So kühl und doch so heiß

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Für Karrierefrau Lara steht die Arbeit an erster Stelle. Sich zu verlieben gehört nicht zu ihrer Lebensplanung. Aber dann bekommt sie einen neuen Boss - den attraktiven Playboy Bryce Braddock. Und plötzlich beginnen Laras Hormone verrückt zu spielen!


  • Erscheinungstag 27.09.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733753375
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Archer Braddock setzte sich in einen Sessel auf der Terrasse und faltete die Hände über dem gebogenen Griff seines Gehstocks. Er vermisste seine Frau heute mehr als sonst. Sechsundfünfzig Jahre waren sie verheiratet gewesen. „Ach Janey“, murmelte er, während er zu dem Gartenpavillon blickte, in dem Adam, sein ältestes Enkelkind, und Katie sich vor wenigen Stunden das Jawort gegeben hatten. „Es war eine schöne Hochzeit, findest du nicht auch?“

Die einzige Antwort war das fröhliche Lachen aus dem Innern des Hauses, wo sich die Familie mit Freunden zu einer Feier zusammengefunden hatte. Es war eine unkonventionelle Hochzeit. Klein, familiär, spontan. Sicher nicht das pompöse Fest, das man auf Rhode Island vielleicht von einer alteingesessenen und traditionsreichen Familie wie den Braddocks erwartet hätte. Die Verlobung von Katie Canton und Adam Braddocks war erst vor einer Woche auf Archers Geburtstagsparty bekannt gegeben worden. Acht hektische Tage hatten genügen müssen, um die Gäste einzuladen und die Einzelheiten der Zeremonie mit Pastor Dan von der First Methodist Church in Sea Change zu besprechen. Trotzdem war diese Hochzeit für Katie und Adam die Erfüllung ihrer Träume. Ein einfaches, ehrliches Erlebnis sollte den Beginn ihres gemeinsamen Lebens markieren.

Für alle Beteiligten stand heute schon fest, dass ihre Ehe ebenso unkonventionell verlaufen würde wie die Hochzeit. Vor einer halben Stunde hatte das Brautpaar Braddock Hall verlassen und war nun nach Omaha unterwegs, einem Ort, den sie beide nicht kannten. Sie hatten versprochen, sich von dort zu melden, nun ja. Katie war ein freiheitsliebender Mensch, und Adam wollte ihr ein ganzes Jahr lang folgen, ohne über den nächsten Tag hinaus zu planen. Er wollte lernen, in der Gegenwart zu leben. Für ihn war dies eine Kehrtwendung von hundertachtzig Grad, die Archer mit besonderer Freude beobachtete. Hätte sein Enkel Katie nicht kennengelernt, dann hätte er seiner Seele vielleicht nie etwas Zeit zum Atmen gegönnt.

„Ach, hier bist du, Archer. Ich habe dich gesucht“, sagte Ilsa Fairchild, während sie über die Terrasse zu ihm kam. „James meinte, du hättest dich vielleicht heimlich zurückgezogen, aber ich dachte mir schon, dass du hier draußen bist.“

Archer hatte immer noch das Bedürfnis, sich wie ein Gentleman zu benehmen, wenn eine attraktive Frau sich ihm näherte, aber mit seinen neunundsiebzig Jahren taten ihm seine Beine diesen Gefallen nicht mehr. Also begrüßte er seinen Gast mit einem Lächeln. „Schön, dass du mich gefunden hast“, sagte er. „Ich hatte gerade ein kleines Gespräch mit Jane. Ich habe sie gefragt, wie ihr die Hochzeit gefallen hat.“

„Sicher hatte sie den besten Platz, den es im Himmel gibt.“ Mit einem entspannten Seufzer setzte Ilsa sich in einen Sessel. „Es war eine schöne Hochzeit.“

„Das habe ich zu Janey auch gesagt. Ich glaube, sie wollte mich gerade daran erinnern, dass diese Heirat dein Verdienst ist.“

„Ich habe nur die Idee ins Spiel gebracht. Alles Weitere lag allein bei Adam und Katie.“

„Trotzdem beweist du einen ungewöhnlichen Scharfblick, wenn es um Ehestiftungen geht. Ich selbst hatte anfangs meine Zweifel. Aber inzwischen glaube ich fest an die beiden.“

„Du hattest immer einen festen Glauben, Archer. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dir gern helfe, für deine drei Enkelsöhne die passende Frau zu finden.“

„Und was wären die anderen Gründe?“

Sie lächelte schelmisch. „Es ist nicht von Nachteil, dass du dir mein Honorar leisten kannst.“

„Du hast es dir längst verdient.“ Archer machte eine nachdenkliche Pause. „Noch lieber wäre es mir allerdings, wenn mein Sohn sich von dir hätte helfen lassen.“

„James ist verlobt.“ Ihr Tonfall verriet, dass sie über dieses Thema nicht sprechen wollte.

„Zurzeit“, erwiderte Archer, was bedeutete, dass er die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, für seinen vierundfünfzigjährigen Sohn eine geeignetere Partnerin als seine derzeitige Verlobte zu finden. „Erzähl. Wen hast du für Bryce ausgesucht?“

„Archer, diese Entscheidung muss er schon selber treffen“, schalt sie ihn sanft. „Ich kann nur darüber nachdenken, ob er vielleicht eine Möglichkeit übersehen hat.“

Archer lachte leise. „Ich hätte wissen müssen, dass du viel zu professionell bist, um mir deine Geheimnisse zu verraten. Aber du hast recht, Ilsa. Ich vertraue deiner Menschenkenntnis und hoffe, dass mein mittlerer Enkelsohn sich zur Abwechslung einmal in die richtige Frau verliebt. Er wird schon noch lernen, dass es auch andere Dinge gibt, als sich mit Freunden zu amüsieren und den Prince Charming zu spielen.“

„Ich glaube, Bryce könnte dich überraschen.“

Archer atmete die weiche Luft des Sommerabends ein und sammelte Kraft, die er für den Weg ins Haus brauchte. „Hoffentlich“, sagte er. „Ich bin nämlich dabei, eine Bombe in seinen lässigen Lebensstil zu werfen.“

„Eine Bombe?“

Archer stützte sich auf seinen Gehstock und erhob sich mühsam aus dem Sessel. Als er sicher auf seinen Beinen stand, schob Ilsa ihre Hand unter seinen Ellbogen. Auf diese Weise konnte sie ihn stützen und ihm zugleich das Gefühl geben, dass er sich wie ein Gentleman verhielt. Sie war eine wundervolle Frau. Ein feiner Mensch mit Anstand und Grazie. Wenn er nicht zu alt für sie gewesen wäre und seine verstorbene Frau nicht immer noch lieben würde, dann hätte er versucht, sie für sich zu gewinnen. Aber er war kein Narr. Er wusste, dass zwischen Ilsa und seinem Sohn Funken sprühten, die sich vielleicht doch noch zu einem Feuer ausweiteten. Schließlich war Ilsa eine raffinierte Ehestifterin.

„Eine Bombe von atomarer Dimension“, bestätigte er, während sie zum Haus gingen. „Und ich denke, der Moment zum Abwurf ist günstig.“

1. KAPITEL

Bryce Braddock mochte Hochzeiten nicht. Das war eigentlich unverständlich, da er doch fast alle Aspekte von Hochzeiten genießen konnte. Die festliche Atmosphäre, die frischen Blumen, das romantische Kerzenlicht. Normalerweise wurde sanfte Musik gespielt, es wurde eng getanzt, es gab gutes Essen und teuren Champagner. Außerdem herrschte ein Überfluss an attraktiven Frauen, die – von der romantischen Stimmung angesteckt – einem Flirt nicht abgeneigt waren. Kurz gesagt, alle Elemente einer guten Party vereinten sich bei einer Hochzeit. Und was liebte Bryce mehr als eine gute Party?

Es war die Trauungszeremonie selbst, die ihm die Freude nahm. Die feierlichen Schwüre von „lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet“ verdarben ihm die Stimmung. Er hatte nie darüber nachgedacht, ob seine Abneigung gegen die Ehe vielleicht durch seinen Vater geprägt war, der seinen Eheschwur nicht weniger als sechsmal gebrochen hatte. Als er aber vor wenigen Stunden gehört hatte, wie sein Bruder Adam den Schwur voller Zuversicht nachgesprochen hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass etwas anderes ihn vor der Ehe zurückschrecken ließ. Die Furcht zu versagen. Er hatte sein Leben in der Obhut seiner Großeltern verbracht, die sich von Herzen geliebt hatten und die ihm ein Vorbild waren. Er wollte einfach nicht das Risiko eingehen, in einer so wichtigen Sache zu versagen.

Bryce war anders als Adam. Er besaß nicht dieses unerschütterliche Selbstvertrauen und den untrüglichen inneren Kompass, der mit absoluter Genauigkeit nach Norden zeigte. Und trotzdem war Adam eine Frau wie Katie über den Weg gelaufen. Vor zwei Monaten hatte er nicht einmal geahnt, dass er heute den Eheschwur sprechen würde. Warum also sollte es nicht möglich sein, dass auch Bryce sich in einigen Monaten in dem Blütenpavillon wiederfand und die süßen Worte „Ja, ich will“ sprach?

Aber sicher. Das war ungefähr so wahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass der Aufsichtsrat ihm die Nachfolge für Adams Job als Chef von Braddock Industries anbot.

„Ob Sie es glauben oder nicht, ich bin sehr glücklich, dass Sie heute wieder Ihre übliche Ignoranz gegenüber den Traditionen bewiesen haben.“

Bryce erkannte die Stimme, ohne sich umdrehen zu müssen. Er hörte sie manchmal in seinen Albträumen. „Sie glücklich zu machen, ist mir ein besonderes Vergnügen, Lara“, erwiderte er und zwang sich, sie nicht anzuschauen. Es war eine dieser kleinen Gemeinheiten des Lebens, dass ausgerechnet Lara, die nie etwas Nettes zu ihm oder über ihn sagte, vermutlich die schönste Frau war, die er je gesehen hatte. „Aber wenn Sie mir Honig ums Maul schmieren wollen, damit ich Ihnen Katies Strauß überlasse, haben Sie Pech gehabt. Ich habe den Brautstrauß gefangen, und ich behalte ihn.“

„Glauben Sie mir, ich werde Ihnen niemals irgendetwas ums Maul schmieren, Bryce.“

So kannte er Lara, und so gefiel sie ihm ganz und gar nicht. „Vorsicht. Man soll niemals nie sagen.“

„Nie“, wiederholte sie überzeugt. „Es passt zu Ihnen, dass Sie die arme Thea Berenson zur Seite geschoben haben und ihr den Strauß vor der Nase weggeschnappt haben.“

Bryce hatte niemanden zur Seite geschoben. Er hatte nur über die Köpfe der anderen hinweg gelangt. Aber Lara neigte dazu, stets das Schlechteste von ihm zu denken. Und er ließ seinerseits keine Gelegenheit aus, sie darin zu bestärken. „Ach, war das Thea?“, fragte er. „Ich dachte, Sie wären es gewesen.“ Nun drehte er sich zu ihr um. Wie immer verschlug ihm ihre nordische Schönheit für einen Moment die Sprache. Lara war groß, bestimmt eins fünfundsiebzig ohne die Stöckelschuhe. Sie hatte silberblondes Haar, das sie zu einem Knoten frisierte. Ihre Haut war makellos rein. Ihre violettblauen Augen erinnerten an den Abendhimmel kurz nach Sonnenuntergang. Im Moment funkelten allerdings keine Sterne an diesem Himmel. Lara blickte ihn abschätzig an.

„Wenn ich den Strauß hätte fangen wollen, dann hätten Sie ihn nicht bekommen.“

„Ihr eisernes Selbstvertrauen gehört zu den Dingen, die ich an Ihnen am meisten mag, Lara.“ Er stellte sein Weinglas ab, beugte sich zu ihr und sprach etwas leiser. „Aber Sie können ruhig ehrlich sein. Ab einem bestimmten Alter tickt die biologische Uhr wie eine Zeitbombe. Ich weiß, dass die Frauen dann verzweifelt nach einem Ehemann Ausschau halten. Und es könnte ja an dem alten Aberglauben doch etwas dran sein, dass diejenige, die den Strauß fängt, die nächste Braut wird.“ Als sie ihn wütend ansah, fuhr er in großzügigem Tonfall fort: „Für Sie bin ich bereit, mir die Sache zu überlegen, wenn Sie mir die eine oder andere sexuelle Gefälligkeit anbieten würden. Der Strauß könnte Ihnen gehören, solange der Preis stimmt.“

Ihr sarkastisches Lächeln war Belohnung und Bestrafung zugleich. „Was sind Sie doch immer für ein Gentleman.“

Eines Tages würde er gern ein ehrlich gemeintes Lächeln von Lara Richmond bekommen. Doch dieser Tag war offenbar heute nicht. „Eigentlich bin ich nur der falsche Bruder“, verbesserte er sie. „Ich glaube, der, den Sie haben wollten, hat gerade geheiratet.“

Sie wurde steif wie ein gestärktes Hemd. „Wie bitte?“

„Entspannen Sie sich. Ihr Geheimnis ist bei mir sicher.“

„Wenn ich ein Geheimnis hätte, was nicht der Fall ist, würde ich es Ihnen zuletzt anvertrauen.“

„Okay, wie Sie meinen. Aber Sie können trotzdem zugeben, dass Sie in Adam verliebt sind. Die Hälfte der anwesenden Frauen hat heute nicht vor Freude geweint.“

„Verliebt?“, wiederholte sie, als hätte das Wort einen unangenehmen Beigeschmack. „Zu Ihrer Information, Ihr Bruder und ich sind befreundet. Sicher gehören Freundschaften bisher nicht zu Ihren Erfahrungen. Aber Sie sollten es einmal ausprobieren.“

„Mit einer Frau befreundet sein? Warum sollte ich mir eine vielversprechende Romanze durch eine platonische Freundschaft ruinieren?“

Sie wurde rot. Auch das war eine übliche Reaktion bei Begegnungen mit ihm, selbst wenn er sie nicht provozierte. „Sie haben recht, Bryce. Mit Ihrer dekadenten Fantasie können Sie natürlich nicht verstehen, dass ich Adam wegen seiner Intelligenz und seines geschäftlichen Scharfsinns bewundere.“

„Große Worte“, bemerkte Bryce vergnügt. „Wollen Sie mich mit Ihren sprachlichen Fähigkeiten beeindrucken?“

„Damit würde ich meine Zeit nicht verschwenden. Ich weiß sowieso nicht, warum ich geglaubt habe, wir könnten bei dieser festlichen Gelegenheit ein paar Höflichkeiten austauschen. Mein Fehler.“

Es tat ihm leid, dass sie sich verärgert von ihm abwandte. „Sie haben recht“, lenkte er hastig ein, während er dem vorbeigehenden Kellner zwei Weingläser vom Tablett nahm. „Wir sollten diese einmalige Gelegenheit nutzen, um das Kriegsbeil zu begraben.“ Er hielt ihr ein Glas hin und erhob das eigene, bevor sie ablehnen konnte. „Trinken wir auf meinen Bruder und seine Braut. Mögen sie miteinander so glücklich sein wie wir beide ohne einander.“

Darauf wird sie bestimmt anstoßen, dachte er innerlich schmunzelnd.

Tatsächlich nahm Lara das Glas. „So soll es sein!“, sagte sie, bevor sie einen Schluck trank.

Sie hatte wunderschöne volle Lippen, die vom Lippenstift und vom Wein leicht glänzten. Dies war einer der Momente, wo er sich wünschte, sie würde ihn nicht hassen. „Wo ist der Kleine?“, erkundigte er sich, einerseits um das Gespräch mit ihr fortzusetzen, andererseits aber auch, weil es ihn interessierte, wie die Eiskönigin Lara mit ihrem kleinen Neffen zurechtkam.

„Calvin?“, fragte sie argwöhnisch, als vermutete sie eine Falle.

„Heißt er so?“

„Ja.“ Sie zögerte immer noch und suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Ironie oder Schadenfreude.

„Woher wissen Sie von Cal?“

Bryce zuckte die Achseln. „Adam hat mir von ihm erzählt.“

Sie seufzte. „Es ist ein Babysitter bei ihm“, sagte sie. „Wir hätten beide nicht viel Spaß gehabt, wenn ich ihn zur Hochzeit mitgenommen hätte.“

„Ich habe den Eindruck, Sie amüsieren sich auch ohne ihn nicht besonders.“

Ihr kurzer Seitenblick verriet, dass er sich nicht geirrt hatte. „Ich bin ein bisschen … durcheinander. Die Ereignisse haben sich ja regelrecht überschlagen. Es war letzte Woche im Büro mehr als chaotisch.“

„Dann hätten Sie mal hier sein sollen. Monica hat uns mit ihren Ideen für die Hochzeit alle verrückt gemacht. Selbst Peter hat sich aufgeregt, und Sie kennen meinen Bruder ja. Und er ist sonst so ruhig wie das Auge eines Hurrikans.“

Lara drehte das Glas zwischen ihren langen, schlanken Fingern. „Wer ist Monica?“

Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die kleine brünette Person, die wie eine Klette an ihrem Verlobten klebte. „Meine zukünftige Stiefmutter“, sagte er. Dann trank er einen Schluck Wein. „Nummer sechs oder sieben. Man verliert den Überblick.“

Lara schaute kurz zu der Brünetten hinüber. „Ich dachte, Ihr Vater wäre mit der netten Frau verlobt, die während der Trauung neben Ihrem Großvater gesessen hat.“

„Ilsa Fairchild?“ Bryce schüttelte den Kopf. „Sie ist eine Freundin der Familie“, erklärte er. „Ich wünschte, mein Vater wäre klug genug, sich in eine Frau mit ihrem Niveau zu verlieben. Das wäre zur Abwechslung einmal etwas anderes.“

Lara trank ihren Wein, während sie Monica beobachtete. „Sie sieht nicht gerade glücklich aus.“

Wahrscheinlich hat Dad ihr ausnahmsweise einmal einen Wunsch abgeschlagen, dachte Bryce, als er Monicas Schmollmund sah. „Sie sieht immer so aus.“ Alle außer seinem Vater waren der Meinung, dass James und Monica nicht das ideale Paar waren. Aber wo gab es das schon, das ideale Paar? Er kannte nur zwei: seine Großeltern und nun Adam und Katie.

„Sie ist sehr hübsch“, sagte Lara. „Und jung.“

„Das waren alle meine Stiefmütter. Sonst würde sich mein Vater nicht für sie interessieren.“ Der bittere Unterton in seiner Stimme ermahnte ihn, das Thema zu wechseln. Lara sollte nicht glauben, dass man sich mit ihm zivilisiert unterhalten konnte. Sonst würde sie womöglich ihre Meinung über ihn ändern. „Wie sieht es aus“, begann er unvermittelt gleichmütig, „haben Sie schon Ihr Namensschild poliert oder Pläne gemacht, wie Sie Adams Büro umgestalten?“

„Wie bitte?“ Die Frage schien sie zu irritieren.

„Es ist eine ganze Woche her, dass Adam zurückgetreten ist. Sagen Sie nicht, dass Sie noch keinen Termin mit Natalie Ossman gemacht haben. Oder hat ein anderer Innenarchitekt Providence erobert?“

„Wovon reden Sie?“

„Kommen Sie, Lara, wir wissen doch beide, dass Sie geeignet und bereit sind, bei Braddock Industries in Adams Fußstapfen zu treten.“

Eiszapfen hätten nicht kälter sein können als ihr Blick. „Der Aufsichtsrat wird mir die Position nicht anbieten, auch wenn es nur gerecht wäre. Es gibt niemanden, der besser qualifiziert ist und die Firma mehr liebt als ich.“

Sie jedenfalls bestimmt nicht, lautete der unausgesprochene Zusatz. Lara enttäuschte ihn nie mit falschen Schmeicheleien. „Ich bin ganz Ihrer Meinung“, sagte er plötzlich ernst. „Und außerdem finde ich, Sie hätten den Job verdient.“

Sie blinzelte. „Tatsächlich?“

„Ja.“ Bryce hielt es durchaus für möglich, dass der Aufsichtsrat sie für den Job als Firmenchef vorschlug, was nach seiner Auffassung für das Unternehmen ein Gewinn wäre. Allerdings würde ihn niemand nach seiner Meinung fragen. „Mehr als ich auf jeden Fall.“

„Ich hoffe, Sie erwarten nicht, dass ich Ihnen in diesem Punkt widerspreche.“

Seltsam, genau das hatte er erwartet. Aber nur, weil sie nie mit ihm einer Meinung war, ganz gleich, ob er recht hatte oder nicht. Seit fünf Jahren arbeitete sie nun als Adams Assistentin bei Braddock Industries. Und es war Bryce in dieser Zeit nicht gelungen, sie davon zu überzeugen, dass er nicht der Trottel war, für den sie ihn hielt. Sie glaubte daran, dass er nicht mehr Tiefgang als ein Planschbecken hatte. Und irgendwie kränkte ihn das. „Ob Sie es glauben oder nicht, Lara, man kann sich mit mir auch unterhalten, ohne mit mir zu streiten.“

„Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der Aufsichtsrat Sie in Betracht zieht“, sagte sie mit schonungsloser Offenheit. „Und selbst wenn es so wäre, Sie haben doch in Ihrem Leben noch nie gearbeitet und würden den Job gar nicht annehmen.“

„Sie sollten aber auch nicht damit rechnen, dass man Ihnen die Position anbietet.“

Lara zog eine Augenbraue hoch. „Ich rechne mit gar nichts“, sagte sie abweisend. „Dann ist das Leben sicherer.“

„Und langweilig.“

„Nun, wir können nicht alle so ein faszinierendes Leben führen wie Sie, Bryce. Irgendjemand muss auch Verantwortung übernehmen.“

Dieses Gespräch wurde ihm bei Weitem zu persönlich. Er hatte Zeit seines Lebens im Schatten seines großen Bruders gestanden. Und nun sollte er es sich gefallen lassen, dass Lara Adams Rolle übernahm? „Ja, Lara, jemand muss die Verantwortung tragen. Und ich bin sehr glücklich, dass ich es nicht tun muss.“

„Dann sind wir uns ja einig.“

Damit drehte sie sich hastig um und wollte ihn stehen lassen, aber der Weg wurde ihr von Archer Braddock und Ilsa Fairchild versperrt, die Arm in Arm wie ein verliebtes Paar auf sie zukamen.

„Lara“, sagte Archer lächelnd. „Sie sehen wundervoll aus, meine Liebe. Ich weiß, Sie werden Adam ebenso vermissen wie wir.“

„Vielleicht sogar noch mehr.“

Archers Lachen klang rau und ein wenig erschöpft. „Wahrscheinlich haben Sie recht. Kennen Sie Mrs. Fairchild schon?“ Er schenkte Ilsa ein Lächeln. Dann fiel ihm ein, dass er sie vor der Trauung schon vorgestellt hatte. „Ach ja, natürlich.“

„Ja“, sagte Lara lächelnd. „Es war eine schöne Hochzeit.“

„Schön und ungewöhnlich“, stimmte Ilsa zu. „Genau wie Katie, finden Sie nicht?“

„Möglich. Ich kenne Katie nicht sehr gut.“

Plötzlich wurde Bryce klar, warum sie so gereizt war. Zum Teil, weil sie ihn nicht mochte. Aber es gab noch einen anderen Grund. Sie war verunsichert. Sie hatte geglaubt, Adam zu kennen, vielleicht sogar besser als jeder andere. Dann hatte er Katie getroffen und sich in einen völlig anderen Menschen verwandelt. Er hatte sich aus der Firma zurückgezogen. Und damit stand plötzlich auch ihr Job infrage.

Bryce glaubte nicht, dass man sie entlassen würde. Er war davon überzeugt, dass sie die Firma auch ohne die Ratschläge eines Braddock leiten konnte. Sie liebte ihren Beruf leidenschaftlich. Das sah jeder sofort, der sie im Büro beobachtete. Aber Braddock Industries war ein Familienunternehmen. Wenn sein Vater James oder sein Bruder Peter an Adams Stelle traten, konnte man nicht ausschließen, dass Lara durch jemanden ersetzt wurde, der Adams Schrein nicht so ergeben anbetete. Was nach Bryces Auffassung ein großer Verlust für die Firma wäre. Aber ihn würde man ganz bestimmt nicht nach seiner Meinung fragen.

„Bryce“, wandte Archer sich im selbstbewussten Ton eines Vorstandsvorsitzenden an ihn. „Dir darf man ja heute auch gratulieren.“

Bryce grinste. Sein Großvater schien es mit Humor zu nehmen, dass er mit der alten Tradition gebrochen und selbst nach dem Brautstrauß gegriffen hatte, anstatt ihn den ledigen Frauen zu überlassen. „Es wäre aber übertrieben, wenn du meine bevorstehende Hochzeit ankündigen würdest, Großvater“, sagte er scherzend.

Archer lächelte und legte die Hand auf Bryces Schulter. „Ich könnte aber ankündigen, dass du zum neuen Chef von Braddock Industries ernannt wirst. Der Vorstand hat gestern getagt und sich einstimmig für dich entschieden. Glückwunsch.“

Bryce blinzelte benommen. Firmenchef? Adams Nachfolger? Er? Seine Mund wurde trocken. „Warum?“, murmelte er einfältig. Aber sein Großvater ging bereits weiter. Er schien sich mehr als sonst auf seinen Stock zu stützen. Seine leicht hängenden Schultern zeigten die Spuren einer anstrengenden und aufregenden Woche.

Und plötzlich verspürte Bryce einen Adrenalinschub in seinen Adern. Er war der neue Chef! Der Vorstand hatte ihn gewählt. Einstimmig. Das konnte nur Adams Werk sein. Vielleicht hatte auch Archer hinter den Kulissen seinen Einfluss geltend gemacht. Auch sein Vater hatte sich vielleicht für ihn starkgemacht. Bryce würde nie behaupten, dass er eine solche Chance verdient hatte, aber er griff nun gern mit beiden Händen danach und betrachtete sie als ein Geschenk. Was sicher von Adam auch so gemeint war.

„Wow“, sagte er, während er sich Lara zuwandte und ihrem zornigen Blick begegnete.

„Glückwunsch“, sagte sie mit zusammengebissen Zähnen. „Meine Kündigung liegt am Montagmorgen auf Ihrem Schreibtisch.“ Damit verschwand sie und bemerkte nicht einmal, dass sie ihm das Lächeln aus dem Gesicht gewischt hatte.

2. KAPITEL

„Sieh mal, Mommy!“

Lara hätte nicht sagen können, wie oft die hohe Kinderstimme sie nun innerhalb der letzten fünf Minuten gestört hatte. Seufzend legte sie ihren Platinkugelschreiber beiseite und ging um den großen Mahagonischreibtisch herum. Sie ergriff die Rückenlehne des schwarzen Ledersessels, der sich drehte, und hielt ihn an. Dann beugte sie sich hinunter, bis sie mit ihrem Neffen auf Augenhöhe war. „Calvin“, sagte sie mit all der Geduld, die sie nach einem anstrengenden Wochenende am Montagmorgen aufbringen konnte. „Ich bin Tante Lara, verstanden? Wie oft soll ich dir das noch erklären?“

Vor zwölf Tagen hatte sie den vierjährigen Jungen vor ihrem nichtsnutzigen Bruder Derrick gerettet. Und seitdem wiederholte sie diese Erklärung mehrmals täglich. „Ich bin nicht deine Mommy.“

Calvin sah sie aus seinen großen braunen Augen an. Dann grinste er. „Ja, ich weiß.“

Lara erwiderte sein Lächeln. Sie konnte dem Kleinen einfach nicht böse sein und wollte alles tun, damit er sich wohlfühlte. Seine Situation war weiß Gott schwierig genug. „Was wolltest du denn von mir, Cal?“, fragte sie ihn.

„Du sollst mir noch mal Schwung geben“, verlangte er.

Sie tat ihm den Gefallen und setzte den großen schwarzen Ledersessel, der ihm als Karussell diente, in Bewegung.

Es war Adams Sessel. Adams Büro, in dem sie sich heute wahrscheinlich zum letzten Mal aufhielt. Eigentlich war sie nur hier, weil sie ihre Kündigung auf den Schreibtisch legen wollte. Doch dann hatte ihr Neffe das Wunder eines Drehsessels entdeckt. Und sie selbst hatte einen Fehler in ihrem Kündigungsschreiben bemerkt.

Auf keinen Fall wollte sie Bryce Braddock Erfolg wünschen. Das wäre unehrlich und unter ihrem Niveau. Sie konnte sich einen besseren Abgang verschaffen. Also grübelte sie über eine elegante Formulierung nach, um ihm mitzuteilen, dass sie ihm den Job als Firmenchef nicht zutraute.

Ob ihr Erzfeind derartige Überlegungen überhaupt wert war, bezweifelte sie allerdings. Wie konnte der Aufsichtsrat nur einen so verantwortungslosen und egoistischen Faulenzer in diese Position wählen. In einer gerechten Welt wäre Bryce Braddock in dieser Firma nicht einmal Hausmeister geworden. Er war zwar mit Abstand der charmanteste und attraktivste der drei Braddock-Brüder, aber er war auch in gleichem Maße inkompetent und oberflächlich. Dass ausgerechnet er Adams Stuhl einnahm, war lächerlich, schrecklich und leider wahr.

Sie sollte die Kündigung auf den Schreibtisch legen, ihre Sachen zusammenpacken und das Gebäude verlassen, bevor sie noch jemandem begegnete. Aber diese Einsicht kam zu spät. Sie hörte nebenan eine Tür klappen. Im nächsten Moment stand Nell Russell, Adams Sekretärin, in der Tür. „Oh, guten Morgen. Sie sind früher hier als sonst.“

„Hallo!“, rief Calvin aus dem sich immer noch drehenden Sessel. „Wer bist du?“

„Ich bin Mrs. Russell. Und wer bist du?“

„Calvin.“ Im nächsten Moment hatte der Junge das Interesse an ihr verloren und stieß sich mit seinen Turnschuhen am Schreibtisch ab, um sein ledernes Karussell erneut in Fahrt zu bringen.

„Hat das Kindermädchen Sie im Stich gelassen?“, erkundigte sich Nell freundlich.

Autor

Karen Toller Whittenburg
Karen Toller – Whittenburg hat an beiden Küsten Amerikas gelebt – der Atlantik- und der Pazifikküste. Sie bevorzugt die Landschaft von Nordost – Oklahoma, wo sie aufgewachsen ist. Sie mag den Wechsel der Jahreszeiten in Tulsa, wo sie mit ihrem Ehemann, einem Fotografen lebt. Schon in frühen Jahren hat Karen...
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