Stunden der Versuchung

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Abby hat ihrem attraktiven Chef Nick, der sie seit Jahren stark fördert, viel zu verdanken. Dass Nick jedoch nicht nur ihren beruflichen Einsatz schätzt, sondern sich kaum ihrer erotischen Ausstrahlung entziehen kann, ahnt sie nicht. Als er sie für ein Wochenende in seine Berghütte einlädt, sagt sie spontan zu. Sinnliche Stunden der Versuchung beginnen …


  • Erscheinungstag 17.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755089
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Keine Küsse, Nick.“

Abigail Ridgeway eilte in der Technikabteilung des Kaufhauses an der Wand mit den vielen Fernsehschirmen vorüber, auf denen das sonntägliche Footballspiel übertragen wurde.

„Ach, komm schon, Abby, ein kleiner Kuss ist doch harmlos.“

Sie blieb stehen und drehte sich um. Nick Marchetti war ihr Chef und außerdem ein Freund. „Darüber diskutiere ich nicht“, erklärte sie. „Kein Techtelmechtel, und damit basta.“

„Deine Erwartungen sind unrealistisch.“

„Kann sein, aber du hast mich schon dazu überredet, eine Party zum sechzehnten Geburtstag meiner Schwester zu geben. Dann sollte ich wenigstens die Regeln festlegen können.“

„Na gut, aber ich warne dich. Jungs wollen immer das haben, was sie nicht haben können.“

„Ah, sprichst du etwa aus eigener Erfahrung? Du, der du immer alles hattest? Hast du jemals ein Nein gehört?“

Nicks Blick verfinsterte sich. Er fuhr sich durch sein dichtes dunkelbraunes Haar. Abby überlegte, ob sie wohl einen wunden Punkt berührt hatte. Da Nick sehr selbstbewusst war, reizte es sie, seine Schwächen zu entdecken. Er sah bemerkenswert gut aus, war intelligent, kräftig gebaut und hatte eine Menge Geld. Es konnte also nicht schaden, wenn er gelegentlich mal in die Enge getrieben wurde!

„Es geht nicht um mich, Abby, sondern um Sarah. Man wird nur einmal sechzehn. Das ist ein Meilenstein, auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, der besonders gefeiert werden sollte. Du willst doch auch, dass es ein Erfolg wird.“

Damit hatte er Abbys Frage umgangen und das Gespräch wieder auf sie gelenkt. In den fünf Jahren, die sie sich kannten, war ihr aufgefallen, dass er sehr geschickt darin war, auszuweichen. „Das schon, aber ich habe die Verantwortung für Sarah. Selbst wenn unsere Eltern noch lebten und auch der Meinung wären, dass man bei einer Teenagerparty unbedingt Flaschendrehen spielen muss, würde ich Nein dazu sagen.“

„Vielleicht hast du recht, vorsichtig zu sein. Es ist bekannt, dass sechzehnjährige Jungs eine Schwäche für ‚ältere Frauen‘ haben, und das wärst du in dem Fall.“ Er tippte ihr auf die Nase.

„Woher hast du denn das? Aus dem Manager-Seminar?“

„Ach, du glaubst mir nicht?“

„Nein. Du magst es für albern halten, aber ich bin der Meinung, dass Kuss-Spiele unter Teenagern einfach zu riskant sind.“

„Vielleicht hast du recht.“ Nick steckte die Hände in die Hosentaschen seines Anzugs. Dabei öffnete sich das Jackett, und das feine weiße Hemd wurde sichtbar.

„Übrigens“, fuhr Abby fort, „für einen Sonntagnachmittag bist du reichlich elegant angezogen. Arbeitest du heute, oder hast du noch eine Verabredung?“

„Beides.“

Nick Marchetti war regelrecht arbeitswütig. Als Mitbesitzer der Firma Marchetti’s Inc., einer Restaurantkette, war er Abbys Chef. Sie arbeitete in einem seiner Lokale, wo er jedoch nur unregelmäßig auftauchte.

Abby spiegelte sich auf einer riesigen Bildschirmfläche und strich unwillkürlich ihren zerknautschten Rock glatt. Dabei hatte sie ja heute frei und musste nicht wie sonst makellos aussehen. „Ich wusste nicht, dass du Pläne für heute Abend hattest. Bist du vorbeigekommen, weil du etwas Besonderes brauchst?“

Nick zögerte kurz. „Nein, nur das Übliche.“

„Ich bin froh, dass du dir Zeit genommen hast, mit mir einkaufen zu gehen. Aber ich muss jetzt ins Restaurant zurück. Über die Party können wir ein anderes Mal sprechen. Im Augenblick brauche ich dein technisches Know-how, mit diesem elektronischen Kram kenne ich mich nicht aus.“

„Hör mal, ich fühle mich richtig degradiert.“ Nick tat beleidigt. „Bei der Elektronik fragst du mich um meine Meinung, aber wenn es um eine Teenagerparty geht, dann nicht!“

Abby hätte am liebsten gelacht und ihn freundschaftlich in die Seite geknufft. Sie hatte sich jedoch vorgenommen, sich immer an ihre Stellung zu erinnern und sich nicht allzu vertraulich zu geben. Das Problem war nur, dass sie nicht genau wusste, wo die Grenzen waren. Das lag wohl an der besonderen Situation.

Als sie achtzehn war, waren ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ihre Schwester Sarah war damals elf, und es gab keine Verwandten, die hätten einspringen können. Auf einmal war Abby für sie beide allein verantwortlich und musste bei Sarah Mutter und Vater vertreten. Obgleich Nick sie nicht kannte, gab er ihr gleich einen Job als Bedienung in einem der Restaurants, und Abby hatte sich vorgenommen, ihn so gut wie möglich zu machen. Bislang hatte das auch geklappt. Inzwischen war sie sogar zur stellvertretenden Geschäftsführerin aufgestiegen. Nie würde sie vergessen, was Nick alles für sie getan hatte.

Dazu gehörte, dass sie immer eine gewisse Distanz einhalten wollte. Aber manchmal sagte oder tat er irgendetwas Verrücktes, und sie vergaß, dass er ihr Chef war. Er schien es normal zu finden, dass sie eine Art Freundschaft hatten, aber Abby wusste es besser.

„Die Party ist erst in einem Monat“, sagte sie und verkniff sich die scherzhafte Antwort, die ihr auf der Zunge lag. „Also haben wir noch Zeit genug, über das Flaschendrehen zu reden. Ich habe Sarah allerdings einen CD-Player zum Geburtstag versprochen, und das möchte ich heute entscheiden. Hilfst du mir nun dabei …“, sie schaute zu den Verkäufern hinüber, „oder überlässt du mich diesen Haien?“

Er nahm sie am Ellbogen und zog sie in die Abteilung, in der es CD-Player und Lautsprecher gab. „Du kannst froh sein, dass es noch so etwas wie Ritterlichkeit gibt.“ Als Abby nicht antwortete, hakte er nach: „Na? Keine freche Bemerkung dazu?“

„Nein. Wenn du recht hast, hast du recht. Ich freue mich über deine Hilfe. Aber wenn du mir vorhin gesagt hättest, dass du eine Verabredung zum Abendessen hast, hätte ich mich nicht aufgedrängt.“

„Du drängst dich nicht auf.“

„Bist du sicher, dass du Zeit für mich hast?“

„Ganz sicher.“

Abby blickte auf die ausgestellten Geräte. „Soll ich einen billigen, oder einen teuren oder etwas in der Preislage dazwischen nehmen? Sollte ich mehr auf das Design oder mehr auf die Qualität achten? Oder ein preiswertes Anfangsgerät nehmen?“

Nick zeigte auf einen CD-Player. „Das ist von einer guten Firma und hat alles, was Sarah braucht – es sei denn, sie ist technisch so ahnungslos wie du. Der Preis ist ganz vernünftig.“

Abby sah entsetzt auf das Preisschild. „Vielleicht für einen Marchetti, aber für ein Ridgeway-Portemonnaie ist der viel zu teuer, selbst wenn die mir vierzig Prozent Rabatt gäben.“

„Ich könnte …“

„Nett von dir, Nick, aber das möchte ich nicht.“

„Lass mich doch mal aussprechen.“

„Entschuldige. Sag, was du sagen möchtest, und dann lehne ich dein Angebot ab, es für Sarah zu kaufen.“

„Ich wollte dir vorschlagen, etwas dazu beizusteuern. Ich wüsste sonst nicht, was ich ihr schenken könnte, also würdest du mir damit einen Gefallen tun.“

Das war typisch Nick. Er versuchte zu helfen, ohne dass es nach Hilfe aussah. Dank seiner Kreativität hatte er es unter anderem geschafft, aus den ersten Restaurants eine ganze Kette zu machen. Abby wusste nicht recht, wieso seine Großzügigkeit sie auf einmal störte. Vielleicht weil sie kurz vorm Abschluss ihrer Ausbildung stand und schon die kommende Unabhängigkeit spürte? Ihre leise Tendenz zu fehlender Dankbarkeit sollte sie wohl mal untersuchen …

Nick war für sie da gewesen, als sie dringend jemanden gebraucht hatte. Sie versuchte, immer mit allem selbst fertig zu werden, aber wenn sie mal Hilfe brauchte, lehnte er die nie ab. Wieso hatte sie auf einmal das Gefühl, dass es besser wäre, wenn sie alles allein machte?

„Ich nehme lieber einen billigeren“, erklärte sie und zeigte auf ein Modell derselben Firma. „Das Geschenk sollte von mir als der großen Schwester allein kommen.“

„Aber was schenke ich ihr? Ich weiß nicht viel über sechzehnjährige Mädchen.“

„Ich weiß, dass sie unbedingt eine Party haben möchte.“

„Alle Teenager lieben Partys, das ist nichts Besonderes. Das hat sie mir auch schon gesagt. Aber ein Geschenk für sie zu finden …“

„Ich bin sicher, dass Madison dir gern beim Aussuchen helfen wird.“ Madison Wainright. Nicks Freundin. Ein passender Name für eine elegante Frau, die auch noch ausgesprochen schön war.

Abby hatte die beiden schon öfter zusammen gesehen. Neben der gemeinsamen Arbeit brachte Nick Madison manchmal mit zum Essen in das Restaurant, in dem Abby arbeitete. Er meinte, dort könnte er sich immer darauf verlassen, dass Service und Qualität des Essens gut seien. Abby hatte das Gefühl, dass er sich gern mit der schönen, kultivierten Frau zeigte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er je länger mit jemandem zusammen gewesen war als mit ihr.

„Magst du sie nicht?“, fragte er. „Ich finde, Madison hat Klasse.“

Seit wann kann Nick meine Gedanken lesen? dachte Abby. Sie mochte Madison, fühlte sich neben ihr aber irgendwie minderwertig. Madison hatte alles, was Abby nicht besaß.

Sie beugte sich über einen Stapel Kartons und studierte die Modellnummern, um den CD-Player herauszunehmen, den sie ausgewählt hatte. „Ich sage ja nicht, dass ich sie nicht mag.“

„Nein, aber der Ton macht die Musik. Würdest du mir bitte erklären, was du ihr gegenüber empfindest?“

„Das steht mir nicht zu.“

„Glaubst du vielleicht, sie passt nicht zu mir?“

„Ja.“

„Das heißt also, dass ich keine Klasse habe?“ Nick zog eine seiner dunklen Augenbrauen hoch.

„Du drehst mir das Wort im Munde um.“

„In den sechs Monaten, in denen ich mit Madison zusammen bin, war sie immer sehr nett. Außerdem ist sie hübsch, klug und äußerst erfolgreich. Eigenschaften, die jedem Mann gefallen.“

Womit sie theoretisch die perfekte Partnerin für Nick wäre. Abby konnte nicht sagen, warum, aber sie fand, dass Madison Wainright trotzdem nicht zu ihm passte.

Sie hatte sich schon oft gefragt, warum ein so attraktiver Mann wie Nick Marchetti, der von den schönsten Frauen begehrt wurde, dennoch unverheiratet war. Da er mit dem Thema angefangen hatte, wagte sie es, ihn danach zu fragen.

„Wieso hast du Madison eigentlich noch keinen Heiratsantrag gemacht?“

„Gibt es irgendwo eine Regel, die besagt, dass ein Mann, sobald er eine Frau bewundert, sie gleich heiraten muss?“

„Huh, wieso reagierst du denn so scharf?“

„Tu ich doch gar nicht. Na ja, vielleicht doch. Aber meine Mutter und meine Schwester nerven mich dauernd mit demselben Thema.“

„Seitdem Rosie verheiratet ist und ein Baby hat, findest du das Thema allerdings nicht mehr so abwegig wie früher, oder? Ich habe den Eindruck, dass du öfter darüber nachdenkst, selbst eine Familie zu gründen.“

„Ja, gelegentlich.“

„Also was ist mit Madison?“

Nick lehnte sich gegen ein Regal, verschränkte die Arme vor der Brust und reagierte mit einer Gegenfrage: „Und wann heiratest du?“

„Ich habe seit meinem achtzehnten Lebensjahr meine Schwester zu versorgen. In weniger als zwei Jahren wird Sarah den Schulabschluss machen und aufs College gehen. Dann bin ich frei und ungebunden. Ich sehe also schon Licht am Ende des Tunnels.“

„Aber du hast keinen Freund, oder?“

Abby fragte sich, woher er das wissen konnte, da sie ihr Privatleben für sich zu behalten pflegte. Wenn Nick nicht im Restaurant aufgetaucht wäre und sie wegen Sarahs Geburtstag gedrängt hätte, wäre sie nicht einmal mit ihm zum Einkaufen gefahren. Woher wusste er wohl, dass sie keinen Freund hatte?

Dann fiel es ihr auf einmal ein. Sarah arbeitete ja nicht für ihn und hatte deshalb keinerlei Hemmungen, ihn privat anzurufen und ihm alles zu erzählen, was ihr in den Kopf kam. Soweit Abby wusste, machte ihm das nichts aus. Sonst hätte er, als viel beschäftigter Firmenchef, dem Teenager das schon gesagt, denn Sarah redete gern. Wäre Plaudern eine olympische Disziplin, bekäme sie garantiert die Goldmedaille dafür.

„Schließlich kann ich nicht mit den Fingern schnipsen, und – husch – fällt der richtige Mann vom Himmel“, meinte Abby. Sie hörte sich nun genauso schroff an wie Nick kurz zuvor.

„Du willst mir doch nicht erzählen, dass Männer sich nicht für eine so attraktive Frau wie dich interessieren.“

Abby freute sich insgeheim über das Kompliment. „Das ist mir noch nicht aufgefallen“, behauptete sie.

„Ah, so, ich verstehe. Du weist sie also noch immer ab. Lass dir mal einen Ratschlag geben, Mädchen: Männer brauchen auch ein bisschen Ermutigung.“

„Sieh mal, Nick.“ Abby holte tief Luft. Da Nick ihr Chef war, hielt sie es für besser, sich diplomatisch zu verhalten. „Zwischen der Arbeit, dem Studium und Sarah bleibt mir fürs Ausgehen keine Zeit. Doch sobald Sarah auf dem College ist und ich meinen Abschluss habe, komme ich dran. Vielleicht gründe ich dann auch eine eigene Familie.“

Na, so was. Das mit dem Gründen einer Familie hatte Abby doch ihm geraten! Sie hatte gar nicht gemerkt, dass Nick sie in die Ecke gedrängt hatte! Er war ausgesprochen geschickt darin, anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben.

„Nur Arbeit und bloß keinen Spaß“, rügte er.

„Na gut, vielleicht bin ich eine langweilige Person.“ Abby ärgerte sich über die Wendung des Gesprächs. „Sag mal, bringst du Madison mit zu Sarahs Party?“, versuchte sie ihn wiederum abzulenken.

„Ist sie denn eingeladen? Ich weiß nicht mal, ob ich willkommen bin.“

„Selbstverständlich bist du das! Nick, ich habe dir schon erklärt, dass ich dich nur nicht gebeten hatte, mir bei der Party zu helfen, weil du selbst so beschäftigt bist.“

„Ist das alles?“

„Ja, das ist alles. Also, was ist mit Madison? Möchtest du sie nicht mitbringen?“

„Hört sich beinahe so an, als hättest du nichts dagegen.“

„Es wäre sicher interessant zu beobachten, wie sie sich beim Flaschendrehen benimmt mit einem Haufen sechzehnjähriger Jungs, die Pickel und feuchte Hände haben.“

„Anstandsdamen spielen nicht, sie passen nur auf.“ Nick zog eine Braue hoch. „Du magst sie doch, oder?“

„Ja“, sagte Abby ehrlich. Sie wusste nicht, wieso er darauf kam, aber es stimmte. Sie bewunderte Madison.

„Madison ist also auch eingeladen?“

„Sie muss nicht extra eingeladen werden. Du kannst selbstverständlich in Begleitung kommen.“

„Das tue ich, wenn du es auch tust.“

„Rechne lieber nicht damit.“

Einige Stunden später, nachdem sie zusammen eingekauft hatten, stand Nick in Abbys Haustür. Er war mit der Arbeit früher als geplant fertig geworden und wollte nicht nach Hause fahren, um dort bis zu der Verabredung mit Madison zu warten.

Eigentlich wusste er nicht recht, wieso er hier war. Zum Teil gab es noch Berufliches zu besprechen, aber ihm ließ auch Abbys Bemerkung keine Ruhe, dass sie zur Party ihrer Schwester niemanden für sich einladen wollte. Eine hübsche Person wie Abby sollte von Männern umschwirrt sein. Doch Nick schien der Einzige in ihrer Umgebung zu sein.

Ihre Wohnung lag in einem großen Gebäudekomplex inmitten einer Grünanlage mit Büschen und kleinen Wegen.

Nick hatte Abby, nachdem er ihr zum Verkauf ihres Elternhauses geraten hatte, geholfen, diese Wohnung zu finden. Das erschien ihm das Vernünftigste, denn sie war nicht in der Lage gewesen, das Haus weiter abzuzahlen. Und von ihm wollte sie keine finanzielle Hilfe annehmen. Der Erlös wurde auf ein Sparkonto für die beiden Schwestern eingezahlt. Abby hatte eine große Verantwortung zu tragen, und der Verkauf befreite sie von der Last, ein Haus finanzieren zu müssen. Gleichzeitig gewährte er ihr ein bisschen finanzielle Sicherheit.

Das war nützlich, denn wie Nick wusste, hatte Abby viel Stolz, ließ sich nur ungern helfen und tat nur das, was sie selbst für richtig hielt.

Kaum hatte Nick auf die Klingel gedrückt, öffnete Abby auch schon. Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen überrascht an.

„Ich dachte, du wärest mit Madison zum Essen verabredet.“

„Bin ich auch. In etwa einer Stunde.“

„Von der Gegend, wo sie wohnt, bis hierher ist es ziemlich weit. Wieso bist du dann hier?“

„Ich wollte die Zeit totschlagen. Darf ich hereinkommen?“

„Ja, natürlich.“ Abby trat zurück und ließ ihn eintreten.

Nick schaute sich im Wohnzimmer um, während Abby hinter ihm die Tür schloss. Der Raum war nicht groß, aber sehr gemütlich. In der Mitte standen ein beigefarbenes Sofa und ein dazu passender Sessel. An einer Wand war die Musikanlage aufgestellt, die Nick günstig für sie erstanden hatte – eins der wenigen Male, wo Abby ihn mal um Hilfe gebeten hatte, da sie von Technik wenig verstand. Neben der kleinen Küche gab es einen Essbereich, außerdem zwei Schlafzimmer, ein Bad sowie einen Arbeitsraum mit Waschmaschine und ähnlichem.

An der Wand hingen Familienfotos und schlichte Drucke sowie ein metallenes Schild. Was mich nicht umbringt, macht mich stärker stand darauf.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte Abby.

Nick schüttelte den Kopf. „Ist Sarah da?“

„Nein, sie ist mit ein paar Freundinnen ins Kino gegangen.“

„Keine Jungs dabei?“, wollte Nick wissen.

„Wenn es so wäre, hätte ich mich verkleidet, wäre heimlich mitgegangen und nicht mehr in Arbeitskleidung wie jetzt.“

Abby trug noch immer das blaue Kostüm, das sie tagsüber angehabt hatte. Allerdings hatte sie die Pumps abgestreift, und die Jacke war locker geöffnet. Ihre Seidenbluse war nicht vollständig ins Rockbündchen gesteckt, ihr blondes Haar hing leicht zerzaust um ihr ovales Gesicht. Eigentlich sah sie aus, als hätte sie gerade mit einem Mann geknutscht und wäre dabei unterbrochen worden.

Dass er an so etwas dachte, überraschte Nick. Vor allem aber, dass ihm der Gedanke, dass Abby sich mit einem Mann vergnügen könnte, irgendwie nicht behagte!

Seit dem Tag, an dem er sie kennen gelernt hatte – sie war achtzehn Jahre jung und gab sich Mühe, sich wie eine Dreißigjährige zu verhalten –‚ fühlte Nick sich verantwortlich für sie. Er hatte die Ridgeway-Schwestern sozusagen unter seine Fittiche genommen, Abby ihren ersten Job gegeben und ihrer beider Entwicklung seither verfolgt. Da war es ganz natürlich, dass er sich als eine Art Beschützer fühlte. Wenn Abby sich für einen Mann interessierte, wäre das nur allzu normal! Er ermutigte sie ja sogar dazu, sich mal zu verabreden! Wieso reagierte er dann gleichzeitig so seltsam?

Sie schaute auf die Armbanduhr. „Ist es nicht ein bisschen spät, jetzt noch essen zu gehen?“

Nick zog sein Jackett aus und hängte es über die Sessellehne, bevor er sich setzte. „Madison bereitet sich auf eine große Gerichtssache vor, die diese Woche stattfindet, und braucht noch ein bisschen Zeit. Du vertrittst doch Rebecca, oder?“

Abby nickte. „Ja, sie ist noch im Mutterschaftsurlaub. Ich muss zugeben, die hochhackigen Schuhe einer Managerin öffnen einem wirklich die Augen.“

„Wieso?“ Dabei wusste Nick es eigentlich genau. Das war der Grund, warum er am Nachmittag im Restaurant vorbeigefahren war. Er wollte jedoch nicht selbst mit dem Thema anfangen. „Du bist etwas früher als sonst zu Hause, nicht?“

Sie nickte und schob sich eine Strähne hinters Ohr. „Der große Ansturm war heute ziemlich früh zu Ende, da konnte ich eher weg.“

Ihre hängenden Schultern und der verkrampfte Mund zeigten, dass Abby etwas auf dem Herzen hatte. „Erzähl mir, was los ist.“

Abby setzte sich seufzend aufs Sofa – weit genug weg, so dass ihre Knie sich nicht berühren konnten –, schaute Nick nicht an, sondern mehr in die Ferne. Komm mir nicht zu nahe! drückte ihre Körpersprache aus.

Bei der Arbeit pflegte sie immer eine berufliche Distanz einzuhalten. In letzter Zeit hatte Nick jedoch das Gefühl, dass sie diese Distanz noch vergrößern wollte. Dabei war sie hier doch zu Hause, hier waren sie doch Freunde und nicht Angestellte und Chef! Hier konnte sie doch darüber sprechen, was bei der Arbeit vorgefallen war!

„Heute war so wenig los, dass ich einen Kellner und eine Aushilfe vorzeitig nach Hause schicken musste.“ Sie schaute ihn an. „Deshalb bist du auch ins Restaurant gekommen, nicht? Um nach dem Rechten zu sehen.“

„Ja.“ Das leugnete Nick nicht. Er hatte schon befürchtet, dass Abby heute wegen zu weniger Gäste vorzeitig nach Hause gefahren war. „Es macht dir Sorgen, dass du die Leute nach Hause schicken musstest, stimmt’s?“

„Ja, natürlich. Dabei verstehe ich das Konzept natürlich.“

„Das weiß ich.“

„Ich kenne die Geschäftsprinzipien. Wenn nicht genug Geld reinkommt, muss man das Personal reduzieren, damit es keine Verluste gibt.“

„Richtig.“

„Und der, der zuletzt eingestellt wurde, muss als Erster wieder gehen. Dabei sind es meistens die, die das Geld am dringendsten brauchen.“

„Ich verstehe.“

„Jack, der Kellner, hat eine Frau und ein Baby. Und Larry geht nebenbei zur Schule.“ Abby rang nervös die Hände.

Ein höherer Rang bedeutet Privilegien, dachte Nick. Dem am unteren Ende der Leiter ging es am schlechtesten. Doch diese Erkenntnis half nicht, einem Angestellten mit Familie zu erklären, dass er nicht so viel verdienen konnte, wie er hoffte. Nick wusste, dass Abby damit Schwierigkeiten hatte. Sie wusste ja am besten, wie es war, wenn man mit wenig Geld auskommen musste.

Einmal war es ihm ähnlich gegangen. Tom Marchetti, sein Vater, war der Ansicht gewesen, dass man Dinge am besten durch die Praxis lernte. Er war der Meinung, dass eine College-Ausbildung nur dazu befähigte, theoretisch zu denken. So hatte jeder der vier Söhne das Geschäft von der Pike auf lernen müssen.

Nick hatte am meisten gelernt, als sein Vater ihn nach Phoenix schickte, wo er sich um das erste Restaurant außerhalb Kaliforniens kümmern sollte. Aber seine größte Lektion fürs Leben hatte nichts mit dem Geschäft zu tun gehabt. Durch sein Interesse für eine der Angestellten hatte er sozusagen die höheren Weihen im Betrogen werden erhalten.

Aber das ging nur ihn etwas an, nicht Abby. Das Restaurant, in dem sie arbeitete, war das erste Lokal, mit dem die Marchetti-Kette vor zwanzig Jahren gegründet wurde. Inzwischen hatte sich viel geändert, Infrastruktur und neue Essgewohnheiten beeinflussten vieles. Genau darum war er heute auch vorbeigekommen, wie Abby richtig vermutet hatte. Sie war eine intelligente und zartfühlende Person, und dass sie den jungen Vater hatte nach Hause schicken müssen, war sicher schrecklich für sie gewesen.

„Was schlägst du vor?“

Abby blickte ihn überrascht an. „Ich? Ich bin doch nur für den Einsatz der Ersatzkräfte zuständig.“

„Ist derjenige nicht auch für den gesamten Ablauf verantwortlich?“

Abby schaute Nick nachdenklich an. „Angestellte zu bezahlen, auch wenn sie gerade Däumchen drehen müssen, ist sicher nicht akzeptabel, oder?“

„Nein. Damit verschenkt man Geld. Aber was könnte das Management sonst noch tun?“

„Na ja, darüber nachdenken, wie man mehr Gäste ins Restaurant lockt.“

„Richtig. Du hast doch ein paar Seminare besucht, was hast du dort gelernt?“

„Botschaften, Visionen, Philosophie“, antwortete sie.

„Gut, das ist Terminologie. Aber was bedeutet es für die Firma Marchetti konkret?“

Abby dachte einen Augenblick nach. „Für eine hohe Qualität sorgen, echtes italienisches Essen zu vernünftigen Preisen bieten und dafür sorgen, dass die Gäste sich wohl fühlen“, zählte sie auf.

Endlich mal jemand, der die Firmen-Memos gelesen hat, dachte Nick.

„Also gut, daran erinnerst du dich. Aber was davon ist das Wichtigste?“

„Was meinst du?“

„Was ist mit den Gästen. Welcher Typ Publikum kommt zu uns?“

„Im Moment sind es viele junge Paare, die sich gerade das erste Haus gekauft haben. Einige sind schon Eltern, und die meisten haben wenig Geld.“

„Ah, ja. Was kann man also tun, damit die ihr schwer verdientes Geld für ein Essen im Restaurant ausgeben?“

„Man könnte sie eventuell mit Gutscheinen, Werbung und Rabatten dazu bringen. Durch einen Extra-Kinder-Abend, zum Beispiel. An Tagen, an denen immer wenig los ist, könnte man vielleicht das Angebot machen: ‚Für einen Festpreis so viel essen, wie man kann‘.“

„Das sind gute Ideen“, fand Nick.

„Allerdings weichen sie von der Firmenmaxime ab, dass alle Marchetti-Restaurants gleich sein sollen, inklusive der Speisekarte.“

„Das war der Wunsch meines Vaters, aber die Zeiten ändern sich. Also müssen wir uns auch ändern und eine neue Philosophie mit einbringen.“

„Nach dem Motto: Lass die Manager managen?“

„Genau.“ Nicks Brüder waren ebenfalls alle in der Firma tätig. Joe war verantwortlich für das Personal. „Laut Joe sollte jedes Restaurant einen tüchtigen Manager haben, dem man auch die Möglichkeit gibt, individuell neue Dinge einzuführen und Veränderungen vorzunehmen.“

„Wenn also jeder Standort anders ist, müsste man auch, der unterschiedlichen Kundschaft entsprechend, Änderungen einführen können.“

„Warum nicht.“ Wenn jeder Angestellte so mitdenken würde wie Abby, wäre ich eigentlich überflüssig, dachte Nick. „Lass dir das mal durch den Kopf gehen.“

„Das mache ich.“

Sie schauten sich zufrieden an. Nick war so froh wie schon seit langem nicht. Abby schien es ähnlich zu gehen, denn ihre Augen blitzten, und – was selten bei ihr war – sie lächelte.

Doch schnell wurde sie wieder ernst. Sie schaute auf die Uhr. „Oh, je, du kommst zu spät.“

Auf einmal hatte Nick eine Idee. „Komm doch mit zum Essen.“

„Ich?“, fragte sie erschrocken.

Er schaute sich um. „Hier ist doch sonst niemand, oder? Natürlich, dich meine ich.“

„Nein, das geht nicht.“

„Selbstverständlich geht das. Madison mag dich, und du hast gesagt, du magst sie auch. Nenne mir einen triftigen Grund, wieso du nicht mitkommen kannst.“

„Na gut, aber ich nehme meinen eigenen Wagen.“

„Wieso denn?“

„Sarah und ihre Freunde sind von April Petersens Mutter ins Kino gebracht worden, und ich soll sie abholen.“

Nick dachte daran, was Abby wohl alles verpasst haben mochte, indem sie mit achtzehn zur „Mutter“ geworden war. Jetzt wollte er ihr helfen, aus Sarahs Geburtstag etwas Besonderes zu machen. Hatte jemand das irgendwann auch bei ihr getan?

Autor

Teresa Southwick
Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
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