So weit wie das Meer

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Gut, vielleicht war es ein Glas Champagner zu viel - aber wie konnte das nur geschehen? Cassie erwacht am nächsten Morgen neben einem wildfremden Mann! Und nicht nur das: Sie befindet sich mit diesem unverschämt gut aussehenden Matt Keegan von Sydney aus auf dem Weg nach Neuseeland. Über dem Kreuzfahrtschiff der strahlend blaue Himmel, die ruhige See so weit das Auge blickt - doch für Cassie ist das alles eine Katastrophe! Denn sie wollte in fünf Tagen den prominenten Senator Sebastian Browning-Smith heiraten. Jetzt muss sie erst einmal herausfinden, was in der Nacht an Bord wirklich geschehen ist und warum ihr Herz in Matts Nähe so heftig klopft …


  • Erscheinungstag 11.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756468
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cassie Winters machte die Augen auf, schloss sie aber gleich wieder, denn das Tageslicht brannte entsetzlich darin. Was hatte sie nur gestern Abend getrunken? Es war wohl am besten, wenn sie noch ein wenig schlief, und so zog sie die Bettdecke höher.

Sie hörte einen Mann hüsteln und rang sich ein Lächeln ab. Das konnte nur Sebastian sein, ihr intelligenter, ehrgeiziger Verlobter, den sie in knapp einer Woche heiraten würde. Höchstwahrscheinlich war es jetzt ziemlich genau zwanzig Minuten nach sieben, und er rüstete sich für die Arbeit. Wie jeden Morgen würde er sich sorgfältig die rotblonden Haare kämmen, selbst die winzigste Fluse vom Anzug entfernen und den schwarzen Aktenkoffer fein säuberlich packen. Sie sollte ihm zumindest richtig auf Wiedersehen sagen.

Vorsichtig öffnete sie erneut die Augen, blickte zur Seite und sah auf dem Kopfkissen eine rote Rose liegen. Sie atmete den betörenden Duft ein und lächelte unwillkürlich. Aber eigentlich war Sebastian kein Romantiker. Behutsam berührte sie die samtigen Blütenblätter. „Wie viel Uhr ist es?“

„Du bist wach. Das ist gut.“

Cassie erstarrte. Die Stimme gehörte nicht Sebastian! Sie klang tiefer, rauer und war ihr gänzlich unbekannt. Unverzüglich setzte sie sich auf und musste einen Moment gegen einen leichten Schwindel ankämpfen.

Ein fremder Mann stand am Fußende des Bettes. Er hatte ein ausgesprochen markantes Gesicht, war etwa Anfang dreißig und machte in der schwarzen Hose und dem weißen Hemd eine ausgezeichnete Figur. Eine rostbraune Haarsträhne fiel ihm lässig in die Stirn, während er sie, Cassie, aufmerksam mit seinen dunklen Augen ansah. Er hatte große, breite Hände und presste einen Daumen auf den sinnlichen Mund, als wollte er ein Lächeln unterdrücken.

„Was … Wer, in aller Welt, bist du?“

„Matthew Keegan. Und wer bist du?“

Hektisch blickte sie sich um. Sie war weder in ihrer noch in Sebastians Wohnung, denn die Wände waren weder zart pfirsichfarben gestrichen wie bei ihr zu Hause noch in hartem Weiß wie in seinem Apartment, sondern in einem Zitronengelb. „Eine Verwirrte.“

„Und Nackte.“

Sie sah an sich hinunter und zog sich eilig die Decke bis ans Kinn. Dann riskierte sie noch einen Blick und stellte entsetzt fest, dass sie nicht das Geringste anhatte. Sie errötete und überlegte fieberhaft, warum sie nicht wie sonst immer ein Nachthemd trug. „Wo ist Sebastian?“, fragte sie kleinlaut.

Matt zog die Augenbrauen hoch. „Wer?“

Verzweifelt versuchte sie, sich zu erinnern, was geschehen war. „Was mache ich hier?“

„Ich denke, es ist offensichtlich.“ Matt atmete tief ein und sah beiseite. „Wir hatten sehr viel Spaß zusammen.“

Cassie schluckte. Nein, das konnte unmöglich passiert sein. Nicht ihr! Sie war eine wenig attraktive, schlichte junge Frau, fast schon langweilig. Seit fünf Jahren arbeitete sie in dem gleichen Job, lebte in derselben Wohnung und hatte auch ihre Frisur nicht geändert. Jemand wie sie kam nicht in solch eine Situation.

„Wir haben nicht …“ Kritisch blickte sie auf das Kopfkissen neben sich. „Ich habe nicht … Nein, nicht mit dir!“

Matt nickte. „Doch.“ Er wandte sich um. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst. Ich muss arbeiten“, erklärte er und nahm einen Aktenordner vom Stuhl, der in der Nähe des Bettes stand.

„Nein, warte.“ Unwillkürlich hob sie die Hand. Sie brauchte dringend einige Antworten. Das Ganze ergab keinen Sinn. Sie würde nie … „Bitte warte“, rief sie, als er zielstrebig auf die Tür zuging.

Eilig schwang sie sich aus dem Bett, während sie gleichzeitig die Decke um sich wickelte und hektisch überlegte, was letzte Nacht geschehen war. „Ich … ich kann mich an nichts erinnern.“

Matt hatte die Türklinke schon umfasst, drehte sich jedoch noch einmal um und sah Cassie eindringlich an. „Mach dir keine Gedanken. Du warst fantastisch.“

Ihr stockte der Atem. Langsam hob sie das Kinn und blickte ihn wütend an. Er war mindestens einen Kopf größer als sie und zweifellos attraktiv genug, um ihr Interesse zu erregen. Auch duftete sein Aftershave ausgesprochen verführerisch. Trotzdem würde sie sich nicht mit einem fremden, vor allem so arroganten Mann eingelassen haben.

Als er sie jetzt sogar noch anlächelte, ohrfeigte sie ihn schallend. „Das habe ich nicht gemeint!“ Hektisch zog sie die leichte Bettdecke fester um sich. „Wer, zum Teufel, bist du?“

„Matt Keegan. Ich sagte es bereits.“ Er rieb sich die Wange, auf der sich ihre Hand deutlich abzeichnete. „Und wie heißt du?“

Starr sah sie ihn an. „Du weißt nicht, wie ich heiße?“

„Nein“, antwortete er und räusperte sich. „Wir waren …“ Er ließ den Blick an ihr hinunter bis zu den bloßen Füßen gleiten. „Wir waren zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.“

Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie hatte das Gefühl, als wären ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. „Nein“, stieß sie hervor und schüttelte energisch den Kopf.

„Doch.“ Er nickte wie zur Bekräftigung und wollte sich abwenden, aber Cassie hielt ihn am Arm fest.

„Du verstehst nicht! Ich werde am nächsten Wochenende heiraten!“ Und es würde eine herrliche Hochzeit werden, mit allem, was dazugehörte. Ihre ganze Familie würde kommen und natürlich viele Freunde.

Matt mied ihren Blick. „Du kannst ihn nicht so sehr lieben. Du hast mit mir geschlafen.“

Cassie kochte vor Wut. „Ich bin vielleicht in deinem Bett aufgewacht …“

„Nackt.“

„Ja.“ Starr sah sie auf seine breite Brust, über der das weiße Hemd nicht ganz zugeknöpft war, und bemerkte unwillkürlich die dunklen Härchen, die sich darauf kräuselten. „Aber … aber das bedeutet nicht, dass etwas passiert ist.“

„Nein? Ich erinnere mich an einige interessante Dinge …“

Einhalt gebietend hob sie die Hand, damit er nicht weiterredete. Sie konnte sich denken, was er sagen wollte, und spürte, wie ihr leicht übel wurde. „Wenn du auch nur annähernd so betrunken warst wie ich, dürften wir uns ganz schön schwer getan haben“, erklärte sie und fragte sich verzweifelt, warum ihr der keineswegs reichlich genossene Alkohol so zu Kopf gestiegen war, dass sie eine Erinnerungslücke hatte.

„Okay, wenn du meinst …“, er lächelte flüchtig, „… und dich dann besser fühlst.“

Nein, das tat sie nicht. Finster blickte sie ihn an, konnte nicht glauben, dass zwischen ihnen nichts geschehen war – nicht bei seinem Aussehen. Sie musste unbedingt herausfinden, wie und warum es dazu gekommen war. Und das möglichst schnell, denn in fünf Tagen wollte sie heiraten!

2. KAPITEL

Matt schloss die Tür laut hinter sich. Wie, zum Teufel, war er nur in diese ganze Geschichte hineingeraten?

Eilig ging er den Flur entlang. Er hätte nie gedacht, dass es so unangenehm und belastend sein könnte, einer Frau zu erzählen, sie hätte mit ihm geschlafen. Doch er hatte keine Wahl gehabt.

Ein Mann in einer schmucken weißblauen Uniform kam ihm entgegen. „Mr. Keegan? Sie werden auf der Brücke erwartet.“

„Ich bin schon unterwegs.“ Matt blickte auf seine Armbanduhr. Jene Frau hatte ihm versichert, dass die schlafende Unbekannte in seiner Kabine binnen weniger Minuten aufwachen würde, was sie nach zwei Stunden dann auch endlich getan hatte. Gewiss, er hätte sie wecken können, doch hatte er lieber in dem Aktenordner geblättert, der praktisch sein ständiger Begleiter war. Er, Matt, hatte sie nicht auch noch zu Tode erschrecken wollen, denn was er gerade gemacht hatte, war schon schlimm genug.

Tief atmete er ein. Die Arbeit rief, und das war gut so. Er sollte sich auf sie konzentrieren. Sie war wichtig und zugleich vertrautes, sicheres Terrain. Doch während er eilig zur Brücke ging, kehrten seine Gedanken zu der Unbekannten in seiner Kabine zurück.

Sie hatte ein ausgesprochen hübsches Gesicht und trug die seidig schimmernden schwarzen Haare fast so kurz wie er. Natürlich hatte er auch die Make-up-Spuren auf ihrem zarten hellen Teint bemerkt, aber es waren ihre tiefgrünen Augen gewesen, die ihn besonders fasziniert hatten, und ihre herrlichen Brüste.

Matt fuhr sich mit der Hand durchs Haar und atmete tief ein, um das Verlangen zu bekämpfen, das sich deutlich in ihm regte. Nein, er hätte es nicht tun sollen. Sie hatte so verletzt ausgesehen, so beunruhigt und so verloren.

Rob fiel ihm ein, und er spürte, wie ein anderes, allerdings auch sehr bekanntes Gefühl ihn überkam. Nein, dachte er und seufzte, ich hätte nicht anders handeln können.

Die Brücke des Kreuzfahrtschiffs war ein Paradebeispiel modernster Technik. Matt lächelte einen Moment, denn seine Firma war für die technische Ausstattung an Bord verantwortlich. Es war einer der größten Aufträge, den sie seit der Gründung vor zehn Jahren erhalten hatten.

„Wie schön, dass Sie kommen konnten“, begrüßte ihn der Kapitän. „Sie haben leider das Ablegen verpasst.“

„Ja, ich weiß. Ich musste mich noch um etwas anderes kümmern. Wie hat es geklappt?“ Er blickte zum Bug des riesigen Luxusliners, der den Ozean durchpflügte.

„Wie am Schnürchen. Absolut reibungslos.“

Matt hörte es mit Zufriedenheit. Seine Leute hatten das Geschehen überwacht und sichergestellt, dass die Jungfernfahrt bilderbuchmäßig begann. Allerdings hatte er auch nichts anderes erwartet.

Er ging von Computer zu Computer, sah den Operatoren über die Schulter und las die Daten auf den Bildschirmen. Ja, alles scheint bestens zu funktionieren, dachte er und war stolz auf das, was er und sein Team geleistet hatten.

„Wo ist Rob?“, fragte er Carl, einen stämmigen Mann, der nach der Statur zu schließen eher auf einer Harley sitzen sollte statt an einer Tastatur.

Sein Mitarbeiter schob sich die Hemdsärmel hoch, sodass die eintätowierte Kobra an seinem Arm sichtbar wurde. „Sie ist auf Deck C im Sicherheitsbüro. Dort ist ein Fehler im System aufgetreten.“

Matt nickte. Rob würde das Problem schon lösen, daran zweifelte er nicht im Geringsten. Sie beherrschte ihren Job genauso gut wie er seinen. Wenn sein Privatleben doch nur ähnlich überschaubar wäre wie die Arbeit!

Unwillkürlich dachte er wieder an die junge Frau in seiner Kabine. Zumindest hatte er seine unrühmliche Rolle inzwischen gespielt und brauchte nun nichts weiter zu tun. Wahrscheinlich konnte er die ganze Geschichte jetzt sogar vergessen, nur musste es ihm erst einmal gelingen, den verletzten Blick der schönen Unbekannten aus seinem Gedächtnis zu löschen.

Matt setzte sich an einen Computer und atmete zur Beruhigung tief ein. Hör auf, dir Gedanken zu machen, ermahnte er sich insgeheim. Es war vorbei, und er brauchte nicht mehr weiter zu lügen.

Cassie lehnte sich gegen die Tür und presste die Finger an die Schläfen. Entsetzt sah sie auf ihre Kleidungsstücke, die im Zimmer verstreut waren und wohl dort lagen, wo sie sie auf dem Weg zum Bett hatte fallen lassen.

Atme tief durch, und gerate nicht in Panik, rief sie sich stumm zur Vernunft, es muss nicht so abgelaufen sein, wie es scheint. Das Ganze konnte von ihren Freundinnen inszeniert worden sein, weil sie sie zum Besten halten wollten. Sie waren immer für einen Spaß zu haben.

Aber dieser wäre alles andere als lustig, dachte sie, während sie den Blick durchs Zimmer gleiten ließ. Falls es nur ein Streich war, war er genauso übel wie der, den man ihr als Vierzehnjährige gespielt hatte, als sie zum ersten Mal verliebt gewesen war.

Damals war sie eine leichte Beute gewesen, denn sie hatte ihr Herz auf der Zunge getragen. Es war kein Geheimnis gewesen, dass sie für jenen Jungen geschwärmt hatte. In den Unterrichtspausen und beim Mittagessen hatten ihre Freundinnen und sie immer die Köpfe zusammengesteckt und darüber geredet, wer gerade in wen verliebt war. Sie, Cassie, hatte gewusst, dass sie bei ihm keine Chancen hatte, denn jedes Mädchen hatte ihn angehimmelt, und sie war mit ihren Pausbacken und dem Babyspeck bestimmt keine Schönheit gewesen.

Am Valentinstag hatte sie dann in ihrem Schließfach in der Schule eine ziemlich scheußliche Karte gefunden. Doch was in krakeliger Handschrift darauf gestanden hatte, war eindeutig gewesen und hatte ihr Herz wie verrückt klopfen lassen. Er mochte sie ebenfalls!

Sie hatten sich an einem verschwiegenen Ort auf dem Schulgelände getroffen, wo er sie gefragt hatte, ob sie mit ihm gehen wolle, und sie war so dumm gewesen, ihm jedes Wort zu glauben. Es war wohl die kürzeste Lovestory in der Geschichte gewesen! Nur zehn Minuten später hatte sie ihn lachend mit fast all ihren Klassenkameraden zusammenstehen sehen. Zweifellos wäre es das Klügste gewesen, sie hätte es ignoriert und die Sache auf sich beruhen lassen. Stattdessen war sie zu ihnen hingegangen und hatte sich ausgerechnet von ihm anhören müssen, welch toller Spaß es gewesen sei.

Cassie schluckte und sah beklommen an sich hinunter, bemerkte ihr nacktes Handgelenk und fragte sich entsetzt, wo ihre Armbanduhr geblieben war. Sie ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, entdeckte eine Uhr auf dem Schreibtisch und las die blinkenden Zahlen. Es war schon halb elf!

Verflixt, was würden die Klienten nur von ihr denken? Sie hätte um neun und um zehn Uhr einen Termin gehabt! Dass sie diese Termine nicht eingehalten hatte, zeugte wahrlich nicht von der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, deren sie und ihre Leute sich rühmten. Hoffentlich waren ihre Mitarbeiter der Situation gewachsen gewesen, sonst würde sie mit ihrer Time-Management-Beratungsfirma ein reichlich schlechtes Bild abgeben.

Plötzlich meinte Cassie, der Boden würde unter ihren Füßen wanken, und sie streckte unwillkürlich die Arme aus. Entweder war sie noch betrunken, oder es gab wirklich eine kleine Erschütterung, ein schwaches Beben.

Erneut blickte sie sich in dem spartanisch eingerichteten Raum um, dem jede persönliche Note fehlte. Es war vermutlich ein Motelzimmer. Schon ging sie zu dem großen, hermetisch verschlossenen Fenster und sah nach draußen. Über ihr erstreckte sich ein strahlend blauer Himmel, und unter ihr gab es nichts als Wasser. Du liebe Güte, sie war noch immer auf dem Schiff!

Entsetzt presste sie die Hände an die Scheibe und blickte angestrengt in die Ferne, aber nirgendwo war Land in Sicht. Wohin waren sie unterwegs? Verwirrt drehte sie sich um. Wie hatte ihr das nur passieren können? Und was, in aller Welt, war gestern Abend geschehen?

Ja, sie hatten ihren Junggesellinnenabschied gefeiert, daran erinnerte sie sich noch deutlich. Eigentlich hatte sie geglaubt, sie würde hier mit Sebastian ruhig und gemütlich zu Abend essen, stattdessen war sie von dem lauten Hallo ihrer Freundinnen und Kolleginnen begrüßt worden. Zweifellos hatte ihr Verlobter, ein aufstrebender Politiker, seine Beziehungen spielen lassen, damit sie an Bord feiern konnten. Aber er hatte für sie bestimmt keine Kreuzfahrt gebucht!

Sie hatten viel Spaß zusammen gehabt, und sie, Cassie, war reichlich beschenkt worden. Unwillkürlich ließ sie den Blick noch einmal durch die Kabine gleiten. Hatte ihre Freundin Eva alle Geschenke mitgenommen? Aber warum hatte sie dann sie, die zukünftige Mrs. Sebastian Browning-Smith, hier auf dem Schiff zurückgelassen?

Nervös verschränkte sie die Hände miteinander. Sie brauchte dringend ihren Terminkalender. Tief atmete sie ein. Die Termine vom heutigen Montag würde sie nicht wahrnehmen können, das war sonnenklar, doch musste sie unbedingt wissen, was diese Woche sonst noch so anstand. Auch brauchte sie etwas, das sie festhalten und umklammern konnte. Würde sie überhaupt rechtzeitig zu ihrer eigenen Hochzeit zurück sein? Das musste sie unverzüglich klären.

Entschlossen hob sie ihre schwarze lange Hose auf, die nahe der Tür achtlos auf dem Boden lag. Sie ging zwei, drei Schritte und bückte sich nach der cremefarbenen Bluse, die sie wohl abgestreift und einfach fallen gelassen hatte. Offenbar hatte sie es sehr eilig gehabt, ins Bett zu kommen.

Gepeinigt schloss sie einen Moment die Augen. Schließlich richtete sie sich wieder auf, sah sich nach ihrem BH um und entdeckte ihn über der Armlehne eines Stuhls in der Ecke. Wo aber war ihr Slip? Als sie ihn nach längerem Suchen endlich im Bett fand, stockte ihr der Atem. Nein, es ist kein Streich gewesen, dachte sie entsetzt und schluckte.

Frustriert stampfte sie mit dem Fuß auf. Das war nicht fair! Noch gestern hatte sie gemeint, ihr Leben würde sich bestens entwickeln, und dann tauchte so ein Idiot auf und machte alles zunichte.

Ihr Blick fiel auf ihre Armbanduhr, die neben dem Nachttisch auf dem Boden lag. Sie hob sie auf und beobachtete angelegentlich, wie der Sekundenzeiger immer weiter vorrückte. Zumindest auf die Zeit konnte sie sich verlassen. Sie strich über die Uhr, band sie sich um und fühlte sich gleich sicherer.

Wo ist nur meine Handtasche? fragte sie sich und biss sich nervös auf die Lippe. Hatte man sie ihr vielleicht gestohlen, was sie in ihrem alkoholisierten Zustand nicht gemerkt hatte? Und wie war es überhaupt dazu gekommen, dass sie in dieser Kabine aufgewacht war, bei jenem Mann?

Cassie ging ins angrenzende Bad und betrachtete entsetzt ihr Spiegelbild. Sebastian würde sich um sie sorgen. Er wusste immer gern, wo sie sich aufhielt und mit wem sie zusammen war. Irgendwie musste sie ihm Bescheid geben. Vielleicht konnte sie ihn anrufen.

Nachdenklich legte sie einen Finger auf die Lippen. Wie würde er wohl reagieren, wenn er herausfand, was geschehen war? All ihre Pläne waren nun wegen jenes zweifellos attraktiven Mannes zunichte, der bestimmt skrupellos genug war und mit jeder Frau schlief, egal ob sie betrunken war oder nicht, verlobt oder ungebunden.

Peinlich berührt zog sie sich an und schlüpfte in ihre Pumps. Sebastian musste es nicht unbedingt erfahren. Niemand auf dem Schiff wusste, wer sie war … Verdammt, fluchte sie insgeheim, und ich weiß noch nicht einmal, wo ich bin und wohin die Reise geht. Sie befand sich auf offener See und entfernte sich mit jeder Minute weiter von Australien.

Mutlos ließ sie sich aufs Bett sinken. Wie hatte ihr das nur passieren können? Warum war ihr Leben zuweilen so schrecklich kompliziert? Hör auf zu jammern, rief sie sich im Stillen zur Vernunft und setzte sich aufrecht hin. Sie war bislang noch mit jeder Situation fertig geworden und würde auch diese bewältigen.

Unwillkürlich sah sie auf das zerwühlte Bett und zuckte zusammen. Ja, sie würde herausfinden, was zwischen Matt Keegan und ihr geschehen war, und diesem Mistkerl dann gehörig die Meinung sagen. Anschließend würde sie nach Hause zurückkehren und heiraten. Schluss, aus, Ende!

3. KAPITEL

„Mr. Keegan.“ Der Offizier berührte ihn leicht an der Schulter.

Abwehrend hob Matt die Hand. Er wollte jetzt nicht gestört werden. Seit zwei Stunden überwachte er das System, das wie am Schnürchen funktionierte, und hatte die Fehlerdiagnose fast abgeschlossen. In wenigen Minuten würde er fertig sein …

Er war bestimmt einer der vom Schicksal am meisten begünstigten Menschen auf der Welt, denn er hatte schon so viel Glück im Leben gehabt. Nach dem Schulabschluss hatte er mit einem Stipendium an der Bond-Universität studieren können und später eine Anstellung bei Thomas Boyton bekommen, einem wagemutigen, zukunftsorientierten Geschäftsmann. Dieser hatte ihn dann auch unterstützt, als er sich seinen Traum verwirklicht und eine Spezialfirma für Computersteuerung gegründet hatte. Seine Leute und er waren wahrscheinlich das beste Team in Australien. Alles lief einfach fantastisch.

„Mr. Keegan“, sagte der Offizier erneut. „Eine Frau fragt nach Ihnen.“

Aufmerksam verfolgte Matt die Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm. „Eine was?“

„Eine Frau.“ Nervös trat der junge Mann von einem Bein aufs andere. „Sie wissen schon … das andere Geschlecht“, fügte er deutlich leiser hinzu.

Nach und nach drangen die Worte in sein Bewusstsein vor. Wer, zum Teufel, wagte es, ihn hier bei der Arbeit zu stören? Widerwillig blickte er auf und sah sie auf der Schwelle stehen. Sie hatte die pechschwarzen Haare sorgfältig gekämmt und rechts gescheitelt und machte in der dunklen Hose und der cremefarbenen Bluse eine ausgezeichnete Figur, wenngleich die Kleidung auch ihre langen Beine und vollen Brüste verbarg. Deutlich spürte er ihren Blick aus den grünen Augen, der ihn zu durchbohren schien.

Matt schluckte. „Okay. Bitten Sie sie, einen Moment zu warten. Ich komme dann“, erklärte er dem Offizier, bevor er sich wieder dem Computer zuwandte und seine Schuldgefühle verdrängte.

Angestrengt versuchte er, sich auf den Datenfluss auf dem Bildschirm zu konzentrieren. Wenn die Zahlen so erschienen, wie es der Testlauf vorweggenommen hatte, konnte aus der Arbeitsreise womöglich ein wohlverdienter Urlaub werden. Doch wie Matt aus Erfahrung wusste, war die Welt nicht perfekt und ein Computer erst recht nicht.

„Sir?“

„Ja, bitte?“, fragte er grimmig, drückte eine Taste und sah den Offizier finster an. Er sollte ihn endlich in Ruhe arbeiten lassen.

Verlegen trat der junge Mann von einem Bein aufs andere. „Sie ist sehr hartnäckig und will sich keinen Schritt von der Stelle rühren.“

„Ja und? Soll sie dort auf mich warten.“ Matt ballte die Hand zur Faust und vermied es, zur Tür zu blicken. In nur fünf Minuten würde er den Systemcheck beendet haben. Er schluckte. Nein, man konnte nicht von ihm erwarten, dass er mit dem Versteckspiel weitermachte.

„Sie steht im Weg, Sir.“

Verdammt noch mal, fluchte er insgeheim. Er hatte gewusst, dass es schwieriger werden würde, als man ihm gesagt hatte. Nichts war einfach, und wenn eine Frau darin verwickelt war, erst recht nicht. Energisch drückte er mehrere Tasten, um die Daten zu sichern. „Carl, kannst du das ausdrucken?“

Carl sah ihn an und zog die Augenbrauen hoch. Natürlich war ihm die attraktive Schwarzhaarige auf der Schwelle nicht entgangen. „Kein Problem.“

Matt stand auf und schlenderte zur Tür. Deutlich spürte er Carls Blick und erahnte schon all die Fragen, mit denen er später gelöchert werden würde. Verflixt, er hatte hier einen Job zu erledigen, was er auch von Anfang an klargestellt hatte! Dennoch hatte man ihm diese schmutzige Aufgabe zugeschoben.

Er schluckte schwer. Nein, er wollte der jungen Frau eigentlich nicht gegenübertreten und sich mit seinem unrühmlichen Verhalten konfrontieren – egal, aus welchem Grund er es getan hatte. Unerschrocken, fast schon herausfordernd, blickte sie ihm entgegen, und er sah sie seinerseits finster an, um sie so vielleicht einzuschüchtern. Doch es zeigte keinerlei Wirkung.

Zornig funkelte Cassie ihn an. Sie war wütend auf sich, weil sie sich in diese Lage gebracht hatte, und besonders wütend auf Matt, weil er die Situation ausgenutzt hatte. Ja, er war zweifellos attraktiv, hätte er sie allerdings letzte Nacht so angesehen wie jetzt, wäre sie ihm bestimmt nicht in die Arme gesunken.

„Weißt du, ich bin sehr beschäftigt“, erklärte er ruhig.

„In meinen Augen nicht beschäftigt genug“, erwiderte sie ärgerlich. „Du solltest deiner Verantwortung nachkommen.“

„So?“ Steif blieb er vor ihr stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ja.“ Cassie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und blickte ihn kühl an.

„Und welche wäre das?“

„Zunächst einmal solltest du mir erzählen, wo, zum Teufel, ich überhaupt bin.“ Sie sah kurz nach links und rechts, war sich wohl bewusst, welche Aufmerksamkeit sie erregten, aber es kümmerte sie nicht im Mindesten. Die Situation sollte ihm ruhig peinlich sein, er hatte es nicht anders verdient.

„Auf einer Schiffsbrücke.“

Autor

Darcy Maguire
Nach der Geburt ihres vierten Kindes suchte Darcy Maguire nach einer neuen Herausforderung - und fand sie, als sie anfing, Romances zu schreiben!
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