Sommer, Liebe, Babyglück

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Diese kleine Wildkatze! Holt Calhoun kann nicht fassen, wie hartnäckig Kathryn versucht, ihn für ihr Wohltätigkeitsprojekt einzuspannen … und ist entsetzt, dass ihre vor Wut blitzenden Augen in ihm das Verlangen auslösen, sie leidenschaftlich zu küssen …


  • Erscheinungstag 11.06.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514835
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Kathryn Ellis graute davor, einen Mann aufzusuchen, den sie seit zehn Jahren nicht gesehen hatte. Sie wollte nicht an Holt Calhouns markante Gesichtszüge denken, nicht an den durchdringenden Blick seiner braunen Augen. Dass sie sich als junges Mädchen danach gesehnt hatte, dieser Blick möge sich nur ein einziges Mal auf sie richten, spielte keine Rolle. Mittlerweile hatte sie die bittere Erfahrung gemacht, dass ein schroffer Mann ein Albtraum schlimmster Sorte war.

Und dennoch begab sie sich freiwillig in die Höhle des Löwen.

„Geh endlich!“, befahl sie sich und näherte sich Holts Anwesen. Als Teenager hatte sie sich sehnlichst gewünscht, zu einer Party in das stattliche Haus eingeladen zu werden. Heute bangte ihr davor, sich dem Haus auch nur zu nähern.

Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie auf den Klingelknopf drückte.

Genau in diesem Moment stieß das Baby zu, und obgleich sie mittlerweile an die Knüffe gewöhnt war, legte sie die flache Hand schützend über ihren runden Bauch.

Zu ihrer Erleichterung öffnete nicht Holt, sondern seine Haushälterin Nancy Griffith die Tür.

„Tut mir leid, so hereinzuplatzen …“ Kathryn räusperte sich, um ihre Nervosität zu bezwingen. „Ist Holt zu sprechen?“

Nancy lächelte freundlich. „Ich fürchte nein.“

„Wie ich hörte, ist er wieder im Lande.“

„Das schon, aber momentan ist er unterwegs.“

Seit Tagen hatte sie versucht, Holt anzurufen, aber er hatte den Hörer nicht abgenommen und nicht auf ihre Nachrichten auf dem AB reagiert, in denen sie ihn um eine Unterredung gebeten hatte. Man hatte sie bereits davor gewarnt, sich keine großen Hoffnungen zu machen.

Sie erhoffte sich nichts, wünschte lediglich …

„Ich muss ihn dringend sprechen. Wenn er auf der Ranch unterwegs ist, sagen Sie mir bitte, wo ich ihn finde?“

„Die Double Bar C ist ein riesiges Gebiet und an vielen Stellen unwegsam.“ Nancy warf einen zweifelnden Blick zu Kathryns Rostlaube hinüber, dann auf ihren kugelrunden Bauch und schließlich in den Himmel, von dem die Sonne erbarmungslos herniederbrannte.

„Keine Bange, ich bin topfit“, versicherte Kathryn und schüttelte ihre eigenen Bedenken ab. „Na ja, große Strecken laufe ich in meinem Zustand nicht mehr, aber ich bin okay.“

Nancy nickte. „Ich rufe Holt an, befürchte aber, er wird von Ihrem Besuch nicht begeistert sein.“

„Das weiß ich. Aber ich habe bereits mehrmals versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Sagen Sie ihm bitte, dass ich mich nicht abwimmeln lasse. Ich tue alles, um ihn persönlich zu sprechen.“

Das stimmte nicht ganz. Sie hatte nicht die Absicht, sich zu Fuß weit von der Straße zu entfernen. Wie auch immer, sollten Nancy und Holt sie getrost für eine verrückte Schwangere halten, wenn das die einzige Methode war, seine Aufmerksamkeit zu erhalten.

„Na schön. Ich sehe, was ich machen kann.“ Nancy sprach im Vorraum leise ins Telefon, legte auf und wollte Kathryn ins Wohnzimmer führen. „Er kommt.“

Er war keineswegs erfreut über die ungebetene Besucherin, wie sie Nancys bekümmerter Miene entnahm.

„Darf ich mich auf die Veranda setzen? Ich warte lieber draußen. Nur für den Fall, dass er mir vielleicht etwas an den Kopf wirft.“ Sie lächelte dünn, dabei war ihr keineswegs nach Scherzen zumute.

„Wie Sie wünschen. Allerdings würde Holt niemals die Hand gegen eine Frau erheben, schon gar nicht gegen eine Schwangere.“

Kathryn nickte und begab sich zu einem Schaukelstuhl auf der Veranda. Nancy fragte sich gewiss, welche Umstände dazu geführt hatten, dass sie ohne Ehemann und hochschwanger nach Larkville zurückgekehrt war. Aber das ging keinen Menschen etwas an. Schon gar nicht Holt.

Nicht, dass er ihr Fragen stellen würde. Er wollte sie ja nicht einmal sehen, erinnerte sich vermutlich gar nicht an sie und hatte sie keines Blickes gewürdigt, als sie ein verliebter Teenager war und er ein umschwärmter Footballspieler.

Damals hatte sie sich ausgemalt, er sei ein Seelenverwandter, der keinen Menschen hatte, dem er sich anvertrauen konnte.

Natürlich hatte sie sich geirrt. Er war lediglich ein verschlossener, blendend aussehender Bursche, der keine Notiz von ihr genommen hatte.

Allerdings machte sie die Vorstellung immer noch kribbelig, Holt aus seinem Wagen steigen und die Stufen zur Veranda heraufsteigen zu sehen.

Wie absurd! In ihrem Leben gab es weder Platz für einen Mann noch den Wunsch danach.

Eine Staubwolke in der Ferne kündigte einen nahenden Wagen an. Es blieb keine Zeit für törichte Gedanken. Sie musste sich wappnen. Sie und Holt würden miteinander reden.

Endlich.

Holt näherte sich mit langen Schritten. Groß, breitschultrig mit markant geschnittenen Gesichtszügen und dunklen Augen, die sie wissen ließen, dass sie nicht willkommen war.

Zehn Jahre waren vergangen. Sie war erwachsen und fest entschlossen, die zu sein, die sie damals nicht wahr. Eine selbstbewusste Frau, die sich nicht einschüchtern ließ.

„Hallo, Holt“, grüßte sie, erhob sich unbeholfener, als ihr lieb gewesen wäre, und hielt ihm beiläufig die Hand zum Gruß entgegen. „Danke, dass Sie gekommen sind.“

„Keine Ursache. Ich war auf dem Heimweg“, antwortete er abweisend. „Außerdem dauert es nicht lange.“

Sie blinzelte. „Woher wissen Sie das?“

„Weil meine Antwort nein lautet.“ Sein abweisender Blick durchbohrte sie. „Ich weiß Bescheid. Allerdings ist mir nicht klar, wieso die Bürgermeisterin auf die Idee kommt, ich würde mich für kommunale Belange interessieren. Ich kümmere mich ausschließlich um die Ranch.“

Kathryn hoffte, ihre Knie würden nicht zittern. „Ihre Ehrlichkeit weiß ich zu schätzen. Die Wahrheit ist aber auch, dass ich nicht aufhöre, Ihnen auf die Nerven zu gehen.“

„Sie verschwenden Ihre und meine Zeit.“

„Was immer Sie gehört haben, ist eindeutig nicht alles. Und ich werde Ihnen so lange auf Schritt und Tritt folgen, bis Sie sich die ganze Geschichte anhören.“ Es kostete sie Mühe, mit ruhiger Stimme zu sprechen. Nicht nur, weil Holt so groß und breitschultrig war, auch wegen seiner maskulinen Ausstrahlung und seiner feindseligen Haltung.

„Wie bitte?“

Sie wand sich innerlich unter seinem durchdringenden Blick und fragte sich, wie viele Frauen ihm je ein Widerwort gegeben hatten.

Vermutlich keine einzige. Dieser Mann war die Verkörperung von männlichem Sexappeal. Ein Kerl, der zuzupacken verstand. Nicht nur auf seiner Ranch. Auch mit Frauen.

Wie verstörend. „Ich meine es ernst“, sagte Kathryn mit einem Stirnrunzeln, obwohl sie sich mehr über sich selbst ärgerte. Ihre Schwärmerei für Holt gehörte der Vergangenheit an. Sie musste ihr aus den Fugen geratenes Leben auf die Reihe bringen, nicht zuletzt für ihr Baby, durfte sich nicht von hormongesteuerten Gedanken aus der Fassung bringen lassen.

„Sie wollen mir auf Schritt und Tritt folgen? Lady, wissen Sie eigentlich, wovon Sie reden?“

„Ja. Bürgermeisterin Hollis riet mir, mich mit meinem Anliegen an Sie zu wenden.“

Holt fluchte. „Johanna irrt sich gewaltig.“

„Das glaube ich nicht. Und Sie können mich nicht zwingen, unverrichteter Dinge zu gehen. Ich bin … ich bin sehr hartnäckig.“ Das war eine himmelschreiende Lüge. Sie war nie hartnäckig gewesen. Ihr Exmann hatte sie wegen ihrer Nachgiebigkeit oft genug verhöhnt.

„Das ist eine Ranch, eine große schmutzige Ranch. Hier gibt es freilaufende Rinder und Pferde, die Sie über den Haufen rennen können. Sie sind schwanger.“

„Ja. Das habe ich bemerkt.“

Er bedachte sie mit einem vernichtenden Blick. „Sie laufen mir nicht nach.“

„Dann hören Sie mir ein paar Minuten zu.“

Spontan legte sie ihm die Hand an den Ärmel seines Jeanshemds und spürte die Wärme darunter. „Statt Zeit mit sinnlosen Streitereien zu verschwenden, wäre es einfacher, Sie hören mich an, finden Sie nicht?“

„Ich fürchte, nichts davon wird einfach sein.“

Ihr erging es nicht anders. „Nur ein paar Minuten.“

„Na schön. Setzen Sie sich und reden.“ Er setzte sich rittlings auf einen Stuhl und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich gebe Ihnen zehn Minuten.“

Kathryn setzte sich und suchte nach den richtigen Worten. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Holt Calhouns Aufmerksamkeit und durfte die Gelegenheit nicht verpfuschen. Es stand zu viel auf dem Spiel.

Holt fühlte sich wie ein brodelnder Vulkan, der jeden Moment auszubrechen drohte. Was zum Teufel war in die Bürgermeisterin gefahren, Kathryn Ellis zu raten, sich an ihn zu wenden? Und worum ging es eigentlich?

Er wollte das Gespräch hinter sich bringen. Diese schwangere Frau wühlte beklemmende Erinnerungen in ihm auf, die er nicht zulassen wollte. Bei all ihrer Hartnäckigkeit wirkte sie zierlich, beinahe zerbrechlich.

Blondes Haar umfächelte ihre zarten Wangen, der Blick ihrer großen grauen Augen wirkte ängstlich und unstet. Sie sah aus, als würde ein heftiger Windstoß sie umwerfen. Außerdem war sie schwanger, und mit einer Schwangeren wollte er schon gar nichts zu tun haben. Die Bürgermeisterin hatte ihn kurz über den Sachverhalt aufgeklärt, der ihn nicht interessierte.

„Ms Ellis …“, begann er.

„Ich heiße Kathryn. Wir kannten uns schon als Teenager.“

Eine verschwommene Erinnerung an ein mageres, hochaufgeschossenes Mädchen tauchte auf. Sie mit Nachnamen anzureden, verschaffte ihm die nötige Distanz. „Ms Ellis“, wiederholte er mit Nachdruck. „Ich fürchte, Sie wurden falsch informiert.“

„Johanna sagte, Sie haben weitreichende Beziehungen. Ist das richtig?“

„Das ist nicht von Belang.“

„Ist es wohl, und ich denke, Sie haben von meinen Plänen gehört.“

„Wieso spucken Sie es nicht aus?“

„Gut. Ich bemühe mich um den Bau einer modernen Klinik in Larkville und will mich dafür einsetzen, dass ein neuer Arzt sich hier niederlässt. Um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir die Unterstützung einflussreicher Bürger.“

„Johanna ist Bürgermeisterin. Sie hat Kontakte.“

„Sie ist Bürgermeisterin einer Kleinstadt. Ihr Einfluss ist begrenzt. Der Name Ihrer Familie ist in Regierungskreisen bekannt und genießt hohes Ansehen.“

„Davon mache ich keinen Gebrauch. Ich bitte nicht um Vergünstigungen.“

„Sie sollen doch nicht als Bittsteller auftreten“, entgegnete sie aufbrausend und fasste sich rasch wieder. Ihre schlanken Hände waren zu Fäusten geballt; sie war eindeutig nervös. Weil sie sich in den Kopf gesetzt hatte, ihm eine Zusage abzuringen? Oder weil sie sich von ihm eingeschüchtert fühlte?

Holt hätte am liebsten einen Schwall gotteslästerlicher Flüche ausgestoßen. Er war solchen Situationen nicht gewachsen, konnte nicht mit Frauen umgehen, die Erwartungen an ihn stellten. Erfahrungen mit seiner früheren Verlobten Lilith hatten ihn gelehrt, dass Erwartungen einen hohen Preis forderten. Er hatte diesen Preis bezahlt und bezahlte immer noch dafür. Und er bat niemals um Gefälligkeiten.

„Sie müssen sich schon konkreter ausdrücken. Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?“

„Ich bitte Sie, mich darin zu unterstützen, die nötigen Geldmittel zu beschaffen, damit diese Klinik gebaut wird.“

„Was im Grunde bedeutet, als Bittsteller aufzutreten.“

„Nicht unbedingt. Manchen Leuten ist es ein Bedürfnis, Geld für einen guten Zweck zu spenden.“

„Für eine Klinik, von der nur eine Kleinstadt profitiert.“

„Es ist Ihre Heimatstadt.“

„Es ist nicht die Heimatstadt potenzieller Geldgeber, an deren Tür unzählige Bittsteller klopfen, die behaupten, es gehe um Tod oder Leben.“

Kathryn nagte unschlüssig an ihrer Unterlippe. „In gewisser Weise haben Sie recht, aber Sie sind Holt Calhoun. Sie können Menschen überzeugen.“

Das klang, als könnte er Berge versetzen. Und niemand wusste besser als er, dass sie sich irrte. Er schlug mit der flachen Hand auf die Verandabrüstung. „Verdammt, Lady. Ich weiß zwar nicht viel über Sie, aber Sie wissen offenbar nichts über mich.“

Sie drehte das Gesicht zur Seite. Taktgefühl war nie seine starke Seite gewesen.

„Wir brauchen einen Arzt am Ort“, fuhr sie fort. „Ich arbeite in Dr. Coopers Praxis. Er will nach Kalifornien zu seinem Sohn ziehen, dann gibt es keinen Arzt mehr in der Stadt. Und die Klinik ist eine Bruchbude mit zwei Krankenzimmern und einem Untersuchungsraum von der Größe einer Besenkammer.“

„Zugegeben, die Einrichtung ist veraltet.“ Sein Vorarbeiter Wes hatte sich kürzlich wegen einer Verletzung in der Klinik behandeln lassen und eine beiläufige Bemerkung darüber gemacht.

„Die Klinik ist völlig unzulänglich, und sobald Dr. Cooper weggeht, wird kein Arzt bereit sein, in dieser verrotteten Einrichtung zu praktizieren.“

„Austin liegt nur vierzig Meilen entfernt, dort gibt es große Kliniken und genügend Ärzte.“

Sie verschränkte die Arme, wodurch sein Blick auf ihre prallen Brüste und ihren runden Bauch gelenkt wurde. Er hätte sich dafür ohrfeigen können, diese Dinge zu bemerken. „Im Notfall sind auch vierzig Meilen eine zu lange Strecke.“

„Verstehe, Ms Ellis. Es geht Ihnen um Ihren bevorstehenden Klinikaufenthalt.“ Er verdrängte jeden Gedanken an andere Notfälle, andere schwangere Frauen.

„Es geht nicht um mich. Und tun Sie nicht so, als wüssten Sie meinen Namen nicht. Ich werde in wenigen Wochen entbinden. Wenn die Klinik gebaut ist … falls sie gebaut wird“, betonte sie, „bin ich längst nicht mehr hier.“

Das weckte sein Interesse. „Verstehe ich Sie richtig? Sie setzen sich für den Bau einer Klinik in einer Stadt ein, in der Sie nicht wohnen werden? Wieso?“

„Ich habe meine Gründe. Darum geht es nicht.“

Darüber wollte sie also nicht reden. Er, der seine innersten Gedanken für sich behielt, konnte es ihr nicht verdenken, zurückhaltend zu sein. Das Thema Schwangerschaft war also abgehakt. Zurück zu den Fakten: Er kümmerte sich um die Ranch, war Nachbarn behilflich, nicht mehr und nicht weniger.

„Verstehe. Aber mit mir können Sie nicht rechnen. Ich bin die falsche Adresse und habe weder die Zeit noch die Möglichkeit, Ihnen zu helfen.“

„Auch nicht, wenn es um Leben und Tod geht?“ In ihren Augen las er Enttäuschung. Das war nichts Neues. Er verstand sich meisterlich darauf, Menschen zu enttäuschen.

„Man hat Sie falsch unterrichtet. Ich beschränke mich darauf, Gefälligkeiten im Rahmen meiner Möglichkeiten zu erweisen. Ich kann keine Wunder vollbringen.“

Er erwiderte ihren Blick kühl. Und dann bemerkte er eine winzige Bewegung an ihrem gewölbten Leib. Augenblicklich legte sie ihre flache Hand über die Stelle.

Ihre grauen Augen flehten ihn an, aber sie sagte nichts. Eine vage Erinnerung schoss ihm durch den Sinn an ein junges Mädchen, das ihn ansah, als erwarte es von ihm die Antwort auf all ihre Gebete.

Das Telefon klingelte. Absichtlich stellte er den Lautsprecher an, um die Stille zu füllen. Sein Vorarbeiter Wes sagte: „Holt, die Kuh mit Koliken braucht Hilfe, sonst verlieren wir sie. Der Tierarzt ist im nächsten County, und du bist der Einzige, der mit solchen Komplikationen fertig wird.“

„Ich komme.“ Holt legte auf und wandte sich an Kathryn. „Ich muss los“, sagte er knapp. Kein Bedauern, damit hätte er nur falsche Hoffnungen in ihr geweckt.

Mutlos näherte Kathryn sich ihrem klapprigen Wagen, wandte sich im Gehen noch einmal um. „Um ein Wunder zu vollbringen, Holt?“, fragte sie spitz.

„Ich tue nur das, wovon ich etwas verstehe.“

Und für Wunder war er nicht zuständig.

Er wartete nicht, bis sie eingestiegen war, fuhr in einer Staubwolke davon, gefolgt vom traurigen Blick großer grauer Augen.

Diesmal tat er sich keinen Zwang an und stieß einen Schwall fürchterlicher Flüche aus. Ms Kathryn Ellis ahnte nicht, dass Frauen, die sich mit einem gefühlskalten Mann wie ihn einließen, es bitter bereuen mussten.

2. KAPITEL

Na schön, mit Holt umzugehen, wird nicht einfach sein, dachte Kathryn. Wenn es nur einen anderen gäbe … Aber die Bürgermeisterin hatte beteuert, nur er verfüge über die Beziehungen, die sie brauchte. Die Double Bar C Ranch war in ganz Texas bekannt. Die Calhouns hatten ihre Finger in großen Unternehmen, und Holt leitete den Familienbetrieb.

Das alles half nichts, wenn er seine Unterstützung verweigerte. Wie konnte sie ihn nur überzeugen?

Sie war fest entschlossen, ihr Leben umzukrempeln, und dies war der erste Schritt. Kathryn war in das leerstehende Haus ihrer Eltern zurückgekehrt, trotz der schrecklichen Erinnerungen an ihre Jugend, weil sie weder Geld noch Arbeit hatte. Dieses Muster hatte sich in ihrem Leben ständig wiederholt, sie floh vor einer unerträglichen Situation in die nächste und von einem Ort zum anderen. Nun aber war ihr Baby unterwegs, sie musste sich Konflikten stellen und die Mutter werden, auf die ihr Kind sich verlassen konnte.

Ihr Einsatz für den Bau dieser Klinik bot ihr die Chance, der Stadt mit einem positiven Gefühl den Rücken zu kehren. Im Vordergrund stand natürlich, dass sich ihr damit die Gelegenheit bot, ihr Architekturstudium in die Praxis umzusetzen und als Pluspunkt in ihre Bewerbungen zu schreiben. Wenn es ihr gelang, das Projekt zu verwirklichen, stiegen ihre Chancen auf eine gute Position beträchtlich.

Es gab noch einen weiteren Grund. Durch ihren Job in der Arztpraxis hatte sie einige Freundinnen gewonnen und wusste um deren Ängste, wenn Dr. Cooper seine Praxis schloss. Sie musste Holt um Hilfe bitten. Nur wie?

Schmeichle ihm, dachte sie, pack ihn an seinen Schwachstellen.

Kathryn legte ihre flachen Hände über ihren gewölbten Leib in der Hoffnung, die stumme Kommunikation mit ihrem ungeborenen Kind könne ihr Selbstvertrauen heben. „Wie könnte ich mir Holt Calhouns Schwächen zunutze machen?“

In den zwei Jahren, die sie hier gelebt hatte, hatte sie Holt oft heimlich beobachtet. Wenn er nicht Football spielte, verbrachte er die meiste Zeit auf der Ranch. Es war anzunehmen, dass er sich vorwiegend für Kühe und Pferde interessierte. Sie hasste den Gedanken, ihn ein zweites Mal auf der Ranch aufzusuchen, aber ihr blieb keine andere Wahl.

„Du schaffst es, Kathryn!“ Ihr Zuspruch klang zuversichtlicher, als ihr zumute war. Entschlossen stieg sie in ihre Rostlaube. Auf der Ranch angekommen näherte sie sich mit einem mulmigen Gefühl im Magen den Stallungen. Große Tiere waren ihr nicht geheuer. Ihre Eltern waren Stadtmenschen. Eine Ranch gehörte nicht zu ihrem Lebensstil.

Ein Wiehern ertönte rechts von ihr. In der Koppel warf ein weißes Pferd den Kopf auf und ab. Ein schönes Tier. Ein riesiges Tier. Und es schien nicht erfreut, sie zu sehen.

Kathryn bezwang ihre Nervosität. Wenn es ihr gelang, sich mit dem Gaul anzufreunden, brachte ihr Holt vielleicht etwas mehr Sympathie entgegen. Am Abend zuvor hatte sie im Internet recherchiert. Nun wusste sie, dass es viele Pferde- und Ponyrassen gab, und kannte die verschiedenen Gangarten.

Diese Informationen nützten ihr momentan gar nichts. Holts großes Pferd beäugte sie argwöhnisch, als hätte sie Hörner und einen gespaltenen Schweif. Kathryn kramte nach ihrer Geheimwaffe und holte eine Karotte aus dem Plastikbeutel.

„Hier.“ Sie hielt die Möhre mit spitzen Fingern hoch. „Ich hab was für dich.“

Das Pferd näherte sich zwei Schritte. Sie wich erschrocken zurück, dann hielt sie ihm den Leckerbissen wieder hin.

„Lassen! Sie! Das!“ Die donnernde Männerstimme hinter ihr war unverkennbar. Kathryn erstarrte. Holt näherte sich ihr.

„Mag er keine Karotten?“, fragte sie harmlos.

„Er liebt Karotten.“

„Aha … verstehe. Nein, ehrlich gestanden, ich verstehe nicht.“ Sie vergaß, stillzuhalten, und wedelte mit der Karotte durch die Luft. Das Pferd streckte seinen mächtigen Schädel über den Querbalken.

Kathryn wich erschrocken zurück.

Holt packte sie am Handgelenk und zwang sie, die Karotte fallen zu lassen.

„Warum tun Sie das?“, fragte sie erbost.

„Weil ich annehme, Sie wollen Ihre fünf Finger behalten. Pferde haben scharfe Zähne und massive Kiefer. Daedalus ist eigentlich sanftmütig, aber er begreift nicht, was Sie tun. Wenn Sie mit der Karotte herumfuchteln, will er sie haben und beißt zu. Oder sein mächtiger Schädel wirft Sie zu Boden.“ Holt schüttelte den Kopf, als müsse er einem Kind erklären, die Straße nicht zu überqueren, ohne vorher nach links und rechts zu schauen.

Kathryn spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. „Danke. Das war gedankenlos von mir.“

„Aber Sie haben doch hier gelebt. Hier gibt es massenhaft Pferde.“

„Wir haben nur ein paar Jahre hier gewohnt und hatten keine Pferde. Mein Vater zog aus beruflichen Gründen nach Larkville und … Jedenfalls hatte ich kaum Gelegenheit, etwas über Tiere zu erfahren.“

„Und in Ihrer Ahnungslosigkeit füttern Sie mein Pferd.“

Sie hob das Kinn. „Nur weil ich keine Pferde kenne, heißt das nicht, dass sie mich nicht interessieren. Ein prachtvolles Tier. Und das ist eine … eine schöne Ranch.“

„Mir gefällt sie.“ Er schaute finster auf sie herab.

„Ich würde gern mehr über das Leben auf einer Ranch erfahren.“

„Einfach so, aus einer Laune heraus? Haben Sie vor, sich auf einer Ranch niederzulassen?“

„Nein. Ich suche mir einen Job in einer anderen Stadt. Aber mein Baby wird hier geboren.“ Sie wollte, dass ihr Kind etwas über seine Herkunft erfuhr, denn diese Wurzeln fehlten ihr. Ihre Eltern waren ständig umgezogen und hatten nie über ihr Leben vor Kathryns Geburt gesprochen. Sie hatten auch nie viel mit ihr geredet, ohne sie zu kritisieren. Ihr Exmann hatte dieses Muster fortgesetzt und ihr ständig Vorschriften gemacht. Schon deshalb durfte sie sich durch Holts schroffe Art nicht einschüchtern lassen.

„Sie wollen also eine Besichtigungstour. Und wann haben Sie den Entschluss gefasst?“

„Es ist mir gerade in den Sinn gekommen“, gestand sie, weil Holt sie befangen machte und sie nicht in die Gewohnheit verfallen wollte, ständig zu lügen. Eine gute Mutter erzählte keine Lügen.

Holt schüttelte den Kopf. „Wenn Sie etwas über das Leben auf einer Ranch wissen wollen, verweise ich Sie auf einschlägige Bücher.“

„Ich will mehr als das.“

Das waren vermutlich die falschen Worte. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er wusste, wie vernarrt sie als Teenager in ihn war. Hoffentlich hatte er davon keine Ahnung, aber dieser dunkle wilde Blick … die Hitze, die in ihr aufstieg …

Kathryn machte einen Schritt rückwärts, stieß gegen einen Stein und stolperte.

Plötzlich umfingen Holts Hände ihre Arme. Ihr Herzschlag dröhnte, ihr Atem setzte aus. Und dann gab er sie frei, und sie versuchte, so zu tun, als sei nichts gewesen.

„Ich bin okay.“

Der Anflug eines Lächelns huschte über seine Gesichtszüge. „Gut. Danach wollte ich gerade fragen.“ Dabei gab es keinen Grund für diese Frage. Sie war nicht in Gefahr gewesen, zu stürzen. Seine blitzschnelle Reaktion und seine starken Arme hatten es verhindert. Aber sein Tonfall … machte er sich etwa über sie lustig?

„Das dachte ich mir“, sagte sie betreten und ärgerte sich darüber, wie leicht Holt sie aus der Fassung brachte. Hatte sie sich nicht als Teenager gewünscht, sie könnten ein Paar werden? Sie musste verrückt gewesen sein. Für sie gäbe es keinen ungeeigneteren Mann. Zu einschüchternd in seiner Überheblichkeit. In seiner Gegenwart konnte sie kaum klar denken. Und ihr Plan, ihn um den Finger zu wickeln, der ihr noch vor ein paar Stunden so zweckmäßig erschienen war?

Dieser Plan würde nicht klappen. Er war kein Mann, der sich durch weiblichen Charme beeindrucken ließ. Im Übrigen gab es mehr als genug Frauen, die ihn anhimmelten. Sie seufzte.

„Was?“

Autor

Myrna Mackenzie
<p>Myrna Mackenzie wusste in ihrer Jugend zunächst nicht, was sie später einmal beruflich machen wollte. Aber sie wusste, dass sie Geschichten und Happy Ends liebte. Und so war der Schritt zur Liebesroman-Autorin nahezu unvermeidlich. Die inzwischen preisgekrönte Autorin von über 35 Romanen wurde in einer kleinen Stadt in Dunklin County...
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