Stille Nacht, zärtliche Nacht ...

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Sie wird Weihnachten mit einem tollen Mann verbringen? Bei dieser Vorhersage kann Lara nur lächeln: Der Einzige, der da in Frage käme, ist Christian Blake - und der ist verheiratet, wie sie glaubt. Ein Irrtum, wie Lara bald herausfindet …


  • Erscheinungstag 27.11.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728571
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du wirst dich in einen starken, attraktiven Mann verlieben, und er wird dir zu Weihnachten einen Antrag machen.“

„Ich enttäusche Sie nur ungern, aber alle Männer, die ich treffe, sind entweder krank oder verletzt, und auf keinen Fall heirate ich einen von ihnen.“ Lara klebte das letzte Klammerpflaster auf und sah ihre Patientin lächelnd an. „Außerdem ist Liebe das Letzte, was ich jetzt brauche.“

„Jeder Mensch braucht Liebe.“

„Sie klingen wie meine Mutter“, murmelte Lara. „Und Sie haben recht, aber jetzt ist ein ungünstiger Zeitpunkt. Ich habe meine Stelle gekündigt und besuche im Januar meinen Bruder. Er ist seit sechs Monaten weg, und ich vermisse ihn schrecklich.“

„Ja, Australien ist weit entfernt.“

Überrascht sah die Krankenschwester auf. „Woher wissen Sie, wo er lebt?“

Ihre Patientin lächelte milde. „Ich bin Hellseherin, Liebes, und kann in die Zukunft blicken.“ Sie zog ihren Schal enger um ihre Schultern und musterte Lara intensiv. „Deine Aura ist rot, die Farbe von Stärke und Leidenschaft.“

„Gegen Leidenschaft habe ich nichts, und ich lerne auch gern einen starken, attraktiven Mann kennen.“ Lara griff nach einem Verband und grübelte, woher die Frau wusste, wo ihr Bruder lebte. „Ich könnte tatsächlich etwas Aufregung in meinem Leben vertragen. Aber kein Mann, egal wie umwerfend, hält mich davon ab, zu meinem Bruder zu fahren.“

„Das nicht, nein. Aber du wirst die Reise abkürzen. Du willst nicht ohne ihn sein.“

„Hören Sie auf, Thea!“ Lara sah ihre Patientin belustigt an. „Seit Sie eingeliefert wurden, sagen Sie jedem die Zukunft vorher. Fran an der Rezeption haben Sie schon damit schockiert, dass sie bis Weihnachten schwanger sein wird.“

„Warum ist das schockierend?“

„Weil sie Single ist! Sie müssen doch zugeben, dass die Veränderung von alleinstehend zu schwanger innerhalb eines Monats ein ziemlicher Sprung ist.“ Vorsichtig legte sie den Verband an und fixierte ihn. „So, das war’s. Sie können nach Hause.“

Und sie auch. Es war ihr kurzer Tag, und sie musste dringend weg.

„Ich gehe nirgendwohin, bis ich dir aus der Hand gelesen habe.“ Die Frau umfasste Laras Hand. „Lass mich mal sehen …“

Amüsiert erwiderte Lara: „Meine Hand wird Ihnen sagen, dass ich eine ledige, überarbeitete Krankenschwester bin, die keine Zeit für Romanzen hat.“

„Die Liebe kommt oft dann, wenn man nicht damit rechnet“, murmelte Thea. „Oh Liebes, du bist schrecklich einsam, nicht wahr? Du arbeitest so hart, dass du ständig müde bist, und insgeheim träumst du von einer großen, lauten Familie. Außer dir scheinen alle eine Beziehung zu haben, und du fragst dich, ob du vielleicht zu wählerisch bist.“

Lara sank auf einen Stuhl und versuchte, sich keine Angst einjagen zu lassen. „Ich habe Schatten unter den Augen, die deutlich zeigen, dass ich müde bin. Da ich Krankenschwester in der überfülltesten Notaufnahme von ganz London bin, ist es nicht schwer zu erraten, dass ich zu hart arbeite. Ich weiß nicht, wie Sie von dem Ticket nach Australien erfahren haben, aber viele Menschen fliegen dorthin, also war es wahrscheinlich einfach ein Zufallstreffer.“

Es muss Zufall gewesen sein!

Thea fuhr fort: „Du fürchtest dich vor Weihnachten, weil es das erste Jahr ist, in dem deine Familie nicht zusammen sein wird, und das macht dich traurig.“

Laras Herz verkrampfte sich. Abrupt stand sie auf und zog ihre Hand weg. „Lassen Sie den Verband in fünf Tagen von Ihrem Hausarzt entfernen.“

Thea lächelte sanft. „Du fragst dich, woher ich so viel über dich weiß, nicht wahr? Du versuchst, dir einzureden, dass ich nur eine verrückte, alte Frau bin, die Unsinn erzählt.“

„Thea …“

„Was kann ich schon wissen? Aber verstehst du, ich weiß es wirklich. Ich kann die Zukunft sehen. Dieses Weihnachten werden dir wunderbare Dinge passieren. Ein fantastischer Mann. Vier Kinder.“

Vier Kinder?“ Lara schüttelte lachend den Kopf. „Na, das wird ein Spaziergang.“

„Du wirst viel lachen.“ Thea stand auf und zupfte ihren Mantel zurecht. „Deine Zukunft liegt bei einem starken Mann, der ungeheuer attraktiv ist. Viele Frauen wollen ihn, aber mit dir wird er sein Leben verbringen. Sie werden dich beneiden.“

Lara wusch sich die Hände. Warum beunruhigten sie die Worte der Frau so, wenn es doch Unsinn war? „Und wo treffe ich diesen Traummann?“, fragte sie leicht dahin und zupfte die Papierhandtücher kräftiger als nötig aus dem Spender. „Wird er unter meinem Weihnachtsbaum liegen?“

„Manchmal muss man nach der Liebe suchen, und manchmal findet sie einen.“ Thea sah sich interessiert um. „Er ist schon hier und wartet hinter der nächsten Ecke auf dich.“

Eine Schwester eilte in den Behandlungsraum. „Lara? Ich brauche dich sofort im Schockraum. Bist du fertig, oder soll jemand für dich übernehmen?“

Schockraum? Das war’s dann wohl mit meinem kurzen Tag.

Lara warf die Tücher in den Abfalleimer. „Ich bin fertig, Jane.“ Dann drehte sie sich zu ihrer Patientin um. „Möchten Sie jemanden anrufen, der Sie nach Hause bringt?“

Thea griff seelenruhig nach ihrer Tasche. „Als ich heute früh aufgewacht bin, habe ich gleich ein Taxi bestellt. Ich wusste, ich würde fallen, also habe ich gleich meine Heimfahrt vom Krankenhaus organisiert.“

Erschüttert brachte Lara gerade noch ein Lächeln zustande. „Richtig. Nun …“ Sie räusperte sich. „Entweder kommen Sie in fünf Tagen wieder hierher, oder Sie gehen zu Ihrem Hausarzt. Und denken Sie daran, das Bein hochzulegen.“

„Und du denk daran, was ich gesagt habe.“ Thea humpelte langsam zur Tür. „Der Richtige wartet hinter der nächsten Ecke auf dich, in dieser Abteilung. Er ist der Weg zu deinem Glück. Ich habe es in deiner Hand gesehen.“

„Ich werde es nicht vergessen.“ Lara wartete, bis Thea gegangen war, und folgte Jane dann auf den Flur.

„Was war denn das?“, fragte Jane, während sie zum Schockraum eilten. „Was meinte sie damit? In deiner Hand sollte gar nichts sein, wenn du dir gründlich die Hände wäschst.“

„Offenbar steht meine Zukunft in meiner Hand. Meine Patientin ist Hellseherin. Sie hat Jack, dem Rettungssanitäter, vorhergesagt, dass seine Frau einen Jungen bekommt, obwohl der Ultraschall ein Mädchen gezeigt hat. Fran soll bis Weihnachten schwanger sein, und außerdem wartet mein Traummann, der auch noch stark und attraktiv ist, gleich hinter der nächsten Ecke auf mich.“

„Du triffst deinen Traummann?“ Janes Gesicht hellte sich auf.

Lara warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Natürlich werde ich das. Schließlich ist die Notaufnahme die ideale Umgebung für Romantik, meinst du nicht? Ich hatte schon immer eine Schwäche für gewalttätige Betrunkene.“

Jane zuckte die Schultern. „Mach ruhig Witze, aber was ist das Leben ohne Hoffnung?“

„Ich glaube, man nennt es Realität. Oh, und außerdem werde ich vier Kinder haben.“

„Vier?“

„Ich weiß.“ Lächelnd schüttelte Lara den Kopf. „Allein der Gedanke verursacht mir eine Gänsehaut.“

„Warum bist du so skeptisch? Natürlich ist jetzt ein ungünstiger Zeitpunkt, einen Mann kennenzulernen, wo du bald nach Australien fliegst. Aber so ist das Leben.“

„Du bist eine unverbesserliche Zynikerin. Außerdem ist es egal, ob ich ihn treffe, weil ich fast immer schon nach einer Verabredung weiß, warum wir zusammen total unglücklich wären.“

Schnell gingen sie den Flur hinunter und schlängelten sich an den Patienten vorbei.

„Du bist viel zu wählerisch.“ Jane warf ihr einen Blick zu. „Was hat mit dem Facharzt aus der Pädiatrie nicht gestimmt? Ich mochte ihn.“

„Er war mir zu ernst. Nach einem harten Tag brauche ich keine anstrengende Verabredung.“

„Und der Physiotherapeut mit der Brille?“

„Er wollte mich seiner Mutter vorstellen.“

„Das ist doch gut!“

„Aber nicht gleich nach der ersten Verabredung.“ Lara unterdrückte ein Gähnen. „Und er hatte einen wirklich feuchten Mund.“

„Lara.“ Jane klang gereizt. „Wenn du deine Ansprüche nicht herunterschraubst, findest du nie jemanden.“

„Aber das ist es ja“, entgegnete Lara leise. „Wenn ich irgendwann heirate, tue ich es, weil ich wirklich verliebt bin, und nicht aus Verzweiflung. Meine Eltern haben gerade ihren dreißigsten Hochzeitstag gefeiert und sind immer noch verrückt nacheinander. Das möchte ich auch. Und das bekomme ich bestimmt nicht, wenn ich mich mit jemandem zufriedengebe, der mich irritiert.“

„Aber du gibst ja niemandem eine Chance! Wenn du nur ein- oder zweimal mit einem Mann ausgehst, wie kannst du da sicher sein, dass er nicht der Richtige ist?“

„Weil wir sicher keine zwanzig Jahre schaffen, wenn er mich schon nach zwanzig Minuten verrückt macht“, antwortete Lara trocken. „Da bin ich lieber glücklich alleinstehend als unglücklich verheiratet. Aber genug davon. Was ist im Schockraum los?“

„Eine junge Frau mit Brustschmerzen und Atemnot. Und falls dein Traummann wirklich hinter der nächsten Ecke wartet, wird es bestimmt nichts, weil er weder stark noch attraktiv ist. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war er übergewichtig, stark tätowiert und stand unter Drogen. Ich habe schon die Sicherheitsleute gerufen.“

„Siehst du? Ich ziehe immer die ‚tollen‘ Typen an.“ Lara stieß die Tür zum Schockraum auf. Ihr Atem stockte, als ihr Blick auf den anwesenden Arzt fiel.

Christian Blake.

Kaum jemand war attraktiver als er mit seinem schwarzen Haar, den dunkelblauen Augen und dieser athletischen Figur. Er trug die vorschriftsmäßige und wenig schmeichelhafte OP-Kleidung, aber an ihm sah sie aus, als wäre sie extra für ihn entworfen worden.

Lara warf einen kurzen Blick auf seinen unwiderstehlichen Körper.

Er war Chefarzt. Ein Kollege.

Und außerdem war er …

„Warum muss er verheiratet sein?“, murmelte Jane halblaut, und Lara seufzte bedauernd.

„Weil die Welt grausam ist“, flüsterte sie zurück. Mit einem resignierten Schulterzucken betrat sie den Raum.

Ein starker Mann, der unglaublich attraktiv ist.

Die Worte der Hellseherin kamen ihr wieder in den Sinn, und Laras Herz überschlug sich. Es gab wohl keinen attraktiveren Mann als Christian. Seit er vor zwei Monaten in der Notaufnahme angefangen hatte, träumten und hofften alle Frauen.

Außer ihr.

Sie stand vor der Reise ihres Lebens.

Selbst wenn Christian nicht verheiratet wäre, hätte sie kein Interesse. Aber das hielt sie nicht davon ab, ihn zu bewundern.

„Falls du nach dem perfekten Mann suchst, hast du ihn gerade gefunden“, murmelte Jane, und Lara runzelte die Stirn.

„Er ist verheiratet. Wenn ich Schmerz wollte, würde ich mein Herz gleich mit einem stumpfen Skalpell entfernen, dann hätte ich meine Ruhe.“ Schnell durchquerte sie den Schockraum. „Guten Tag, Christian.“

Christian sah auf, sein Blick kühl und abschätzend. „Lara, das ist Ellen Bates. Sie ist zweiunddreißig Jahre alt und klagt über Brustschmerzen und Atemnot.“ Wie immer war er kurz angebunden, lieferte die notwendigen Details und sonst nichts.

Er zeigt nie auch nur eine Gefühlsregung, sinnierte Lara, während sie die Patientin anlächelte und nach der Blutdruckmanschette griff. Seit zwei Monaten arbeitete er hier und hielt sich sehr zurück. Nur weil seine Tochter einmal in der Abteilung angerufen hatte, wussten sie, dass er verheiratet war und Kinder hatte. Aber sonst nichts. Er arbeitete und ging nach Hause – wahrscheinlich zu seiner wunderschönen Frau. Lara war sich absolut sicher, dass so ein unglaublich attraktiver Mann eine ebenso unglaublich schöne Frau hatte.

Die Patientin fixierte Christians Gesicht. „Beim Weihnachtsessen unserer Firma habe ich mich plötzlich ganz schlecht gefühlt. Typisch. Das erste Mal seit Jahren, dass ich zum Mittagessen komme, und ich werde krank. Sonst bin ich immer zu beschäftigt.“

„Ist so etwas schon einmal passiert?“

„Ich habe ab und zu starkes Herzklopfen“, murmelte Ellen und verzog das Gesicht, als sie über ihre Brust rieb. „Aber ich dachte immer, das liegt an der Menge Kaffee und Diätcola, die ich trinke. Ich bin Rechtsanwältin und verbringe ganze Tage in langweiligen Konferenzen. Koffein hält mich wach.“

Lara schloss sie schnell an das Gerät an und überprüfte ihre Werte. Als sie sah, wie hoch Ellens Puls war, warf sie Christian einen skeptischen Blick zu, und er nickte, um zu zeigen, dass er es gesehen hatte.

„Ich möchte Sie an einen Tropf anschließen und etwas Blut abnehmen.“

Weil sie wusste, dass das Sauerstoffniveau im Blut der Patientin überprüft werden musste, schloss Lara schnell die notwendige Messsonde an Ellens Finger an und griff dann nach dem Infusionsbesteck. „Möchten Sie, dass ich jemanden für Sie anrufe, Ellen?“

„Nein, niemanden“, antwortete Ellen, ohne sie anzusehen. Fasziniert musterte sie die dunklen Stoppeln, die Christians Kinn bedeckten.

„Können wir ihre Sättigungswerte überprüfen?“

„Schon dabei.“ Lara passte die Messsonde an und beobachtete das Gerät. „Sättigung liegt bei achtundneunzig Prozent.“

„Gut. Diese können ins Labor.“ Er legte die Blutproben in eine Schale. „Ich fülle gleich die Formulare aus.“

Lara behielt die Puls- und Blutdruckwerte im Auge. „Sie ist immer noch tachykard.“

Christian schob den Infusionsständer beiseite und griff nach seinem Stethoskop.

„Ich höre kurz Ihre Brust ab, Ellen.“

Die Patientin blinzelte kokett. „Jederzeit. Ich dachte, so gut aussehende, sexy Ärzte wie Sie gibt es nur im Fernsehen. Sind Sie echt, oder wurden Sie aus Hollywood eingeflogen, um zu Weihnachten alle Patienten aufzumuntern?“

Lara beschriftete gerade die Blutproben und zuckte bei der direkten Art der Patientin leicht zusammen. Sie warf Christian einen forschenden Blick zu.

Würde er etwas dazu sagen?

Aber er reagierte gar nicht darauf. Wahrscheinlich ist er an weibliche Bewunderung gewöhnt, dachte Lara, als sie die Proben an eine Schwester weiterreichte, die sie ins Labor brachte. Er war so attraktiv, dass er wahrscheinlich ständig die Avancen verzweifelter Frauen abwehren musste.

Sie zog das EKG-Gerät näher an das Bett heran und versuchte zu ignorieren, dass Ellen noch immer mit Christian flirtete.

„Spielen Sie Poker?“ Ihre Stimme klang heiser. „Ich wette, ja. Sie haben so ein Gesicht, das nichts verrät. Unergründlich. Sie müssen Millionen gewinnen. Oje.“ Sie schloss die Augen. „Mir ist entsetzlich schwindlig. Und es liegt wohl leider nicht daran, dass ein fantastischer Mann meine Brust abhört.“

Während sie sich fragte, ob Ellen außer Christian noch jemanden wahrnahm, riss Lara einige Elektrodenverpackungen auf. „Ich muss die auf Ihrer Brust befestigen, Ellen, damit wir Ihre Herzfrequenz messen können.“

Die Patientin sah sie nicht an.

„Puls zweihundertzwanzig“, sagte Lara. Sie beobachtete den Monitor, als sie schnell und kompetent die Elektroden befestigte. „Soll ich den Kardiologen rufen?“

Christian hängte sich das Stethoskop wieder um den Hals und nickte kurz. „Bitte.“

Ellen umklammerte seinen Arm. „Habe ich einen Herzinfarkt?“

„Wir müssen noch einige Tests machen, bevor wir eine Diagnose stellen, aber ich glaube nicht, dass Sie einen Herzinfarkt haben, Ellen.“ Sein Blick wanderte zu Lara, als sie gerade das Gerät anstellte. „Können wir ein EKG machen?“

„Kommt sofort.“

Ellen stöhnte und rutschte unruhig auf dem Bett hin und her. „Ich fühle mich so verschwitzt. Oh Gott, es ist etwas Schlimmes passiert, habe ich recht? Ich wusste es, ich habe in letzter Zeit zu hart gearbeitet.“

„Versuchen Sie, ruhig zu bleiben“, murmelte Lara, aber sie wurde ignoriert. Die ganze Aufmerksamkeit der Patientin ruhte auf Christian, der das leise summende EKG-Gerät beobachtete. „Das EKG zeigt eine regelmäßige Tachykardie mit schmalem Kammerkomplex und retrograden P-Wellen.“

Interessiert beugte sich Lara vor, um einen besseren Blick daraufwerfen zu können. „Hmm. Da sind ein verkürztes PR-Interval und eine Delta-Welle.“

Christian sah sie erstaunt an. „Ja“, murmelte er, „stimmt.“

„So …“ Warum starrt er mich so an? „Adenosin oder direkt Kardioversion?“

Er starrte noch immer. „Wir geben ihr sechs Milligramm Adenosin über eine Schnellinfusion und sehen, ob wir sie wieder in den Sinusrhythmus bekommen.“

Schnell bereitete sie das Medikament vor und reichte es Christian.

„Was ist los?“ Stöhnend rieb Ellen mit ihrer Hand über ihre Brust. „Was passiert mit mir?“

„Ellen, das Erregungsleitungssystem Ihres Herzens arbeitet nicht richtig, und Ihr Herz wird überstimuliert. Deshalb fühlen Sie sich im Moment auch so. Das Medikament, das ich Ihnen gebe, soll verhindern, dass einige der elektrischen Impulse durchkommen, und dafür sorgen, dass Ihr Herz langsamer schlägt.“ Christian spritzte das Medikament und ließ die leere Spritze dann auf den Tisch neben sich fallen.

„Ich mache einen Rhythmusstreifen“, sagte Lara, programmierte das EKG-Gerät und ging dann zur Seite, damit er den Ausdruck sehen konnte.

„Jetzt geht es mir etwas besser, aber mein Gesicht fühlt sich so heiß an“, seufzte Ellen.

„Das ist eine Nebenwirkung des Medikaments, aber Sie müssen sich keine Sorgen machen.“ Christian beobachtete den Monitor. „Ich überweise Sie für weitere Tests an die Kardiologen.“

„Wissen Sie, was nicht stimmt?“

„Die elektrischen Ströme, die Ihr Herz kontrollieren, arbeiten nicht richtig. Einfach ausgedrückt, nehmen sie eine Abkürzung.“

„Ich bin Anwältin, ich vertrage die Wahrheit.“

Christian musterte sie kurz. „In Ordnung. Wissen Sie etwas über die normalen Leitungsbahnen des Herzens?“

„Nein, aber ich lerne schnell.“

Christian zog ein Stück Papier und einen Stift aus seiner Tasche und fertigte schnell eine Skizze an. „Im normalen Herzen beginnen elektrische Impulse im SA-Knoten im rechten Atrium. Die Atrien sind die Kammern oben im Herzen … Dann gehen sie weiter durch den AV-Knoten im unteren Bereich des Herzens. Dieser Knoten beschränkt die elektrische Aktivität und agiert als Bremse für die Herzfrequenz.“

Ellen sah auf die Zeichnung. „Und bei mir ist das nicht so?“

„Manchmal gibt es eine zusätzliche Leitungsbahn, die den normalen Prozess umgeht. Als Ergebnis kann Ihr Herz sehr schnell schlagen, und das verursacht die Symptome, die Sie heute erlebt haben.“

Lara musterte erneut das EKG. „Wenn sie eine zusätzliche Leitungsbahn hat, warum sieht dann der Kammerkomplex normal aus?“

„Weil die ventrikuläre Depolarisation über die normale Leitungsbahn erfolgen kann. Es ist eine Kombination aus vorzeitiger Erregung und normaler Leitung.“

„Ich komme nicht mehr mit“, seufzte Ellen. „Warum habe ich diese zusätzliche Leitungsbahn? Ist das angeboren?“

„Ja, manche Menschen haben sogar mehr als eine.“

„Aber warum wurde das nicht schon eher bemerkt?“

„Weil meistens die normale Leitungsbahn genutzt wird.“

„Und kann das repariert werden?“

„Äußerst erfolgreich.“ Christian faltete den EKG-Streifen und befestigte ihn an den Aufzeichnungen. „Wir überweisen Sie an die Kardiologen, die verschiedene Untersuchungen durchführen werden und sich die Reizleitung Ihres Herzens ansehen.“

Ellen runzelte die Stirn. „Und dann?“

„Wenn möglich, wird dann eine Radiofrequenzablation durchgeführt. Die zusätzliche Leitungsbahn wird zerstört, indem man elektrischen Strom hindurchleitet.“

„Klingt gefährlich.“

„Aber es ist eine sehr erfolgreiche Prozedur. Es dauert einige Stunden, und dann bleiben Sie für eine Nacht im Krankenhaus, aber mehr nicht.“

Ellen lächelte schwach. „Freizeit ist in meinem Job ein Fremdwort, sogar das Schlafen wird ungern gesehen.“

„Das kommt mir irgendwie bekannt vor“, murmelte Lara. Über die letzten zwei Monate hatte sie großen Respekt für Christian entwickelt. Er verlor nie die Ruhe und arbeitete immer konzentriert.

War er sich Ellens Avancen überhaupt bewusst?

Wie um die Theorie zu testen, lächelte die Frau ihn einladend an. „Kommen Sie mich dann besuchen? Ich begegne sonst nur langweiligen Anwälten. Und Sie treffen wahrscheinlich nur langweilige Krankenschwestern.“

„Das bin dann wohl ich“, sagte Lara leichthin, als sie die Blutdruckmanschette wieder wegräumte.

Ellen drehte den Kopf und sah sie an, als merkte sie erst jetzt, dass noch jemand im Raum war. Mit großen Augen starrte sie Lara an. „Langweilig vielleicht, aber schön“, murmelte sie mit einem schwachen Lächeln. „Wie schaffen Sie es, in diesem formlosen, blauen Ding so gut auszusehen? Ich trage Designermode und sehe nicht so gut aus. Wer macht Ihre Haare? Ihre Frisur sieht fantastisch aus.“

„Meine Haare?“, fragte Lara überrascht. „Niemand. Meistens nicht einmal ich. Ich wache so auf. Das heißt, wenn ich zum Schlafen komme.“

Ellen lächelte ironisch. „Das klingt sehr nach meiner Arbeit. Nur, dass ich nicht halb so gut aussehe, auch nicht nach elf Stunden Schlaf. Jemand muss doch die Farbe gemacht haben. Diese blonden Strähnen sind wundervoll. So natürlich.“

„Das liegt daran, dass sie natürlich sind“, murmelte Lara und erwartete einen scharfen Kommentar von Christian, aber er sah sie nur seltsam aufmerksam an.

Als würde er mich zum ersten Mal sehen.

Etwas flirrte zwischen ihnen, so mächtig wie unerwartet, aber dann wandte er sich wieder an seine Patientin und überließ es Lara, mit ihrem rasenden Herzen und weichen Knien fertigzuwerden.

Es war schwer zu sagen, wer von ihnen schockierter war.

Ich flirte nicht mit verheirateten Männern.

Und selbst wenn er frei gewesen wäre, hätte sie kein Interesse. Sie brauchte keine Beziehung.

Ellen konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Christian. „Das ist dann alles? Ich gehe jetzt zum Kardiologen?“

„Ja“, antwortete er plötzlich kurz angebunden. Dann stand Christian auf und wollte weggehen, aber sie hielt ihn am Arm fest.

„Ich gebe Ihnen meine Nummer. Falls Sie über Weihnachten allein sind, rufen Sie mich an. Ich hasse die Feiertage. Wir könnten uns gegenseitig trösten.“

Besorgt dem Mann einen Leibwächter, dachte Lara müde, als sich Christian vorsichtig aus Ellens Griff befreite.

„Ihre Nummer steht in den Unterlagen, falls das Krankenhaus Sie kontaktieren muss“, erwiderte er geschmeidig.

Ellen lachte resigniert. „Sie geben mir einen Korb, aber das war wohl vorhersehbar. Sind Sie verheiratet? Aber natürlich sind Sie das. Die wirklich attraktiven Männer sind immer verheiratet.“

Christian erstarrte.

Wie würde er jetzt reagieren?

Aber er sagte nichts. Das einzige Anzeichen dafür, dass er die Frage überhaupt gehört hatte, war das leichte Zucken eines Muskels in seinem Kinn. „Der Kardiologe ist auf dem Weg“, sagte er gleichgültig. „Er ist ein exzellenter Arzt und wird gern all Ihre Fragen beantworten. Lara? Gut gemacht.“ Er musterte sie länger als nötig. „Heute ist doch dein kurzer Tag, oder? Du hättest schon vor einer Stunde gehen sollen.“

Woher wusste er das?

Erstaunt sah Lara ihm nach, als er selbstbewusst den Raum verließ.

Er war Christian, der Chefarzt.

Und ließ keinen Blick auf Christian den Mann zu.

Wahrscheinlich hatte sie deshalb nie versucht, Fehler bei ihm zu finden.

2. KAPITEL

„Bist du aufgeregt, Daddy? Bist du?“

Christian sah in die glänzenden Augen seiner siebenjährigen Tochter. Aufgeregt? „Ich bin sehr froh, dass du so glücklich bist“, antwortete er gedehnt.

Sie schob ihre Hand in seine. „Ich bin aufgeregt. Das ist der schönste Tag meines Lebens. Sind wir bald dran? Ja? Wir haben schon so lange gewartet.“ Aggie trug einen hellrosa Mantel mit passenden Handschuhen und strahlte über das ganze Gesicht, während sie ununterbrochen plapperte. Aus den Lautsprechern plärrten Weihnachtslieder, und das dumpfe Pochen in Christians Kopf drohte zu einem scheußlichen Schmerz zu werden.

Er war den ganzen Morgen über beschäftigt gewesen, und es war schwerer als erwartet gewesen, sich für ein paar Stunden von der Station loszueisen.

Autor

Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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