. Ein Scherz, von dem sie sich wünschte, sie könnte ihn ungeschehen machen.

„Wen interessiert schon Prinz Alexandre?“ Millie, eines der französischen Fotomodelle, unterbrach sie und raschelte dabei aufgeregt mit dem hauchdünnen Stoff ihrer Robe. „Cristiano Vitale ist hier. Mon Dieu“, seufzte sie. „Er ist mit Abstand der schärfste Mann, den ich je gesehen habe! Unheimlich attraktiv, aber nicht zu schön, also zu perfekt. Eben schön im maskulinen Sinne. Ich habe ihn erst einmal getroffen, und ich konnte ihn nicht einmal richtig ansehen. Er ist echt unglaublich. Total einschüchternd.“

Augenblicklich fühlte Jensen, wie sich in ihrem Magen ein flaues Gefühl ausbreitete. Cristiano Vitale war hier? Aber wieso? FV war heute Abend doch gar nicht vertreten. Es war auch nicht üblich, dass Geschäftsführer an solchen Veranstaltungen persönlich teilnahmen.

Ihre Gedanken kreisten um die anzüglichen Schlagzeilen der letzten Wochen. Und um die panische SMS, die sie auf dem Weg hierher von ihrer Agentin erhalten und noch nicht beantwortet hatte, weil sie zu spät dran gewesen war.

Ruf mich sofort zurück!

Das war alles gewesen.

„Ist er mit jemandem hier?“, wollte Millie wissen. „Ist er überhaupt vergeben?“

„Ich bin mir nicht sicher“, murmelte Jensen. Sie hatte Cristiano Vitale seit ihrem allerersten Shooting für die Firma nicht mehr gesehen. Damals hatte er wie der König von England über das Geschehen geherrscht. Wahrscheinlich war er sowieso nur dort gewesen, um sicherzugehen, dass er seine Millionen nicht für ein nutzloses Reality-Sternchen verprasste. Auf jeden Fall war er ihr unerträglich arrogant vorgekommen.

„Angeblich will er Alessandra Grasso heiraten“, warf ein spanisches Model ein.

„Nein, bestimmt nicht“, gab Millie zurück. „Und im Moment sind die beiden nicht zusammen. Er ist sozusagen Freiwild.“

„Ich würde es ja gern bei ihm versuchen“, sagte Lucy und fächelte sich mit einem Handspiegel Luft zu. „Dieser Prachtkerl ist jede Mühe wert.“

Mit feuchten Handflächen strich Jensen über den Rock ihres eleganten silbernen Kleides. Es gab eine Million Gründe, warum Cristiano Vitale hier sein könnte, überlegte sie. Vielleicht privat? Andererseits hatte er dafür wohl kaum Zeit, wenn er gerade sein Unternehmen retten wollte. Gerüchten zufolge war er damit beschäftigt, weitreichende Veränderungen bei FV vorzunehmen – dieser Marke, die Jensen seit ihrer Jugend mehr liebte als jede andere.

Showstart in zwei Minuten.

Jensen holte tief Luft und richtete sich auf, während sich ihre Beine wie Blei anfühlten. In zwanzig Minuten würde alles vorbei sein, inklusive der drei Garderobenwechsel. Der Aftershow-Party würde sie nur einen kurzen Besuch abstatten, damit sie vor ihrem Flug nach Paris noch Schlaf bekam. Den hatte sie so dringend nötig …

Sie nahm ihren Platz am Bühneneingang ein, als Erste in der Schlange, weil ihr Auftritt der Auftakt für diesen Abend sein würde. Das gleißende Licht und der schmale Laufsteg zwangen sie dazu, hochkonzentriert auf ihre Schritte zu achten.

„Sieh dich gründlich um“, flüsterte Lucy ihr ins Ohr. „Finde heraus, wo er sitzt!“

Das wollte sie lieber nicht tun, sonst würde sie am Ende noch in der Zuschauermenge landen.

Die Musik wurde allmählich lauter, und dann kam ihr Stichwort. Raus!

Sie trat ins Rampenlicht am oberen Ende des Stegs und wartete darauf, dass die Menge ihren Auftritt mit einer dramatischen Pause registrierte. Dann, als die Lautstärke ihren Höhepunkt erreichte, lief Jensen den Steg entlang, mit ihrem berühmten Hüftschwung. Diesen verführerischen Gang bezeichnete ihre Agentin oft als Jensens geheime Superkraft.

Am Ende des Laufstegs blieb sie stehen, um zu posieren und das wunderschöne Kleid aus jedem Blickwinkel in Szene zu setzen. Und dann sah sie ihn plötzlich.

Cristiano Vitale saß in der ersten Reihe neben dem Geschäftsführer der Show, und sie spürte die volle Wucht seines durchdringenden Blicks, der sie wie ein Vorschlaghammer traf. Er ließ ihn langsam über sie gleiten, und in seinen stahlblauen Augen lauerten aufgestaute Emotionen, die ihr wie Frust oder Wut vorkamen.

Und schlagartig wusste sie, dass seine Anwesenheit kein Zufall war. Ihr wurde schwindelig, und eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus. Sie steckte in Schwierigkeiten, und alles, was sie tun konnte, war, irgendwie den Rest der Show unter diesem wütenden Blick zu überstehen.

Als ihr nach der Show jemand die Nachricht übermittelte, dass Mr. Vitale sie sehen wollte, war sie nicht überrascht. Sie erwog, einfach durch die Hintertür zu verschwinden, aber damit würde sie ihre Karriere ruinieren.

Am besten, sie brachte es schnell hinter sich. Sie zog das hauchdünne olivgrüne Metallic-Kleid an, das der Designer, den sie heute Abend präsentierte, für sie ausgesucht hatte, und ließ ihr Haar offen. Dann schnappte sie sich ihre Clutch und ging die Treppe hinunter in die große Halle, wo die Aftershow-Party stattfand.

Es dauerte nicht lange, bis sie ihn entdeckte. Sie brauchte nur den Blicken der Frauen im Saal zu folgen. Cristiano stand an eine der Säulen gelehnt, die sich zu einer Reihe von anmutigen Bögen formierten. Er trug einen dunkelgrauen, dreiteiligen Anzug, der sich gegen den Trend der schwarzen Smokings im Raum absetzte. Das taubenweiße Hemd, das er trug, schimmerte im Kontrast zu seiner dunklen Haut, und seine silbergraue Krawatte glänzte elegant.

Sein rabenschwarzes Haar trug er perfekt geschnitten, und an den Handgelenken funkelten goldene Manschettenknöpfe. Seine entspannte Körperhaltung strahlte Souveränität und Macht aus. Die Hände hatte er in die Hosentaschen gesteckt, er zog damit den feinen Anzugstoff straff über seine kräftigen Muskeln.

Er war der beeindruckendste Mann, dem sie je begegnet war. Und auf eine Weise heiß, der nur wenige Frauen widerstehen konnten.

Obwohl ihr die Knie zitterten, zwang sich Jensen, auf ihn zuzugehen. Genau vor ihm blieb sie stehen. „Cristiano“, begrüßte sie ihn möglichst lässig.

„Jensen.“ Er bedachte sie mit einem knappen Kopfnicken, beugte sich vor und strich mit dem Mund über ihre Wangen. Eine typisch italienische Liebkosung, flüchtig und eigentlich unbedeutend. Doch für Jensen fühlte sie sich heute eher nervenaufreibend und beunruhigend an. Sie holte tief Luft und ging schnell wieder auf Abstand, während er sie erbarmungslos mit seinem Blick fixierte, durchdringend und unnachgiebig. Sofort kam ihr der Ausschnitt des Kleides, das ihre Kurven zur Geltung brachten, viel zu gewagt vor.

Erst recht, als sie das dunkle Glitzern in seinen Augen bemerkte. Für den Bruchteil einer Sekunde schoss ihr durch den Kopf, dass seine Wut womöglich von einer anderen Emotion überlagert wurde – einer reinen, unverfälschten Lust, die zwischen ihnen vibrierte. Oder bildete sie sich das bloß ein?

Wieso hatte der Designer sie heute Abend nur wie ein Vamp angezogen? Aber nun war es ohnehin zu spät, um sich noch einmal umzuziehen.

Sie straffte die Schultern und beschloss, sich nicht einschüchtern zu lassen. „Ich hatte keine Ahnung, dass jemand von FV hier sein würde.“

„Ich bin geschäftlich in der Stadt. Richard Worthington ist ein Freund von mir.“ Er nahm einen Schluck seines Drinks, bevor er sich wieder gegen die Säule lehnte und Jensen betrachtete. „Angesichts der vielen Schlagzeilen, die du in den letzten Wochen produziert hast, hielt ich es für eine gute Idee, wenn wir uns mal zusammensetzen.“

In ihrem Magen begann es zu kribbeln. Cristiano verschwendete keine Zeit damit, auf den Punkt zu kommen. Nach allem, was sie gehört hatte, ging es bei ihm immer nur ums Geschäft. Aber da war noch diese brennende Energie, die von ihm ausging …

Autor

Jennifer Hayward
<p>Die preisgekrönte Autorin Jennifer Hayward ist ein Fan von Liebes- und Abenteuerromanen, seit sie heimlich die Heftromane ihrer Schwester gelesen hat. Ihren ersten eigenen Liebesroman verfasste Jennifer mit neunzehn Jahren. Als das Manuskript von den Verlagen abgelehnt wurde und ihre Mutter ihr empfahl, zunächst mehr Lebenserfahrung zu sammeln, war sie...
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