Spiel mit dem Feuer auf Kreta

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Kate starrt ihren Ex-Verlobten fassungslos an. Sie soll Nikos heiraten? Aber sein stählerner Blick erlaubt keine Zweifel: Der griechische Tycoon aus Kreta braucht unbedingt eine Ehefrau, um das Sorgerecht für seine Patentochter zu bekommen. Mit bangem Herzen lässt Kate sich darauf ein, denn Nikos verspricht, das traditionsreiche Süßwarenimperium ihrer Eltern zu retten. Dabei weiß sie, dass sie sich nicht zum zweiten Mal in ihn verlieben darf! Doch während der Flitterwochen muss sie sich verzweifelt eingestehen, dass es dafür längst zu spät ist …


  • Erscheinungstag 19.11.2019
  • Bandnummer 2414
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712587
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Kate erstarrte. Aus der Flasche, die sie gerade entkorkt hatte, schäumte der Champagner. Oh, bitte nicht! Nicht er – nicht hier! Sie kniff die Augen zusammen und hoffte inständig, er werde auf wundersame Weise verschwinden. Fehlanzeige. Als sie die Augen wieder aufschlug, war er immer noch da. Der Schock, den ihr seine Anwesenheit versetzte, dröhnte ihr in den Ohren und blendete jeden anderen Menschen im Saal aus.

Wie eine Zeitlupe in einem Horrorfilm kam es ihr vor, als er sich zurücklehnte, um der extrem aufmerksamen Kellnerin etwas zu sagen. Unverschämt gut sah er aus mit seinen markanten Gesichtszügen und der olivfarbenen Haut. Er bewegte den langen breitschultrigen Körper mit einer athletischen Eleganz, die ihr vertraut war. Nikos Nikoladis. Ihre erste Liebe. Ihr Ex-Verlobter. Der Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte.

„Hey Süße, Vorsicht mit dem Champagner.“ Ein Gast an Kates Tisch umschloss die Hand, mit der sie die Flasche hielt. „Wenn du wüsstest, was der kostet, würdest du ihn vielleicht respektvoller behandeln.“

Die anderen Männer am Tisch grinsten zustimmend. Kate zwang sich zu einer Entschuldigung und lächelte steif, während sie nachschenkte. Sie kannte den Preis der Flasche nicht genau. Allerdings wusste sie sehr wohl, dass der Champagner überteuert war und eher der Selbstgefälligkeit dieser Männer als ihren Gaumen schmeicheln sollte. Die aufgeblasenen Egos und das Testosteron dieser Geschäftsleute nahmen ihr fast den Atem.

Dabei war sie genau wegen dieser Typen hier. Ihretwegen arbeitete sie für eine Agentur, die sich auf Feiern für Topkunden von Unternehmen spezialisiert hatte. Ihretwegen hatte sie sich in einen kurzen schwarzen Rock gezwängt, der ihren Po nur knapp bedeckte, und in die grässliche Weste aus Lederimitat, die über ihren Brüsten spannte. Falls es auch nur die geringste Chance gab, dass sie einen dieser arroganten Trottel überreden konnte, in ihr schwächelndes Familienunternehmen zu investieren, wollte Kate sie beim Schopf packen. Wenn sie dafür die Kellnerin spielen, ein bisschen mit diesen Kerlen flirten und ihre Egos massieren musste, tat sie es halt. Solange den Männern klar war, dass sie sonst nichts massierte.

Verzweifelte Zeiten rechtfertigten nun mal verzweifelte Maßnahmen. Und Kate war verzweifelt. Schon vor dem demütigenden Auftauchen ihres Ex-Verlobten war sie es gewesen.

Sie senkte den Kopf, damit ihr die blonden Haare wie ein Vorhang ins Gesicht fielen. Verstohlen spähte sie in Nikos’ Richtung und weigerte sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass ihr Herz schneller klopfte. Er unterhielt sich mit dem Geschäftsführer einer großen Firma und schien sie nicht bemerkt zu haben. Außerdem saß er zum Glück an keinem der Tische, die ihr in diesem Hotelsaal zugeteilt worden waren.

Vielleicht gelang es ihr ja, mit dem Rücken zu ihm zu stehen und unerkannt zu bleiben. Die neue Frisur würde ihr dabei helfen, denn die blonden Locken unterschieden sich sehr von der glatten kastanienbraunen Mähne jener Kate, die Nikos einst gekannt hatte.

Auf keinen Fall durfte sie in Panik geraten, also kämpfte sie den Impuls nieder, die Flucht zu ergreifen. Am liebsten hätte sie den Leuten von der Agentur gesagt, was die mit ihrem halbseidenen Job, dem entwürdigenden Outfit und den lüsternen Gästen machen konnten. Andererseits war es eine überaus naive Idee, einen dieser Männer als Investor für Kandy Kate zu gewinnen, räumte sie ein. Die Agentur zahlte gut, es bestand die Aussicht auf ordentliche Trinkgelder, und Kate brauchte das Geld.

Über dreihundert Gäste und mindestens dreißig Kellnerinnen waren heute Abend hier. Wenn sie nicht den Kopf verlor, sollte sie Nikos aus dem Weg gehen können. Sie würde ihm aus dem Weg gehen. Auf eine Begegnung mit ihm war sie nun wirklich nicht scharf, schließlich sah sie wie eine billige Prostituierte aus.

Was machte er überhaupt hier? Wieder spähte sie unter gesenkten Wimpern zu ihm hinüber. Sie hatte Nikos nie für einen Mann gehalten, der zu einem Event wie diesem ging – selbst wenn es sich um eine Benefizparty handelte. Allerdings hatte sie ihn auch nicht für einen Mann gehalten, der ihr Leben zerstören würde. Der so grausam sein konnte. Im Grunde wusste sie überhaupt nicht, was für ein Mensch Nikos war.

Hingegen wusste sie sehr wohl, dass sie ihr Herz an diesen Mann verloren hatte. An den hinreißenden griechischen Adonis, der an einem warmen Sommerabend vor drei Jahren auf Kreta als Kellner an ihren Tisch gekommen war. Der attraktive, charmante, bezaubernde Fremde, der mit ihr am Strand spaziert war, ihre Hand gehalten und sie unter den Sternen geküsst hatte. Mit ihm war plötzlich nichts mehr gewesen wie zuvor, denn er hatte eine überbordende Liebe in ihr geweckt, von der sie geglaubt hatte, es gebe sie nur in Büchern.

Jener Sommer – die wundervollste Zeit ihres Lebens. Und der Kummer danach war schmerzhafter gewesen als alles, was sie je für möglich gehalten hatte.

Warum überraschte es sie eigentlich, dass er bei einem Event wie diesem aufkreuzte? Reich genug war er zweifellos. Vermutlich konnte er die Firmen der meisten Gäste kaufen, ohne dass sein Vermögen nennenswert schrumpfte.

Kate hatte seinen kometenhaften Aufstieg aus der Ferne verfolgt. Der unbeschwerte, lässige und mittellose Mann, in den sie sich verliebt hatte, war fast über Nacht zu einem milliardenschweren Unternehmer geworden.

Während ihr eigenes Schicksal die entgegengesetzte Richtung genommen hatte. Durch Fehlentscheidungen nach dem Tod ihres Vaters war die alteingesessene Süßwarenfirma ihrer Familie, Kandy Kate, ins Schlingern geraten. Doch sie würde Kandy Kate retten, selbst wenn es das Letzte war, was sie tat. Schließlich ging es um das Erbe ihres Vaters, das obendrein ihren Namen trug. Das Geschäft hatte ihm alles bedeutet, deshalb bedeutete es auch ihr alles.

„Hey Baby, ich verdurste!“

Lautes Gelächter am Tisch riss Kate aus ihren Gedanken. Sie hatte einen Job zu erledigen.

„Beweg deinen hübschen kleinen Hintern hierher, und schenk mir nach.“

„Ja, Sir, selbstverständlich.“ Innerlich kochte sie, als sie sich um den Tisch herumschlängelte, darauf bedacht, Nikos den Rücken zuzukehren.

„Was ist los, Süße? Hast du etwa Angst vor mir?“ Der Mann legte ihr einen Arm um die Taille. „Das brauchst du nicht. Ich bin der netteste Mensch der Welt, da kannst du jeden fragen.“ Noch mehr Gelächter. „Warum setzt du dich nicht auf meinen Schoß, und ich zeige dir, wie nett ich sein kann?“

Kate trat einen Schritt zurück und schloss die Finger fest um den Hals der Champagnerflasche. Das war nur ein schwacher Ersatz für den Hals, den sie eigentlich gern gewürgt hätte, aber sie musste sich damit begnügen. „Ich werde nicht dafür bezahlt, mich zu setzen“, sagte sie und bemühte sich trotz zusammengebissener Zähne um einen heiteren Unterton.

„Nein? Tja, wir könnten dafür sorgen, dass es sich für dich lohnt. Was meint ihr, Jungs?“ Abrupt zog er sie näher, sodass sie das Gleichgewicht verlor.

Sie stolperte und fiel auf ihn, wollte zurückweichen, doch er war zu stark für sie. Bevor sie sich’s versah, hatte er sie rittlings auf den Schoß gezogen und spreizte die Beine. Sein Atem stank nach Alkohol. Ich muss mich übergeben, schoss es ihr durch den Kopf, als sie seine Erektion zwischen den Beinen spürte.

Kein Job war das hier wert. Keine Summe wog es auf, wie ein Stück Fleisch behandelt zu werden.

Menschenskind, wo bleibt deine Selbstachtung, fragte sie sich und holte tief Luft.

Sie durfte keine Szene machen, keine Aufmerksamkeit auf sich lenken – nicht mit Nikos in der Nähe. Vorsichtig wollte sie aufstehen. Ihr Magen rebellierte, weil sie den Mann dadurch offenbar nur noch mehr erregte. Sie stellte die Flasche auf den Tisch und stemmte sich hoch.

„Oh nein.“ Er zog sie zurück, und sie spürte seinen fauligen Atem an ihrem Ohr. „Ich fange gerade erst an, mich zu amüsieren. Das merkst du bestimmt …“

Auf der anderen Seite des glitzernden Saales verengten sich Nikos’ Augen. Er drehte sich auf seinem Stuhl, damit er die junge Frau besser sehen konnte. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Er ertappte sich dabei, wie er sie anstarrte und sich sein Puls beschleunigte – was er nicht zugeben wollte. Sie konnte es nicht sein … Oder?

Er hatte beobachtet, wie sie die Gläser von Rüpeln füllte, die schon viel zu viel gebechert hatten. Aus dieser Entfernung konnte er nicht viel erkennen, zumal sie ihm den Rücken zukehrte. Die blonden Locken legten nahe, dass er sich irrte. Doch plötzlich hatte sie eine Hand gehoben und an ihrem Ohrläppchen gezupft – eine unbewusste Geste der Verletzlichkeit, die er schon hundert Mal bei ihr gesehen hatte.

In dieser Sekunde war Nikos sicher gewesen.

Sie ist es.

Kate O’Connor.

Er hatte sich zurückgelehnt und darauf gewartet, dass sich sein Herzschlag normalisierte. Ausgerechnet hier musste sie aufkreuzen! Es fühlte sich fast so an, als hätte er sie heraufbeschworen, denn in letzter Zeit hatte er sehr oft an Kate gedacht. War er nicht gerade erst fünftausend Meilen geflogen, um sie zu sehen? Die Aussicht, morgen früh in ihr Büro zu platzen, hatte eine merkwürdige Vorfreude in ihm ausgelöst, die seine Reise fast zu einem Vergnügen gemacht hatte.

Und nun war sie hier, direkt vor seiner Nase, ein Bild von einer Frau in den Klamotten einer Prostituierten. Nie hätte er damit gerechnet, Kate an einem Ort wie diesem zu begegnen, schon gar nicht so gekleidet. Er wäre ja selbst nicht hier gewesen, wenn ein Geschäftspartner ihn nicht gedrängt hätte, beim Dinner über ein Projekt zu reden.

Unfähig, den Blick von Kate loszureißen, sah er, dass ein Typ ihr einen Arm um die Taille legte und sie an sich zog. Wie von selbst schlossen sich seine Hände zu Fäusten. Bleib ruhig. Dies war nicht seine Angelegenheit. Womöglich gehörte es zum Service?

Nikos dachte, Genugtuung zu empfinden angesichts der Tatsache, wie tief Kate gesunken war. Seltsamerweise tat er es nicht. Ihr Abstieg tröstete ihn nicht.

Dabei wünschte er es sich. Zutiefst. Er wollte jede Minute dieses erniedrigenden Schauspiels genießen – spüren, wie es diese eisige Stelle in ihm zum Schmelzen brachte. Eine Stelle, die sich in den Jahren seit der bitteren Trennung zu einem Stein verfestigt hatte.

Als er jedoch sah, wie sie auf den Schoß dieses Kerls rutschte, stieg ein Gefühl in ihm auf, das mit Trost oder Genugtuung nichts zu tun hatte. Es war blanke Wut, so stark und ätzend, dass sie ihn förmlich auffraß.

Kate O’Connor gehörte ihm. Bald jedenfalls.

Hastig leerte er sein Whiskeyglas. Er zwang sich, Ruhe zu bewahren, obwohl sein Instinkt ihm befahl, Kate vom Schoß dieses schmierigen Typen zu zerren, sie sich über die Schulter zu werfen und aus dem Saal zu tragen.

Er zuckte leicht, so schwer fiel es ihm, sich zu beherrschen. Natürlich gab er seinem Instinkt nicht nach. Dafür war er zu clever. Er befand sich in dieser Stadt, um seine Ex-Verlobte für sich zu beanspruchen, und endlich würde sie ihm gehorchen. Sie wusste es bloß noch nicht. Höchste Zeit, zu gehen.

Kate ließ sich auf das Bett ihres winzigen Appartements fallen und vergrub das Gesicht in der Decke. Hinter ihr lag einer der beschämendsten Abende ihres Lebens – und davon hatte es in letzter Zeit wahrlich einige gegeben.

Sie rappelte sich hoch, schwang beide Beine über das Fußende und beugte sich vor, sodass sie die Ellenbogen auf die Kommode stützen konnte. Ihre Wohnung war derart klein, dass sie in der ersten Woche Platzangst bekommen hatte. Inzwischen war sie an die Enge gewöhnt. An das große Penthouse im obersten Stock der KK Towers – ihr Elternhaus, bis alles schiefgegangen war – dachte sie nicht mehr oft.

Sie betrachtete ihr Spiegelbild und verzog das Gesicht, denn sie kannte die stark geschminkte Blondine kaum. Umso besser. Diese Person bin ich nicht. Die Frau war nur Mittel zum Zweck, und Kate konnte sie gar nicht schnell genug loswerden.

Mit einer Hand zog sie sich die Perücke vom Kopf und warf sie zur Seite. Bevor sie wieder in den Spiegel sah, schüttelte sie den Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen dunklen Haare. Schon besser. Vor gut einem Jahr hatte sie sich die langen kastanienbraunen Haare abschneiden lassen, um seriöser zu wirken.

Die Firma mochte ihren Namen tragen, aber sie war nicht mehr das fröhliche rotwangige Mädchen aus der Werbung, dessen geflochtene Zöpfe und dessen Lächeln mit den Zahnlücken geholfen hatten, Millionen von Schokoriegeln zu verkaufen.

Jetzt war sie erwachsen, und als Geschäftsführerin fiel ihr die Aufgabe zu, Kandy Kate zu retten. Die Produktion aufrechtzuerhalten. Das Geld für die Zulieferer aufzutreiben. Sich um die Angestellten zu kümmern, von denen manche seit Gründung des Unternehmens dabei waren und fast zur Familie gehörten. Aus Liebe zu Kates Dad hatten die loyalen Mitarbeiter Lohneinbußen und sogar Lohnausfall hingenommen. Sie vertrauten darauf, dass Bernie O’Connors Tochter die Firma wieder in die Erfolgsspur brachte.

Für Kate stand fest, dass sie diese Menschen nicht enttäuschen würde. Irgendwie musste sie das Unternehmen retten – nur wie?

Sie nahm die falschen Wimpern ab, blinzelte erleichtert und machte sich daran, ihr Make-up zu entfernen. Beschmutzt fühlte sie sich. Als sie unter der Dusche stand, konnte selbst das heiße Wasser den Geruch der letzten Stunden nicht entfernen. Er schien ihr in sämtliche Poren gekrochen zu sein. Wenigstens hatte sie bis zum Ende durchgehalten, also würde sie ihren Lohn bekommen.

Noch wichtiger: Nikos hatte sie nicht erkannt. Allein dafür lohnte sich ihre scheußliche Verkleidung.

Nachdem sie es endlich geschafft hatte, dem betrunkenen Typen vom Schoß zu steigen, hatte sie in Nikos’ Richtung geguckt, starr vor Angst, er könnte Zeuge der demütigenden Szene geworden sein. Zu ihrer enormen Erleichterung war er fort, und als sein Stuhl zwanzig Minuten später immer noch leer war, erlaubte Kate sich, aufzuatmen.

Sie war davongekommen. Hätte Nikos sie erkannt, wäre er garantiert zu ihr marschiert, um sie mit seinen ebenholzfarbenen Augen durchdringend anzusehen, bis sie sich vor Verlegenheit wand. Hämisch hätte er sich über ihren Absturz gefreut.

Und sie war ja auch abgestürzt – aus großer Höhe. Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie mit ihrer Mutter die Firmenleitung übernommen. Die Mischung aus Fiona O’Connors Unberechenbarkeit und Kates Naivität hatte die florierende Marke an den Rand des Bankrotts getrieben.

Zu spät erkannte Kate, dass ihre Mutter überfordert war. Im festen Glauben, alles am besten zu wissen, stürmte Fiona an ihrem ersten Tag ins Büro und traf alle möglichen absurden Entscheidungen. Auf Widerspruch folgte die sofortige Kündigung.

Kate flehte ihre Mutter an, zurückzutreten, doch unter ihrer eigenen Leitung verschlimmerte sich die Lage noch. Sie kontrollierte den von Fiona eingestellten neuen Finanzchef nicht richtig und unterzeichnete einige Papiere, ohne sie durchzulesen. Damit delegierte sie Macht an ihn, ohne seine betrügerischen Absichten zu erahnen.

Leichtgläubigkeit, Überlastung und mangelnde Erfahrung hatten ihren Tribut gefordert. Nach wenigen Monaten war der Finanzchef mit einer riesigen Geldsumme verschwunden und hatte Kandy Kate in desaströsem Zustand zurückgelassen.

Fast drei Jahre lag das jetzt zurück. Heute war Kate deutlich klüger, doch trotz aller Mühe, trotz all der Arbeitsstunden und Bettelgänge zu Banken und potenziellen Investoren hatte sie nichts erreicht.

Kandy Kate steckte noch immer in großen Schwierigkeiten. Wenn kein Wunder passierte, konnte sie die Firma nicht retten.

Natürlich schlachteten die Medien die Geschichte aus. Mit ihrem Hang zum Luxus und ihren Temperamentsausbrüchen war Fiona immer gut für Schlagzeilen der Boulevardblätter. Kate, das Gesicht der Marke, bekam sogar noch mehr Aufmerksamkeit. Ihr Leben lang hatte sie nie gewusst, wann Paparazzi sie fotografieren würden, um ein paar Dollar mit ihr zu verdienen.

Deshalb tarnte sie sich bei Anlässen wie heute mit einem falschen Namen, einer blonden Perücke und mehr Schminke, als ginge sie zu einem Clowns-Kongress.

Sie legte sich ins Bett und zog die Decke bis zum Kinn. Heute war der Börsenkurs von Kandy Kate sprunghaft gestiegen. Dafür gab es nur eine Erklärung: Jemand plante eine feindliche Übernahme. Auch das noch.

Eigentlich hatte sie gehofft, von den Partygästen zu erfahren, wer hinter der Übernahme stecken könnte. Manche Unternehmer protzten gern, und Champagner löste ihre Zungen. Leider auch ihre Hände. Sie hatten lieber Kates Po getätschelt oder ihr in den Ausschnitt gestarrt, statt ihr den neuesten Klatsch vom Börsenparkett anzuvertrauen.

Körperlich und emotional ausgelaugt, schloss sie die Augen und befahl sich, einzuschlafen. Stattdessen stieg Nikos’ Bild vor ihr auf, so groß und klar, dass sie es einfach nicht ignorieren konnte und die Augen wieder öffnete.

Ihr Körper stand wegen des Wiedersehens noch unter Schock. Als sie Nikos vorhin erkannt hatte, waren die drei Jahre seit der letzten Begegnung wie weggeblasen gewesen. Ein Blick in sein schönes Gesicht, und Erinnerungen an die Trennung fluteten zurück. Der Streit, die entsetzlichen, hasserfüllten, brutalen Worte … Kate wusste alles noch ganz genau. Die Zeit schien ihren Schmerz destilliert zu haben, sodass sie ihn jetzt noch intensiver empfand.

Als Nikos sie verlassen hatte, war ihre Welt in sich zusammengestürzt. Ihre Hoffnungen und Träume … Auf einem brüchigen Fundament aus blindem Optimismus und unbedachter Liebe hatten sie gegründet. Kate war in einen Abgrund gefallen, so tief, so dunkel, dass sie befürchtet hatte, nie wieder ans Licht zu kommen.

Doch irgendwie hatte sie sich wieder nach oben gezogen und überlebt.

Sie starrte an die Zimmerdecke, von der die Farbe blätterte, und räumte ein, dass die Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war. Die Risse hatten immer existiert – sie hatte sie in der ersten, alles verzehrenden Leidenschaft bloß nicht beachtet. Damals war ihr alles möglich erschienen.

Auch sie traf Schuld, denn sie hatte das Vermögen und den luxuriösen Lebensstil ihrer Familie heruntergespielt und Nikos dadurch getäuscht. Selbstsüchtig hatte sie sich verhalten. Aber die Euphorie darüber, die Fesseln von Kandy Kate endlich los zu sein, war dermaßen befreiend gewesen, dass sie bestimmte Informationen weggelassen hatte, um das Hochgefühl möglichst lange auszukosten.

Eine Weile nur hatte sie Kate O’Connor sein wollen. Eine normale junge Frau aus einer Durchschnittsfamilie, die das riesige Glück gehabt hatte, sich in den wunderbarsten Mann auf diesem Planeten zu verlieben.

Dummerweise erzählte sie ihren Eltern nichts von Nikos. Auch nichts von der Wirbelwindverlobung und dass sie so bald wie möglich heiraten wollte. Weil sie wusste, was dann passierte. Ihre Mutter würde im Dreieck springen und verlangen, die Verlobung umgehend zu lösen, weil ihre Tochter auf keinen Fall einen mittellosen griechischen Nichtsnutz heiraten durfte. Kates armer Vater wäre wie immer hin- und hergerissen zwischen den beiden Frauen in seinem Leben und würde sein Bestes versuchen, um Frieden zu stiften.

Also beschloss sie, die Verlobung geheim zu halten. Doch als die Nachricht eintraf, ihr Vater sei schwer erkrankt, machte sich ihr kleines Geheimnis selbstständig.

Sie plante ihre Rückkehr nach New York. Nikos wollte sie begleiten. Das durfte Kate nicht zulassen, schließlich wussten ihre Eltern nichts von ihm. Sie konnte nicht an seiner Seite nach Hause kommen und riskieren, dass sich der Zustand ihres Vaters wegen ihrer Hochzeitspläne verschlechterte.

Deshalb bestand sie darauf, dass Nikos auf Kreta blieb. Sie erinnerte sich noch gut an seinen verletzten Gesichtsausdruck. In der Sonne stand er da, so groß und stolz, und zog die dunklen Brauen überrascht zusammen.

Es brach ihr fast das Herz. Obwohl sie ihm eigentlich um den Hals fallen und für immer in seinen Armen bleiben wollte, schlang sie ihren Rucksack über die Schulter und drehte sich um.

Wäre alles anders gekommen, wenn sie ihm damals reinen Wein eingeschenkt hätte? Wieder und wieder hatte sie die Situation im Geiste durchgespielt, aber das änderte nichts.

Nikos’ Kränkung verwandelte sich in beherrschten Ärger, und Gereiztheit senkte sich wie eine kalte Wolke auf das Paar. Der flüchtige Kuss auf die Wange, den er ihr zum Abschied gab, unterstrich die wachsende Kluft zwischen ihnen.

Zwei Wochen später starb Kates Vater. Sie versuchte, die Beerdigung zu organisieren, ihrer schon immer seelisch fragilen Mutter beizustehen und ihre eigene tiefe Trauer zu verarbeiten – da tauchte Nikos auf. Unangekündigt. Ohne Einladung. Kate sehnte sich nach ihm, brauchte ihn mehr als irgendeinen anderen Menschen. Obwohl ihr Herz bei seinem Anblick einen Satz machte, geriet sie in Panik.

Hatte sie ihm nicht ausdrücklich gesagt, er solle auf Kreta bleiben? Seine Ankunft würde nichts als Ärger auslösen. Und der fing sofort an.

Nach wenigen Minuten war ihr Geheimnis keins mehr. Nikos stellte seine Reisetasche ab und blickte sich verdutzt in dem luxuriösen Penthouse um, bevor er Kate steif umarmte.

Mit untrüglichem Gespür für Timing kam Fiona herein und wollte wissen, wer diese Person war. Nikos sprach ihr sein Beileid aus und stellte sich als Verlobter ihrer Tochter vor, da schrie Fiona auf und griff sich mit zitternder Hand an die Kehle.

Kate hatte keine Wahl gehabt. Sie hatte den Schaden begrenzen und ihre Mutter beruhigen müssen. Auch wenn sie Nikos dadurch wegstieß.

An jenem letzten Abend – nach der Beerdigung ihres Vaters – war ihre brüchige Welt endgültig zusammengestürzt.

Als sie an ihrem Tiefpunkt gewesen war, hatte Nikos sie angegriffen, ihre halbherzigen Rechtfertigungen abgetan und ihr mit seinen Worten Schmerzen zugefügt, von denen sie sich nie wieder erholen konnte …

Sie legte sich auf die Seite, rollte sich zusammen und dachte daran, wie er heute Abend ausgesehen hatte. Verschwunden war der lässige Typ in ausgebleichten Jeans, die tief auf den Hüften saßen, oder Badeshorts, die von der Sonne und dem Meerwasser ausgefranste Säume hatten. Verschwunden waren auch die vom Wind zerzausten dunklen Locken. Jetzt trug er die Haare kurz, gezähmt und sorgfältig gestylt, wie der Rest seines Körpers. Im Smoking bewegte er sich mit dem Selbstbewusstsein eines wohlhabenden Mannes, und er strahlte eine weltmännische Arroganz aus, die demonstrierte, dass er es geschafft hatte.

Die Erinnerung versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Kate vergrub das Gesicht im Kissen. Nikos besaß genügend Geld und Kontakte, um ihre Firma zu retten, überlegte sie nicht zum ersten Mal. Allerdings würde sie ihn auf keinen Fall darum bitten. Sie mochte zwar nur noch ein Fitzelchen Stolz besitzen, aber dieses Fitzelchen würde sie ihm garantiert nicht opfern. Nein, eher gefror die Hölle, als dass sie vor ihm zu Kreuze kroch.

2. KAPITEL

Nikos betrachtete das imposante verglaste Hochhaus in Manhattan. Es überraschte ihn, dass sich die Zentrale von Kandy Kate noch dort befand. Seinen Informationen zufolge waren sämtliche Büros und Wohnungen verpachtet, auch wenn der Bau nach wie vor KK Towers hieß.

Bernie O’Connor hatte das glänzende Symbol für den Erfolg des Kandy-Kate-Imperiums einst feierlich eingeweiht. Nikos hatte ihn nie kennengelernt, aber anscheinend war der Mann ein scharfsinniger Unternehmer gewesen – das respektierte er. Um Kandy Kate in einem kompetitiven Markt zum Erfolg zu führen, brauchte man Intelligenz und Mut.

Schade, dass Bernie diese Eigenschaften nicht in seinem Privatleben eingesetzt, sondern eine völlig unpassende Frau geheiratet hatte.

Fiona war ein Snob. Ihre Unhöflichkeit hätte Nikos möglicherweise noch hinnehmen können. Immerhin hatte die Frau gerade ihren Ehemann verloren, als er ihr begegnet war. Sogar ihre Feindseligkeit hätte er unter diesen Umständen entschuldigen können, auch, weil Kate nichts von ihm erzählt hatte. Doch das unverhohlene Entsetzen in ihrem Blick, das hatte ihn getroffen.

Und Kate …

Nikos reckte das Kinn vor und marschierte durch die Drehtür in ein lichtdurchflutetes Foyer. Wer gab ihm das Recht, Bernie wegen dessen Partnerwahl zu kritisieren, wenn er dengleichen Fehler gemacht hatte?

Mit der Wucht eines Tornados hatte es ihn erwischt. Von jetzt auf gleich war seine eiserne Regel, sich auf keine Frau emotional einzulassen, über Bord gegangen. Wie berauscht hatte er Kate bei der Hand genommen, sich mit ihr wie von einer Klippe ins Ungewisse gestürzt und jeglichen Selbstschutz vergessen. Total vereinnahmt von dieser übermächtigen, verzehrenden Sache namens Liebe, hatte er nicht anders gekonnt, als seinem Herzen zu folgen.

Noch nie war er einer so schönen, lustigen, gescheiten Frau begegnet. Zusammen verbrachten sie einen himmlischen Sommer in Agia Loukia, seiner Heimatstadt. Dieses Glück hält ewig, glaubte er. Als Kate seinen Heiratsantrag annahm, war sein Leben vollkommen.

Zu spät erkannte er, dass man irgendwann zwangsläufig wieder auf der Erde landete. Und die Bruchlandung von ihm und Kate war eine Klasse für sich.

Fiona und Bernie O’Connor wussten nichts von ihm. Das war der erste Schlag in die Magengrube. Kein Wunder, dass Kate ihn nicht nach New York hatte mitnehmen wollen.

Schnell wurden die ersten nagenden Zweifel, sie schäme sich für ihn, zur Gewissheit, so kalt und distanziert behandelte sie ihn … Hielt ihn auf Armeslänge von sich und schob ihn weg. Fort war die warmherzige, liebevolle Frau, in die er sich auf Kreta verliebt hatte. Ersetzt durch eine, die er nicht wiedererkannte und die ihm kaum in die Augen schauen konnte.

Der Streit hatte etwas Unausweichliches an sich gehabt. Trotzdem war die Trennung weitaus schwerer und schmerzhafter gewesen, als Nikos sich hatte vorstellen können. Herauszufinden, was Kate tatsächlich über ihn dachte, was für eine niedrige Meinung sie von ihm besaß, hatte sich wie ein Stich ins Herz angefühlt. Das tat es noch heute.

Aber nun war es höchste Zeit, diese Erinnerung auszulöschen. Das Blatt hatte sich gewendet. Und Nikos wollte Vergeltung.

Der Concierge zeigte ihm, welcher Aufzug zur Zentrale von Kandy Kate führte. Nicht das goldglänzende Exemplar am Ende des Foyers, sondern ein deutlich kleineres mit einem altmodischen Metallgitter, das man von Hand zuziehen musste. Langsam ging es abwärts, bis Nikos glaubte, er sei unterwegs zum Mittelpunkt der Erde.

Er kam unangemeldet, um Kate nicht die Chance zu geben, sich aus dem Staub zu machen oder hübsche kleine Lügen zurechtzulegen. Seiner Erfahrung nach war ein Überraschungsmoment stets nützlich.

Das Büro von Kandy Kate lag am Ende eines langen Korridors. Nikos klopfte laut an die Tür und trat ein.

Der Raum war klein, dunkel und leer. Fenster gab es nicht. Eine Glühbirne warf kaltes Licht auf einen unordentlichen Schreibtisch und zwei Holzstühle. Ein Rascheln zu seiner Linken lenkte seine Aufmerksamkeit auf ein weiteres Zimmer, kaum größer als ein Schrank. Dort hockte ein Mann oder eine Frau undefinierbaren Alters vor einer herausgezogenen Schublade.

„Hallo!“, rief Nikos. „Ich suche Kate O’Connor.“

Die Gestalt erstarrte. Dann erhob sie sich langsam, und Nikos stockte der Atem. Natürlich. Ohne sich umzudrehen, zog sie sich die kleinen Kopfhörer aus den Ohren und das Handy, das sie mit Musik versorgt hatte, aus der Hosentasche. Die Form des Hinterkopfes, der lange elegante Hals …

Autor

Andie Brock

Schon als kleines Mädchen hatte Andie Brock eine blühende Fantasie. Während sie ihrer Familie erstmals im Alter von vier Jahren ihre unsichtbaren Freundinnen vorstellte, nutzt sie ihre kreative Energie inzwischen für ihre Romane. Die imaginären feenartigen Freundinnen sind längst ausgetauscht worden; im Mittelpunkt von Andies höchst emotionalen, romantischen Geschichten stehen...

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