Sommerzauber der Liebe

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Noch immer packt Nikos das Verlangen, wenn er an die Nacht mit Serena denkt. Als ihn die schöne Engländerin überraschend um ein Wiedersehen bittet, ist er Feuer und Flamme! Nichts will der vermögende Reeder mehr, als sie erneut zu verführen - da gesteht sie ihm schockierende Neuigkeiten …


  • Erscheinungstag 11.07.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717872
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nikos Lazaro Petrakis stand am Fenster seines Büros und blickte über die gewaltige Anlage von Xanthippe Shipping – seines Imperiums, das er in den vergangenen Jahren aus eigener Kraft zu seiner jetzigen Größe aufgebaut hatte. Dahinter glitzerte unter einem wolkenlosen Himmel das tiefblaue Mittelmeer. Ein wahrhaft erhebender Anblick, doch in diesem Moment hatte Nikos weder Augen für den beeindruckenden Beweis seiner Willenskraft noch für die Schönheit der Natur.

Die SMS, die gerade gekommen war, hatte ein endgültig abgeschlossen geglaubtes Kapitel seines Lebens neu aufgeschlagen und ihn damit binnen weniger Sekunden in den Ausnahmezustand versetzt.

Wir müssen reden. Triff mich heute Abend am Strand. Serena

Serena James war Nikos stärker unter die Haut gegangen als jede andere Frau zuvor. Um ein Haar wäre es ihr gelungen, seine Verteidigungsmauer zu durchdringen. Darum war er fast froh über die Gelegenheit gewesen, all das Schöne, das zwischen ihnen entstanden war, mit einem einzigen Satz zu zerstören.

Seit jenem Abend vor drei Monaten hatte er nichts mehr von ihr gehört, und nun war sie plötzlich wieder zurück.

Nikos presste die Augen zusammen, um das verstörend lebendige Bild von ihr loszuwerden. Es war hart gewesen, sie zu vergessen, und – wie er nun feststellte – er hatte es noch immer nicht geschafft. Um seinem Vorsatz treu zu bleiben, niemals eine tiefe Bindung einzugehen, hatte er Serena brutal vor den Kopf gestoßen, doch anscheinend war es ihm nicht gelungen, den Faden der gegenseitigen Anziehung komplett zu durchschneiden.

Nach seiner Rückkehr von Santorini nach Athen hatte er sich in die Arbeit gestürzt und die geplante Übernahme der Kreuzfahrtgesellschaft Adonia mit einer Besessenheit vorangetrieben, die selbst seine engsten Mitarbeiter besorgte. Das war seine Art gewesen, Abstand zwischen sich und die Ereignisse auf der Insel zu bringen.

Und jetzt warf ihn eine zehn Worte lange SMS an den Nullpunkt zurück. Nikos öffnete die Augen wieder und zwang sich, tief durchzuatmen. Er wusste genau, warum Serena ihn sprechen wollte.

Sie war während des Sommers auf seine Heimatinsel gekommen, um für einen Artikel über die Ägäis zu recherchieren, und ihre leidenschaftliche Romanze hatte zu leichtsinnigem, ungeschütztem Sex am Strand geführt.

Nun würde sie ihn darüber informieren, dass ihre Begegnung nicht folgenlos geblieben war. Dass Konsequenzen daraus erwachsen würden, die definitiv nicht in seine Lebensplanung passten.

Nikos’ innere Alarmglocken begannen zu läuten. Warum hat sie so lange damit gewartet? Hat sie ihren beruflichen Hintergrund genutzt, um mehr über mich in Erfahrung zu bringen? Weiß sie inzwischen, dass ich keineswegs der einfache Fischer bin, als der ich mich ihr gegenüber ausgegeben habe?

Serena arbeitete für ein seriöses Reisemagazin und war mithin keine Vertreterin der Klatschpresse. Aber das hieß nicht, dass sie eine lohnende Story nicht zu ihrem Vorteil nutzen würde, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Da es in der Vergangenheit schon genug Spekulationen über seine Geschäftspraktiken und seine ständigen Frauengeschichten gegeben hatte, war Nikos besonders vorsichtig gewesen, um seine Identität zu schützen. Aber möglicherweise nicht vorsichtig genug.

Verdammt! Wäre ihm Serenas Beruf schon vor ihrer ersten gemeinsamen Nacht bekannt gewesen, hätte er vielleicht die Finger von ihr lassen können, anstatt sich in etwas hineinziehen zu lassen, dem er bisher immer hatte ausweichen können.

Mit zusammengebissenen Zähnen stieß er eine Verwünschung aus und marschierte zu seinem Schreibtisch. „Ich brauche meinen Jet“, teilte er seiner Assistentin durch die Sprechanlage mit. „Ich muss heute Nachmittag nach Santorini.“

Nikos brannte vor Zorn. Warum musste sie ausgerechnet jetzt auftauchen? Die Adonia-Verhandlungen waren gerade im letzten entscheidenden Stadium, in dem jede Irritation fatal sein konnte. Ein erfolgreicher Abschluss würde ihm über die Frachtgeschäfte hinaus auch noch den Markt der Kreuzschifffahrt eröffnen und ihn zum mächtigsten Reeder Griechenlands machen. Er konnte jetzt keine Komplikationen gebrauchen, schon gar nicht von der Art, die er befürchtete.

Nicht jetzt, und auch zu keinem anderen Zeitpunkt!

Dennoch konnte Nikos sein Gehirn nicht davon abhalten, wieder und wieder ihr Bild zu produzieren – lebensfroh, glücklich und umwerfend schön. Sie hatte ihn Dinge wünschen lassen, die er nicht haben konnte, und die Tatsache, dass er der erste Mann für sie gewesen war, hatte ihm die Trennung von ihr doppelt schwer gemacht. Fast unmenschlich schwer, um genau zu sein, doch was hätte er tun sollen? Er konnte keine emotionale Bindung eingehen, selbst wenn er es gewollt hätte. Nie wieder durfte er sich in eine so angreifbare Position begeben.

Nikos stieß langsam die Luft aus und ging erneut zum Fenster. Ein voll beladenes Containerschiff glitt gerade in seinen Liegeplatz. Dahinter warteten sechs weitere. Doch das gewohnte Hochgefühl beim Anblick all dessen, was er erreicht hatte, blieb aus. Das Einzige, was in diesem Moment seine Gedanken beherrschte, war ein hinreißender Rotschopf, der ihm zwei Wochen lang den Verstand geraubt hatte.

Noch immer konnte er ihren blassen Teint vor sich sehen. Die grünen, funkelnden Augen. Das Haar, das wie flüssige Seide durch seine Finger glitt, während sie mit einem Lächeln zu ihm aufblickte, das eine einzige Einladung zum Küssen war …

Bilder ihres letzten gemeinsamen Abends tauchten vor Nikos auf. Von dem Abschiedskuss, der mit dem spektakulären Liebesakt am Strand geendet hatte. Von dem Moment danach, als Serena mit glühenden Wangen vor ihm stand und sich den Sand aus den Kleidern schüttelte, während er wie versteinert dasaß und sich für seine Schwäche verwünschte.

Noch nie hatte er sich so von seiner Lust hinreißen lassen. Niemals ohne Kondom!!! Das sollte doch eigentlich nicht so schwierig sein, und doch hatte seine haltlose Lust auf sie ihn seine eiserne Regel vergessen lassen. Dass sie so viel Macht über ihn hatte, war unerträglich für ihn gewesen, und dann hatte er ihr den Satz an den Kopf geworfen, der wie ein Peitschenhieb die warme Nachtluft durchschnitten hatte.

Sollte das, was gerade geschehen ist, Konsequenzen haben, wirst du mich umgehend informieren. Hast du das verstanden?

Ihre verletzte, erschrockene Miene hatte bei Nikos für einen Moment Schuldgefühle geweckt. Doch sein fast panisches Bedürfnis, sich aus dem gefährlichen Netz zu befreien, das sie um ihn gesponnen hatte, ließ solche Regungen nicht zu. Nicht, nachdem sie ihn dazu verführt hatte, ein so unkalkulierbares Risiko einzugehen.

Kein Wunder, dass sie vor ihm davongelaufen war. Er musste ihr wie Dr. Jekyll vorgekommen sein, der sich plötzlich in Mr. Hyde verwandelt hatte. Dabei war er im Grunde nur wütend auf sich selbst gewesen.

Seit dem Tag, an dem Serena aus seinem Leben verschwunden war, hatte Nikos sich nach ihr gesehnt, besonders in seinen einsamen Nächten. Doch er hatte nichts mehr von ihr gehört und auch selbst keinen Kontakt zu ihr aufgenommen. Aus Wochen wurden Monate. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass sein unverzeihlicher Kontrollverlust wohl doch ohne Folgen geblieben war.

Aber jetzt war sie zurück.

Das Blut pulste heftig in seinen Schläfen. Er wusste, warum Serena gekommen war, und dem musste er sich stellen.

Sie erwartete sein Kind.

Serena klopfte das Herz bis zum Hals, als sie am Strand wartete. Wo blieb Nikos? Wird er überhaupt kommen? Das rhythmische Geräusch der im Sand auslaufenden Wellen trug nicht viel zu ihrer Beruhigung bei.

Den ganzen Flug von London hierher war die Erinnerung an die schönsten zwei Wochen ihres Lebens von der zufälligen Offenbarung seiner wahren Identität überschattet gewesen. Sie hatte in der Abflughalle gesessen und die Nachrichten auf ihrem iPhone durchgescrollt, als ihr plötzlich sein Gesicht ins Auge sprang, gefolgt von einem Artikel über die intensiven Bemühungen des „griechischen Schifffahrtsunternehmers“ um die Übernahme einer Kreuzfahrtlinie.

Nikos ein steinreicher Reeder?

Es hatte eine Weile gedauert, bis die Information zu Serena durchgedrungen war. Sie war einfach zu … unglaublich. Sie hatte beschlossen, nach Santorini zu fliegen, weil sie annahm, er habe so gut wie kein Geld, aber dennoch das Recht, die Nachricht von ihr persönlich zu erfahren.

Und jetzt das!

Nachdem Serena den Artikel gelesen hatte, war auch ihre letzte kleine Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft erloschen. Ein Mann wie er – ein milliardenschwerer Großunternehmer – dürfte jetzt nur den Wunsch haben, sich von ihr zu distanzieren.

Instinktiv legte sie eine Hand auf ihren Bauch und das neue Leben darin. Sie hatte ihm ins Gesicht sehen wollen, wenn sie ihm sagte, dass aus ihrer leidenschaftlichen Begegnung ein Kind entstanden war. Aber inzwischen fragte sie sich, ob das eine gute Idee gewesen war.

Will ich einen Mann wie ihn wirklich noch einmal in mein Leben ziehen? In das Leben meines Kindes? Er hatte sie nach Strich und Faden belogen, und sie verabscheute Lügen mehr als alles andere. Ihr ganzes Leben lang war sie von ihnen umgeben gewesen.

Unwillkürlich musste Serena an ihren letzten Abend mit ihm auf der Insel denken. An den heißblütigen und zugleich zärtlichen Liebhaber, der sich plötzlich von einer ganz anderen Seite gezeigt hatte, als ihm die möglichen Folgen ihres spontanen Liebesaktes klar wurden.

Eigentlich sollte es nur ein Abschiedskuss werden, an den sie sich erinnern konnte, wenn sie ihr gewohntes Leben in England wiederaufnahm. Sie hatte gewusst, dass Nikos nicht mehr als eine Affäre wollte, und es akzeptiert. Aber aus dem Kuss wurde schnell mehr, und dann war es auf einmal passiert, ohne das auch nur einer von ihnen einen Gedanken an Verhütung verschwendet hätte.

„Serena.“

Sie schloss die Augen, als sie die vertraute Stimme hinter sich hörte. Tief und mit starkem griechischem Akzent. Natürlich erwartete er jetzt, dass sie sich zu ihm umdrehte, und das würde sie auch tun, aber sie brauchte noch einen Moment, um sich zu fassen. Sonst würde er ihr sofort die Gefühle ansehen, die sie immer noch für ihn hatte. Und das durfte auf keinen Fall passieren. Nicht nach allem, was er sich ihr gegenüber geleistet hatte.

„Serena …“, sagte Nikos wieder, und dann spürte sie plötzlich seine Hand auf ihrem Arm.

Nun konnte sie den Moment nicht länger hinauszögern. Langsam drehte sie sich zu ihm um – und konnte ihr Erschrecken kaum verbergen. Seine leuchtendblauen Augen, die so ungewöhnlich für einen Griechen waren und sie immer an den Himmel an einem Sommertag erinnert hatten, erwiderten kalt und emotionslos ihren Blick.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Dieser Mann war nicht der, in den sie sich verliebt hatte. Und das lag nicht nur daran, dass er statt der abgewetzten Jeans, in der er immer herumgelaufen war, einen teuren Maßanzug trug. Er war immer noch groß und dunkel und verboten attraktiv, doch seine markanten Züge zeigten jetzt scharfe Linien, die vorher nicht dagewesen waren, und sein sinnlicher Mund war zu einem schmalen, strengen Strich zusammengepresst.

„Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“ Trotz ihres wilden Herzklopfens gelang es Serena, ihre Stimme einigermaßen fest klingen zu lassen.

Nikos breitete in einer bedauernden Geste die Hände aus. „Tut mir leid, ich hatte noch zu tun.“

„Du siehst sehr …“ Sie hielt inne und versuchte, die richtige Formulierung zu finden. Das Wissen um seine Täuschung und die Tragweite dessen, was sie ihm mitzuteilen hatte, machten höflichen Small Talk beinah unmöglich. Andererseits könnten die nächsten Minuten Auswirkungen auf ihr ganzes zukünftiges Leben haben, daher musste sie sich jetzt am Riemen reißen.

„… elegant aus“, vollendete sie den angefangenen Satz. „Wie ein erfolgreicher Geschäftsmann.“

Nikos zog kurz die Brauen hoch, und sie glaubte, so etwas wie Zorn in dem blauen Eis seiner Augen aufblitzen zu sehen. Fast nichts deutete mehr auf den Mann hin, mit dem sie zwei paradiesische Wochen verbracht und dem sie mehr als nur ihr Herz geschenkt hatte.

„Du weißt, warum ich gekommen bin?“ Sie widerstand dem Drang, die Arme um sich zu schlingen, um sich vor seiner Kälte zu schützen. Es hätte schwach gewirkt, und Schwäche durfte sie jetzt nicht zeigen.

„Du hättest es schon vor zwei Monaten tun sollen.“

Ärger schien die einzige Emotion zu sein, die ihr Wiedersehen in ihm auslöste. Ärger darüber, dass sie seinem Befehl, ihn im Fall einer Schwangerschaft „umgehend zu informieren“, nicht sofort nachgekommen war. Serena schluckte. Was immer sie in diese zwei Wochen mit Nikos hineingeträumt haben mochte, ihm hatten sie anscheinend nicht das Geringste bedeutet.

„Bis jetzt war ich wegen ständiger Übelkeit nicht in der Lage zu reisen“, teilte sie ihm mit.

„Du hättest anrufen können. Ich hatte dich ausdrücklich darum gebeten.“

„Gebeten?“, wiederholte Serena ungläubig. „Du hast nicht darum gebeten, Nikos. Du hast es befohlen!“

Er zog es vor, nicht darauf einzugehen. „Es hätte dich nur einen Anruf gekostet“, beharrte er. „Warum hast du so lange gewartet? Und warum kommst du jetzt?“

Die Aura von Macht und Autorität war auch etwas, das Serena damals nicht an ihm wahrgenommen hatte. Dieser Nikos war durch und durch kontrolliert, einschüchternd und – was das Schlimmste war – ohne jede Spur von Freundlichkeit.

Bisher war es ihr gelungen, ihren Schock und ihre Bestürzung hinter einer ruhigen Fassade zu verbergen, aber sehr lange würde sie das nicht mehr durchhalten. Hinter Nikos erglühte der Himmel in dramatischen Orange- und Purpurtönen. Wie konnte so ein herrlicher Sonnenuntergang nur einen so schrecklichen Moment untermalen?

„Offenbar soll ich jetzt dafür bestraft werden, dass ich es dir nicht sofort mitgeteilt habe.“ Trotz ihrer Bemühungen um einen neutralen Tonfall konnte Serena die Kränkung nicht ganz aus ihrer Stimme heraushalten. „Aber ich wollte es dir lieber persönlich sagen, anstatt nur anzurufen. Und das hat bedeutet, dass ich warten musste, bis es mir wieder gut genug ging, um in ein Flugzeug zu steigen.“

„Und dennoch kannst du es nicht.“ Er kam näher, sein ganzer Körper war eine einzige grimmige Herausforderung. „Du bringst es nicht über die Lippen, stimmt’s?“

Plötzlich bäumte sich alles in Serena gegen sein empörendes Verhalten auf. Er zerstörte ihre Liebe, zertrat brutal jede Hoffnung, die noch in ihr gewesen war.

„Und ob ich das kann!“, konterte sie mit hoch erhobenem Kinn. „Ich bin schwanger, Nikos! Schwanger mit deinem Kind!“ Trotz ihres inneren Aufruhrs gelang es ihr, jedes Wort mit glasklarer Deutlichkeit auszusprechen.

„Warum hast du die weite Reise gemacht? Was genau willst du von mir?“ Er trat noch dichter an sie heran, ragte einschüchternd vor ihr auf. Der frische Duft seines makellos weißen Hemds stieg ihr in die Nase, und zu ihrem Entsetzen spürte Serena, dass ihr Körper sogar jetzt noch nach ihm verlangte.

„Ich will gar nichts. Jedenfalls nicht von Nikos, dem Fischer, aber der bist du ja nicht, oder?“ Ruhig erwiderte sie seinen Blick, obwohl sie innerlich vor Nervosität und Unsicherheit zitterte.

Er kniff die Augen zusammen und musterte sie scharf. „Wie viel?“

Serena machte einen Schritt zurück, um seiner übermächtigen Nähe zu entkommen. „Was soll das heißen, wie viel?“

Spätestens jetzt begriff sie, dass es ein großer Fehler gewesen war, hierherzukommen. Sie hatte Nikos ins Gesicht sehen wollen, wenn er es erfuhr, um sich endgültig davon zu überzeugen, dass er ihre Gefühle für ihn nie erwidern würde. Sie hatte sich so etwas wie inneren Frieden davon erhofft, und nun steckte sie plötzlich in einer Situation, die zunehmend einem Albtraum ähnelte.

„Ich rede von Geld.“

Er spie das Wort so angewidert aus, dass Serena noch weiter vor ihm zurückwich, bis sie mit dem Rücken gegen einen großen Felsblock stieß.

„Ich will dein Geld nicht, ich …“ Ihr wurde schwindlig, aber sie musste das jetzt zu Ende bringen. „Ich wollte es dir nur persönlich sagen und dann wieder nach England zurückfliegen.“

Sie sah Nikos an und wünschte, die Dinge stünden anders. Dass er ihr keine falsche Identität vorgespielt hätte. Dass er damals nicht diese schrecklichen letzten Worte zu ihr gesagt hätte. Deutlicher hätte er ihr kaum vermitteln können, wie sehr er den Gedanken, Vater zu werden, verabscheute.

Sie dachte an ihre Schwester Sally, die sich sehnlichst ein Baby wünschte und trotz mehrerer Versuche mit künstlicher Befruchtung immer noch kinderlos war. Dass sie selbst derartig leicht schwanger geworden war, fand Serena so unfair und grausam, dass sie es Sally immer noch nicht hatte sagen können.

Nikos war der Einzige, der es wusste. Doch in diesem Augenblick gab er Serena das Gefühl, völlig allein und isoliert dazustehen. Ihr ganzes Leben hatte sie mit der Gewissheit verbracht, ein unerwünschtes Kind zu sein, das seine Eltern zum Zusammenbleiben gezwungen hatte. Hätte Nikos etwas für sie empfinden können, wäre das alles mit einem Schlag bedeutungslos geworden. Sie hätte mit ihm und dem Baby einen Neuanfang gemacht und die Vergangenheit für immer hinter sich gelassen.

Aber das war leider nur eine naive Wunschvorstellung gewesen.

„Du glaubst, du kannst mir eröffnen, dass ich Vater werde, und dann einfach wieder verschwinden, als hätten wir nur übers Wetter geredet?“ Abrupt wandte Nikos sich von ihr ab und blickte starr aufs Meer hinaus.

„Wie sollten wir denn gemeinsam ein Kind aufziehen?“

Eine Weile herrschte Schweigen, und erst als Serena behutsam seinen Arm berührte, drehte er sich wieder zu ihr um. Als sie den Schmerz in seinen Augen sah, hätte sie sich am liebsten in seine Arme geworfen, damit der Mann, den sie liebte, sie für immer festhielt und endlich alles gut wurde.

Denn genau das war es, was sie sich wirklich wünschte.

Nur existierte der Mann, den sie liebte, gar nicht.

„Wir können es nicht, Nikos“, murmelte sie traurig. „Jedenfalls nicht zusammen.“

„Was willst du damit sagen, Serena?“

Nikos Lippen fühlten sich wie betäubt an. Erinnerungen an den Tag, an dem seine Mutter gegangen war, drängten an die Oberfläche, und mit ihnen die alten, jahrelang unterdrückten Fragen.

Was für ein Mensch war sie? Abgesehen davon, dass ihr Beruf und ein luxuriöses Leben ihr wichtiger gewesen waren als ihr Ehemann und ihr kleiner Sohn. Hat sie ihre Entscheidung je bereut? Als Nikos an seinem sechzehnten Geburtstag einen Brief von ihr bekam, in dem sie ihm schrieb, dass sie ihn nie hatte verletzen wollen, hatte er ihn wütend in Fetzen gerissen und sich geschworen, sie für immer aus seinem Leben auszublenden.

An diesem Tag beschloss er auch, niemals den Fehler seiner Eltern zu begehen und zu heiraten. Auch wenn das bedeutete, dass er nie Vater sein würde.

Und jetzt trug Serena sein Kind unter dem Herzen.

Nikos atmete tief ein. Das Schicksal hatte in seinen Lebensplan eingegriffen, und ganz gleich, was sie sagte oder tat, er würde diesem Kind in jeder Hinsicht ein Vater sein. Es würde nicht den Schmerz erleben, den er erfahren hatte, egal zu welchen Mitteln er greifen musste, um das zu erreichen.

„Wir können diesem Kind nicht die Eltern sein, die es braucht“, sagte Serena in die angespannte Stille hinein.

Ihre Stimme war sanft, doch es schwang eine feste, unnachgiebige Note darin. Darauf lief es also hinaus! Sie wollte das Baby ihrer Schwester geben! Nikos konnte kaum fassen, mit welcher Mühelosigkeit sie ihr eigenes Kind abschrieb. Genau wie seine Mutter es damals getan hatte.

„Ich hatte nie die Absicht, Vater zu werden. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht für mein Kind da sein werde“, erklärte er grimmig. „Und ich werde es, verlass dich darauf.“

Etwas, das wie Furcht gemischt mit Hoffnung aussah, lag in Serenas Blick, als sie zögernd einen Schritt auf ihn zu machte. „Du willst das Baby zusammen mit mir großziehen?“

Nikos verschloss sein Herz vor dem Bild einer glücklichen Familie, das unvermittelt vor seinem inneren Auge auftauchte. „Diese Möglichkeit passt überhaupt nicht in dein Konzept, stimmt’s?“, höhnte er. „Denn du hast ja bereits beschlossen, es wie ein lästiges Gepäckstück weiterzureichen.“

„Ich habe nichts dergleichen beschlossen!“ Sie sah ihn an wie ein waidwundes Reh.

„Du hast damals ständig davon geredet, wie sehr deine Schwester sich nach einem Baby sehnt“, erinnerte Nikos sie. „Weißt du noch, was du zu mir gesagt hast? Wenn ich für sie ein Kind bekommen könnte, würde ich es tun. Genau das waren deine Worte.“

„Wie kannst du mir jetzt einen Strick daraus drehen?“, protestierte Serena. „Es war das, was ich mir gewünscht, nicht, was ich geplant habe!“

Er lachte hart auf. „Vielleicht war es anfangs so. Aber dann hast du herausgefunden, wer ich bin, und beschlossen, mein Kind als Verhandlungsobjekt zu benutzen, um von mir Geld für weitere IVF-Behandlungen für deine Schwester zu bekommen. Oder schlimmer noch, du wolltest ihr das Baby gleich überlassen.“

„Nein, so ist es nicht. Es ist doch mein Baby …“

„Meins aber auch, Serena!“ Adrenalin pumpte durch Nikos’ Adern. Das Blut rauschte so heftig in seinem Kopf, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Er wusste nur, dass er für sein Kind da sein musste.

Materiell gesehen war das kein Problem, doch wie stand es mit der emotionalen Seite? Kann ich ein liebevoller Vater sein, ohne je selbst Elternliebe gekannt zu haben? Zu seinen Großeltern hatte er als Junge stets eine gewisse Distanz gehalten. Er hatte ihre Liebe gescheut und sich stattdessen hinter seiner sicheren Schutzmauer verschanzt. Dennoch bestand eine starke Bindung zwischen ihnen. Kann ich mit meinem Kind wenigstens das erreichen?

Oder bin ich dazu zu herzlos?

Hat meine Mutter mich darum verlassen?

Hat mein Vater mir deswegen kaum einen Blick gegönnt?

War alles mein Fehler?

„Ich werde für mein Kind da sein“, wiederholte er schroff und suchte dabei Serenas Gesicht nach Schuldgefühlen ab. Nach irgendeinem Zeichen, das ihren Betrug verriet.

„Und was genau soll das bedeuten?“

Die demonstrative Empörung in ihrer Stimme bestätigte seinen Verdacht.

„Hör auf, die Unschuldige zu spielen“, sagte er kalt. „Du weißt doch genau, wer ich bin. Für eine Journalistin muss es ein Kinderspiel gewesen sein, mehr über den Vater deines Kindes zu erfahren.“

Nikos spie die Worte förmlich aus. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass das Meer näher gekommen war. Wie lange standen sie schon hier? Minuten? Stunden? Er wusste es nicht. Wusste nur, dass sich plötzlich alles verändert hatte. Dass etwas geschehen war, das ihn für immer verändern würde.

„Ja, ich weiß, wer du bist, Nikos“, gab Serena zu. „Aber ich habe es erst in der Abflughalle des Flughafens herausgefunden, als ich im Internet die Nachrichten gelesen habe. Dummerweise hielt ich dich bis dahin für einen einfachen Fischer, aber du hast mich belogen und benutzt!“

„So wie du den einfachen Fischer benutzt und belogen hast“, konterte Nikos.

„Das habe ich nie getan!“

„Dann streitest du ab, dass du mich in der Absicht verführt hast, mit einem Kind schwanger zu werden, das du deiner Schwester schenken wolltest?“

„Natürlich streite ich das ab!“

„Gut“, stellte er fest. „Dann kann ich deine Pläne ja auch nicht durcheinanderbringen.“

„Und was soll das nun wieder bedeuten?“

Widerwillig musste Nikos ihre Standfestigkeit bewundern. Sie war sogar noch schöner, wenn das Feuer der Entschlossenheit in ihren grünen Augen loderte.

Autor

Rachael Thomas
Vor über zwanzig Jahren wählte Rachael Thomas Wales als ihre Heimat. Sie heiratete in eine Familie mit landwirtschaftlichem Betrieb ein und konnte in ihrem neuen Zuhause endlich Wurzeln schlagen. Sie wollte schon immer schreiben; noch heute erinnert sie sich an die Aufregung, die sie im Alter von neun Jahren empfand,...
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