So verliebt wie damals

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In der Ferienhütte ihrer Schwägerin, in die Sara sich geflüchtet hat, um ihr Leben neu zu ordnen, ist sie allein - aber nicht halb so einsam wie in ihrer Ehe mit Alec, der sie über seine Arbeit einfach vergaß, kaum dass die herrlichen Flitterwochen vorüber waren. Und auch wenn sie Alec vermisst, ist sie doch alles andere als erfreut, als er sechs Monate nach der Trennung vor eben dieser Hütte auftaucht. Zumal er keineswegs ein Versöhnungsgespräch will, sondern einfach nur Urlaub machen möchte. Die Zeichen stehen auf Sturm, als Alec einzieht und die unfreiwillige Nähe sie zwingt, sich zu stellen: den Vorwürfen, den Enttäuschungen - und dem nie versiegten Verlangen ...


  • Erscheinungstag 06.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716912
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Alec Blackstone blickte dem Jeep nach, der sich auf der gewundenen Straße entfernte. Nachdem das Auto hinter einer Biegung verschwunden war, verstummte auch das Motorengeräusch. Stille umgab ihn. Ungeduldig blickte er sich um. Er sah unzählige Bäume und einen strahlend blauen Himmel. Die Sonne schien. Durch die leuchtend grünen Blätter der Laubbäume und langen Nadeln der Tannen blickte er auf den See, der in einiger Entfernung lag. Das Sonnenlicht spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. In der warmen Frühlingsluft mischte sich der süße Duft des Geißblatts mit dem würzigen Geruch der Kiefern.

Plötzlich hatte Alec wieder einen der Schwindelanfälle, unter denen er in letzter Zeit häufiger gelitten hatte. Er hielt sich am Geländer der Terrasse fest und stieß mit dem Gips an das Holz. Ein dumpfer Schmerz durchzuckte seinen Arm. Alec stieß einen unterdrückten Fluch aus und wartete, bis das Schwindelgefühl nachließ. Jetzt weiß ich wenigstens wieder, warum ich an diesem abgelegenen Ferienort anstatt im Gerichtssaal oder bei einem Treffen mit dem Anwalt der gegnerischen Partei bin, dachte er.

Mit der linken Hand nahm Alec seinen Koffer und den Laptop, um in das kleine Holzhaus zu gehen. Durch den Unfall muss mein Gehirn verletzt worden sein, stellte er fest. Lieber Himmel, was tat er nur hier, am Ende der Welt? Er gehörte nach Boston!

Das Haus wirkte sehr schlicht, doch laut Wyatt sollte es alle Annehmlichkeiten bieten, die man sich nur wünschen konnte. Sein Bruder Wyatt und dessen Frau Elizabeth hatten ihm vorgeschlagen, in das Ferienhäuschen zu fahren, das sie gemietet hatten. Hätte er, Alec, den Vorschlag doch nur nicht angenommen! Er würde auch in seinem eigenen Apartment bestens zurechtkommen – und ganz sicher würde er sich in diesem Resort, einem abgelegenen Feriengebiet in den Adirondack Mountains im Bundesstaat New York, nicht schneller erholen.

Doch daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Er war nun einmal hier und würde das Beste aus seiner Lage machen. Immerhin hatte er sein Handy dabei, damit er mit seiner Kanzlei in Verbindung bleiben konnte. Er würde einfach das Modem anschließen, sodass Teresa, seine Sekretärin, ihm wichtige Unterlagen zukommen lassen könnte. Und für den Fall, dass er etwas ausdrucken musste, würde er in die nächste Stadt fahren.

Alec betrat das Holzhaus und sah sich im Wohnzimmer um. Es war sehr geräumig, hatte eine hohe Decke und einen Kamin. Obwohl es bereits Mai war, wurde es hier in den Bergen abends noch sehr kühl, sodass ein Feuer sehr angenehm sein würde.

Unterhalb der Treppe, über die man ins obere Stockwerk des Hauses gelangte, war eine Pendeltür, die vermutlich in die Küche führte. Alec stellte den Laptop auf einem kleinen Tisch ab und stieg mit dem Koffer die Treppe hinauf. Oben gab es zwei offen stehende Türen, die jeweils zu einem Zimmer mit Bett, Frisierkommode und Tisch führten. Er entschied sich für den linken Raum.

Das Zimmer war lang gestreckt und hatte eine schräge Decke, sodass er – besonders wegen seiner Gehirnerschütterung – Acht geben musste, sich nicht den Kopf zu stoßen. Schnell packte Alec seinen Koffer aus, sah sich um und runzelte die Stirn. Es war noch nicht einmal Mittag. Womit sollte er nur den Rest des Tages verbringen? Er hatte sich einige Bücher mitgebracht, verspürte aber keine Lust zum Lesen. Und wegen der Kopfschmerzen und den unerwartet auftretenden Schwindelanfällen wollte er sich nicht zu weit vom Haus entfernen. Großartig, dachte er, jetzt sitze ich achtzehn Tage lang am Ende der Welt fest und weiß nicht, wie ich die Zeit herumkriegen soll. Hoffentlich werde ich nicht verrückt.

Plötzlich hörte er eine Tür ins Schloss fallen. Alec war sicher, dass er die Eingangstür geschlossen hatte. Während er langsam die Treppe hinunterging, hörte er aus dem hinteren Teil des Hauses ein Geräusch, das aus der Küche zu kommen schien. Hatten vielleicht Angestellte des Resorts etwas zu essen vorbeigebracht? Über Essen hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht, doch plötzlich wurde ihm klar, dass es ohne Auto in dieser Abgeschiedenheit durchaus zum Problem werden konnte, sich Lebensmittel zu besorgen.

Natürlich könnte er die Rezeption anrufen und darum bitten, ihm einen Jeep zu schicken, der ihn zum Hauptgebäude bringen würde. Das Restaurant des dortigen Hotels hatte angeblich vier Sterne. Doch da Alec sehr häufig zum Essen ausging, wäre es für ihn eine Abwechslung, zu Hause zu essen.

Er stieß die Schwingtür zur Küche auf und blieb wie angewurzelt stehen. Eine Frau in Jeans und einem langen karierten Hemd lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und wartete, dass das Wasser im Teekessel zu kochen begann. Alec kannte die Frau nur zu gut – doch er war nicht darauf vorbereitet, sie ausgerechnet hier zu sehen. Und während ihr Gesicht ihm vertraut war, traf dies auf ihre Figur keinesfalls zu. Sie hatte sich verändert.

Es war ein Schock. Er fühlte sich, als habe man ihm einen Schlag in den Magen versetzt. Ungläubig blickte er sie an. Sara war schwanger?

„Was, zum Teufel, geht hier vor sich?“, fragte er. Der Schock war so groß, dass er sich nicht darüber freuen konnte, sie zu sehen. Alec war dafür bekannt, neue Zeugenaussagen praktisch sofort beurteilen zu können. Doch jetzt schien sein Verstand aus irgendeinem Grund nicht zu funktionieren. Er blickte sie nur schweigend an und versuchte zu verarbeiten, was er sah. Er hatte das Gefühl, man würde ihm den Boden unter den Füßen wegziehen.

„Alec?“ Die Frau wandte sich um. Das Sonnenlicht, das durch die großen Fenster in die Küche fiel, ließ ihr schwarzes Haar glänzen. Im Nacken trug sie es fast so kurz wie er, doch an den Seiten war es so lang, dass es ihre Ohren bedeckte. Der fransige Pony ließ ihre Augen normalerweise groß und geheimnisvoll erscheinen. Doch jetzt blickte sie nur erschrocken und ungläubig.

Alec sah noch immer auf ihren Bauch. Seine Frau, die er seit Monaten nicht mehr gesehen hatte, war hochschwanger – und er hatte nichts davon gewusst!

„Was tust du hier?“, fragte Sara.

„Das ist jetzt nebensächlich.“ Alec blickte ihr in die Augen. „Gibt es nicht etwas, das du mir sagen solltest?“ Seine Stimme klang eiskalt, und seine Miene war undurchdringlich.

Sie schluckte. Widerstreitende Gefühle spiegelten sich auf ihrem Gesicht. „Ich bin schwanger“, sagte sie leise.

Alec wandte den Blick nicht von ihr ab. Er fühlte eine unbändige Wut in sich aufsteigen. Die Heftigkeit seiner Empfindungen überraschte ihn, denn normalerweise hatte er seine Gefühle immer unter Kontrolle.

„Wer ist der Vater?“, fragte er.

Sara blickte ihn an, als hätte er sie geschlagen. „Du natürlich“, erwiderte sie heftig. Ihr Gesicht war gerötet. „Wer sollte es denn sonst sein?“

„Ich weiß es nicht. Immerhin hast du mich verlassen.“ Er kannte sich mit Schwangerschaften nicht aus, aber Saras Bauch war sehr stark gerundet. „Im wievielten Monat bist du?“

„Im achten“, antwortete sie zögernd.

„Und während dieser acht Monate konntest du mich nicht anrufen und mir erzählen, dass du schwanger bist?“ Er wurde immer wütender. Als sie ihn verlassen hatte, war eine Leere in seinem Leben entstanden. Aber auch wenn sie sich einander entfremdet hatten – Sara hätte ihm nicht verschweigen dürfen, dass sie ein Kind von ihm erwartete.

Sie zuckte die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte sie sich schützen. „Ich hätte es dir wohl sagen müssen“, gab sie widerstrebend zu.

„Allerdings!“

„Ich wollte es ja auch, aber …“

Alec wartete ab. Er hatte diese Technik im jahrelangen Umgang mit Straftätern perfektioniert. Den meisten Menschen war längeres Schweigen unangenehm, sodass sie unbedacht zu sprechen begannen.

„Ich … es schien nie der richtige Zeitpunkt zu sein“, sagte Sara.

„Hattest du denn überhaupt vor, es mir zu erzählen?“ Alec versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Noch immer konnte er es nicht fassen – schließlich war es auch sein Baby.

„Ja, natürlich.“

„Und wann, wenn ich fragen darf? Wenn unser Kind sein Studium beendet hätte?“

„Ich weiß es nicht. Ich habe auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.“

„Wissen Wyatt und Elizabeth es?“

Sie nickte.

Vor Wut schlug Alec mit der Faust gegen den Türpfosten. Nicht einmal sein eigener Bruder hatte es ihm gesagt!

Sara begann, unruhig in der Küche hin und her zu laufen. „Du hättest mich ja auch anrufen können“, sagte sie schließlich.

Du hast mich verlassen. Und du wusstest, wo ich war.“

„Wenn ich dir nicht völlig egal gewesen wäre, hättest du mich zumindest einmal angerufen, um zu fragen, wie es mir geht.“

Er kniff die Augen zusammen. „Geht es dir denn nicht gut? Verläuft die Schwangerschaft nicht normal?“

„Doch, darum geht es nicht. Aber wenn du dich nicht ein einziges Mal nach mir erkundigt hast, warum sollte ich annehmen, dass es dir etwas bedeuten würde, Vater zu werden?“

Vater. Er, Alec, und Sara hatten nur einmal über Kinder gesprochen. Damals hatte er darauf bestanden, dass sie noch eine Weile warteten. Er wusste nicht, ob er jemals für diese verantwortungsvolle Aufgabe bereit sein würde. Doch jetzt schien die Entscheidung ohne sein Zutun bereits gefallen zu sein. War sie etwa absichtlich schwanger geworden?

„Was tust du eigentlich hier?“, fragte Sara.

„Ich werde einige Zeit hier verbringen. Bist du absichtlich schwanger geworden?“

Heftig schüttelte sie den Kopf. „Nein. Es gibt nun einmal keine absolut sicheren Verhütungsmittel. Der Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger sein können: Ich bin eine allein stehende Frau – ohne einen Mann in Sicht.“

„Weil du damals ausgezogen bist.“

Sie zuckte die Schultern. „Darüber könnten wir uns sicher endlos streiten. Aber du musst dir eine andere Unterkunft suchen. Hier kannst du nicht bleiben.“

„Wyatt und Elizabeth hatten das Haus für ihren Urlaub gemietet. Doch als sein Unternehmen ihm die Mitarbeit an einem Projekt in Europa in Aussicht gestellt hat, sagte er, ich könne hier eine Weile bleiben.“ Das war stark untertrieben. Wyatt hatte ihn praktisch dazu gezwungen.

„Und mir hat Elizabeth das Haus angeboten. Da ich eine Zeit lang von Boston wegwollte, schien es eine ideale Lösung zu sein.“ Sara war verzweifelt. „Sie hat mir nichts davon erzählt, dass du auch herkommen würdest.“

„Vielleicht hat Wyatt es ihr nicht gesagt.“ Oder hatten sein Bruder und seine Schwägerin dies alles geplant, um ihn, Alec, und Sara wieder zusammenzubringen und ihre Ehe zu retten? Aber da haben die beiden sich vergeblich Hoffnungen gemacht, dachte er grimmig. Es gab nichts mehr zu retten.

„Es tut mir leid, aber ich habe diesen Urlaub schon vor langer Zeit geplant. Du musst dir eine andere Unterkunft suchen“, sagte Sara unverblümt.

„Wie kann das sein? Die beiden haben doch erst vorletzte Woche von der Reise nach Europa erfahren.“ An dem Tag, als er, Alec, den Autounfall gehabt und eine Gehirnerschütterung erlitten hatte.

„Ich hatte schon seit mehreren Monaten vor, eine Weile Urlaub zu machen – als Einstimmung auf den Mutterschutz. Und letzte Woche hat Elizabeth mir vorgeschlagen, hierher zu kommen.“

„Wenn du so kurz vor der Geburt stehst, solltest du dich lieber nicht hier aufhalten – bis zum nächsten Krankenhaus sind es Meilen!“ Wenn sie schon so unvernünftig war, nicht auf sich Acht zu geben, sollte sie wenigstens an das Kind denken.

„Der voraussichtliche Geburtstermin ist erst in sechs Wochen. Ich habe mit meiner Ärztin über den Urlaub gesprochen, und sie war einverstanden.“

Wie viele andere Leute hatten noch von dem Baby gewusst– im Gegensatz zu ihm? Alec war noch immer wütend, und die Vorstellung, bald Vater zu werden, verwirrte und überforderte ihn.

„Wo wohnst du jetzt? Wirst du Hilfe brauchen, wenn das Baby da ist?“

„Fällt dir das nicht etwas zu spät ein?“

„Und wer ist daran schuld? Verdammt, Sara, du hättest es mir sagen müssen!“

„Was hättest du denn dann getan?“, rief sie und stützte die Hände in die Hüften. Wollte sie vielleicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte?

„Ich hätte dafür gesorgt, dass du nach Hause zurückkommst – wo du hingehörst.“ Als er auf sie zuging, bemerkte er den Duft des Parfums, das sie immer trug. Erinnerungen wurden in ihm wach. Ohne nachzudenken, zog er Sara an sich und küsste sie.

Die Intensität seiner Gefühle überwältigte ihn. Der Kuss war wild und leidenschaftlich, obwohl Alec noch immer wütend war. Er hatte nichts vergessen, was die faszinierende, aber auch verwirrende Frau betraf, die er vor achtzehn Monaten geheiratet hatte. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen. Saras Lippen schmeckten noch immer so süß wie Honig, und er war wie berauscht. Einen Moment lang war es, als wären sie nie getrennt gewesen …

Plötzlich spürte er sehr deutlich Saras gerundeten Bauch. Alec hob den Kopf und blickte ihr in die glänzenden Augen. Sie wich einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du hattest ja nicht einmal Zeit für mich, als wir noch zusammengelebt haben. Ich habe daher auch nicht angenommen, dass du dir für ein Baby Zeit nehmen würdest“, sagte sie schonungslos offen.

„Das kannst du nicht wissen. Du hättest es mir sagen müssen.“ Er wandte sich um, stieß heftig die Schwingtür auf und ging hinaus. Erst auf der Terrasse hielt er inne. Alec nahm nichts von der Schönheit der Natur, den Bäumen, dem See oder dem strahlend blauen Himmel wahr. Er konnte nur daran denken, dass seine Frau bereits im achten Monat schwanger war – und er hatte nichts davon gewusst! Schweigend dachte er über Saras Frage nach. Was hätte er, Alec, getan, wenn sie ihm von dem Baby erzählt hätte? Hätte er versucht, sie zu überreden, wieder zu ihm zu ziehen? Hätte er bis zur Geburt so viel wie möglich über Babys gelernt, seine Lebenseinstellung geändert oder sich darauf vorbereitet, dass er bald Vater werden würde?

Du meine Güte, ich werde Vater, dachte Alec bestürzt. Er wusste so gut wie gar nichts über das, was ihn erwartete.

Sara hatte Alec nachgeblickt, als er aus der Küche gestürmt war. Ihr zitterten die Knie, und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Als er sie geküsst hatte, war ihr nicht entgangen, wie wütend er gewesen war. Doch es hatte ihr nichts ausgemacht. Sie hatte es genossen, in Alecs Armen zu liegen – damit hatte sie unter diesen Umständen nicht gerechnet. Was war nur zwischen ihnen falsch gelaufen? Und warum?

Der Teekessel pfiff. Sara stellte das Gas ab, doch jede Bewegung fiel ihr schwer. Alec wieder zu sehen war ein Schock gewesen. Ihre Schuldgefühle hatten die anderen Empfindungen verdrängt, die er zuerst in ihr wachgerufen hatte. Ich hätte es ihm schon vor Monaten sagen müssen, dachte sie. Ich hätte Alec an der Vorfreude auf das Kind teilhaben lassen sollen. Er hatte recht: Sie, Sara, hatte einen Fehler begangen. Doch es schien nie der richtige Zeitpunkt gewesen zu sein, um ihm von dem Baby zu erzählen.

Als sie festgestellt hatte, dass sie schwanger war, hätte sie vor Glück am liebsten lauf aufgeschrien. Doch ihre Ehe war bereits beendet gewesen. Und sie, Sara, hatte so viele Schwierigkeiten zu bewältigen gehabt, dass sie ohnehin nicht dazu gekommen wäre, es Alec zu erzählen.

Trotzdem gab es keine Entschuldigung für ihr Verhalten. Sara atmete tief ein. Sie musste es wieder gutmachen – so weit es unter diesen Umständen möglich war. Nachdenklich verließ sie die Küche. Wo war Alec?

Die Haustür stand offen. Sie sah ihn auf der Terrasse stehen, von wo aus er über eine Lichtung auf den See blickte. Sara gab sich einen Ruck und ging zu ihm. „Alec?“

Er wandte sich um und blickte sie an. Seine Miene war undurchdringlich.

„Wenn du nicht wusstest, dass ich hier bin, warum bist du dann hergekommen?“

Er deutete auf seinen Gipsarm. „Ich war auf der Suche nach einem Ort, an dem ich mich erholen konnte. Wyatt wollte unbedingt, dass ich in diesem Haus wohne. Er und Elizabeth hatten schon eine Anzahlung geleistet, als sie ihre Pläne änderten.“ Er zuckte die Schultern. „Es war leichter, nachzugeben und das Angebot anzunehmen, als mich mit ihm zu streiten.“

Überrascht sah Sara ihn an. Sie hatte von dem Unfall gehört, aber nicht gewusst, wie schlimm er gewesen war. Offenbar waren Alecs Verletzungen ernster gewesen, als Wyatt und Elizabeth ihr erzählt hatten – sonst hätte Alec seinem Bruder gegenüber niemals so leicht nachgegeben. Denn nichts mochte er lieber, als zu diskutieren. Manchmal vertrat er sogar aus reiner Lust an Streitgesprächen einen besonders provokanten Standpunkt.

Sara zögerte einen Moment und sagte dann: „Ich wusste von dem Unfall. Elizabeth hat mir gesagt, du würdest wieder ganz gesund werden. Das stimmt doch, oder?“

„Das sagen zumindest die Ärzte.“

„Wie ist es nur passiert? Du bist doch so ein guter Autofahrer!“

Anstatt zu antworten, schwankte Alec plötzlich und hielt sich am Geländer fest.

„Ist alles in Ordnung?“ Erschrocken ging sie einen Schritt auf ihn zu.

„Ich hatte von dem Unfall eine Gehirnerschütterung und habe noch immer dann und wann Schwindelanfälle. Laut Aussage des Arztes werden sie aber bald aufhören.“

„Setz dich lieber hin. Soll ich dir einen Tee machen?“ Sie streckte den Arm nach ihm aus, doch Alecs Blick ließ sie die Hand schnell wieder zurückziehen. Deutlicher hätte er ihr, Sara, nicht zeigen können, dass er sie nicht brauchte – und auch nicht wollte. Das hätte ich eigentlich schon lernen müssen, als wir noch zusammengelebt haben, dachte sie bitter.

Vorsichtig ging Alec zu einem in der Nähe stehenden Stuhl und setzte sich.

Sara wünschte, sie hätte wie früher das Recht, sich um ihn zu kümmern. Der Unfall hatte sie zutiefst erschreckt. Auch wenn sie sich getrennt hatten, konnte sie sich eine Welt ohne Alec nur schwer vorstellen. Am liebsten hätte sie es ihm gesagt, aber sie brachte kein Wort heraus. Wehmütig fand sie sich damit ab, dass sich die Vergangenheit nicht ändern ließ.

Alec lehnte sich zurück und schloss die Augen. Das Schwindelgefühl ließ langsam nach, doch er wollte Sara nicht ansehen. Er hätte nicht so heftig reagieren dürfen, als er festgestellt hatte, dass sie schwanger war. Und auf keinen Fall hätte er sie küssen dürfen!

„Ich muss mich bei dir entschuldigen, Alec. Ich hätte dir sofort erzählen müssen, dass ich schwanger bin“, sagte sie ein wenig steif.

Allerdings, dachte er, noch immer wütend. Er öffnete die Augen und betrachtete Sara aus den Augenwinkeln. Sie stand am Geländer der Terrasse und blickte traurig zum See hinüber. Trotz der Schwangerschaft bewegte sie sich noch immer elegant und anmutig. Er hatte sie immer gern angesehen. Sara war sehr weiblich und begehrenswert.

Nicht zum ersten Mal fragte Alec sich, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn seine Mutter die Familie nicht verlassen hätte – oder wenn sein Vater wieder eine liebevolle Frau geheiratet hätte, statt sich zu einem verbitterten Mann zu entwickeln. Vielleicht hätte er, Alec, dann gewusst, wie er seine Beziehung aufrechterhalten konnte.

Erneut schloss er die Augen und rief sich in Erinnerung, dass er die ersten vierunddreißig Jahre seines Lebens sehr gut ohne Frau ausgekommen war. Er würde es also auch die nächsten vierunddreißig Jahre schaffen. Die Monate, die er und Sara verheiratet gewesen waren, zählten nicht. Obwohl, korrigierte er sich insgeheim, wir ja rechtlich gesehen noch verheiratet sind. Und jetzt war auch noch ein Baby unterwegs!

„Hast du mir deshalb nichts von dem Kind erzählt, weil du dachtest, ich wäre sicher ein schlechter Vater?“, fragte er, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.

2. KAPITEL

„Nein, aber du würdest vermutlich nie da sein. Wie würdest du Zeit für das Baby aufbringen?“ Sara zuckte die Schultern. „Ich dachte nicht, dass du irgendetwas ändern würdest, wenn du von dem Kind erfahren hättest – schon gar nicht deine Arbeitszeiten.“

Alec wies auf den Stuhl, der gegenüber von ihm stand. „Setz dich doch. Wir haben schließlich etwas Wichtiges zu besprechen.“

Sara ließ sich vorsichtig auf der vorderen Stuhlkante nieder. „Ich erwarte nichts von dir“, sagte sie schnell.

„Aber es ist auch mein Baby, stimmt’s?“

Sie nickte nachdrücklich.

„Brauchst du irgendetwas?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin letzten Monat in ein größeres Apartment gezogen und habe schon eins der Zimmer für das Baby eingerichtet. Wie werden gut zurechtkommen.“

Die Antwort gefiel ihm nicht. Aber was sollte er schon entgegnen? Sie hatte sehr deutlich gemacht, was sie empfand, als sie ausgezogen war.

„Wegen des Ferienhauses …“

„Vielleicht ist noch ein anderes frei, das du nehmen könntest“, schlug sie vor.

„Oder du.“

„Ich bleibe hier. Ich habe schon alles ausgepackt.“

„Ich auch.“

Alec bemühte sich, schwach und erschöpft auszusehen. „Ich muss mich von einem schweren Unfall erholen.“

„Du willst doch wohl nicht, dass ich dich bemitleide? Das sieht dir gar nicht ähnlich.“ Sara bog sich vor Lachen. „Du lässt dir wirklich einiges einfallen, um hierbleiben zu können. Aber so einfach wird es nicht funktionieren.“

Die Spannung zwischen ihnen ließ ein wenig nach. Alec war erleichtert. Es würde einige Zeit dauern, bis er sich an die Veränderungen gewöhnt hätte, die in seinem Leben anstanden. Er sah Sara an und dachte daran, wie sehr er sie vermisst hatte, nachdem sie ausgezogen war. Das Apartment war ihm leer und verlassen erschienen und die einsamen Nächte endlos.

Ich bleibe hier“, wiederholte sie noch einmal.

Alec merkte, wie entschlossen sie war. Er wusste, dass Sara sehr hartnäckig sein konnte. Sie hatte auch die Auseinandersetzung mit einigen Angestellten in höheren Positionen in ihrem Unternehmen nicht gescheut, wenn sie von etwas überzeugt war – und letzten Endes hatte sie sich oft durchgesetzt. Und sie hatte ihn, Alec, verlassen, weil er seinen Lebensstil nicht hatte ändern wollen – genau wie sie es angedroht hatte.

Eine Weile blickten sie einander schweigend an. Doch Alec hatte es nicht ohne Grund zu einem erstklassigen und erfolgreichen Staatsanwalt gebracht. Er hatte jahrelange Erfahrung darin, mit anderen zu verhandeln und Straftäter dazu zu bringen, mit ihm zu kooperieren.

„Na gut, dann bleiben wir eben beide hier“, sagte er schließlich. „Beziehungsweise wir drei. Du kannst dir natürlich auch eine andere Unterkunft suchen, wenn du möchtest.“

Er lehnte sich zurück und wartete gespannt ab, wie Sara auf diese Herausforderung reagieren würde.

Überrascht blickte sie ihn an. Ehepartner verbrachten doch nicht die Ferien im selben Haus, nachdem sie sich getrennt hatten! Sie war hierher gekommen, um einige Wochen ganz für sich zu sein, Pläne zu machen und über ihr zukünftiges Leben nachzudenken – und über eine Scheidung. Diese Entscheidung konnte sie nicht treffen, wenn Alec in der Nähe war.

Autor

Barbara Mc Mahon
Barbara McMahon wuchs in einer Kleinstadt in Virginia auf. Ihr großer Traum war es, zu reisen und die Welt kennenzulernen. Nach ihrem College-Abschluss wurde sie zunächst Stewardess und verbrachte einige Jahre damit, die exotischsten Länder zu erforschen. Um sich später möglichst genau an diese Reisen erinnern zu können, schreib Barbara...
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