Skandalöse Nächte mit dem sexy Rivalen (6-teilige Miniserie)

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MIT DEM SEXY BOSS IM BETT von CAT SCHIELD

Hals über Kopf verliebt sich Claire in ihren Boss! Doch niemand darf von der heimlichen Affäre erfahren, denn das gäbe einen Skandal! Schließlich wird von Linc erwartet, dass er eine glänzende Partie macht. Und das ist bestimmt nicht Claire, seine Haushälterin …

RASANTE AFFÄRE - BETRÜGERISCHE KÜSSE von CAT SCHIELD

Eventplanerin London und ihre Freundinnen wollen es den Männern heimzahlen, die sie betrogen haben. Ihr Ziel: Tristan Crosby, einer der einflussreichsten Männer von Charleston. Aber unerwartet wird dessen Bruder Harrison ein sexy Hindernis. Brennt ihre Leidenschaft für Harrison wirklich heißer als der Wunsch nach Rache?

DER FEIND, DER MICH AUF HÄNDEN TRÄGT von CAT SCHIELD

Als Zoe dem smarten Millionär Ryan Dailey begegnet, ist sie von der prickelnden Chemie zwischen ihnen überwältigt. Auch die zärtlichen Liebesstunden mit ihm sind einfach berauschend. Doch ehe sie von einer gemeinsamen Zukunft träumen kann, muss Zoe ihm ein Geständnis machen …

SINNLICH UND VERBOTEN SEXY von CAT SCHIELD

Millionenerbe Paul Watts vertraut niemandem, am allerwenigsten der fremden Schönheit, die sich um seinen kranken Großvater kümmert. Trotzdem fühlt sich der unnahbare Tycoon wie magisch angezogen von Lia und ihrem unschuldigen Sex-Appeal. Noch kämpft er gegen sein Verlangen an, doch dann macht Lia ihm ein sinnliches Geständnis …

IM BETT DES RIVALEN von CAT SCHIELD

Siennas Affäre mit dem millionenschweren Reeder Ethan Watts wird immer wichtiger für sie – obwohl er der Rivale ihrer Schwester ist! Dann erfährt sie, dass ihre Schwester heimtückische Pläne gegen Ethans Familie schmiedet. Auf wessen Seite soll Sienna sich jetzt nur stellen?

SO SINNLICH UND VERBOTEN von CAT SCHIELD

Die schöne Teagan will von Architekt Chase ein historisches Haus kaufen und umbauen lassen. Das anspruchsvolle Projekt reizt ihn – genau wie Teagans Eleganz und Sinnlichkeit. Aber die verwöhnte Erbin stellt nicht nur an seine Professionalität höchste Anforderungen …


  • Erscheinungstag 22.02.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529174
  • Seitenanzahl 745
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2018 by Catherine Schield
Originaltitel: „Upstairs Downstairs Baby“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 2053 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Monika Paul

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733724443

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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PROLOG

„Er hat die Verlobung gelöst? Einfach so? Ohne Grund?“ Everly Briggs tat schockiert, obwohl sie längst wusste, dass die Romanze zwischen London McCaffrey und dem Profibaseballer Linc Thurston geplatzt war. Genau aus diesem Grund hatte sie dieses Treffen bei einem Networking-Event von und für Frauen ja überhaupt arrangiert.

London kniff die korallenrot geschminkten Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und schüttelte den Kopf. „Angeblich ist er noch nicht bereit für die Ehe. Hätte ihm das nicht früher einfallen können? Immerhin waren wir zwei Jahre lang verlobt!“

Bei Londons gekünsteltem Südstaatenakzent stellten sich die Härchen an Everlys Unterarmen auf. London, eine attraktive Frau mit seidig glattem blonden Haar und sündteurer Kleidung, kam ursprünglich aus Connecticut, und egal, was sie auch versuchte, hier in Charleston würde sie nie etwas anderes sein als eine „Zugezogene“.

„Ist er fremdgegangen?“ Die rehbraunen Augen von Zoe Crosby, die von beneidenswert dichten, dunklen Wimpern umgeben waren, sprühten vor Empörung.

„Linc? Fremdgegangen?“ Nachdenklich spielte London mit ihrer Zuchtperlenkette. „Gut möglich. Schließlich ist er mit seiner Mannschaft viel unterwegs und lebt ein gutes halbes Jahr lang, also während der Baseballsaison, in Texas.“

„Viele Frauen fahren total auf Profisportler ab“, ergänzte Zoe. „Mein Exschwager ist Rennfahrer. Ihr macht euch keine Vorstellung, wie sich die Frauen dem an den Hals schmeißen.“

„Woher nehmen diese Typen sich eigentlich das Recht, so mit uns umzuspringen?“, fragte Everly. Die drei Frauen verband das Schicksal, von einem reichen und einflussreichen Mann den Laufpass bekommen zu haben. „Man sollte ihnen mal eine Lektion erteilen. Wir sollten es den dreien heimzahlen, Linc, Tristan und Ryan.“

„Die Idee hat was“, meinte London. „Ich wüsste nur nicht, wie ich mich an Linc rächen kann, ohne dass der Schuss nach hinten losgeht.“

„Genau. Was haben wir davon? Egal, was wir anstellen, am Schluss stehen wir als die Gelackmeierten da“, meinte Zoe.

„Nicht, wenn wir es richtig anpacken.“ Angesichts der verdatterten Miene der beiden anderen Frauen konnte sich Everly nur mit Mühe ein süffisantes Lächeln verkneifen. „Jede von uns knöpft sich den Mann einer anderen vor, versteht ihr? Ich übernehme Linc, London hängt sich an Tristan, und du, Zoe, du schnappst dir Ryan. Wer sollte uns da auf die Schliche kommen? Wir drei kennen uns eigentlich gar nicht, uns verbindet offiziell nicht das Geringste.“

„Was genau verstehst du unter ‚vorknöpfen‘?“, erkundigte sich Zoe zögerlich.

Everly lachte ein wenig zu schrill. „Keine Angst, wir werden ihnen keinen körperlichen Schaden zufügen. Aber wir könnten ihnen zum Beispiel einen wichtigen Geschäftsabschluss vermasseln oder ihre Beziehung ein bisschen aufmischen. Diese Typen haben uns eiskalt abserviert, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Aber wir sind starke, selbstbewusste Frauen. Meint ihr nicht, dass es Zeit wird, dass sie das zu spüren kriegen?“

Fast gleichzeitig begannen London und Zoe zu nicken. „Die Idee hat was“, sagte London nachdenklich „Wenn ich daran denke, wie Linc mich gedemütigt und verletzt hat … Das würde ich ihm tatsächlich gern heimzahlen.“

„Ich bin auch dabei“, meinte Zoe.

„Großartig! Passt auf, wir …“

1. KAPITEL

Ich werde Claire kündigen.

Lincoln Thurston holte tief Luft, um genau das zu tun, als Claire den Smoothie, den sie jeden Morgen für ihn zubereitete, auf die Küchentheke stellte und Linc dabei so süß anlächelte, dass er einfach nur zurücklächeln konnte.

Die Idee, seine Haushälterin zu entlassen, entsprang der nackten Verzweiflung. Er war besessen von dieser sympathischen jungen Frau, die für ihn kochte und hinter ihm aufräumte. Seit er sie vor ziemlich genau einem Jahr eingestellt hatte, kreisten seine Gedanken Tag und Nacht um sie. Besonders nachts! Aus diesem Grund sah er sich nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Tag länger mit ihr unter einem Dach zu wohnen.

Trotzdem fühlte er sich irgendwie für sie verantwortlich. Claire lebte dreitausend Meilen von ihrer Familie entfernt, ihr Mann war vor zwei Jahren in Afghanistan gefallen. Und abgesehen davon: Wie sollte er die Kündigung begründen? Claire war eine begnadete Köchin und hielt das Haus in Charleston tipptopp in Schuss. Außerdem war sie mehr als eine Angestellte: Sie machte sich etwas aus ihm – aus Linc Thurston, dem Menschen, nicht aus Linc Thurston, dem Baseballspieler, Multimillionär und seit Kurzem wieder auf den Heiratsmarkt geworfenen, heiß begehrten Junggesellen.

Nein, er musste aufhören, in dieser Art und Weise an Claire zu denken. Das war Gift für sein Liebesleben. Hatte es ihn nicht sogar dazu gebracht, seine Verlobung zu lösen?

Nicht, dass Claire auch nur der Hauch eines Vorwurfs traf. Ihr Verhalten war untadelig. Nie hatte sie ihn in irgendeiner Form ermutigt. Ihr schien nicht einmal bewusst zu sein, dass Linc ein attraktiver, vermögender Mann war, der ihr ein glanzvolleres Leben bieten konnte. Dass sie es nicht auf ihn abgesehen hatte, fand er einerseits zwar erfrischend, andererseits hätte er sich ausgerechnet von ihr gern ködern lassen. Denn dann könnte er mit ihr schlafen, ohne deswegen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Als Shortstop der Texas Barons mit einem Jahresgehalt von fünfzehn Millionen Dollar war Linc es gewohnt, dass sich ihm die Frauen an den Hals warfen. Nicht einmal die Nachricht von seiner Verlobung hatte seine weiblichen Fans abschrecken können. Mit sechsundzwanzig, gleich nach der Unterzeichnung seines Spielervertrags, der auf acht Jahre angelegt und mit einer neunstelligen Summe dotiert war, hatte ihm das noch geschmeichelt. Jetzt aber, mit dreiunddreißig Jahren und am Ende der Vertragslaufzeit angelangt, sehnte er sich nach einem ruhigeren Leben, nach einer Frau und ein paar Kindern. Zumindest war das der Plan gewesen, bis er seine Gefühle für London McCaffrey noch einmal auf den Prüfstand gestellt und erkannt hatte, dass er sie nicht liebte.

Was also faszinierte ihn so an Claire?

Ein fröhliches Kichern riss Linc aus seinen Überlegungen, und der Grund, weshalb er sich einfach nur mies vorgekommen wäre, falls er Claire tatsächlich hinausgeworfen hätte, schoss splitterfasernackt durch die Küche.

„Wie läufst du denn wieder rum?“, schimpfte Claire, als ihre Tochter an ihr vorbeiflitzte.

Mit dem glatten, schulterlangen braunen Haar und den Sommersprossen auf der Nasenspitze wirkte Claire frisch und natürlich wie das Mädchen von nebenan, viel zu jung eigentlich, um schon Mutter zu sein.

Die zweijährige Honey Robbins steuerte auf Linc zu, der sie packte und durch die Luft wirbelte. Die aufgeweckte Kleine mit den funkelnden Augen hatte ihn vom ersten Moment an um den Finger gewickelt. Jetzt quietschte sie vor Vergnügen, und er schmunzelte. Beide, Mutter und Tochter, waren ihm ans Herz gewachsen. Die Vorstellung, sie nicht mehr um sich zu haben, fand er noch unerträglicher als die, ständig gegen seine Gefühle ankämpfen zu müssen. Also blieb ihm wohl keine andere Wahl, als es zu ertragen.

„Dieses Kind! Wieso muss sie sich ständig ausziehen? Von wem sie das bloß hat?“, schimpfte Claire.

„Sie kommt halt ganz nach der Mama!“, hörte Linc sich zu seinem Entsetzen antworten, und sofort tauchten Bilder in seinem Kopf auf, die da absolut nicht hingehörten. „Das soll natürlich nicht heißen, dass du dauernd nackt rumläufst“, verbesserte er sich hastig. „Es ist halt so eine Redewendung.“

„Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen.“ Claires Wangen hatten einen rosa Schimmer angenommen. „Ich hatte schon Angst, dass die Überwachungskameras letzte Woche doch ein Bild von mir beim Nacktbaden eingefangen haben.“

In Wahrheit gab es weder Überwachungskameras noch auch nur den Hauch einer Chance, dass Claire nackt in den Pool springen würde. Sie war extrem zurückhaltend, ein Ausbund an Korrektheit, siebenundzwanzig und Witwe. Auch wenn sie ihren Ehering nicht getragen hätte, hätte jeder gespürt, dass sie noch nicht über den Tod ihres Ehemanns hinweg war, der vor zwei Jahren beim Angriff eines Selbstmordkommandos auf seinen Militärkonvoi ums Leben gekommen war.

„Die Aufnahme will ich sehen“, konterte Linc. „Wann war das gleich noch mal?“

„Das wüsstest du wohl gern.“ Claire schmunzelte. „Such nur. Dann hast du wenigstens was zu tun, solange ich oben staubsauge. Du schaffst es in letzter Zeit ständig, mir vor den Füßen rumzulaufen.“

Linc mochte es, dass sie kein Blatt vor den Mund nahm und ihn wie eine Mischung aus großem Bruder und liebenswertem Tollpatsch behandelte. Als er sie vor circa einem Jahr eingestellt hatte, wollte, nein, brauchte er jemanden, bei dem er ganz er selbst sein konnte. Auch das war einer der Gründe, weshalb er sich so zu ihr hingezogen fühlte. Ihr konnte er alles anvertrauen. Sie kannte seine finstersten Gedanken, seine Zweifel, seine Geheimnisse. Bis auf das eine: seine Gefühle für sie.

Im Austausch dazu hatte Claire ihm von ihrer Kindheit in San Francisco erzählt und davon, wie sie ihren Mann kennengelernt hatte. Sie war keine Frau, die ihr Herz schnell verschenkte und von einem zum anderen flatterte. Nein, sie war eine alleinerziehende Mutter, die niemanden hatte, an den sie sich wenden konnte, falls sie den Job verlor und damit auch das Dach über dem Kopf.

Und auch wenn Linc bestimmt kein Heiliger war – London konnte ein Liedchen davon singen –, gewisse Dinge waren für ihn einfach tabu. Claire zu verführen war eines davon.

Claire versetzte es einen Stich, als sie Linc und Honey beobachtete. Der Mann sah viel zu gut aus, um ihn einfach zu ignorieren. Seit der Trennung von seiner Verlobten ertappte Claire sich immer wieder bei Tagträumen, in denen sie drei eine kleine Familie waren. Wenn es ganz besonders schlimm wurde, streifte sie die Gummihandschuhe über und schrubbte sein Bad – das holte sie schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie war eben doch nur die Haushälterin, keine schöne, erfolgreiche Frau aus einer alteingesessenen Charlestoner Familie. Abgesehen davon: In den Augen von Lincs Mutter Bettina hatte nicht einmal London Gnade gefunden, und die hatte wirklich alles besessen: Geld, Erfolg und Schönheit.

Verträumt beobachtete Claire, wie sich die Muskeln von Lincs Bizeps anspannten, als er Honey noch einmal hochhob und herumschwenkte, bis sie vor Vergnügen jauchzte. Ein Mann, der ihr Kind glücklich macht, muss einer Mutter ja gefallen, dachte sie. Besonders wenn er so ein markantes Gesicht, so leuchtend blaue Augen und einen so sinnlichen Mund hat wie dieser Mann. Bei solchen Gelegenheiten wünschte sie, Linc wäre einer von diesen karrieregeilen, egoistischen Typen, die sich einbildeten, dass Frauen Freiwild waren. Wenigstens würden ihr dann die Schmetterlinge im Bauch erspart bleiben.

„Was habt ihr beiden Hübschen denn heute Schönes vor?“, fragte Linc und setzte sich das Kind auf den Arm. Honey brabbelte vergnügt vor sich hin und fuhrwerkte mit ihren Patschhändchen in seinem Gesicht herum.

Unter seinem Blick wurde Claire kochend heiß. Sie spürte den merkwürdigen Drang, sich Luft zuzufächeln und albern zu kichern. So ging es ihr oft, seit Linc nach dem Ende der Baseballsaison aus Texas zurückgekehrt war. Viel zu oft. Das musste aufhören. Sofort! Es sollte doch eine Möglichkeit geben zu verhindern, dass sie sich immer stärker zu ihm hingezogen fühlte.

Sie malte sich aus, was seine Mutter dazu sagen würde, und das half tatsächlich. Bettina war, was man eine „Southern Belle“ nannte. Sie kam aus einer alteingesessenen Charlestoner Familie und verpasste keine Gelegenheit, das zu betonen. Wobei in Charleston ein nobler Stammbaum nicht zwangsläufig auch viel Geld bedeutete. Bettinas Familie zum Beispiel hatte in den 1930er-Jahren zwar den größten Teil ihres Vermögens eingebüßt, doch ihr gesellschaftliches Ansehen hatte darunter nicht gelitten. Es war also völlig unrealistisch, anzunehmen, dass Claire für sie als Schwiegertochter in Betracht kam.

„Claire?“ Lincs tiefe Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

„Sorry, ich bin gerade meine To-do-Liste für heute durchgegangen.“

„Was hältst du davon, wenn ich mich um die kleine Miss hier kümmere?“ Er kitzelte Honey, bis sie vor Entzücken quietschte. „Dann kannst du heute vielleicht mal früher Schluss machen.“

Claire schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht von dir verlangen. Ich kriege das schon hin.“

Den Boss als Kindermädchen zu missbrauchen entsprach eigentlich nicht ihrer Dienstauffassung, allerdings war die Grenze zwischen Arbeitgeber und Freund bei Linc ziemlich rasch verwischt. Von daher war es ein verlockendes Angebot. Er kam großartig mit Honey zurecht, und für das Kind, das ohne Vater aufwuchs, war es wichtig, eine männliche Bezugsperson zu haben. Andererseits konnte und wollte Claire Linc diese Rolle nicht aufhalsen. Was, wenn Honey sich zu sehr an ihn gewöhnte? Was, wenn Linc irgendwann einmal eigene Kinder haben sollte? Die Kleine wäre doch am Boden zerstört, wenn er keine Zeit mehr für sie hätte.

„Ich würde mich über ein bisschen Gesellschaft freuen“, ergänzte Linc.

Was konnte dieser Mann hartnäckig sein! Claire wollte ein zweites Mal dankend ablehnen, aber irgendetwas bremste sie. Seit er die Verlobung mit der unglaublich schönen, unglaublich erfolgreichen London beendet hatte, war er nicht mehr ganz der Alte. Er wirkte nicht mehr so unbeschwert, dabei war die Trennung doch von ihm ausgegangen. Bereute er es vielleicht im Nachhinein?

London dagegen war längst über ihn hinweg. Seit Neuestem zeigten die Klatschblätter sie an der Seite des millionenschweren Rennfahrers und Playboys Harrison Crosby. Schon möglich, dass es Linc störte, dass sie ihn so leicht ersetzt hatte.

„Das geht nicht.“ Trotz Honeys Protest und auch wenn es Claire schwerfiel, unter dem finsteren Blick ihrer Tochter eine ernste Miene zu bewahren, nahm sie ihm das Kind ab. Die Kleine war einfach zu drollig, hatte den Charme ihres Vaters geerbt. Der hatte einem Bettler das letzte Hemd abschwatzen können, beziehungsweise einer naiven angehenden Köchin, denn das war Claire gewesen, als sie ihn kennengelernt hatte, das Höschen.

„Wenn ich mich nicht irre, erwartet dich deine Mutter heute zum Lunch.“

Linc verzog das Gesicht. „Als könnte ich das vergessen.“

Er schnappte sich seine Sporttasche und wollte gehen, doch ein Räuspern von Claire stoppte ihn. Vorwurfsvoll hielt sie ihm den Smoothie aus Grünkohl, Proteinen und Blaubeeren hin. Was immer er in sich hineinstopfte, wenn er nicht in Charleston lebte, solange sie für ihn zuständig war, sorgte sie dafür, dass er sich ausgewogen und gesund ernährte.

„Austrinken“, befahl sie. „Ich möchte sichergehen, dass du den Smoothie nicht irgendwo auskippst. Der ist gesund und lecker.“

Argwöhnisch schnupperte Linc an dem Glas. „Sicher? Meiner Erfahrung nach ist es immer nur entweder das eine oder das andere.“ Misstrauisch nahm er einen kleinen Schluck und riss überrascht die Augen auf. „Hey, das schmeckt ja tatsächlich!“

Claires Herz machte einen kleinen Satz. „Ich weiß, dass du ein Süßer bist, deshalb habe ich ein bisschen Agavensirup untergemischt.“

„Du bist ein Schatz!“ Er trank aus und ging.

Versonnen sah Claire ihm nach, dann riss sie sich am Riemen und brachte ihre Tochter in den Wintergarten, wo Honey normalerweise spielte, wenn sie, Claire, in der Küche zu tun hatte. Hier lagen die Sachen der Kleinen. Claire zog das Kind an und setzte es in den Kinderstuhl am Küchentisch. Sonnenstrahlen zauberten goldene Strähnchen in das hellbraune Haar der Zweijährigen und brachten die haselnussbraunen Augen zum Funkeln. Sie kam ganz nach dem Vater. Weder Claires espressobraunes Haar noch ihre dunklen Augen hatten sich durchgesetzt. Das Einzige, was Claire ihrer Tochter vererbt hatte, war der zierliche Körperbau. Während Jasper es auf stattliche einsneunzig gebracht hatte, rangierte Honey, was Größe und Gewicht anging, immer im unteren Viertel ihrer Altersklasse.

Ohne Linc kehrte die gewohnt friedliche Stille im Haus ein. Nicht, dass mit ihm das große Chaos herrschte, nein. Aber seine Anwesenheit versetzte Claires Inneres in einen Aufruhr, auf den sie gern verzichtet hätte.

Während Honey eine Blaubeerwaffel und ein paar Stückchen Banane futterte, schrieb Claire ihre Einkaufsliste. Am Samstag gab Linc eine Dinnerparty, die erste größere Einladung seit seiner Trennung von London. London hatte darauf bestanden, ihre gemeinsamen Gäste bei sich zu Hause zu begrüßen. Claire traute sie nicht zu, eine Party zu organisieren, die den Charlestoner Standards entsprach, das hatte sie von Anfang an klargestellt. Nicht ganz zu Unrecht übrigens. Da, wo Claire herkam, hätte man über den Aufwand, den die Charlestoner High Society betrieb, Bauklötze gestaunt.

Aber Claire war eine begnadete Köchin, wie jeder bestätigte, der schon einmal in den Genuss ihrer Kochkünste gekommen war. Sie war kurzfristig als Köchin eingesprungen, als Lincs Mutter ein Essen für ihre Freundinnen geben wollte, und auf diesem Weg zu ihrer jetzigen Anstellung gekommen.

Nachdem Honey gefrühstückt hatte, machten sich die beiden auf den Weg zu dem örtlichen Delikatessenladen, wo Claire alle Zutaten für das geplante Menü zu finden hoffte. Während sie den Einkaufswagen durch die Gänge schob, übte sie mit Honey die Farben.

„Welche Farbe ist das?“, fragte Claire und zeigte auf eine Packung Pasta.

„Grün“, krähte Honey und klatschte vergnügt in die Hände.

Claire gab ihrer Tochter einen Schmatzer auf die Wange. „Richtig.“

„Was für ein kluges kleines Mädchen.“ Die Stimme gehörte einer auffallend gut aussehenden Frau Anfang dreißig. Sie hatte leuchtend grüne Augen und dunkelblondes Haar, das mit goldenen Strähnchen durchzogen war, eine makellose Haut und volle Lippen. Das geschickt aufgetragene Make-up verlieh ihren kantigen Zügen etwas Weiches, Weibliches. Neben ihr kam sich Claire, die ein schlichtes gelbes T-Shirt und einen geblümten Rock trug, blass und unscheinbar vor.

„Ja, sie lernt schnell“, antwortete sie dennoch stolz. „Sie kann schon bis fünfzig zählen und das ganz ABC aufsagen.“

„Du liebe Zeit! Wie alt ist die Kleine denn?“

„Sie ist gerade zwei geworden. Allerdings bin ich den ganzen Tag mit ihr zusammen, das merkt man einfach.“

Die Frau ließ den Blick zu dem schlichten goldenen Reif an Claires linkem Ringfinger schweifen. Claire unterdrückte gerade noch den Impuls, die Hand zu drehen, um zu verbergen, dass der obligatorische Klunker fehlte, doch dann schämte sie sich für diese Regung. In dieser Stadt legte man ungeheuren Wert auf Statussymbole, und Claire fand es empörend, wie schnell man hier in eine Schublade gesteckt wurde. Aber sie hielt ihren Zorn im Zaum. Sie war Haushälterin, und damit basta. Sollten die anderen von ihr denken, was sie wollten. Doch tief im Innern schmerzte es sie jedes Mal, wenn sie die Geringschätzung in den Augen ihres Gegenübers bemerkte.

Diese Frau jedoch zeigte nur freundliches Interesse. „Sie lesen ihr sicher viel vor.“

„Und ob! Sie liebt Bücher. Haben Sie auch Kinder?“

„Nein, ich bin nicht mal verheiratet.“ Die Frau seufzte. „Und sosehr ich Kinder mag, zur Mutter bin ich, fürchte ich, nicht geschaffen.“

„Ja, es kann ganz schön anstrengend sein.“

Die Frau lächelte. „Übrigens, ich bin Everly Briggs.“

„Claire Robbins, und das ist meine Tochter Honey. Freut mich.“

Neugierig musterte Everly den Inhalt von Claires Einkaufswagen. „Interessante Zusammenstellung. Was haben Sie denn vor?“

Sichtlich geschmeichelt beschrieb Claire ihr das Menü, über dem sie fast eine Woche lang gebrütet hatte: „Jakobsmuscheln mit Reibekuchen an Kaviarsoße, geschmorte Lammkeule mit Gemüsepüree, gerösteter Roter Bete und Pekannüssen, zum Nachtisch dann einen Schokoladenkuchen auf Granatapfelsoße.“

Mit jedem Wort waren die Augen der Frau größer geworden. „Das klingt ja köstlich! Was feiern Sie denn?“

„Mein Arbeitgeber gibt eine Dinnerparty.“

„Da will ich hin! Mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen. Wie heißt er?“

Die Frage kam so spontan, dass Claire sie beantwortete, ohne groß darüber nachzudenken. Doch kaum war Lincs Name gefallen, veränderte sich die Haltung der Fremden. Ihr Lächeln gefror, ihr Blick bekam etwas Lauerndes. „Ach? Jetzt bin ich aber wirklich interessiert. Angeblich ist er wieder Single.“

Sofort verwünschte sich Claire für ihre Geschwätzigkeit. Sie wollte sich rasch verabschieden, aber die Fremde packte den Griff ihres Einkaufswagens und hinderte sie so am Weitergehen. „Ich gebe demnächst selbst eine kleine Party. Hätten Sie Zeit, das Catering zu übernehmen?“

„Äh, so gern ich das täte, aber …“, druckste Claire herum, „… es geht leider nicht. Ich bin nämlich kein Caterer, sondern Lincs Haushälterin.“

„Das heißt, Sie leben bei ihm im Haus?“ Everlys sanfter Tonfall vermochte die blanke Neugier in ihren Augen nur schlecht zu tarnen, und Claire runzelte überrascht die Stirn. Worauf wollte diese Ziege eigentlich hinaus? „Dann sind Sie die Frau, über die sich ganz Charleston das Maul zerreißt?“

2. KAPITEL

Claires Auto stand nicht in der Einfahrt, als Linc aus dem Fitnessstudio kam. Wahrscheinlich war sie unterwegs, um die Zutaten für das Festessen zu besorgen. Linc war gespannt, was seine Freunde sagen würden. Sie war eine fantastische Köchin, und es war ihm ein Rätsel, warum sie sich nicht bei einem der vielen Restaurants in der Stadt beworben hatte. Darauf angesprochen, hatte sie mit den ungünstigen Arbeitszeiten und der Frage der Kinderbetreuung argumentiert. Als alleinerziehende Mutter hatte sie es nicht einfach, und er fand es gut, dass sie das Wohl des Kindes an erste Stelle setzte. Dennoch hatte er den Eindruck, dass da mehr dahintersteckte. Sie traute sich viel zu wenig zu – völliger Unfug bei ihrem Talent.

Hoffentlich fühlte sie sich jetzt nicht unter Druck gesetzt. Es war die erste große Einladung zu einem Essen, das er in seinem Haus ausrichtete. London hatte darauf bestanden, dass alle Partys und Treffen bei ihr stattfanden, und Linc hatte sie gewähren lassen. Während sein Haus renoviert wurde – die Arbeiten daran hatten sich über drei Jahre hingezogen –, war ihm das sehr gelegen gekommen. Erst als London sich immer noch weigerte, das Heft aus der Hand zu geben, nun, da sein Anwesen wieder in alter Pracht erstrahlte, dämmerte Linc, dass ihre Beziehung nicht die gleichberechtigte Partnerschaft war, die er sich wünschte. Leider hatte er ihr da bereits seinen Antrag gemacht.

Sein erster Weg führte in die Küche. Claire hielt normalerweise immer einen Snack im Kühlschrank parat für den kleinen Hunger nach dem Training, und auch heute hatte sie daran gedacht. Bis zum Lunch mit seiner Mutter blieb Linc noch knapp eine Stunde. Dass er spät dran war, lag an dem kleinen Umweg, den er auf dem Weg ins Studio gemacht hatte. Im Auto war ihm nämlich wieder eingefallen, dass Claire seit ziemlich genau einem Jahr für ihn arbeitete. Den eigentlichen Jahrestag in der Woche zuvor hatte er übersehen und wollte dieses Versäumnis wiedergutmachen. Aus diesem Grund hatte er rasch in der Boutique einer Schulfreundin seiner Schwester vorbeigeschaut, die in der Nähe des Studios lag, und ein kleines Geschenk gekauft.

Nachdem er sich das Truthahn-Käse-Sandwich und eine Schüssel Beeren einverleibt hatte, suchte er einen Stift, um die Karte zu schreiben, die er dem Geschenk beilegen wollte. Er hatte sich für ein paar ziemlich ungewöhnliche Ohrringe entschieden. Sie waren aus Silber, asymmetrisch geformt und mit blauen und grünen Steinen verziert. Abgesehen von ihrem schlichten Ehering trug Claire nämlich, wie ihm aufgefallen war, als Schmuck höchstens ab und an ein Paar Ohrringe.

Oder war das zu persönlich? Geld oder ein Gutschein hätten es natürlich auch getan, aber er wollte ihr zeigen, dass er sich Gedanken gemacht hatte. Außerdem verschenkte er gern Schmuck. Seine Mutter, aber auch seine Schwester freuten sich jedes Mal, wenn er ihnen eine Halskette oder ein Paar Ohrringe mitbrachte, und ihm machte es Spaß, die wichtigsten Frauen in seinem Leben ein bisschen zu verwöhnen, jetzt, da er endlich über das nötige Kleingeld verfügte.

Er ließ die Karte und die Schmuckschatulle auf dem Küchentresen, wo Claire sie nicht übersehen konnte, und ging nach oben, um zu duschen und sich umzuziehen. Seine Mutter erwartete ihn Punkt zwölf bei sich zu Hause, und wehe, wenn er nicht in einer frisch gebügelten Hose, gestärktem Hemd und Sakko auftauchte, wie es sich für einen Gentleman aus den Südstaaten schickte.

Wie viele andere der vornehmen Familien in Charleston war auch Lincs Familie vor zwei Generationen gezwungen gewesen, das riesige Anwesen in einer der besten Wohngegenden an einen „Zugezogenen“ zu verkaufen. Trotz finanzieller Schieflage war es seinem Großvater aber wenigstens gelungen, die gesellschaftliche Stellung der Familie aufrechtzuerhalten, doch Lincs Mutter träumte nach wie vor vom alten Glanz. Umso schlimmer traf es sie dann, dass ihr Ehemann in Geldangelegenheiten auch kein geschickteres Händchen bewies als ihr Vater. Er ließ sich auf betrügerische Geschäfte ein, und das komplette Vermögen der Familie einschließlich aller Immobilien wurde von der Regierung konfisziert.

Aus diesem Grund hatte Linc seiner Mutter mit dem ersten Geld aus seinem Profivertrag ein Haus gekauft, das bezüglich Lage und Größe dem entsprach, wie sie es aus ihrer Kindheit kannte. Es stammte aus dem Jahr 1790, aber Linc hatte es so renovieren lassen, dass es historischen Charme und moderne Funktionalität perfekt vereinte. Sein bester Freund, Knox Smith, besaß nämlich eine Baufirma, die sich darauf spezialisiert hatte, die historischen Gebäude in der Innenstadt von Charleston in ihrer alten Schönheit wiederauferstehen zu lassen.

Als Linc zwanzig Minuten später seine Mutter begrüßte, dankte er dem Schicksal, das es ihm ermöglichte, ihr dies alles zu bieten. Wie eine Königin im Thronsaal empfing sie ihn auf einem Chintzsofa in ihrem Salon. „Du siehst großartig aus, Mutter“, sagte er, als er sich hinabbeugte und sie auf die Wange küsste. Ihr nach Rosen duftendes Parfüm weckte Erinnerungen an seine Kindheit.

„Das will ich hoffen“, entgegnete sie, und ihre Augen blitzten vergnügt. „Ich war erst gestern bei der Kosmetikerin, und die hat behauptet, ihre Behandlung würde mich zehn Jahre jünger machen.“

Sie bat ihn, Platz zu nehmen, und läutete ein silbernes Glöckchen. Fast sofort stand eine hagere Frau mit blondem, grau gesträhntem Haar auf der Türschwelle. Dolly arbeitete schon seit zehn Jahren für Bettina, und Linc staunte immer wieder über dieses Verhältnis. Seine Mutter behandelte die Haushälterin herrisch und von oben herab, aber Dolly gab kräftig Kontra. Insgeheim, so vermutete Linc, genossen die beiden die Kabbeleien, sonst hätte Dolly sich längst nach einer weniger anstrengenden Stelle umgesehen.

„Linc möchte einen Martini, für mich einen Bourbon mit Eis. Aber nehmen Sie den guten.“

Linc änderte die Bestellung rasch in ein Mineralwasser um. Den Hinweis, dass es noch zu früh war für Alkohol, sparte er sich, seine Mutter hätte ihn sowieso ignoriert.

Nachdem Dolly gegangen war, erklärte Bettina: „Neulich hat sie so einen Fusel angeschleppt und behauptet, er käme von Grady. Als würde ich den Unterschied nicht erkennen.“

Grady war Lincs Cousin mütterlicherseits. Seit Bourbon wieder in war, tauchten an jeder Ecke sogenannte Craft-Bourbons auf, die in der Regel ungenießbar waren, fand Linc. Eine Whiskey-Verkostung bei Grady, der ebenfalls eine kleine Destille betrieb, hatte Linc dann aber so beeindruckt, dass er in das Geschäft seines Cousins investiert hatte. Und da Grady bis heute noch nicht Konkurs angemeldet hatte, schien Linc aufs richtige Pferd gesetzt zu haben.

„Erzähl mir doch von deiner Dinnerparty“, bat Bettina. „Wer kommt?“

„Ach, nur die üblichen Verdächtigen: Knox, Sawyer, Austin, Roy, Grady und ein paar andere. Wir sind zu zwölft.“

„Wie? Keine Damen außer Sawyer?“

Bettina war von Anfang an unglücklich gewesen über Lincs Beziehung mit London, die Verlobung hatte sie schlichtweg entsetzt. Ab sofort würde sie nichts unversucht lassen, um Linc mit einer Frau zu verkuppeln, die in ihren Augen besser zu ihm passte. Am liebsten natürlich aus einer ortsansässigen Familie und mit einem Stammbaum, der mindestens genauso weit zurückreichte wie sein eigener. Ihm schwante nichts Gutes.

„Sawyer wollte ein paar Freundinnen mitbringen.“

Seine Mutter besaß die Fähigkeit, ihr Missfallen auszudrücken, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. „Du willst dein Liebesleben doch wohl nicht davon abhängig machen, mit wem deine Schwester gerade dicke ist.“

„Genauso wenig wie ich es mir vom gesellschaftlichen Ehrgeiz meiner Mutter diktieren lassen will.“ Linc lächelte, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen.

Bettina tat seinen Einwand mit einer ungnädigen Handbewegung ab. „Du bist es der Familie schuldig, eine gute Partie zu machen und Kinder zu zeugen, die den Namen Thurston weitertragen.“

Noch gut konnte Linc sich daran erinnern, wie oft Bettina diesen Namen verflucht hatte, nachdem ihr Ehemann wegen Unterschlagung zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt worden war. Vorsichtshalber verzichtete er aber darauf, sie auf diesen Widerspruch hinzuweisen. „Solange du deine Ansprüche nicht ein bisschen runterschraubst, werde ich kinderlos und einsam sterben“, frotzelte er stattdessen.

Insgeheim war er noch nicht einmal überzeugt, dass er die Richtige überhaupt erkennen würde, wenn sie vor ihm stand. Man nehme nur das London-Debakel: Bis zum heutigen Tag konnte er nicht mit Sicherheit sagen, ob er sie tatsächlich geliebt hatte oder nur von ihrem Aussehen und ihrer starken Persönlichkeit fasziniert gewesen war.

Kennengelernt hatten sie sich auf einer Wohltätigkeitsgala, die London organisiert hatte. Er war geblendet von ihrer Schönheit. Dass diese Schönheit Hand in Hand ging mit einem scharfen Verstand und einer gehörigen Portion Ehrgeiz, entsprach genau seinem Geschmack, sodass sie nach wenigen Wochen ein Paar waren.

„Unsinn“, widersprach seine Mutter. „Ich kann dir aus dem Stand ein Dutzend passende Kandidatinnen nennen. Pass auf, ich mache eine Liste und lade sie alle zu einer Party ein. Die Frau, von der du träumst …“

Linc ließ sie weiterreden und versuchte, sich mit der Idee anzufreunden, die Hauptattraktion auf einer von Bettinas Partys zu sein. Natürlich wollte er seine Mutter glücklich machen, sie hatte schon genug durchgemacht in ihrem Leben. Aber er war nicht bereit, seine Freiheit aufzugeben für eine Frau, die nicht mindestens phänomenal war.

„… Claire?“

Er schreckte hoch. Ahnte seine Mutter etwa, dass seine Faszination für die junge Frau, die ihm den Haushalt führte, mit jedem Tag wuchs? „Wie bitte?“

„Ich habe dich gefragt, ob du sie mir für die Party borgst.“

Es hat keinen Zweck, dachte er. In jeder anderen Stadt wäre eine Beziehung zwischen ihm und Claire kein Problem. Nur in Charleston, wo seine Mutter über die Familientradition wachte, gab es keine Chance für eine Verbindung zwischen einem Thurston und einer „Zugezogenen“. Noch dazu, wenn es sich dabei um seine Haushälterin handelte.

„Ich kann sie ja mal fragen.“

„Wunderbar. Sie soll nächste Woche vorbeikommen, damit wir das Menü planen können.“

Er atmete auf, als Dolly gleich darauf zum Essen rief. Man konnte die Rädchen im Kopf seiner Mutter rattern hören. Noch ehe das Essen aufgetragen war, ließ sie sich Stift und Papier bringen, um eine Liste der infrage kommenden Damen anzufertigen. Über Tomatencremesuppe und Eiersandwiches mit Shrimps ließ Linc die Kommentare, die seine Mutter zu jedem Namen gab, über sich ergehen. Auch wenn Bettina so tat, als hätte er die Auswahl, handelte es sich bei dieser Party in Wahrheit um eine groß angelegte Treibjagd – und er war die Beute.

Eigentlich war das nichts Neues. Schon an der Highschool waren ihm die Mädchen scharenweise hinterhergerannt, und als Profisportler konnte er sich vor Verehrerinnen kaum noch retten. Doch nach einer Nacht, spätestens jedoch nach einer kurzen Affäre verschwanden sie unweigerlich aus seinem Leben. Nun aber beabsichtigte seine Mutter, ihn in eine Grube voll heiratswütiger Frauen zu werfen. Das konnte nur schiefgehen.

Genau aus diesem Grund begann Linc, im Geiste eine Liste von Bekannten zusammenzustellen, Junggesellen, die er einladen wollte, um sich selbst ein wenig aus der Schusslinie zu nehmen. Er brachte es auf etwa zwanzig, nur: Wie viele von ihnen würden sich unter diesen Umständen seiner erbarmen? Schließlich waren die Absichten seiner Mutter unmissverständlich.

Zum Nachtisch servierte ihm seine Mutter Klatsch und Tratsch über die Nachbarn und die liebe Verwandtschaft. Nichts davon war neu oder überraschend, und Linc schaltete auf Durchzug, während er überlegte, ob Claire die Ohrringe inzwischen entdeckte hatte und ob sie ihr gefielen.

Nicht jede Frau konnte diese ungewöhnlichen asymmetrischen Ohrringe tragen, aber zu Claire passten sie perfekt. Ihr Stil, farbenfroh und ein bisschen flippig, verriet die Kalifornierin. Die interessante Form des Schmucks, aber auch die Blau- und Grüntöne der Steine trafen hoffentlich ihren Geschmack. Dass er sich für dieses Paar entschieden hatte, weil er wusste, dass Türkis Claires Lieblingsfarbe war, würde Claire wahrscheinlich nie erraten, denn Linc gab sich allergrößte Mühe, sein Interesse an ihr zu verbergen.

„Ich spiele mit dem Gedanken, noch mal zu heiraten.“

Linc schreckte hoch. Hatte er etwas verpasst? „Wie bitte? Ich wusste nicht mal, dass du einen Verehrer hast.“

„Habe ich auch nicht. Also, keinen speziellen zumindest.“

Linc runzelte die Stirn. Musste er das verstehen? „Heißt das, du triffst dich mit mehreren Männern?“ Das passte überhaupt nicht zu seiner Mutter. Sie hatte uneingeschränkt zu ihrem Mann gehalten, während der seine Gefängnisstrafe verbüßte, und war aus allen Wolken gefallen, als er kurz nach seiner Entlassung die Scheidung einreichte. Mit Männern hatte sie seit damals, soweit Linc wusste, nichts mehr am Hut.

„Nicht, was du schon wieder denkst. Hin und wieder lade ich einen Herrn zum Essen ein oder auf einen Cocktail.“

„Wo lernst du diese Herren denn kennen?“

„Macht sich da jemand Sorgen?“ Bettina wirkte geschmeichelt.

„Natürlich mache ich mir Sorgen, wenn du so eine Bombe platzen lässt! Bist du sicher, dass sie sich für dich interessieren, nicht etwa für …“

„Das reicht!“, unterbrach ihn Bettina scharf. „Ich bin eine attraktive Frau. Mit gewissen Bedürfnissen.“

„Lass gut sein!“, flehte Linc. Über das Sexualleben seiner Mutter wollte er ganz sicher nicht nachdenken.

Doch Bettina tat so, als hätte sie nichts gehört. „Du hast immer so viel um die Ohren, dass du gar nicht mitbekommst, wie es deiner Schwester oder mir so geht.“ Sie legte eine Kunstpause ein. „Weißt du zum Beispiel, dass Sawyer einen Freund hat?“

Das wurde ja immer schlimmer! Linc schwirrte der Kopf, so sehr musste er sich anstrengen, um den komplizierten Wendungen, die dieses Gespräch nahm, folgen zu können. „Jemand, den ich kenne?“

„Du weißt doch, dass ich die Letzte bin, mit der sie über so was reden würde.“ Sawyer hatte miterlebt, wie Bettina sich in Lincs Leben einmischte, und ihre Konsequenzen daraus gezogen.

„Woher weißt du es dann?“

„Sawyer verheimlicht mir irgendetwas, das spüre ich.“

Linc hoffte sehr, dass die mütterlichen Antennen nicht jede Schwingung auffingen. Dass seine Mutter mitbekam, was er für Claire empfand, hätte ihm nämlich gerade noch gefehlt.

Wie vom Donner gerührt stand Claire zwischen den Supermarktregalen und starrte die Frau an. Wie konnte sie so etwas Ungeheuerliches behaupten? Claire wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Dass die Frau über die Trennung Bescheid wusste, war nicht weiter verwunderlich, aber dass sie, Claire, der Auslöser gewesen sein sollte … Ihr schwirrte der Kopf. Erst als die Frau Honey mit neu erwachtem Interesse musterte, gelang es Claire, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen.

„Ich und Linc Thurston? Das soll wohl ein Witz sein?“

„Ist es einer?“

„Sie haben da was missverstanden. Ich bin seine Haushälterin.“ Und nebenbei bemerkt absolut nicht sein Typ. Linc stand auf schöne, elegante Frauen mit Geld und gepflegten Umgangsformen. Ein Mann in seiner Position brauchte eine Frau, die ihm gesellschaftlich ebenbürtig war und mit der er glänzen konnte. Alles andere würde seine Mutter niemals akzeptieren.

Everlys Lächeln wurde anzüglich. „Aber ich bitte Sie: Der reiche Mann und das Stubenmädchen – das ist doch nichts Ungewöhnliches.“

In der Tat. Wenn Claire an all die Skandale im Zusammenhang mit prominenten Männern und ihren weiblichen Angestellten dachte, sei es Nanny, Sekretärin oder Haushälterin, schien diese Schlussfolgerung nicht einmal mehr so an den Haaren herbeigezogen zu sein.

„So einer ist Linc nicht“, erklärte Claire barsch und fragte sich im selben Atemzug, wieso sie sich überhaupt die Mühe machte, sich gegen eine derart abstruse Anschuldigung zu verteidigen.

„Sie sind eine Frau, Sie sind hübsch – Sie verstehen sicher, wie das aussieht.“

Claire wurde nachdenklich. Klar, ab und zu flirtete sie schon mit Linc – das kleine Geplänkel heute Morgen zum Thema Nacktbaden im Pool zum Beispiel. Ihr wurde siedend heiß, als ihr dämmerte, wie man das missverstehen konnte.

„Mir gegenüber verhält er sich absolut korrekt.“

Everly nickte, wirkte aber keineswegs überzeugt. Dennoch hätte Claire das Thema auf sich beruhen lassen, wenn sie nicht gewusst hätte, welchen Schaden schon die Andeutung eines Skandals in dieser Stadt anrichten konnte. Sie warf der Frau einen finsteren Blick zu. „Linc kann an jedem Finger zehn schöne und interessante Frauen haben“, fauchte sie. „Ich aber schrubbe nur seine Toilette, das ist weder schön noch interessant. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich muss einkaufen.“

Sie lief los, ehe die Frau etwas erwidern konnte, aber so leicht ließ sich die Fremde nicht abwimmeln. Mit laut klackernden Absätzen verfolgte sie Claire und stoppte sie, indem sie eine manikürte Hand auf den Griff von Claires Einkaufswagen legte.

„Es tut mir leid“, sagte die Frau sichtlich zerknirscht. „Das hätte ich nicht sagen sollen. Darf ich Sie als Entschädigung zum Lunch einladen?“

Claire stellte sich vor, wie das wohl aussehen würde, sie und Honey in einem der schicken Restaurants, wo Everly vermutlich Stammgast war, und hätte beinahe laut gelacht bei diesem abwegigen Gedanken.

„Das ist nicht nötig.“

„Oh bitte! Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen.“

Von dem Tempo, in dem die Frau von einer Gemütslage in die andere schaltete, wurde Claire schwindelig. „Nein, wirklich nicht.“

„Dann nehmen Sie wenigstens meine Karte. Rufen Sie mich an, wenn Sie mal einen freien Tag haben.“

Everlys Visitenkarte brannte beinahe ein Loch in Claires Tasche, aber es war einfacher, die Karte einzustecken und zu versprechen, sich bei Gelegenheit zu melden, als das Versöhnungsangebot schlankweg auszuschlagen.

Erst als Claire an der Kasse anstand, hatte sie sich einigermaßen gefasst. Eigentlich war die Vorstellung, dass Linc sich für eine graue Maus wie sie interessieren sollte, schon beinah komisch. Lächerlich! Als Claire dann mit der Einkaufstasche in der einen und ihrer Tochter an der anderen Hand den Laden verließ, hatte sie die Begegnung mit Everly bereits abgehakt. Für einen Promi zu arbeiten hatte eben auch seine Schattenseiten.

Sie verstaute die Lebensmittel im Kofferraum ihres zehn Jahre alten grauen Saab und schnallte Honey im Kindersitz fest. In diesem Wagen waren sie aus Kalifornien geflüchtet, nachdem Jaspers Eltern ihr mit einer Vormundschaftsklage gedroht hatten. Um ihre Spuren zu verwischen, hatte Claire ihr damaliges Auto verkauft und den Saab bar bezahlt. Er war auf den Namen eines Freundes zugelassen. Vermutlich wäre es besser gewesen, den Saab bei der Ankunft in Charleston sofort weiterzuverkaufen, aber aus einem unerfindlichen Grund fühlte sie sich in dieser Stadt außerordentlich sicher.

Ein bisschen hatte es sich angefühlt, wie nach Hause zu kommen, als sie zum ersten Mal durch die historische Altstadt gefahren war – auch wenn sie sich das nicht erklären konnte. Bis vor einem Jahr war sie nie weiter nach Osten gereist als bis Las Vegas.

Auf dem Heimweg schüttelte sie das mulmige Gefühl ab, das die merkwürdige Begegnung mit Everly hinterlassen hatte. Schließlich war es normal, dass in einer kleinen Stadt wie Charleston getratscht wurde. Linc war ein Liebling der Medien. Er war nicht nur einer der erfolgreichsten Baseballspieler, sondern sah auch noch gut aus, kam aus einer der vornehmsten Familien der Stadt und engagierte sich darüber hinaus tatkräftig im sozialen Bereich. Er war einer dieser Menschen, die, egal, wo sie hinkamen, sofort im Mittelpunkt standen, kurzum: Linc war ein Star.

„Manche Leute kommen auf Ideen“, murmelte Claire, während sie Honey aus dem Auto hob. Die Kleine lief schnurstracks zum Haus, ihre Mutter folgte mit den Einkäufen. Neben den Lebensmitteln hatte Claire auch Blumen besorgt, mit denen sie die Tafel dekorieren wollte. Sie plante, mehrere Gestecke zu binden, und zwar noch heute, damit sie sich am folgenden Tag ganz aufs Kochen konzentrieren konnte.

Gerade war sie dabei, die verderblichen Lebensmittel im Kühlschrank zu verstauen, als Honey sie am Rocksaum zupfte. Sofort wandte Claire sich um, und die Kleine reichte ihr eine schmale Schatulle, während sie über das ganze Gesicht strahlte. „Blau!“

„Richtig. Woher hast du das?“

Honey deutete auf den Tresen. Dort lag, wie Claire jetzt bemerkte, auch ein weißer Briefumschlag. Sie nahm das Etui und legte es zurück, auch wenn die Kleine heftig protestierte. „Das gehört uns nicht. Du darfst das nicht einfach nehmen.“

„Meins!“ Auch den Dickschädel hatte Honey von ihrem Vater geerbt. Trotzig kletterte sie auf einen Stuhl und wollte noch einmal nach dem Päckchen greifen.

Doch Claire hatte das schon geahnt. Rasch deponierte sie sowohl das Geschenk als auch den Umschlag in einem Regal außerhalb der Reichweite des Kindes. Schmollend stemmte Honey die Hände in die Hüften und bedachte ihre Mutter mit einem finsteren Blick, unter dem Claire kaum ernst bleiben konnte. Verstohlen schmunzelnd begann sie, das Mittagessen für die Kleine vorzubereiten.

Erst als Honey vor einem Teller mit kaltem Braten, Käse und Obst saß, vergaß die Kleine ihren Groll, und Claire konnte sich um den Blumenschmuck kümmern. Um ihre Ausbildung zur Köchin zu finanzieren, hatte sie zwei Jahre lang bei einem Floristen gejobbt, erst als Fahrerin, die die Ware auslieferte, später dann im Laden.

„Ich liebe diese Farben!“ Unbemerkt war Linc am Hintereingang aufgetaucht. Claires dummes Herz machte einen Satz. Großartig sah er aus in dem marineblauen Sakko mit dem kornblumenblauen Einstecktuch, das die Farbe seiner Augen widerspiegelte. Er kam an den Tisch, nahm eine halbmondförmige zartgoldene Freesie und schnupperte daran. „Und dieser Duft!“

„Findest du nicht auch, dass die super zu deinem Golden-Forest-Service passen? Diese Farbe und die Form! Ich könnte aber auch das Waterford-Geschirr aufdecken, das würde deiner Mutter gefallen. Was meinst du?“ Um ihre Nervosität zu überspielen, begann Claire, ohne Punkt und Komma zu plappern. Solange sie Linc mit einem unverfänglichen Thema wie der Auswahl des Tafelservice langweilte, lief sie nicht Gefahr, etwas richtig Doofes zu tun, wie ihm zum Beispiel von ihrer Begegnung mit Everly zu berichten.

Wenn er sie nur nicht so ansehen würde! Sofort tauchten Bilder in ihrem Kopf auf, die da nichts zu suchen hatten. Da hatte ihr die Frau im Supermarkt ja einen gewaltigen Floh ins Ohr gesetzt.

„Du hast vollkommen freie Hand. Du machst das schon.“ Langsam ließ er den Blick zu der Stelle wandern, wo das Päckchen gelegen hatte, dann sah er sich forschend um. Erst als er verwirrt die Stirn runzelte, dämmerte Claire, wonach er suchte.

„Da drüben, im Regal“, erklärte sie, während sie sich die Hände abwischte. „Ich musste die Sachen vor Honey in Sicherheit bringen. Sie lernt gerade die Farben und war super stolz, dass sie die Schachtel als blau identifiziert hat.“

„Blau“, krähte Honey und klatschte begeistert in die Hände. „Mama! Runter!“

„Erst wenn du aufgegessen hast, Mäuschen.“ Claire reichte Linc die Karte und das Päckchen.

„Wie? Du hast es gar nicht aufgemacht?“, fragte er verdutzt.

Claire schüttelte entrüstet den Kopf. So weit kam es noch! Das hatte sie jetzt davon, dass sie dermaßen auf ihn eingeredet hatte. Jetzt musste er ja annehmen, dass sie herumgeschnüffelt hatte und mit dem Wortschwall ihr schlechtes Gewissen überspielen wollte. Sie legte das Päckchen auf den Tresen und wandte sich ihren Blumen zu.

„Mami! Runter!“

Selbst die Stimme der Kleinen drang nur wie durch einen Nebel zu Claire durch. Ihr Kopf fühlte sich an wie mit Watte gefüllt, denn gerade beugte sich Linc zu ihr über den Tresen und lächelte sie an. Eine blonde Locke ringelte sich vorwitzig auf seiner Stirn und verlieh ihm einen jungenhaften Charme. Als würde er nicht ohnehin schon viel zu gut aussehen.

Die unselige Wirkung, die Linc auf mich hat, wird mit jedem Tag stärker, stellte Claire erschrocken fest. Wie es wohl wäre, wenn er sie in die Arme nehmen und küssen würde? Es überlief sie heiß und kalt, als sie sich vorstellte, von ihm gegen den Kühlschrank gedrängt zu werden und … Instinktiv ballte sie die Hände zur Faust … und schrie auf, als sich der Dorn der Rose, die sie in der Hand hielt, in ihren Daumen bohrte.

„Hast du nicht gelesen, was auf dem Umschlag steht?“

„Nein, warum?“, murmelte sie undeutlich, weil sie den Daumen in den Mund gesteckt hatte.

„Mama!“ Honey begann, in ihrem Hochstuhl auf und ab zu hopsen.

„Es ist für dich.“

Unter seinem verschmitzten Lächeln verwandelten sich ihre Knie in Pudding. Für sie? Wieso? Seinem zufriedenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen war er sehr stolz auf sich, und Claire konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern, auch wenn ihr Everlys skandalöse Unterstellungen immer noch im Ohr klangen.

„Für mich?“ Himmel, ging es vielleicht noch ein bisschen dämlicher?

„Da steht dein Name, oder?“ Linc tippte auf den Umschlag, wo in seiner charakteristischen Handschrift der Name Claire zu lesen stand.

Claires Puls schoss in schwindelerregende Höhen. „Ist das dein Ernst? Womit habe ich das verdient?“

„Eine kleine Aufmerksamkeit, weil du jetzt schon ein ganzes Jahr für mich arbeitest.“

Das Päckchen fühlte sich ziemlich schwer an. „Das war doch nicht nötig“, protestierte sie, aber sie war gerührt, dass er an den Jahrestag gedacht hatte, und über die Maßen erleichtert, dass das alles war, was dahintersteckte.

Sie arbeitete gern für ihn. Sein Haus war ihr eine Zuflucht geworden, und sie würde alles tun, damit es so blieb. Sich sicher zu fühlen war ein Luxus, den sie nicht mehr gekannt hatte, seit sie mit Honey schwanger geworden war.

„Ich wollte dir aber etwas schenken.“ Seine tiefe Stimme brachte ihren Körper zum Beben. „Willst du es nicht aufmachen? Ich bin gespannt, ob ich deinen Geschmack getroffen habe.“

Die Art, wie er das sagte, trieb Claire die Röte in die Wangen. Natürlich war es dumm, über eine kleine Aufmerksamkeit gleich derart aus dem Häuschen zu geraten, aber davon ließen sich die Schmetterlinge in ihrer Magengrube nicht stören. „Ich weiß, dass es mir gefällt. Du hast einen ausgezeichneten Geschmack.“

Linc verwöhnte seine Frauen: Seine Mutter sammelte Pillendöschen aus Emaille, also hielt er stets die Augen danach offen. Nie kreuzte er mit leeren Händen bei seiner Mutter auf. Mal brachte er ihr einen Blumenstrauß, mal kandierte Pekannüsse oder eine Flasche Craft-Bourbon mit, immer fand er etwas, womit er ihr eine Freude bereiten konnte. London hatte er teuren Schmuck oder Designerhandtaschen geschenkt, seine Schwester hatte ein Faible für technischen Schnickschnack, und immer wieder trieb Linc irgendwo ein Teil auf, das sie noch nicht kannte.

Claire fing mit der Karte an. Als sie sie aus dem Umschlag zog und das Motiv sah, legte sich ihre Nervosität ein wenig, auch wenn Lincs blaue Augen immer noch unverwandt auf ihr ruhten. Er hatte ein lustiges Motiv gewählt, einen breit grinsenden Hund, darunter stand Danke . Aber sobald sie las, was er geschrieben hatte, wurden ihre Augen feucht.

Du bist ein Lichtblick in meinem Leben. Danke für alles.

Linc

„Wie lieb von dir“, krächzte Claire und blinzelte heftig, um wieder klar sehen zu können. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie wohl wir uns hier fühlen. Du bist so freundlich zu uns beiden, so großzügig. Und geduldig.“ Sie deutete auf Honey, die inzwischen wie wild in ihrem Hochstuhl hin und her wippte und laut rufend auf sich aufmerksam machte.

Linc hob die Kleine aus dem Stühlchen. „Und ich bin froh, dass ihr da seid. Beide.“

Beim Anblick ihrer Tochter auf Lincs Arm wurde Claire normalerweise ganz warm ums Herz. Es war kein ungewohnter Anblick, denn Linc hatte eine Schwäche für die Kleine. Heute ging Claire dieses Bild jedoch an die Nieren. Ob das mit den ungeheuerlichen Andeutungen der Frau im Supermarkt zusammenhing? Oder mit Everlys Hinweis darauf, wie heikel Claires Stellung war, solange sie mit einem Mann unter einem Dach lebte, der nicht nur äußerst attraktiv, sondern zugleich auch ihr Boss war? Nicht, dass Linc diese Abhängigkeit ausnutzen würde. Aber was, wenn von ausnutzen gar nicht die Rede sein konnte?

Zum ersten Mal seit Jasper zu seinem letzten Einsatz aufgebrochen war, spürte Claire, wie ihr Körper sein Recht forderte. Lange Zeit hatte sie die eigenen Bedürfnisse ignoriert und sich stattdessen auf Honey konzentriert. Solange Linc mit London verlobt war, war er sowieso tabu gewesen. Aber jetzt war Linc Single, und Claire gestattete sich, eine Sekunde lang zu träumen. Sie stellte sich vor, die Arme um seinen Nacken zu schlingen und seine vollen Lippen zu küssen, während er seine starken Hände fordernd über ihren Körper gleiten ließ …

Halt! Stopp! Sie würde sich doch nicht etwa in ihren Boss verknallen?

3. KAPITEL

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es in der Küche, als Linc die Kleine auf den Boden herabließ. Einen Augenblick klammerte sie sich an seine Beine, dann flitzte sie kichernd nach nebenan zu ihren Spielsachen. Als er sich aufrichtete, betrachtete Claire den Inhalt der Schatulle mit einem Ausdruck, der ihm Angst einjagte.

„Gefallen sie dir nicht?“

Claire brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. „Das … das ist doch viel zu viel“, stammelte sie.

„Im Gegenteil, es ist noch lange nicht genug.“

„Sie sind wunderschön.“

„Du magst Türkis, stimmt’s?“

Claire holte tief Luft, und Linc wurde nervös. War er zu weit gegangen? Hätte er nicht erwähnen sollen, dass er sich an ihre Lieblingsfarbe erinnerte? Hätte er etwas Klassischeres wählen sollen, auch wenn es weniger ihrem Stil entsprach?

„Die sind absolut außergewöhnlich“, flüsterte sie.

„Ich habe sie aus der Boutique von Sawyers Freundin. Sie stammen von einem Goldschmied aus Charleston, der nur Einzelstücke anfertigt. Ich dachte, so was gefällt dir vielleicht.“

„Und wie!“ Sie lächelte zwar, wirkte aber nicht sehr erfreut.

„Ehrlich? Ich kann sie problemlos umtauschen“, versicherte er, auch wenn er insgeheim hoffte, dass sie den Schmuck behielt. Er hätte es schön gefunden, wenn sie etwas trug, das er ausgesucht hatte.

„Auf keinen Fall! Ich finde sie wunderschön und werde sie in Ehren halten. Vielen, vielen Dank.“ Mit diesen Worten klappte sie die Schatulle zu und legte sie beiseite. Das Gespräch war beendet.

Schade! Wie es aussah, würden die Ohrringe in einer Schublade landen und nie wieder das Tageslicht erblicken. So hatte Linc sich das nicht vorgestellt. Er hatte gehofft, dass Claire sie tragen und dabei jedes Mal an ihn denken würde. Jedes Mal, wenn ein Ohrring ihren Hals streifte, sollte sie sich vorstellen, es wären seine Lippen. Wenn er Claire schon nicht berühren durfte, dann sollten wenigstens die Ohrringe die Chance haben, ihre samtige Haut zu streicheln.

„Willst du sie nicht anprobieren?“

Sie schüttelte den Kopf. „Die sind viel zu schick für jeden Tag.“

„Dann trag sie wenigstens heute Abend, wenn ich euch zum Essen ausführe.“

Entgeistert starrte sie ihn an. „Essen? Heute?“

„Teil zwei der Feierlichkeiten zum Jahrestag.“

„Aber ich muss noch so viel vorbereiten für das Dinner morgen.“

„Deswegen sollst du heute nicht auch noch am Herd stehen. Sieh es als Dankeschön für alles, was du für mich getan hast.“

Sie bewegte die Lippen, als wollte sie widersprechen, aber schließlich willigte sie ein. „Darf ich das Lokal aussuchen?“

„Gern. Denkst du an ein bestimmtes?“

„Es gibt da ein Fischrestaurant am Wappoo Creek, wo ich schon lange mal hinwollte.“

„Wenn du guten Fisch essen willst: Das Restaurant des Jachtclubs soll ganz ausgezeichnet sein.“

Falsche Antwort, das verriet ihm ihr Blick.

„Nein, es sollte schon ein Lokal sein, in dem Kinder willkommen sind.“

„Im Jachtclub sieht man ständig Familien, du musst dir keine Sorgen machen.“

Erneutes Kopfschütteln. „Wie war’s bei deiner Mutter?“

Der abrupte Themenwechsel erinnerte ihn an seinen Auftrag, und er verzog das Gesicht. „Sie plant eine Party und lässt fragen, ob du das Catering übernehmen würdest.“

„Selbstverständlich.“ Man konnte förmlich sehen, dass sich die Rädchen in Claires Kopf bereits drehten und sie im Geist ein Menü zusammenstellte. „Wann?“

„In zwei Wochen.“

Jede andere Frau hätte vermutlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, Claire jedoch nickte nur. „Und der Anlass?“

„Nichts Besonderes.“ Dass seine Mutter vorhatte, ihn den Wölfinnen zum Fraß vorzuwerfen, behielt er lieber für sich.

„Wie viele Personen?“

„Keine Ahnung.“

Er musste barscher geklungen haben als beabsichtigt, denn Claire musterte ihn erstaunt, bevor sie sagte: „Am besten rufe ich sie an, um die Details zu besprechen.“

„Aber sag es bitte, wenn es dir zu viel wird. Du musst dir das nicht auch noch aufhalsen.“

Sie winkte ab. „Keine Sorge. Ich frage Steve und Jenny, ob sie helfen können, und selbst wenn sie keine Zeit haben, kennen sie sicher jemanden, der mir ein bisschen zur Hand gehen kann.“ Claire betrachtete die Blumen auf der Arbeitsplatte. „Aber jetzt sollte ich mich wieder an die Arbeit machen, es gibt noch allerhand zu tun.“

Sie verabredeten sich für sechs Uhr, sodass sie in Ruhe essen konnten und Honey trotzdem einigermaß...

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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