Stille Nacht, sinnliche Nacht …

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Lady Julia fürchtet Mitgiftjäger und verschweigt Giles Markham ihr Vermögen. Aber je länger sie mit dem attraktiven Captain eingeschneit ist, desto sehnlicher wünscht sie, ihm nichts mehr zu verheimlichen …


  • Erscheinungstag 12.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504850
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Wann hatte sie zum letzten Mal Schnee gesehen? Es musste mindestens neun Jahre her sein, seit sie aus England fortgegangen war. In der Hitze Bengalens hatte sie sich daran als hübsch und flockig-weich erinnert. Nicht wie das hier, massig und von einer unterschwellig bedrohlichen Schönheit. Die sich auftürmenden Schneewehen, Meereswogen gleich, drängten auf den Fahrweg, als wollten sie die Kutsche ganz und gar verschlingen. Oh, kein guter Gedanke!

Neben sich spürte sie ein krampfartiges Schaudern, verzerrt gespiegelt in dem beschlagenen Glas des Fensters, doch als Julia sich ihrer Stieftochter zuwandte, lächelte die ihrem heftigen Zittern zum Trotz.

„Miri, Liebes, es tut mir leid, dass es so kalt ist. Ich hatte nicht nachgedacht; ich wollte nur von dieser grässlichen Frau fort.“

„Die Tante ist seltsam, nicht wahr? Ich nehme an, sie war wütend, weil mein Vater sie in seinem Testament nicht bedacht hat.“ Miri zuckte die Achseln, ihre schlanken Schultern kämpften gegen die Last der vielen warmen Decken. „Und ich habe auch nicht erwartet, dass sie mich mag, aber immerhin hat sie uns ein Heim geboten, während du deine Angelegenheiten geklärt hast.“

Natürlich mochte Grace Watson ihre Nichte nicht. Miriam war ein uneheliches Kind, halb Inderin und sehr schön. Wie hätte eine bigotte Frau mit einer eigenen faden, noch unterzubringenden Tochter sie mögen können?

„Hast du es nicht gemerkt? Meine fromme Schwägerin wollte mich verkuppeln, weil natürlich die unanständig reiche Witwe eines Nabobs einen Mann braucht, der sie von ihrem Reichtum befreit.“

„Nein! Du meinst jene Gesellschaften und Empfänge waren gedacht, dich wie eine Ware auf dem Markt anzubieten? Kein Wunder, dass du so wütend bist.“

„Zu wütend, als dass ich es dir hätte vernünftig erklären können. Entschuldige, du musst gedacht haben, ich hätte den Verstand verloren, dich da gestern um fünf in der Frühe aus dem Haus zu zerren.“ Julia geriet nicht oft in Rage, aber wenn, dann war es wie ein Steppenbrand, der alles, was im Weg war, vernichtete.

Miri hielt zahm den Mund und überließ Julia ihrem wutkochenden Schweigen, das nur durch knappe Befehle an Lakaien, Kutscher und Gastwirte unterbrochen wurde.

Schließlich seufzte Julia. „Ich muss gestern eine abscheuliche Gefährtin gewesen sein. Ich hätte mit dir reden müssen. Weißt du, gestern hörte ich zufällig, wie deine Tante mit Sir James Walcott darüber verhandelte, was er ihr zahlen würde, falls ich ihn heirate.“ Sie atmete tief durch. „Die ganze Nacht habe ich dann darüber gebrütet, und die Vorstellung, ihr mürrisches Gesicht beim Frühstück zu sehen, war einfach zu viel.“

„Ich mochte Sir James durchaus.“

„Ich auch“, räumte Julia grimmig ein.

„Du bist wirklich sehr reich.“ Miri klang, als bisse sie die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten. Gegen das Wetter an einem späten Dezembertag in Norfolk konnten auch Pelzdecken und Wärmflaschen nicht allzu viel ausrichten.

„Ah, unanständig reich.“ Auch Julia biss die Zähne zusammen, doch nicht wegen der Kälte. „Und es ist eine wohlbekannte Tatsache des Lebens, dass unanständig reiche Witwen leichte Beute für jeden verarmten Gentleman sind, der Lust hat, seine Taschen zu füllen. Letztendlich ist Geld zu heiraten nicht das Gleiche, wie sich zu einer geschäftlichen Tätigkeit herabzuwürdigen und es wahrhaftig zu verdienen.“

Sie schwiegen, da die Kutsche durch eine neue Schneewehe pflügte, während Julia schon bereute, aufgrund ihres hitzigen Temperaments hier gelandet zu sein.

„Was willst du also nun tun?“

„Sehen, wie dieses Haus so ist, das dein Vater mir hinterließ. Große Hoffnung habe ich nicht, aber wenn es zumindest ein Dach hat, werden wir dort über Weihnachten bleiben, und bis zum neuen Jahr habe ich einen Plan.“ Sie hatte immer einen Plan, und normalerweise gingen diese auch auf – anders als ihr Geistesblitz, Indien zu verlassen und mit ihrer Stieftochter und ihrem Vermögen nach England zurückzukehren, damit rechnend, dort ganz leicht ein neues Leben zu beginnen.

Sie hatte Miri alles geben wollen, was eine gestrenge Erziehung ihrer Stieftochter verweigert hatte, hatte einen liebenden Gatten für sie finden wollen. Nun argwöhnte sie, dass Miri in Indien glücklicher gewesen wäre, wenn sie mit einer guten Mitgift versehen, ihre eigene Wahl hätte treffen können. Hatte sie sie aus ihrem eigenen Bedürfnis nach Gesellschaft heraus mit hierhergeschleppt? In ihrer Ehe war sie so einsam gewesen, dass sie den Verstand verloren hätte, wenn Miris herzliche Zuneigung nicht gewesen wäre, als deren Vater seine junge Braut heimführte.

Nichts ist hier in England leicht, dachte sie. Gar nichts. Hier schien Geld für eine unabhängige Frau ein Fluch zu sein. Oder war vielleicht der Wunsch nach Unabhängigkeit der eigentliche Fluch?

„Es ist bestimmt schön, ein richtiges ländliches englisches Weihnachtsfest zu feiern.“ Darauf wenigstens konnte man sich freuen. „Plumpudding, Glühwein, das Haus mit Immergrün zu schmücken, um ein großes loderndes Feuer zu sitzen … Wir geben dem Personal am Weihnachtstag frei und lauschen ihnen, wie sie Weihnachtslieder singen. Du wirst es großartig finden, Miri. Ich kann mich aus meiner Kindheit noch so gut daran erinnern. Für Kinder ist Weihnachten wunderschön.“ Entschieden verbannte sie das Bild und malte sich stattdessen einen väterlichen alten Butler aus, eine rotwangige Köchin und fröhlich werkelnde Hausmädchen und Lakaien … „Aber was wir auch sonst tun, vergiss nicht, dass wir beide Damen in bescheidenen Verhältnissen sind.“

„Gewiss.“ Miri nickte entschlossen. „Wir kleiden uns schlicht und warm und lassen unseren Schmuck in seinen Schatullen. Letztendlich suche ich ja nicht nach einem Ehemann, und du willst keinen, der dich nur wegen deines Geldes begehrt.“

Damit waren sämtliche Gentlemen Englands ausgeschlossen.

Wer würde schon eine Witwe von fünfundzwanzig mit fahlbraunem Teint haben wollen außer um ihres Geldes willen? Es war nur gut, dass sieben Jahre Ehe ihr jeden romantischen Wahn, den sie je über diese Institution gehegt haben mochte, ausgetrieben hatten. Was Miri anging, würde Julia alles in ihrer Macht Stehende tun, um deren Träume wahr werden zu lassen, wenn sie denn einen Mann fand, den sie haben wollte. Sofern dieser sagenhafte Liebste solch ein Juwel wie Miri es war verdiente. Und wenn das bedeutete, dass sie, Julia, sie verlieren würde, weil sie zurück nach Indien ging, musste sie Miri selbstverständlich ziehen lassen. Sie durfte sie nicht selbstsüchtig an sich binden.

Derweilen aber bibberten sie irgendwo in der Einöde. „Wie lange dauert das denn noch?“ Julia klopfte gegen das Wagendach und ließ das Fenster hinab. Eisig kalte Luft strömte herein, begleitet von einem Schwung Schneeflocken. „Thomas?“

„Mylady?“ Der Kutscher, das Gesicht rot vor Kälte, drehte sich um und beugte sich zu ihr hinab.

„Wie weit ist es noch?“

„Ungefähr eine Meile, denke ich. Durch den Schnee lässt sich bei der Geschwindigkeit die Entfernung schlecht schätzen.“

„Wir halten am nächsten Gasthaus. Miss Chalcott ist ziemlich durchgefroren.“

„Außer Chalcott Manor kommt nichts mehr. Das hier ist eine Sackgasse.“

„Na, wunderbar!“ Julia seufzte abermals, während Thomas sich wieder aufrichtete. Doch ehe sie das Fenster schließen konnte, beugte er sich erneut hinunter.

„Mylady, da ist jemand vor uns auf der Straße. Ein Mann zu Fuß.“

„In diesem Wetter? Wir nehmen ihn besser mit.“

Als sie sich näherten, wandte der Mann sich um; er wirkte größer und geradezu monströs massig, je näher sie kamen. Julia spähte durch das Schneetreiben und sah, dass die dicke Lage Schnee auf Kopf und Schultern des Mannes ihn noch gewaltiger erscheinen ließ, außerdem hielt er etwas Großes, Schwarzes an seine Brust gedrückt.

„Sie da!“, rief Thomas ihn an. „Sind Sie in Schwierigkeiten?“

„Schwierigkeiten? Aber nicht doch“, lautete die sarkastische Antwort, die mit tiefer, selbstbewusster Stimme gesprochen wurde. Unwillkürlich zuckten Julias Lippen amüsiert. „Ich habe kein Pferd, kenne den Weg nicht und spüre meine Glieder nicht mehr, aber ansonsten genieße ich diesen ländlichen Spaziergang.“

„Ihre Ladyschaft sagt, Sie möchten lieber in den Wagen steigen, Sir.“

Julia öffnete den Schlag, dann keuchte sie auf, als der Mann sich ihr zukehrte. „Was, bei Gott, ist das?“

„Ein Truthahn, Mylady.“ Er schob seine Last ein wenig höher, und ein hässlicher blau-roter Kopf auf nacktem faltigen Hals stieß jäh aus der Front des Mantels hervor und gab ein raues Kollern von sich.

„Der lebt ja!“

„Ja, Mylady, das ist mir auch aufgefallen. Darf ich einsteigen? Der Schnee weht schon auf Ihre Decken, und wenn ich noch länger hier stehe, friere ich am Boden fest.“

Miri, stets praktisch, reichte ihm eine Decke. „Wickeln Sie ihn da hinein, dann können Sie ihn in den Wagen heben.“

Der Mann schaute unter seinem schneebehäuften Hut hervor, und ihm klappte der Mund auf, wenn auch nur ein bisschen.

Den meisten Männern verschlug es minutenlang die Sprache, wenn sie Miri zum ersten Mal sahen. Es war ermüdend vorhersehbar, aber vermutlich konnte man es ihnen nicht übelnehmen. „Machen Sie rasch, ehe der Schnee uns begräbt.“

Der Truthahn ergab sich nach ein paar Sekunden wilden Flügelschlagens und Kollerns seinem Schicksal, der Mann hievte ihn derart eingeschnürt auf den Sitz, kletterte dann selbst hinein und schlug die Tür hinter sich zu.

„Weiter, Thomas!“ Julia zog das Fenster hoch und schüttelte den Schnee von ihren Röcken. „Voraus kommt kein Dorf mehr, Sir.“

„Zu dem Schluss kam ich auch langsam. Eine ganze Strecke zurück begann mein Pferd zu lahmen. Da war ein Stall mit Kühen drin und Futter, also ließ ich es da, verbarg den Sattel unter den Dachsparren und ging zu Fuß weiter, in der Hoffnung, einen besseren Unterschlupf zu finden.“

„An dieser Straße ist nichts mehr außer meinem Haus, Chalcott Manor. Ich bin Lady Julia Chalcott. Meine Stieftochter, Miss Chalcott.“

„Danke, Lady Julia. Miss Chalcott.“ Es gelang ihm tatsächlich, Miri anzusehen, ohne zu sabbern, was Julia sehr wohl zu honorieren wusste. „Ich bin Giles Markham, vormals Captain im Zwölften Dragonerregiment. Ist Lord Chalcott anwesend? Er muss sich Sorgen machen, dass Sie bei diesem unwirtlichen Wetter unterwegs sind.“

„Sir Humphrey Chalcott ist verstorben, Captain Markham.“ Sie sah die Frage in seinem Blick, die zu stellen er zu höflich war. „Er war ein Baron. Ich bin die Tochter eines Earls und habe entschieden, meinen Titel beizubehalten.“ Es war das Einzige, was von ihrem früheren Leben noch übrig war. „Warum haben Sie einen lebenden Truthahn bei sich?“

„Ich habe ihn in einer Schneewehe gefunden. Es ist eine sehr schöne Rasse, eine Norfolk Bronze. An seinem Bein hing ein Schild mit der Aufschrift ‚Bulstrode, Leadenhall Market‘. Ich nehme an, er wurde auf dem Dach der Postkutsche nach London transportiert und konnte seiner Gefangenschaft entkommen. Immerhin sind es nur noch sechs Tage bis Weihnachten.“ Er nahm seinen Hut ab, zog die Handschuhe aus und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das braun und glatt war und dringend eines Schnittes bedurfte.

Ohne den Hut hätte er kleiner wirken sollen. Aber nein. Und er erschien auch nicht weniger männlich und selbstbewusst. Das machte die Armee, nahm Julia an. Ein Offizier im Dienst würde kaum ein bescheidenes Veilchen sein. Obwohl ein solches bestimmt weniger Platz eingenommen hätte. Ihre Haut fühlte sich … merkwürdig an. Julia wollte erschauern, obwohl ihr plötzlich nicht mehr kalt war. Komisch. Vielleicht bekam sie ja eine Erkältung, was dieser unglückseligen Reise die Krone aufsetzen würde.

Worüber sprachen wir? Ah, ja. „Und an Weihnachten hat ein ordentlicher Truthahn tot zu sein. Tot, gerupft und gebraten. Und nicht in meiner Kutsche seine Federn zu verstreuen!“

„Ich habe eine gewisse Sympathie für seine verwegene Flucht, Lady Julia. Ich bin den Franzosen oft genug entwischt, um seine Gefühle zu teilen.“ Der Narbe auf seiner linken Wange nach zu urteilen, war er nicht immer ganz heil entwischt. Captain Markhams Stimme war tief, belustigt und sämig wie warmer Honig.

Ach, reiß dich zusammen, Julia. Es ist ein Mann. Ein großes, stattliches, maskulines Wesen, das deinen Wagen verstopft. Es gibt sie zwei für einen Penny, und sie sind alle gleich geldgierig.

„Das ist ein feiner Reisewagen, wenn ich das sagen darf.“ Selbst im Halbdunkel sprach das Innere mit seinem Mahagoniholz, den üppigen Polstern, den Messingbeschlägen und den vielen Felldecken von Luxus und von dem nötigen Reichtum, diesen auch zu unterhalten.

Der Wagen ist beinahe auch für ihn groß genug, dachte Julia, die verstohlen seine Bemühungen beobachtete, seine langen Beine bei sich zu behalten und mit seinen durchnässten Stiefeln nicht ihre Röcke und die Felldecken zu streifen. Männer benötigten aber auch so viel Platz! Der hier war ein Gentleman, das bewies die gebildete Stimme. Aber er war ein geschmeidiges, langbeiniges Exemplar mit gerader Nase, eigensinnigem Kinn und reichlich Bartstoppeln. Nach den glatten, geschniegelten Männern, die in Mayfair die Salons bevölkerten, war er gewissermaßen ein Schreck für den Organismus. Denn nur daher kam jenes Gefühl, ein wenig konfus zu sein – es war die Reaktion auf ein so viriles Geschöpf so nahebei.

„Man hat ihn uns geborgt“, sagte Miri zurückhaltend und log, ohne auch nur mit einer ihrer langen Wimpern zu zucken. „Er ist nicht mit den Wagen vergleichbar, an die wir in Indien gewöhnt sind.“ Wenigstens sie hielt das Gespräch in Gang und ließ sich nicht von einem Paar langer Beine den Verstand verwirren. Das hatte man davon, wenn man schamlosen und unwahrscheinlichen Fantasien frönte: Sie stiegen im unpassendsten Moment in deinen Wagen.

„Indien?“

„Wir trafen erst vor drei Wochen in England ein, Captain.“ So war es besser, kühl und höflich.

„Und kehren gerade für die Weihnachtstage zu Ihrer Familie heim.“

„Nein, wir haben in England keinerlei Familie, außer ein paar sehr entfernten Cousins.“ Julia war nicht bereit, die englische Sprache so weit zu verhunzen, dass sie ihre Schwägerin als Familie bezeichnet hätte. „Und Sie, Captain? Sind Sie auf dem Heimweg?“

„Heim.“ Er sagte das Wort, als wäre es ein ganz neuer Geschmack auf seiner Zunge, von dem er noch nicht genau wusste, ob er ihn mochte. „Bin ich wohl. Es ist lange her, seit ich das letzte Mal den Fuß auf englischen Boden gesetzt habe.“

„Sie waren auf der spanischen Halbinsel, Sir?“

„Für mehrere Jahre. Ich habe gerade meinen Abschied genommen.“

Warum das? Es herrscht immer noch Krieg, und er sieht nicht aus, als hätte er eine Verwundung erlitten, die ihn dienstuntauglich machte. Die Kutsche bog scharf nach links ab, und Julia erhaschte einen Blick auf einen Torpfosten. „Mir scheint, wir sind endlich angekommen.“

„Sie kennen das Haus nicht?“

„Nein. Es ist das Einzige, das mein Gatte mir hinterließ. Da ich ihn in Indien kennenlernte, habe ich es noch nie gesehen.“ Soweit ihr Anwalt Mr. Filbert ihr hatte sagen können, würde Chalcott Manor nicht den Eindruck erwecken, als ob sie in Geld schwömme.

Die Kutsche hielt, und alle betrachteten das rote Ziegelhaus, das undeutlich durch das Schneetreiben zu sehen war. Architektonisch erschien es keinerlei Verdienste zu haben, außer dass das Dach keine offensichtlichen Löcher und eine Anzahl an Schornsteinen besaß, beides Dinge, die ganz oben auf Julias Wunschliste für ein Haus standen – zumindest im Augenblick. In einem der Souterrainfenster schimmerte Licht, also waren wenigstens einige der versprochenen Dienstboten anwesend, doch niemand kam herbeigestürzt, um die Tür zu öffnen. Vielleicht hatte der Schnee die Wagengeräusche gedämpft.

Paul, der Pferdeknecht, öffnete den Schlag und klappte den Tritt aus. „Der Schnee ist sehr tief, Mylady.“

„Lassen Sie mich.“ Captain Markham sprang hinaus. „Wir machen einen Trampelpfad. Legen Sie einen Arm um meine Schultern.“ Die beiden Männer bewegten sich mit stampfendem Schritt vorwärts.

„Wie gut, dass wir den Captain aufgelesen haben“, stellte Miri fest, die ihnen zusah.

„Thomas und Paul hätten es auch allein hingekriegt.“

Wenigstens trug der Mann keine teure Kleidung, die Schaden hätte nehmen können. Sie hatte seine abgetragenen Stiefel bemerkt und auch die grob geflickten Ärmelränder seines Mantels. Wenn er sein Offizierspatent verkauft hatte, hätte er sich in dem Zuge ein paar respektable zivile Kleidungsstücke kaufen sollen, anstatt in dem Zustand im Land umherzuziehen.

Er kam zu ihnen zurück, während Paul kräftig an die Haustür klopfte. „Es ist sau… äh, höllisch kalt. Ich würde hier warten, bis jemand aufmacht.“

„Ich bleibe doch nicht vor meiner eigenen Schwelle zitternd in der Kutsche sitzen, Captain.“ Oder lasse mir von einem Mann Vorschriften machen. Sie stieg aus, ignorierte seine ausgestreckte Hand und schritt über den gebahnten Pfad. Hinter sich hörte sie, wie er Miri seinen Arm bot, die ihm leise dankte. Dann schoss Julias rechter Fuß in die Höhe, der linke glitt zur Seite, und sie stürzte rücklings um.

Autor

Louise Allen
<p>Louise Allen lebt mit ihrem Mann – für sie das perfekte Vorbild für einen romantischen Helden – in einem Cottage im englischen Norfolk. Sie hat Geografie und Archäologie studiert, was ihr beim Schreiben ihrer historischen Liebesromane durchaus nützlich ist.</p>
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