So muss es im siebten Himmel sein

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So muss es im siebten Himmel sein! Emily ist wie verzaubert, als sie auf dem Klinikball mit Dr. Linton Gregory über das Parkett schwebt. Gegen jede Vernunft wünscht sie sich, dass er sie nie wieder loslässt. Doch vergeblich. Schließlich eilt Linton sein Ruf als Playboy voraus …


  • Erscheinungstag 20.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759629
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der Medizinstudent fing an zu würgen.

„Raus!“ Notfallmediziner Linton Gregory wies mit ausgestrecktem Arm zur Tür, während er gleichzeitig mit der anderen Hand versuchte, bei seinem Patienten die Blutung aus der klaffenden Kopfwunde zu stillen. „Und immer schön durchatmen“, fügte er etwas freundlicher hinzu. Ein ohnmächtiger Assistent hätte ihm heute gerade noch gefehlt.

Wo waren bloß alle geblieben? „Karen!“, rief er laut und brach damit seine eigene Regel, in der Notaufnahme niemals die Stimme zu erheben. „Raum zwei bitte, sofort!“ Er riss ein Verbandspäckchen auf. „Johnno, drücken Sie hier.“ Er griff nach der Hand des Patienten und legte sie auf die Kompresse, mit der er die Wunde bedeckt hatte. „Aber kräftig.“

„Okay, Doc, ist ja nicht das erste Mal.“ Johnno schnitt eine Grimasse.

Linton leuchtete dem Mann in die Augen. „Sieht alles gut aus. Waren Sie ohnmächtig?“

„Kann mich nicht erinnern.“

Mit einem resignierten Seufzen untersuchte Linton nun den Kopf seines Patienten auf weitere Verletzungen. „Dies ist der vierte Samstag in zwei Monaten, dass wir Sie hier liegen haben. Vielleicht sollten Sie Ihre Rugby-Schuhe an den Nagel hängen.“

Johnno räusperte sich. „Sie hören sich schon an wie meine Frau, Doc.“

Linton warf ihm einen verständnisvollen Blick zu und empfand nicht zum ersten Mal Erleichterung darüber, dass er wieder Single war. „Tut mir leid, aber ich muss Donna recht geben. Ihr Kopf sieht langsam aus wie eine Patchworkdecke.“ Vorsichtig hob er die Mullkompresse und betrachtete die gezackten Wundränder. „Diesmal werden es ein paar Stiche mehr.“

„Linton?“ Eine Schwester steckte den Kopf zur Tür herein.

„Hallo, Karen.“ Er lächelte. „Sie als Superschwester können mir doch sicher eine Nahtpackung besorgen und veranlassen, dass im Röntgenraum alles vorbereitet wird? Johnno hat mal wieder eine Platzwunde am Kopf. Ach ja – und sehen Sie mal nach dem Studenten, er war eben noch ziemlich grün im Gesicht.“

„Ich würde Ihnen gern helfen, Linton, aber in fünf Minuten bekommen wir einen Patienten mit zerschmettertem Arm. Autounfall. Ich habe den Schockraum vorbereitet und bin gerade auf der Suche nach Pflegekräften. Wir sind sowieso knapp an Personal, und dazu ist die halbe Stadt draußen auf der Bungarra-Ranch bei Debbies und Camerons erstem Dünen-Buggy-Rennen.“

Linton unterdrückte einen Fluch. „Schön die Hand auf der Kompresse lassen, Johnno, ich schicke gleich Donna herein. Sie wird bei Ihnen bleiben, bis jemand Sie nähen kann.“

Noch vor drei Wochen lief hier alles wie geschmiert, aber seine Stationsschwester hatte unerwartet wegen einer dringenden Familienangelegenheit freinehmen müssen, und ihre Vertretung war ausgerechnet jetzt auf Hochzeitsreise – mit seinem Oberarzt! Heiraten brachte nur Ärger, das wusste er aus eigener Erfahrung.

Er streifte sich die Handschuhe ab. „Rufen Sie auf der Entbindungsstation an, da ist nicht so viel los. Sie sollen uns jemand herschicken.“

„Aber wir sind immer noch knapp mit …“

„Wir haben zwei Medizinstudenten, mal sehen, ob sie etwas gelernt haben.“ Er marschierte in den Schockraum, und da ertönte schon das Heulen der Sirene. Vorbei war es mit der samstäglichen Stille an diesem Winternachmittag in Warragurra.

Linton schaltete die Monitore ein und genoss die letzten Augenblicke Ruhe vor dem Sturm. In dreißig Sekunden würde hier die Hölle los sein.

Er verspürte den gewohnten Druck im Magen. Notfallmedizin bedeutete, sich immer wieder auf unerwartete Situationen und Patienten einzustellen. Normalerweise genoss er den Adrenalinschub in solchen Momenten. Doch heute fehlte ihm das gewohnte verlässliche Team.

Eilig schob Andrew, einer der Sanitäter, die Rollliege mit dem Patienten herein. „Hey, Linton. Sie sollten besser Jeremy Fallon herrufen, falls er Dienst hat.“

„Schon geschehen.“ Er warf einen Blick auf das Unfallopfer. „Jemand, den wir kennen?“

Andrew nickte, aber ehe er antworten konnte, erklang eine Frauenstimme. „Wir sollten uns nicht lange mit Reden aufhalten. Sein Blutdruck sinkt rapide!“

Eine junge Frau mit pinkfarbenem Haarschopf tauchte hinter der Rollliege auf. „Wir brauchen Plasmaexpander, er hat einen Blutdruck von siebzig.“

„Emily?“, rief Linton erfreut.

Sie lachte leise auf. „Ich weiß, ich gehöre eher in ein Flugzeug der Flying Doctors als in die Notaufnahme, aber ich bin rein zufällig hier.“

„Ben hat Glück gehabt, dass Emily heute frei hat und gerade auf dem Weg in die Stadt war.“ Andrews Stimme bebte kaum vernehmlich, ehe er sich räusperte und wieder gewohnt sachlich sprach. „Ben McCreedy, achtundzwanzig, rechter Arm zerschmettert. Schmerzmittel vor Ort verabreicht, Patient bei Bewusstsein, aber benommen.“

Linton nahm das Stethoskop vom Hals und horchte die Brust ab. Ben McCreedy war der Held des lokalen Rugby-Vereins und gerade in die Nationalmannschaft aufgenommen worden. Heute hätte er sein letztes Lokalmatch bestreiten sollen.

Der junge Mann lag blass und still unter einer Decke. Sein rechter Arm stand in einem unnatürlichen Winkel vom Körper ab und war knapp unterhalb der Schulter mit einer Aderpresse abgebunden.

„Er ist tachykard. Geschätzter Blutverlust?“ fragte Linton, während er sich um professionelle Distanz bemühte. Etwas, das ihm immer schwerer fiel, je länger er in Warragurra arbeitete.

„Zu hoch.“ Emily hob den Patienten zusammen mit Andrew auf die Klinikliege.

Ein Medizinstudent und eine Studentin wagten sich zaghaft in den Raum. „Dr. Gregory, brauchen Sie uns hier?“

Nur mit Mühe verkniff sich Linton einen ironischen Kommentar. „Schließen Sie den Patienten ans EKG an und legen Sie eine Kontrollkarte für die Flüssigkeitsversorgung an. Wo ist Schwester Haigh?“

Jason, der Student, der vorhin beinahe ohnmächtig geworden war, schaute sich nervös um. „Sie hat gesagt, dass auf der Entbindungsstation gerade drei Frauen in den Wehen liegen.“

„Und?“

„Und …“ Jason zögerte. „Und ich soll keinen Mist bauen, weil sie sich erst um das Baby mit dem Kruppanfall kümmern muss, bevor sie kommen kann.“

Linton hätte ihn am liebsten kräftig durchgeschüttelt. Wie sollte er mit zwei Grünschnäbeln die Notaufnahme führen?

Als er sich umblickte, fing er Emilys Blick auf. Das ist nicht wahr, oder? las er in ihren tiefgründigen silbergrauen Augen, bevor sie mit routinierten Handgriffen den Sitz der Elektroden des EKGs korrigierte. Auch die Studentin schien nicht mehr Ahnung zu haben als ihr Kommilitone.

„Emily …“ Der Patient hob den Kopf. „Können Sie hierbleiben?“, fragte er schwach.

Linton war begeistert. Was für eine brillante Idee. Emily kam ja wie gerufen! Er setzte ein charmantes Lächeln auf. „Wirklich, Emily, können Sie nicht bleiben? Damit tun Sie Ben einen Gefallen – und mir auch.“

Emilys Wangen färbten sich zartrosa, und sie beugte sich rasch über den Rugby-Spieler. „Ich bin hier, Ben. Ich gehe nirgendwohin.“ Dann richtete sie sich wieder auf und straffte die Schultern. „Katheter zur Harnmessung und einen zentralen Venenkatheter?“, fragte sie in professionellem Ton.

Linton war erleichtert. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte er jemanden an seiner Seite, der wusste, was zu tun war. Er wandte sich an die Studenten. „Patti, Sie behalten die Vitalwerte im Auge, und Jason, wenn wir Material brauchen, müssen Sie schnell sein.“

Andrews Pager klingelte. „Ich muss los.“ Er drückte kurz Bens Bein, eine ungewöhnlich emotionale Geste für den erfahrenen Sanitäter. „Sie sind hier in guten Händen, mein Junge. Bis später.“

Der Patient reagierte nicht.

Vorsichtig zog Linton die Decke von Ben. „Weitere Verletzungen, Emily?“

„Erstaunlicherweise nicht. Ich habe ihn am Unfallort kurz untersucht und nichts entdeckt. Becken und Oberkörper scheinen in Ordnung zu sein.“

„Wir werden ihn röntgen, dann sind wir auf der sicheren Seite. Jetzt zum Arm.“ Er nahm die Mullkompressen von Bens Arm. Trotz langjähriger Erfahrung in der Notfallmedizin zog sich ihm der Magen zusammen. Schulter und Hand waren zwar unversehrt, aber der Rest war eine Masse aus Fleisch und Knochen, die in der Mitte des Oberarms an einem dünnen Hautfetzen hing.

„Wie ist das passiert?“ Linton zwang sich zu einem sachlichen Ton.

„Ich war auf dem Weg zum Spiel in der Ferguson Street …“ Seine Stimme wurde schwächer.

Mitfühlend berichtete Emily weiter. „Ben hatte das Fenster heruntergekurbelt und den Arm draußen. Der Lkw, der zwischen Bens und einem am Straßenrand geparkten Wagen durchzukommen versuchte, hat ihn erwischt.“

„Sie müssen den Arm retten, Linton“, flehte Ben. „Ich brauche meine Arme zum Rugby-Spielen.“

Ich kann deinen Arm nicht retten. Linton sah Emily an. Fünf Worte, die mit einem Schlag einen Lebenstraum zunichtemachten. Er brachte sie nicht über die Lippen.

„Blutdruck fünfundsechzig zu vierzig, Atemfrequenz achtundzwanzig, Puls einhundertdreißig“, verkündete Patti die beunruhigenden Werte.

„Die Blutbank schickt uns drei Einheiten rote Blutzellen, und zum Röntgen steht alles bereit“, sagte Emily sachlich. „Jason, wir brauchen noch eine Ladung Eis für den Arm.“

„Harnausstoß?“, fragte Linton. Ben hatte viel Blut verloren, sein Körper kompensierte den Verlust, indem er nur noch die lebenswichtigen Organe versorgte. Und das seit einer halben Stunde. Allmählich wurde es kritisch für den Patienten.

Emily warf einen Blick auf den Katheterbeutel. „Extrem niedrig“, antwortete sie leise.

Mit anderen Worten: drohendes Nierenversagen.

Linton setzte Prioritäten. „Sauerstoffzufuhr erhöhen. Emily, Sie kontrollieren die Blutgaswerte, und ich lege den zentralen Zugang.“ Er stellte die Infusionsgeschwindigkeit auf höchste Stufe, damit der strohgelbe Plasmaexpander schneller floss. „Patti, rufen Sie die Blutbank an, sie sollen sich beeilen.“

Sein Pager meldete sich, und er warf einen Blick aufs Display. „Jeremy ist bereits im OP. Sobald der Zugang gelegt ist, bringen wir Ben nach oben.“

Plötzlich verdrehte Ben die Augen, und der Monitor schlug Alarm.

„Herzstillstand.“ Emily griff nach dem Beatmungsbeutel und der Maske und warf sie Patti zu. „Kopf überstrecken und beatmen. Ich übernehme die Herzmassage.“

Ihre Hände wirkten unglaublich schmal auf der breiten, muskulösen Brust des jungen Mannes, der ums Überleben kämpfte. Aber sie übte rhythmisch und mit aller Kraft den nötigen Druck aus.

„Ich bin drin.“ Linton überprüfte mit dem Handultraschallgerät die Lage der Kanüle in der Drosselvene und verband sie dann mit einem weiteren Beutel Plasmaexpander. „Er bekommt jetzt etwas mehr Flüssigkeit, hoffen wir, dass sein Herz sich darüber freut.“ Dann griff er zu den Elektroden des Defibrillators. „Weg vom Bett!“

Emily wich zurück.

Bens Körper bäumte sich unter dem Stromstoß auf. Vier Augenpaare hefteten sich auf den Monitor. Langsam verwandelte sich die gerade grüne Linie in eine zögernde Wellenbewegung.

„Adrenalin?“ Emily zog eine Schublade am Instrumentenwagen auf.

„Halten Sie es bereit. Seine Sinuskurve sieht im Moment gut aus, wir bringen ihn in den OP.“ Linton löste die Bremsen der Rollliege.

„Hier sind Eis und Blutkonserven.“ Jason kam angerannt.

„Nehmen Sie es mit und holen Sie den Fahrstuhl zum OP. Wir sind direkt hinter Ihnen.“ Er drehte sich zu Emily um, um ihr einige Anweisungen zu geben.

Nicht nötig. Sie hatte bereits den mobilen Defibrillator auf den Wagen gelegt und stand am Kopfende der Liege, Beatmungsmaske und Beutel in der Hand. „Bereit?“, fragte sie.

Es war fast unheimlich, wie sie seine Gedanken erahnte. „Fertig.“

Als sie um die Ecke bogen, hörten sie das Fahrstuhlsignal. Jason hielt ihnen die Türen auf, während sie die Liege hineinrollten.

Drückendes Schweigen breitete sich in der Kabine aus. Die Medizinstudenten hielten sich angespannt im Hintergrund. Emily ließ den Monitor nicht aus den Augen, während sie unbewusst tröstend Bens Kopf streichelte.

Linton verspürte ein verräterisches Ziehen im Bauch. Er atmete einmal tief durch. Emily Tippett, die jede Woche ihre Haarfarbe wechselte, mit ihrer sommersprossigen Stupsnase, der weiten Kleidung, die wahrscheinlich eine wenig aufregende Figur verhüllte, hatte mit seiner Idealfrau ungefähr so viel gemein wie ein Nachtschattengewächs mit einer Sonnenblume. Lächerlich, sie attraktiv zu finden! Linton versuchte, das unerwünschte Gefühl zu vertreiben.

Aber sie ist eine verdammt gute Krankenschwester. Der Arzt in ihm konnte dem nur zustimmen.

Die Fahrstuhltüren glitten auseinander. Linton manövrierte die Liege in den Flur. „Ben, wir bringen Sie jetzt in den OP. Dr. Fallon wird sein Bestes geben“, sagte er zu dem benommenen jungen Mann. „Sie sind in guten Händen.“

Ben nickte. Wegen der Maske war sein Gesichtsausdruck nicht zu erkennen, aber die Furcht in seinen Augen schon.

Emily drückte ihm die linke Hand und trat von der Liege zurück. Das OP-Team übernahm den Patienten.

Nachdem sich die Türen hinter ihm geschlossen hatten, fragte Jason: „Was passiert mit ihm?“

„Amputation im oberen Armbereich.“

Die Antwort kam wie aus einem Mund. Emilys rauchige, sanfte Stimme klang Linton in den Ohren.

Vor seinem inneren Auge sah er einen schummrigen, verrauchten Nachtklub mit einer Sängerin, deren üppige Kurven durch das lange, seidig glänzende Kleid reizvoll betont wurden. Linton war bisher nie aufgefallen, was für eine sexy Stimme Emily hatte.

Er verscheuchte das verlockende Bild und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Warragurra war ein Lehrkrankenhaus, und er hatte die Verpflichtung, seinen Studenten etwas beizubringen.

„Die Röntgenaufnahmen werden zeigen, ob noch eine Chance besteht, den Arm zu retten, aber bei diesen massiven Verletzungen ist das eher unwahrscheinlich. Oberarmknochen, Speiche und Elle sind völlig zerschmettert.“

„Und was machen wir jetzt?“ Zum ersten Mal zeigte Jason einen Anflug von Enthusiasmus.

„Jetzt wird sauber gemacht und aufgeräumt.“ Emily drehte sich um und drückte den Fahrstuhlknopf.

„Ist das nicht Aufgabe der Schwestern?“ Jason klang empört.

Linton unterdrückte ein Lächeln und zählte stumm einen Countdown von fünf abwärts. Die Explosion würde nicht lange auf sich warten lassen. Jeder Medizinstudent machte den gleichen dummen Fehler, die klugen nur einmal.

Emily wirbelte so schnell herum, dass die pinkfarbenen Strähnen flogen. „Aufgabe der Schwestern ist es unter anderem, die Medizinstudenten bei dieser Tätigkeit zu überwachen. Wie wollen Sie sonst lernen, wie ein Schockraum organisiert ist? Wie wollen Sie sonst lernen, wo alles seinen Platz hat, damit Sie es im Notfall sofort zur Hand haben?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn Sie Glück haben und es schaffen, den Raum tipptopp in Ordnung zu halten, dann wird man Ihnen vielleicht erlauben, sich einem Patienten zu nähern. Wenn nicht, spielen Sie weiterhin den Laufburschen!“

Jasons errötete bis in die Haarwurzeln, und auf einmal blickte er nicht mehr störrisch, sondern höchst verlegen drein.

Linton konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Emily war einfach köstlich. Genau die Schwester, die er mit offenen Armen in seinem Team begrüßen würde. Genau die Schwester, die ich brauche.

Während der Lift nach unten glitt, dachte Linton nach. Mit Emily in der Notaufnahme hätte er auf einen Schlag einige Sorgen weniger. Er könnte sich ausschließlich medizinischen Problemen widmen, anstatt sich mit Personalfragen herumschlagen zu müssen. Schon bei seinen Einsätzen für die Flying Doctors hatte er Emily als Organisationstalent schätzen gelernt. Sie regelte alles und jeden! Mit dem neuen Assistenzarzt und Emily an Bord könnte er sich vielleicht sogar endlich ein paar Tage freinehmen. Sein Vater war nach einem Überraschungsbesuch frustriert wieder abgereist. Bei dir ist es ja so langweilig, hatte er sich beschwert.

Ja, wenn sein Plan klappte, würde Linton endlich sein vernachlässigtes Privatleben wieder in Schwung bringen können.

Seine Stimmung stieg, und zum ersten Mal in zwei schrecklich hektischen Wochen fühlte er sich fast unbeschwert.

Und wenn sie Nein sagt?

Blödsinn! Er verwarf den Gedanken. Mit Charme und einem Lächeln erreichte er eigentlich immer, was er wollte. Die Fahrstuhltüren öffneten sich. „Okay, Sie beide fangen schon mal mit dem Aufräumen an“, wandte er sich an die Studenten.

Auch Emily setzte sich in Bewegung.

„Em, haben Sie einen Moment Zeit?“ Spontan griff er nach ihrem Arm. Als er ihre weiche Haut berührte, schoss ein heißes Kribbeln durch seine Hand.

Sie fuhr herum, sodass er sie loslassen musste. Nach einem Blick auf ihre Armbanduhr sah sie Linton ernst an. „Eine Minute. Was gibt’s?“

Er lehnte sich gegen die Wand. „Emily Tippett, immer in Eile.“ Er lächelte gewinnend. „Ich wollte mich nur bei Ihnen bedanken.“

„Kein Problem. Ist doch eine nette Art, seinen freien Tag zu verbringen, oder?“ Die Lippen zu einem selbstironischen Lächeln verzogen, zuckte sie die Schultern. „Ich konnte in der Situation ja nicht einfach verschwinden und Sie Ihrem Schicksal überlassen.“

„Patti und Jason meinen Sie? Den Albtraum haben Sie mir gerade noch erspart.“

„Gern geschehen.“

Linton vertiefte sein Lächeln. „Sehen Sie, wir sind ein großartiges Team. Was halten Sie davon, wiederzukommen und weiterzumachen? Sagen wir, fünf Tage in der Woche?“

Emily stand auf einmal ungewohnt still da. Dann lachte sie auf. „Sie sind wirklich ein Spaßvogel, Linton. Noch im Februar haben Sie mir zwei Wochen lang unentwegt von Ihrem tollen Team vorgeschwärmt. Wo ist es geblieben?“

Er seufzte. „Liebe, Heirat, Babys – eine einzige Katastrophe.“ Eigentlich hätte es locker und ironisch klingen sollen, aber stattdessen hörte es sich merkwürdig verbittert an.

Sie wippte auf den Absätzen ihrer hellbraunen Cowboystiefel auf und ab. „Sie meinen es also ernst?“

Sie ist interessiert. „Und ob. Ich biete Ihnen in meiner Notaufnahme die Stellung der Stationsschwester an – für ein Jahr.“

Emily verschränkte die Hände miteinander, und als sie tief durchatmete, spannte sich das weite Rugby-Shirt über ihren Brüsten.

Sein Blick fiel auf die breiten Blockstreifen, unter denen sich üppige Brüste abzeichneten, die er bisher nie wahrgenommen hatte. Als ihm bewusst wurde, dass er sie unverhohlen anstarrte, sah er ihr schnell wieder ins Gesicht.

Sie neigte nachdenklich den Kopf zur Seite und musterte ihn prüfend. „Ein interessantes Angebot.“

Ja! Sie nimmt an. Im Geist rieb er sich die Hände. „Fantastisch. Ich werde die Verwaltung bitten, den Vertrag aufzusetzen und …“

„Doch ich werde es nicht annehmen, Linton.“

Ihre Worte waren wie ein Schwall Eiswasser. „Aber …“

„Trotzdem vielen Dank, dass Sie an mich gedacht haben. Wir sehen uns.“ Damit wandte sie sich um und ging.

Sie hätte ihm genauso gut ins Gesicht schlagen können. Er war es nicht gewohnt, dass jemand ihm etwas abschlug. Und ihr Nein gefiel ihm überhaupt nicht.

Emily fegte schwungvoll die alten Holzdielen im Scherstall. Der durchdringende Geruch nach Wollfett hing in der Luft.

Linton Gregory wollte, dass sie für ihn arbeitete. Was für eine wundervolle Vorstellung. Eine Sekunde lang glaubte sie selbst daran.

Nein, Linton möchte, dass du in seiner Abteilung arbeitest, für ein Jahr. Das machte einen gewaltigen Unterschied.

Schon als kleines Mädchen war sie in diesen Stall gekommen, wenn sie über etwas nachdenken musste. Oder wenn ihr ihre vier Brüder auf den Geist gingen. Dann hatte sie auf den Bergen geschorener Wolle gelegen, zu den roh behauenen Balken hochgeblickt, die feinen Sonnenstrahlen gezählt, die durch das löchrige Wellblechdach fielen, und wieder innere Ruhe gefunden.

Inzwischen war sie zu groß, um in den mit Wolle gefüllten Jutesäcken zu liegen. Also hatte sie sich den Besen geschnappt, um sich beim Fegen zu beruhigen.

Sein Angebot ist rein beruflich, nichts Persönliches.

Deswegen hatte sie es auch abgelehnt. Zweimal im Jahr zwei Wochen lang mit Linton zusammenzuarbeiten, wenn er bei den Flying Doctors Dienst tat, das war schon schwierig genug. Ein Jahr lang, fünf Tage die Woche, würde sie zu einem Nervenbündel machen.

Bist du das nicht jetzt schon?

Sie ließ ihre Wut an dem armen Besen aus. Staubwolken wirbelten auf. Seit sie Linton vor einem Jahr zum ersten Mal gesehen hatte, war es um ihren Seelenfrieden geschehen.

Und dafür hasste sie sich. Sie war jetzt fünfundzwanzig, verdammt noch mal! Mit fünfzehn war es normal, sich ohne die geringste Aussicht auf Gegenliebe über beide Ohren zu verlieben. Mit zwanzig verzeihlich. Aber mit fünfundzwanzig war es nur noch tragisch und peinlich.

Besonders nach der deprimierenden Erfahrung mit Nathan.

„Emily, bist du da drinnen?“

Sie seufzte. Ihre Familie kannte sie einfach viel zu gut. Um wirklich allein sein zu können, hätte sie sich woanders verkriechen müssen.

„Ja, Mark, ich bin hier“, rief sie ihrem älteren Bruder zu.

„Hatte ich mir schon gedacht. Besuch für dich.“

Sie stellte den Besen an die Wand. „Okay, ich komme zum Haus.“

„Nicht nötig. Wir können uns auch hier unterhalten.“

Emily fuhr herum und unterdrückte gerade noch einen überraschten Ausruf. Diese klangvolle tiefe Stimme hätte sie überall erkannt. Ihr Herz pochte wie wild. Linton hatte sie noch nie zu Hause besucht. Er hatte sie überhaupt noch nicht besucht.

Lässig an die Wand gelehnt, stand er da. Groß, schlank und unwiderstehlich männlich von den Spitzen seiner dunkelblonden Haare bis zu den italienischen Lederschuhen. Sein umwerfendes Lächeln nahm ihr den Atem.

Emily warf einen Blick auf ihre abgewetzte Jeans und das alte T-Shirt, das sie von ihrem Bruder geerbt hatte, und stöhnte stumm.

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht, zwang ein Lächeln um ihre Lippen. „Linton! Was für eine Überraschung. Was führt Sie zur Woollara-Ranch?“

Er stieß sich von der Wand ab, wobei sie deutlich das Spiel seiner Muskeln erkennen konnte, und war mit wenigen kraftvollen Schritten bei ihr. „Sie“, sagte er. „Ich wollte mit Ihnen sprechen.“

Seine sanften Worte lösten das vertraute beunruhigende Kribbeln in ihrem Bauch aus. Sie atmete tief durch. Emily wusste aus langer, leidvoller Erfahrung, dass Männer sie unattraktiv fanden. Auf keinen Fall würde sie sich die Blöße geben, Linton ihre Gefühle zu verraten. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie sehr sie sich nach ihm sehnte, und er würde es auch niemals erfahren. Für ihn war sie nur eine Krankenschwester, jemand, mit dem man nett plaudern konnte – solange keine Modelschönheiten in der Nähe waren.

Was leider viel zu oft vorkam.

Hinreißende, gertenschlanke Frauen umflatterten Linton wie die Motten das Licht. Selbst aus Sydney kamen sie oft übers Wochenende zu Besuch. Und jeden Monat sah man ihn mit einer anderen.

Ich wollte mit Ihnen sprechen. Emily versuchte, sich nicht beeindrucken zu lassen. „Ist Ihr Telefon kaputt?“

Autor

Fiona Lowe
Fiona Lowe liebt es zu lesen. Als sie ein Kind war, war es noch nicht üblich, Wissen über das Fernsehen vermittelt zu bekommen und so verschlang sie all die Bücher, die ihr in die Hände kamen. Doch schnell holte sie die Realität ein und sie war gezwungen, sich von den...
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