So viel Sehnsucht im Herzen

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Ein neuer Mann - Familie, Kinder? Nichts für Karleen! Nach dem schmerzlichen Scheitern ihrer letzten Beziehung hat sie endgültig der Liebe abgeschworen. Bis eines Tages der bestaussehende Witwer der Welt ins Nachbarhaus einzieht - zusammen mit den beiden süßesten kleinen Jungen, die sie je gesehen hat. Ohne es zu wollen fühlt sich Karleen mit jedem Tag mehr zu Troy Lindquist hingezogen. Doch kann sie es wagen, der Sehnsucht ihres Herzens nachzugeben? Zu groß ist ihre Angst, noch einmal enttäuscht zu werden. Obwohl Troy alles ist, was sie sich jemals erträumt hat …


  • Erscheinungstag 23.01.2010
  • Bandnummer 1716
  • ISBN / Artikelnummer 9783862952854
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schon als sie dreißig Jahre alt geworden war, hatte Karleen Almquist drei Scheidungen hinter sich gebracht. Damals hatte sie beschlossen, sich das Leben leichter zu machen und sich Hamster zuzulegen.

Bedauerlicherweise machten es ihre Hamster nicht viel länger als ihre Ehemänner. Aus diesem Grund war Karleen gerade wieder einmal dabei, ein Tier unter der riesigen Pappel im Garten zu beerdigen. Das alte Lehmziegelhaus hatte sie nach ihrer letzten Scheidung vor sieben Jahren behalten. Unter dem knorrigen Baum markierten winzige gravierte Steine jedes einzelne Hamstergrab. Man konnte sie online bestellen, und gegen einen Aufpreis lieferte die Firma sogar innerhalb von zwei Tagen.

Karleen steckte die kleine Gedenktafel in die weiche Erde. Dann erhob sie sich und streifte die Gartenhandschuhe ab. Sie zog eine Grimasse: Zwar hatte sie Melvin sehr gerngehabt, aber es hatte fast eine Stunde gedauert, um diese Nägel anzukleben. Für einen toten Nager wollte sie ihre Maniküre nun wirklich nicht ruinieren.

Eine kühle Brise wehte durch die Apfelbäume, die entlang der Gartenmauer eine regelrechte Obstplantage bildeten. Weiße Blütenblätter fielen in einem Schauer auf die staubige Abdeckung ihres Swimmingpools. In ein paar Wochen würden auch die Pfirsiche, die Aprikosen und die Kirschen blühen.

Als sie plötzlich ein Kichern hörte, fuhr sie herum. Gerade noch sah sie ein Paar hellblonde Schöpfe hinter dem niedrigen Holzzaun verschwinden, der ihren Garten vom Nachbargrundstück trennte.

„Jungs!“, ertönte eine tiefe männliche Stimme. „Kommt her!“

Karleen sauste zurück zum Haus, so schnell es ihr in den Sandaletten möglich war. Ohne stehen zu bleiben, warf sie ihre Handschuhe auf den Glastisch auf der Veranda. Drinnen huschte sie eilig über den Ziegelfußboden und zerrte an einem der leicht verzogenen Wohnzimmerfenster, bis es schließlich aufsprang. Vorsichtig spähte sie durch den Vorhang aus glitzernden Glasornamenten, der vom Vordach der Veranda herabhing. Sie konnte einen riesigen alten Umzugswagen erkennen, der nebenan in der Auffahrt stand.

Das Nachbarhaus, ein zweistöckiger Bau im mexikanischen Stil, war das größte der vier Anwesen in der engen Sackgasse. Auf dem kreisförmigen Grundstück wucherte ein ganzer Wald: Pappeln, Weiden, Kiefern, Ahorn. Die kleinen Jungen – anscheinend Zwillinge – rannten gerade um den Transporter herum und kreischten: „Daddy, Daddy! Das Haus nebenan hat einen Pool!

Die beiden wirkten auf Karleen kaum älter als das jüngste Kind ihrer Freundin Joanna. Vermutlich waren sie etwa vier Jahre alt. Doch so wild, wie die zwei herumhüpften, war das schwer zu sagen. Die Mutter ist wirklich zu bewundern, dachte Karleen.

Auf einmal trat ein Mann wie ein nordischer Gott hinter dem Auto hervor. Das Sonnenlicht glitzerte auf seinem kurzen blonden Haar und umspielte seine muskulösen Schultern. Mühelos hob er einen riesigen Umzugskarton aus dem Wagen. Karleen konnte nicht mehr klar denken.

Trotzdem schaffte sie es noch, das alte Fernglas vom vollgestopften Bücherregal hinter sich zu nehmen. Ein leiser Aufschrei entfuhr ihr, als das Gesicht der göttlichen Gestalt auf einmal ihr Blickfeld ausfüllte.

Wahnsinn. Sie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte. Was für Gesichtszüge … diese Wangenknochen … diese Augen … und der Mund.

O Gott, was für ein Mund.

Sie befeuchtete sich die Lippen. Es war sehr, sehr lange her, seit sie so einen Mund aus der Nähe gesehen hatte. Er war einzigartig. Nicht zu schmal. Aber auch kein bisschen feminin.

Während sie so dastand, kam ein Jeep angedonnert und parkte hinter dem Transporter. Zwei gut aussehende, dunkelhaarige Kerle sprangen heraus. Oder vielmehr ein Kerl und ein zweiter, der so einer erst noch werden wollte: Scheinbar musste der Teenager sich an seine langen Arme und Beine noch gewöhnen. Nachdem die Männer sich mit kumpelhaftem Schulterklopfen begrüßt hatten, begannen sie gemeinsam, den Umzugswagen zu entladen. Dabei kamen ihnen die kleinen Jungen dauernd in die Quere. Doch die zwei waren so süß, dass niemand ihnen böse war.

Die nächsten zwanzig Minuten schaute Karleen zu, wie karierte Sessel, Sofas, Messinglampen, die Bestandteile eines Himmelbetts und ein ausgesprochen langweiliges Landschaftsgemälde ihren Weg ins Nachbarhaus fanden. Während die Minuten vergingen, wunderte sie sich allmählich: Wo steckte nur die Ehefrau? Sollte sie nicht eigentlich herumflitzen und alle herumkommandieren?

Ungefähr in diesem Augenblick bemerkte Karleen, wie das Postauto mit einem Ruck vor ihrer Auffahrt hielt. Die Postbotin stieg aus und stopfte etwas in den Briefkasten. Dann kehrte sie zu ihrem Wagen zurück und holte ein Paket. Aber anstatt es Karleen an die Tür zu bringen, ließ sie es einfach ins Unkraut fallen. Also, das ging eindeutig zu weit.

Karleen riss die Haustür auf und marschierte in Richtung Briefkasten. Erst auf halbem Wege fiel ihr auf, dass sich nebenan niemand mehr rührte. Es erfüllte sie zwar durchaus mit Stolz, im Alter von siebenunddreißig Jahren Männer mit ihrem bloßen Anblick in den Bann zu schlagen. Gleichzeitig nervte es allerdings auch ein bisschen. Sie konnte nicht einmal die Post holen, ohne angestarrt zu werden. Aber wenn sie jetzt nichts zu ihnen sagte, wäre sie für immer als arrogante Kuh abgestempelt. Und das könnte sie nicht ertragen.

Also fischte sie zunächst die Post aus dem Briefkasten und hob das Päckchen aus dem Unkraut auf. Anschließend wanderte sie durch ihre ständige wachsende Sammlung von Gartenschmuck zum Zaun hinüber.

„Hi“, sagte sie lächelnd. „Ich bin Karleen. Und Sie dürften die neuen Nachbarn sein, was?“

Eine echte Tussi.

Das war der erste Gedanke, der Troy durch den Kopf schoss. Gefolgt von blond, tolle Brüste und oh nein.

Es lag nicht nur an der Frisur im Stil der Achtzigerjahre. Oder am Make-up à la Las Vegas. Oder daran, dass sie aufreizend gekleidet war. Denn tatsächlich war sie das nicht – jedenfalls nicht unbedingt. Die Stretchhose saß knapp auf den Hüften, während das Top oberhalb der Taille endete, und dazwischen funkelte ein Bauchnabelring. Doch das Wesentliche war bedeckt. Das Oberteil hatte nicht einmal einen tiefen Ausschnitt. Sie trug zwar ein dünnes Goldkettchen ums Fußgelenk, aber das war schon alles. An so eine Figur wie ihre schmiegte Kleidung sich eben gerne hautnah an.

Und Männer bestimmt auch.

Neben ihm räusperte sich Blake. Troy riss sich zusammen und streckte die Hand aus. Zahlreiche Strasssteinchen funkelten im Sonnenlicht. Verdammt, mit diesen Fingernägeln konnte sie wahrscheinlich Fische filetieren.

„Und ich bin Troy. Lindquist“, erwiderte er endlich.

Ihr Händedruck war kurz und fest. Auf einmal hatte er den Eindruck, dass sie noch weniger Lust auf dieses Treffen hatte als er. Aus irgendeinem Grund ärgerte ihn das.

„Das hier sind meine Jungs, Grady und Scott“, sagte Troy. „Und das sind mein Geschäftspartner Blake Carter und sein Sohn Shaun.“

Sie begrüßte alle freundlich, höflich, vorsichtig … dann schenkte sie seinen Söhnen ein strahlendes Lächeln. Mit einem Mal verspürte er ernsthaftes Interesse an ihr. Normalerweise reagierten die Leute auf zwei Arten auf seine Kinder: Entweder gingen sie entzückt auf sie zu und alberten herum. Oder sie starrten sie an, als wären sie soeben über ein paar Klapperschlangen gestolpert. Karleen verhielt sich anders. Ihr Gesichtsausdruck vermittelte eindeutig: „Egal was ihr vorhabt, ich werde mit euch schon fertig.“ Auf Troy wirkte das attraktiv – und zugleich beunruhigend.

„Hi Jungs“, meinte sie in einem ganz normalen Tonfall mit einem ganz normalen Lächeln. Sie musste ungefähr so alt sein wie er selbst, bemerkte er im Stillen. Und offenbar hatte kein Schönheitschirurg bei ihr Hand angelegt. Wenigstens nicht im Gesicht. „Lasst mich mal raten – ihr seid Zwillinge, was?“

Scott war ein bisschen kleiner als sein Bruder. Er blieb so dicht wie möglich bei Troy, während der mutigere Grady sich wie ein neugieriger kleiner Affe am Zaun festklammerte. Sichtlich beeindruckt – und sprachlos – nickten beide heftig. Aus den Augenwinkeln beobachtete Troy, wie Blake seinem Sohn Shaun den Ellbogen in die Rippen stieß und der Sechzehnjährige tomatenrot anlief.

„Wie alt seid ihr Jungs denn?“, wollte Karleen wissen, die Shaun nicht beachtete.

„Vier!“, riefen die beiden wie aus einem Mund. Dann beugte Grady sich vor und fragte: „Hast du Kinder?“

Karleen schüttelte den Kopf. „Nein, Süßer, hab ich nicht.“

„Warum hast du dann das ganze Zeug da?“ Grady zeigte mit dem Finger auf ihren Garten. Der wirkte wie die Ausstellungsfläche in der Gartenabteilung von Wal-Mart. Und das war wahrlich kein Kompliment. Vermutlich konnte sie sich nicht damit herausreden, dass die Windräder und die steinernen Waschbären schon die ganze Zeit da gewesen waren, oder? Und war das etwa ein Gartenzwerg hinten in der Ecke?

„Weil’s Spaß macht“, gab Karleen mit einem Schulterzucken zurück. „Ich mag Sachen, die glitzern und funkeln. Du nicht?“

Die Kinder nickten, und Scotty erkundigte sich: „Du hast einen Pool, oder?“

„Okay“, mischte Troy sich ein und legte warnend eine Hand auf die Schulter des Jungen. „Das reicht jetzt, Kumpel.“

„Ist schon in Ordnung“, meinte Karleen und sah ihn an. Offensichtlich vergaß sie, von dem Strahlen für die Kinder auf das höfliche Lächeln umzuschalten, das für ihn bestimmt war. Ihm stockte der Atem. Schmerzhaft rief ihm das in Erinnerung, wie lange er nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war. Gott sei Dank richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf seinen Sohn.

„Daddy hat gesagt, wir kriegen keinen Pool“, erklärte Scotty, „weil wir noch zu klein sind und er sich keine Sorgen machen will um uns. Aber wenn wir schwimmen lernen, dann muss er das doch nicht.“

„Genau“, fügte Grady hinzu und nickte begeistert.

Karleen lachte. Ein tiefes, herzliches Lachen. „Eure Mom muss ja alle Hände voll zu tun haben mit euch.“ Oh, verdammt, dachte Troy.

„Eine Mom haben wir auch nicht“, murmelte Scotty. „Sie ist gestorben.“

Karleen zuckte zusammen, und ihre Wangen färbten sich tiefrot – dunkler als ihr Make-up. „Es tut mir so leid …“

„Das ist okay“, schaltete Troy sich ein. „Sie haben ihre Mutter nie gekannt.“

„Aber Sie haben sie schließlich gekannt“, sagte sie.

„Wirklich, es ist okay“, wiederholte er.

„Ja, dann … War nett, Sie kennenzulernen. Herzlich willkommen in der Nachbarschaft.“ Damit trat sie eilig den Rückzug zu ihrem Haus an.

„Ich mag Karleen“, bemerkte Grady, der sich immer noch am Zaun festklammerte. „Sie ist hübsch.“

„Ja“, stimmte Scotty zu. „Und nett ist sie auch.“

Allerdings war Troy nicht entgangen, dass sie nicht angeboten hatte, ihm als gute Nachbarin mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Genauso wenig hatte er übersehen, wie sich der eng anliegende Stoff ihrer Hose an ihre weichen Rundungen schmiegte …

Ein paar Stunden später saß Troy mit Blake auf der Veranda. Sie streckten die Beine aus und entspannten ihre müden Muskeln bei ein paar Dosen Cola. Die Zwillinge waren mit Shaun unterwegs, um die Nachbarschaft auszukundschaften. Mit geschlossenen Augen ließ Troy sich in das Polster des Liegestuhls zurücksinken und genoss die Frühlingsluft und die ruhige Atmosphäre.

„Deine Nachbarin ist ja echt was fürs Auge“, fing Blake an.

Das war’s dann wohl mit der friedlichen Stimmung, dachte Troy und rutschte noch ein Stück tiefer auf dem Stuhl. „Kann sein. Wenn das dein Typ ist.“

„Ich rede nicht von mir. Offensichtlich. Ich hab eine Frau“, erwiderte sein Partner und streckte sich mit einem Laut der Zufriedenheit. „Doch wir müssen mal darüber nachdenken, wie wir diese Lücke in deinem Leben füllen. Und behaupte bitte nicht, dass du zum Glücklichsein nur deine Jungs brauchst und dass es noch zu früh ist.“

„Hatte ich nicht vor“, sagte Troy gelassen. „Ich habe Amy geliebt. Ich werde Amy immer lieben. Aber ich will nicht mehr allein sein.“

„Und du vermisst den Sex.“

Troy verzog den Mund. „Das kannst du laut sagen.“

Blake schwieg einen Augenblick. Das war nur verständlich: Der Tod seiner Frau hatte Troy sehr mitgenommen, und damals war er felsenfest davon überzeugt gewesen, dass es nie eine andere geben konnte. Noch heute lauerte der Schmerz ihm manchmal auf. Gleichzeitig wurde mit jedem Zentimeter, den die Trauer zurückwich, die Leere in seinem Inneren größer.

„Das hört sich an, als ob du schon länger darüber nachdenkst“, meinte Blake.

Troy hielt die Coladose hoch, und das Metall glitzerte im Licht des späten Nachmittags. „Seit ungefähr einem Jahr. Seit wir darüber geredet haben, das Geschäft hierher zu verlagern.“ Er ließ die Dose sinken. „Ich schätze, die Veränderungen haben mich wachgerüttelt. Zumindest ist mir klar geworden, dass ich eine neue Beziehung will, bevor ich dazu rein körperlich nicht mehr in der Lage bin.“

Der dunkelhaarige Mann verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Troy mit wissendem Blick. „Schon eine Idee, wie du diesen Entschluss in die Tat umsetzen willst?“

Troy seufzte tief. „Keine Ahnung. Amy und ich waren dreizehn Jahre lang ein Paar. Und sie ist seit vier Jahren tot.“ Er schüttelte den Kopf. „Es wäre reichlich untertrieben, wenn ich sagen würde, dass ich nur ein bisschen aus der Übung bin.“

„Das fällt dir alles wieder ein, da bin ich ganz sicher“, sagte Blake trocken.

Darüber rede ich gar nicht, du Witzbold. Ich meine Verabredungen, eine Beziehung überhaupt erst mal anzufangen. Das war schon schlimm genug als Teenager. Aber inzwischen erwartet jeder, dass ich weiß, was ich da tue.“

Blakes Mundwinkel zuckte. „Du bist nicht gerade mittellos und hast noch alle Zähne. Überlass den Rest einfach den Frauen. Die kommen mit diesem Wissen auf die Welt.“

Beide Männer fuhren zusammen, als mit einem Mal ohrenbetäubend laute Countrymusik die Stille durchbrach. Die Lautstärke wurde zwar ebenso plötzlich heruntergedreht. Doch für Troys Geschmack geschah das längst nicht schnell genug.

„Wie die da, zum Beispiel“, fuhr Blake fort, als Karleen in ihrem Garten auftauchte. Ein riesiger Strohhut verdeckte sie beinahe völlig. Eine Minute später ging sie auf und ab und schob eine Maschine vor sich her – vermutlich düngte sie den Rasen. Dabei unterstützte sie die Sängerin leidenschaftlich und sang aus voller Kehle mit.

Der Verzweiflung nahe, starrte Troy sie an. Er schüttelte den Kopf.

„Warum denn nicht, um Himmels willen?“

„Hast du ihren Garten etwa nicht gesehen?“

„Wenigstens hat sie keine aufgebockten Autowracks herumstehen“, meinte Blake hilfsbereit. „Oder fahrbare Toiletten.“

„Soweit man das von hier aus erkennen kann. Und dann wären da noch ihre … körperlichen Vorzüge.“

Blake runzelte die Stirn. „Ich kann dir nicht ganz folgen.“

„Ich will keine Bettgeschichte. Und mehr wäre das nicht. Wenn überhaupt.“

„Oh, ich weiß nicht.“ Blake nahm einen Schluck und lachte leise. „Hätte mich nicht gewundert, wenn der Rasen zwischen euch in Flammen aufgegangen wäre.“

„Das ist verrückt. Und hör damit auf“, betonte er und schwenkte seine Cola in Blakes Richtung, „so mitleidig den Kopf zu schütteln.“

„Ich mach mit meinem Kopf, wozu ich Lust habe. Langsam frage ich mich, ob du deinen Verstand im Umzugswagen vergessen hast. Die Frau ist hübsch, mag Kinder und scheint sich ganz gut ausdrücken zu können. Obwohl ich für einen Augenblick den Eindruck hatte, dein Anblick hat ihr die Sprache verschlagen. Nein, warte: Das war umgekehrt.“ Blake lehnte sich im Liegestuhl zurück und grinste. „Also, ich weiß wirklich nicht, was dein Problem ist.“

„Dass sie keine Kinder hat, heißt aber nicht, dass sie Single ist“, gab Troy zu bedenken.

Blake tippte auf seinen eigenen Ehering. „Kein Ring.“

„Trotzdem könnte sie einen Freund haben. Aber das ist völlig egal, weil ich nicht interessiert bin. Ach komm schon, Blake … du weißt genauso gut wie ich, dass der ganze Kram von wegen ‚Gegensätze ziehen sich an‘ nur Gerede ist. Okay, sie scheint eine ganz nette Frau zu sein. Aber ich will etwas mehr.“

„So was wie mit Amy.“

„Genau“, gab er zurück, woraufhin Blake erneut den Kopf schüttelte. „Was ist?“

Aus dunkelbraunen Augen sah Blake ihn an. „Man nennt das Ganze aus gutem Grund ‚Neuanfang‘: Eine zweite Amy gibt es nicht, und das zu denken ist unfair. Vor allem dir selbst gegenüber. Überstürzt du die Sache sowieso nicht ein bisschen? Anscheinend lässt du alle Frauen außen vor, bei deren Anblick du nicht sofort die Hochzeitsglocken läuten hörst. Warum schränkst du deine Möglichkeiten so ein?“

„Weil das ansonsten Zeitverschwendung wäre, oder? Weil …“ Er warf einen Blick zu Karleens Haus hinüber und senkte die Stimme. „Weil sie einfach gar nicht mein Typ ist?“

„Dass du ausgesehen hast, als wärst du vollkommen weggetreten, war also wohl nur eine optische Täuschung.“ Blake erhob sich und schaute auf die Uhr. „Ich muss los. Ich hab Cass versprochen, um fünf wieder zu Hause zu sein. Bist du so weit, den Umzugswagen zurückzubringen und dein Auto abzuholen?“

„Ist wahrscheinlich besser, das gleich zu erledigen.“

Troy hoffte, dass damit die Unterhaltung zu Ende war. Nachdem sie den Transporter abgegeben hatten, setzte Blake ihn und die Jungs bei ihrem alten Apartment ab. Troy wollte schon zu seinem Volvo gehen, als Blake ihn wieder zu sich winkte.

„Willst du Karleen jetzt näher kennenlernen oder nicht?“, fragte Blake leise.

Finster schaute Troy ihn an und schwieg.

Blake legte den Rückwärtsgang ein und betrachtete Troy noch einmal besorgt. „Offenbar meinst du, dass du dich für was Neues öffnest. Weißt du, ich frage mich nur, wie du das glauben kannst, wenn du eigentlich nur eine neue Amy suchst. Denk mal drüber nach“, bemerkte er und rollte aus der Einfahrt.

Zwanzig Minuten später hielt Troy wieder vor seinem neuen Haus. Kaum hatte er den Motor abgestellt, befreiten sich die Jungs aus ihren Kindersitzen. „Bleibt im Garten!“, rief er ihnen nach, bevor sie kichernd verschwanden. Schließlich lehnte er sich im Autositz zurück und legte den Kopf gegen die Nackenstütze. Er betrachtete sein neues Zuhause und wartete darauf, dass der Wirbelsturm aus aufgewühlten Erinnerungen in seinem Inneren zur Ruhe kam.

Vor ein paar Jahren war er sich endlich sicher gewesen, dass sein Geschäft nicht ohne Weiteres pleitegehen würde und dass er guten Gewissens eine Hypothek aufnehmen konnte. Damals war er mit Amy zu einem Makler in Denver gefahren. Sie hatten ein Objekt nach dem anderen besichtigt. Immerhin hatte es ihr erstes Zuhause werden sollen, und deshalb musste es perfekt sein. Dort hatten sie eine Familie gründen wollen – und es nach langer Suche auch getan.

Nach Amys Tod hatte Troy geglaubt, dass er es nicht ertragen könnte, weiter dort zu wohnen. Aber er hatte sich getäuscht. Stattdessen hatte ihm die vertraute Umgebung in den ersten schrecklichen Wochen und Monaten Halt gegeben. Das Haus und seine Babys hatten ihn gerettet und ihn davor bewahrt, den Verstand zu verlieren. Es hinter sich zu lassen war nicht einfach gewesen.

Nach dem Umzug von Denver hierher hatte er sich daher Zeit genommen. Er hatte wieder einen Makler an seine Grenzen getrieben, um für sich und die Jungs ein neues Heim zu finden. Für einen weiteren Neuanfang. Er hätte so ziemlich jedes Grundstück in Albuquerque kaufen können. Trotzdem hatte er nicht irgendein Haus, sondern eben das richtige gewollt. Doch wer hätte ahnen können, dass seine Suche ausgerechnet hier enden würde – bei diesem merkwürdigen, altertümlichen Anwesen mit der abblätternden Farbe? Offenbar glaubte er inzwischen, dass ein Zuhause verzogene Holzdielen, einen mit Glyzinien und Geißblatt überwucherten Laubengang, verwitterte Kragträger, abbröckelnde Fensterpfosten und löchrige Balken in hohen Zimmerdecken brauchte …

Trotzdem strahlt es Gelassenheit aus, dachte Troy, als er schließlich aus dem Wagen stieg und das helle Lachen der Jungen hörte. Das Gebäude vermittelte eine Ruhe, die vermutlich daher stammte, dass es alles gesehen und alles überstanden hatte. Es war wie gemacht für große Hunde und Schaukeln, für Basketballkörbe und ungestüme Jungen.

Die Wohnzimmerdielen knarrten unter seinen Füßen, als er nachsehen wollte, ob die Jungs tatsächlich hinten im Garten waren. Beim Anblick der Kinder, die sich gerade gegenseitig um die Bäume jagten, musste er lächeln.

„He, wollt ihr Pizza?“ Seine Stimme hallte im halb leeren Zimmer – und ihm wurde bewusst, dass er sich auch innerlich leer fühlte.

„Klar!“, brüllten beide und kamen angerannt. Ihre schmutzigen Gesichter glühten unter dem zerzausten Haar.

„Kann Karleen mit uns essen?“, fragte Grady sehr viel lauter als nötig.

„Sie hat bestimmt was anderes vor, Kumpel. Geht wieder raus und spielt noch ein bisschen. Ich ruf euch, sobald das Essen da ist.“

Lieber Himmel, diese Kinder!

Auf der Suche nach dem nächstgelegenen Lieferservice durchblätterte er das Telefonbuch. Nachdem er zwei große Pizzas, Brot und einen Salat bestellt hatte, zwang Troy sich, nach oben ins neue Kinderzimmer zu gehen. Es ging nach hinten raus, also konnte er aufräumen und gleichzeitig auf die Kinder achten. Blake und Shaun hatten ihm bereits geholfen, das Etagenbett aufzubauen. Die Kisten mit Spielzeug, Kleidern und dem restlichen Kram hatten sich jedoch anscheinend in den letzten zwei Stunden verdreifacht.

Kopfschüttelnd begab er sich an die Arbeit und stellte nach einer Weile fest, dass ein paar Kartons mit seinen Sachen bei den Kindern gelandet waren. Nachdem er sich noch mal nach den Jungen umgesehen hatte, stapelte er die Boxen aufeinander und schleppte sie quer durch die Diele zu seinem Schlafzimmer. Kaum hatte er alles am Fußende seines ungemachten Bettes abgeladen, klingelte sein Handy.

„Ich wollte nur kurz hören, ob ihr euch schon eingerichtet habt“, erklang die Stimme seiner Mutter.

Mit dem Fuß schob er eine der Kisten in eine Ecke. „Eingerichtet?“ Finster betrachtete er die Umzugskartons, die sich scheinbar voller Schadenfreude vor ihm auftürmten. „Wenn ich Glück habe, schaffen wir das, wenn die Jungs mit der Highschool fertig sind.“

„Trotzdem denken dein Vater und ich darüber nach, euch besuchen zu kommen. In ein paar Monaten, haben wir uns überlegt.“

Troy erstarrte. „Ach?“

„Wir wollten schon immer den Südwesten kennenlernen, das weißt du doch“, sagte sie. Das war ihm völlig neu.

Es läutete. „Der Pizzaservice steht vor der Tür. Ich muss Schluss machen“, meinte Troy, fischte sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und stürmte die Treppe hinunter. „Viele Grüße an Dad.“ Damit klappte er das Handy zu, riss die Haustür auf – und zuckte zurück. Vollkommen unerwartet erblickte er davor Karleen.

Eingerahmt wurde sie von zwei leicht verdreckten, breit grinsenden blonden Jungen.

„Haben Sie vielleicht was verloren?“, fragte sie.

2. KAPITEL

Troy erlaubte sich einen kurzen Moment, um eingehend in sich aufzunehmen, wie attraktiv Karleen war. Dann setzte der Schock ein. Er packte seine Söhne und zog sie ins Haus.

„Was soll denn das, einfach aus dem Garten zu verschwinden? Ihr wisst genau, dass ihr ohne einen Erwachsenen an eurer Seite nirgends hindürft!“

„Wir sind nicht auf die Straße gegangen oder so“, verteidigte Grady sich. „Wir sind nur zu Karleen rüber.“

„Und warum das?“

„Weil wir wollen, dass sie zu uns kommt. Und du hast gesagt, sie hätte sicher was vor. Hat sie aber nicht. Stimmt’s?“, fragte Grady. Er drehte sich um und schaute zu Karleen auf.

„Tut mir leid wegen der Unannehmlichkeiten“, entschuldigte Troy sich. Erst als er dem Blick seines Sohnes folgte, merkte er, dass Karleen einen Gymnastikanzug anhatte, der wie auf die Haut gemalt wirkte. Sie sah erhitzt aus, und ihr Lippenstift war verblasst. Das Haar trug sie zum Pferdeschwanz gebunden. Daraus hatten sich einige Strähnen gelöst, die nun ihr Gesicht umrahmten. Unter den Ponyfransen erschienen ihre Augen groß und …

„Wir wollten sofort zurückkommen“, unterbrach Scotty seine Gedanken mit leiser Stimme.

Troy straffte die Schultern und setzte seine strengste väterliche Miene auf. „Das spielt keine Rolle. Ihr seid zu klein, um auch nur eine Minute allein unterwegs zu sein.“

In diesem Moment hielt ein kleiner Wagen mit dem Firmenschild von Domino’s vor dem Haus. Sogleich hüpften die Kinder wie die Grashüpfer auf und ab und schrien: „Piz-za! Piz-za!“

„Nein, bleiben Sie noch“, bat er Karleen, als sie sich zum Gehen umdrehte. Sobald der Lieferant mit einem anständigen Trinkgeld in der Tasche verschwunden war, wandte er sich wieder ihr zu. Sie hatte die Arme unter der Brust verschränkt.

„Lieber Himmel, Troy … Ist offenbar schon eine Weile her, oder?“

Troy fuhr zusammen. „Was?“

Ein belustigtes Funkeln trat in ihre Augen. „Wenn Sie mich noch länger so anstarren, geht mein BH bestimmt gleich in Flammen auf.“

„Ich … Das tut mir leid. Normalerweise bin ich nicht …“ Sein Gesicht fühlte sich heißer an als die Pizzakartons in seinen Händen. „Ich meine, ich hatte nicht vor …“

Sie lachte. „Oh, machen Sie sich keine Gedanken. Sie sind nur ein Mann, das ist alles. Ist ja nichts passiert. Irgendwie ist es sogar ganz süß.“

„Ähm … Danke, dass Sie die Jungs zurückgebracht haben“, sagte er und hob die Pizzas höher.

Sie zog eine Braue hoch. „Ich hatte nicht vor, sie zu behalten.“

„Ehrlich, ich hab keine Ahnung, was in sie gefahren ist. Aber Sie können wirklich gerne bleiben. Ich meine, falls Sie noch nichts gegessen haben.“ Fest umklammerte er die beiden Pappschachteln. „Es ist genug für alle da. Ich werde mich auch benehmen“, versprach er.

Für einen kurzen Moment schien ihr die Antwort leidzutun, als sie erwiderte: „Danke für das Angebot. Aber ich kann nicht.“ Damit machte sie auf dem Absatz kehrt.

„Ein andermal?“

Autor

Karen Templeton
<p>Manche Menschen wissen, sie sind zum Schreiben geboren. Bei Karen Templeton ließ diese Erkenntnis ein wenig auf sich warten … Davor hatte sie Gelegenheit, sehr viele verschiedene Dinge auszuprobieren, die ihr jetzt beim Schreiben zugutekommen. Und welche waren das? Zuerst, gleich nach der Schule, wollte sie Schauspielerin werden und schaffte...
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