So muss der Himmel sein

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Eine überraschende Liebesnacht mit einem Unbekannten löst einen wahren Gefühlstaumel in Zanna aus. Plötzlich merkt sie, dass es Wichtigeres im Leben gibt als Erfolg im Beruf: Nur die Liebe zählt! Eine himmlische Erkenntnis, die Zanna bis nach Nizza führt - wo der "Unbekannte" sie erwartet...


  • Erscheinungstag 21.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778576
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zanna Westcott ging in das Wohnzimmer ihrer Hotelsuite und schloss die Tür hinter sich. Dann hielt sie einen Moment inne und betrachtete sich im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Ihr glattes blondes Haar war streng aus dem Gesicht frisiert, und sie trug ein schwarzes Kostüm mit einer weißen Bluse, schwarze Strümpfe und Pumps mit flachen Absätzen. Es war das Bild einer kühlen, beherrschten Geschäftsfrau.

Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, hob sie den Arm und verzog triumphierend das Gesicht.

„Ich habe es geschafft“, sagte sie laut. Ihre grünen Augen funkelten. „Ich habe es tatsächlich geschafft.“

Bei dem Vertragsabschluss kurz zuvor im Konferenzraum war sie nicht in der Lage gewesen, ihre Gefühle zu zeigen. Die Atmosphäre war zu bedrückend gewesen, weil wieder ein familieneigenes Unternehmen seine Selbstständigkeit verloren hatte.

Aber was hatte sie anderes erwartet? Am vergangenen Nachmittag hatte sie die Bedingungen gestellt und deutlich gemacht, dass es keinen Handlungsspielraum gab. Dass man ihr Angebot kategorisch abgelehnt hatte, hatte sie nicht entmutigt.

Falls diese Leute geglaubt haben, eine fünfundzwanzigjährige Frau könnte man leicht übervorteilen, habe ich sie jetzt eines Besseren belehrt, dachte Zanna.

Sie hatte höflich gelächelt, die Alternativen umrissen und schließlich nachdrücklich erklärt, dass sie die Entscheidung am nächsten Morgen um zehn Uhr erwartete.

Kaum hatte sie an diesem Morgen den Konferenzraum betreten, hatte sie den unglücklichen Mienen ihrer Verhandlungspartner angemerkt, dass Westcott Holdings einen weiteren Erfolg verzeichnen konnte.

Und das habe ich ganz allein geschafft, dachte Zanna.

Sie lächelte immer noch, als sie zum Telefon ging und die Privatnummer ihres Vaters bei Westcott Holdings wählte.

„Hier ist das Büro von Sir Gerald Westcott. Was kann ich für Sie tun?“

Enttäuscht presste sie die Lippen zusammen, als sie die Stimme von Tessa Lloyd, der Assistentin ihres Vaters, hörte. „Ich würde gern mit meinem Vater sprechen, Tessa“, sagte sie.

„Tut mir leid, Miss Westcott. Sir Gerald ist in einer Besprechung. Er hat mich gebeten, alle Nachrichten entgegenzunehmen.“

Am liebsten hätte Zanna gerufen, dass sie keine Nachricht hinterlassen wolle. Sie wollte ihrem Vater von ihrem Erfolg berichten. Vielleicht hätte sein Tonfall diesmal Liebe und Stolz verraten, wenn er sagte: „Gut gemacht.“ Obwohl sie sich hätte denken können, dass er in einer Besprechung war, fühlte sie sich seltsam leer.

„Ach so“, entgegnete sie kühl. „Dann richten Sie ihm bitte aus, dass er Zolto Electronics zu einem wesentlich niedrigeren Preis erworben hat, als wir angenommen hatten.“

„Das sind ja hervorragende Neuigkeiten, Miss Westcott“, meinte Tessa Lloyd ziemlich ausdruckslos. „Ich bin sicher, dass Sir Gerald erfreut sein wird. Ich nehme an, dass Sie sofort zurückkehren.“

Eigentlich hatte Zanna es vorgehabt, doch dass man dies offenbar als selbstverständlich betrachtete, weckte ihren Widerspruchsgeist.

„Nein, ich nehme den restlichen Tag frei“, erwiderte sie daher zu ihrer Überraschung. „Und das Wochenende. Ich komme erst am Montag wieder.“

„Aber Miss Westcott!“ Tessa Lloyd klang hörbar schockiert. „Ich bin sicher, dass Sir Gerald umgehend einen Bericht erwartet.“

„Ich sollte eine Nachricht hinterlassen, und das ist die Nachricht. Auf Wiederhören, Tessa.“

Daraufhin legte sie schnell auf. Ihr Vater mochte Tessa Lloyd für überaus tüchtig halten, aber sie war nicht besonders sympathisch und wachte über ihn wie eine Glucke.

Und nun hast du dich von ihr dazu hinreißen lassen, zwei Tage frei zu nehmen, obwohl du eigentlich gar nicht weißt, was du damit anfangen sollst, überlegte Zanna verärgert.

Als sie sich in der elegant eingerichteten, aber dennoch unpersönlichen Suite umblickte, fühlte sie sich plötzlich eingesperrt. Statt an der Rezeption anzurufen, beschloss sie, hinunterzugehen, um Bescheid zu sagen, dass sie noch zwei Tage länger blieb. Schließlich war sie in einer Großstadt. Sie konnte abends ins Theater oder in ein Restaurant gehen und tagsüber in Kunstgalerien oder Museen. Sicher würde sie sich amüsieren. Oder zumindest ist es eine Abwechslung, dachte sie und verzog ironisch die Lippen.

Als Zanna kurz darauf den Aufzug verließ, war viel Betrieb im Foyer, und alle Mitarbeiter am Empfang waren beschäftigt. Daher nahm sie sich einen Prospekt und begann darin zu blättern.

Plötzlich sagte jemand neben ihr leise: „Miss Westcott.“

Sie erschrak, und als sie sich umdrehte, sah sie Henry Walton, den Vorsitzenden von Zolto Electronics. Er wirkte müde und resigniert.

„Ich möchte Ihnen gratulieren, Miss Westcott. Sie haben ein gutes Geschäft gemacht, wie Sie sicher wissen.“

„Ja.“ Zanna hob das Kinn und schaute ihn herausfordernd an. „Ich hoffe, es gibt keine Ressentiments.“

Henry Walton lächelte flüchtig und schüttelte den Kopf. „Das können Sie wirklich nicht erwarten.“ Nachdem er sie einen Moment lang aufmerksam betrachtet hatte, seufzte er. „Ja, Sie sind die Tochter Ihres Vaters, Miss Westcott. Und denken Sie nicht, dass das ein Kompliment ist. Sie tun mir fast leid.“ Er nickte kühl, bevor er sich abwandte und wegging.

Schockiert blickte sie ihm nach. Ihr war, als hätte er sie geschlagen.

Obwohl er ganz leise gesprochen hatte, hatte sie plötzlich den Eindruck, als würden alle sie anstarren. Sie fühlte sich völlig verunsichert.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, erkundigte sich eine der Empfangsdamen mit einem geschäftsmäßigen Lächeln.

Zanna schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Sie wollte sofort in ihre Suite gehen, doch stattdessen eilte sie aus dem Haupteingang in Richtung Parkplatz. Dabei hatte sie nur einen Gedanken: Ich muss hier weg.

Die Autobahnraststätte war wie jede andere. Zanna nahm sich einen Teller mit gemischtem Salat und ein Kännchen Kaffee und ging damit zu einem leeren Tisch.

Ärgerlich schalt sie sich dafür, dass die Begegnung mit Henry Walton sie so aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Normalerweise wäre sie nicht in den Wagen gesprungen und einfach weggefahren.

Zanna fragte sich, warum sie überhaupt so durcheinander war. Schließlich konnte sie stolz darauf sein, Gerald Westcotts Tochter zu sein. Und man hatte ihr von klein auf eingeschärft, dass es verwerflich war, eine Niederlage einzugestehen oder zu scheitern.

Schon in der Schule hatte sie immer die Beste sein wollen, weil ihr klar gewesen war, dass sie nur so die Anerkennung ihres Vaters bekommen konnte. Und nur die Zweitbeste zu sein war undenkbar. Die Zeiten waren hart, und deshalb musste man hart sein. In der Geschäftswelt war für Gefühle kein Platz.

Doch Henry Walton hatte sie an einem wunden Punkt getroffen.

Ich brauche sein Mitleid nicht, dachte Zanna. Sie hatte eine Wohnung mit Blick auf die Themse, ein Spesenkonto und bekam jedes Jahr einen Neuwagen. Und nun hatte sie gerade ihre erste Verhandlung erfolgreich abgeschlossen. Es hätte also nicht besser sein können.

Was soll’s, überlegte sie, während sie sich setzte, Henry Walton ist nur ein schlechter Verlierer. Das ist sein Problem und nicht meins. Allerdings hatte er ihr damit den Tag verdorben, denn sie hatte sich gerade ihren Platz im Spitzenteam ihres Vaters erkämpft.

Einen Moment lang war sie versucht, nach London zurückzukehren. Doch das hätte man so auslegen können, dass sie klein beigab, und der Gedanke an Tessa Lloyds überlegenes Lächeln bestärkte sie schließlich in ihrem Entschluss, übers Wochenende wegzubleiben.

Den Prospekt aus dem Hotel hatte sie mitgenommen und neben sich auf den Tisch gelegt. Als sie ihn in die Hand nahm, fiel ein blassgrünes Informationsblatt heraus, auf dem eine Ausstellungsreihe in den Rathäusern der umliegenden Orte angekündigt wurde. Normalerweise hätte sie nicht darauf geachtet, doch als sie das Blatt vom Boden aufhob, sprang ihr der Name Emplesham ins Auge.

Eine ganze Weile verharrte Zanna reglos und blickte starr darauf. Der Gedanke, dass Emplesham ganz in der Nähe lag, war ihr überhaupt nicht gekommen.

Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie es immer auf der Landkarte gesucht, die Entfernung von London und vom Internat aus gemessen und sich vorgenommen, eines Tages dorthin zu fahren. Sie wollte den Geburtsort ihrer Mutter sehen, die sie nie kennen gelernt hatte, als würde sie sich ihr dadurch näher fühlen.

Dass ihr nicht mehr eingefallen war, dass Emplesham ganz in der Nähe lag, war für sie ein Beweis dafür, dass sie nicht mehr das einsame, in sich gekehrte Mädchen von damals war.

Vielleicht war es auch besser, es dabei zu belassen. Schließlich würde sie keine Antwort auf die Fragen finden, die sie so viele Jahre lang gequält hatten, wenn sie sich das Haus von außen ansah. Ihr Vater hatte sich immer geweigert, mit ihr darüber zu reden, weil ihn der Verlust zu schmerzlich getroffen hatte.

Nach dem Tod seiner Frau Susan hatte er das Haus mit dem gesamten Mobiliar verkauft, alle Angestellten entlassen und war mit ihr, Susan, in eine andere Gegend gezogen. Sie war damals noch ein Baby gewesen, und von dem Zeitpunkt an hatte er sie nur noch Zanna genannt, als wollte er nicht einmal durch ihren Namen an seine verstorbene Frau erinnert werden. Die einzige Erinnerung, die Sir Gerald tolerierte, war das Porträt seiner Frau in seinem Arbeitszimmer.

Der Anblick hatte Zanna stets beunruhigt, und das Bild sah ihrer Mutter nicht einmal ähnlich. Im Kontrast zu der purpurroten Bluse wirkte Sue Westcotts Gesicht besonders blass und richtig verschwommen. Nur ihre grünen Augen blickten lebhaft, und auf Zanna hatte der Ausdruck darin immer verzweifelt gewirkt. Sie hatte sich oft gefragt, ob ihre Mutter damals gewusst hatte, wie wenig Zeit ihr noch blieb.

An ihrem elften Geburtstag hatte sie im Internat von einem Anwalt ein Päckchen erhalten. Miss Grace Moss, das ehemalige Kindermädchen ihrer Mutter, hatte testamentarisch verfügt, es ihr zu schicken.

Es handelte sich um ein kleines, in Leder gebundenes Fotoalbum mit alten Aufnahmen, und da Zanna die Personen darauf nicht kannte, wusste sie zunächst nichts damit anzufangen. Schließlich entdeckte sie, dass die letzten Fotos auf der Rückseite alle die Aufschrift „Church House, Emplesham“ hatten. Das erste war datiert – die Aufschrift lautete „Susan, zwei Tage alt“ – und zeigte eine Frau in einem adretten Kleid und mit einer Schürze, die lächelnd im von Glyzinien umrankten Eingang eines langen weißen Hauses stand und ein Baby in den Armen hielt. Vermutlich handelte es sich um Grace Moss.

Einige andere Aufnahmen zeigten ein kleines blondes Mädchen, das zwischen Malven und Rittersporn im Garten spielte oder Dreirad fuhr. Auf anderen Fotos war Sue einige Jahre älter und zeigte stolz ihre neue Schuluniform.

Mummy, dachte Zanna mit Tränen in den Augen, doch sie war froh, dass sie endlich eine Erinnerung an ihre Mutter hatte.

Von dem Tag an hatte sie das Album überallhin mitgenommen, und es war fast so etwas wie ein Talisman für sie geworden. Und da sie gespürt hatte, dass ihr Vater es nicht gutgeheißen hätte, hatte sie ihm auch nie etwas davon erzählt.

Sie wollte nicht, dass er wieder unglücklich war, denn er hatte den Schmerz über den Tod seiner Frau nie verarbeitet. Es war die einzige Schwäche, die er je gezeigt hatte.

Zanna nahm das Album aus dem Innenfach ihrer Handtasche und blätterte darin, während sie ihren Salat aß.

Es war vermutlich ein fruchtloses Unterfangen, aber vielleicht gab es jemanden in dem Dorf, der sich an das kleine Mädchen aus Church House erinnerte und ihr etwas über Sue Westcott erzählen konnte.

Nachdem Zanna die Autobahn verlassen hatte, fuhr sie über Landstraßen. Da es ein warmer Frühlingstag war, öffnete sie das Verdeck und zog ihre Jacke aus.

Sie kam nur langsam voran, denn hinter jeder Kurve schien ein neues Verkehrshindernis auf sie zu warten – ein langsam fahrender Traktor oder eine Gruppe Reiter. Man hörte Vogelgezwitscher und das Blöken von Schafen. Zanna hatte das verrückte Gefühl, in eine andere Zeit zurückversetzt worden zu sein, wo das Leben in einem langsameren Tempo verlief.

Normalerweise wäre sie sofort ungeduldig geworden, aber an diesem Tag verfiel sie ebenfalls in einen langsameren Rhythmus. Sie merkte, wie die Anspannung von ihr abfiel, und genoss die Sonne und die warme Brise.

Schließlich sah sie das Ortsschild von Emplesham. Als sie daran vorbeifuhr, stellte sie fest, dass mit dem Wagen etwas nicht stimmte, denn das Motorengeräusch klang merkwürdig. Kurz darauf starb der Motor ab.

Da es leicht bergab ging, ließ sie den Wagen ausrollen und fuhr an den Seitenstreifen. „Das glaube ich einfach nicht“, sagte sie leise. Es war, als wäre der Wagen verhext gewesen, sobald er die Ortsgrenze überquert hatte. Doch das war natürlich Unsinn.

Nur wenige hundert Meter entfernt sah sie Dächer und den Kirchturm. Vielleicht würde ihr jemand helfen, oder sie konnte zumindest telefonieren. Daher stieg sie aus, schloss den Wagen ab und ging die Straße entlang. Als sie um die erste Kurve kam, entdeckte sie eine kleine Tankstelle mit einer Werkstatt. Davor standen einige Gebrauchtwagen.

Zanna atmete erleichtert auf und ging in die Werkstatt. Sie hörte Musik – eines von Bachs Brandenburgischen Konzerten, wie sie ungläubig feststellte –, aber es war niemand zu sehen. Als sie weiter hineinging, wäre sie beinahe über ein Paar Beine gestolpert. Ein Mann, so schien es, lag unter einem Wagen, und es war nicht irgendein Wagen, sondern ein alter, sehr gut erhaltener Jaguar E. Auf dem Boden stand ein Kassettenrecorder.

„Könnten Sie mir helfen?“, erkundigte sie sich laut.

Da der Mann nicht antwortete, bückte sie sich und schaltete den Recorder aus.

„Entschuldigung“, sagte sie forsch.

Einen Moment lang passierte gar nichts, dann kam der Mann unter dem Wagen hervor, richtete sich auf und musterte sie ausdruckslos.

Er war groß und schlank, und eine schwarze Lockenmähne umrahmte sein Gesicht. Sein T-Shirt und seine Jeans waren von Öl verschmiert. Er sieht wild aus, dachte Zanna ein wenig verächtlich. Allerdings konnte er ihr vermutlich helfen, denn wenn ihm jemand diesen Wagen anvertraute, war er bestimmt nicht völlig inkompetent.

„Betrachten Sie sich als entschuldigt.“ Er hatte eine tiefe Stimme, und sein Tonfall verriet Belustigung.

Zanna verspannte sich unwillkürlich, weil es sie ärgerte, dass er sie so durchdringend musterte. Kühl erwiderte sie seinen Blick und betrachtete dabei sein Gesicht etwas genauer. Offenbar hatte er sich einmal die Nase gebrochen, denn sie war etwas schief. Sein Mund war schmal und sein Kinn energisch.

„Mein Wagen ist liegen geblieben“, erklärte sie.

Der Mann zuckte mit den Schultern. Sein T-Shirt hatte an der Schulter einen Riss und gab so den Blick auf seine sonnengebräunte Haut frei. „So was kommt vor“, meinte er. „Herzliches Beileid.“ Dann machte er Anstalten, sich wieder unter den Jaguar zu legen.

„Einen Moment mal“, sagte sie scharf, woraufhin er sie fragend ansah. „Ich brauche kein Mitgefühl.“ Sie atmete tief durch, bevor sie fortfuhr. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihn reparieren würden – falls es Ihnen keine zu großen Umstände macht.“

„Genau das ist das Problem.“ Seine Miene war ernst, doch Zanna hätte schwören können, dass seine Augen amüsiert funkelten. „Wie Sie sehen, bin ich ziemlich beschäftigt.“

„Das sehe ich, aber es handelt sich um einen Notfall. Und das hier ist eine Werkstatt.“

„Sie bekommen die Höchstpunktzahl für Ihre Beobachtungsgabe.“

„Und auf dem Schild draußen steht, dass Sie einen Abschleppdienst haben.“

Der Mann wischte sich die Hände mit einem Lappen ab. „Sie sind ganz schön hartnäckig“, bemerkte er ausdruckslos, bevor er langsam aufstand. Obwohl sie nicht gerade klein war, überragte er sie noch um Haupteslänge.

Da sie sich eingeschüchtert fühlte, wich sie unwillkürlich einen Schritt zurück. Dabei rutschte sie auf einem Ölfleck aus und verlor das Gleichgewicht.

„Passen Sie auf.“ Blitzschnell umfasste er ihren Arm und hielt sie fest.

„Schon gut.“ Als Zanna sich aus seinem Griff befreite, erntete sie einen spöttischen Blick.

„Sind Sie immer so nervös?“

Natürlich war sie es nicht, und es ärgerte sie, dass sie auf die kurze Berührung so heftig reagiert hatte.

Daher zuckte sie mit den Schultern. „Ich mache mir nur Sorgen um meinen Wagen.“

Der Mann seufzte. „Und was ist Ihrer Meinung nach das Problem?“

„Der Motor hat gestottert und ist dann … einfach abgestorben.“

Nun verzog er den Mund. „Ach tatsächlich? Dann schlage ich Ihnen vor, Sie gehen zurück und werfen einmal einen Blick auf die Benzinanzeige.“

„Ich habe getankt, bevor ich von der Autobahn heruntergefahren bin“, entgegnete sie kalt. „Und ich kann auf derart herablassende Bemerkungen verzichten.“

Seine Züge wurden hart. „Und ich kann auf den Ärger verzichten. Versuchen Sie es mit einem der Automobilclubs, Lady. Die sind zu Höflichkeit verpflichtet.“

Zanna biss sich auf die Lippe. „Das kann Stunden dauern. Sie dagegen müssten nur ein Stück gehen.“ Wieder atmete sie tief durch. „Ich zahle Ihnen das Doppelte von dem, was es normalerweise kostet.“

„Hier spricht die Autokratin“, meinte er amüsiert und verächtlich zugleich. „Es wird Sie überraschen, Schätzchen, aber nicht jeder ist käuflich, Marktwirtschaft hin oder her.“

„Es wundert mich, dass Sie mit Ihrer Einstellung überhaupt ein Geschäft haben“, konterte sie hitzig. „Oder nimmt man in diesem Nest, was man bekommen kann?“

„So in etwa. Allerdings werden auch hier die Bauern mittlerweile nicht mehr ausgepeitscht und die Kinder nicht in die Sklaverei verkauft.“ Erneut musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Aber warum beehren Sie es mit Ihrer Gegenwart, wenn es so ein Kaff ist?“

„Ich bin nur auf der Durchreise“, erklärte sie.

„Interessant, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Straße bei Hollins’ Hof aufhört. Vielleicht sollten Sie Ihren Wagen lieber gegen einen Schwerlaster eintauschen oder gegen ein Amphibienfahrzeug. Ted Hollins hat nämlich einen Ententeich.“

Obwohl sie ihm am liebsten die Zunge herausgestreckt hätte, beherrschte sie sich, da sie es sich nicht leisten konnte, ihn noch mehr zu verärgern.

Also rang sie sich ein Lächeln ab. „Ich wollte mir die Ausstellung ansehen.“

Der Mann zog die Brauen hoch. „Hier gibt es weder Picassos noch van Goghs zu sehen. Sie werden auch Ihre Kreditkarte nicht brauchen.“ Er dachte einen Moment lang nach, bevor er hinzufügte: „Aber es wird Sie beschäftigen, während ich mir Ihren Wagen ansehe.“

„Danke“, entgegnete sie eisig.

Nun lächelte er jungenhaft. „Die Schlüssel?“

Widerstrebend gab sie ihm die Wagenschlüssel.

Nachdem er ihr kurz zugenickt hatte, verließ er mit großen Schritten die Werkstatt. „Bis später.“

Da es sie ärgerte, dass er sie einfach stehen ließ, lief sie hinter ihm her. „Und wo treffen wir uns?“

Der Mann drehte sich zu ihr um und schaute sie forschend an. „Ich werde Sie schon finden.“

Das konnte eine Drohung sein oder auch ein Versprechen.

Sekundenlang stockte Zanna der Atem, und ihr Herz begann in einer seltsamen Mischung aus Aufregung und Panik schneller zu klopfen. Sie nickte, dann wandte sie sich ab und ging in Richtung Ort.

Dabei war sie sich bewusst, dass der Fremde sie beobachtete.

2. KAPITEL

Obwohl Zanna am liebsten losgelaufen wäre, beherrschte sie sich und ging hocherhobenen Hauptes mit flottem Schritt. Sobald sie um die Kurve und damit außer Sichtweite war, verlangsamte sie das Tempo und atmete tief durch, um sich zu beruhigen.

Dies war bereits das zweite Mal innerhalb weniger Stunden gewesen, dass sie nervös und beunruhigt gewesen war, und das konnte sie überhaupt nicht gebrauchen. Der Tag hätte wirklich besser ausklingen können.

Und für sie war der Tag bereits gelaufen. Mittlerweile bedauerte sie es schon, aus Sentimentalität diesen Umweg gemacht zu haben. Sobald ihr Wagen repariert war, würde sie in ihr Hotel zurückfahren, denn zumindest wusste sie, was sie dort erwartete.

Als sie das Dorf erreichte, stellte sie jedoch fest, dass es sehr hübsch war. Die Cottages waren aus Steinen gebaut, und viele hatten strohgedeckte Dächer und üppige Gärten, in denen Flieder und Goldregen blühten und deren Mauern mit Blaukissen bewachsen waren.

Zanna blieb zögernd stehen, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte. Sie hatte das Gefühl aufzufallen, was natürlich lächerlich war.

Doch obwohl weit und breit niemand zu sehen war, spürte sie, dass man sie hinter den Gardinen beobachtete.

Aus irgendeinem Grund beschloss sie, Church House nicht sofort zu suchen. Da sie angeblich nach Emplesham gekommen war, um sich eine Ausstellung anzusehen, wollte sie das auch tun.

Die Dorfwiese war zu drei Seiten von weiteren Häusern gesäumt sowie einem Geschäft, in dem sich gleichzeitig ein Postamt befand, einem Pub namens Black Bull, in dem auch Zimmer vermietet wurden, und der Kirche. Es gab nur einen einzigen Weg, und der verlief neben dem Kirchhof und führte vermutlich zu dem Hof, von dem der Mann gesprochen hatte.

Das Rathaus stand auf der anderen Seite der Wiese gegenüber der Kirche, und ein Schild wies auf die Ausstellung hin.

Als Zanna die Vorhalle betrat, saß dort eine Frau in einem geblümten Kleid an einem Tisch. Sie verkaufte ihr einen Ausstellungskatalog. Freundlich lächelte sie ihr zu.

„Sie kommen gerade noch rechtzeitig. Heute ist der letzte Tag, und wir werden nachher für den Tanz heute Abend umräumen.“

„Tanz?“ Zanna zog die Augenbrauen hoch. Emplesham scheint das Las Vegas der Umgebung zu sein, dachte sie spöttisch.

„Oh ja“, bestätigte die Frau fröhlich. „Das ist schon zu einer festen Einrichtung geworden. Wir verbinden die Ausstellung des Kunstvereins immer mit dem Frühlingsblumenfest der Kirche.“ Mit einem Nicken deutete sie auf die Flügeltür, die in den Saal führte. „Ich hoffe, die Ausstellung gefällt Ihnen. Das meiste ist leider schon verkauft.“

„Das macht nichts“, versicherte Zanna höflich. „Ich will mich einfach nur an den Bildern erfreuen“, fügte sie nicht ganz wahrheitsgemäß hinzu.

Was sie dann jedoch sah, war alles andere als die farblosen Aquarelle und amateurhaften Stillleben, die sie erwartet hatte. Die Farben der Landschaftsbilder waren so intensiv, dass sie fast den Duft des Grases und der Bäume wahrzunehmen und den Wind zu spüren glaubte, der die schweren Wolken vor sich hertrieb. Natürlich gab es auch Stillleben, doch auch von diesen war sie angenehm überrascht, weil sie so realistisch wirkten. Sie hätte jedes Bild haben mögen, aber alle waren bereits verkauft.

Verwirrt fragte sie sich, wie die Leute in dieser ländlichen Gegend es gelernt hatten, so leidenschaftlich zu malen. Noch während sie darüber nachdachte, entdeckte sie hinten im Saal ein Gemälde auf einer Staffelei, das man anscheinend ganz bewusst etwas abseits aufgestellt hatte.

Als sie darauf zuging, stockte ihr der Atem. Das glaube ich nicht, dachte sie, doch sie irrte sich nicht. Das lange, flache, von Glyzinien umrankte Haus, das in der Sonne stand, sah genauso aus wie das auf ihrem Foto. Es fehlte nur das Kind, das im Garten spielte.

Hocherfreut stellte Zanna fest, dass dieses Bild nicht mit einem roten Punkt versehen war. Offenbar war es kein Zufall, dass sie nach Emplesham gekommen war. Es würde doch noch ein perfekter Tag werden.

„Kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sich die Frau in dem geblümten Kleid, die ihr gefolgt war.

„Ich habe mir gerade das Bild hier angesehen“, erklärte sie betont locker. „Im Katalog habe ich es nicht gefunden, aber ich nehme an, dass es ein Motiv aus der Gegend ist.“

Die Frau lachte. „Und ob. Es ist das Haus auf der anderen Seite der Wiese, neben der Kirche. Und das Bild ist nicht im Katalog verzeichnet, weil es eine Leihgabe ist.“

„Eine Leihgabe.“ Zanna war furchtbar enttäuscht.

Die Frau nickte. „Es gehört Mr. Gordon, dem Besitzer von Church House.“

„Ach so.“ Zanna hörte selbst, wie verzweifelt ihre Stimme klang. Was ist los mit dir? fragte sie sich. Du hast heute Morgen Zolto Electronics gekauft. Warum lässt du dich so leicht aus der Fassung bringen? Alles ist käuflich, wenn nur der Preis stimmt.

Schließlich lächelte sie. „Vielleicht wird er es sich überlegen, wenn ich ihm ein Angebot mache.“

„Das glaube ich nicht.“ Die Frau sah sie erstaunt an.

„Jedenfalls werde ich bei ihm vorbeischauen und ihn fragen“, meinte Zanna schulterzuckend. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

„Aber Mr. Gordon ist nicht hier. Er verbringt die meiste Zeit im Ausland.“ Die Frau machte eine hilflose und zugleich beleidigte Geste. „Es wäre die reinste Zeitverschwendung.“

„Vielleicht haben Sie Recht“, lenkte Zanna schnell ein, als die Frau sich abwandte. „Es ist so ein schönes Haus. Gehört es Mr. Gordon schon lange? Wissen Sie etwas über die früheren Besitzer?“

„Ich glaube, das Haus hat mehrfach den Besitzer gewechselt, bis Mr. Gordon es gekauft hat“, entgegnete die Frau kühl, nachdem sie einen Moment lang geschwiegen hatte. „Mehr kann ich leider nicht für Sie tun.“ Dann ging sie weg.

Als Zanna ihr aus dem Saal folgte, dachte sie, dass man Besucher in Emplesham zwar tolerierte, es jedoch offensichtlich nicht gern sah, wenn diese zu viele Fragen stellten. Nachdem sie sich kurz bei ihr bedankt hatte, ging sie wieder hinaus in die Sonne.

Ob bewohnt oder nicht, Church House zog sie nun geradezu magisch an. Und diesmal war es ihr egal, ob man sie beobachtete oder nicht.

Das Tor ließ sich leicht öffnen. Ein moosbedeckter Weg führte zwischen gemähten Rasenflächen zur Haustür. Außer dem Gurren der Tauben im Kirchhof und dem Summen der Bienen war kein Geräusch zu hören.

Es ist, als hätte das Haus auf mich gewartet, dachte sie, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. Fast rechnete sie damit, dass die Tür sich öffnete, wenn sie den Türklopfer betätigte.

Und was erwartete sie dann? Seufzend gestand Zanna sich ein, dass sie es nicht wusste.

Außerdem gehörte dieses Haus jetzt jemand anderem. Da die Gardinen nicht ganz zugezogen waren, konnte sie einen Blick auf die elegante Einrichtung erhaschen, hauptsächlich Antiquitäten und edle Stoffe.

Mr. Gordon scheint sehr ordentlich und gewissenhaft zu sein, dachte sie, denn sowohl das Haus als auch der Garten waren in tadellosem Zustand.

Obwohl sie sich dessen bewusst war, dass sie kein Recht hatte, dort herumzuspionieren, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und folgte dem Weg auf die Rückseite des Gebäudes.

Durch das Küchenfenster konnte sie mehr sehen. In der Küche standen eine massive Anrichte mit blauem und weißem Porzellan, ein Kohleherd, über dem zahlreiche Kupferpfannen hingen, und ein großer Bauerntisch, in dessen Mitte eine Schüssel mit Obst stand.

Erschrocken stellte Zanna fest, dass außerdem ein benutzter Teller mit einem Messer und ein Becher auf dem Tisch standen sowie ein umgedrehtes Brot auf einem Brett, eine Butterdose und ein Glas Honig, als hätte jemand in Eile gefrühstückt, ohne anschließend die Sachen wegzuräumen.

Autor

Sara Craven
Sara Craven war bis zu ihrem Tod im November 2017 als Autorin für Harlequin / Mills & Boon tätig. In über 40 Jahren hat sie knapp hundert Romane verfasst. Mit mehr als 30 Millionen verkauften Büchern rund um den Globus hinterlässt sie ein fantastisches Vermächtnis. In ihren Romanen entführt sie...
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